Das Konzentrationslager Breitenau Nationalsozialismus in Nordhessen - Schriften zur regionalen Zeitgeschichte Herausgegeben vom Fachbereich Erziehungswissenschaft! Humanwissenschaften der Universität Gesamthochschule Kassel Band 18 Zum Autor Dr. phil. Dietfrid Krause-Vilmar, geb. 1939 in MarburglL., Studium der Ge- schichte, Politikwissenschaft und Erziehungswissenschaft an den Universitäten Marburg und Frankfurt/M., seit 1975 Professor für Erziehungswissenschaft an der Universität Gesamthochschule Kassel, Mitbegründer der Gedenkstätte Brei- tenau in Guxhagen, Herausgeber der Schriftenreihe »Nationalsozialismus in Nordhessen - Schriften zur regionalen Zeitgeschichte«. Dietfrid Krause-Viltnar Das Konzentrationslager Breitenau Ein staatliches Schutzhaftlager 1933/34 SCHÜREN Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Krause-Vilmar, Dietfrid: Das Konzentrationslager Breitenau: ein staatliches Schutzhaftlager 1933/34/ Dietfrid Krause-Vilmar. - Marburg : Schüren, 1997 (Nationalsozialismus in Nordhessen ; Bd. 18) ISBN 3-89472-158-8 Schüren Presseverlag GmbH Deutschhausstr. 31 • 35037 Marburg © Schüren Presseverlag 2. durchgesehene Auflage 2000 Alle Rechte vorbehalten Druck: WB-Druck, Rieden Lektorat: Georg Bucher Layout: Armin Rohrwiek Printed in Germany ISBN 3-89472-158-8 Inhalt Einleitung 9 Historisches Stichwort: Breitenau 9 Quellenlage 13 Schriftliche Quellen 13 Mündliche Überlieferung 21 Forschungsstand 22 Fragestellung 24 Die Einrichtung des Konzentrationslagers Breitenau 25 Terror und Schutzhaft im März 1933 27 Erste Schutzhaftstationen und politisch genutzte Strafanstalten 28 Beweggründe des Kasseler Polizeipräsidenten 33 Die Einrichtung des Lagers 35 Das Interesse der Arbeitsanstalt 41 Zur Bezeichnung des Lagers 45 Die Einweisung in das Lager Breitenau 47 Schutzhaft für politische Gegner 47 Die ersten Schutzhaftgefangenen 49 NSDAP und SA 55 Die Landräte und Bürgermeister 60 Denunziationen 62 Zur Herkunft der Schutzhaftgefangenen 63 Haftgründe 66 Politische Gegner 66 Führende Funktionäre 66 Mandatsträger 68 Gegen Wortführer anderer Welt- und Lebensauffassungen 73 Gegen kritische Reden und unbefangene politische Meinungsbildung 77 Antisemitische Motive 80 Gnadenlose Abrechnungen 86 Breitenau als Ort angemaßter Justizgewalt 87 Geiselnahme 88 .Erziehung, zur arischen Volksgemeinschaft 88 Schutzhaft gegen Frauen 91 Das Konzentrationslager Breitenau in der zeitgenössischen Presse Zur Berichterstattung über die Planung des KZ Breitenau Presseerklärung und Führung in Breitenau Weitere Meldungen Ergebnisse Im Konzentrationslager Unterbringung, Kleidung, Verpflegung und Versorgung Arbeiten Gesinnungsterror Schikanen und Mißhandlungen Verhältnisse und Beziehungen unter den Gefangenen Besuche, Post und Zensur Fragmente von Erinnerung an einzelne Ereignisse Das .Ehrenmakjur die SS am Fuldaberg Die Aktion sHindenburo-Eiche. Ein Lattenverschlag im Keller? Die SA-Schutzhaftgefangenen Vom KZ SonnenburginsKZ Breitenau Im KZ Breitenaujür einen Tag Die Wachmannschaften Zur Quellenlage Die erste Wachmannschaft: Hilfspolizei/SA aus Kassel Rechts-und Unterstellungsverhältnisse, Stärke des Kommandos Alter, Ausbildung, Beruf Politische Orientierung Mißhandlungen und >Abrechnungen< in Breitenau Zu einzelnenMitgliedern des Kommandos Ein Gespräch mit dem ehemaligen Poiizei-Oberwachtmeister Zusammenfassende Charakterisierung des SA-Komlnandos Die zweite Wachmannschaft: Hilfspolizei/SS Rechts- und Unterstellungsverhältnisse, Stärke des Kommandos Alter, Ausbildung und Beruf Rekrutierung aus dem iSondersturm Renthofi Zur Praxis in Breitenau Weitere StationeneinzelnerMitglieder des SS-Komnzandos Zusammenfassende Charakterisierung des SS-Konunandos 92 94 99 108 112 115 115 122 124 130 135 136 138 138 140 141 142 142 143 145 145 146 146 147 148 149 150 150 151 152 152 155 156 158 160 162 Zur Rolle des Provisoriums Breitenau bis zur Auflösung des Lagers 163 Das Herausfiltern der Unbeugsamen 163 Die Behauptung des regionalen KZ 176 Die abschreckende Wirkung 177 Die Auflösung des KZ Breitenau 183 Zu einzelnen Schutzhaftgefangenen 184 Alfred Abramowicz 184 ]ulius Dalberg 186 Kurt Finkenstein 187 Kar! Küllmer 189 Ludwig Pappenheim 191 Heinrich Parthesius 203 Paul Pickel 204 Heinrich Treibert 205 Exkurs zum Lager Breitenau in der Zeit zwischen 1934 und 1945 208 Der Umgang mit dem KZ Breitenau nach 1945 216 Die Entdeckung der Akten des Lagers 216 Stationen des Vergessens und des Verdrängens 217 Die Verantwortlichen entziehen sich 220 Zu den Folgen der Schutzhaft 222 Anhang: Die Schutzhaftgefangenen des Konzentrations- lagers Breitenau 1933/1934 227 Quellen- und Literaturverzeichnis 285 Bildnachweise 299 Abkürzungen 300 Sacherklärungen 301 Register 304 Dank 317 Einleitung Historisches Stichwort: Breitenau Breitenau ist der Name eines alten Benediktinerklosters, das in einer -brcitcn Aue: gelegen ist, die vom Zusammenfluß der Fulda und Eder dort gebildet wird. 1527 wurde es durch Landgraf Philipp als solches aufgelöst und in ein fürstliches Hofgut umgewandelt;' einige Gebäude (die Kirche und die Zehntscheune) und Gebäudeteile blieben erhalten. Breitenau war vormals auch der Sitz eines zum Amt Melsungen gehörenden Gerichts2 gewesen. Das fürstliche Hofgut wurde 1831 Staatsdomäne.' In kurhessischer Zeit bil- dete sich um die Kirche ein kleines Pfarrdorf.' In preußischer Zeit wurde diese Ortschaft Teil der Gemeinde Guxhagen im ehemaligen Landkreis Melsungen, der heute zum Schwalm-Eder-Kreis gehört.' Die ehemalige Klosterkirche Brei- tenau blieb die Hauptkirche von Guxhagen, und im Namen des Kirchspiels Guxhagen-Breitenau blieb der alte Name bis in allerjüngste Zeit erhalten." Guxhagen hat einen Bahnhof, der den Ort mit Kassel und Bebra verbindet. Pläne von Landgraf Moritz, in Breitenau 1606 eine Stadt zu gründen (ein .Hessisches Kölns) bzw. die Gebäude zu einem Lustschloß umzubauen, scheiter- ten.' Die Gebäude dienten der Gemeinde Guxhagen als Korn- und Fruchtspei- cher bzw. standen Jahrzehnte ungenutzt, bis der preußische Innenminister 1874 dem Kommunalen Bezirksverband im Regierungsbezirk Kassel die Gründung einer Korrektions- und Landarmenanstalt auferlegte." Breitenau wurde nun Ar- Christof Noll: Kloster Breitenau. In: Zeitschrift des Vereins für hessische Geschichte und Lan- deskunde 92 (1987), 27-41. 2 Landgraf Heinrich 11. hatte dieses Gericht 1357 gekauft; hierzu zählten die Dörfer Guxhagen, Büchenwerra, Ellenberg und die Höfe Fahre und Schwärzelshof G. Landau, Beschreibung des Kurfürstentums Hessen. Cassel 1842, 14, 264 u. 267. - Historisches Ortslexikon für Kurhessen. Bearbeitet von Heinrich Reimer. Marburg 1974 [Neudruck der 1. Ausgabe Marburg 1926], 63. 3 Evangelisches Pfarramt Guxhagen-Breitenau (Hg.): Kloster Breitenau. Melsungen o. ]., 34 . - Die Kurhess. Verfassung vom 4. Januar 1831 hatte die »Sonderung des Staatsvermögens vom Fideikommiß-Vermögen des kurfürstlichen Hauses« (§140)vorgesehen. Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte. Hgg. v. Ernst Rudolf Huber. Bd 1. Deutsche Verfassungsdokumente 1803-1850. Stuttgart u.a. 31978, 238-262 (Verfassungsurkunde für Kurhessen [1831]), hier 259. 4 H. Rudolph: Vollständigstes geographisch-topographisch-statistisches Ortslexikon von Deutsch- land [...] Zürich 1868, Sp. 464. 5 »Breitenau - Ortschaft Kr. Melsungen s. Guxhagen« (Meyers Orts- und Verkehrs-Lexikon. Leipzig und Wien 51912). 6 Gemeindelexikon für die Provinz Hessen-Nassau. Auf Grund der Materialien der Volkszählung vom 2. Dezember 1895 und anderer amtlicher Quellen bearbeitet vom Königlichen statistischen Bureau. Berlin 1897,22 [ 7 Ralf Löber: Das Benediktinerkloster Breitenau. In: Gunnar Richter (Hg): Breitenau. Zur Geschichte eines nationalsozialistischen Konzentrations- und Arbeitserziehungslagers. Kassel 1993 (im folgenden zitiert: Richter, Breitenau), 16-20. 8 Thomas Klein (Bearb.): Grundriß zur deutschen Verwaltungsgeschichte 1815-1945. Reihe A: Preußen. Band 11. Marburg 1979, 295. 9 Land- und Stadtkreise im Regierungsbezirk Kassel imjahr 1933 (Veränderte Karte des Landesamtesfür geschichtliche Landeskunde Marburg »Regienlngsbe- z irk Kassel und Fiirstentum Waldeck imJahre 1868«. In: Karl Dülfer) Die Regierung in Kassel vornehmlich im 19. und 20.Jahrhundert) Kassel 1960) 10 Gesamtansicht der Landesarbeitsanstalt Breitenau in den 30erJahren 11 beitshaus." Bettler, säumige Unterhaltspflichtige, Zigeuner, Prostituierte und Zuhälter wurden hier als Korrigenden und Korrigendinnen untergebracht. Auch Fürsorgezöglinge wurden nach Breitenau eingewiesen. Für Strafgefangene des Kasseler Zuchthauses Wehlheiden wurde 1911 ein Zellenbau errichtet. Diesem ehemaligen Kloster und Arbeitshaus gilt nun unser Interesse, weil hier am 16. Juni 1933 vom Kasseler Polizeipräsidenten ein »Konzentrationslager für politische Schutzhäftlinge« eingerichtet wurde, das bis zum 13. März 1934 bestand und für Schutzhaftgefangene aus dem damaligen Regierungsbezirk Kas- sel vorgesehen war." Es war nicht das einzige Arbeitshaus in Preußen, dem im Jahre 1933 ein Konzentrationslager angegliedert wurde." Die Geschichte dieses -frühen: Konzentrationslagers Breitenau in den knapp neun Monaten seines Bestehens ist das Thema der folgenden Darstellung. Nach der Auflösung des Konzentrationslagers im März 1934 wurde Breitenau wieder Arbeitshaus. Die Räume blieben nicht ungenutzt. Die Zahlen der wegen Bettelei und Landstreichens zur Nachhaft in Breitenau eingewiesenen Menschen stiegen ab Herbst 1933 wieder steil an." Während des 2. Weltkrieges wurde in Breitenau von der Gestapo Kassel ein sogenanntes Arbeitserziehungslager eingerichtet. Die meisten der insgesamt etwa 8400 Gefangenen waren ausländische Zwangsarbeiter und Zwangsarbeite- rinnen. Sie hatten sich gegen die rigiden Arbeits- und Lebensbedingungen gewehrt und wurden deshalb einer besonderen Art von »Arbeitserziehung« unterworfen. Die Haft konnte mit der Rückführung zum alten Arbeitsplatz oder mit der Einweisung in ein Konzentrationslager enden. Breitenau fungierte wäh- rend des Krieges auch als Sammellager für Menschen, über deren weiteres Schicksal bei den Verfolgungsbehörden, z.B. im Reichssicherheitshauptamt in Berlin, noch nicht entschieden war. Zahlreiche deutsche Juden aus dem Regie- rungsbezirk Kassel befanden sich als Gefangene in Breitenau in Ungewißheit, bis schließlich ein förmlicher »Schutzhaftbefehl« eintraf Am Ende des Krieges wurde auch Breitenau zum Ort eines der zahlreichen Kriegsverbrechen der letzten Phase. In der Nacht zum 30. März 1945 ermorde- ten SS- und Gestapo-Männer, die einer Volkssturm-Einheit angehörten, kurz vor dem Eintreffen amerikanischer Truppen am Fuldaberg oberhalb Breitenaus 28 Gefangene. 9 Wolfgang Ayaß: Das Arbeitshaus Breitenau. Bettler, Landstreicher, Prostituierte, Zuhälter und Pürsorgeempfänger in der Korrektions- und Landarmenanstalt Breitenau. Kassel 1992 (im folgenden zitiert: Ayaß, Arbeitshaus Breitenau). 10 Der Regierungsbezirk Kassel umfaßte damals nicht nur das heutige Nordhessen, sondern schloß Gelnhausen und Schlüchtern sowie Stadt und Landkreis Hanau ein. 11 ImJahre 1933 waren in Brauweiler bei Köln, in Benninghausen in Westfalen und in Moringen im heutigen Niedersachsen ebenfalls Konzentrationslager eingerichtet worden. 12 Ayaß, Arbeitshaus Breitenau, 264-275. 12 N ach dem Krieg blieb Breitenau noch bis 1949Arbeitshaus. 1952wurde es unter der neuen Bezeichnung »Landesjugendheim Fuldatal« - der Name Breitenau ver- schwand stillschweigend - eines der bekanntesten geschlossenen Fürsorgeheime für Mädchen, das nach heftiger öffentlich gewordener Kritik im Dezember 1973 ge- schlossenwurde. Der Landeswohlfahrtsverband Hessen (LWV) mit Sitz in Kasselwar imJahre 1953 der Rechtsnachfolger des Bezirkskommunalverbandes Kassel gewor- den. SeitJanuar 1974 befand sich aufdem Gelände des ehemaligen Klosters,Arbeits- hauses und KZ Breitenau die Außenstelle Guxhagen des Psychiatrischen Krankenhauses Haina, seit 1981 des Psychiatrischen Krankenhauses Merxhausen; als Krankenhaus wurde es Ende 1996 aufgelöst; an seine Stelle tritt künftig eine Rehabi- litationseinrichtung und ein Wohnheim für psychisch kranke Menschen. Im Jahre 1984 hat die Universität Gesamthochschule Kassel mit Unterstüt- zung des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen in Breitenau eine Gedenkstätte eingerichtet, die auf Initiative einer Projektgruppe aus Studierenden und Mitar- beitern der Hochschule entstand und inzwischen von einem Förderverein, der sich um regionale Verbreitung der Bildungsarbeit bemüht, getragen wird. Seit 1987wird die Arbeit der Gedenkstätte vom Land Hessen zunächst als Projekt, seit 1995 institutionell gefördert. Quellenlage Schriftliche Quellen Während für die meisten frühen Konzentrationslager Namen und Zahl der Schutzhaftgefangenen nicht mehr festgestellt werden können, sind für Breitenau zwei aufschlußreiche Quellen überliefert, die dies möglich machen: • die »Nachweisungen über Zu- und Abgänge im Konzentrationslager Breitenaue" • und das »Aufnahmebuch für Häftlinge vom 1.4.1933 bis 13.3.1934«14. Die »Nachweisungcn« bilden den Hauptanteil (neben einigen Schreiben und Notizen) einer Akte, die am 22. Juni 1933 auf Weisung des Anstaltsvorstehers angelegtworden war." Anlaß hierfür war die Vereinbarung zwischen dem Landes- hauptmann in Hessen, der dem Kommunalen Bezirksverband Kasselvorstand, und dem Polizeipräsidenten in Kasselüber die Einrichtung des KZ Breitenau. Darin war eine Kostenregelungvorgesehen, die detaillierte Nachweise über die Tagesbelegung 13 Archiv des Landeswohlfahrtsverbandes (LWV) Hessen: Landarmen- und Korrektionsanstalt Breitenau 1874-1949 (1976). Bestand 2. Nr. 7631. Einrichtung und Auflösung des KZ Breitenau für politische Häftlinge 1933-1934 (im folgenden zitiert: Archiv des LWV Hessen: KZ Breitenau) 14 Archiv des LWV Hessen: Landarmen- und Korrektionsanstalt Breitenau 1874-1949 (1976). Bestand 2. Nr. 7630. Aufnahmebuch für Häftlinge während Bestehens des Konzentrations- lagers 1933-1934 (im folgenden zitiert: Archiv des LWV Hessen: Aufnahmebuch). 15 Archiv des LWV Hessen: KZ Breitenau. Handschriftl. Notiz des Anstaltsvorstehers vom 22.6.1933: »Es ist eine Akte VI. B 21 mit der Bezeichnung -Aufnahme von polit[ischen] Schutzhäftlingen. anzulegen.« 13 Aktendeckelderam 22.Juni 1933aufWeisung desAnstaltsvorstehers angelegtenAkte »betr. : Konz entrationslagerfür politische Häftlinge in Breitenau« (Archiv des LWV Hessen: KZ Breitcnau) erforde rlich machte. In der Vereinbarung hi eß es : »Der aufsich tsfü h rende Poli zei- beamte übergibt nach Bezu g der Abteilung dem An staltsleit er ein Verzeichnis aller zu beköstigenden und unterzubringenden Personen und teilt eben falls alle vo rko m - m enden Veränderungen mit.«16 Während in der Regel die Originale der N achw eisungen nach Kassel an den Landeshauptmann w eitergereicht wurden , legte m an in der An stalt unter der Be- zeichnung »bc tr .: Konzentrati onslager für politisch e I-Iäftl inge in Br eitcn au « (VI B 21.1) eine Akte für die Durch schl äge der Nachweisungen an, die überli efert ist. Die en tspreche nde n N achweisungen (Format DIN A4 und Format 2 1cn1 x 33 cm) wurden vom Führer des Hilfspoli zeikommandos in Breiterrau in der Z eit vom 19. Juni 1933 bi s zum 17. M är z 1934 in unregelmäßi gen Ab ständen - je n ach 16 Ar chi v des LWV H essen : KZ Bre itenau . Ver einbarung üb er d ie Ein richt u ng des KZ Brcitcnau. Es handelt sich Ul11 eine n m aschinen sch ri ftli ch en D u rch sch lag des Sch reibens des Landeshaup t- m anns an den pp in Kassel VO Ill 15.6.1933 , den d ieser dem An staltsvor steh er in Brcit cnau zu r Kenn tn is gege be n hatte . 14 Eines der zahlreichen Begleitschreiben des Anstaltvorstehers Breitenau an denLandeshaupt- mannin Kassel zu einer vonder SA-Wachmannschafi ihm übergebenen »Nachweisung« der Gefangenen (Archiv des LWV Hessen: KZ Breitenau). 15 Eine der zahlreichen »Nachu/eisungen«, hier von einem Angehörigen der SA-Wachmann- schaft unterzeichnet und an den Vorsteher der Anstalt Breitenau gerichtet (Archiv des LWV Hessen: KZ Breitenau). 16 Aktendeckel des in der Anstalt Breitenau geführtenAufnahmebuchs (Archiv des LWV Hessen). den sog. .Z ugängen . und .Abgänge n: von Gefangen en bzw. Angehörigen der Wachmannschaft - in zwei Exemplaren zusammengestellt, unterzeichnet und dem Vorsteher der Landesarbeitsanstalt Breitenau zugestellt. " Der Vorsteher (zunächst Lande sobersekr etär ]oseph Schrötter, ab 21. Oktober 1933 Landes- oberrentmeister H einrich Klimmer) reichte sie mit sein em Begleitschreiben un- ter dem Aktenzeich en »VI.B.21 betr.: Konzentrationslager« an den Landeshaupt- mann in H essen (Sitz Kassel) weiter. Das Begleitschreiben enthielt auch die Zahl der jeweiligen .Bclcgung: des Lagers (etwa so: »Das Konzentrationslager ist zur Zeit belegt mit [z. B. 20] Hilfspolizeibeamten und [z. B. 159] Schutzhäftlin- gen.«). Die Nachweisungen sind voll ständig, die Begleitschreiben sind bis aufein Exempl ar erhalten . Di e Nachweisungen sind teils im Original, teils in Maschi- nendurchschrift erhalten. Einige Exemplare weisen am linken Heftrand das Prägezeichen »Polizeipräsidium Kassel« auf. Di e Begleitschreiben des Anstalts- leiters sind in Durchschrift erhalten . 17 Archiv des LWV I-Iesse n: KZ Breit en au . Di e N ach weisungen w urde n zunäc hs t vo n Poli zei- obe rsekre tär Faust , dann von SA-Ober sch arführer Walter K., von SS-S ch arführer (ab 12.10.1933: SS-O be rsc harfü hre r) Georg M ., vo n SS-Mann Ad am L. und vo n SS-Sturmmann (ab 24.2.1934 : SS-Rottenführer) Fritz W. zusa m me nges te llt und unter zeichnet . W . unter- zeichne te als einz iger seine M eldungen mit »F ührer des Wachkommandos« (vgl. N ach- we isunge n, 24.2.1934 ff.). Di e hand schriftlich ers te llten N achw eisungen w urde n, w ie ein Vergleich mit seine r Ha ndsc hrift ergibt (z.B . mit dem von ihm unterzeichneten Beri cht vorn 9./11.12.1933), von Adarn L. erstellt. 17 Die insgesamt 114 Nachweisungen" hielten auf den Tag genau die Ver- änderungen in der Zusammensetzung der Schutzhaftgefangenen und der SA- bzw. S5-Wachmannschaften fest. Neben dem Namen, dem Vornamen, dem Geburtsort und -datum wurden der Wohnort, die Straße und Hausnummer und der Beruf aufgeführt. In den ersten beiden Nachweisungen (vom 19. Juni 1933) wurden Mitgliedschaften in politischen Organisationen (z. B. KPD oder Kampf- bund [gegen den Faschismus], illegaler Rotfrontkämpferbund oder SPD) aufge- führt. In diesen beiden Nachweisungen wurde auch eine Zuordnung der Gefangenen nach -Stufe I< und -Stufe 11< vorgenommen. In der zweiten Nach- weisung vom 19.Juni 1933 wurde hinter dem Namen des Schutzhaftgefangenen jeweils eine -Liste- genannt, auf die Bezug genommen wurde (z. B. »Schädler, Ernst, Nr. 103 der Liste ...«). Um welche Liste es sich hier gehandelt hat, konnte nicht festgestellt werden. Die Entstehung des Aufnahmebuchs, das ebenfalls in den Anstaltsakten über- liefert ist, ließ sich nicht klären. Die Stempel »Landesarbeitsanstalt und Landes- fürsorgeheim Breitenau« (verschiedene Ausfertigungen), die Tatsache, daß zwei Personen (bis 24.6.1933 und ab 29.6.1933) die Eintragungen vorgenommen haben, sowie die mit Bleistift unregelmäßig am Rand vorgenommenen Additio- nen der Zahl der Gefangenen sprechen dafür, daß das Buch zur Zeit des Beste- hens des KZ Breitenau angelegt und geführt worden ist. Solche Aufnahmebücher wurden traditionell im Arbeitshaus Breitenau angelegt; die Bezeichnung -Aufnahmcbuch: verweist darauf: daß man hier einer hauseigenen Tradition gefolgt ist, denn es handelte sich um kein Buch, sondern um ein großformatiges Heft (30,5 x 44,5 cm), in dem, in zeitlicher Folge und fortlaufend gezählt, die Gefangenen mit Namen, Vornamen, Beruf, Geburtstag und Geburtsort, dem Tag des -Zugangs: und dem Tag des -Abgangs. handschriftlich aufgeführt sind. Einige Tatsachen stützen die Annahme, daß das Aufnahmebuch von einem Angehörigen der Anstalt Breitenau geführt wurde." In den Aktendeckel sind 15 Blatt im Format 28 x 43,3 cm des anscheinend in Gefängnissen üblichen Formulars 18 Archiv des LWVHessen: KZ Breitenau. Folgende Nachweisungen liegen vor: vom 19.Juni (zwei Nachweisungen), vom 22.Juni, vom 27.Juni, vom 1.Juli, vom 3.Juli (2), vom 7.Jnli, vorn 15.Juli (2), vom 20.Juli (2), vom 24. Juli, vom 2. August (3), vom 10. August (5), vom 12. August (2), vom 15. August, vom 19. August (2), vom 23. August, vom 27. August, vom 2. September (2), vom 11. September (2), [ohne Anschreiben, vermutlich vom 13. September] (2), [ohne Anschreiben, vermutlich vom 16. September], vom 21. September (3), vom 25. September (2), vom 30. September (3), vom 3. Oktober (2), vom 7. Oktober (2), vom 11. Oktober (2), vom 20. Oktober (6), vom 28. Oktober (4), vom 1. November, vom 11. November (6), vom 1. Dezember (11), vom 27. Dezember (5) - alle 1933 -vom 9. Januar (8), von127.Januar (6), vom 24. Februar (9), [ohne Anschreiben, vermutlich vom 17. März] (9) - alle 1934. 19 Die erste Eintragung erfolgte zu einem Zeitpunkt (1.4.1933), als die Hilfspolizei noch nicht in Breitenau stationiert war; der Stempel »Landesarbeitsanstalt und Landesfürsorgeheim Breitcnau« befindet sich auf dem Umschlag; die erhaltenen Schriftzüge sind nicht mit den Schriftzügen der die Nachweisungen unterzeichnenden Hilfspolizisten identisch. 18 »B 1 a. Namens=Verzeichnis zu den Gefangenenbüchern. - Einlagebögen« ein- geheftet. 29 Seiten sind beschrieben. Auf dem Umschlag sind zwei Stempel und die (auf einem als Etikett zugeschnittenen Zettel) angebrachte Überschrift »Aufnahmebuch für Häftlinge vom 1.4.1933 bis 13.3.1934« enthalten (in Druck- buchstaben handschriftlich, abweichend von den anderen Schriftformen). Da von den 470 Gefangenen des KZ Breitenau 39 zweimal und einer dreimal inhaftiert gewesen waren, ergab sich im Aufnahmebuch die Zahl von 511 Aufnahmen (Ziffer 1 bis 511). Dem äußeren Erscheinungsbild nach handelt es sich sowohl bei dem erwähn- ten Aufnahmebuch als auch bei den Nachweisungen um Originale. Das Aufnah- mebuch ist ein Unikat, die Nachweisungen sind originale Maschinen- Durchschriften, einige Originale. Die Nachweisungen und das Aufnahmebuch stimmen in allen Angaben über die Schutzhaftgefangenen überein. Lediglich in unwesentlichen Details finden sich Abweichungen zwischen beiden Quellen (besonders Schreibweisen von Ortsnamen sind im Aufnahmebuch eher falsch: Obervelmar, Fechtenheim, Langensebold)." Soviel zu den in der Anstalt Breitenau selbst geführten Akten. Man hätte erwarten können, daß entsprechende Unterlagen sich beim Landeshauptmann in Hessen finden, was jedoch nicht zutrifft. Der Bestand 1 im Archiv des LWV Hessen enthält keine für das KZ Breitenau bedeutsamen Akten. Weiter waren die Akten des Regierungspräsidenten in Kassel und der Land- räte des Regierungsbezirks im Hessischen Staatsarchiv Marburg heranzuzie- hen, die sich als ergiebig erwiesen. In Sachen Schutzhaft ist vor allem im Jahre 1933 dicht und häufig korrespondiert worden - zum einen, da diese von Staats wegen (anfangs durch den Landrat) angeordnet wurde, zum andern, da der Staat kostenpflichtig war. Zahlreiche Schutzhaftvorgänge sind so vollständig erhalten, daß daraus die Haftgründe bzw. Haftanlässe - die vorgeschobenen sind nicht immer leicht von den tatsächlichen zu unterscheiden - zu ersehen sind. Besonders aufschlußreich ist eine 553 Blatt umfassende Akte, die sich mit 20 Nicht immer wurden bei kleineren oder entlegenen Gemeinden die Ortsnamen so eindeutig bzw. vollständig angegeben, daß die Identität des Ortes zweifelsfrei feststeht. Es war notwendig, sämtliche Ortsnamen (der Geburts- und Wohnorte) mit Hilfe der einschlägigen Ortslexika nachzuprüfen, wobei sich auch auf diesem Wege nicht alles aufklären ließ. Die Ermittlung des Herkunftsortes und des Geburtsortes bildet für lebensgeschichtliche Studien (Standesamt des Geburtsortes bleibt maßgebend) eine entscheidende Voraussetzung. Ferner war es notwendig, bei fachkundigen Heimathistorikern in Einzelfällen nachzufragen. Dies ist bislang vollständig für die Altkreise Hofgeismar, Frankenberg, Fritzlar-Homberg, Melsungen, für die Stadt Kassel und für Schmalkalden und Büdingen geschehen. Eine Dokumentation, in der sämtliche Schreibweisen aufgenommen sind, ist in der Gedenkstätte Breitenau einsehbar: Schutzhaftgefangene des Konzentrationslagers Breitenau 1933/1934. Namen, Geburtsdaten, Geburtsorte, Wohnorte, Berufe, Haftzeiten. Alphabetisch und nach Kreisen zusammngestellt von Dietfrid Krause-Vilmar. Kassel 1987 (Archivexemplar in der Gedenkstätte Breitenau). 19 den Kosten der Schutzhaft befaßt. 21 Vergleichbare Akten finden sich bei den Landräten, wobei hier auch auf Vorarbeiten eines Forschungsprojektes des Wiesbadener Hauptstaatsarchivs zurückgegriffen werden konnte.t" Die um- fangreichen und von uns systematisch einbezogenen Akten, die unter »Polizei, Sicherheitspolizei« beim Regierungspräsidenten abgelegt worden sind, erwie- sen sich ebenfalls als aufschlußreich.23 Schließlich waren - neben kleineren weiteren Akten - die über den Kommunismus angelegten Akten für unsere Untersuchung von Belang, da die meisten Gefangenen des KZ Breitenau aus der kommunistischen Bewegung stammten bzw. der KPD angehörten.t" Keine Überlieferung fand sich in den Akten des Polizeipräsidenten in Kassel, obgleich der Regierungspräsident den Landräten die -Uberreichung der Akten des betreffenden Schutzhäftlings- an den Polizeipräsidenten verfahrensrechtlich vorgeschrieben hatte. Diese sind im Hessischen Staatsarchiv in Marburg jedoch nicht erhalten. Dajedoch der Polizeipräsident zu dieser Zeit regelmäßig in der Angelegenheit .politische Schutzhaft. an den Regierungspräsidenten zu berichten hatte, und da diese Akten überliefert sind, lassen sich aufdiesem Weg in zahlreichen Fällen die Gründe der Verhängung von Schutzhaft nachweisen. Weitere Aufschlüsse gewähren die überwiegend vollständig erhaltenen Akten der Landräte im Regierungsbezirk Kassel. Auch die Lageberichte des Kasseler Regierungspräsidenten und diejenigen der im Mai 1933 begründeten Gestapo- stelle Kassel enthalten wertvolle Hinweise auf die Haftgründe." 21 HStA Mbg 165/3878. Der Regierungspräsident in Kassel (RP). Sonder-Akten betreffend Verrechnung der Kosten für Schutzhaftgefangene. Band I (1933). Ein Band 11 ist nicht überliefert (im folgenden zitiert: HStA Mbg 165/3878). Hier findet sich eine Abschrift der Vereinbarung zwischen dem Landeshauptmann und dem pp über die Einrichtung des KZ Breitenau: Der Landeshauptmann in Hessen an den Polizeipräsidenten in KasseI am 15.Juni 1933 [Vereinbarung über Einrichtung des KZ Breitenau]. Abschrift aus dem Polizeipräsidium zur Kenntnis des RP. 22 Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden: Dokumentation des biographisch aufgebauten For- schungsprojektes zu Verfolgung und Widerstand in Hessen (im folgenden zitiert: lIIIStA Wbdn: Dokumentation). 23 HStA Mbg 165/3982. RP Kassel. Sonder-Akten betreffend Öffentliche Ruhe und Ordnung. Band 10, 11, 12, 13 (März 1933 - August 1934) (im folgenden zitiert: HStA Mbg 165/3982. Band ...). 24 HStA Mbg 165/3886. RP Kassel. Sonder-Akten betreffend die Kommunistische Partei Deutsch- lands. K.P.D. Die kommunistische Bewegung. Band 1 - 165/3886. RP Kassel betr. die KPD irn Jahre 1933. Band 2 (im folgenden zitiert: HStA Mbg 165/3886. Band ...). 25 Die Lageberichte der Geheimen Staatspolizei über die Provinz Hessen-Nassau 1933 -1936. Zwei Teilbände. Mit ergänzenden Materialien herausgegeben, eingeleitet und erläutert von Themas Klein (=Veröffentlichungen aus den Archiven preußischer Kulturbesitz, Band 22). Köln - Wien 1986 (im folgenden zitiert: Klein, Lageberichte der Gestapo). Der Regierungsbezirk Kassel 1933 - 1936. Die Berichte des Regierungspräsidenten und der Landräte. Hgg. und eingel. von Thomas Klein. Zwei Teile. (=Quellen und Forschungen zur hessischen Geschichte. Herausgegeben von der Historischen Kommission Darmstadt und der Historischen Kommission für Hessen, 64) Darmstadt und Marburg 1985 (im folgenden zitiert: Klein, Berichte des RP). 20 Fotos vom Konzentrationslager sind nicht überliefert." Schließlich war die regional- und lokalhistorische Literatur heranzuziehen. Mündliche Überlieferung Zahlreiche ehemalige Gefangene des Lagers Breitenau standen zu Gesprächen zur Verfügung. Die mündliche Überlieferung zu Breitenau ergänzt vieles und eröffnet neue Aspekte: mit einigen der ehemals Gefangenen wurden Gespräche geführt, mit anderen Briefe gewechselt; Frauen der Gefangenen und Nachfahren haben berichtet und der Gedenkstätte Dokumente und Fotos übergeben. Ich betrachte die Gespräche mit den ehemaligen Gefangenen als etwas beson- ders Wertvolles: sie haben über eine schwere Zeit ihres Lebens gesprochen und etwas von sich mitgeteilt. Ich habe daher versucht, aus diesen Gesprächen mög- lichst viel in den wissenschaftlichen Text einzubringen." Allerdings wollten einige der ehemaligen Verfolgten nicht mehr über ihre Zeit im Konzentrationslager Breitenau sprechen. So schrieb uns ein ehemaliger Ge- fangener Breitenaus auf die Anfrage, ob er zu einem Gespräch bereit sei: »Habe in meinem Leben durch meinen damaligen Leichtsinn so viel Nachteile gehabt, daß ich nicht bereit bin, irgendwelche Auskünfte zu geben. Durch Ihren Brief sehe ich, dcif3 diese Sache nach bald50Jahren mir noch immer anhängt. Im Jahre 1949 bin ich aus der KPD ausgetreten, da ich diese Politik nicht mitmachen wollte. Durch Drohungen, die ich damals erhielt, dürfte es für mich gefährlich sein, die DDR oder die Oststaaten zu besuchcn.« Ein anderer teilte mit: »Ich mochte an nichts mehrerinnert werden. Bin 78Jahre alt und möchte alles vergessen.« Die Sprache, in der wiederum andere über ihre Haftzeit in Breitenau berich- ten, hat ihre eigene Form: sie erscheint uns dicht, manchmal knapp und karg, auch fragmentarisch, meist auf das Wesentliche beschränkt. Zorn, Trauer und Verletzung klingen in ihr nach. Die Namen der Peiniger werden fast immer genauestens mitgeteilt, auch anklagend aufgerufen. Zum Beispiel so: »Am Fuldaberg wurden ich und Finkelstein [Kurt Finkenstein], Halbjude aus Kassel, im Kreis herumgejagt bei 35 Grad Wärme, sodaß wir umfielen. Von dem SA-Mann Konrad H. [er nannte den vollständigen Nachnamen] aus Kassel, jetzt wohnhaft in Melsungen. Derselbe ist verheiratet mit einer geborenen D. [auch hier war der vollständige Nachname angegeben], beide in Melsungen wohnhaft.s" 26 Erhalten ist ein nicht datierbares Foto vom -Ehrenrnal. für die SS, das die Schutzhaftgefangenen im Herbst 1933 am Fuldaberg errichten mußten (Privatbesitz), s. Abb. aufS. 139 27 Vgl. besonders Kapitel 6 [Im Konzentrationslager]. 28 Notiz über ein Gespräch mit Karl Kramm (Sohn von Georg Kramm) am 24.1.1983 (U rsula Deuker). Kar! Kramm zeigte uns ein denkwürdiges Dokument: eine unmittelbar nach der Befreiung 1945von seinem Vater aufgesetzte Erklärung, in der Georg Kramm Namen und Wohnsitz der an den Novemberpogromen in Guxhagen Beteiligten und seiner Peiniger in Breitenau nannte. 21 Jeder kann genau nachprüfen, was ich hier erkläre - bis zum Geburtsnamen der im Nachbarort Melsungen wohnenden Ehefrau des ehemaligen SA-Schlei- fers -, so könnte der Sinn dieser Mitteilung gewesen sein. Die Interpretation dieser Zeugnisse der .oral history- ist nicht einfach. Ver- trauen kann den Wahrheitsbeweis nicht ersetzen. Wie können wir zum Beispiel mit Informationen umgehen, für die wir nur ein einzelnes Zeugnis aus weit späterer mündlicher Überlieferung haben? Hat sich ein bestimmtes Ereignis tatsächlich so abgespielt wie von einem Zeitzeugen berichtet, oder täuschte das - im allgemeinen ohnehin nicht sehr zuverlässige - Gedächtnis? Die quellenkriti- sche Sichtung und Untersuchung stößt hier oft an Grenzen. Hinzu kommt die weitere Schwierigkeit, daß die Mitglieder der ehemaligen Wachmannschaften Gespräch und Mitteilung verweigert haben. Trotz öffent- licher und informeller Versuche hat sich kein ehemaliger SA- oder SS-Mann bereit erklärt, mit uns über das KZ Breitenau zu sprechen. Forschungsstand Das Konzentrationslager Breitenau gehörte zu den sogenannten .frühen: von einer regionalen staatlichen Behörde (in diesem Fall vom Kasseler Polizei- präsidenten) eingerichteten Konzentrationslagern in Preußen. Daß es eine Behör- de der mittleren Ebene war, die Breitenau eingerichtet hat, ist wichtig; denn von Seiten des preußischen Innenministeriums in Berlin verfolgte man mit den Konzentrationslagern andere Strategien, was zu einem Dissens mit dem Polizeipräsidenten in Kassel führte, auf den später einzugehen sein wird. Die Bezeichnung -frühcs: Konzentrationslager verweist auf die Monate unmittelbar nach der Machtergreifung Hitlers in Deutschland, auf das Frühjahr und den Sommer 1933. Daß es staatliche Einrichtungen waren, unterschied sie von den sogenannten .wildcn: (d.h. von SA oder SS begründeten, z.B. in einer leer stehenden Fabrikhalle oder in einem Steinbruch eingerichteten) Lagern, die ebenfalls in die Frühzeit des NS-Staates fielen. Im Deutschen Reich hat es im Jahre 1933 zahlreiche solcher frühen Konzen- trationslager gegeben. Ihre genaue Zahl und Größe ist unseres Wissens niemals untersucht worden. Die bekanntesten waren Börgermoor, Dachau, Breslau- Dürrgoy, Esterwegen, Fuhlsbüttel, Heuberg (Baden), Kemna (Wuppertal-Bar- men), Kislau (Baden), Lichtenburg, Moringen, Oranienburg, Osthofen, Sonnen- burg und Ulm-Kuhberg. Zu fast allen dieser Lager gibt es persönliche Aufzeichnungen und Berichte ehemaliger Schutzhaftgefangener. Die wissenschaftliche Bearbeitung der frühen Schutzhaftlager ist noch im Anfangsstadium. Drobisch/Wieland listen in ihrer informativen Monographie 155 solcher »berüchtigte[r] Folterstätten, Konzentra- 22 tionslager und Schutzhaftabteilungen in Polizeigefängnissen und J ustizvollzugs- anstalten« im Jahr 1933 auf 29, wobei einige .wildc- Lager in die Liste, die ergän- zungsbedürftig bleiben wird, einbezogen sind. Zum einen gibt es allgemeine Studien zum KZ-System, in denen sich Bezüge zu den frühen Lagern finden, zum Beispiel bei Drobisch/Wieland oder bei Falk Pingel". Unerläßlich für den politisch-rechtlichen Rahmen der frühen Schutz- haft sind die Arbeiten von Christoph Graf 31 und von Johannes Tuchel32• Zum andern gibt es Einzelstudien zu den bekannteren frühen Konzentrationslagern. Die erste systematische Untersuchung eines solchen Lagers hat Lawrence D. Stokes über das Schutzhaftlager in Eutin im Jahre 1979 vorgelegt." Als einige weitere sind zu nennen: HaraidJenner34 über das KZ Kuhlen, Silvester Lechner" über das KZ auf dem Oberen Kuhberg und Hans-Günter Richardi über das KZ Dachau." Zu den Emslandlagern (Börgermoor, Esterwegen, Neusustrum) gibt es Dokumentationen und Veröffentlichungen." Günter Morsch hat eine Ge- schichte des frühen Konzentrationslagers Oranienburg herausgegeben." Das KZ Columbia-Haus in Berlin ist mit zahlreichen biographischen Recherchen dokumentiert." Die frühen KZ in Bremen und Bremerhaven sind erforscht." 29 Klaus Drobisch / Günther Wieland: System der NS-Konzentrationslager 1933-1939. BerIin 1993 73 -75 (Tab. 12) (im folgenden zitiert: Drobisch/Wieland). 30 Falk Pingel: Häftlinge unter SS-Herrschaft. Widerstand, Se1bstbehauptung und Vernichtung in NS-Konzentrationslagern. Hamburg 1978. 31 Christoph Graf: Politische Polizei zwischen Demokratie und Diktatur. Die Entwicklung der preußischen Politischen Polizei vom Staatsschutzorgan der Weimarer Republik zum Geheimen Staatspolizeiamt des Dritten Reiches. Berlin 1983 (=Einzelveröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin, Band 36) (im folgenden zitiert: Graf, Politische Polizei). 32 Johannes Tuchel: Konzentrationslager. Organisationsgeschichte und Funktion der »Inspektion der Konzentrationslager« 1934 - 1938. (im folgenden zitiert: Tuche1, Konzentrationslager). 33 Lawrence D. Stokes: Das Eutiner Schutzhaftlager. Zur Geschichte des -wilden- Konzen- trationslagers Eutin. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte (vtZ) 27 (1979), 570-625 (im folgenden zitiert: Stokes, KZ Eutin). 34 Harald Jenner: Konzentrationslager Kuhlen 1933. Rickling 1988. 35 Silvester Lechner: Das KZ Oberer Kuhberg und die NS-Zeit in der Region Ulm/Neu-Ulm. Stuttgart 1988. 36 Hans-Günther Richardi: Schule der Gewalt. Die Anfänge des Konzentrationslagers Dachau 1933- 1934.Ein dokumentarischer Bericht. München 1983. 37 Erich Kosthorst/Bernd Walter: Konzentrations- und Strafgefangenenlager im Dritten Reich. Beispiel Emsland. Band 1. Düsseldorf1983 (im folgenden zitiert: Kosthorst/Walter). - Elke Suhr/ Werner Boldt: Lager im Emsland 1933-1945. Geschichte und Gedenken. Oldenburg 1985. 38 Günter Morsch (Hg.): Konzentrationslager Oranienburg (= Schriftenreihe der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten Nr. 3). BerIin 1994. 39 Kurt Schilde/Johannes Tuche1: Columbia-Haus. Berliner Konzentrationslager 1933-1936. Berlin 1990. 40 LotharWieland: Die Konzentrationslager Langlütjen 11 und Ochtumsand. Bremerhaven 1992.- Jörg Wollenberg: Vom Auswandererlager zum KZ. Zur Geschichte des Bremer Konzentrationslagers Missler. In: Zwangsarbeit, Rüstung, Widerstand 1931-1945. Beiträge zur Sozialgeschichte Bremens, I-left5. Hgg. v. Wiltrud Drechsel, Heide Gerstenberger, Christian Marzahn. Bremen 1982, 85-150. 23 Zum Konzentrationslager Breitenau liegen bislang unsere Vorarbeiten vor, die einen ersten Überblick darstellen." Fragestellung Mit den Arbeiten von Graf und Tuehel ist die Sicht- und Handlungsweise der Staatsregierungen in Preußen und Bayern gegenüber diesen frühen regional entstandenen Konzentrationslagern aufgehellt. Die Innenminister versuchten, die Sache selbst in die Hand zu nehmen und durch Zentralisierung und Normie- rung den regional entstandenen Terror zu kanalisieren sowie die Öffentlichkeit im In- und Ausland zu beruhigen. Was jedoch bislang noch fehlt, ist der Blick hinter die Kulissen der regionalen politischen Instanzen, in Preußen also hinter die Politik der Regierungs- und Polizeipräsidenten. Das Konzentrationslager Breitenau wurde vom Kasseler Po- lizeipräsidenten eingerichtet und - wie zu zeigen sein wird - gegenüber dem preußischen Innenministerium in Berlin, das es lieber heute als morgen auflösen wollte, bis in den März 1934 behauptet. Der Rahmen der Verantwortlichkeit dieser regionalen Behörden wird am Beispiel des KZ Breitenau klar erkennbar. Dassselbe gilt für die regionalen Behörden auf Kreisebene. Die Landräte und Oberbürgermeister der Städte spielten eine entscheidende Rollebei der Einweisungvon Gefangenen in das KZ Breitenau. Abwegigwäre für dasJahr 1933die Annahme, daß ein zentral gesteuertes System von Berlin aus Städte und Gemeinden sich unterwirft und terrorisiert. Das System des Terrors und der Verfolgung wurde auch von -untcn, aufgebaut und gestützt, d.h. von den kommunalen Behörden und ihren Leitern. Schließlich läßt sich, da Breitenau kein SA- oder SS-Lager, sondern ein vom Kasseler Polizeipräsidenten eingerichtetes staatliches KZ war, das Span- nungsverhältnis zwischen den im Jahre 1933 zweifellos noch erhaltenen Resten rechtsstaatlicher Ordnung und dem Ausgreifen des entfesselten politischen Parteienstaates studieren. 41 Erinnern an Breitenau 1933-1945. Eine Ausstellung historischer Dokumente. Herausgegeben von der Gesamthochschule Kassel. Fachbereich Erziehungswissenschaft! Humanwissenschaften. Projektgruppe Breitenau. U. Deuker, D. Krause-Vilmar, H. Mehner, R. Nolle, W. Prinz, C;. Richter, W. Tiegel. Kassel 1982 - Richter, Breitenau, 50-95. - Dietfrid Krause- Vilmar, Das Konzentrationslager Breitenau in Guxhagen bei Kassel 1933/34. In: Werner Wolf! Antonio Peter (Hg.): Als es mit der Freiheit zu Ende ging. Studien zur Machtergreifung der NSDAP in Hessen. Wiesbaden 1990, 211-233. 24 Die Einrichtung des Konzentrationslagers Breitenau Das Konzentrationslager Breitenau wurde am 16. Juni 1933 durch eine Initiative des Polizeipräsidenten in Kassel, Fritz von Pfeffer, begründet und eingerichtet. Er war in der zweiten Aprilhälfte 1933 Polizeipräsident in Kassel geworden. Ihm wurde am 23. Juli 1933 vom Regierungspräsidenten in Kassel die Leitung der Staatspolizeistelle Kassel übertragen.' Der im ersten Weltkrieg dekorierte und kriegsversehrte Hauptmann a.D. Friedrich Pfeffer von Salomon - so sein Name; ab 1933 nannte er sich Fritz von Pfeffer - war der Bruder des in höchsten NSDAP-Kreisen und mit Hitler persönlich verkehrenden Franz Felix Pfeffer von Salomon, der vor Ernst Röhm Oberster SA-Führer (1926-1930) gewesen war. Von Pfeffer hatte nach dem Abbruch des Studiums der Rechtswissenschaft eine Lehre in Obst- und Gemü- sebau absolviert und war als Pächter eines Gutes tätig. 1928 trat er in die NSDAP und ein Jahr später in die SA ein, in der er im Schatten seines Bruders Karriere machte. Als Polizeipräsident und Gestapoleiter in Kassel wurde er zur »Schlüssel- figur der polizeilichen Aktivität im Regierungsbezirk einschließlich der politi- schen Berichtcrstattung«.' In der preußischen Provinz Hessen-Nassau gab es bis zu diesem Zeitpunkt noch kein staatliches Konzentrationslager. Im Volksstaat Hessen hatte man am 15. April 1933 das Konzentrationslager Osthofen, in Rheinhessen nördlich von Worms (heute Rheinland-Pfalz) gelegen, eingerichtet.' Die Einrichtung von Konzentrationslagern im Jahre 1933 in Preußen erfolgte nicht zentral von Berlin aus, sondern war oft das Ergebnis eines vielschichtigen politischen Entscheidungsprozesses, bei dem regionale Behörden - wie der Regierungspräsident oder der Polizeipräsident - eine entscheidende Rolle spiel- ten. Johannes Tuehel hat dargelegt, wie widersprüchlich und schwerfällig, weil konzeptionell -entscheidungsschwach: seitens des preußischen Innenministeri- ums die institutionelle Begründung und bürokratische Vereinheitlichung der Konzentrationslager abgelaufen ist. Sämtliche diesbezüglichen Planungen in Preußen bis zur Gestapo-Machtübernahme durch Heinrich Himmler und Rein- Thomas Klein: Leitende Beamte der allgemeinen Verwaltung in der preußischen Provinz Hessen-Nassau und in Waldeck 1867-1945 (=Quellen und Forschungen zur hessischen Geschichte. Herausgegeben von der Historischen Kommission Darmstadt und der Historischen Kommission für Hessen, 70). Darmstadt und Marburg 1988 (im folgenden zitiert: Klein, Leitende Beamte), 187 (zur Person v. Pfeffers). 2 Klein, Lageberichte der Gestapo, 20f. 3 Eine Übersicht der frühen Konzentrationslager bei Gudrun Schwarz: Die nationalsozialistischen Lager. Überarb. Ausgabe. Frankfurt a.M. 1996, 167 f. Die Verfasserin zählt 59 frühe Kon- zentrationslager im Deutschen Reich. 25 hard Heydrich sind gescheitert." Einzig der systematische Aufbau der Konzentra- tionslager in den Moorgebieten des Emslandes (die späteren Konzentrationslager Börgermoor, Esterwegen und Neusustrum) als zentrale preußische Konzen- trationslager wurde seit Ende Mai 1933 vorangetrieben. Gleichwohl hat sich in der Zeit vom Frühjahr 1933 bis zum für die Schutzhaft entscheidenden Runder- laß vom 12./26. April 19345, in dem neue .Anordnungcn. die Zuständigkeit für die Schutzhaft den zentralen Staatsregierungen (in Preußen zuerst dem Geheimen Staatspolizeiamt) zuschrieben, eine Tendenz zur Vereinheitlichung durch- gesetzt: »Insgesarnt weisen die aufgeführten Schutzhafterlasse vor allem für Preußen eine immer stärkere Konzentration der Schutzhaftkompetenz nach, das heißt eine immer zentralere und entscheidendere Funktion der Gestapo in Schutzhaftangclcgcnheiten.e" Der Staatssekretär im preußischen Innenministerium Ludwig Grauert schrieb am 16. Juni 1933 - gerade an dem Tage, als die ersten Schutzhaftgefangenen im KZ Breitenau eintrafen -, daß als KZ »nur solche Lager anzusehen [sind], die von hier ausdrücklich als solche bestätigt worden sind.e Als Beispiele solcher staatlich anerkannter KZ nannte er Sonnenburg und Lichtenburg. Christoph Grafhat dargelegt, daß bereits ein Runderlaß vom 14. Oktober 1933 vorsah, daß Schutzhaft nur in den - namentlich aufgeführten - staatlichen Kon- zentrationslagern zu vollstrecken sei. »Insgesamt bedeutete dieser wichtige Erlaß vom 14. Oktober 1933 zweifellos eine Eindämmung des .wilden- rrrors vor allem der SA in deren -privaten: Konzentra- tionslagern zugunsten einer Machtsteigerung der staatlichen Polizeibehörden und insbesondere des [...] Gestapa [Geheimes Staatspolizeiamt Berlin] und zugunsten einer geordneteren Schutzhaftpraxis.s'' Wir werden untersuchen, in welchem Grade sich diese von der preußischen Regierung ausgehende Tendenz zur Vereinheitlichung im Regierungsbezirk Kas- sel bemerkbar machte und ob sie sich durchsetzte. Anlässe, Motive und Gründe, die den Kasseler Polizeipräsidenten zur Ein- richtung eines .eigcnen. Konzentrationslagers geführt haben, sind zu klären. Dabei ist aufTerror und Verfolgung in und um Kassel im Frühjahr 1933 knapp einzugehen. Die Verhaftungswellen im März 1933 und der Terror von SA und SS hängen nämlich eng mit der Gründung des Lagers Breitenau zusammen. 4 Tuchel, Konzentrationslager, bes. 35-120 (Die Planungen für die Konzentrationslager in Preußen). 5 HStA Mbg 180. Wolfhagen 2329. Durchführung der Verordnung zum Schutz von Volk und Staat vom 28.2.1933 [...]. 6 Graf, Politische Polizei, 269. 7 HStA Mbg 165/3982. Band 10. PrMdI an die RPen pp. am 16.6.1933 betr. Vollstreckung der Polizeihaft. 8 Graf, Politische Polizei, 265 f. 26 Terror und Schutzhaft im März 1933 Als das Konzentrationslager Breitenau am 16. Juni 1933 eingerichtet wurde, waren bereits elfWochen lang, teils in Form von Massenverhaftungswellen, teils als Inhaftierung einzelner oder kleiner Gruppen, politische Gegner des National- sozialismus in Schutzhaft genommen worden. Wichtigste Grundlage für diese seit dem 27. Februar 1933, dem Tag des Reichstagsbrands in Berlin, systematisch betriebenen polizeilichen Verhaftungen war die »Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat«vom 28. Februar 1933, mit der durch den Reichspräsidenten Paul von Hindenburg die Freiheitsrechte der demokratischen Weimarer Reichsverfassung außer Kraft ge- setzt wurden." Unter Mißbrauch des Notverordnungsrechts des Artikels 48 der Weimarer Verfassung hatten Reichsregierung und Reichspräsident die Fun- damente des demokratischen Rechtsstaates - unter anderem das Recht auf freie Meinungsäußerung, die Pressefreiheit, die Vereins- und Versammlungsfreiheit und das Eigentumsrecht - mit einem Schlag beseitigt. »Beschränkungen der persönlichen Freiheit« waren nun »auch außerhalb der sonst hierfür bestimmten gesetzlichen Grenzen zulässig«. Die Verordnung war ausdrücklich »zur Abwehr kommunistischer staats- gefährdender Gewaltakte« erlassen worden. In diesem Sinne wurde die Verord- nung auch von der Verwaltung verstanden. Der Kasseler Polizeipräsident von Pfeffer sprach AnfangJuli 1933 davon, daß »die Schutzhaft doch im wesentlichen nur für solche Personen notwendig und aufrecht zu erhalten [ist], die als Funktionäre der marxistischen Parteien und Organisationen zu gelten haben, und bei denen die Gefahr besteht, daß sie sich weiterhin als solche betätigen [...]«.10 Während man vor dem 30. Januar 1933 überwiegend unter Schutzhaft die kurzfristige polizeiliche Verwahrung zum Schutze und im eigenen Interesse der Person verstand (z.B. vor einer öffentlichen Gefährdung durch Angriffe einer .Volksmenge.), wurde nun - in den Händen nationalsozialistischer Polizeipräsi- denten - Schutzhaft zu einem Instrument der Ausschaltung politischer Gegner aus dem öffentlichen Leben, ihrer Diskriminierung und Erniedrigung, vielfach auch ihrer Mißhandlung. Schutzhaft als Maßnahme der Geheimen Staatspolizei entzog sich bald vollständig richterlicher Uberprüfbarkeit." 9 Reichsgesetzblatt (RGBI) I (1933), 83. - Vgl. Bracher/Sauer/Schulz: Die nationalsozialistische Machtergreifung. Band I (K.D. Bracher: Stufen der Machtergreifung) [zuerst 1960] Frankfurt-Berlin-Wien 1974,128-137. 10 HStA Mbg 165/3982. Band 11. pp Kassel an die LR RegBez. Kassel am 7.7.1933. 11 Graf weist darauf hin, daß spätestens seit dem zweiten Gestapogesetz vom 30. November 1933, welches die Gestapo aus der ordentlichen Polizeiverwaltung herausgelöst habe, »ihre Verfügun- gen, insbesondere ihre Schutzhaftverfügungen auf Grund von Paragraph 1 der Verordnung vom 28. Februar 1933, als staatspolitische Maßnahmen der verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung und 27 Für Kassel lassen sich die ersten Schutzhaftmaßnahmen bereits für den 27. und den 28. Februar 1933 nachweisen. 12 Diese gingen zunächst vom Kasseler Regierungspräsidenten von Monbart" aus, der damit Weisungen des preußi- schen Innenministers umsetzte. Denn die ersten Schutzhaftmaßnahmen, die sich ganz überwiegend gegen kommunistische Funktionäre richteten, wurden vom preußischen Ministerpräsidenten Hermann Göring angeordnet. Konrad von Monbart war seit dem 3. März 1933 Regierungspräsident in Kassel. Seit 1915 war er Landrat von Züllichau-Schwiebus im Regierungsbezirk Frankfurt/Oder gewesen. Er war deutsch-national, galt als versierter -preußischer- Verwaltungsbeamter und Repräsentant der konservativen Beamtenschaft. Er be- saß das Vertrauen der nationalsozialistischen Führung." Eine am 28. Februar 1933 von ihm ausgegebene Verfügung löste weitere Verhaftungen vor allem kommunistischer Funktionäre aus. Im Landkreis Eschwege wurden z.B. aufdiese Verfügung hin fünfzehn kommunistische Funk- tionäre, darunter Karl Küllmer (11) aus Reichensachsen - er war für die KPD im März 1933 zum Abgeordneten im Reichstag gewählt worden, ohne das Mandat allerdings noch wahrnehmen zu können - verhaftet. 15 Verhaftungswellen gingen auch von einer Verfügung von Monbarts vom 26. März 1933 aus; auf sie stützte sich z.B. die Verhaftung von 33 Gegnern des Nationalsozialismus im Landkreis Kassel.16 Erste Schutzhaftstationen und politisch genutzte Strafanstalten Eine entscheidende Voraussetzung dafür, die die Behörden in der Frage der Einrichtung eines Sammellagers zum Handeln veranlaßt hatte, war die Tatsache, daß die Polizei- und Gerichtsgefangnisse im Regierungsbezirk Kassel durch die überhaupt der Überprüfung durch Gerichte entzogen waren [...])). Graf, Politische Polizei, 268. 12 Ernst Fiege, ein Korbmacher aus Ermschwerd im Landkreis Witzenhausen, Paul Joerg , Ernst Schippel und Hans Schramm aus Witzenhausen waren bereits am 27. Februar in Schutzhaft genommen worden. (HStA Mbg 165/3878. Nachweisung über Haftkosten für die Monate März bis April 1933 von den in Schutzhaft genommenen Personen [LR Witzenhausen berichtet]). - Wilhelm Bauer aus Niederzwehren und Jakob Hildebrand aus Harleshausen gehörten zu den ersten politischen Gefangenen im Landkreis Kassel. Beide waren »auf Grund des Polizei- rundfunks vom 27. Februar 1933 [Reichstagsbrandstiftung und erhöhte Aktivität der KPD]« bereits am 28. Februar gemeinsam mit drei weiteren »Funktionaren« und acht »KPD-Mitgliedern« verhaftet worden. (HStA Mbg 165/3886. Band 1). Die hier genannten Schutzhaftgefangenen kamen über verschiedene -Stationen- von Haftanstalten (in der Regel Gerichts- und Poli- zeigefangnisse) am 16. Juni 1933 in das Konzentrationslager Breitenau. 13 HStAMbg 165/3886. Band 1. LR Eschwege an RP Kassel am 2.3.1933, worin die »Verf[ülg[ung]. vom 28.2.33 - All Nr. 7120/33 -« im Betreff genannt ist. 14 Klein, Lageberichte der Gestapo, 15-19; Klein, Leitende Beamte, 176. 15 HStA Mbg 165/3886. Band 1. LR Eschwege an RP Kassel am 2.3.1933. 16 HStA Mbg 165/3982. Band 10. Kommiss. LR Kassel an RP Kassel am 26.4.1933 nennt eine »dortige Verfügung vom 26. März«. Diese Verfügung konnte nicht ermittelt werden; sie stützte sich auf die »Verordnung des Rechspräsidenten zur Abwehr heimtückischer Angriffe gegen die Regierung der nationalen Erhebung, vom 21. März 1933«. In: Reichsgesetzblatt I (1933),135. 28 plötzlich hinzugekommenen Einweisungen politischer Gefangener voll belegt bzw. überbelegt waren. Der -normale GangWir wären dankbar, wenn wir die anderen Häftlinge [fünf Schutzhaftgefangene ] entweder einem Konzentrationslager möglichst bald zuführen könnten oder aber,wenn diesnoch längereZeit in Anspruch nimmt, sie der dafür vorgesehenen Abteilung in der Strafanstalt~hlheiden überweisen würden. Der Charakter des Hospitals verträgt selbstverständlich auf die Dauer eine HaftsteIle in dieser Form nicht, da die Aufgaben des Hospitals auf ganz anderem Gebiet liegen. [...] Es sei noch erwähnt, daß wir für 17 HStA Mbg 165/3878. - Von Pfeffer reichte diesen Brief an von Monbart mit der Bemerkung weiter: »[...] eine Überführung der in Frage kommenden Häftlinge in ein Konzentrationslager ist auch m.E. dringend erforderlich.« 18 Fritz Lengemann gehörte zusammen mit dem späteren Präsidenten des Volksgerichtshofs Roland Freisler, dem Gauleiter im NSDAP-Gau Kurhessen Karl Weinrich und anderen zum Führungs- kreis der Kasseler NSDAP, der er seit 1923 angehörte. Er war erster Ortsgruppenleiter der Kasseler NSDAP gewesen und firmierte seit dem 30. März 1933 als Stadtverordnetenvorsteher des Kasse- ler Stadtparlaments. Bald wurde er Landrat des Landkreises Kassel. Klein, Leitende Beamte, 163. 19 HStA Mbg 165/3982. Band 10. - Stadtarchiv Kassel: A.5.55 Akten der Betreuungsstelle (im folgenden zitiert: StA Kassel: Betreuungsstelle). Justus Kragelius. Dem Bericht von]. K. zufolge soll es sich um sechzig Schutzhaftgefangene im Karlshospital gehandelt haben. 29 Schutzhojtanordnunodes konunissarischcn Landrats von Kassel} Dr. Martin, gegen Hans M ink/er} derauf einer KPD-ListeJUr die Gemcindciuahlcn kandidierthatte (A rchi» Ge- denkstätte Brcitenau), große, gesundhe itliche Aufgaben vo rgesehen sind, so daß die Schutzhaftabteilung vollkom me n aus dem Rahmen un seres sonstigen Arb eitsgebietes herausfällt und in betri ebstechnischer I-linsicht manche Schwie rigkeit mit sich brin gt.e" In eine m weit eren Schreib en vom 7. Juni 1933 bat Kröning »nochm als drin- gend , uns die gesunden Schutzhäftlinge aus dem H ospital zu nehmen. Immer m ehr hab en wir die Betreuung kranker Schutzhäftlinge zu übernehmen [...] . « ~ I N eben den Strafan stalten , den Unter su chungs- und Gcr ichtsgcfän gni sscn " sow ie dem Karl shospital w urde n im März und April 1933 im Kasseler Regic- 20 I-IStA Mbg 165/3878. Sc h re ibe n W. Kr änings an den RP Kassel VO ITl 21. Mai 1933. 2'1 I-IStA Mbg 165/3878. Kräning sp rac h in d iese m Sc h re ibe n vo n der »vä lligen Been gtheit der Räume u nd de m Übennaß de r Be leg u ng «. - Z u frage n ist , auf G ru nd welche r Ere ign isse so viele Sc h u tz haftgefangene (ü be rwiege nd bek anntlich j u nge M änner ) kr ank bzw. p flege be d ürft ig geworde n ware n . 22 Das bek an n te große Kasseler U nte rs uc h u ngsgef:ingn is in der Lcip zigcr Straße 11 (da he r im Volksmund -die Elwc- [elf] ge na n n t), d ien te auc h zu r Unter bringung vo n Sc h u tz haftgefa nge ne n. Eine r d er dort vo rü be rge he nd Inhaftierten wa r H an s Minklet aus Alt enritte, der uns vo n se iner Verhaftung be richtet h at: Er se i in d iese n M on aten zweima l ve rhafte t worde n. An fan g M är z 1933 habe Inan ihn auf das Poli zeipräsidium Kassel ge b rac h t. Da dort alles ü be rfü llt gewese n se i, sei er in s Kar lshosp ita l ü ber führ t worden . Da auc h dort ke in Plat z m ehr zu r Ver fü gung stand, sei er dann nach Breitc na u ge ko nl n le n. E r se i dan n nach kurzer Zeit w iede r fre i ge ko lll l11cn , im 30 rungsbezirk zahlreiche weitere Schutzhaftstellen eingerichtet, - teils amtlich, d.h. durch die Polizei, teils privat, d.h. von Seiten der NSDAP bzw. deren Kampf- und Terrorformationen SA und SS. Die zeitgeschichtliche Forschung unterscheidet diese privaten, d.h. faktisch unter SA- oder SS-Regie stehenden von den staatlichen Schutzhaftstellen bzw. Konzentrationslagern. Von den privaten Schutzhaftstellen waren die Übergänge zu den Folterkellern und -Tribunak-stättcn, die SA- und SS-Gruppen zur Peini- gung ihrer politischen Gegner provisorisch eingerichtet hatten, allerdings fließend." Einige solcher Folterstätten im Regierungsbezirk Kassel sind bekannt": so die .Bürgersäle. in der Oberen Karlstraße", das Adolf-Hitler-Haus in der Wilhelms- höher Allee.",das Wassersporthaus am Fuldadamm27 - alle in der Stadt Kassel-, die Walkemühle bei Mclsungen", der Karlshof bei Wabern29, das Amtsgerichtsge- Mai/Juni erneut verhaftet und wieder nach Breitenau gekommen. [...] Die Gründe für seine Verhaftung - er selbst war damals 23 Jahre alt -lagen darin, daß er auf einer Wahlliste der KPD für die Gemeindewahlen gestanden habe. Mit ihm seien sämtliche kommunistischen Gemeindevertreter seiner Gemeinde (Hermann Arend, Döbel [beide sind in den Unterlagen Breitenaus nicht nachweisbar]) verhaftet und nach Breitenau verbracht worden. Notiz über ein Gespräch mit Hans Minkler am 10.3.1980 in Altenritte; Teilnehmer: Jörg Kammler, D. Krause-Vilmar. 23 Christine Fischer-Defoy: Arbeiterwiderstand in der Provinz. Arbeiterbewegung und Faschismus in Kassel und Nordhessen 1933-1945. Eine Fallstudie. Berlin 1982 (im folgenden zitiert: Fischer-Defoy, Arbeiterwiderstand), 59-63. 24 Es hat vermutlich ab März 1933 weitere Stätten der Mißhandlung und Einschüchterung von Menschen gegeben, die wir nicht ermitteln konnten. 25 Über die Mißhandlungen der politischen Gegner im Frühjahr 1933 im Nazilokal .Die Bürgersäle. liegen zahlreiche Berichte vor; z.B. der »Bericht des städtischen Angestellten K. über seine Mißhandlungen in den Bürgersälen am 24. März 1933«, in: Volksgemeinschaft und Volksfeinde. Kassel 1933-1945. Eine Dokumentation. Herausgegeben von Jörg Kammler und Dietfrid Krause-Vilmar. Band 1. Kassel 1984 (im folgenden zitiert: Volksgemeinschaft und Volksfeinde I), 29. Auch Willi Belz hat in seiner Autobiographie darüber berichtet: »Vater, ich und mein 16jähriger Bruder wurden aufeinen Lastwagen getrieben und in die berüchtigten Bürgersäle, das Nazihauptquartier und Folterkeller, gefahren. Mein Vater erlitt bei den Schlägen eine Kopfverletzung mit Gehirnembolie als Folge, woran er am 7. April 1936 starb. Ich befand mich zu jener Zeit im Konzentrationslager Lichtenburg«. Willi Belz: Soldat gegen Hitler. Ein Antikriegsbuch. Köln 1987, 14. - Vgl. auch: Archiv der Gedenkstätte Breitenau. Willi Belz: Politische Lebensgeschichte. Persönliche Aufzeichnungen 1979/1980, 11 f Mit Willi Belz wurde eine Scheinhinrichtung durchgeführt. Nach 1945 sind diese Mißhandlungen Gegenstand eines Strafverfahrens geworden. Vgl. Hessische Nachrichten (HN) vom 13.10.1948 (»März 1933 in den Bürgersälen«); HN vom 14.10.1948 (»Angeklagte leugnen weiter«); HN vom 15.10.1948 (»Willy Becker gesteht«); HN vom 16.10.1948 (»Urteil im Kasseler Bürgersäleprozeß«); HN vom 3.5.1949 (»Urteile im Prozeß .Bürgersäle- zum Teil aufgehoben«). In dieser Strafsache »wegen Landfriedensbruch« kam es am 13.-15.2.1950 vor der Strafkammer I des Landgerichts Kassel erneut zu einer Verhandlung, in der die Urteile der vorigen Instanzen abgeändert wurden. 26 Volksgemeinschaft und Volksfeinde I, 63. 27 Volksgemeinschaft und Volksfeinde I, 63. - Vgl. auch: Kammler, Jörg: Ich habe die Metzelei satt und laufe über ... Kasseler Soldaten zwischen Verweigerung und Widerstand (1939 - 1945). Eine Dokumentation. Kassel 2. verb. Aufl. 1985 (im folgenden zitiert: Kammler, Deserteure), 86 (zu Arno Schminke) und 194 (zu Georg Lörper). 31 fängnis in Oberkaufimgen" und der Brauereikeller in Hofgeismar". In Immenhau- sen, Sandershausen, Frommershausen, Niederzwehren, Crumbach, Ihringshausen, Niedervellmar", in Niederkaufungen, Wolfsanger und Heiligenrode wissen wir von ähnlichen Mißhandlungen'' und von Terror. Überliefert wird ein Vorfall bei dem auch später bekannten Schulrat Heinrich Grupe in Hofgeismar: »Andere Nöte bedrückten die Lehrer, gegen die die schulischen Sorgen weit zurücktra- ten, und der Schulrat war sofort bereit, hier helfend einzuspringen. Das hatte er schon am 26. März 1933 gezeigt. Ein von der SA zusammengeschlagener Lehrer hatte sich mit unsäglicher Mühe bis vor die llir seines Schulrats schleppen können, dann war er bewußtlos zusammengebrochen. Er war auch in den nächsten Stunden nicht fähig, ein %rt zu sprechen. Etwa 200 Hiebe hatte er aushalten müssen. \On den Schultern bis zu den Kniekehlen war keine heile Stelle mehr, überall nur rohes Fleisch. Der Schulrat verband ihn mit Hilfe seines Sohnes, telefonierte nach einem Sanitätswagen oder einer 'Fagbahre, ließ sich auch von den Drohungen eines unmenschlichen SA-Mannes nicht bewegen, -das Schwein- hinauszuwerfen, und gab sich erst zufrieden, als er seinen .Nächsten: nach zwei Stunden in ärztlicher Obhut wußte.e" Aus Obervellmar ist überliefert, daß das Haus des Bürgermeisters für Mißhandlungen benutzt wurde: »Ich wohnte in Obervellmar seit meinem 6. Lebensjahr. Obervellmar ist ein Arbeiter- dorf durchsetzt mit Landwirten, großen Landwirten auch, und einer großen Mühlen- fabrik, die hieß Landgrebe. Das Bemerkenswerte für mich heute ist, daß vor der Machtübernahme Hitlers mein Freund Christoph Börner und ich die beiden letzten ö.fJCntlichen Antifaschisten waren. Dadurch warja auch sehr leicht abzusehen, daß sie uns eines liges verhaften würden, Genauso ist es auch gekommen. Wir haben da eine Brücke, wo die Bahn Kassel - Paderborn drüberfährt. Dort sollten "Wlffengefunden 28 Im Marburger Staatsarchiv befinden sich Akten zur Walkemühle imJahre 1933, besonders zu den Enteignungen dieser bemerkenswerten sozialistischen Bildungsstätte, die auf den Göttinger Philosophen Leonard Nelson und auf die Pädagogin Minna Specht zurückgeht (I-IStA Mbg 180 Melsungen 3729 Betr. Landerziehungsheim Walkenmühle [Walkemühle] 1932-1937). 29 100 Jahre Jugendheim Karlshof 1886-1986. Eine Chronik. Zusammengestellt von Ernst Bässe. Kassel 1986, 34ff. 30 Jörg Kammler: Widerstand und Verfolgung - illegale Arbeiterbewegung, sozialistische Solidargemeinschaft und das Verhältnis der Arbeiterschaft ZUITI NS-Regime. (Im folgenden zitiert: Kammler, Widerstand und Verfolgung) In: Volksgemeinschaft und Volksfeinde. Kassel 1933-1945. Band 2. Studien. Kassel 1987, 332-338; dort wird der Terror gegen die politische Arbeiterbewegung im Frühjahr 1933 eingehend dargestellt. 31 Fischer-Defoy, Arbeiterwiderstand, 61/261, gibt einen »Bericht Hermann Trost, Kassel« wieder: »In Hofgeismar werden an Ostern 1933 alle politisch verdächtigen Personen verhaftet und im Brauereikeller vor ein -Pemegericht: gestellt, das sie zu jeweils 50 Stockschlägen verurteilt, die sofort vollstreckt werden.« 32 Hessische Nachrichten vom 14.10.1948. 33 Kammler, Widerstand und Verfolgung, 332-338; Krause-Vilmar, Dietfrid: Hitlers Machter- greifung in der Stadt Kassel, in: Volksgemeinschaft und Volksfeinde. Kassel 1933-1945. Band 2. Studien, 13-36 (im folgenden zitiert: Krause-Vilmar, Machtergreifung in Kassel), 24 ff; Volksgemeinschaft und Volksfeinde I, 206 f. (Oberkaufungen). 34 J ustus Schüler: Schulrat des Kreises Hotgeismar. In: Heinrich Grupe 80 Jahre. Ein Leben für die Schule. I-Igg. v. der Volkshochschule des Kreises Hotgeismar e.V. u.a. Melsungen 1958,64 ff 32 worden sein, und aufgrund dessen hat man uns verhaftet. [...] "Wir wurden auf den ~gen verfrachtet und nach Heckershausen gebracht [...] in das Haus des Bürger- meisters Homburg. Man hat uns kaum etwas gefragt. Sie sagten: -Ihr seid Kommuni- sten. Ihr seid Krebsgeschwüre am deutschen \bIke. Wir müssen Euch irgendwie dingfest machen.< Das wäre alles schön und gut gewesen, aber dann sollten wir etwas über den "Wlffenfundaussagen, und wir konnten beim besten "Willen nichts aussagen, weilwir damit nichts zu tun hatten. Dann bekamen wir ganz fürchterliche Schlägevon den SS-Leuten. Man war ja ziemlich gro~wenn man so durchgehauen wird. Ich war 23Jahre alt, man istja noch nicht so ganz gefestigt.~hrend wir dann so schrien, und der eine gegen den andern ausgespieltwurde, schrie die Frau des Bürgermeisters - eine sicherlich sehr überzeugte Christin - -das lasse ich mir in meinem Haus nicht bieten. Hier wird keiner geschlagen!Ärger< (der zahlreichen Beschwerden wegen); • drittens verursachten sie dem Staat Kosten. 43 Alledrei Probleme könnte man nach Auffassung von Pfeffers mit der Gründung eines.eigenen- Konzentrationslagers im Regierungsbezirk Kassel, in dem die Gefan- genen produktiv arbeiten sollten, .lösen« Die Einrichtung des Lagers Der Polizeipräsident und der Landeshauptmann in Hessen als Chefdes Bezirks- kommunalverbandes Kassel, dem die Landesarbeitsanstalt Breitenau unterstand, 41 HStA Mbg 165/3878. Handschr. Entwurf eines Schreibens des RP an den H. Pr. MdI vom 29.5.1933, das den Vermerk »noch heute absenden!« trägt. 42 HStAMbg 165/3982. Band 10. Mdl an RP.en vom 16.6.1933. 43 »Haftkosten sind von den politischen Schutzhäftlingen nicht einzuziehen«, hieß es in Abs. (1) des Runderlasses des MdI vom 20.5.1933 und Abs. (3) bestimmte: »Die bei den staatlichen Pol.=Verwaltungen und in den Konzentrationslagern für Schutzhäftlinge entstehenden Kosten sind bei dem Fonds der staatlichen Pol. und Landj. zu verrechnen, zu denen sie ihrer Art nach gehören.« Ministerial-Blattfür die Preußische innere Verwaltung, Herausgegeben vom Preußischen Ministerium des Innern. Berlin. Teil I (Allgemeine Polizei-, Kommunal-, Wohlfahrts- usw. Angele- genheiten) 94 (1933) [im folgenden zitiert: MBliV I (1933)], 594. - Vor dieser Verordnung hatten der preußische und der sächsische Staat versucht, die Kosten für die Schutzhaft den Häftlingen oder ihren Angehörigen selbst aufzuerlegen; vgl.: Klaus Drobisch: Hinter der Torinschrift >Arbeit macht freie Häftlingsarbeit, wirtschaftliche Nutzung und Finanzierung der Konzentrationslager 1933 bis 1939, in: Hermann Kaienburg (Hg.): Konzentationslager und deutsche Wirtschaft 1939-1945. Opladen 1996, 21. - »Ab April 1933 übernahm der preußische Staat die Schutzhaftkosten. [... ] Da die anderen Länder auf eine zentrale Finanzierung drängten, willigte das Reichsinnenmnisterium im August 1933 auf Begleichung der Hälfte ein« (ebenda). - Auch aus der Südpfalz wird berichtet, daß noch im August 1933 ehemaligen jüdischen Schutzhaftgefangenen eine überzogene Rechnung (10 RM Verpflegungskosten pro Tag!) über ihre Haftkosten zugestellt wurde. Vgl. Rolf Übel: Das Landauer Schutzhaftlager (März bis Juli 1933). In: Heimat-Jahrbuch des Landkreises Südliche Weinstraße 11 (1989),47-50 (hier: 49). 35 Ab:te11ung Diegrundlegenden Vereinbarungen über die invichtuno des Konzentrationsiagets zwischen dem Poliz eipräsidenten in Kassel und dem Landeshauptmann in Hessen vorn 15.Juni 1933 werden derA nstalt Breitenau mitoeteitt (A rchiv des LWV H essen: KZ Breitenau}. 36 37 38 39 wurden sich in den Fragen der sofortigen Einrichtung des Konzentrationslagers schnell einig." Die Vereinbarung kam in ungewöhnlich kurzer Frist zustande, zumal wenn man sich den traditionellen Charakter beider Behörden bewußt macht. Es bestand offenbar auf beiden Seiten - bei der politischen Polizei wie beim Landeshauptmann - Interesse an einem schnellen Abschluß. Landesrat von Hugo führte auf Seiten des Bezirkskommunalverbandes zwei Verhandlungen am 14. und am 15.] uni 1933 - die erste mit von Pfeffer selbst, die zweite mit Polizeirat Schubert - und hielt die getroffenen Vereinbarungen in einem Schreiben an den Polizeipräsidenten vom 15.Juni 1933 fest. Dieses Schrei- ben formulierte die Vereinbarung über die Einrichtung des Konzentrationslagers Breitenau und beschrieb die Bedingungen im einzelnen." Der Vereinbarung zufolge stellte »die Anstalt« - wie die Landesarbeitsanstalt abkürzend genannt wurde - »die Abteilung im Hauptgebäude (Kirchengebäude) nebst Einrichtung und fertigen Bettcn« zur Verfügung. Sie »übernimmt in der sonst in der Anstalt üblichen Art und Menge die Beköstigung« und stellt Eßgeschirre und Bestecke für die Insassen. Auch übernimmt sie »die laufende Instandhaltung der Bekleidung und Leibwäsche [...], ferner die Reinigung der Leibwäsche.« Sie leitet die unentgeltliche Arbeit der Insassen den in der Anstalt üblichen Arbeiten. Für diese in der Tat nicht geringen Leistungen war vom Polizeipräsidenten für jeden Insassen für jeden angefangenen Tag 1 RM zu entrichten. Bereits am Tage nach dieser Vereinbarung wurden Schutzhaftgefangene aus dem Polizeigefängnis am Königstor nach Breitenau gebracht." Woche um Woche kamen Gruppen von Gefangenen hinzu. Der Regierungspräsident teilte dem Innenministerium in Berlin47 und am 27. ] uni 1933 den Kreispolizeibehörden im 44 Die Aktenlage spricht eindeutig für den 16. Juni 1933. 1. In der Vereinbarung, die der Kasseler Polizeipräsident mit dem Landeshauptmann in Hessen am 15. Juni 1933 geschlossen hatte, beziehen sich sämtliche Regelungen auf die Zeit ab dem 15. Juni 1933.2. Der Jahresbericht der Anstalt Breitenau spricht von der Einrichtung des KZ Breitenau am 16. Juni 1933.3. Die ersten Nachweisungen der Schutzhaftgefangenen beginnen am 16. Juni 1933.4. Keiner der ehemals in Breitenau Inhaftierten hat zu erkennen gegeben, daß er vor dem 16. Juni 1933 dort inhaftiert gewesen war (auch nicht in den Anträgen auf Wiedergutmachung und Entschädigung nach 1945). Die ebenfalls unbestrittene Tatsache, daß drei Schutzhaftgefangene im April dort einsaßen, und daß ein weiterer Schutzhaftgefangener Breitenaus nach eigenem Bekunden vor dem Juni dort eingesperrt war (Hans Minkler), kann daher unseres Erachtens nur bedeuten, daß die Anstalt Breitenau wie zahlreiche andere Gefängnisse und gefängnisähnliche Keller und provisorische Haftstätten vorübergehend als SchutzhaftsteIle örtlicher Willkür gedient hat. 45 Die Vereinbarung ist einmal in einer maschinenschriftlichen Durchschrift des Landeshauptmanns überliefert, die sich bei den Anstaltsakten befand (Archiv des LWV-Hessen: KZ Breitenau) und zweitens als Abschrift, die im Polizeipräsidium für den RP gefertigt wurde (HStA Mbg 165/3878. Landeshauptmann in Hessen an den Herrn Polizeipräsidenten in Kassel, Kassel den 15. Juni 1933). Beide Fassungen stimmen überein; in unwesentlichen Details finden sich geringe Abweichungen. s. Abb. auf S. 36 ff 46 HStA Mbg 165/3878. PP Kassel an RP Kassel vom 17.6.1933. 47 HStA Mbg 165/3878. PrMdI an RP Kassel vom 24.7.1933. Der PrMdI erwähnt darin zwei Berichte des RP Kassel, in denen die Einrichtung des Lagers Breitenau mitgeteilt wurde: vom 40 Bezirk die Einrichtung eines »Konzentrationslager[s] für politische Schutz- häftlinge« förmlich mit. »Durch den Herrn Polizeipräsidenten in Kassel ist kürzlich in der Landesarbeitsanstalt Breitenau, Krs. Melsungen, ein Konzentrationslager für politische Schutzhäftlinge eingerichtet worden. Dieses Lager steht allen Polizeibehörden des Regierungsbezirks Kasselfür die Unterbringung von Schutzhäftlingen zur \erfügung. Die Häftlinge sind dem Lagerjedoch nicht unmittelbar, sondern zunächst dem Polizeigefängnis in Kassel zuzuführen. Die Polizeibehörden haben sich vorher mit dem Polizeipräsidenten in Kasselin \erbindung zu setzen und ihm unter Überreichung der Akten des betreffen- den Schutzhäftlings die Gründe mitzuteilen, die zur \erhängung der Schutzhaft geführt haben. Der Herr Polizeipräsident veranlaßt sodann die Uberführung der Häftlinge in das Lager. Für die Aufnahme in das Konzentrationslager kommen grundsätzlich nur solche Schutzhäftlinge in Betracht, die voraussichtlich längere Zeit - mindestens 4~chen - festgehalten werden müssen.s" An dieser Bekanntgabe wird die dominante Rolle des Polizeipräsidenten und diezuarbeitende Rolle des Regierungspräsidenten deutlich. Thomas Klein hat auf den die allgemeine Entwicklung in Kassel vorwegnehmenden Prozeß der »Aus- gliederung der Staatspolizei aus ihrem bisherigen organischen Zusammenhang mit der Bezirksregierung und der staatlichen Polizeiverwaltung« hingewiesen49, der hier auch erkennbar ist. Das Interesse der Arbeitsanstalt In einem Schreiben an den Regierungspräsidenten hob der Kasseler Polizeipräsi- dent die Tatsache hervor, daß Breitenau für die staatlichen Kassen als besonders kostengünstig zu gelten habe: »[...] die Häftlinge kosten dort dem Staate pro 'Iig nicht nur 30 Pfg. weniger an Bargeld als im Polizeigefängnis. sondern sie leisten auch noch produktive Arbeit für die Provinz«." In der Tat hatte Breitenau mit 1,20 RM - verglichen mit anderen Schutzhaft- steIlen, nicht nur derjenigen im Kasseler Polizeipräsidium - einen günstigen Tarif anzubieten. Zunächst war - ab 16.6.1933 - sogar nur 1,- RM als Tagessatz vereinbart worden; dann wurde ab dem 1.7.1933 der Satz auf1,20 RM erhöht, da die Anstalt einige zusätzliche Leistungen übernahm." In der Strafanstalt Wehlheiden zum Beispiel waren 1,50 RM zu entrichten", das Karlshospital in Kassel erhob gar 1,50 22.6.1933 und vom 10.7.1933 (A II 2358a/33 und 7446/33). Beide Berichte ließen sich in den Akten des preußischen Innenministeriums nicht auffinden; die handschriftlich bzw. maschinen- schriftlich gefertigten Entwürfe des RP Kassel sind erhalten (HStA Mbg 165/3878). 48 HStA Mbg 165/3982. Band 11; HStA Mbg 180. Wolfhagen 2329. 49 Klein, Lageberichte der Gestapo, 14. 50 HStA Mbg 165/3878. pp Kassel an RP Kassel vom 3.8.1933. 51 Archiv des LWV Hessen: KZ Breitenau. Landeshauptmann an pp Kassel vom 13.7.1933. 41 RM und einen »Betriebskostenanteil für Bewachung, Verwaltung und Arzt usw. pro Tag von Mk. 0,30<{'. Wieso war Breitenau so billig? Zwei Umstände dürften die Anstalt zu diesem Entgegenkommen bewogen haben. Zum einen war die Anstalt im Sommer 1933 empfindlich unterbelegt, d.h. Rentabilitätsrechnungen erforder- ten - bei der in der Anstalt vorherrschenden Art des Denkens und Planens - dringend die Zulieferung neuer Insassen. Im Kaiserreich war die Anstalt mit Hunderten von Insassen belegt, in der Wirtschaftskrise 1932 nur mit 40 bis 50 Insassen.I" Einige Aussagen deuten darauf hin, daß man in der Anstalt diesen Sachverhalt der Unterbelegung als Problem sah, wenn man z.B. davon sprach, daß das »bis dahin leerstehende Hauptgebäude« als KZ eingerichtet werden konnte." Dieses Motiv, leerstehende Gebäude zu nutzen bzw. überhaupt wie- der auf rentable Größenordnungen der Belegung zu kommen, erklärt jedoch noch nicht die ungewöhnliche Bereitschaft, die Kosten für die Schutz- haftgefangenen um 1/7 bzw. um 1/3 zu senken. Eine Überlegung könnte folgende gewesen sein: warum sollte man nicht einen günstigeren Tarif beim Tagessatz anbieten, wenn man durch die vertraglich gesicherte kostenlose Ausnutzung der überwiegend jungen Facharbeiter gewinnen könnte? Die Ar- beit der Schutzhaftgefangenen diente nicht nur der vereinbarten Aufforstung des Ödlandes im Puldabcrg." Zahlreiche Instandsetzungsarbeiten und Unter- haltungsarbeiten der Anstalt selbst wurden von den Schutzhaftgefangenen durchgeführt. Die Anstalt hat nicht nur .sächlichen: Nutzen aus der unbe- zahlten Arbeit57 gezogen, die überwiegend sogar Facharbeit war, wie die An- staltsleitung lobend hervorhob; sie vermerkte im Haushaltsjahr 1933 auch »eine 52 ]VA Kassel [Wehlheiden] Archiv (im folgenden zit.: JVA Kassel: Archiv): Akte »Schutzhaftgefangene«. Vereinbarung zwischen dem Direktor der Strafanstalt Kassel- Wehlheiden und dem Vertreter des Polizeipräsidenten zu Kassel, Herrn Polizeihauptmann Traute, vom 29.März 1933. 53 HStA Mbg 165/3878. W. Kräning an LR in Ziegenhain vom 9.5.1933. 54 Ayaß, Arbeitshaus Breitenau, 78 (Schaubild Gesamtbelegung) und 259 ff - Die Belegungszahlen gingen seit 1928 zurück und stagnierten ab 1929 auf niedrigem Niveau (ca. 27 000 Verpfle- gungstage imJahr). 55 Bericht über die Ergebnisse der Verwaltung des Bezirksverbandes des Regierungsbezirks Kassel 1932-1936; hier: Bericht über das Jahr 1933 [im folgenden zitiert: Bericht über die Ergebnisse der Verwaltung 1933], 8. 56 Archiv des LWV Hessen. Nr. 9794. Breitenau I B 1.Jahresbericht der Landesptlegeanstalt und des Altenheims zu Breitenau für das Rechnungsjahr 1933 (im folgenden zitiert: Archiv des LWV Hessen: Jahresbericht 1933), 10: »Auf dem Fuldaberg wurden die im Vorjahre durch den freiwilligen Arbeitsdienst begonnenen Rodungsarbeiten durch politische Schutzhäftlinge fortgesetzt und vollendet. Die gesamte Ödlandfläche wurde mit Mischwald aufgeforstet.« 57 So war es vertraglich vereinbart und so wurde es auch eingehalten, wie der Jahresbericht vermerkt hat. Archiv des LWV Hessen: Jahresbericht 1933, 4: »Die Arbeitsbelohnungen wurden je nach Fleiß bzw. der Güte der geleisteten Arbeiten 6 - 40 Pfennig für den Kopf und Arbeitstag gezahlt, jedoch nicht für Schutzhäftlinge [...]«. 42 Lageplan der Landesarbeitsanstalt Breitenauausdemfahre 1928 (nach einerVorlageausdein Archiv des LWV H essen). DieGefangenen desKonz entrationslagers wurden im I. und III. Obergeschoß des»Mdnner- hauses« undspäter im »Landarmenhaus« untergebracht; die5A- und 55-Wachmannschaften belegten das II. Obergeschoß des»Mdnnerhauses« A: Beamtenwohnhaus C: Kirche E:Zellengebäude B: Männ erhaus D: Landarmenhaus F: Frauenhaus 43 günstige Gestaltung der Einnahmen«.58 Auch die folgende Formulierung be- zieht sich auf denselben Sachverhalt: »Sämtliche Mehrausgaben [immerhin über 30.000 RM!] konnten durch Mehr- einnahmen gedeckt werden. «59 In diesem denkwürdigen Haushaltsjahr 1933 brauchten die Zuschüsse nicht voll in Anspruch genommen zu werden; sogar Schulden konnte man abtragen: »Anstelle des mit 38.748,- RM vorgesehenen Unterhaltungszuschusses waren im Berichtsjahr nur 20.727,58 RM für laufende Aufgaben erforderlich. Weitere 18.000 RM des Unterhaltungszuschusses wurden abgehoben und als außerordentlicher Abtrag auf die Schuldenlast der Anstalt geleistet.«?' Diese Mehreinnahmen - dies geht aus demJahresbericht der Anstalt eindeutig hervor - entstammten nicht etwa Vergütungen für Arbeitsleistungen oder dem Verkauf von Fußmatten (diese beiden Posten waren im Haushaltsjahr 1933 rückläufig); sie entstammten den sogenannten Verpflegungsgebühren. Die An- stalt hatte hier Einnahmen in Höhe von 63.400 RM veranschlagt. Aufgrund der Einrichtung des Konzentrationslagers und aufgrund der leicht gestiegenen Zahl der eingewiesenen Korrigenden (überwiegend wegen »Bettclns und Land- streichens«) konnte sie nun über 130.073,90 RM verfügen." Da die Gesamtausgaben für die »Beköstigung« pro Kopf und Tag bei 0,53 RM lagen" - obendrein um 8 Pfennige niedriger als im Jahre 1932 -, verblieben der Anstalt bei den 27.080 Verpflegungstagen (der Schutzhaftgefangenen) mehr als 18.000 RM, von denen lediglich die Kosten für die Wäsche zu bestreiten war." Der erwähnte niedrige tatsächliche Verpflegungssatz (0,53 RM) hing damit zusammen, daß die Anstalt über landwirtschaftlich geführte Betriebe, eine Müh- le, eine Bäckerei usf selbst verfügte, so daß sie die Grundnahrungsmittel nicht auf dem Markt kaufen mußte. Nach alledem hat man als eine Konstante auf Seiten der Anstalt ein finanzielles Interesse, bedingt durch die Vorgabe rentabler Wirtschaftsführung, vorauszusetzen. 58 Archiv des LWV Hessen: Jahresbericht 1933, 9. 59 Archiv des LWV Hessen: Jahresbericht 1933, 7. 60 Archiv des LWV Hessen: Jahresbericht 1933, 7. 61 Archiv des LWV Hessen: Jahresbericht 1933, 5: »Dem Voranschlag des Berichtsjahres war eine Durchschnittsbelegung von 75 Köpfen mit 27.375 Verpflegungstagen zu Grunde gelegt. In Wirklichkeit wurde indessen eine Durchschnittsbe1egungsziffer einschließlich Konzentra- tionslager von 199,47 [!] Köpfen mit 72.810 Verpflegungstagen erreicht.[ ...] An Einnahmen für Verpflegungsgebühren waren voranschlagsmäßig 63.400 RM vorgesehen. Die tatsächliche Einnahme betrug 130.073,90 RM [...]«. 62 Archiv des LWV Hessen: Jahresbericht 1933, 4. 63 Archiv des LWV Hessen: Jahresbericht 1933,5. - Die insgesamt imJahre 1933 angefallenen 4.096 Verpflegungstage für »S.S. bzw. S.S. Wache des Konzentrationslagers« wurden in dieser Rechnung nicht berücksichtigt. 44 Daß die politische Verfolgung Andersdenkender und politischer Gegner den Hintergrund für die »günstige Gestaltung der Einnahmen« der Anstalt bildete, schien weder dem Bezirkskommunalverband, dem Landeshauptmann in Hessen noch der Anstaltsleitung in Breitenau ein Problem zu sein. Auch die Tatsache, daß dem Vorsteher der Anstalt Joseph Schrötter und dem Landeshauptmann von Hes- sen Rabe von Pappenheim'" der Schutzhaftgefangene des KZ Breitenau Ludwig Pappenheim persönlich bekannt war (man hatte in denselben politischen Gremien getagt)'", hat anscheinend wenig ausgelöst. Zur Bezeichnung des Lagers Das Lager Breitenau hat in der Zeit zwischen seiner Gründung am 16. Juni 1933 und seiner Auflösung am 17. März 1934 seinen amtlichen Namen geändert. Dies hing mit der in dieser Zeit sich herausbildenden und festigenden Struktur des Konzentrationslagersystems, das der Nationalsozialismus geschaffen hat, zusam- men. Im Frühjahr 1933 stand nicht fest, in welcher Art und Weise und für wie lange Haftstätten für die politischen Gegner aufrecht zu erhalten sein würden. Gerichte und Sondergerichte verfolgten zur selben Zeit die Gegner des neuen Regimes und verurteilten sie zur Haft in den klassischen Strafanstalten. Strafurteil und Schutzhaft folgten oft einander; nicht selten wurde die Schutzhaft bis zum Strafurteil aufrechterhalten. In dieser Situation wurde Breitenau als »Konzentrationslager für politische Häftlinge« gegründet und von den Kasseler Behörden noch bis Ende des Jahres 1933 auch so bezeichnet." In den Akten der Landesarbeitsanstalt wurde es unter diesem Namen geführt"; unter dieser Bezeichnung wurde es der Öffentlichkeit vorgestellt". Der Regierungspräsident in Kassel teilte dem preußischen Minister- präsidenten die Einrichtung des »Konzentrationslagers Brcitenau« mit." Auch gegenüber den Landräten sprach v. Monbart am 27. Juni 1933 von der Ein- richtung des »Konzentrationslagers Breitenaus". In diese regionale Gründung des Lagers als KZ Breitenau schob sich von Seiten despreußischen Innenministeriums in Berlin aus das Bemühen, die Verwaltung der Konzentrationslager unter eigene Kontrolle zu nehmen und zu zentralisieren. Ab August 1933 wurde das Lager Breitenau unterschiedlich bezeichnet. Wäh- rend der Kasseler Polizeipräsident bis Anfang September 1933 am N amen »Kon- 64 Klein, Leitende Beamte, 191. Gottfried Rabe von Pappenheim (1874-1955), Mitglied der DNVP, war Landeshauptmann für den Bezirksverband Kassel von 1930 bis 1936. 65 Vgl.Kapitel 9 (Zu Ludwig Pappenheim). 66 pp Fritz v. Pfeffer sprach am 6.9.1933 und am 2.10.1933 vom »Konzentrationslager Breitenau«, Klein, Lageberichte der Gestapo, 69 u. 618. 67 Bericht über die Ergebnisse der Verwaltung 1933, 8. 68 Vgl.KapitelS (Das Konzentrationslager Breitenau in der zeitgenössischen Presse) 69 HStAMbg 165/3878. PrMdI an RP Kassel vom 24.7.1933. 70 HStA Mbg 165/3878. PP Kassel an RP Kassel vom 27.5.1933. 45 zentrationslager« festhielt", sprach nun das Innenministerium von Breitenau als einem »vorübergehend eingerichteten Lager« oder davon, »daß die behelfsmäßige Unterbringung der Schutzhäftlinge in der Landesarbeits- anstalt Breitenau nur eine vorübergehende ist; die Einrichtung eines dauernden Konzentrations- bzw Durchgangslagers in Breitenau kommt jedenfalls nicht in Frage, da die Schutzhäftlinge aus den westlichen Industriebezirken voraussichtlich schon in die im Aufbau befindlichen Moorlager im Regierungsbezirk Osnabrück abtransportiert werden.«72 Im Februar 1934, kurz vor der Auflösung des Lagers, scheint sich die Regelung des Innenministers durchgesetzt zu haben: nun sprach auch der Kasseler Polizei- präsident von einem »dern Polizeigefängnis angeschlossenen Lager Breitenau« oder von dem »Polizeigefängnis Kassel, Abteilung Breitenauc" oder, um aus allen Verlegenheiten herauszukommen, einfach von »Brcitenau«." Beim Landeshaupt- mann und bei der Landesarbeitsanstalt Breitenau selbst wurde weiterhin bis Mitte 1934 die Bezeichnung »Konzentrationslager Breitcnau« verwandt." Bei den Kasseler Gerichten tauchte diese Bezeichnung (»Konzentrationslager Breitenau«) noch im Jahre 1937 auf. 76 71 Klein, Lageberichte der Gestapo, 618 (v. Pfeffer am 6.9.1933). 72 HStAMbg 165/3878. PrMdI an RP Kassel vom 24.7.1933. - von Monbart sprach nun von der »Unterbringung politischer Schutzhäftlinge in der Landesarbeitsanstalt Breitcnau« bzw. V0111 »Lager in Breitenau«. HStA Mbg 165/3878. RP Kassel an PrMdI v. 26.9.1933. 73 HStA Mbg 165/3982. Band 12. PP Kassel an Gestapo Berlin v. 22.2.1934. 74 HStA Mbg 180. Woltbagen 2329. PP Kassel an Landräte RegBez. Kassel vom 14.3.1934. 75 Archiv des LWV-Hessen: Jahresbericht 1933. (Erstellt am 24. Juli 1934). 76 Universität Kassel GHK: Informationsstelle Nationalsozialismus in Nordhessen. Sammlung Georg Merle. Urteil des Strafsenats des Oberlandesgerichts in Kassel gegen Hermann Himmelreich, Wilhelm Loose u.a. vom 20.Juli 1937: »Im Jahre 1933 war er [Friedrich Loose ] 7 Wochen in Schutzhaft und im Konzentrationslager Breitenau.« 46 Die Einweisung in das Lager Breitenau Schutzhaft für politische Gegner Das KZ Breitenau wurde zunächst für politische Gegner des Nationalsozialismus eingerichtet. Der für die Gründung des Lagers verantwortliche Kasseler Polizei- präsident von Pfeffer hatte dies mehrfach betont und den Polizeibehörden des Regierungsbezirks klar eingeschärft: »Es geht keinesfalls an, daß, wie es vorgekommen ist, völlig kranke, auf Krücken gehende Leute hier eingeliefert werden. Weiterhin ist die Schutzhaft doch im wesentlichen nur für solche Personen notwendig und aufrecht zu erhalten, die als Funktionäre der marxistischen Parteien und Organisationen zu gelten haben, und bei denen die Gefahr besteht, daß sie sich weiterhin als solche betätigen. [...] Im Hinblick aufdie große Anzahl der Schutzhäftlinge, die in letzter Zeit hier zugeführt worden sind, muß ich als \erantwortlicher für das Polizeigefängnis und das Kon- zentrationslager in Breitenau darüber wachen, daß nicht Leute hierher abgescho- ben werden, deren Inhaftierung nicht gerechtfertigt ist.c' Ähnlich hatte sich der kommissarische Regierungspräsident von Monbart geäußert, als er den Kreispolizeibehörden des Bezirks die Einrichtung des Kon- zentrationslagers Breitenau mitgeteilt hat. Einmal nahm er den amtlichen Begriff »Konzentrationslager für politische Schutzhäftlinge« auf, zum andern sprach er davon, daß für die Aufnahme im Konzentrationslager Breitenau »grundsätzlich nur solche Schutzhäftlinge in Betracht (kommen), die voraussichtlich längere Zeit - mindestens 4 Wochen - festgehalten werden müssen.e' Dieser Zielsetzung entsprach in den ersten Wochen die Zusammensetzung der Schutzhaftgefangenen im Lager. Die »Kasselcr Post« berichtete eine Woche nachder Einrichtung des Lagers: »Etwa 40 Funktionäre der SPD und KPD (30 aus Kassel und 10 aus den Landge- meinden) wurden hier untergebracht.s' Diese Pressenotiz stimmt mit den zeitgenössischen Eintragungen in dem Aufnahmebuch und in den .Nachweisungen- übercin.' An der Zusammenset- zung der Gefangenen hat sich offenbar auch drei Monate später wenig geändert. Göring hatte - in seiner Eigenschaft als preußischer Innenminister - im Septem- ber 1933 von den Regierungspräsidenten Übersichten über die Schutzhaftge- fangeneneingefordert, die auch die parteipolitische Zuordnung einschloß.' In den 1 HStA Mbg 165/3982. Band 11. pp Kassel an die LR RegBez. Kassel am 7.7.1933. 2 HStA Mbg 180. Wolfhagen 2329. Der kom. RP an die LR Reg.bez. Kassel am 27.6.1933. 3 Kasseler Post vom 23.6.1933. 4 Aufnahmebuch und Nachweisungen belegen (bis zum 22. Juni 1933) 39 Schutzhaftgefangene, von denen nur einer (Adolf Levy aus Karlshafen) nicht aus politischen, sondern aus rassischen Motiven verhaftet worden ist. HStA Mbg 165/3982. Band 11. Schnellbrief Gärings vom 19.9.1933 betr. Nachprüfung der gern. 47 Der kommissarische Regierungspräsident in Kassel) von Monbart, teilt den Landräten und Poliz eibehörden im Bezirk die Einrichtung des Konz entrationslagers Breitenaujönn!ich mit (H S tA Mbg 180 Woifhagen 2329) . 48 Akten des Kasseler Regierungspräsidenten findet sich ein im eigenen Hause erstellter Sammelbogen, der in einem Überblick auf einer Seite die aus den Landkreisen eingegangenen Rückmeldungen auf die Anfrage festgehalten hat." Die Kriterien (waagerechte Leiste) lauteten »Entlassungen«, »Schutzhäftlinge«, »K.P.D.«, »S.P.D.«, »Sonstige«, »Funktionäre«, »Rückfällige« und »Schutzhaft nach 21.111.33«. Senkrecht sind dann sämtliche 25 Kreispolizeibehörden aufgeführt, so daß sich ein differenzierter Überblick ergibt. Von den 170 Schutzhaftgefangenen in Breitenau sollten nach polizeilicher Auskunft 126 der KPD und 9 der SPD angehört haben. Diesem Sammelbogen zufolge waren knapp 80% der politischen Gefangenen (103 von 135) auf Grund der Polizei-Kategorie »Funktionärc der marxistischen Parteien und Organisationen« in Schutzhaft genommen worden. Es gab daneben im KZ Breitenau eine ansteigende Zahl Schutzhaftgefangener, die nicht aus Gründen der politischen Gegnerschaft dort eingesperrt worden waren, darunter Juden und andere aus antisemitischen Motiven verfolgte Men- schen, worüber im nächsten Kapitel berichtet wird. Die ersten Schutzhaftgefangenen Am16.Juni 1933 trafen die ersten Schutzhaftgefangenen im Konzentrationslager Breitenau ein. Es handelte sich um achtundzwanzig als Gegner des Nationalso- zialismus öffentlich in Erscheinung getretene politisch aktive Kommunisten und Sozialdemokraten. Karl-August Quer und Karl Herrmann waren Sozialdemokraten, die anderen sechsundzwanzig Gefangenen gehörten der Kommunistischen Partei an. Unter ihnen befanden sich Ernst Lohagen, Friedrich und Walter Eisenacher, Kurt Finkenstein und Andreas Ruhl aus der Stadt Kassel, Wilhelm Bauer, der sich wie manch anderer bereits seit dem 28. Februar 1933 in Schutzhaft befand, aus Niederzwehren, Jakob Hildebrand und Johannes Hauptreif aus Harleshausen, Fritz Loose und August Hornschu aus Niederelsungen und Gustav Werkmeister ausBad Sooden-Allendorf Wie waren sie ins Konzentrationslager gekommen? Karl Herrmann war Bezirkssekretär der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands im Bezirk Hessen-Kassel. Er hatte sich in einem Schreiben am 23. März 1933 an den Regierungspräsidenten von Monbart gewandt, diesem Zeug- nisse über Mißhandlungen von Gegnern des Nationalsozialismus vorgelegt und den Regierungspräsidenten ersucht, »dafür zu sorgen, daß allen Bürgern der notwendige Schutz gewährt wird«.' Ein vom Landrat in Rotenburg abgefangener §1 der Notverordnung v. 28.2.1933 erlassenen Schutzhaftanordnungen. 6 HStAMbg 165/3982. Band 11. Sammelbogen [Ende September 1933], s. Abb. aufS. 168 7 HStA Mbg 165/3982. Band 10. Sozialdemokratische Partei Bezirksverband Hessen-Kassel am 23.3.1933 an den Regierungspräsidenten v. Monbart. 49 weiterer Brief Herrmanns, in dem er eine Abschrift der »Erklärung des sozialde- mokratischen Reichstagsabgeordneten Wilhelm Sollmann über seine Mißhand- lung durch SA und SS« [im März 1933 in Köln-Rath] an den Arbeiter Karl Braunholz in Rockensüß (vermutlich ein Sozialdemokrat) versandte, löste eine Durchsuchung des SPD-Bezirkssekretariats durch die Kasseler Polizei aus. Karl Herrmann und Rudolf Freidhof der Geschäftsführer des SPD-Bezirks, wurden am 18. April 1933 in Schutzhaft genommen; zunächst wurden sie in das Polizeipräsidium am Königstor, später nach Breitenau gebracht." Gleichzeitig leitete der Kasseler Polizeipräsident ein Strafverfahren gegen beide beim Sondergericht wegen Vergehen gegen § 3 der Verordnung des Reichspräsidenten vom 21. März 1933 ein." Karl Herrmann hatte in Georg-August Zinn, der sich für seine Freilassung einsetzte, einen guten Rechtsanwalt." Karl-August Quer, seit 1922 Lehrer in der Stadt Kassel, war den Nazis ein Dorn im Auge, weil er als Gauführer des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold mit ihnen seit langem in unmittelbarer, nicht selten auch handgreiflicher Auseinan- dersetzung stand. Quer befand sich seit dem 12. Mai 1933 in Schutzhaft, wahr- scheinlich im Polizeipräsidium Kassel; am 16.Juni 1933 kam er nach Breitenau 11, wo er bis zum 29. Juni 1933 bleiben mußte. 8 HStA Mbg 165/3982. Band 10. pp Kassel an Landeskriminalpolizeiamt I Berlin am 19.4.1933.- JVA Kassel: Archiv. Tagesbericht des Polizeigefängnisses [Wehlheiden] vom 30.3. bis 16.6.1933. Das Rap- portbuch der Strafanstalt Wehlheiden verzeichnet den 2. April 1933, 13.30 Uhr, als Einliefe- rungszeitpunkt, Er vermerkt Herrmanns Verlegung am 20.5.1933 in das Kasseler Gerichtsgefängnis. 9 Dieser § 3 ist einer der Willkür Tür und Tor öffnenden .Rcchts--bestimmungen des Hitlet-Staates gewesen und bis zum Ende 1945 in Kraft geblieben und angewandt worden. Er lautet: »Wcr vorsätzlich eine unwahre oder gröblich entstellte Behauptung tatsächlicher Art aufstellt oder verbreitet, die geeignet ist, das Wohl des Reichs oder eines Landes oder das Ansehen der Reichsregierung oder einer Landesregierung oder der hinter diesen Regierungen stehenden Parteien oder Verbände schwer zu schädigen, wird [...] mi t Gefängnis bis zu zwei Jahren [...] bestraft.« Verordnung des Reichspräsidenten zur Abwehr heimtückischer Angriffe gegen die Regierung der nationalen Erhebung. Vom 21. März 1933. RGBI I (1933), 135. 10 HStA Mbg 165/3982. Band 10. RA G.-A. Zinn an pp Kassel vom 22.6.1933. Zinn konnte drei gegen K. Herrmann angestrengte Ermittlungsverfahren bzw. Strafverfahren durch Einstellungen oder durch Freispruch abwenden. Später hat er mitgeteilt, wie ihm dies gelungen ist: »Tcrmin zur Hauptverhandlung vor dem Sondergericht war [...] am 26. oder 27.5.1933 anberaumt worden. Ich habe dann durch Benennung von Zeugen und Vorlage fotografischer Aufnahmen zahlreicher Mißhandelter den Wahrheitsbeweis für die Herrmann zur Last gelegten angeblichen Greucl- berichte angeboten. Daraufhin wurde der Haftbefehl und der Termin zur Hauptverhandlung vor dem Sondergericht aufgehoben. I--Ierrmann wurde wenige Tage vor dem ursprünglich ange- setzten Termin zur Hauptverhandlung aus der Untersuchungshaft entlassen, blieb jedoch zunächst weiter in Schutzhaft, bis er etwa Mitte Juni 1933 in das KZ Breiterrau überführt wurde« (StA Kassel: Betreuungsstelle. Herrmann, Karl). Daß G.-A. Zinn übrigens selbst in Breitertau als Schutzhaftgefangener eingesperrt war, ist Legende. Zinn wurde eine Zeitlang von der Kasseler Gestapo im Polizeigefängnis Kassel gefangen gehalten. 11 Archiv des LWV Hessen: KZ Breitenau; hier: Direktor Landesarbeitsanstalt Breitenau an den Landeshauptmann in Hessen zu Kassel arn 19.Juni 1933: Verzeichnis über die am 16. ds. Mts. in die hiesige Anstalt eingelieferten politischen Schutzhäftlinge und über die zur Überwachung derselben hier eingetroffenen Polizeibeamten. Zf .24. 50 Ernst Lohagen war seit dem 15. Mai 1933 in Schutzhaft'f; auch er wurde zunächst im Polizeigefängnis Kassel untergebracht." Lohagen war in der Zeit von 1924/25 bis etwa 1931 der führende Kopf der Kommunistischen Partei im Bezirk Hessen-Waldeck. Er gehörte für die KPD auch dem Kommunallandtag (in diesem Parlament saßen zur gleichen Zeit auch der spätere Präsident des Volksgerichtshofs, Roland Freisler [NSDAP], der Kasseler Regierungspräsident August Haas [SPD] und der Schmalkaldener Redakteur Ludwig Pappenheim [SPD]) an, war von 1930 - 1932 Reichstagsabgeordneter; für die folgenden Wahlen ist er von der KPD nicht mehr aufgestellt worden. Mitte 1931 war er als Funktionär in Kassel abgesetzt worden, »ohne daß die anderen Funktionäre den Grund erfuhren«." Nachfolger für ihn aus Kassel im Reichstag wurde Karl Barthel, der nach 1945 so eindringlich über seine Haftzeit in Buchenwald geschrieben hat." 12 HStA Mbg 165/3982. Band 13. pp Kassel an RP Kassel. Nachweisung der am 13.3.1934 in Haft befindlich gewesenen Personen ...(unter Ziffer 25). H. Weber gibt als Zeitpunkt der Inhaftierung April 1933 (ohne Beleg) an. Hermann Weber, Die Wandlung des deutschen Kommunismus, Band 2. Frankfurt 1969, 210 (im folgenden zitiert: Weber, Wandlung des deutschen Kommunismus). 13 Er wurde nicht - wie die meisten anderen politischen Gefangenen - ins Zuchthaus Wehlheiden .wcitcrgeschobenc Vgl.:]VA Kassel: Archiv. Tagesbericht 1933; dort findet sich sein Name nicht. Gab es für die Polizei besondere Gründe dafür, ihn im Polizeigefängnis festzuhalten? Besondere Vernehmungen? 14 Weber, Wandlung des deutschen Kommunismus, Band 2, 210. Vgl. auch: M.d.R. Die Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik in der Zeit des Nationalsozialismus. Politische Verfolgung, Emigration und Ausbürgerung 1933-1945. Eine biographische Dokumentation. Bearbeitet von Katharina Lübbe und Martin Schumacher. Düsseldorf 1991 (im folgenden zitiert: Lübbe/Schumacher), 374f. Ernst Lohagen (25.5.1897 geboren; 1971 in der DDR gestorben) gehörte zu der herausgehobenen Gruppe vom Hitler-Staat unerbittlich verfolgter Kommunisten. In Breitenau wurde er in die »Stufc I« eingruppiert; er zählte mithin zu »den besonders radikalen Elemente [n]« (slm Konzentrationslager Breitenau«, in: Hersfelder Zeitung vom 24. Juni 1933). Er hatte in Breitenau bis zum 16.10.1933 zu bleiben; von dort wurde er unmittelbar in das KZ Papenburg gebracht. Im März 1934 wurde er zu denen gerechnet, »für die aufGrund des Erlasses des Herrn Ministerpräsidenten - Geheime Staatspolizei - vom 16.3.34 - Insp. 1946/11.3.34. II. - und der Verfügung des Herrn Regierungspräsidenten Kassel vom 20.3.34 - All No 8745a/34- über den 31. März 1934 hinaus Schutzhaft verlängert wird.« (HStA Mbg 165/3982. Staats- polizeistelle f.d. Reg.Bez. Kassel: Nachweisung der Schutzhäftlinge, für die [...] über den 31. März 1934 hinaus Schutzhaft verlängert wird). Im Laufe des Jahres 1934 scheint er freigelassen worden zu sein, umjedoch am 23. Juli 1935 erneut verhaftet zu werden, weil er im Verdacht stand, »führend an dem Neuaufbau der KP.D. beteiligt zu sein« (Klein, Lageberichte der Gestapo, 291 u. 830). Nach dem Krieg war Lohagen zunächst in hoher Funktion in der SBZ/DDR tätig (1946 bis 1952 Mitglied des Parteivorstandes bzw. des Zentralkomitees der SED; Abgeordneter der Volkskammer u.a.); 1952 wurde er wegen »Unterdrückung der Kritik, parteischädigendem Verhalten« aus dem ZK ausgeschlossen und »Arbciterveteran« (Wer war Wer in der DDR? Ein biographisches Handbuch. Herausgegeben von Bernd-Rainer Barth u.a .. Frankfurt a.M. 1995, Sp. 464 f). Es gibt Erzählungen von einem einzigen legendären Auftritt Lohagens nach dem Krieg in Kassel, und zwar anläßlich des Bürgersäle-Prozesses, bei dem er gegen seine ehemaligen SA-Peiniger ausgesagt hat. Seine Frau Paula Lohagen, Kommunistin und in gleicher Weise politisch wie er gegen den Nationalsozialismus im Untergrund tätig, wurde ebenso hart verfolgt. Im Sommer 1935 wurde sie gemeinsam mit ihm verhaftet. Sie kam 1944 im KZ Auschwitz ums Leben. 15 Kar! Barthel, Die Welt ohne Erbarmen. Bilder und Skizzen aus dem K.Z. Greiffenverlag: Rudolstadt 1946. 51 Friedrich Eisenacher aus Kassel war neunzehn Jahre alt, von Beruf Gärtner, als er am 25. März 1933 in Schutzhaft genommen wurde. 16 In einer Liste findet sich der Hinweis aufeine Mitgliedschaft in der KPD. 17 Er wurde am 24. Juli 1933 entlassen. Walter Eisenacher, ein dreiundzwanzigjähriger Maurer aus Kassel, wurde am 22. März 1933 in Schutzhaft genommen." Er gehörte vermutlich seit längerem der KPD an; sein Name war der Polizei bei einer Hausdurchsuchung im Dezember 1931 in die Hände gefallen. 19War dies der Anlaß für die Verhängung von Schutzhaft gewesen? Die Politische Abteilung im Kasseler Polizeipräsidium führte bekanntlich Listen, die bei der Verhaftung herangezogen wurden. Walter Eisenacher wurde am 12. Juli 1933 aus Breitenau entlassen. Er war weiterhin im Widerstand tätig und wurde im Jahre 1939 mit einer dreieinhalbjährigen Zuchthausstrafe belegt, an die sich unmittelbar eine KZ-Haft von März 1943 bis zum Kriegsende in den Konzen- trationslagern Flossenbürg und Sachsenhausen anschloß.20 Kurt Finkenstein wurde am 26. April 1933 in Schutzhaft genommen." Offenbar ist er, wie Ernst Lohagen, bis zum 16.Juni 1933 im Polizeipräsidium am Königstor festgehalten, mithin nicht - wie die meisten anderen Schutzhaftgefangenen - nach Wehlheiden überführt worden. Kurt Finkenstein war als Dentist bzw. Zahntechni- ker in Kassel beruflich tätig; seine vielseitigen geistigen und künstlerischen Inter- essen hatten ihn eine literarisch-politische Gesellschaft in Kasselgründen lassen. Mit der erneuten Inhaftierung im Zuchthaus Wehlheiden und der Verurteilung wegen Hochverrats imJuli 1935 begann für ihn ein Martyrium. Die meisten seiner Briefe und Gedichte aus dem Zuchthaus sind erhalten. Die Freiheit hat er von 1935 an bis zu seinem Tod in Auschwitz 1944 nicht mehr gesehen.22 Andreas Ruhl, ein 25-jähriger Schlosser aus Kassel, war im Dezember 1932 für fünf Tage wegen »Zersetzung der Reichswchr« im Polizeipräsidium inhaftiert gewesen." War es dieser Umstand oder seine Mitgliedschaft in der Kommunisti- schen Partei, die zur Verhängung von Schutzhaft gegen ihn am 29. März 1933 geführt hatte?" Aus der Polizeiabteilung der Wehlheider Strafanstalt kam er am 16.Juni nach Breitenau. Von dort wurde er am 14. August entlassen. Ruhl wurde für seine kommunistische Gesinnung mit nahezu zehn Jahren Haft bestraft: 16 ]VA Kassel: Archiv. Tagesbericht 1933, zr 13. 17 Archiv des LWVHessen: KZ Breitenau. Nachweisung vom 16.6.1933, Zf 14. 18 ]VA Kassel: Archiv. Tagesbericht 1933, zr 12. 19 HStA Mbg 165/6985, BI. 21. Darin: ein aus zehn Gruppen und zahlreichen Namen bestehendes -Mitgliedcrverzeichnis: [allem Anschein nach] des Rotfrontkämpferbundes. 20 StA Kassel: Betreuungsstelle. Wiedergutmachungsantrag Walter Eisenacher vom 25. März 1950. 21 Archiv des LWV Hessen: KZ Breitenau. Nachweisungvom 16.6.1933, zr 21. 22 Ellen Gruska/ Monika Nentwig: Kurt Finkenstein. Ein Leben für die Befreiung der Menschheit (1893-1944). Staatsexamensarbeit Gesamthochschule Kassel. 1984. Die nachgelassenen Briefe Kurt Finkensteins befinden sich im Archiv der Gedenkstätte Breitenau. Eine Edition ausgewählter Briefe Kurt Finkensteins ist in Vorbereitung. 23 StA Kassel: Betreuungsstelle. Fragebogen für politische Häftlinge. 1945. Ruhl, Andreas. 24 ]VA Kassel: Archiv. Tagesbericht 1933, Zf. 10. 52 Breitenau war erst der Anfang seines Leidensweges", der über Untersuchungshaft (1936) und Zuchthaus (1937-1941) ins Konzentrationslager Sachsenhausen führ- te, wo er von 1941 bis zum Kriegsende bleiben mußte. Wilhelm Bauer, ein 29-jähriger Elektromonteur aus Niederzwehren - diese Gemeinde wurde erst am 1. Juni 1936 nach Kassel eingemeindet" - war bereits am späten Vormittag des 28. Februar in Schutzhaft genommen worden." Bauer gehörte schon früh dem »Kampfbund gegen den Faschismus« an" und wurde ausdrücklich als »KPD-Funktionär« verhaftet." Im November 1934 erhob der Generalstaatsanwalt in Kassel gegen ihn Anklage wegen Vorbereitung zum Hoch- verrat; sein weiterer Weg ist nicht bekannt." Jakob Hildebrand, ein dreißigjähriger Schlosser aus Harleshausen, wurde wie Wilhelm Bauer bereits am 28. Februar 1933 als KPD-Funktionär verhaftet. Wie Bauer kam auch er zunächst in die Strafanstalt Wehlheiden und von dort am 16. Juni 1933 nach Breitenau. Hildebrand war auch in der »Internationalcn Arbei- terhilfe« (IAH) und bei der »Roten Hilfe« tätig." Aus dem Lager Breitenau wurde er am 19. Juli 1933 entlassen. Offenbar wurde er anschließend einige Zeit im Polizeipräsidium in Haft gehalten." 25 Ruhl nahm nach der Entlassung aus Breitenau an der illegalen Tätigkeit der KPD teil. Gegen ihn und anderewurde ein Verfahren wegen Vorbereitung zum Hochverrat eingeleitet. Die ihm dort zur Last gelegtenVergehen waren geringfügig: mehr alsdie Verteilung von kommunistischen Druckschriften und die Kassierungvon Mitgliedsbeiträgen und Erlösen aus den Druckschriften konnte der Strafsenat des Oberlandesgerichts Kassel ihm nicht nachweisen. Es erklärte ihn »der Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens schuldig« und verurteilte ihn zu fünfJahren Zuchthaus. Urteil des OLG Kassel gegen Andreas Ruhl vom 8.1.1937 (Universität GHK Kassel. Informationsstelle Nationalsozialismus in Nordhessen. Sammlung Georg Merle. 0 Js 228/36). 26 Wieden/Feldner weisen zu Recht darauf hin, daß die Eingemeindung Niederzwehrens auch vom höheren Polizeistandpunkt aus -interessan« war. Sie zitieren ein Schreiben des Polizeipräsidenten in Kassel aus dem Jahre 1935, in dem es u.a. hieß: »In staatspolitischer und polizeilicher Hinsicht wird die Erweiterung des Ortspolizeibezirks endlich die erforderliche Grundlage schaffen für eine schlagkräftige Bekämpfung staatsfeindlicher Umtriebe und verbrecherischer Elemente [...] In allen für die Eingemeindung vorgesehenen Vororten bestand [...] bisher eine ausgesprochen marxistische Mehrheit. Auch heute noch beherbergen die Vororte eine beachtliche Zahl marxistische und dem nationalsozialistischen Staat feindlich gegenüberstehende Elemente [...]«. Peter Wieden/Claus Feldner: Niederzwehren wie es früher war. Ein Bilder- und Lesebuch. Gudensberg-Gleichen 1986, 100. - Zum gleichen Zeitpunkt wurden die Gemeinden Oberzwehren, Nordshausen, Harleshausen, Waldauund Wolfsanger der Stadt Kasseleinverleibt. Vgl. Thomas Klein: Zur Geschichte der Kasseler Eingemeindungen. In: Hess.Jahrb. flandesgeschichte 36 (1986),317-349, hier 332 ff 27 ]VA Kassel:Archiv. Tagesbericht 1933, Zf 3. 28 HStA Mbg 165/3886. Band 1. pp Kassel an RP Kassel vom 16.11.1931 betr.: Kommunistische Terrorgruppen. 29 HStA Mbg 165/3886. Band 1. pp Kassel an RP Kassel vom 28.2.1933. 30 Willi Belz: Die Standhaften. Über den antifaschistischen Widerstand in Kassel und im Bezirk I-Iessen-Waldeck 1933-1945. 2. ergänzte und verbesserte Auflage Kassel 1978 [zuerst unter verändertem Untertitel Ludwigsburg 1960], 214 (Anklage OJs 157/34 vom 10.11.1934)(im folgenden zitiert: BeIz, Die Standhaften). 31 HStA Mbg 165/3886. Band 1. Landeskriminalpolizeistelle an OP v. 9.10.1931. Betr.: Führer- schulungder I[nternationalen] A[rbeiter] H[ilfe] in Hann. Münden. 32 StA Kassel: Betreuungsstelle: Hildebrand, Jakob. Darin heißt es u.a. in einem von ihm 53 Johannes [Hans] Hauptreif von Beruf Zimmermann und aus Harleshausen stammend, wurde am 19. März 1933 in Schutzhaft genommen. Er ist mitten in der Nacht verhaftet worden, denn im Polizeipräsidium wurde er um 1.30 Uhr »aufgenornmen«." Vor seiner Verhaftung hatte Hauptreif der Bezirksleitung der KPD angehört, berichten Zeitzeugen." Hauptreif wurde aus Breitenau am 9. August 1933 entlassen. Wegen Vorbereitung zum Hochverrat wurde er im Jahre 1934 zu elf Monaten Gefängnis [in Hameln] verurteilt." Friedrich [Fritz] Loose, ein 24-jähriger Schneider aus Niederelsungen/Kr. Wolfhagen, war seit 1928 Mitglied der KPD. In der Niederelsunger Parteior- ganisation hatte er eine untergeordnete Funktion inne: er war Kassierer gewesen. Seine Verhaftung führte er auf eine Denunziation zurück. »Die Spatzen haben's nicht nach Kassel getragcn«." Eine solche Denunziation erscheint auch deshalb als wahrscheinlich, weil F. Loose - die bloße Mitgliedschaft in der KPD und die untergeordnete Funktion eines dörflichen Kassierers reichten in der Regel in diesen Monaten noch nicht aus - den damaligen Kriterien für die Verhängung von Schutzhaft nicht entsprochen hatte. Örtliche Racheakte nun zu Macht und Ehren aufgestiegener politischer Gegner dürften den Ausschlag zur Verhaftung gegeben haben, vermutet F. Loose. »Am 1. Pfingsttag 1933 wurde ich geholt, im offenen LKW nach Kassel ins Polizeipräsidium.« Dort blieb er zwölf Tage, um dann mit der .Minna- nach Breitenau transportiert zu werden. »Wir waren die ersten .Politischen-, die da im Juni ankamen«, Aus dem KZ Breitenau wurde er am 19. Juli 1933 entlassen. Auch F. Loose geriet später in die Mühlen des Verfolgungsapparates, als dieser sich nämlich anschickte, selbst die letzten Reste kommunistischen Zusammenhalts - der in den Dörfern von den persönlichen Beziehungen oft nicht zu trennen war - zu zerstören. Durch einen Spitzel der Gestapo wurde seine Gruppe aufgerollt, und F. Loose wurde im Jahre 1937 vom Kasseler Oberlandesgericht »wegen Vorbereitung eines hochverräterischen Unternchmens« zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Auch seine beiden Brüder Wilhelm Loose und Heinrich Loose wurden gerichtlich mit ähnlicher Härte verurteilt. Diese Verurteilungen erfolgten, weil die drei Brüder den »Moskausender gehört und hinterher über das Gehörte gesprochen« haben. Außerdem habe er »von demjuden Goldschmidt in Oberel- eingereichten Antrag: »Ich war vom 28. 2. 1933 bis Anfang September 1933 in Schutzhaft genommen und verbrachte diese Zeit im Polizeipräsidium Kassel, Zuchthaus Kassel-Wehlheiden, Konzentrationslager Breitenau und am Schluß bis zu meiner Freilassung wiederum im Polizeipräsidium Kassel.« 33 ]VA Kassel: Archiv Tagesbericht 1933, Zf. 23. 34 BeIz, Die Standhaften, 36 f. 35 StA Kassel: Betreuungsstelle: Hauptreif Johannes. - Anklageschrift 64/34 vom 22.6.1934. 36 Notiz über ein Gespräch mit Friedrich Loose (1984). 54 sungen« eine Schrift erhalten, die sich kritisch mit dem Erbgesundheitsgesetz auseinandersetzte.37 August Hornschu kam wie Friedrich Loose aus Niederelsungen. Er wurde gemeinsam mit ihm, am 4. Juni 1933, verhaftet. A. Hornschu war von Beruf Schwellenhauer. Unter den Breitenauer Schutzhaftgefangenen zählte er mit sei- nen 36Jahren bereits zu den Älteren. Hornschu wurde von der Politischen Polizei in der Weimarer Zeit als politischer Führer der etwa zehnköpfigen kommunisti- schen Parteigruppe in Niederelsungen angesehen." Aus Breitenau wurde er, wieder gemeinsam mit Friedrich Loose, am 19.Juli 1933 entlassen. Gustav Werkmeister, ein 27-jähriger Arbeiter aus Bad Sooden-Allendorf, wurde bereits am 3. März 1933 in Schutzhaft genommenr" Über das Polizei- gefängnis in Wehlheiden kam er am 16. Juni nach Breitenau, wo er bis zum 8. Januar 1934 blieb - eine ungewöhnlich lange Zeit! Über ihn ist nicht mehr bekannt als die Tatsache, daß er nach Polizeiauffassung der KPD angehört haben soll. 40 NSDAPundSA Das Konzentrationslager Breitenau war einerseits eine staatliche Einrichtung, die von einer staatlichen Behörde, dem Kasseler Polizeipräsidenten, auf dem Wege einer vertraglichen Vereinbarung mit dem Landeshauptmann in Hessen (das Wort von der -Amtshilfe- liegt nahe) begründet worden war. Auch die Finanzierung des Lagers erfolgte aus staatlichen Mitteln; so war es in den meisten frühen Schutzhaftlagern in Preußen gewesen." Auch die Hilfspolizei, die das Bewachungskommando in Breitenau stellte, fungierte als staatliche Einrichtung, und ihre Angehörigen wurden für den .Diens« in Breitenau aus der Staatskasse vergütet. Und doch entstände ein falsches Bild, wenn man das KZ Breitenau aus- schließlich unter dem Gesichtspunkt einer vom preußischen Staat begründeten und verantworteten Haftstätte ansehen würde. Denn die Aushöhlung staatlicher Ämter durch die Aktivisten von NSDAP, SA und SS hatte bereits im Juni 1933 erfolgreich um sich gegriffen. Göring hatte in Berlin vorexerziert, wie ein die Demokratie verachtender Parteifunktionär das Amt des preußischen Innenmini- stersund dasjenige des preußischen Ministerpräsidenten zur rücksichtslosen Par- 37 Urteil des Oberlandesgerichts Kasselvom 20. Juli 1937 in der Strafsache gegen H. Himmelreich, W. Loose u.a. wegen Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens (Universität GHK Kassel. Informationsstelle Nationalsozialismus in Nordhessen. Sammlung Georg Merle. OJs 117/37). 38 Notiz über ein Gespräch mit Friedrich Loose (1984). 39 JVAKassel: Archiv. Tagesbericht 1933, Z( 17. 40 Archiv des LWV Hessen: KZ Breitenau, Nachweis vom 16.6.1933, Z( 19. 41 MBliV I (1933), 594. RdErl.d.MdL v. 20.5.1933. »Kosten für politische Schutzhäftlinge«. 55 teiherrschaft instrumentalisieren - und beide Ämter zugleich ruinieren konnte. Ähnliches sollte sich auf den unteren Ebenen staatlichen Handeins wiederholen. So hatten die Schutzhaftgefangenen - wenn sie an Recht und Gesetz vor Behörden appellierten - bald schmerzhaft zur Kenntnis zu nehmen, daß der staatliche Charakter des KZ Breitenau keinen Wert im Sinne gültiger rechtsstaatli- cher Normen besaß. Dies galt für von Pfeffer, den Kasseler Polizeipräsidenten, nicht minderjedoch auch für die Landräte, denen bei der Einweisung und Entlassung der Schutz- haftgefangenen die Schlüsselrolle zukam; sie verstanden in der Regel ihr Amt nicht .altpreußisch-. So waren z.B. Friedrich Löser als Hanauer Landrat, Fritz Lengemann als Landrat von Kassel oder Ludwig Hamann als Landrat in Schmal- kalden persönlich der NSDAP oder einer ihrer Gliederungen bzw. Kampf- formationen so eng verbunden, daß schon von ihrem politischem Selbst- verständnis her der Gedanke der Trennung von Staat und Partei nahezu aus- geschlossen schien. Die NSDAP regierte auch durch die Hilfspolizisten, die im Lager die Schutzhaftgefangenen kommandierten: zunächst waren es SA-Männer, ab August 1933 gehörte die Wachmannschaft in Breitenau der SS an. Die treibende und ausschlaggebende Rolle der NSDAP bei der Einweisung eines Gefangenen nach Breitenau wird am Beispiel der Inhaftierung des ehema- ligen Landrats und Mitgliedes der SPD Heinrich Treibert aus Fritzlar besonders deutlich." H. Treibert war im Sommer 1932 als Landrat von Fritzlar durch die Zusammenlegung dieses Landkreises mit dem Hornberger abgelöst worden. Der »Abtransport des Landrats a[ufJ W[artegeld] Treibert durch die SA«43 ist deshalb bemerkenswert, weil er am amtlich vorgeschriebenen Weg der Verhängung von Schutzhaft vollkommen vorbei gelaufen ist. Der (neue) Fritzlarer Landrat Frhr. von Funck erfuhr von der Inhaftierung seines Amtsvorgängers erst, als der Kasseler Polizeipräsident ihn um Aufklärung der Tatsache ersuchte, wieso sich Heinrich Treibert im Kasseler Polizeipräsidium be- finde, ohne daß ein entsprechender Vorgang dort bekannt sei. Der stellvertretende Landrat des Kreises Fritzlar-Homberg, [Kreisoberinspektor Oskar] Hartenbach, berichtete am 1.Juli 1933, daß ihm am 29. Juni mitgeteilt worden sei, daß Landrat Treibert von der SA verhaftet und »abtransportiert« worden sei.44 Hartenbach billigte nachträglich den Willkürakt der örtlichen SA, da er dem Polizeipräsidenten in Kassel folgendes mitteilte: »Ich kann mich der 1fagweite der von der Kreisleitung der S.A. vorgebrachten Gründe nicht verschließen und halte es für notwendig, bis zur Klärung der dem 42 Klein, Leitende Beamte, 224; vgl. auch S. 205 ff 43 HStA Mbg 165/3982. Band 10. LR des Kreises Fritzlar/I--Iomberg an pp Kassel betr.: Transport des Landrats a.W. Treibert durch die S. A. vom 1.7.1933. 44 Ebenda. 56 Landrat a.Wlreibert gemachten \brwürfe die Schutzhaft gegen Landrat a.Wlreibert im Interesse der Staatssicherheit anzuordnen.c" Diese scheinbare Legalisierung stattgehabter Willkürakte seitens der SA und der SS durch die neuen Landräte ließe sich in jenen Monaten auch in anderen Entscheidungen nachweisen. Ein Beispiel war die Enteignung des von der Kasseler »Preien Deutschen Ju- gcnd« in Eigenarbeit errichteten Blockhauses im Reinhardswald bei Wilhelms- hausendurch die SA Hann. Münden. Am 9. April 1933 stürmten Angehörige eines SA - Sturms aus Hann. Münden das Blockhaus und besetzten es. Aufverschiedene Eingaben hin erklärte der -Alte Kämpfer: und neue Landrat Fritz Lengemann folgendes: »Die Besitzer des Hauses sind Kommunisten, die sich an jedem Sonn- abendund Sonntag darin aufhielten und dort ohne Trennung der Geschlechter in einem Raum schlafen. Da auch der dringende Verdacht bestand, daß das Haus kommunistischen Umtrieben diente, hatte ich der SA in Hann. Münden auf ihr Ansuchen gestattet, das Haus zu beschlagnahmen u. darin das Hausrecht auszu- üben. Da zu befürchten ist, daß das Haus bei Freigabe wieder staatsfeindlichen Zwecken dienstbar gemacht wird, hat es nunmehr die Ortspolizeibehörde Wilhelmshausen in Obhut genommen, welche es in Verbindung mit der SA in Kassel bewachen läßt«.46 Mehrere Berichte liegen darüber vor, - auch von einem Breitenau-Gefangenen - daß Schutzhaftgefangene aus dem Kasseler Polizeigefäng- nis »[...] der SS, welche uns in das frühere Arbeiterwassersportbad und Bootshaus mit einem PKW brachte, [übergeben wurden], um aus uns in bestialischer Weise Geständnisse zu crprcssen.c" Anschließend wurden die Gefangenen wieder zum Polizeipräsidium zurückgebracht. Diese Tatsache, daß von Staatsseite aus Schutzhaftgefangene den Folterern und Schlägern der SS schutzlos überlassen - vielleicht sogar einverständig zum Zweck der Mißhandlung ausgeliefert - worden sind, dokumentiert deutlich genug, wie weit der Staat bereits zurückgewichen und zumKumpan seiner kompromißlosen Feinde geworden war. Seitens des Preußischen Innenministeriums wurde eine solche Praxis aus- drücklich nahegelegt; dieses hatte dem Regierungspräsidenten in Kassel im Mai 1933 mitgeteilt: »Dic Erfahrung hat gezeigt, daß die Vernehmung wegen Ver- dachts politischer Straftaten oder staatsfeindlicher Umtriebe festgenommener Personen durch Beamte der ordentlichen Polizei in vielen Fällen nicht den Erfolg gehabt hat, der bei der Vernehmung derselben Personen durch SA und SS erzielt werden konnte. In Anbetracht der besonderen Umstände erscheint es daher angezeigt, vorübergehend die Polizeibehörden zu ermächtigen, in geeigneten 45 HStA Mbg 165/3982. Band 10. Vermerk des LR FritzlarlHomberg (i.V. Hartenbach) vom 30.6.1933. 46 HStA Mbg 1f>5/3982. Band 11. 47 StA Kassel: Betreuungsstelle: Bericht Arno Schminke. 57 Fällen im Polizeigewahrsam befindliche Häftlinge aus eigner Entschließung oder auf Anfordern zu diesem Zwecke von den nationalen Verbänden zu benennen- den, mit Hilfspolizeibeamten zu besetzenden Dienststellen zur verantwortlichen Vernehmung [...] zu belassen oder zu überstcllcn.e" Zahlreiche Fälle sind überliefert, in denen die NSDAP - Kreisleitung über die Einweisung oder Entlassung eines Schutzhaftgefangenen in Breitenau entschied - und nicht der Landrat oder der Polizeipräsident in Kassel. )~r Aufhebung der Schutzhaft ist die Kreisleitung der NSDAP anzuhörcn«, notierte der Regierungspräsident zum Bericht des Landrats aus Arolsen, der die Freilassung von Schutzhaftgefangenen nahegelegt hatte." »Gegen die Haftentlassung des Adolf Freund, Wernswig, aus der Landespfle- geanstalt Breitenau habe ich nach der von Freund abgegebenen Erklärung und mit Rücksicht aufdie wirtschaftlichen \erhältnisse nunmehr nichts einzuwendcn«, bescheinigte der Kreisleiter der NSDAP Homberg am 19. April 1933~(); am 20. April wurde A. Freund entlassen. 51 Oder andernorts der gleiche Vorgang, wenn auch mit anderem Ergebnis: »In Übereinstimmung mit dem Kreisleiter der NSDAP spreche ich mich gegen die Entlassung des Meyer aus, weil dieser als großer Hetzer gegen die NSDAP bekannt ist und große Unruhe in der Bevölkerung bei seinem Erscheinen in Corbach verursachen würde.c" teilte der Korbacher Landrat dem Regierungspräsidenten in Kassel mit. Auch der stellvertretende Leiter der Gestapostelle Kassel, Dr. Walter Adolf Wilhelm Lindcnborn", bezog ausdrücklich die Stellungnahme des NSDAP-Kreisleiters in seine Entscheidung ein. Er schrieb an den Regierungspräsidenten: »Da sowohl der Landrat wie auch der Kreisleiter der NSDAP in Corbach sich gegen die Haftentlassung des Lehrers Meyer aussprechen, vermag ich seine Entlassung aus der Schutzhaft nicht zu bcfürwortcn.c" Meyer durfte das KZ Breitenau erst am 28. September 1933 verlassen. Weitere Beispiele dieser Art ließen sich anfügen. 48 HStA Mbg 180 Hersfeld 9408. MdI an die RP und den pp Bcrlin den 29. 5. 1933 bctr, Ver- nehmung in polizeilichem Ccwahrsam befindlicher Personen durch Angehörige der SA und SS. 49 HStA Mbg 165/3886. Band 2. Schreiben des LR d. Kr. d. Twiste an RP Kassel vorn 4. Apri11933 [betr. Fritz Brandt aus Rhoden u.a.]. 50 Archiv des LWV Hessen: Nr. 9741, Bd. 2. 51 Archiv des LWV Hessen: Aufnahmebuch. 52 HStA Mbg 165/3982. Band 11. Schreiben vom 7. September 1933. 53 Zur Person: Klein, Lageberichte der Gestapo, 22. 54 HStA Mbg 165/3982. Band 11. Schreiben vom 7. September 1933. 58 Das Pretlj3ische Innenministerium ermächtigte Regierungs- und Polizeibehörden aus~r~ick­ lieh dazu, poliz eilich Pestgenommene derSA oderSS z u »Vernehmungen [...] kurzfnsttgz u iiberlassen oder zu iiberstellen.« (HStA Mbg 180 H ersfeld 9408). 59 Die Landräte und Bürgermeister Der sich langsam etablierende -normale: Weg der Einweisung in das KZ verlief auf den durch behördliche Verfügungen und Anordnungen vorgeschriebenen Bahnen. Zunächst fragte der Landrat oder der Oberbürgermeister (die Kreispoli- zeibehörde) beim Polizeipräsidenten unter Darlegung der Gründe an, ob Schutz- haft verhängt werden könne; er stellte damit einen .Antrag: aufVerhängung von Schutzhaft. Wurde diesem seitens der Kasseler Polizei entsprochen, kam der Beschuldigte nach Breitenau ins Konzentrationslager. Im September 1933 gab es entsprechende Formulare für dieses Antragsverfah- ren. So wandte sich z.B. der Landrat Richard Bieneres in Hersfeld am 8. Septem- ber 1933 mit einem solchen Formular an Kassel, um Georg Thomas aus Petersberg in ein KZ zu bringen". Thomas sei Kommunist, »der übelste Hetzer gegen die NSDAP« und er habe einen SS-Mann tätlich angegriffen. Er gehöre mindestens für drei Monate in Schutzhaft. Die Kasseler Antwort ist nicht erhal- ten; sie muß jedoch zustimmend gewesen sein, denn Georg Thomas wurde am 23. September 1933 in das KZ Breitenau eingeliefert, wo er erst nach drei Monaten, am 22. Dezember 1933, wieder entlassen wurde. Nicht anders erging esJohannes Georg Möller aus Hersfeld, den der Landrat ebenfalls für drei Monate nach Breitenau bringen ließ. Aus Möllers »Worten« gehe »einwandfrci seine staatsfeindliche Einstellung hervore". Außerdem sei er Kommunist. Auch J.G. Möller wurde vom 23. September bis zum 22. Dezember 1933 im KZ Breitenau inhaftiert. Die bedeutende Rolle, die die Landräte als Kreispolizeibehörden im Jahre 1933 (dies sollte sich bald ändern) bei der Einweisung in ein Konzentrationslager bzw. bei der Verhängung von Schutzhaft spielten, wird an den genannten beiden Verhaftungen deutlich. Beide Beschuldigten bestritten in Briefen an Landrat Bienert energisch, jemals der Kommunistischen Partei oder einer ihrer Organisa- tionen angehört zu haben. »Auf die Anzeige des Domänen-Pächters Eschstruth, der mir im Privatleben schon immer feindlich gesinnt war, bin ich in Schutzhaft überführt worden«, schrieb Georg Thomas im November 1933. Und Johannes [Hans] Möller schrieb am 11. November 1933 an Bienert, daß er mit der Sache Eschstruth-Thomas rein gar nichts zu tun hätte und selbst »nocli nie einer Kom- munistischen Partei oder irgendetwas angehört habc«. Bienert glaubte den beiden anscheinend, denn er leitete ihre Gesuche um Entlassung aus der Schutzhaft nach Kassel weiter, und zwar an den Regierungspräsidenten. Als dieser den Polizei- präsidenten um Stellungnahme bat, reagierte jener gereizt und antwortete, der Landrat müsse doch wissen, da er selbst Schutzhaft beantragt habe, daß die 55 Klein, Leitende Beamte, 97. 56 HStA Mbg 165/3982. Band 12. Der stellv. LR an pp Staatspolizeistelle Kassel am H.9.1933. 57 HStA Mbg 165/3982. Band 12. Der stellv. LR an pp Staatspolizeistelle Kassel anl 21.9.1933. 60 Der Hersfelder [zu dieser Z eit noch: stellvertretende] Landrat Bienen beantragt die Einweisung eines Schutzhaflgefangenen in das KonzentrationslagerBreitenau (HStA Mbg 165/3982) Band 12). 61 Entlassung zu Weihnachten vorgesehen sei. Der Landrat solle sich an ihn un- mittelbar wenden. Von Pfeffer schrieb: »Es ist mir unverständlich, warum der Landrat in Hersfeld die an ihn gerichteten Schreiben betr. Entlassung von Schutzhäftlingen nicht mit einer Stellungnahme an mich einsendet. Dem Landrat steht es doch frei, die Haftentlassung durch seine Stellungnahme bei mir ohne weiteres zu erwirken, da ich Inschutzhaftmaßnah- men, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nur auf Antrag der Landräte durch- führe.s" Auch die Entlassung aus der Schutzhaft erfolgte in der Regel erst bei Zustim- mung der Kreispolizeibehörde." Denunziationen Stets hat man sich bei diesen Vorgängen zu vergegenwärtigen, daß eine oft unerläßliche Bedingung auch für diesen staatlich >geordneten< Weg der Ein- weisung in ein KZ die Denunziation von Mitbürgern, Kollegen und .Gcschäfts- freunden- gewesen ist. Die Studien von Martin Broszat und Robert Gellately u.a. belegen anschaulich, daß die Gestapo ein erhebliches Maß von freiwillig übermit- telten Informationen aus der Bevölkerung erhielt und »offenbar weniger eine aktive als eine reaktive Organisation« war. 60 Wir geben ein Beispiel von dieser Art Denunziation, hier durch Ar- beitskollegen im Betrieb, die ausdrücklich als Zeugen aufgerufen wurden: Der Ortsgruppenleiter von Eiterhagen/Kreis Kassel schrieb an die Kreisleitung der NSDAP Kassel-Land, daß »der Arbeiter K.S. aus Quentel [...] heute [30.6.1933] unseren Führer und Reichskanzler in solch gemeiner Weise (beschimpfte), daß ich mich gezwungen sehe, gegen ihn Strafantrag zu stellen. Er sagte im Beisein mehrerer Arbeiter folgendes: .Hitler, dieser Lump, dieser Schuft blockiert die Grenzen, damit wir überhaupt nichts mehr zu fressen kriegen« Hierfür habe ich drei einwandfreie Zeugen, und zwar denArbeiter G.H., denArbeiter K.D. und denArbeiterJ.H. ...«, Viele ehemalige Schutzhaftgefangene führten ihre Verhaftung ausdrücklich auf eine Denunziation zurück. »Die Spatzen haben's nicht nach Kassel getragen« - so drückte Friedrich Loose dies aus." 58 HStA Mbg 165/3982. Band 12. pp - Staatspolizeistelle - an RP Kassel vom 27.11.1933. 59 Der LR des Kreises Kassel teilte z.B. Herrn Martin Hofmann am 13. 9. 1933 folgendes mit: »Mit Rücksicht aufdas Ableben Ihrer Ehefrau habe ich Ihrer Entlassung aus der Schutzhaft zugestimmt [...]«. StA Kassel: Betreuungsstelle. Hofmann, Martin. Begl. Abschr. (1948). 60 Robert Gellately: Gestapo und Terror. Perspektiven auf die Sozialgeschichte des national- sozialistischen Herrschaftssystems. In: .Sicherhcit- und >Wohlfahrt<. Polizei, Gesellschaft und l-Ierrschaft im 19. und 20.Jahrhundert. Herausgeg. von AlfLüdtke. Frankfurt a.M. 1992,371-392, hier: 383. - Martin Broszat: Politische Denunziationen in der NS-Zeit: Aus Forschungs- erfahrungen im Staatsarchiv München. In: Archivalische Zeitschrift 73 (1977),221-238. 61 Notiz über ein Gespräch mit Friedrich Loose (1984). 62 Wie anders als durch heimliches Anschwärzen sollten die neuen Machthaber erfahren haben, daß einer sich »wiederholt in den Wirtschaften abfällig über die Regierung der nationalen Erhebung, insbesondere über den Herrn Reichskanz- Ier«geäußert", daß ein anderer »Stichelrcden geführt und verächtlich über ein vor einigen Wochen stattgefundenes Kavallerie-Fest gesprochen habe«63? Beide An- zeigen waren Anlaß für eine Inhaftierung im KZ Breitenau gewesen. Zur Herkunft der Schutzhaftgefangenen Im KZ Breitenau waren 470 Männer zwischen dem 16.Juni 1933 und dem 17. März 1934 inhaftiert. Eingeschlossen in diese Gesamtzahl waren 13 SA-Angehöri- ge,die als Schutzhaftgefangene im Herbst 1933 in Breitenau einsaßen. Die meisten Gefangenen kamen aus Kassel, Hanau und den dazugehörigen Landkreisen. Dies erklärt sich dadurch, daß die kommunistische und bzw. oder die sozialdemokratische Partei in diesen Städten und Landkreisen organisatorisch gut vertreten waren und bei den Wahlen beträchtliche Stimmen aufsich vereinen konnten." Die Schutzhaftgefangenen in Breitenau kamen aus: Stadt Kassel KreisKassel Stadt Hanau KreisHanau Kreis Hofgeismar KreisWitzenhausen Kreis Gelnhausen Kreis Fritzlar-Homberg Kreis Wolfhagen Stadt Fulda Kreis Fulda Kreis der Eder Kreis Melsungen Andere Kreise im RegBez. Andere Orte (außerhalb des RegBez. Kassel) 115 (24,5 %) 49 (10,4°k) 66 (14,0%) 44 (9,4%) 20 (4,30/0) 21 (4,5%) 16 (3.40/0) 15 (3,20/0) 12 (2,6%) 10 (2,1°k) 10 (2,1%) 9 (1.9%) 9 (1,90/0) 4965 (10,4%) 25 (5,3%) 62 HStA Mbg 165/3982. Band 10. LR Kassel an RP Kassel vom 1.7.1933. 63 HStA Mbg 165/3982. Band 11. Magistrat Schmalkalden an RP Kassel vom 16.9.1996. 64 Bei den Reichstagswahlen am 6. 11. 1932, den letzten freien Reichstagswahlen, erhielten in der Stadt Kassel die SPD 25,30/0 und die KPD 14,4%, im Landkreis Kassel die SPD 35,3% und die KPD 20,2%, in der Stadt Hanau die SPD 15,6% und die KPD 31,8%, im Landkreis Hanau die SPD 22,80/0 und die KPD 32,3% der Stimmen. Solche Ergebnisse erreichten SPD und KPD nur noch im Kreis Herrschaft Schmalkalden: SPD 21,8% und KPD 22,60/0. Klein, Berichte des RP, 845 ff 65 Kreis Frankenberg 7; Kreis des Eisenbergs 6; Kreis Schlüchtern 6; Kreis Hersfeld 6; Kreis Herrschaft Schmalkalden 6; Kreis Eschwege 5; Stadt Marburg 4; Kreis der Twiste 3; Kreis Ziegenhain 3; Kreis Hünfeld 2; Kreis Marburg 1. 63 Zeitraum 16. Juni 1933 bis 17. März 1934 Herausragende .Schube. vonEinlieftrungen in das KZ Breitenau 116.6.1933 229.6.1933 3 12.7.1933 48.8.1933 5 1.9.1933 6 16.9.1933 723.9.1933 64 28 überwiegend kommunistische Schutzhaftgefangene aus Kassel (Stadt und Kreis Kassel: 25; die anderen aus den Kreisen Hofgeismar, Witzenhausen und Wolfhagen). 30 überwiegend sozialdemokratische Schutzhaftgefangene aus Nordhessen (Stadt und Kreis Kassel: 15; die anderen aus den Kreisen Frankenberg, Fulda, Melsungen und Witzenhausen). 15 überwiegend kommunistische Schutzhaftgefangene aus Nordhessen (Stadt und Kreis Kassel: 8; die anderen aus den Kreisen Melsungen und Wolfhagen, einer aus Berlin). 23 Schutzhaftgefangene aus Nordhessen (Stadt und Kreis Kassel: 11; Kreis Gelnhausen: 8; die anderen aus den Kreisen Witzenhausen, Fritzlar-Homberg und dem Kreis des Eisenbergs). 22 Schutzhaftgefangene, überwiegend aus Nordhessen (Stadt und Kreis Kassel: 13; Stadt und Kreis Hanau: 3; die anderen aus den Kreisen der Eder, Witzenhausen, Eschwege und aus Breslau. 19 Schutzhaftgefangene, überwiegend aus Hanau (Stadt und Kreis Hanau: 16;je einer aus Hofgeismar, aus Ludwigshafen und Bergen bei FrankfurtiMain). 30 Schutzhaftgefangene aus Hanau (Stadt und Kreis Hanau: 28; zwei aus Kreis Hersfeld). 830.9.1933 923.12.1933 25 Schutzhaftgefangene aus Hanau (Stadt und Kreis Hanau: 23; zwei aus Kreis Hersfeld) 22 Schutzhaftgefangene aus Stadt und Kreis Hanau. Juli '33 Aug. '33 Sept. '33 Okt. '33 Nov. '33 Dez. '33 Jan. '34 Feh. '34 März '34 Zeitraum 16. Juni 1933 bis 17. März 1934 Wenn man die Berufe der Inhaftierten kategorial untersucht, fällt der hohe Anteil der handarbeitenden Berufe auf: bei einer Gesamtzahl von 457 Gefange- nen (die 13 SA-Gefangenen außer acht lassend) sind 142 als Handwerker (darun- ter 40 Schlosser, 17 Maurer, 15 Schreiner und 9 Schmiede), 90 als Facharbeiter (z.B. Dreher, Monteure, Klempner, Spengler, Schweißer, Autoschlosser) und 131 als ungelernte Arbeiter (darunter Lagerarbeiter, Hilfsarbeiter, Packer, Fahrbur- sehen, Bahnarbeiter) einzustufen; 363 (79,40/0) sind mithin den .handarbeitcndcn. Berufen zuzuordnen. 20 (4,3% ) sind als Angestellte (darunter Kassenrechner, Bürogehilfe, Obersekretär, Parteiangestellter, Bürovorsteher) , 40 (8,7%) als Kauf- leute (Händler, Handlungsgehilfe, Reisender) und 24 (5,2%) als -Bürger- (Fabri- kant, Rechtsanwalt, Lehrer, Geschäftsinhaber, Gastwirt, Landwirt) einzustufen. 65 Haftgründe Politische Gegner Das KZ Breitenau hat in den Monaten unmittelbar nach der Machtergreifung Hitlers in erster Linie - wie die vielen anderen frühen Konzentrationslager und SchutzhaftsteIlen in Preußen und im Deutschen Reich - der Internierung der politischen Gegner des Nationalsozialismus gedient, vor allem der Aktivisten in KPD, SPD und in den anderen -marxistischen., d.h. sozialistischen oder anar- chistischen Gruppen und Organisationen. Allerdings hat der Nationalsozialismus auch die politischen Gegner und Kritiker, die aus bürgerlichen Traditionen handelten, in die Konzentrationslager eingesperrt. Auch im KZ Breitenau befand sich zum Beispiel ein Mitglied des Tannenbergbundes, einer »Arbeitsgemein- schaft völkischer Frontkrieger und Jugendverbände«, die 1925 von Oberst a.D. Constantin Hierl und General a.D. Erich Ludendorffgegründet und irn Juni 1933 verboten worden war. 1 Führende Funktionäre Die Schutzhaftpraxis in Preußen wurde von Zeit zu Zeit vom Innnenministerium überprüft und auf ihre >Wirksamkeit< hin untersucht. Bei diesen Überprüfungen schälte sich deutlich heraus, daß es den Machthabern darum ging, den .hartcn Kern- der politischen Gegner zu ermitteln: jene, die politisch in ihrer Wider- standskraft nicht stillzustellen waren, sollten ausfindig gemacht werden, damit man sie weiter in Haft halten und terrorisieren konnte. Entgegen allen öffentli- chen Verlautbarungen, die Konzentrationslager seien eine vorübergehende Erscheinung, war für diese Gegner von Anfang an die -daucrndc Schutzhaft. vorgesehen. Der Schnellbriefdes preußischen Innenministers vom 19.9.1933 sah für bestimmte Gruppen von Gefangenen Schutzhaft als eine längerfristige, kei- nesfalls vorübergehende Maßnahme vor: für »Funktionäre«, »Rückfällige« und solche, die sich »nach dem 21. März 1933 aktiv im staatsfeindlichen Sinne« betätigt hatten' »Untergeordnete Mitläufer der KPD und SPD« wollte man nicht länger Es handelte sich um den Fabrikanten Karl Grebestein aus Eschwege, der gellleinsam mit seinem Bruder Gustav Grebestein im September 1933 in Schutzhaft gcnomrnen und im KZ Breitenau inhaftiert worden war. Zum Tannenbergbund vgl.: Dietor Fricke u.a. (lIg.): Die bürgerlichen Parteien in Deutschland. Handbuch der Geschichte der bürgerlichen Parteien und anderer bürgerlicher Interessenorganisationen. Vorn Vormärz bis zum Jahre 1945. Band II Leipzig 1968, 671. 2 HStA Mbg 165/3982. Band 11. Schnellbrief Görings vorn 19.9.1933 bctr. Nachprüfung der gem. § 1 der Notverordnung v. 28.2.1933 erlassenen Schutzhaftanordnungen: »Dcr 21. März 1933 ist als Stichtag gewählt worden, weil spätestens von diesem Tage ab die Regierung der nationalsozialistischen Revolution die überwältigende Mehrheit des Deutschen Volkes hinter sich hat«. Am 21. März zelebrierte die nat.-soz. Führung die EröfTnung des Reichstags als »Tag von Potsdarn«, um sich in der Tradition Bismarcks und des .Rcichcs- als seriöse Staatsmacht zu präsentieren. 66 inhaftieren; auch nicht Gefangene, die »wegen Beleidigung von Mitgliedern der Reichs- und Staatsregierung, der SA und SS« usw. im KZ eingesperrt waren. Ihnen gegenüber gab man sich großzügig und äußerte »erzieherische Absichten«. »Die Staatsanwaltschaften sind von dem Herrn Preußischen Justizminister ausdrück- lich angewiesen, in geeigneten Fällen die Beschuldigten lediglich zu verwarnen und ihnen hierbei zu eröffnen, daß sie der großzügigen Haltung der Mitglieder der natio- nalsozialistischen Regierung die Einstellung des \erfahrens verdanken«.' Ganz anders verfuhr man mit den führenden Funktionären der politischen Linken. Sie blieben in Haft und erhielten fast ausnahmslos Gerichtsverfahren und hohe Strafurteile, in denen Hoch- und/oder Landesverrat unterstellt wurde. Für sie blieb nur unklar, welche Haftanstalt und damit welche Haftbedingungen sie erwarteten: mußten sie ins KZ, ins Zuchthaus oder -nur- ins Gefängnis (später im Krieg kam noch hinzu: in ein Strafbataillon)? Die Inhaftierung führender Parteifunktionäre zielte aufdie Zerschlagung der gegnerischen Parteiorganisationen. SPD und KPD sollten nicht nur auf der Ebene des Verwaltungsrechts verboten, sondern als organisierter Ausdruck eines bestimmten politischen Willens vernichtet werden. So fanden sich die Denker, Lenker und Aktiven von KPD, SPD und aus anderen sozialistischen,kommunistischen und anarchistischen Gruppen, politisch erfahrene .Parteiofliziere. auf der einen sowie Repräsentanten und Mandatsträger (bis hin zu Landtags- und Reichstagsabgeordneten) auf der anderen Seite bald nach der Machtergreifung in Schutzhaft und wenig später in Breitenau. Neben vielen ande- ren waren von der Kommunistischen Partei im KZ Breitenau inhaftiert: Heinrich Eckhardt (Hanau), Heinrich Heeb (Hann. Münden), Wilhelm Hens (Ha- nau), Friedrich Herbordt (Kassel),Emil Hohmann (Fulda), Karl Härle (Hanau), Paul Joerg (Witzenhausen), Karl Kiillmer (Reichensachsen), Ernst Lohagen (Kassel),Hein- rich Merle (Kassel),Max Mohaupt (Korbach), AdolfRügheimer (Kassel),Ernst Schäd- ler (Frielendorf/Kr, Ziegenhain), Siegfried Schild (Korbach), Ernst Schippel (Witzenhausen), Hans Schramm (Witzenhausen), August Schülbe (Kassel),Otto Stol- ze (Hofgeismar), August Thöne (Kassel) und Willi 'Wllberg (Kassel). Neben anderen wurden folgende Sozialdemokraten im KZ Breitenau eingesperrt: Joseph Arend (Bad Wildungen), Georg Brandt (Helsa-Wickenrode), RudolfFreid- hof (Kassel), AdolfFreund (Dickershausen/Kr. Fritzlar-Homberg), Karl Herrmann (Kassel), earl Kraft (Nieste), Wilhelm Kreitz (Kassel), Louis Meyer (Korbach), Ludwig Pappenheim (Schmalkalden), Heinrich Parthesius (Grüsen/Kr. Franken- berg), Wilhelm Pfannkuch (Heiligenrode), Karl-August Quer (Kassel), Karl Ritter (Harleshausen/Kr. Kassel) und Adam Selbert (Kassel). Von Otto Gebe (er war Sekretär des ADGB in Fulda), Heinrich Siebert (Be- triebsratin einer Kasseler Schuhfabrik) und Konrad Reis (Gewerkschaftssekretär aus 3 Ebenda. 67 Eiterhagen und Bezirksleiter des Zentralverbandes der Steinarbeiter) ist bekannt, daß sie als Funktionäre des »Allgerneinen Deutschen Gewerkschaftsbundes« (ADGB) und als Sozialdemokraten im KZ Breitenau inhaftiert worden sind. Ernst Pehlke aus Steinau/ Kr. Schlüchtern war als Funktionär des »Interna- tionalen Sozialistischen Kampfbundcs« (ISK)4 und als »Mitarbeitcr von Dr. Leh- mann«, dem Geschäftsführer der Dreiturm-Seifenfabrik in Steinau, nach Brei- tenau gebracht worden. Mandatsträger Erstaunlich viele Träger eines politischen Mandats oder eines politischen Amtes - überwiegend Sozialdemokraten - und Bewerber um Mandat oder Amt (aus den Kandidatenlisten) wurden als Schutzhaftgefangene in Breitenau eingesperrt. Da die Parlamente und kommunalen Körperschaften im Juni 1933 bereits politisch an die Peripherie gedrängt bzw. ausgeschaltet waren.', entfiel zu diesem Zeitpunkt wohl das Motiv der unmittelbaren Entfernung eines Amtsinhabers oder Man- datsträgers durch dessen Verhaftung und Einsperrung in Breitenau. Dieses Motiv war hingegen für die frühen Schutzhaftmaßnahmen im März maßgebend gewe- sen, worauf ein in Schutzhaft eingesperrter Abgeordneter zur selben Zeit hinge- wiesen hat. Ludwig Pappenheim schrieb aus dem Gefängnis Schmalkalden an den Oberpräsidenten in Kassel: »Unter uns befinden sich zwei Stadtverordnete, die man hindert am Mittwoch in der Sitzung zu erscheinen und an der Konstituierung des Magistrats und der Kommissionen mitzuwirken. Vielleicht ist das der Zweck der Übung«." Die Frage bleibt, aus welchem Anlaß oder Grund so viele Mandatsträger noch im Juni und im Juli 1933 nach Breitenau gebracht worden sind. Wir vermuten, daß bei den neuen Machthabern niedrige Rachegefühle und aggressives Peinigungsbegehren vorherrschten. Häufig ist von nationalsoziali- stischen Politikern vor 1933 die Machtübernahme als .Tag der Abrechnung<, der .Vergeltung. oder -Bestrafung-, als >Jüngstes Gericht. o. ä. angekündigt worden (besonders aggressiv z.B. von Roland Freisler in und außerhalb des 4 HStA Mbg 165/3982. Band 12. LR Schlüchtern an RP vom 23.11.1933: »Pehlke gehörte zu den Mitarbeitern des Dr. Lehmarm früher in Steinau, jetzt in Frankreich. Dr. Lehmarm war Hauptträger des Iskgedankens (Internationaler sozialistischer Kampfbund - Nelsonbund), der sich insbesondere das Ziel gesetzt hatte, die beiden marxistischen Parteien zur Erzielung besserer Stoßkraft zusammenzuschließen. Ein von Pehlke eingerichteter Mittagstisch diente als Sammelort für Iskanhänger (...)«. 5 In der Stadt Kassel war das Stadtparlament bereits Ende März entmachtet und -gleichgeschaltet.. Die feierliche Neueröffnung unter nationalsozialistischen Vorzeichen wurde im Stil einer Parteiveranstaltung am 30.3.1933 inszeniert. Vgl. Kasseler Post vom 1.4.1933; Krause-Vilmar, Machtergreifung in Kassel, 29f - Zur übergreifenden Lage: Matzerath, Horst: National- sozialismus und kommunale Selbstverwaltung. Stuttgart 1970, 61 - 81. 6 HStA Mbg 165/3982. Band 10. Ludwig Pappenheim an OP vom 27. März 1933. 68 Kasseler Stadtparlamentsj.i Diesen martialischen Drohungen folgten über Nacht aufgestellte -Revolutionsgerichtec, die Scheinverhandlungen und Scheinurteile verkündeten. 8 Neben diesem primitiven Racheverlangen war die Absicht beobachtbar, den bereits entmachteten politischen Gegner persönlich und politisch in den Augen der Öffentlichkeit herabzusetzen. Kommunalpolitisch hervorgetretene sozial- demokratische Mandatsträger wurden häufig als .rote Bonzen- diffamiert9: »Ab nach Breitenau. In letzter Zeit mußten auf \eranlassung des Landrats Pg. Lengemann wieder ver- schiedene Marxisten in Schutzhaft genommen werden. Es handelt sich um die unseren Lesern wohlbekannten Herren [Carl] Kraft-Nieste, [Wilhelm] Pfannkuch-Heiligen- rode, [Martin ] Hoffmann-Crumbach [Hofmann], [Heinrich] Pierson-Oberzweh- ren, [Adam] Selbert-Niederzwehren, [Georg] Fink-Breitenbach, [Karl] Ritter und [Wilhelm] Schreiber-Harleshausen, sowie - last not least - Herr [Wilhelm] Lucan [Lukan] aus Harleshausen. Sie werden nun in Breitenau in produktiver Arbeit - vielleicht zum ersten Male in ihrem Leben - etwas Gutes für ihr \ülk tun.e'" Die Schutzhaft »mußte« verhängt werden (sozusagen als bittere Notwendig- keit) gegen die »wohlbekannten« (d.h. .bcrüchtigten.) - und das folgende Wort ist hier eindeutig pejorativ - »Herren« bzw. gegen »Herrn Lucan« (d.h. keine Men- schen aus dem Volk, sondern solche, die sich als etwas Besseres dünken). Im übrigen wurden sie als arbeitsscheu und unproduktiv diffamiert. Zurück zu den politischen Gefangenen selbst. Welche Abgeordnete und welche Kandidaten (Bewerber um ein Mandat) kamen nach Breitenau? Vorauszuschicken ist, daß die meisten Abgeordneten des Reichstags und des Landtags bereits Ende März verhaftet und in das KZ Columbiahaus (Berlin) überführt worden waren: sie 7 Freislers Auftreten vor 1933 war von endzeitlichen, apokalyptischen Visionen gekennzeichnet. Die Politik drehe sich um den »Tag der Abrechnung«, um den Zusammentritt der Deutschen zu einem »heiligen Volksgericht«. Die »Kasseler Post« gab Passagen einer Rede Freislers, die er im Februar 1933 in der Kasseler Stadthalle unter dem Titel »Abrechnung am 5. März« [dem Tag der Reichstags- und preuß. Landtagswahlen] gehalten hatte, wie folgt wieder: ))Wer ein gutes Gewissen habe, werde sich aufden Tag der Abrechnung freuen. Es gebe aber auch andere, die den Tag hinausschieben wollen. Dann darf man den Rückschluß ziehen, daß der Betreffende ein schlechtes Gewissen hat und man ihn daher genau betrachten müsse. Die bisherigen Machthaber hätten alle erlaubten und auch zweifelhaften Mittel herangezogen, um die Abrechnung hinauszuschieben [...] Heute endlich verstehe das deutsche Volk keinen Spaß mehr, heute sage das Volk: es ist genug!« (Kasseler Post vom 20.2.1933). Vgl. auch Helmut Ortner: Roland Freisler - Mörder im Dienst Hitlers. Göttingen 1995. - Krause-Vilmar, Machtergreifung in Kassel, 17-20 (Roland Freisler, Hitlers Trommler in Kassel). - Meier, Sigrun: Roland Freisler - Materialien zu einer politischen Biographie. Staatsexamensarbeit Gesamthochschule Kassel 1976. 8 Krause-Vilmar, Machtergreifung in Kassel, 27. 9 In klassenkämpferischer Sprache wurde die Armut der Volksrnassen dem Reichtum -ausbeu- render- Parteifunktionäre gegenübergestellt, z.B. folgendermaßen: »Ungeheuerlich ist es, wie die ausgehungerten Kasseler Proleten von ihren Funktionären in der übelsten Weise ausgebeutet wurden. Die angeblichen -Arbeitcrführcr. haben ganz enorme Gehälter und außerdem noch alle möglichen Liquidationen bezogen.« Hessische Volkswacht Nr. 99 vom 28.4.1933. 10 Hessische Volkswacht Nr. 159 vom 10.7.1933. 69 waren als erste Gruppe der bereits im März Verfolgten" an Breitenau vorbei- gegangen - was nicht den Schluß zuläßt, daß sie im Columbiahaus bessere Bedin- gungen vorgefunden hätten; das Gegenteil war der Fall. Richard Tölle aus Kassel (KPD), Friedrich Wörner aus LangendiebachlKr.Ha- nau (KPD) und Adolf Müller aus Hanau selbst (KPD) waren zu Abgeordneten des 65. Kommunallandtags im Regierungsbezirk Kassel" gewählt worden. 13 Kei- ner von ihnen konnte an dessen konstituierender Sitzung am 5. April 1933 teilnehmen; alle drei kamen später in das KZ Breitenau. Vom kommunistischen Wahlvorschlag für die Kommunallandtagswahl kamen Wilhelm Schäfer aus Langenselbold, Friedrich Henning aus Schlüchtern, Gustav Rennert aus Geln- hausen und Hugo Conrad aus Großauheim in das KZ Breitenau." Für eine kommunistisch inspirierte Liste »Kampfgemeinschaft der Arbeiter und Bauern« kandidierten für die Kommunallandtagswahl Wilhelm Elm aus Flieden, Albert Becker, Hugo Herber, Fritz Kramer, Philipp Knögel und Georg Neumann (alle aus Kassel)"; sie kamen sämtlich nach Breitenau. Von der SPD kamen drei Mandatsträger des Kommunallandtags nach Brei- tenau: Fritz Precht, Ludwig Pappenheim und Heinrich Treibert. Von der Liste der Kandidaten kamen Wilhelm Pfannkuch aus Heiligenrode, Georg Füller aus Hettenhausen/Kr. Fulda und AdolfFreund aus Wernswig nach Breitenau." Bei den Reichstagswahlen am 5. März 1933 war Karl Küllmer, ein Schlosser aus Reichensachsen, für die KPD in den Reichstag gewählt worden 17; auch er kam später nach Breitenau. Bei den Wahlen zum Preußischen Landtag am 24. April 1932 war Carl Kraft (SPD) im Wahlkreis 19 (Hessen-Nassau) in den Preußischen Landtag gewählt worden"; er war der einzige vom Wahlvorschlag der SPD, der später in Breitenau 11 HStA Mbg 165/3886. Band 1. pp Kassel an pp Berlin LKPA vom 18.3.1933 betr. Festnahme und Abschub kommunistischer Reichs- und Landtagsabgeordneter. 12 Die für den Regierungsbezirk Kassel seit 1867 geltenden preußischen Gemeindeordnungen führten in der Provinz Hessen-Nassau zur Einrichtung zweier für bestimmte Gebiete (vor allem Wohlfahrt) zuständiger Kommunalverbände in Kassel und Wiesbaden. Organe waren die Kommunallandtage der Bezirksverbände Kassel und Wiesbaden und ein bedeutungsmäßig zurücktretender (gemeinsamer) Provinziallandtag. An der Spitze des Kommunalverbandes stand ein Landeshauptmann. Näheres hierzu bei Klein, Berichte des RP, XIX. 13 Verhandlungen des Kommunallandtags für den Regierungsbezirk Kassel am 5. April 1933. 14 Amtsblatt der Regierung zu Kassel (im folgenden zitiert: Amtsblatt Kassel). Beilage. Kommunallandtagswahl für den Regierungsbezirk Kassel. Vom 2. März 1933, 3 »Kennwort: Kommunistische Partei Deutschlands«. 15 Amtsblatt Kassel 1933, 4. 16 Amtsblatt Kassel 1933, 4 ff 17 Amtsblatt Kassel 1933, Nr. 10 a vom 14.3.1933, Bekanntmachung betr. Reichstagswahl ..., 89. 18 Handbuch für den Preußischen Landtag. Ausgabe für die 4. Wahlperiode (von 1932 an). [im folgenden zitiert: Handbuch Preußischer Landtag 1932] Berlin (juni) 1932, 335 und 455 (geschrieben: earl Kraft). 70 inhaftiert war. Vom Wahlvorschlag der Kommunistischen Partei wurden später Konrad Belz, Gustav Rennert und Ernst Schädler" nach Breitenau verbracht. Bei den Wahlen zum Preußischen Landtag am 5. März 1933 wurde Carl Kraft (SPD) erneut als Abgeordneter gewählt." Von den Kandidaten zum Preußischen Landtag (März 1933) kam Richard Tölle (KPD)21 nach Breitenau. Joseph Arend aus Bad Wildungen war Mitglied des Waldeckischen Landtags (1925-1929) gewesen. Der Terror gegen die überwiegend sozialdemokratischen Amtsinhaber und lokalen Machtträger läßt sich in einigen Fällen rekonstruieren. Über die Schutzhaft gegen den anläßlich der Zusammenlegung der Land- kreise Fritzlar und Homberg in den einstweiligen Ruhestand versetzten'f Land- rat Heinrich Treibert aus Fritzlar ist berichtet worden. Der für ihn vom Regierungspräsidenten berufene -Ersatzmann. AdolfFreund wurde bereits am 10. April 1933 in Breitenau (also noch vor der offiziellen Gründung des Konzentrationslagers) eingesperrt; er war einer der ersten Schutzhaftgefan- genen des Lagers Breitenau und dürfte aus diesem Grund sein Amt niemals angetreten haben.t' Adam SeIbert war als Beamter bei der Gemeindeverwaltung in Nie- derzwehren tätig; 1920 war er Mitglied des Provinzial-Landtags. Lange Jahre war er Beigeordneter und Kreistagsmitglied im Landkreis Kassel gewesen. »Sofort nach der Machtübernahme durch die Nazis«, berichtete er im Jahre 1946, »wurde in meinem Büro eine Haussuchung durch die Polizei durchgeführt und ich aus den Diensträumen verwicscn«." Wilhelm Lukan war fünfJahre (1928-1933) Bürgermeister in Harleshausen (der Ort war bis zur Eingemeindung nach Kassel im Jahre 1936 selbständig) gewesen." Er wurde am 25. Juni 1933 im Rahmen der Verhaftung zahlreicher sozialdemokratischer Funktionäre im Reich in Schutzhaft genommen und kam am 29. Juni 1933 in das KZ Breitenau, wo er bis zum 3. Oktober 1933 blieb. Landrat Lengemann (Kreis Kassel) hatte sich Mitte Juli 1933 in einem Schrei- ben an den Regierungspräsidenten für eine Aufrechterhaltung der Schutzhaft von Wilhelm Lukan ausgesprochen, obgleich der Sohn des Schutzhaftgefange- nen auf die Notsituation der Familie hingewiesen hatte. 19 Handbuch Preußischer Landtag 1932, 340. 20 Handbuch Preußischer Landtag. Ausgabe für die 5. Wahlperiode 1933, 180. 21 Handbuch Preußischer Landtag 1933, 181. 22 Klein, Berichte des RP, 856. 23 Amtsblatt Kassel 1933, Nr. 33 vom 19.8.1933; Archiv des LWV Hessen: Aufnahmebuch, Zf3. 24 StA Kassel: Betreuungsstelle. Selbert, Adam. 25 Claus Feldner und Peter Wieden: Harleshausen wie es früher war. Photographien und Ge- schichten. Gudensberg-Gleichen 1984,42 f wird über die Absetzungvon Wilhelm Lucan [so dort geschrieben; m.E. falsch] berichtet. 71 Lengemann führte im einzelnen aus: »Das Amt eines Bürgermeisters hat er in übelster ~ise zu parteipolitischen Zwecken mißbraucht, indem er Parteigenossen offensichtlich bevorzugte, Anders- denkende dagegen in gehässigster ~ise drangsalierte. In der Öffentlichkeit war man sich einig darüber, daß Lukan das Bürgermeisteramt zu einem -roten Parteibü- ro: herabgewürdigt hatte. [...] Außerdem erscheint es nicht ausgeschlossen, daß Lukan seine früheren Parteigenossen auch weiterhin in staatsfeindlichem Sinne beeinflussen könnte.s" Fritz Precht aus Ihringshausen war Kreisdeputierter, Leiter des Kreisrech- nungsamtes, Provinzial-Landtagsabgeordneter und einer der einflußreichen Sozialdemokraten im Landkreis Kassel. Er wurde - anscheinend im März 1933 - aus dem Dienst beim Landrat in Kassel fristlos entlassen und in Schutzhaft genommen. Nach drei Wochen wurde er mit der Auflage entlassen, »vorüberge- hend den Regierungsbezirk Kassel zu meiden«." Am 29. Juni 1933 wurde er erneut in Schutzhaft genommen; er gelangte am 5. Juli 1933 über das Kasseler Polizeipräsidium in das KZ Breitenau. Fritz Precht bot an, die Region zu ver- lassen, und der Regierungspräsident nahm an: >~nn Sie Ihre endgültige %hnsitzverlegung aus dem Landkreise Kassel glaubhaft machen, wird der Herr Landrat in Kassel die gegen Sie angeordnete Schutzhaft aufheben. Dagegen kann es in Anbetracht der Erregung, die in den Kreisen der national gesonnenen Bevölkerung wegen Ihrer bisherigen marxistischen Betätigung gegen Sie besteht, im Interesse der öffentlichen Sicherheit nicht verantwortet werden, Ihnen einen längeren freien Aufenthalt im Landkreis Kassel zu gewähren.s" Fritz Precht wurde am 28. Juli 1933 aus dem KZ Breitenau entlassen; in der Tat hat er seinen Wohnsitz nach Lindau am Bodensee verlegt. Über das Schicksal Ludwig Pappenheims, des ehemaligen stellvertretenden Landrats in Schmalkalden, Stadtverordneten und Abgeordneten des Kommunal- und des Provinziallandtags (sowie Mitglied des Landesausschusses) wird an späte- rer Stelle zu berichten sein, da er, obgleich Mandatsträger in hohen Ämtern, gleichwohl nicht in erster Linie dieser Ämter und ihres Einflusses wegen verfolgt und nach Breitenau verbracht worden ist. Wilhelm Pfannkuch war Bürgermeister in Heiligenrode. Er war Sozialdemokrat und wurde vom 29. Juni 1933 bis zum 3. Oktober 1933 in Breitenau eingesperrt. Carl Kraft aus Nieste, ebenfalls Bürgermeister, hat über seine willkürliche Amtsenthebung später folgendes berichtet: 26 HStA Mbg 165/3982. Band 10. LR Kassel an RP Kassel vorn 14.7.1933. Der Regierungspräsident übernahm in seinem Schreiben an den Sohn des Inhaftierten die exzessiven Anschuldigungen des Landrats Fritz Lengemann nicht. 27 HStA Mbg 165/3982. Band 10. Schreiben von Fritz Precht, »z.Zt. Schutzhaft Polizeipräsidium«, vom 4.Juli 1933 an den Herrn PP. 28 HStA Mbg 165/3982. Band 10. RP Kassel an Fritz Precht vom 20. Juli 1933. 72 »Am 26. März 1933 wurden mir unter Führung des Bürgermeisters Heinrich Gerwig sämtliches Mobiliar, Material und Utensilien, die zum Bürgermeisteramte gehörten, aus meinem Hause geholt und in das Haus N r. 92 verbracht, dessen Besitzer August Gerwig man zum Bürgermeister ernannt hatte. Am 27. März 1933 erhielt ich ein Schreiben, datiert vom 25.3.1933, durch den Herrn Landrat in Kassel, daß ich meines Amtes als Bürgermeister der Gemeinde Nieste enthoben sei, weil ich Mitglied der Sozialdemokratischen Partei und deren Funktionär sei.i9 Wenige Tage zuvor hatten SA-Leute den Bürgermeister in das Kasseler SA- Sturmlokal .Bürgersäle- gebracht. »Dort spielten sich böse Dinge ab, politische Gegner der Nationalsozialisten wurden verhört,verprügeltund verschleppt, Carl Kraftwurde aufgefordert, freiwillig alsBürgermei- ster zurückzutreten. Er antwortete, er wäre von seiner Aufsichtsbehörde, dem Herrn Landrat,alsBürgermeistervereidigtund bestätigtund diesem daher auch nurverantwort- lieh.Er bliebeso langeaufseinem Ibsten, bis ihn seinevorgesetzteDienstbehörde abberufe. DieseAbberufung kam am 25.3.,zwei1ige spätere." Carl Kraft hatte in Nieste das Bürgermeisteramt seit 1919 inne und war seit 1925Abgeordneter im Preußischen Landtag; er hatte auch dem Kreistag Kassel als Mitglied angehört. In der Zeit vom 29. Juni bis zum 28. Juli 1933 wurde er in Breitenau festgehalten. ImJahre 1944 wurde er erneut in Schutzhaft genommen und für zwei Monate in das KZ Sachsenhausen-Oranienburg verbracht." Georg Brandt war Bürgermeister der SPD-Hochburg Helsa-Wickenrode. Er wurde am 9. April 1933 in Schutzhaft genommen und bis zum 27. April im Gefängnis in Witzenhausen eingesperrt. Am 24. Juni wurde er erneut verhaftet und über das Polizeigefängnis in Kassel nach Breitenau gebracht. Dort wurde er am 25. August 1933 entlassen; er wurde jedoch noch bis zum 29. September in Schutzhaft festgehalten, vermutlich im KZ Dachau." Gegen Wortführer anderer Welt- und Lebensauffassungen »Der Haftbefehl gegen mich wurde aufrecht erhalten«, schrieb Ludwig Pappenheim am 31. März 1933 an den Kasseler Regierungspräsidenten, »weil meine Person geschützt werden müsse. Über diese Sorge um mich bin ich gerührt und erkläre: Ich verzichte auf den Schutz, mich bedroht kein anständiger Mensch [...]«.33 29 StA Kassel: Betreuungsstelle. Kraft, Karl (hier unterzeichnete er mit Karl Kraft). 30 Chronik der Gemeinde Nieste. Herausgegeben zum 1. Dorf- und Heimatfest 1972. Nachdruck der handgeschriebenen »Chronik der Gemeinde Niestc«. Kassel 1972. 31 Beier, Gerhard: Arbeiterbewegung in Hessen. Zur Geschichte der hessischen Arbeiterbewegung durch einhundertfünfzigjahre (1834 -1984). Frankfurt 1984, 472; dort ist ein knapper Lebens- lauf von Carl Kraft aufgenommen.(im folgenden zitiert: Beier, Arbeiterbewegung) 32 Schriftliche Mitteilung von Herrn Heinz Brandt, Stadtarchivar in Frankenberg, vom 2.9.1995.- »In dem hier vorliegenden alphabetischen Namensverzeichnis der Häftlinge des Konzentrations- lagers Dachau liegen keine Angaben über Georg Brandt vor« (Schriftliche Auskunft von Barbara Distel, Leiterin der KZ-Gedenkstätte Dachau, vom 27.9.1993). 33 HStA Mbg 165/3982. Band 10. Ludwig Pappenheim aus dem Gerichtsgefängnis Schmalkalden an den RP Kassel am 31.3.1933. 73 Wer so schrieb und dachte, begab sich in Lebensgefahr, obgleich er damit nichts Verwerfliches oder auch nur Strafwürdiges tat. Bewies er nicht eher moralische Standfestigkeit, indem er dem System des aufziehenden Unrechts Wahrhaftigkeit und Redlichkeit, Recht und Moral entgegenhielt? Derart souveräne und gefestigte Haltungen gerieten sofort in das Visier ängstlich-aggressiver staatlicher Observanz. Breitenau war der Ort, an dem die Demütigung und Peinigung solcher unabhängi- ger, innerlich gefestigter Menschen geschehen sollte. Zu diesen, die aus geistiger und moralischer Haltung heraus gegen den Nationalsozialismus standen, gehörten auch Karl-August Quer aus Witzenhau- sen, Kurt Finkenstein und Friedrich Herbordt aus Kassel. Die Tatsache, daß sie hervorgehoben werden, bedeutet nicht, daß es die einzigen waren. Karl-August Quer war Gauführer im Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold gewe- sen. Er hatte im ersten Weltkrieg den hohen Orden »Pour le merite« erhalten; diesen preußischen Orden (als Kriegsorden für Offiziere für Verdienste vor dem Feind geschaffen) legte er als Schutzhaftgefangener im KZ Breitenau beim Steinehauen an. 34 Mein Leben setzte ich noch gestern für den Staat ein, und so behandelt er mich heute! - so könnte diese demonstrative Geste gemeint gewesen sein. Von Kurt Finkenstein wird berichtet, daß er bei der Gerichtsverhandlung auf die Vorhaltung, er habe den Staat stürzen wollen, geantwortet habe: »Ich den Staat stürzen? Der stürzt von selbstlv" Der in Kassel damals nicht unbekannte Maler, Graphiker und Journalist Friedrich Herbordt war ein unabhängiger und freiheitsliebender Intellektuel- ler; diese Haltung hatte ihn zum kommunistischen Widerstand geführt. Etwas von diesem unangepaßten Geist findet sich in einem von ihm ausgefüllten Fragebogen der amerikanischen Militärregierung 1946: Bei der Frage nach »Reisen und Wohnsitze [n] außerhalb Deutschlands (Feldzüge inbegriffen)« führte er »Frankreich 1918/19« auf. »Haben Sie die Reise auf eigene Kosten übernommen?« - »Nein.« -»Falls nein, aufweiche Kosten?« - »Staatskosten«." Auch Ernst Schädler aus Frielendorfgehörte zu diesen Aufrechten. Es dürfte heute wahrscheinlich kaum zu ermessen sein, was es bedeutete, wenn über ihn - im Unterschied zu dem, was über manch andere verhaftete politische Gefangene berichtet wird, die aus verständlichen und humanen (dem Menschen eigenen) Motiven heraus (z.B. Todesangst, Sorge um die Angehörigen, Folter) jede Nähe zu nun verbotenen Parteien leugneten oder ihre eigene Rolle im nachhinein abzu- schwächen versuchten - folgendes überliefert ist: 34 Notiz über ein Gespräch mit Hans Minkler (1980). 35 Notiz über ein Gespräch mit Frau Käte Funkenstein am 1. Februar 1982 (Teilnehmer: Dr. W. Wienbeck, D. Krause-Vilmar). 36 Von Frau M. Herborclt zur Einsicht zur Verfügung gestellt. 74 »Nachdem ihm eröffnet wurde, daß er laut \erfügung des Herrn Landrats von Ziegenhain vom 27. März 1933 in Schutzhaft genommen sei, erklärte er: .Ich gebe zu, Mitglied der K.ID. zu sein und auch als Funktionär gearbeitet zu haben. Es ist richtig, daß ich den"Wahlvorschlag der K.ID. unterschrieben und auch für die K.ID. - Liste für den Kreistag und für die Gemeindevertretung Frielendorf kandidiert habe. Sonstige Angaben habe ich nicht zu machen.o" Schädler versuchte auch, einen seiner politischen Mitstreiter vom Verdacht des aktiven Kommunisten zu befreien: »Ruzika war imJahre 1932Mitglied der KID. Soviel ich weiß, hat er aber imJahre 1933 noch keine Beiträge bezahlt; dadurch schaltet seine Mitgliedschaft automatisch aus. Als Funktionär ist Ruzika bei der Partei nicht in Erscheinung getreten. Sein \erhältnis zwischen mir und ihm ist mehr persönlicher freundschaftlicher Natur. Ruzika und mein Bruder sind Schulkollegen. Daß er viel bei mir ein- und ausgegan§en ist, ist wohl mehr auch daraufzurückzuführen, daß wir eifrige Schachspieler sind.« 8 Wohl gesetzt waren auch seine letzten Aussagen in diesem Verhör: »Die K.ID. besteht zur Zeit in Frielendorf noch; wer die Führung übernimmt, darüber verweigere ich die Aussage.s" Schädlers Braut Marta Norwig aus Frielendorf wurde die tägliche Meldung bei der Ortspolizeibehörde auferlegt, wogegen sie vergebens beim Regierungs- präsidenten in Kassel Einspruch erhob." Den blanken Haß des Schmalkaldener Landrats Ludwig Hamann" hatte Lud- wig Pappenheim auszuhalten. Er verkörperte für nationalsozialistisches Denken offenbar das Feindbild schlechthin: Pappenheim entstammte einer jüdischen 37 HStA Mbg 165/3886. Band 2. LR Ziegenhain an RP Kassel am 29.3.1933 betr.: Festnahme kommunistischer Führer. Anlage: Vernehmungsniederschrift des Oberlandjägers [Kramer?] vom 28.3.1933. 38 HStA Mbg 165/3886. Band 2. LR Ziegenhain an RP Kassel am 29.3.1933 betr.: Festnahme kommunistischer Führer. 39 HStA Mbg 165/3886. Band 2. LR Ziegenhain an RP Kassel am 29.3.1933 betr.: Festnahme kommunistischer Führer. - Zum Vergleich Aussagen anderer zur gleichen Zeit wie Schädler Verhafteter und Vernommener (Ebenda): »Ich protestiere gegen meine Festnahme. Ich bin kein Funktionär der KPD und gehöre auch dieser Partei seit etwa Ende Februar dieses Jahres nicht mehr an. [...] Auf einer Unterbezirkskonferenz der KPD [...] bin ich, weil ich mich nicht genügend aktiv betätigt hatte, abgewählt worden.« - »In Wirklichkeit bin ich eigentlich schon seit nach Weihnachten kein offizielles Parteimitglied mehr, d.h. bis zur Zeit vor Weihnachten habe ich noch Mitgliedermarken geklebt. [...] Die Partei hat eigentlich im Kreis Ziegenhain immer mit Schwierigkeiten zu kämpfen gehabt; es fehlen uns die geistigen Führer. [...] Ich sollte Beiträge kassieren, sollte aber auch die literarischen Arbeiten, d.h. Literaturvertrieb [machen]. Ich habe dann kurzerhand die ganze Geschichte liegen gelassen.« Oder: »Ich war wohl Mitglied der KPD vom Januar 1931 bis zum Reichstagsbrand. Am Tage des Brandes habe ich mich mit verschiedenen Mitgliedern der NSDAP über den Reichstagsbrand unterhalten und ihnen erklärt, wenn das wahr ist, daß die Kommunisten solche Dinger machen, da sind sie für mich erledigt [...]« (aus: HStA Mbg 165/3982. Band 11). 40 HStA Mbg 165/3982. Band 11. M. Norwig an RP Kassel vom 17. Juli 1933. 41 Klein, Leitende Beamte, 136. 75 Familie, er war gebildet und intelligent, auch wort- und redegewandt, Freidenker, Kriegsgegner und für die Arbeiterrevolution. Ludwig Pappenheim wurde am 25. März 1933 in Schmalkalden unter der Beschuldigung des »Verbergen[s] eines Waffenlagers« - für ihn als überzeugten Pazifisten gewiß ein bitterer Zynismus, der allerdings nicht unbeabsichtigt gewe- sen sein dürfte, wie aus dem Folgenden hervorgeht - durch eine Verfügung des genannten Landrats Ludwig Hamann verhaftet. 42 Pappenheim nannte diese Anschuldigung »fadenscheinig«. Das Amtsgericht Schmalkalden hielt den Haftbefehl nicht aufrecht - vermutlich, weil der genannte Vorwurf auch ihm nicht begründet erschien. Dies führte jedoch keineswegs zur Entlassung Pappenheims aus der Haft. Er wurde vielmehr fortgesetzt - nun »unter dem Vorwand des Schutzes meiner Sicherheit« - in Schutzhaft in Schmal- kalden festgehalten. »Ich erhebe bei Ihnen«, schrieb Pappenheim an den Oberpräsidenten in Kassel, »als vorgesetzte Behörde Einspruch. Ist dieser Staat so schwach, daß er, wenn jemand bedroht wird, diesen und nicht den Drohenden festsetzt?«43 An den Kasseler Regierungspräsidenten schrieb er: »Scheinbar handelt der Landrat unter dem Einfluß einiger Leute, die durch Dro- hungen selbst die öffentliche Ruhe stören wollen. Statt diese evtl. zur Rechenschaft zu ziehen, wie es in einem geordneten Staat geschehen müßte, sperrt er den Bedrohten ein. Dagegen wende ich mich. Ich habe durch jahrelange selbstlose Arbeit im Landesausschuß, Magistrat und Kreisausschuß es nicht verdient so behandelt zu werden, indem man vor radaulustigen Elementen zurückweicht, die durch ihr \brleben alles andere verdient haben.s" Eine solche widersprechende, bestimmte und politisch wie rechtlich standfe- ste Haltung findet sich nur selten in den erhaltenen Akten, in denen Anträge und Gesuche auf Entlassung aus der Schutzhaft zahlreich erhalten sind. Im Vorder- grund stand in der Regel das Bestreben, die persönlichen Verbindungen zu Marxismus und Kommunismus rundweg zu bestreiten und künftig Loyalität zu versprechen. Pappenheim hat in diesen frühen Schutzhaftmaßnahmen nicht nur die Aufkündigung des demokratischen Rechtsstaates und die skrupellose politi- sche Entmachtung der Parlamente, ja die groteske Verkehrung allen Rechts und jeder Moral erkannt; er hat auch die Stirn gehabt, diese Wahrheit öffentlich zu machen, sie in Briefen an Behörden zu äußern. 42 HStA Mbg 165/3982. Band 10. BriefL. Pappenheirns an den OP Kassel VOITI 27.3.1933 und Brief L. Pappenheims an den RP Kasselvom 27.3.1933. 43 HStA Mbg 165/3982. Band 10. L. Pappenheim an den OP in Kassel am 27.3.1933. 44 HStA Mbg 165/3982. Band 10. BriefL.Pappenheims an RP Kasselvom 27.3.1933. 76 Gegen kritische Reden und unbefangene politische Meinungsbildung Die Unterdrückung und Bestrafung des offenen Wortes kennzeichnete bekannt- lich den Nationalsozialismus vom ersten bis zum letzten Tage seiner Herrschaft. Die öffentlich bekannt gemachte Drohung mit der Einsperrung in einem Konzentrationslager bewirkte jenes Erstarren unbefangener öffentlicher Mei- nungsäußerung, wie es für Polizeiregimes so charakteristisch war und ist. Reinhold Stehl aus Niederzwehren z.B. wurde in Schutzhaft genommen und nach Breitenau gebracht, weil er sich, wie Landrat Lengemann mitteilte, »nach Aussage mehrerer Zeugen wiederholt in den Wirtschaften abfällig über die Regierung der nationalen Erhebung, insbesondere über den Herrn Reichskanzler geäußert habev" Gleichzeitig wurde gegen R. Stehl ein Verfahren wegen »Heimtücke« vor dem Kasseler Sondergericht eingeleitet.46 Stehl kam am 11. August 1933 in das KZ Breitenau. Er wurde vom Sondergericht zu zwei Jahren Haft verurteilt, die er im Gefängnis in Hameln durchzustehen hatte. Der Sozialdemokrat Hermann Völker aus Schmalkalden sollte nach Auffas- sung des (neuen, nationalsozialistischen) Magistrats in Schmalkalden im KZ >erzogen< werden. Die von Amts wegen geäußerten Anwürfe sind hier auf- schlußreich. In dem Schreiben des Schmalkalder Magistrats heißt es nämlich unter anderem, daß Völker »Stichelreden geführt und verächtlich über ein vor einigen "WOchen stattgefundenes Kavallerie-Fest gesprochen habe. In \ersammlungen nationaler Parteien benahm sich \Olker immer rüpelhaft und ausfällig gegen den betreffenden Redner. Eine längere Unterbringung in ein Konzentrationslager hat \Olker unbedingt verdient, und kann diese zu seiner Erziehung nur beitragen.s" H. Völker kam am 9. September 1933 nach Breitenau; gegen ihn wurde ein Strafverfahren bei der Staatsanwaltschaft Meiningen eingeleitet. Heinrich Krebs, der auch einige Tage in Breitenau gefangen war, hatte den Terror der SA unmittelbar erfahren müssen. Er hatte sich Mitte Juli 1933 an- läßlich des Besuchs von Ernst Röhm in Kassel am Ständeplatz befunden und mit Blickauf das dort versammelte große SA-Aufgebot geäußert: »Na, der Röhm mußja viel Angst haben, daß er sich soviel SA-Männer zum Schutz aufstellen läßt.« Aufdiese Worte hin wurden ihm von SA-Männern drei Zähne ausgeschlagen; er wurde in den -Bürgersälen: mißhandelt und kam nach Breitenau.48 45 HStAMbg 165/3982. Band 10. LR Kassel an RP Kassel vom 1.7.1933. 46 HHStA Wbdn: Dokumentation. 47 I-IStAMbg 165/3982. Band 11. Magistrat Schmalkalden an RP Kassel vom 16.9.1933. 48 StA Kassel: Betreuungsstelle. Krebs, Heinrich. 77 Das sogenannte Männerhaus} in dem die Gefangenen 1933 eingesperrt waren (Foto: Stadt- bildstelle Kassel). - Diegefängnisähnliche Vergitterung der Fenster wurdebeiderBegründung des Arbeitshauses Breitenau (1874) im Rahmen der umfangreichen Bauarbeiten an der Klosterkirche (die dieromanische Basilika vollends ruinierten) angebracht. 78 August Reuter aus Guxhagen wurde wegen Beleidigung des -Führers. drei Monate im KZ Breitenau gefangen gehalten: »Angeblich soll ich Hitler beleidigt haben, indem ich gesagt habe: Hitler macht sich auch seine lischen voll.c" Arthur Glänzer aus Netze/Kreis der Eder wurde nach Breitenau »wegen Beschimpfung der SA und SS«50 geschafft; er gehörte zu jenen, die bei der .Überprüfung: Ende September 1933 entlassen wurden. Fritz Borges aus Kassel hatte durch Rot-Front-Rufe angeblich »öffentlichcs Ärgernis« erregt und kam deshalb nach Breitenau." Johannes Koch aus Langenselbold war wegen »beschimpfender Äußerungen der Reichsregierung« in Schutzhaft genommen, nach Breitenau eingewiesen und beim Sondergericht Kassel angeklagt worden; dort wurde das Verfahren dann wegen Geringfügigkeit eingeste11t.52 Auch einfache Rückfragen in kritischer Absicht konnten zur Verhängung von Schutzhaft und zur Inhaftierung in Breitcnau führen. So erging es August Schreiber, Johann Hofmann und Gustav Schlereth, die im Herbst 1933 in Unterbernhards offenbar im Rahmen von Notstandsarbeiten tätigwaren. Einem Briefder Eltern von Schreiber ist zu entnehmen, daß der Sohn mit den beiden anderen »im Auftrage der übrigen Kollegen zum Herrn Bürgermeister ging[ en] und um Auskunft bat[en], wie es komme, daß bei den Notstandsarbeiten in Habel der Stundenlohn höher sei als bei ihnen; daraufhin wurde er mit den beiden anderen Genannten abgeführt und dem Konzentrationslager in Breitenau bei Kassel über- . 53 wiesen.« Während Gustav Schlereth anscheinend am 19. November 1933, mithin nach fünf Wochen, entlassen wurde, konnte August Schreiber Breitenau erst am 22. Dezember 1933 verlassen. Die Entlassung Johann Hofmanns erfolgte wahr- scheinlich auch erst kurz vor Weihnachten.54 49 StA Kassel: Betreuungsstelle. Reuter, August. 50 HStA Mbg 165/3982. Band 11. LR Kreis der Eder an RP Kassel vom 27.9.1933. 51 HStA Mbg 165/3982. Band 13. Nachweisung der am 13.3.1934 in Haft befindlichen Personen [...]. Dieses Dokument befindet sich im Anhang. 52 Melsunger Tageblatt N r. 260 vom 6.11.1933. 53 HStA Mbg 165/3982. Band 12. [Frau/Herr] Schreiber an RP Kassel vom 19.12.1933. 54 Im Entlassungsgesuch der Eltern Schreiber vom 19.12.1933 ist zwar die Rede davon, daß Schlereth und Hofmann »schon seit Wochen« entlassen worden seien; es findet sich jedoch in der gleichen Akte ein Entlassungsgesuch der Mutter Hofmann, das erst kurz vor Weihnachten abgefaßt sein dürfte, denn darin heißt es: »[...] geben Sie mir meinen Sohn zu Weihnachten wieder. Die Weihnachtsfreude -Friede auf Erden- lassen Sie mir auch bitte durch die Entlassung meines Sohnes zuteil werden [...]«. - HStA Mbg 165/3982. Band 12. Anna Hofmann an RP Kassel (Datum nicht erkennbar). 79 An diesen Haftgründen fällt der Erziehungsanspruch auf, den man nicht ganz erfaßt, wenn man ihn als Zynismus oder Propaganda - beides war dem national- sozialistischen Regime zweifellos eigen - bezeichnet. Hinter diesem Erziehungs- begriff stand vor allem ein totalitärer Anspruch, der die Herrschaftsunter- worfenen von innen zu erobern suchte. Kein Regime der Welt, das Anspruch auf Dauer erhebt, wird ausschließlich mittels Zwang und Strafe herrschen wollen. Auch von terroristischen Diktaturen wurden und werden Zwangsmaßnahmen stets als vorübergehend unvermeidlich oder als Ausnahmen dargestellt. Als bes- serer Weg gilt der Versuch, die .innere. Überzeugung der Herrschaftsunterwor- fenen zu erreichen, ihre .Herzen zu gcwinnenc Und dieser Weg kommt ohne totalitäre psychische Manipulation (solche meinte man wohl, wenn man fälsch- lich von -Erziehung: sprach) - diese ganz funktional als Steuerung innerer Hal- tungen aufgefaßt - kaum aus. Wir vermuten also hinter diesen grotesk anmutenden Bestrafungen unabhängigen oder einfach nur >quer< laufenden Den- kens und Redens einen manipulativen Anspruch, dem jede innere und äußere Toleranz gegenüber anderen Lebens- und Weltauffassungen fehlte. Antisemitische Motive Auch für das KZ Breitenau gilt, was allgemein für die frühen Lager festgestellt worden ist: die meisten Gefangenen waren Kommunisten, Sozialdemokraten oder gehörten einer sozialistischen oder anarchistischen Gruppe an; ganz über- wiegend gehörten sie den arbeitenden Klassen an. Und doch war von Anbeginn der nat.-soz. Herrschaft an das antisemitische Motiv stark ausgeprägt; bei der Inhaftierung der folgenden zweiundzwanzig Breitenau-Gefangenen, - nicht alle waren jüdischen Glaubens bzw. stammten aus einer jüdischen Familie - spielte das antisemitische Motiv eine, wenn nicht dieentscheidende, Rolle: Alfred Abramowicz, Bernhard Boczkowski, Georg Boczkowski, Georg Bolte, Er- win Cohn, Julius Dalberg, Kurt Engelbert, Kurt Finkenstein, Abraham Katz, Phi- lipp Kohn, Adolf Levy Dr. Michael Lewinsohn, Otto Lilienfeld, Benjamin Loewenberg, Louis Meyer, Julius Oppenheim, Ludwig Pappenheim, Siegfried Schild, Max Spier, Willi Stern, Sally Stern, Norbert Weil. Es fällt auf: daß die Intelligenzberufe und die Kaufleute hier stärker vertreten waren: ein Rechtsanwalt, der historische Studien zum Kasseler Judentum veröffentlicht hatte, ein Dentist, der als Schriftsteller und Gründer einer Literarischen Gesellschaft hervorgetreten war, ein promovierter Chemiker, ein Lehrer und ein Redakteur und Zeitungsverleger fanden sich unter diesen. Die Bezeichnung -aus politischen Gründen: oder .aus antisemitischem Motiv: für einen Haftgrund ist eine problematische Konstruktion, da oft mehrere Motive bei der Inhaftierung einer Person zusammentrafen, von denen kaum eines als das bestimmende ermittelt werden kann. 80 Ludwig Pappenheim, über den berichtet wurde, war Marxist, Kriegsgegner und galt in den Augen der nationalsozialistischen Machthaber als >Jude<; er galt auch als Freidenker und Intellektueller. Fast dasselbe läßt sich von Kurt Finken- stein sagen. Bei Norbert Weil aus Schenklengsfeld kamen ebenfalls zwei Motive - ein politisches und ein rassistisches - zusammen. Er war als Sozialdemokrat den Nazis ein Dorn im Auge." Bei Erwin Cohn aus Oberkaufungen war vermutlich die Tatsache, daß er weiterhin illegal für den »Komrnunistischen Jugendverband« tätig war, für seine Verhaftung und spätere Verurteilung" ausschlaggebender als seine Herkunft aus einer jüdischen Familie. Auch bei Benjamin Loewenberg aus Wächtersbach! Kr. Gelnhausen, der sich .Benno: nannte, jedoch in den Akten der Staatspolizei Kassel wieder mit dem Vornamen -Benjamin: geführt wurde", war der Vorwurf, er sei »Haupträ- delsführer der KPD bzw. des Reichsbannerse", vermutlich für Haft und Urteil ausschlaggebend gewesen." Unter der Überschrift »Schwere Strafen für Kasseler Kornrnunisten« hieß es in der NSDAP-Zeitung »Hessische Volkswacht« »Es kennzeichnet die Gefähr- lichkeit einer gewissen Rasse, daß sich unter den insgesamt sieben Verhafteten der Kasseler Gruppe nicht weniger als drei Juden befanden, nämlich [...] August Cohn. [...] J ulius Loeb [...] sowie der Ingenieur Paul Oppenheim [..]«.60 Über den Chemiker Dr. Michael Lewinsohn aus Steinaul Kreis Schlüchtern ließ sich nichts in Erfahrung bringen61. War er vielleicht in der Dreiturmseifen- 55 Der Landrat des Kreises Hersfeld vermerkte im Dezember 1933 in einer Liste »Emigranten aus dem Kreise Hersfeld«: »Weil hat in den Jahren 1929/1930 für die SPD Propaganda getrieben, für das Zustandekommen und die Herbeischaffungvon Rednern gesorgt. [...] Weil war drei Monate im Konzentrationslager Breitenau.« Vgl.: Honikel, Karl:Verfolgung, Verteibung und Vernichtung 1933-1945. Der Untergang der jüdischen Gemeinde Schenklengsfeld, in: Geschichte der Jüdischen Gemeinde Schenklengsfeld. Schenklengsfeld 1988, 201-250, hier: 221-223 (Der Fall Norbert Weil). 56 Belz, Die Standhaften, 213: Urteil des II. Strafsenats beim OLG Kassel vom 23.3.1934 (181/33). 57 HStA Mbg 165/3982. Band 13. Stapo Kassel. Nachweisung der Schutzhäftlinge, für die [...] über den 31. 3. 1934 hinaus Schutzhaft verlängert wird. 58 HStA Mbg 165/3982. Band 13. Der komm. LR Gelnhausen an RP Kassel vom 23.3.1934 betr.: Nachweisung über Schutzhäftlinge. 59 Prinz, Wolfgang: Die Judenverfolgung in Kassel, in: Volksgemeinschaft und Volksfeinde II, a.a.O.,169 (im folgenden zitiert: Prinz, Judenverfolgung in Kassel). Dort die These, daß in den ersten Jahren des Regimes bei den »Politischen« wie Kurt Engelbert, Adolf Hohenstein, August Cohn, Erwin Cohn, Julius Loeb, Julius Oppenheim (KPD) [...] die jüdische Herkunft keine besondere Rolle gespielt habe. Man sollte diesen Sachverhalt andererseits nicht so ausschließlich formulieren, daß die von Anbeginn an vorhandene antisemitische Komponente bei der nat.soz. Verfolgung auch der politischen Gegner unterbelichtet wird. 60 Hessische Volkswacht Nr. 179 vom 2.8.1933. 61 In den Archiven und Datenbanken der Gesellschaft Deutscher Chemiker e.V. ließ sich über ihn nichts ermitteln (Schreiben von Frau Dr. Renate Hoer, GDCh Frankfurt a.M., vom 3.6.1997). 81 fabrik (Inh. Max Wolf) in Steinau tätig, über deren Enteignung im Juli 1934 der Kasseler Regierungspräsident berichtete: »Im Kreise Schlüchtern und den Nachbargebieten ist durch die endgültige Enteig- nung der Seifenfabrik des Juden Wolf eine wesentliche Entspannung in der Juden- frage eingetreten«." Als am 21. November 1933 der Agitpropleiter des KPD-Bezirks Kurhessen- Waldeck von der Gestapo festgenommen wurde, fand man es »bezeichncnd«, daß ihm »Hilfeleistung durch den Sohn des jüdischen Kaufmanns Engelbert, der in guten Verhältnissen lebt, gewährt wurde, und dieser auch am Treffselbst zugegen war«." Kurt Engelbert wurde eine Woche später in das KZ Breitenau eingesperrt, wo er bis zum 22.12.1933 bleiben mußte. Max Spier aus Zwesten sei, wie der Landrat von Fritzlar-Homberg vermerkte, »dabei beteiligt gewesen, einem Tier (Kuh) ohne vorherige Betäubung durch Schächtschnitt das Blut entzogen zu haben«. Gegen den Strafbefehl des Gerichts habe Spier Einspruch eingelegt. »Ich halte eine weitere Inschutzhaftnahme bis zum Abschluß des Strafverfahrens für erforderlich«, bemerkte der Landrat." Die Verhängung von Schutzhaft gegen Sally Stern, einen 55jährigen Metzger aus Niederurtf und gegen Willi Stern, einen Metzger aus Zimmersrode - bcidc Orte lagen auch im Landkreis Fritzlar-Homberg - stand in einem ähnlichen Zusammenhang wie diejenige gegen Max Spier." Auch Vorläufer der -Rasscnschandcc-Vcrfahrcn lassen sich bereits im Sommer 1933 nachweisen. Der Viehhändler Adolf Levy aus Karlshafen wurde unmittelbar vor der Eheschließung mit der Tochter eines pensionierten .arischcn- Leutnants verhaftet, »weil die deutschdenkende Bevölkerung es nicht zulassen wollte, daß [sie] einen \blljuden hciratcte«." Im August 1933 häuften sich solche Beschuldigungen, die nun in niedrige Anprangerungen, Verhähnungen und Beleidigungen übergingen. Anders als bei den Boykottmaßnahmen gegenjüdische Geschäftsleute im April 1933 trat nun die 62 Klein, Berichte des RP, 72. 63 Beiz, Die Standhaften, 109. Beiz gibt hier ein Dokument aus den Akten des I Iessischcn Staats- archivs Marburg wieder. 64 HStA Mbg 165/3982. Band 13. Verzeichnis der am 13. März 1934 aus dem Kreise Fritzlar- Homberg in Schutzhaft befindlichen Personen. 65 Dr. med. F. Achler (Neuental-Zimmersrode), Vf einer Dorfchronik von Zimmersrode. teilte im Februar 1989 mit, daß Willi Stern in seinem Schlachthaus noch eine Schächtung durch den Schächter Felix Rosenblatt hatte vornehmen lassen und aus diesem Grunde -abgcholt- worden sei. Über den Haftgrund von Sally Stern habe er erfahren, daß im Dorf die Rede ging, er habe geschächtet. 66 HStA Mbg 165/3982. Band 10. Der komm. RP an Bürgermeister Carlshafen vorn 23.6.1933. - Näheres hierzu s. im Abschnitt »iErziehung. zur arischen Volksgcmcinschaft« in diesem Kapitel! 82 Anprangerung der Beziehungen zwischen >Juden< und -deutschen: Frauen in den Vordergrund. Ausschnüffeln von Person und Privatheit sowie Denunziation stand von nun an staatlicherseits auf der Tagesordnung. »Rosenstein, Rosenstein! laß mir solche Sachen seinl/ Geh mit Jüdinnen spazieren! sonst wird man Dich konzentrieren. Jedenfalls und außerdem! wird's für Dich nicht angenehm.! Und Du Maid aus "Wettesingenj merke Dir vor allen Dingen:/ Wer mit einemJud verkehrte/ ist als deutsche Frau entehrt«, so höhnte ein »Cavillator« (seinen wahren Namen verschwieg er) in der NSDAP-Zeitung »Hessische Volkswacht« am 12.Juli 1933.67 Am 21. August 1933 wurden zwei Juden durch Kassel geführt, wobei sie ein Schild mit der Aufschrift »Wir haben Christenmädchen mißbraucht« tragen mußten." Anscheinend war dies nicht der einzige Vorfall dieser Art in Kassel, denn die dortige Gestapo hat nach Berlin berichtet, daß »hier in den letzten Tagen mehrfach Juden eingeliefert worden [seien], die nachweislich mit deutschen Mädchen Geschlechtsverkehr gehabt haben«." In der »Hessischen Volkswacht« wurde der Haß auf Juden und auf solche Menschen, die mitJuden weiterhin in Beziehung standen, systematisch geschürt. Ein Beispiel für viele: »A1tl Pranger Der Jude Walter Lieberg, Lessingstraße 18, der Sohn eines der Mitarbeiter der Metallwerke Lieberg & Co., Bettenhausen, hat ein \erhältnis mit einem Christen- mädel Jandy aus der Uhlandstraße. Die Mutter des Mädchens unternimmt nichts gegen das \erhältnis, sondern duldet es. Das .Christenc-Madchen stellt sich aufden Standpunkt, daß auch die Regierung ihnen das \erhältnis nicht verbieten könne. Um der Bevölkerung diese sauberen Leutchen zu zeigen und ihnen das \erwerf- liehe ihrer Gesinnung klar zu machen, führten SS-Pioniere den Juden, sein \er- hältnis und die Mutter durch die Straßen Kassels./o Im Bericht der Stapo Kassel über die politische Lage ist über diese Vorfälle der Hinweis erhalten, daß »unter Mitwirkung der SS«von der Bevölkerungjuden in das Polizeipräsidium gebracht worden seien, »die mit deutschen Mädchen in intimen Beziehungen gestanden hatten«." Die antisemitische Schnüffelei ging in einem anderen Fall so weit, daß bei Kurgästen im Waldeckschen nach der jüdische Herkunft spioniert wurde. Alfred Abramowicz, inzwischen in Berlin lebend, vorher in Rußland als Sohn eines 67 Hessische Volkswacht vom 12.7.1933. - Verantwortlicher Redakteur für diese Seite der Zeitung »[udentum unter der Lupe. Wöchentliche Beilage der .Hessischcn Volkswacht:« war Eugen Beinhauer, Kassel. 68 Hessische Volkswacht vom 23.8.1933. 69 HStA Mbg 165/3982. Band 11. Gestapo Kassel an Gestapa vom 26.8.1933. 70 Hessische Volkswacht vom 30.8.1933. 71 HStA Mbg 165/3982. Band 11. Bericht der Staatspolizeistelle Kassel an das Gestapa Berlin vom 29.8.1933. 83 Bankiers groß geworden, der vor den Bolschewisten fliehen mußte, hielt sich in Bad Reinhardsquelle bei Wildungen zur verordneten Kur auf Dort, so wurde behauptet, habe er »Anfang August d. Js. ein deutsches Mädchen verführt, mit ihm in einem Hotel zu übernachten. [...] Abramowicz mußte zu seiner eigenen Sicherheit in Schutzhaft genommen werden«." Ein ähnliches Schicksal hatten zwei FuldaerJuden zu erleiden. Der Kaufmann Philipp Kohn (Inhaber des Kaufhauses M. Becker & Co., Friedrichsmarkt 6) wurde am 22. August 1933 in Schutzhaft genommen, »weil er in seinem Konfektionsgeschäft in Fulda eine Kundin in aufdringlicher ~ise unter Stellung unsittlicher Anträge tätlich beleidigt hat und infolgedessen Angriffe auf seine Person zu befürchten waren.x ' Abraham Katz, ebenfalls ein Geschäftsmann aus Fulda, war »in eine ähnli- che Untersuchung verwickelte.t" Beide wurden, wie es in beschönigender und rechtfertigender Weise das Kasseler Regierungspräsidium nach Berlin meldete, »im Einvernehmen mit der Staatspolizeistelle durch SS-Leute mittels Kraftwa- gen« nach Kassel gebracht. »Die SS-Leute haben unterwegs dem Katz ein Schild mit entsprechender Beschriftung in die Hand gegeben.«75 Sonn berichtet, was darauf stand: »So wurde der Inhaber des Geschäftshauses Becker & Co., Philipp Cohn [hier so geschrieben], durch die Straßen geschleppt mit einem Schild auf Brust und Rücken: -Ich bin ein \erräter am deutschen \blke!<.Wassersporthaus< in Kassel- aus. Ziel war die Verbreitung von Angst und Schrecken. Solche Art von .Abrcchnungen- führte auch einige in das KZ Brei- tenau. Am 15. Juli 1933 wurde von der Kasseler Gestapo »in Verbindung mit der hiesigen SS-Standarte 35 im hiesigen Ortspolizeibezirk eine größere Aktion gegen die ehemaligen Freunde Philipp Scheidemanns durchgeführte", wobei Hans Sautter, Karl Wittrock, Christian Wittrock, Georg-August Zinn, Heinrich Bech- mann, August Manns und Fritz Bechmann in Schutzhaft genommen und zu- nächst im Polizeigefängnis festgehalten worden sind, wo man ihnen Briefe abverlangt hat, in denen Scheidemann und der Exil-Vorstand der SPD aufgefor- dert wurden, sich jeder Stellungnahme zu den Verhältnissen in Deutschland zu enthalten. Von den Genannten war Fritz Bechmann im KZ Breitenau. Es ist bemerkenswert, daß diese Personen als »Frcundcs- und Bekanntenkreis Scheide- mann« verhaftet worden sind. Zinn hat genau diesen Vorgang in einem Brief an Scheidemann festgehalten, daß er nämlich »deshalb von der Geheimen Staatspo- lizei in der Annahme, daß ich zu Ihrem Freundes- und Bekanntenkreise gehöre, in Schutzhaft genommen wordene" bin. Rechtsanwalt Julius Dalberg, der bereits erwähnt wurde", kam in das KZ Breitenau, - so kann man vermuten - weil er einem der Spitzenleute unter den neuen Machthabern, gemeint ist Dr. Roland Freisler, aus der Zeit der Republik in .unangenehmer: Erinnerung war. »Bemerkenswert ist, daß Dalberg kurze Zeit vorher einen Streit vor Gericht mit dem damaligen Rechtsanwalt, jetzigen Ministerialdirektor Dr. Freisler, gehabt hat- 85 HStA Mbg 165/3982. Band 10. pp - Staatspolizeistelle Kassel an Gestapa Berlin vorn 22.7.1933.- Vgl. auch: »SS greift ein. Haussuchungen bei Scheidemann - Freundcn« (Hessische Volkswacht vom 17.7.1933). Von Belang ist in unserem Zusammenhang die Formulierung, daß die SS - zu diesem Zeitpunkt eine private bewaffnete Terrorgruppe - die Hausdurchsuchung vorgenommen hatte: »Dic Hausuntersuchung, die seitens der SS vorgenommen wurde, hatte insbesondere bei dem berüchtigten Rechtsanwalt Zinn ein überraschendes Resultat. [...]« (Hessische Volkswacht vom 17.7.1933). 86 HStA Mbg 165/3982. Band 11. Aus Akten der Gestapo Kassel. Abschrift G.-A. Zinn an Ph. Scheidemann. Kassel, den 17.7.1933. Polizeigefängnis. 87 Vgl. S.186f (Biographische Notiz zu ]ulius Dalberg ). 86 te, und daß ihm dies auch während der Mißhandlung [in den .Bürgersälen: in Kassel Ende März 1933] vorgehalten wurde.c'" Als die Hanauer Polizei am 19. Mai 1933 den Kommunisten Heinrich Eck- hardt, der sich versteckt gehalten hatte, verhaftete, bezog man sich dabei aus- drücklich auf die politische Tätigkeit Eckhardts in der Zeit der Weimarer Republik, um seine Einweisung in ein Konzentrationslager zu .begründenc »Er gilt als einer der radikalsten Kommunisten und gab in fast allen Fällen, in denen er hier als Redner auftrat, den überwachenden Polizeibeamten \eranlassung, die \ersammlungen aufzulösen, so daß Redeverbot gegen ihn erwogen wurde. Auch trat er in den Jahren 1929/30, als die NSDAP in Hanau festen Fuß faßte und zur Gründung einer Ortsgruppe schritt, in deren \ersammlungen und öffentlichen Sprechabenden stets als Diskussionsredner auf und rief durch seine radikalen Reden die schwersten Konflikte hervor [..]«89 Anton Schaeffer aus Kassel war von März bis Dezember 1928 Mitglied der NSDAP gewesen. Da er »in Wort und Schrift gegen die Parteiführer Stellung genommen« habe, wurde er auf Grund dieser Kritik als »Parteischädlings" im Dezember 1928 ausgeschlossen. Nach der Machtübernahme der Nazis wurde er in Schutzhaft genommen; vom 5. ] uli bis zum 27. September 1933 war er im KZ Breitenau. Nach seiner Entlassung wurde er mehrfach verhaftet und andauernd von der Kasseler Gestapo überwacht." Franz Schmidt wurde als »Leiter des früheren [sic] Freidenkerverbandes« festgenommen." Breitenau als Ort angemaßter Justizgewalt Da aus Nazisicht die .bürgerlichen- Gerichte zu -lasch: und .abwagcnd- mit dem politischen Gegner verfuhren, begannen SA und SS im Frühjahr 1933 damit, sich selbst ]ustizgewalt anzumaßen. Hierbei spielten die terroristischen natio- nalsozialistischen Schlägerbanden eine ebenso zentrale Rolle wie das Instru- ment der Schutzhaft, das nun von der nationalsozialistisch unterwanderten oder zumindest infiltrierten Polizei ergänzend oder korrigierend eingesetzt werden konnte - und somit den bis zum 8. Mai 1945 bestehenden Polizeistaat einführte. Bereits in den ersten Monaten des neuen -Reiches- bildete sich diese Unrechtspraxis klar heraus. 88 Braunbuch über Reichstagsbrand und Hitlerterror. Faksimile-Nachdruck der Originalausgabe von 1933. Frankfurt a.M 1978 (im folgenden zitiert: Braunbuch), 231. 89 HStA Mbg 165/3878. Der stellv. Polizeidirektor Hanau an RP Kassel vom 20.5.1933. 90 StA Kassel: Betreuungsstelle. Schaeffer, Anton. 91 StA Kassel: Betreuungsstelle. Schaeffer, Anton. Beschluß der Spruchkammer Kassel-Stadt vom 10.1.1947. 92 HStA Mbg 165/3982. Band 13. pp Kassel an RP Kassel: Nachweisung der am 13.3.1934 in Haft befindlichen Personen, [...]. 87 Als nämlich im August und September 1933 der Strafsenat des Oberlandesge- richts Kassel von den zwölfwegen »Vorbereitung zum Hochverrat« Angeklagten fünf und einige von den elfwegen »Verteilung illegaler Flugblätter« Verurteilten freisprach, kamen diese vom Gericht Freigesprochenen nicht in die Freiheit - sondern in das KZ Breitenau. »Soweit die in diesem \erfahren angeklagten Personen wegen Mangels an Beweisen nicht verurteilt wurden, sich aber der Förderung kommunistischer Bestrebungen verdächtig gemacht hatten, wurden sie in polizeiliche Schutzhaft genommen und größtenteils dem Konzentrationslager Breitenau zugcführt.e" Zu diesen Breitenau »Zugeführten« gehörten offenbar Heinrich Zell, Her- mann Cramer und Karl Preiss, vielleicht auch August Heeg.()4 Geiselnahme Die Brüder Georg und Bernhard Boczkowski aus Kassel wurden ausschließlich deshalb in das KZ Breitenau überführt, weil die Gestapo ihren Bruder Leon, der als Kommunist aktiv im Widerstand arbeitete, nicht auffinden und verhaf- ten konnte. »Die Gestapo ist gekommen, - da waren damals SA und SS dabei - und haben uns [die genannten Brüder] als Geisel mitgenommen. Sie sagten: ~nn wir Ihren Bruder erwischen, kommen Sie wieder frei!«," Wilhelm Stoner aus Neumorschen wurde deshalb für mehr als ein halbes Jahr nach Breitenau geschafft, weil er als ehemaliger KPD-Funktionär - von Berlin kommend - nach Neumorschen umgezogen war; dort war sein Bruder früher kommunistisch tätig gewesen. So teilte es der Landrat in Melsungen dem Regierungspräsident in Kassel mit: »Durch seinen Zuzug aus Berlin bestand die Gefahr, daß die frühere Ortsgruppe in Neumorschen wieder neu errichtet wurde, da sein Bruder Eduard früher \br- sitz[ ender] der Ortsgruppe war«." -Erz'iehung- zur arischen Volksgemeinschaft Wir haben daraufhingewiesen, daß in Breitenau politische Gegner des National- sozialismus nach Möglichkeit .umerzogen- werden sollten. Hier fand die Fortset- zung der Folter und der Schläge - wie sie in Kassel in den .Bürgersälen- oder im 93 HStA Mbg 165/3886. Band 2. PP/Staatspolizeistelle Kassel an Cestapa Berlin vorn 2.10.1933. 94 So begann es 1933. Naziterror und erster Widerstand in Hanau Stadt und Land. (= Hanauer Hefte, 2). Hrg. WN - Kreis Main-Kinzig 0.0. 0.]., 69. 95 Notiz über ein Gespräch mit Bernhard Boczkowski (Teilnehmer: Wolfgang Prinz, I). Krause-Vilmar) 1981. 96 I--IStA Mbg 165/3982. Band 13. LR Melsungen an RP Kassel. Liste über die am 13. März 1934 in Haft befindlichen Personen. 88 >Wassersporthaus< praktiziert waren - mit anderen Mitteln statt. Auf diese Weise könnten vielleicht die meisten für das sich etablierende neue Denk- und Wertesy- stern des mationalen: Deutschland gewonnen werden. Nicht zufällig, sondern folgerichtig war daher die sofort nach Eröffnung des Lagers eingeführte Unterscheidung in zwei Stufen bzw. in zwei Gruppen, »um die Radikalen von denen zu trennen, die sich Mühe geben, die Idee, die zu dem Umschwung in unserem \aterland geführt hat, zu verstehen.c" Die Gefangenen sollten durch Arbeit von ihrem Agitatoren-Standpunkt weg- geführt werden, »um sich durch das Zusammenleben mit den SA-Leuten und durch \brträge und Diskussionen in die Idee des Nationalsozialismus einleben [...] zu können.c" Man ging noch weiter. Einen 21 Jahre alten Schweinehändler aus Grüs- selbach/Kreis Hünfeld sperrte die Gestapo Kassel zwei Monate im KZ Breitenau wegen »leichtsinnigen Lebenswandels« ein. Josef Hahn soll durch schlechte Zahlungsmoral den Bauern gegenüber »den Aufbau des Landstandes sabotiert« haben. So vermeldete es eine Lokalzeitung.99 Als der Schutzhaftgefangene Heinrich Lipphardt am 17. 7. 1933 um eine kurze Beurlaubung nachsuchte, da seine Frau lebensgefährlich erkrankt war, wurde dies abgelehnt. Die Begründung hierfür seitens des Bürgermeisters von Nieder- kaufungen lautete, daß Frau Lipphardt gar nicht ernsthaft erkrankt sein könne, »denn dieselbe holt selbst ihre Wohlfahrtsunterstützung, besorgt ihre Einkäufe in Kassel und sieht noch genauso verlebt aus wie vorher«. Auch Landrat Lengemann maßte sich ein Urteil über den Gesundheitszustand der Frau an: »Beiihrer zweimaligen Anwesenheit im Landratsamt vor etwa 4 Wochen und Ende Juli ds. Js. hat der sie abferti~ende Kreisinspektor nicht den Eindruck gehabt, daß die Frau ernsthaft krank sei.« 00 Dem ehemaligen Bürgermeister von Harleshausen, Wilhelm Lukan, der im KZBreitenau vier Monate lang eingesperrt war, warfder neue NSDAP-Landrat, Lengernann, vor, das Bürgermeisteramt zu einem roten Parteibüro herabgewür- digt zu haben. »Hinzu kommt noch«, - so Lengemann an den Regierungspräsidenten in Kassel- »daf Lukan sich in sittlicher Hinsicht keinerlei Schranken auferlegte. U.a. habe er mit der Ehefrau des [...] A.101 in Harleshausen Ehebruch getrieben und sich auch sonst sittlichen Ausschweifungen hingegeben, die öffentlichen Anstoß erregten.x'" 97 Kasseler Post vom 23.6.1933. 98 Ebd. 99 Me1sunger Tageblatt Nr. 212 vom 11.9.1933. 100HStA Mbg 165/3982. Band 11. H. Lipphardt an RP Kassel vom 17.7./ 31.7.1933. - Bgmstr. Niederkaufungen an LR Kassel vom 29.7.1933. - LR Kassel an RP Kassel vom 7.8.1933. 89 Den Tiefpunkt in dieser Richtung erreichte jener Beamte im Regierungs- präsidium, der mit scheinbar .sanftcm: Druck, tatsächlichjedoch mit der geball- ten Amts- und Staatsrnacht eine Eheschließung zwischen einem deutschen Juden und der Tochter eines .arischen: Leutnants zu verhindern wußte. Kurz vor der geplanten Hochzeit war AdolfLevy, Viehhändler in Karlshafen, »inhaf- tiert wordcns.l'" Am 19. Juni 1933 kam er in das KZ Breitenau. Mitte Juni erschien seine Verlobte Lina G. persönlich im Kasseler Regierungspräsidium »und bat um Freilassung ihres Bräutigams«. »Die Angelegenheit«, stellte der Regierungspräsident knapp fest, »dürfte zur Zeit als erledigt anzusehen scin«. Die Verlobte erschien auf der Behörde, bat um Freilassung ihres Bräutigams, und der Regierungspräsident erklärt die Angelegenheit als erledigt - wie war dies möglich? »Frl. Lina G. erklärte, daß sie sich nach schweren Gewissensbedenken nunmehr dazu entschlossen habe, die Heirat aufzugeben, weil sie einsehe, daß die Bevölke- rung mit Recht eine solche eheliche \erbindung mißbillige. Sie habe die Heirat auch nur aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten beabsichtigt, weil sie mittellos sei und durch die Heirat eine Unterkunft zu finden hoffe. Ihre Eltern lebten von einer ganz geringen Pension, die kaum mehr als 100 Reichsmark im Monat ausmache: ihre Mutter sei im übrigen schwindsüchtige". Schließlich ist die Neigung des Regierungspräsidenten zu erkennen, nach Prü- fung (»ob gegen sie irgendwelche Bedenken, namentlich auf politischem Gebiet, bestehen und ob die Antragstellerin einer solchen Unterstützung würdig ware«), ein entsprechendes Unterstützungsgesuch positiv zu bescheiden. ws AdolfLevy verließ das KZ Breitenau am 29. Juni 1933. Über sein weiteres Schicksal ist uns nichts bekannt. 106 Am 7. Oktober 1933 wurde Johann Bettinghausen aus Wenigenhasungen/ Kreis Wolfhagen festgenommen. »B. hatte z. Zt. seiner \erhaftung keinen festen Wohnsitz u. zog bettelnd und vaga- bundierend im Land herum«, 101 Im Schreiben wird der volle Name der Frau des Mannes genannt! 102 HStA Mbg 165/3982. Band 10. LR Kassel an RP Kassel vom 14.7.1933. 103 HStA Mbg 165/3982. Band 10. RP Kassel an Bürgermeister Carlshafen vorn 23.6.1933. - I)er genaue Zeitpunkt der Inhaftierung Levys ist nicht klar. Er gehörte zu den ersten Schutz- haftgefangenen Breitenaus, die ab dem 16.Juni 1933 dort eingeliefert worden waren. Die meisten von ihnen waren bereits vorher in einer anderen Haftstätte eingesperrt gewesen. 104 HStA Mbg 165/3982. Band 10. RP Kassel an Bürgermeister Carlshafen vom 23.6.1933. 105 Ebenda. 106 Fremde im eigenen Land. Beiträge zur Kultur- und Sozialgeschichte der Juden in den Kreisen Hofgeismar, Kassel, Woltbagen und in der Stadt Kassel. Herausgegeben von Helmut Burmeister und Michael Dorhs. Hofgeismar 1985, S. 96 (Jüdische Bürger aus Karlshafen 1933 und ihr Schicksal); dort kein Hinweis aufAdolfLevy. Er starb alTI 14.2.1956 in East Roseville/New South Wales, Australia. 90 vermerkte der Landrat von Fritzlar-Homberg im März 1934, der ihn dann in das KZ Papenburg schaffen ließ. 107 Da Johann Bettinghausen der KPD angehört haben soll, bestünde »der nicht unberechtigte \erdacht, daß er zersetzend im kommunistischen Sinne wirken würde.c" Schutzhaft gegen Frauen Im KZ Breitenau wurden nur Männer inhaftiert. Dies bedeutet jedoch nicht, daß Frauen von der politischen Verfolgung ausgenommen waren. Am 12.10.1933 teilte der preußische Innenminister an das Gestapa und die Oberpräsidenten mit, daß das KZ Moringen (nicht weit von Göttingen gelegen) für weibliche Schutzhaftgefangene vorgesehen sei.109 Das Provinzialwerkhaus Morin- gen war zu jener Zeit ein preußisches Arbeitshaus wie Breitenau auch gewesen. Ab April 1933 waren auch dort männliche Schutzhaftgefangene eingesperrt worden; ab Juni 1933 kamen die ersten Frauen als weibliche Schutzhaftgefangene hinzu. Gleichzei- tig mit der Auflösung des Männerlagers verließ die SS Moringen. Die Frauen unterstanden von nun an dem Direktor des Werkhauses, Hugo Krack, einem Mann »humaner Gesinnung aus der Tradition Friedrich Naumanns«110. Zunehmend wurden Mitglieder der NS-Frauenschaft zur Aufsicht herangezogen. Zwischen 30 und 70 Frauen waren dort zur selben Zeit inhaftiert. Am 20. Oktober 1933 wurde eine Schutzhaftgefangene aus dem Landkreis Hanau, und am 25. Oktober 1933 eine Schutzhaftgefangene aus Kassel in das KZ Moringen überführt. Für Kassel hatte der Polizeipräsident mitgeteilt, daß Frauen bislang nur kurze Zeit im Polizeigefängnis untergebracht waren. In diesem einen Falljedoch käme »einc längere Haft in Bctracht«". Wer diese Frau war, ist aus den Akten nicht ersichtlich.i" 107 HStA Mbg 165/3982. Band 13. Verzeichnis der am 13.3.1934 aus dem Kreis Fritzlar-Homberg in Schutzhaft befindlichen Personen. 108Ebenda. 1091-IStAMbg 165/3982. Band 12. Abschr. Der Pr. MdI v. 12.10.1933 an Gestapa und OP. 110 KZ Moringen. Männerlager, Frauenlager, Jugendschutzlager. Eine Dokumentation. Herausge- geben von der Gesellschaft für jüdisch-christliche Zusammenarbeit Göttingen e.V. und dem Evangel.-Iutherischen Pfarramt Göttingen 0.]' [vermutlich 1983], 15-25. 111 HStA Mbg 165/3982. Band 12. PP Kassel an RP vom 24.10.1933. - LR Hanau an RP vom 24.10.1933. 112 Die Unterlagen in der KZ-Gedenkstätte Moringen sind für das Jahr 1933 unvollständig, so daß dort nichts über eine aus Kassel kommende Schutzhaftgefangene überliefert ist (Tel. Auskunft von Hans Hesse, Oktober 1996). Es könnte sein, daß es sich UITI Ella Baer aus Wrexen gehandelt hat. HStAMbg 165/3878. LR des Kreises der Twiste an RP Kassel betr. Kosten für Schutzhäftlinge vom 9.10.1933: »Bei der Kostenberechnung sind die Haftkosten für Peter Höchst aus Lütersheim, Fritz Brandt aus Rhoden und Ella Baer aus Wrexen im Konzentrationslager Breitenau und Polizeigefängnis Kassel nicht berücksichtigt worden.« 91 Das Konzentrationslager Breitenau in der zeitgenössischen Presse Die Berichterstattung in der zeitgenössischen Tagespresse über die frühen Konzentrationslager ist zwar bekannt', jedoch noch nicht Gegenstand näherer Untersuchung geworden.f Über fast alle frühen Konzentrationslager ist öf- fentlich berichtet worden.:' Die Monographien zu den frühen Konzentrations- lagern gehen aufdie Darstellung in der zeitgenössischen Presse in der Regel nur am Rande ein. Eine Ausnahme bilden DrobischlWieland und Sösemann/ Schulz, die aufdieses Thema näher eingehen." Diese Zurückhaltung ist deshalb erstaunlich, weil sich mit Hilfe der Analyse der Tageszeitungen wichtige Fra- gen der öffentlichen Darstellung und Wahrnehmung der Konzentrationslager klären lassen. Zuerst stellt sich die Frage nach dem Informationsgehalt der Meldungen: wurde über die Einrichtung des Lagers, die Arbeit der Gefangenen, die Haftgrün- de und über Ereignisse im Lager berichtet? Lassen sich Motive und Absichten der Berichterstattung feststellen? Schwierig zu klären ist, ob bereits im Sommer 1933 in der .bürgerlichcn- Presse - diejenige der politischen Linken ist bereits verboten und enteignet - eine parteilich-staatliche Steuerung der Berichterstat- Z.B. DrobischlWieland, 88-94. - Kosthorst/Walter, 249-271. - Hans-Günther Richardi, Schule der Gewalt. Die Anfange des Konzentrationslagers Dachau 1933-1934. Ein dokumentarischer Bericht. München 1983, 37, 44 ff, 59 ff u.a.m. 2 Als erste Untersuchung: Klaus Drobisch: Zeitgenössische Berichte über Nazikonzentrationslager 1933-1939. In: Jahrbuch für Geschichte 26 (1982),103-133. 3 Für das andere hessische frühe Konzentrationslager Osthofen scheint charakteristisch gewesen zu sein, daß neben einem größeren Bericht vor allern bei der Einlieferung prominenter Schutzhaft- gefangener in der Presse berichtet wurde. Paul Grünewald, Das KZ Osthofen, in: Eike Hennig (Hg.), Hessen unterm Hakenkreuz. Studien zur Durchsctzung der NSI)AP in Hessen. Frankfurt 1983, 503 ff.; Paul Grünewald, KZ Osthofen. Material zur C;eschichte eines fast vergessenen Konzentrationslagers. Frankfurt a.M. 1979, 54-69. - Zur Einrichtung des KZ Dachau gab es eine Presseerklärung des Münchner Polizeipräsidenten I--Ieinrich Hinunler, der diejenige von Pfeffers (s.u.) ziemlich nahe kam. Die -Notwendigkei« und das Temporäre dieser Lager wurden herausgestellt (Münchner Neueste Nachrichten vorn 21.3.1933. Zitiert nach dem Katalog: Konzentrationslager Dachau 1933-1945. 6. Auflage 1978, 44.). Ähnlich dicht bleibt die Presseberichterstattung über das KZ Dachau. Vgl.: Konzentrationslager Dachau, a.a.O., 43 tT. u. 80; sowie Richardi, Das Konzentrationslager Dachau, a.a.O., 37, 44 ff., 59 ff. u.a.m. - Ähnlich auch die Presseerklärung anläßlich der Gründung der Emslandlager (Kosthorst/Walter, a.a.O., 67). Auch hier erschienen die größeren Berichte unmittelbar bei der Gründung des Lagers. Elke Suhr berichtet über eine dichte Presseinformation zu den Emslandlagern imJuni,Juli und August 1933, die viele Parallelen (Zynismus, Drohung, Abschreckung) mit der Berichterstattung über Breitenau aufweist. Elke SuhrlWerner Boldt, Lager im Ernsland 1933-1945. Geschichte und Gedenken. Oldenburg 1985, 13 f. Die Beispiele ließen sich fortsetzen. 4 DrobischlWieland, 88-94 (»NS-Veröffentlichungen«). - Bernd Sösemann/Michael Schulz: Nationalsozialismus und Propaganda. Das Konzentrationslager Oranienburg in der Anfangsphase totalitärer Herrschaft. In: Günter Morsch (I-1g.): Konzentrationslager Oranien- burg. Berlin 1994, 78-94. 92 tung nachweisbar ist.' Zur redaktionellen Darstellung in den Zeitungen ist zu fragen, ob die Nachricht wie andere Meldungen auch, sozusagen -alltäglich-, mitgeteilt wurde, oder ob es Spuren von Distanz, Nicht-Einverständnis, Er- schrecken oder gar von Widerspruch gab. Hat man sich in den Redaktionen auf die Wiedergabe amtlicher Presseverlautbarungen beschränkt oder hat man selbst begonnen, gar vor Ort, zu recherchieren? Und schließlich: Was konnten die Zeitgenossen - auf der Grundlage der öffentlichen Berichterstattung in den Zeitungen - über die frühen Konzentrationslager wissen?" Die Berichterstattung über Breitenau wurde hauptsächlich von drei regio- nalen Tageszeitungen getragen, von denen zwei in Kassel und eine in der damaligen Kreisstadt Melsungen erschienen.' Zu bestimmten Ereignissen wurden die ebenfalls in Kassel erschienenen »Kasseler Neuesten Nachrichten« herangezogen. Als deutlich wurde, daß sich die Berichterstattung im wesent- lichen auf den Zeitraum der Einrichtung des Lagers (Mitte Juni 1933) er- streckte und in den folgenden Monaten nur noch gelegentlich kleine Meldungen auftauchten, wurden alle erreichbaren Tageszeitungen, die imJahre 1933 im Regierungsbezirk Kassel erschienen sind, einbezogen." Im allgemeinen wird das Schriftleitergesetz vom 4. Oktober 1933 als erste greifbare Zäsur angenommen. Vgl. Karl-Dietrich Abel, Presselenkung im NS-Staat. Eine Studie zur Geschichte der Publizistik in der nationalsozialistischen Zeit. Berlin 1968, 29ff. Die Aktivitäten des neu geschaffenen Reichspropagandaministeriums (vor allem die Anweisungen der Reichspressekon- ferenz) und der ihm unterstellten Gaupropagandaämter setzten allerdings bereits im März 1933 ein; vgl. J ürgen Hagemann, Die Presselenkung im Dritten Reich. Bonn 1970, 25 ff. Die Presseberichterstattung über die Annahme des sog. Ermächtigungsgesetzes (Ende März 1933) war bereits von einer - im Vergleich mit der Berichterstattung zum Reichstagsbrand knapp vier Wochen zuvor - erheblich gesunkenen Meinungsvariabilität gekennzeichnet; vgl. Karl-Ludwig Günsche, Phasen der Gleichschaltung. Stichtags-Analysen deutscher Zeitungen 1933-1938. Osnabrück 1970, 38. 6 Früh ist daraufhingewiesen worden, daß sogar Leser regionaler Zeitungen (hier: in Eutin) »über die Existenz anderer Konzentrationslager und - wenn auch verschönernd - das Regiment in ihnen (z.B. in Dachau, Oranienburg, Sonnenburg) [...] regelmäßig informiert« wurden. Stokes, KZ Eutin, 584. 7 Es handelt sich um das »Melsunger Tageblatt« 5 (1933) sowie um die beiden in Kassel erschienenen Tageszeitungen »Kasseler Post« 51 (1933); 52 (1934) [Auflage im]. 1931: 36.000] und »Hessische Volkswacht« 4 (1933); 5 (1934) [NSDAP-Organ] (ab 1.9.1933 unter dem Namen »Kurhessische Landeszeitung«). - Die drei Zeitungen wurden über die Zeit des Bestehens des Lagers hinaus (vom 1.5.1933 bis zum 31.3.1934) durchgesehen. Von der Kurhessischen Landeszeitung 5 (1934) standen mir folgende Ausgaben nicht zur Verfügung: Nr. 15 - 22 (15. - 22.1. 1934); Nr. 28 - 46 (28.1. - 15. 2.1934); Nr. 48 - 67 (17 .2. - 12.3.1934) und Nr. 69 - 94 (14.3. - 15. 4. 1934). Die folgenden Zeitungen wurden in der Zeit vom 15. Juni 1933 bis 15. Juli 1933 durchgesehen und auch außerhalb dieses Zeitrahmens zu bestimmten Ereignissen (Weihnachtsamnestie, Auflösung des Lagers) herangezogen: Bebraer Nachrichten. Mittagszeitung. Täglicher Anzeiger (1933) - Bebraer Tageblatt. Bebraer Tageszeitung 28 (1933) [Auflage im]. 1931: 3.125] - Borkener Zeitung 8 (1933) - Carlshafener Zeitung (1933) - Eschweger Tageblatt. Eschweger Kreisblatt 85 (1933) [Auflage im]. 1931: 9.134] - Eschweger Zeitung 52 (1933) - Frankenberger Zeitung 64 (1933) - Fritzlarer Kreis-Anzeiger 71 (1933) [Auflage im]. 1931: 1.550] - Fuldaer Zeitung 60 (1933) [Auflage im]. 1931: 14.000] - Fulda-Werra-Zeitung (Eschwege) (1933) - Gelnhäuser Anzeiger [NSDAP-Organ] (1933) - Gelnhäuser Tageblatt (1933) - Tageszeitung für 93 Zur Berichterstattung über die Planung des KZ Breitenau Die Berichterstattung in der zeitgenössischen Presse über das Konzentrationslager Breitenau zwischen dem 15. Juni und dem 15. Juli 1933 umfaßte 49 Meldungen, Berichte oder Artikel. Sie reichte von kleinen Nachrichten über Zweispalter bis hin zu großen dreispaltigen Berichten; sie durchzog die gesamte nordhessische Presse- landschaft. Der Schwerpunkt lag dabei auf dem Raum Kassel und zeitlich in der Gründungsphase des Lagers, den Tagen zwischen dem 15. und 25. Juni 1933. Bereits einen Tag vor der Einrichtung des Konzentrationslagers Breitenau, am 15. Juni 1933, erschienen die ersten Meldungen über die Planung des Lagers. Sie wurden gleichzeitig in vier Tageszeitungen veröffentlicht: in der »Kasscler Post«, in der »Hessischen Volkswacht« (NSDAP), im »Melsunger Tageblatt« und in der in Zierenberg, einer Gemeinde im Kreis Wolfhagen bei Kassel, erschienenen »Niederhessischen Zeitung«. Bevor wir uns der Darstellung Breitenaus in der Presse zuwenden, sollen die beiden erwähnten Kasseler Tageszeitungen knapp charakterisiert werden. 9 Die deutsch-nationale »Kasscler Post« hatte mit der .nationalcn Revolution. Hitlers sympathisiert und dieser in Kassel die Wege geebnet. In ihrem Kampf den Kreis Gelnhausen (1933) - Gudensberger Zeitung 28 (1933) [Auflage im]. 1931: 980] - Hanauer Anzeiger. General-Anzeiger für Hanau Stadt und Land 208 (1933) [Auflage im]. 1931: 15.500] - Hanauer Rundschau (Langenselbold) (1933) - Hersfelder Tageblatt. Hersfelder Kreisblatt 83 (1933) - Hessische Rundschau. Kirchhainer Zeitung (1933) [Auflage im]. 1931: 2.200] - Hessischer Kurier. Tageszeitung für Niederhessen, Oberhessen und Waldeck. Kassel (1933) - Hofgeismarer Zeitung 67 (1933) [Auflage im]. 1931: 2.800] - Hornberger Zeitung 6 (1933) - Hornberger Kreisblatt 65 (1933) [Auflage im]. 1931: 2.120] - Kasseler Neueste Nachrichten. Hessische Abendzeitung 23 (1933) [Auflage im]. 1931: 35.000] - Neustädter Zeitung 5 (1933) - Niederhessische Zeitung (Zierenberg) 22 (1933) [Auflage im]. 1931: 1.340] - Oberhessische Zeitung. (Marburg) 68 (1933) - Rotenburger Tageblatt 77 (1933) [Auflage im]. 1931: 1.500] - Schlüchterner Zeitung (1933) - Schwalm-Bote. (Treysa) 36 (1933) - Tageblatt für Kurhessen und das angrenzende Thüringen und Sachsen. (Eschwege) (1933) - Thüringer Hausfreund. (Schmalkalden) (1933) - Waldeckische Landeszeitung 47 (1933) -[Auflage im ]. 1931: 7.500] - Waldeckischer Anzeiger. Arolser Tagblatt, Corbacher Post 6 (1933) - Werra-Bote (Bad Sooden-Allendorf) (1933) [Auflage im]. 1931: 2.250] - Witzenhäuser Kreisblatt und Tageblatt 65 (1933) [Auflage im]. 1931: 2.500] - Wolfhager Kreisblatt (1933) - Ziegenhainer Zeitung (1933) [Auflage im]. 1931: 1.500]. - Die Spangenberger Zeitung [Auflage im]. 1931: 1.100], die Wildunger Zeitung, das Hünfelder Kreisblatt [Auflage im]. 1931: 2.350], das Gersfelder Kreisblatt, die Waldecksche Zeitung (Bad Wildungen) und der Fulda-Eder-Bote. (Körle) (1933) standen uns wegen fehlender Originale bei der Verfilmung nicht, die Hersfelder Zeitung nur teilweise zur Verfügung. - Zur Auflagenhöhe der zeitgenösssischen Zeitungen vgl. die Selbstangaben bei: Sperlings Zeitschriften- und Zeitungs-Adreßbuch. Handbuch der deutschen Presse. Die wichtigsten deutschen Zeitschriften und politischen Zeitungen Deutsch- lands, Österreichs und des Auslands. 57. Ausgabe. Leipzig 1931 und 59. Ausgabe. Leipzig 1935. - Vgl. auch: Kurhessische und waldeckische Zeitungen bis 1945 in Mikroform. Verfilmte Zeitungs- bestände in der Universitätsbibliothek Marburg, der Gesamthochschulbibliothek Kassel und der Landesbibliothek Fulda. Ein Katalog (= Schriften der Universitätsbibliothek Marburg, Bd. 60; Hessische Forschungen zur geschichtlichen Landes- und Volkskunde, Bd. 24). Marburg und Kassel 1992. 9 Lothar Döhn, Presse und Nationalsozialismus in Kassel, in: Volksgemeinschaft und Volksfeinde II, 58-95, (im folgenden zitiert: Döhn, Presse und Nationalsozialismus). 94 gegen den demokratischen Weimarer Rechtsstaat lO und in dem kampagnen- ähnlichen Anfeinden des Kasseler pazifistischen Studienrats Hein Herbers11 hatte diese Haltung beispielhaft ihren Ausdruck gefunden. Gleichwohl blieb sie in der Sicht des Nationalsozialismus eine -bürgcrlichc- Zeitung. Die seit 1930 erscheinende »Hessische Volkswacht« war eine ausgesprochene Parteizeitung, die Gauzeitung der NSDAP im Gau Kurhessen, die den politischen Kampf mit publizistischen Mitteln fortsetzte. Diese waren antisemitische Hetze, Verächt- lichmachen des politischen Gegners und triumphale Berichte über den fort- schreitenden Sieg der eigenen .Bewegung« Journalistisch war die Zeitung, die überwiegend als Agitationsmittel dienen sollte (ein Teil der Auflage wurde kostenlos verteilt), bis zum Jahre 1932 schlecht gemacht. Dann wurde sie bei der Fa. Pillardy (Kassel) hergestellt, was drucktechnisch zur Verbesserung führte. Seit Mitte 1933, spätestens seit der Umbenennung in »Kurhessische Landeszeitung« (1.9.1933) war sie »nach rein äußerlichen Merkmalen als voll- . T· h 12wertige ageszeltung anzuse en«. Die »Kasseler Post« meldete am 15.Juni 1933 unter der Überschrift »Breitcn- au wird Konzentrationslager«: >Wie wir von unterrichteter Seite erfahren, soll der Plan, der Erziehungsanstalt Breitenau (Bezirk Kassel) ein Konzentrationslager anzuschließen, demnächst zur Durchführung gelangen. Und zwar soll eines der beiden Anstaltsgebäude zur Aufnahme VOll Schutzhäftlingen benutzt werden, um das Kasseler Polizeigefängnis zu entlasten. Wir kommen demnächst auf diese Angelegenheit noch zurück.x':' Diese erste Meldung ist in verschiedener Hinsicht bemerkenswert. Zum einen verweist sie indirekt aufden Begründer des Lagers, den Polizeipräsidenten Fritz von Pfeffer. Da er die Einrichtung des Lagers initiiert hatte, kann mit der »unterrichtcte [n] Seite« niemand anders als er oder seine Behörde gemeint sein. Er muß die Presse informiert haben, da nichts in der Meldung dafür spricht, daß es sich um eine recherchierte Eigenleistung der Zeitung gehandelt hat. Die Voranstellung »Wie wir ... erfahren« verstärkt den Eindruck, daß die Zeitung eine 10 Die »Kasseler Post« verfaßte z.B. unmittelbar nach dem Staatsstreich v. Papens, die die Absetzung der demokratischen Spitzenbeamten auch in Kassel zur Folge hatte - der Oberpräsident der Provinz Hessen-Nassau August Haas und der Polizeipräsident in Kassel Dr. Adolf Hohenstein wurden sofort entlassen - einen hämischen Bericht unter der bezeichnenden Überschrift: »Haas und Hohenstein im Ruhestand. Das .Systern. hat in Kassel und Hessen-Nassau endlich ausgewirkt«. Kasseler Post Nr. 200 vom 22.7.1933 - Döhn erinnert an die unter dem Titel »Philippopel« in der »Kasseler Post« veröffentlichten Herabsetzungen Philipp Scheidemanns, die mit sachlicher Kritik nichts gemeinsam hatten. 11 Volksgemeinschaft und Volksfeinde I, 38 - 45. 12 Döhn, Presse und Nationalsozialismus, 65. 13 Kasseler Post Nr. 163 vom 15.6.1933. - Der Begriff -Konzentrationslager. ist im Original gesperrt gedruckt. 95 Nachricht, die sie zu dem Zweck der Veröffentlichung erhalten hat, WIe- dergegeben hat. Zum andern handelte es sich um die Ankündigung der Errichtung eines Lagers, die bereits am Tage der Unterzeichnung der Vereinbarung zwischen dem Polizeipräsidenten und dem Grundstückseigner, dem Landeshauptmann in Hessen, veröffentlicht wurde. Die ersten Schutzhaftgefangenen trafen in Breitenau erst am folgenden Tag ein. Von Pfeffer hatte es mit der Presseverlaut- barung eilig. Schließlich erscheint der Begriff der .Erziehung: hier bemerkenswert. Er taucht bei vielen frühen Konzentrationslagern auf, zumeist durchsichtig dema- gogisch oder zynisch. Die Bezeichnung Erziehungsanstalt für die Landesarbeitsan- stalt war zwar vertretbar, gleichwohl für den zeitgenössischen Sprachgebrauch dem Arbeitshaus gegenüber ungewöhnlich. Kam es von Pfeffer dabei daraufan, eine erzieherische Seite im Unterschied etwa zur -Strafi-seite, zu Willkür und Gesinnungsjustiz, wie sie für das Instrument der Schutzhaft charakteristisch waren, öffentlich besonders hervorzuheben? Einer solchen Tendenz entsprä- che auch die Ausdrucksweise, das KZ würde der Erziehungsanstalt .angeschlos- sen- - gleichsam als erweiterte Erziehungsabteilung in ein unumstrittenes regionales Institut integriert: selbst eines der beiden Anstaltsgebäude könne benutzt werden. Schließlich fügte die Meldung noch ein rationales Motiv an, das eine reale Grundlage hatte: das Polizeigefängnis sei überfüllt und müsse entlastet werden. Alles in allem also doch keine beiläufige Meldung, sondern eine um Ver- ständnis werbende, rational argumentierende und zugleich verharmlosende Nachricht, die wohl kalkuliert erscheint. In der Tat gab es im Juni 1933 für die Polizeiführung in Kassel Anlässe genug für Strategien der Verharmlosung, Rechtfertigung und Beruhigung. Zum einen war der von äußerster Brutalität gekennzeichnete Märzterror von SA und SS - besonders die Mißhandlungen politischer Gegner in den .Bürger- sälen- und im >Wassersporthaus< und der Tod des bekannten von Roland Freisler persönlich verfolgten Rechtsanwalts Dr. Max Plaut - in Kassel nicht geheim geblieben." Bereits die ersten größeren Berichte in Kasseler Tages- zeitungen über Schutzhaftmaßnahmen im April 1933 waren von dem Bemü- hen um Rechtfertigung und Erklärung gekennzeichnet. Nach dem Wüten des Märzterrors waren die neuen Regierungs- und Amtsinhaber daran gegangen, eine -Schadcnsbcgrcnzung- vorzunehmen. Die Kasseler SA-Standarte 83 und die NSDAP-Kreisleitung hatten eine Baracke als SchutzhaftsteIle eingerichtet und deren Aufgabe so dargestellt, als wäre es darum gegangen, »irn amtlichen 14 Krause-Vilmar, Machtergreifung in Kassel, 13-36, hier 24-30 (»Der Sturmlauf zu den I-Iebeln der Macht im März 1933«). 96 Auftrag den Schutz aus [zu] üben, der jedem Deutschen und jedem in Deutsch- land Lebenden gewährt wird.s" Zum andern hat es Gegenwehr der Schutzhaftgefangenen und solidarische Aktionen gegeben. Der »Hessischcn Volkswacht« war zu entnehmen, daß in Kassel von Seiten der Kommunisten Handzettel verteilt worden waren, - also eine öffentliche Aktivität! - in denen gegen die Behandlung der politischen Schutzhaftgefangenen protestiert worden war und daß es Aktivitäten und Gegen- wehr kommunistischer Schutzhaftgefangener gegeben habe." Bereits im März war es von Pfeffer- damals war er noch nicht Polizeipräsi- dent, sondern SA-Gruppenführer und Stabsführer der Generalinspektion der SA und SS - darum gegangen, eine Einschränkung -unmotivierter. SA- und SS- Terrormaßnahmen zu erreichen. Der Kommissar für Hessen und Hessen-Nas- sau, von Ulrich, hatte sich scharf gegen Ausschreitungen, willkürliche Ver- haftungen und Mißhandlungen durch SA-Männer gewandt. Sein Stellvertreter von Pfeffer hatte einen Sturmbannführer und zwei Adjutanten eingesetzt, um permanent die Ordnung in den SA-Heimen und -Wachen zu überprüfen. Erst nach diesem disziplinarischen Eingreifen beruhigte sich die Situation in Kassel etwas." Diese Vorgänge vom März 1933 werfen ein Licht auf das Motiv für die Einrichtung des Konzentrationslagers Breitenau: durch ein .geordnetes. Lager nämlich den -wilden- Terror von SA und SS einzuschränken. Nahezu wortgleich mit der Meldung der »Kasseler Post« berichteten am selben Tage das »Melsunger Tageblatte", die »Niederhessische Zeitungs" und die »Hessische Volkswachts" über den Plan der Einrichtung eines Konzentrations- lagers in Guxhagen. Es fällt auf: daß der Bericht in der »Hessischen Volkswacht«, die ebenfalls am 15.Juni die Einrichtung des Lagers ankündigte, sich durch einen polemisch-ge- hässigen Ton erheblich von den bislang erwähnten Meldungen unterschied. Die Überschrift »Marxistische Schutzhäftlinge werden konzentriert« war von politi- schem Feinddenken bestimmt. Nur in dieser Zeitung findet sich der zynische Hinweis zu den Schutzhaftgefangenen, daß in Breitenau ihre »bisher größtenteils brachliegende Arbeitskraft nutzbringender Beschäftigung zu- geführt werden wird.s" 15 Kasseler Neueste Nachrichten Nr. 82 vom 5.4.1933 (»Eine Schutzhaftstelle«). 16 Hessische Volkswacht Nr. 136 vom 13.6.1933. 17 Wilhelm Frenz, Der Aufstieg des Nationalsozialismus in Kassel 1922 bis 1933, in: Werner Wolfi'Antonio Peter (Hg.): Als es mit der Freiheit zu Ende ging. Studien zur Machtergreifung der NSDAP in Hessen. Wiesbaden 1990, 21-64 (hier: 56 ff.). 18 Melsunger Tageblatt Nr. 137 vom 15.6.1933. 19 Niederhessische Zeitung Nr. 71 vom 15.6.1933 unter der Überschrift »Breitenau wird Konzentrationslager«. 20 Hessische Volkswacht Nr. 138 vom 15.6.1933. 21 Ehenda. 97 Es überrascht nicht, daß sich der Hinweis aufeine -Erziehungsanstal«, der mit dem Konzentrationslager eine weitere Abteilung .angcschlosscn. werde, in der »Hessischcn Volkswacht« nicht findet. Die »Hessischc Volkswacht« verfügte offenbar über weitere Informations- quellen. Denn sie teilte als erste etwas über die Schutzhaftgefangenen in Breite- nau mit. Es handele sich bei ihnen »um insgesamt etwa 40 Schutzhäftlinge aus dem Kasseler Stadtgebiet«, die bislang im Polizeipräsidium und »in Wehlheiden«22 [Strafanstalt in Kassel] untergebracht waren. Innerhalb der nächsten drei Tage berichteten weitere zwölf Tageszeitungen aus Nordhessen, überwiegend aus der Umgebung von Kassel, in ähnlicher Weise wie die »Kasscler Post« über den Plan der Gründung eines KZ Breitenau. Drei von ihnen bezogen sich ausdrücklich aufsie als Quellen; bei den anderen neun ist anzunehmen, daß sie sich ebenfalls auf sie bezogen haben, da die Meldungen im Wortlaut nahezu identisch sind." Wieder tauchte die .Erzichungsanstalt. auf der das Lager .angeschlossen- werde; eines der Anstaltsgebäude werde genutzt und das Kasseler Polizeipräsidium werde .cntlastet-. Als weiteres Indiz für die Annahme, die »Kasseler Post« sei der Informant gewesen, mag man die Tatsache ansehen, daß sich in keiner dieser Meldungen auch nur eine der für den Bericht in der »Hcssischen Volkswacht« charakteristischen Informationen und Meinungen (daß es sich um marxistische Gefangene gehandelt habe; daß einige von ihnen aus der Strafanstalt Wehlheiden kamen; der Hinweis aufdie vermeintlich -brachliegende. Arbeitskraft) findet. Zusammenfassend: Über den Plan der Gründung des Konzentrationslagers Breitenau berichteten 16 Tageszeitungen aus dem Regierungsbezirk Kassel in einer knappen Notiz. Sie gaben fast alle den Wortlaut der -untcrrichtctcn Seite- wieder. Die Meldungen wurden fast überwiegend in die Spalte -Aus der Heimat- eingerückt - neben anderen Neuigkeiten von allgemeinem Interesse, auch (wenngleich keineswegs nur) zwischen trivialen oder ephemeren Neuigkeiten." 22 Ebenda. 23 Frankenberger Zeitung Nr. 138 vom 16.6.1933 (»Wie die -Kassclcr Post> zu berichten weiß ...«): Fuldaer Zeitung Nr. 138 vom 18.6.1933 (»Wie die .Kasseler Post> erfährt ...«); Gclnhäuser Tageblatt Nr. 138 vom 16.6.1933 (»Wie die -Kassclcr Post> erfährt, ...«). 24 Bebraer Nachrichten Nr. 139 vorn 16.6.1933; - Bebraer Tageblatt Nr. 140 vom 17.6.1933; - Eschweger Tageblatt Nr. 138 vom 16.6.1933; - Fritzlarer Kreis-Anzeiger Nr. 72 vom 17.6.1933; - Gudensberger Zeitung Nr. 48 vom 17.6.1933; - Hombcrger Kreisblatt Nr. 138 vorn 16.6.1933; - Rotenburger Tageblatt Nr. 139 vorn 17.6.1933; - Tageblatt für Kurhessen und das angrenzende Thüringen und Sachsen Nr. 138 vom 17.6.1933; - Waldeckische Landeszeitung vom 16.6.1933. 25 In der »Cudensberger Zeitung« z.B. ist die Meldung über den Plan der Gründung eines KZ in Guxhagen zwischen der Nachricht über einen Ministererlaß zum Thema »U nbercchtigtcs Tragen von Kriegsauszeichnungen und Ehrenzcichen« und der Nachricht von der Verschiebung des nationalsozialistischen Flugtags »Bomben auf Kassel« wiedergegeben. Auch die beiden sich anschließenden Meldungen verdeutlichen, daß es sich in dieser Rubrik um Neuigkeiten »quer durch die Heimat« - und nicht nur um Alltägliches oder Untergeordnetes - gehandelt hat: die Selbsttötung einer Frau aus Kassel wird gerneldet; dann wird auf die Weihe des »Mcsser- 98 Unter diesen 16 Zeitungen waren neben Kassel, dem Sitz des Regierungspräsi- denten, die damaligen Kreisstädte Bebra, Eschwege, Frankenberg, Fritzlar, Fulda, Homberg, Melsungen und Rotenburg vertreten, darüberhinaus noch Zeitungen aus den größeren Gemeinden Gudensberg und Zierenberg. Sämtliche 16 Berich- te sprechen unmißverständlich - z.T. sogar mit Hervorhebung im Druck - vom .Konzentrationslager-, Kassel und die nähere Umgebung - Berichte in den Zei- tungen aus Hofgeismar, Treysa, Witzenhausen und Wolfhagen haben sich nicht gefunden (Meldungen aus Hofgeismar und Witzenhausen sollten eine Woche später folgen) - hatten die Information aufgegriffen und veröffentlicht. Presseerklärung und Führung in Breitenau Nach dieser ersten Information in der Presse folgte eine knappe Woche nach Gründung des Lagers, am Donnerstag, den 22. Juni 1933, eine ausführliche Presseverlautbarung des Kasseler Polizeipräsidenten. Diese Presseerklärung war mit einem Besuch des Lagers durch Journalisten verbunden. »Auf Einladung des Polizeipräsidenten zu Kassel besichtigten gestern \ertreter der Kasseler Presse das Konzentrationslager.c'" 17 Tageszeitungen im Regierungsbezirk Kassel - darunter auch einige -Amt- liehe Anzeiger: - griffen diese Presseerklärung auf und arbeiteten sie teils im Wortlaut, entweder in verkürzter Form oder in einem größeren Bericht eines Redakteurs vor Ort, der bei der Presseführung in Breitenau anwesend war, ein." Sogar eine der größten und angesehensten überregionalen Tageszeitungen, die »Vossische Zeitung«, vermerkte in der Rubrik »Heute neu« die Gründung eines »Konzentrationslagers bei Kasscl«. Von den 16 Zeitungen, die eine Woche zuvor über den Plan der Gründung von Breitenau berichtet hatten, sind sechs nun nicht mehr vertreten. Die »Nicderhcssische Zeitung«, die »Bebracr Nachrichten«, das »Rotenburger Ta- schmidt-Hauses«, bei der Gauleiter Weinrich eine Rede halten wird, hingewiesen. - Gudensberger Zeitung Nr. 48 vom 17.6.1933. 26 Kasseler Post Nr. 171 vom 23.6.1933. 27 Bebraer Tageblatt Nr. 146 vom 24.6.1933 - Eschweger Tageblatt Nr. 144 vom 23.6.1933 - Eschweger Zeitung Nr. 145 vom 24.6.1933 - Frankenberger Zeitung Nr. 145 vom 24.6.1933- Fritzlarer Kreis-Anzeiger Nr. 75 vom 24.6.1933 - Gudensberger Zeitung Nr. 50 vom 24.6.1933- »Das Konzentrationslager Breitenau«, in: Hanauer Rundschau Nr. 145 vom 24.6.1933 - »Im Konzentrationslager Breitenau. Kasseler Schutzhäftlinge - Zwei Gruppen - Verpflegung und Beschäftigung«, in: Hersfelder Zeitung vom 24.6.1933 - Hornberger Kreisblatt N r. 144 vom 23.6.1933 - Hofgeismarer Zeitung Nr. 146 vom 26.6.1933 - Hornberger Kreisblatt Nr. 146 vom 26.6.1933 - »Das Konzentrationslager Breitenau - Sie können sich nicht beklagen. Besuch im Konzentrationslager«, in: Kasseler Neueste Nachrichten Nr. 144 vom 23.6.1933. - »Eine Stunde unter Schutzhäftlingen. Besuch im Konzentrationslager Breitenau«, in: Kasseler Post Nr. 171 vom 23.6.1933 - »Das Konzentrationslager Breitenau«, in: Melsunger Tageblatt Nr. 145 vom 24.6.1933 - Waldeckische Landeszeitung Nr. 145 vom 23.6.1933 - Werra-Bote Nr. 145 vom 23.6.1933 - Witzenhäuser Kreisblatt Nr. 146 vom 25.6.1933. 99 Vossische Zeitung (Morgenausgabe), Berlin, vom 22.Juni 1933. geblatt«, die »Fuldaer Zeitung«, das »Tageblatt für Kurhessen und das angren- zende Thüringen und Sachsen« und die »Hcssische Volkswacht« setzten mithin ihre Berichterstattung zunächst nicht fort. Hierfür muß - bis auf die zuletzt Genannte - keineswegs ein besonderer Anlaß oder Grund vorgelegen haben. In Bebra hatte die zweite Tageszeitung nunmehr zum ersten Male ausführlich berichtet.f Ähnlich war es in Eschwege, wo statt des »Tageblatts für Kurhessen « nunmehr die »Eschweger Zeitung« einsprang.f Überraschend ist, daß die »Ful- daer Zeitung« nicht berichtete - stand doch das katholische Fulda in einer kritischen Haltung zum sich etablierenden nationalsozialistischen Staat; zudem hatte sich die »Fuldaer Zeitung« die erste Information üb er Breitenau aus der »Kasscler Post« geholt, woraus zu schließen ist , daß der Kassel er Polizeipräsi- dent Fulda nicht informiert hatte, die Zeitung jedoch den Vorgang für so bedeutend hielt, daß sie tätig wurde. Bemerkenswert erscheint weiterhin, daß die »Hessische Volkswacht« über diese Presseerklärung des Kasseler Polizei- präsidenten mit keinem Wort berichtet hat. Es ist denkbar, daß von Pfeffer die Richtung der Kasseler Parteipresse nicht ins Konzept der staatlich-polizeilichen Beruhigungspolitik gepaßt hat. Auch der Artikel in der »Hessischen Volks- wacht«, in der von Pfeffers Maßnahmen gegenüber Schutzhaftgefangenen öffentlich bekannt gemacht worden waren30, dürfte kaum in seinem Sinne gewesen sein. Während sechs Zeitungen nach der polizeilichen Presseerklärung ihre Bericht- erstattung nicht fortsetzten, meldeten sich sieben andere aus dem Regierungsbezirk Kassel zum ersten Male zum Thema Breitenau zu Wort: es waren dies die »Eschwe- ger Zeitung«, die »Hanauer Rundschau«, die »Hersfelder Zeitung«, die »Hofgeisma- 28 Bebraer Tageblatt N r. 146 vorn 24.6.1933. 29 Eschweger Zeitung Nr. 145 vorn 24.6.1933. 30 Es hieß dort: »N un hat ja freili ch der Poli zeipräsident auf G ru nd einwa ndfreier Feststellungen , die ergeben hab en , daß verschi ed en e kommunistisch e Wühlereien der letzten Z eit auf die Initiative der kommunistisch en Schutzh äftlinge zurückz uführen sind , diesen den Verkehr 111it der Auß enwelt unter sagt ; [...] « In : H essisch e Volk swacht Nr. 136 vo m 13.6.1933 ())Latrinengerüchte der Kornrnunisten «). 100 rer Zeitung«, die »Kasseler Neuesten Nachrichten«, der »Werra-Bote« und das »Witzenhäuser Kreisblatt«. Von den 25 Landkreisen bzw. Städten des Regierungs- bezirks Kassel waren von den Kassel näher gelegenen Kreisen Wolfhagen und Ziegenhain und von den weiter entfernten Gelnhausen, Marburg (Stadt und Land), Schmalkalden und Schlüchtern nicht vertreten. Von den dort erschienenen Ta- geszeitungen ist über Breitenau im Juni 1933 nicht berichtet worden. Eine Erklä- rung hierfür können wir nicht geben. Für die Beurteilung der Frage, inwieweit in diesen Städten und Kreisen die Zeitgenossen etwas wissen konnten, ist allerdings zu berücksichtigen, daß die »Hessischc Volkswacht«, deren Berichterstattung über Breitenau dargelegt wurde, auch in einigen dieser Kreise (z.T. sogar mit eigenem Lokalteil, z.B. in Marburg) erschienen ist. In geringerem Umfangwurde vermutlich in den Kreisen Wolfhagen und Ziegenhain gelegentlich auch eine der großen Kasseler Tageszeitungen abonniert. Im übrigen dürfte - z.B. bei Lehrern, Ärzten, Rechtsanwälten oder besonders politisch Interessierten aller sozialen Schichten - eine der überregionalen Zeitungen (wie die »Prankfurter Zeitung« oder die »Vossi- sehe Zeitung«) in Nordhessen gelesen worden sein. In den anderen 18 Kreisen bzw. Städten (Kassel, Hanau und Fulda) wurde, - z.T. ausführlich, z.T. mehrfach und z.T. in Zeitungen aus Altkreisen (wie z.B. Bebra, Homberg) - über das Konzentra- tionslager Breitenau berichtet. Die Berichte selbst, die nun der Presseerklärung von Pfeffers folgten, waren der Form nach keineswegs einheitlich. Inhaltlich allerdings lassen sich - wenn man von Kürzungen absieht - nur wenig Abweichungen entdecken. Aufgrund der dichten Berichterstattung läßt sich sogar der Wortlaut der polizeilichen Presseerklärung mühelos rekonstruieren. So findet sich folgender Text in der »Frankenberger Zeitung«, in der »Hersfeldcr Zeitung« und in der »Waldeckischen Landeszeitung«: »Im Interesse der öffentlichen Ruhe und Ordnung, aber auch zum Schutz ihrer eigenen persönlichen Sicherheit sind bekanntlich nach derMachtergreifung durch AdolfHitler auch in Kassel eine ganze Reihe ehemaliger KPD- und SPD-Führer in Schutzhaft genommen worden. DieseSchutzhäJtlinge, insgesamt etwa40 Personen, waren bisher teils im Polizeiprä- sidium, zum anderen 1i!il in derStrafanstalt Whlheiden untergebracht. Seit Ende vergangener T16che hat man sie nun in ein geschlossenes Lager nach Breitenau übergiführt, das zu besichtigen heute der Kasseler Presse Gelegenheit gegeben war. Dasausdem12.Jahrhundert stammende Benediktinerelostexgegenüber dem DoifGuxhagen, am Ufer der Fulda gelegen, untersteht als Korrektions- undLandespjlegeanstalt der Landesverwaltung. In einem schon lange für ähnliche Zwecke benutzten Flügel der alten Hllllfährtskirche botsich genügend Raum, biszu 100 Schutzhi{ftlinge unterzubringen, so daß durch die jetzige Bele- gong mit 40 Personen die zur \erfügung stehenden Räume bei weitem nicht voll belegt sind, und die Häftlinge reichlich Bewegungsmäglichkeit haben. Die Schutzhaftgefangenen sind in zwei Gruppen eingeteilt. Auf diese Wise hat man die besonders radikalen Elemente vondenübrigen getrennt. Im ersten Stock des Hauses steht jeder Gruppe je ein geräumiger ligesraum zur \krfügung, im zweiten Geschoß liegen die Unterkunftsräume für die "Wachmannschaft, die aus 15 SA-Hilfspolizi- sten unter Führung eines Polizeihauptwachtmeisters besteht, der dritte Stock ent- 101 hält zwei große luftige Schlafräume und die Wdschräume. Im Erdgeschoß gegen- über dem Wdchzimmer liegen die Bade- und Brauseräume, die den Häftlingen in ausgedehntem Maße zur \krfügung stehen. Ein Blick in die Küche und eine Kostprobe aus den großen Kesseln überzeugen von der Qualität und Schmackhaf- tigkeit des Anstaltsessens, das für die Schutzhäftlinge und die Wdchmannschaft wie auch für alle übrigen Insassen des Hauses das gleiche ist. Die Gefangenen ent- wickeln einen recht gesunden Appetit, der freilich durch ihre Beschäftigung in frischer Luft verständlich ist. Die Arbeit derLeute wickeltsich zum griljJten Jeil auf den ausgedehnten Äckern und liViesen derAnstalt ab, wo siemit Heumachen, Rübenhacken usw. beschäftigt werden. Darüber hinaus werden sie zu Wgebauten, Aufforstung, Fruchtbarma- chungvon Ödland usw. herangezogen, wobei aber besonders bemerkt werden muß, deif3 essich stets um Arbeitenhandelt, die in keinerWise demfreien/ubeitsmariet entzogen werden. Im ganzen gesehen, führen die Schutzhäftlinge in Breitenau ein recht erträgliches Dasein, das zum ril über dem Niveau dessen liegt, was sie in früheren Zeiten gewohnt waren.x" Die kursiv wiedergegebenen Passagen stellen eine von den Redaktionen ge- kürzte Fassung dar; sie findet sich auch im »Eschweger Tageblatt«, im »Witzen- häuser Kreisblatt«, im »Bcbraer Tageblatt«, in der »Gudensberger Zeitung«, in der »Hanauer Rundschau« (sie gehörten vermutlich alle demselben Maternversand an, wie man dem Druckbild entnehmen muß), im »Melsunger Tageblatt«, im »Homberger Kreisblatt« (mit einer unbedeutenden Abweichung zweier Worte; auch diese beiden Zeitungen waren einem Maternversand angeschlossen) und in der »Hofgeismarer Zeitung«. Wie wäre diese Übereinstimmung auf Punkt und Komma anders zu erklären als durch eine gemeinsame Textvorlage? Und wer anders als der Kasseler Polizeipräsident - oder einer seiner Untergebenen - könnte nach der Gründungsgeschichte des Konzentrationslagers diese ausge- arbeitet haben? Er hatte Breitenau eingerichtet und Pressevertreter dorthin ein- geladen; er wird die Presseerklärung auch an nicht eingeladene Redaktionen mit der Bitte um Abdruck versandt haben. Von dieser Presseerklärung unterschieden sich sprachlich und inhaltlich die Berichte der beiden Journalisten, die auf der Grundlage eigener Anschauung verfaßt worden waren - sie waren bei der Führung in Breitenau seitens der Kasseler Polizei persönlich zugegen gewesen. Zunächst jedoch zum Inhalt der Presseerklärung selbst. Es handelte sich nicht um eine sachliche Information der Öffentlichkeit durch eine Behörde über bestimmte interessierende Vorgänge. Die Presseerklärung war politisch, weil sie auf eine Wirkung in der öffentlichen Meinungsbildung zielte. Atmo- sphärisch wurde ein bestimmtes Bild des Lagers gezeichnet; Argumente und Kommentare wurden in rechtfertigender Absicht aufgenommen. In landschaft- lich herrlicher Lage (»am Ufer der Fulda gelegen«) hat man in einem »eherna- 31 Waldeckische Landeszeitung N r. 145 vom 23.6.1933; Frankenberger Zeitung N r. 145 vom 24.6.1933; Hersfelder Zeitung vom 24.6.1933. 102 ligen Benediktinerkloster« Räume vorgefunden, wo man die ehemaligen KPD- und SPD-Führer sauber und ordentlich bei guter Verpflegung in einem »ge- schlossenen Lager« untergebracht hat. Diese Menschen selbst finden dort ein besseres Lebensniveau vor als sie - während der Zeit ihrer Arbeitslosigkeit? - gehabt hatten. Sie verrichten nützliche Arbeiten, ohne jemand anderem die Arbeit wegzunehmen. Das Essen ist für alle das gleiche; also auch hier >Ge- rechtigkei« und keine Privilegienwirtschaft. Wieder tauchte der Erziehungs- gedanke auf, wenn es hieß, daß die Unterbringung der Gefangenen »in einem schon lange für ähnliche Zwecke benutzten Flügel der alten Wallfahrtskirche [!]« erfolgt ist. Das Bild, das hier entworfen wird, rankt sich um Worte wie »reichlich Bewegungsmöglichkeit«, »geräumig«, »luftig«, »Wasch-, Bade- und Brauseräume« (von denen in ausgedehntem Maße Gebrauch gemacht werde), »gesunder Appetit«, »frische Luft«usw. Da das Lager am 22. Juni noch nicht voll belegt war, gab es sicher Bewegungsmöglichkeit und Platz. Und luftig war es im Hauptgebäude der Anstalt damals gewiß. Die Tatsache, daß diese Schutz- haftgefangenen nur auf Grund einer anderen politischen Auffassung, also un- schuldig eingesperrt worden waren, war freilich in der Presseerklärung kein Thema. Der vage Hinweis auf das »Intcrcsse der öffentlichen Ruhe und Ord- nung« wie auf »ihre eigene persönliche Sicherheit« sollte ausreichen. Auch Fragen des Umgangs mit den Gefangenen, Praktiken ihrer -Bestrafung., ob z.B. in Breitenau, wie man es von anderen Lagern wußte oder gehört hatte - und wie man es gerade noch in den Straßen der eigenen Stadt erlebt hatte - , die politischen Gegner verhöhnt und verspottet, erniedrigt oder gedemütigt wur- den, ob es zu Quälereien und Mißhandlungen kam, wurden nicht thematisiert. Auch ist zu berücksichtigen, daß das Konzentrationslager zum Zeitpunkt des Pressebesuchs noch keine Woche bestanden hatte. Unter Gesichtspunkten redlicher Berichterstattung wäre deshalb eine Darstellung der Einrichtung und der Anfänge möglich gewesen; keinesfalls aber lag genug Erfahrung vor, um in derart abschließend positiver Art und Weise die Öffentlichkeit zu informieren. Nun zu den Berichten der beiden in Breitenau anwesenden Journalisten. Sie finden sich einen Tag nach dem Besuch vor Ort in der »Kasseler Post« und in den »Kasseler Neuesten Nachrichten«. Wahrscheinlich waren keine weiterenJourna- listen eingeladen worden.f Der Bericht in den »Kasseler Neuesten Nachrichten« ist mit »gl« unter- zeichnet. Er enthält Argumentationen der Rechtfertigung, von denen anzuneh- men ist, daß die Auffassung des begleitenden führenden Polizeibeamten den 32 Ganz ausschließen kann man dies auch bei der »Frankenberger Zeitung« und bei der »Waldecki- schen Landeszeitung« nicht. Beide haben den Passus über den Pressebesuch (<Wiedersehen mit Herrn Quer. Ein eigen Ding. Aber er sagt, daß die Behandlung nicht schlecht sei und daß, nachdem er Schachpartner gefunden habe, auch die Langeweile sich überwinden lasse.« Der Redakteur hat auch in Gesichter in Breitenau geblickt, »die sich abgefunden haben«; auch in »solche, auf die der politische Kampf seinen Stempel geprägt hat.« Sowohl in der ganz knapp notierten Begegnung mit Karl-August Quer als auch beim Anblick von Gefangenen, die sich »abgefunden« haben (konnte dies anderes bedeuten als: die resigniert hatten?), schien etwas von der trostlosen Lagerwirklichkeit Breitenaus im Juni 1933 auf Der zweite größere Bericht über Breitenau war in der »Kasseler Post« und mit Mtzl. (Metzler?) unterzeichnet. Überschrieben war er »Einc Stunde unter Schutzhäftlingen«, womit wahrscheinlich realistisch der zeitliche Rahmen des Pressebesuchs in Breitenau festgehalten war. Sprachlicher Ausdruck und Inhalt hatten einen ganz anderen Charakter als der Artikel in den »Kassclcr Neuesten Nachrichten«. Der aus der Zeit der Weimarer Republik bekannte völkisch-natio- nalistische Kampagnen-Stil der »Kasseler Post« wurde hier noch gesteigert. Die »Schamröte« steige einem ins Gesicht beim Gedanken an Weimar, wo man sich von Menschen, denen »deutschcs Denken fremd geworden war«, verhöhnen und verspotten lassen mußte usw. USW.35 Und doch war auch hier, selbst in diesen dreisten Phrasen", die polizeiliche Presseführung noch zu erkennen, wenngleich 35 Die folgenden Zitate aus: Kasseler Post Nr. 171 vom 23.6.1933. 36 Die Kasseler Post vertrat die bizarre These, daß die Schutzhaft dazu diene, die Sozialdemokraten und Kommunisten »vor ihren eigenen Genossen zu schützen, die den Verrat und den Betrug, die 106 KasselerPost Nr. 171 vom 23.Juni 1933 diese durch ein Übermaß an nationalsozialistischen Bekenntnissen konterkariert und von daher in der Wirkung eingeschränkt wurde. Die polizeiliche Pressefüh- rung erkennt man in folgenden Aussagen wieder: Di e Häftlinge, so wird auch graphisch hervorgehoben, »haben es gut«, Grundsatz in der Behandlung sei nicht Drill, vielmehr »gegenseitiges Verstehen«. Jeder Beschwerde werde genauestens nachgegangen und, so sie berechtigt sei, werde Abhilfe geschaffen. Eine Entlas- sung sei vorgesehen, wenn der Gefangene künftig auf staatsfeindliche Tätigkeit verzichte. Ebenfalls findet sich in der »Kasseler Post« der Satz, daß Kon- zentrationslager nicht auf Dauer eingerichtet werden sollen. Die Verpflegung sei reichlich und gut. Z eitungen stünden den Häftlingen zur Verfügung. an ihn en verübt wurden , erkannt hatt en«! - Kasseler Post N r. 171 vom 23.6.1933. 107 »Besondere \eranstaltungen im Rundfunk werden durch Lautsprecher im Aufent- haltsraum übertragen. Es ist geplant, durch \Orträge mit anschließender Diskussion die Inhaftierten mit dem~sen des Nationalsozialismus genau bekannt zu machen.e" Zusammenfassend können wir festhalten: Auch dieser Bericht läßt trotz des Widerspruchs zwischen amtlicher, auf Beruhigung zielender Redeweise und völkisch-nationalistischer Agitation die Absicht des Kasseler Polizeipräsidenten gegenüber der Öffentlichkeit noch erkennen. Es ist bemerkenswert und bedarfeiner Erklärung, daß nach dieser Pressefüh- rung am 22. Juni 1933 nicht mehr in größerem Umfange über das Konzen- trationslager Breitenau in der Presse berichtet worden ist. Weitere Meldungen Was nun noch bis zum Dezember 1933 folgte, waren kleine Meldungen und Nachrichten, zumeist im Zusammenhang mit Inhaftierungen einzelner Gefan- gener. Deutlich tritt jetzt das Ziel der abschreckenden Wirkung als Motiv klar hervor; z.B. bei folgender Nachricht: »Eschwege. In Schutzhaft genommen wurden wegen ungebührlicher Miß- handlung von Lehrlingen die Gebrüder Karl und Gustav G. von hier. Es ist beantragt, die beiden \erhafteten in ein Konzentrationslager zu übcrführcn.s" Beide waren Fabrikanten, mithin nicht unbekannt in Eschwege; der hier mitgeteilte Haftgrund war nur vorgetäuscht; tatsächlich waren sie aus politischen Gesinnungsgründen verhaftet worden; sie waren Anhänger der Tannenberg- bewegung. Sie kamen ins Konzentrationslager Breitenau. Besonders zynisch war die Berichterstattung bei der Mobilisierung antisemitischer Vorurteile. So wurde in Fulda über die Inhaftierung zweier Geschäftsleute unter der Überschrift »Wir trauern ihnen nicht nach« folgendes gemeldet: »Ergänzend können wir mitteilen, daß die beiden jüdischen Schutzhäftlinge Katz und Cohn Freitag vor ihrer Überführung nach Kassel noch eine letzte -Ehrcnrundc. durch Fulda, dem Ort ihres -erfolgreichen Wirkens<, gaben. Unter treuer Obhut von SS-Männern ging es durch die liebgewordenen Straßen; Manch -schöne Erinnerung: wird wohl nochmals bei ihnen erwacht sein. Sie hatten sich den Abschied von Fulda sicherlich ganz anders vorgestellt! Auf einem großen Schild, das der Jude Katz trug, wurde den zahlreichen Zuschauern das \ergehen dieser wertvollen .deutschen Staatsbürger- mitgeteilt [...]it) 37 Hier griffman eine Praxis aus der Reformära des Arbeitshauses Anfang der 20er Jahre auf, die auch im Arbeitshaus Breitenau eingeführt worden war: die Vorträge. Während man damals aber auf -Erörterungen. eher verzichten wollte, waren nun Diskussionen zur Vertiefung der nat.-soz. Ideologie angezeigt. Vgl. Ayaß, Arbeitshaus Breitenau, 256f. 38 Hornberger Kreisblatt Nr. 198 vom 25.8.1933. (Abkürzung des Nachnamens im Original). 39 Fuldaer Nachrichten vom 2.9.1933, zitiert nach »... werden in Kürze anderweit untergebracht ...«. Das Schicksal der Fuldaer Juden im Nationalsozialismus. Eine Dokumentation. Hg. v. Gerhard 108 Die abschreckende Wirkung dürfte auch bei folgendem Artikel mit der bezeichnenden Überschrift »Sie wandern ins Zuchthaus« im Vordergrund ge- standen haben: »Es gibt immer noch dumme Menschen, die glauben, heimlich gegen die Regierung arbeiten zu können. Bei Haussuchungen in Heckershausen [...] führten auch Fäden nach Obervellmar, wo vier Personen, die im kommunistischen Sinne weiter Propa- ganda betrieben haben, durch den Oberlandjäger G. verhaftet wurden. [ ] Die frühe- ren Kommunisten "Wllter Leng und Christoph Boerner blieben in Haft. [ ]«40 Die Drohung mit .Breitcnau- wurde nicht nur gegenüber dem politischen Gegner aus der Zeit der Weimarer Republik aufrechterhalten; sie diente auch dazu, der propagierten -sozialcn Gerechtigkeit< Nachdruck zu verleihen. So wurde ein Händler, der den Bauern gegenüber mit Zahlungen im Rückstand gewesen sein soll, kurzerhand nach Breitenau eingewiesen. Die öffentliche Darstellung dieses Vorgangs sollte diesen an den Pranger stellen, um andere abzuschrecken. »Grüsselbach (Kr. Hünfeld). Der 21 Jahre alte Schweinehändler J.H. 11 von hier hatte in den letzten Monaten einen Schweinehandel angefangen, der einen vielver- sprechenden Anfang nahm. Das leicht verdiente Geld verleitete ihn aber zu einem leichtsinnigen Lebenswandel und die Bauern bekamen das ihnen zustehende Geld nur nach langem "Warten oder überhaupt nicht. Da er damit den Aufbau des Landstandes sabotiert hat, wurde er zunächst in Schutzhaft genommen und jetzt auf Anordnung der Geheimen Staatspolizei in Kassel in das Konzentrationslager Breitenau überwicscn.e" Im übrigen läßt sich die aufgezeigte Differenz zwischen der Argumen- tationslinie der Polizeiführung und derjenigen der »Hessischen Volkswacht« auch nach dem Juni 1933 beobachten. Während die Polizei in amtlichem Tonfall Meldungen ausstreut, setzt die »Hessische Volkswacht« ihre zynische Be- kämpfung des politischen Gegners fort." Renner, Joachim Schulz und Rudolf Zibuschka. Fulda 1990, 69. - Ein anderer Artikel zu den beiden in Schutzhaft genommenen Fuldaer Bürgern in derselben Ausgabe dieser Zeitung trug den Titel »Endlich im Konzentrationslager«. 40 Kurhessische Landeszeitung Nr. 245 vom 18.10.1933. - Die Genannten kamen in das KZ Breitenau. 41 Melsunger Tageblatt Nr. 212 vom 11.9.1933. Die Worte »Konzentrationslager Breitcnau« sind im Original durch Fettdruck hervorgehoben. 42 So heißt es dort z.B., daß die Mitte Juli inhaftierten Sozialdemokraten »nun in Breitenau in produktiver Arbeit - vielleicht zum ersten Male in ihrem Leben - etwas Gutes für ihr Volk tun.« Hessische Volkswacht Nr. 159 vom 10.7.1933. Unter den so Gescholtenen befanden sich z.B. der ehemalige preußische Landtagsabgeordnete und langjährige Bürgermeister von Nieste Carl Kraft, Bürgermeister Pfannkuch aus Heiligenrode und andere Mandatsträger. Ganz ähnlich auch die beiden Artikel gegen den ehemaligen sozialdemokratischen Bezirkssekretär Karl Herrmann, der auch namentlich .vorgeführt- werden sollte, unter der Überschrift »Kameradschaft, in der Bonzokratie. Ein Stücklein aus Breitenau.« (Kurhessische Landeszeitung Nr. 235 vom 6.10.1933) und »sKameradschaft: in der Bonzokratie. Im -Volksblatt: wie in Breitcnau.« (Kurhessische Landeszeitung Nr. 245 vom 18.10.1933). 109 Zwei Meldungen waren es noch im Jahre 1933, von denen die eine unzweideutig, die andere vielleicht vom Kasseler Polizeipräsidenten stammte. Die eine gab die »Bestimmung« Breitenaus zum »Provinzial-Konzentrationsla- ger« bekannt43 - eine an sich ganz unübliche Bezeichnung! Für diese Bezeich- nung scheint sich von Pfeffer besonders eingesetzt zu haben; die Meldung liest sich so, als melde er hier einen Erfolg, den er gegenüber Berlin durchgesetzt hat. In der Tat wird an dieser kleinen Meldung der ganze Horizont eines regional eingerichteten und gegenüber Berlin behaupteten Konzentrations- lagers deutlich. Anders als z.B. die Emslandlager, die auf die Initiative des preußischen Innenministeriums zurückgingen, war Breitenau eine regionale Initiative. Von daher überrascht die Assoziation »Provinz« nicht: im eigentli- chen Sinne war Breitenau kein preußisches Provinzial-Arbeitshaus, da in der Provinz Hessen-Nassau die beiden Bezirks-Kommunalverbände Kassel und Wiesbaden bestanden. 44 Zum andern galt es aus der Sicht von Pfeffers gegenüber der Zentrale Berlin, die Notwendigkeit des Lagers unter regionalen Gesichtspunkten zu begründen. Die andere Meldung berichtet von Dr. Stern, einem Arzt aus NewYork, der Ende August 1933 Breitenau besucht und allseits Gesundheit angetroffen habe - wahrscheinlich einer solcher Besuche, die aus propagandistischen Motiven veranstaltet wurden. Merkwürdigerweise findet sich der Bericht über diesen Besuch nur an untergeordneter Stelle - das »Melsunger Tageblatt«, das mit ihm verbundene »Hornberger Kreisblatt« und das »Witzenhäuser Kreisblatt« berich- teten darüber. Das »Witzenhäuser Kreisblatt« teilte mit, daß »Herr Pfarrer Breuer von hier [Ermschwerd] mit einem amerikanischen Arzte, Dr. med. Stern/New York, das Lager Breitenau (besuchte)«." Es bleibt unklar, warum diese Meldung nicht von der Kasseler Presse aufgegriffen wurde. Einige Aus- züge aus dieser - übrigens in beiden Zeitungen identischen - Meldung mögen verdeutlichen, daß die Formulierung aus der Feder eines Mitarbeiters im Kasseler Polizeipräsidium hat stammen können: »[...] Dem Amerikaner war Gelegenheit gegeben, mit den Lagerinsassen vertraulich über ihre Lage zu sprechen. Alle waren mit der Behandlung sowie mit der \erpfle- 43 Kurhessische Landeszeitung Nr. 248 vorn 21./22.10.1933: »Provinzial-Konzentrationslagcr Breitenau. Wie amtlich bekannt gegeben wird, ist das Konzentrationslager in Breitenau zum Provinzial-Konzentrationslager bestimmt worden. Die Leitung des Lagcrs bleibt in Händen des Polizeipräsidenten von Pfeffer, Kassel.« 44 Ayaß, Arbeitshaus Breitenau, 69 f 45 Witzenhäuser Kreisblatt Nr. 197 vom 24. August 1933. - Pfarrer Johannes Claus Breuer (1898- 1970) war von 1932 bis 1936 Pfarrer in Ermschwerd (Schriftliche Mitteilung des Landes- kirchlichen Archivs der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldcck vom 16.3.1997). Im Landeskirchlichen Archiv und in den Ermschwerder Kirchenakten findet sich kein Hinweis auf diesen Besuch in Breitenau. Gleichwohl besagt diese Nachricht, daß der Besuch mit Dr. mcd. Stern stattgefunden hat. 110 gung zufrieden. Das Aussehen der einzelnen war ausgezeichnet. Das Lager macht den Eindruck besonderer Sauberkeit und Ordnung. Die stramme militärische Zucht, die nie Unmenschliches fordert, aber das Beste im Menschen wachruft, hat offensichtlich ihre Wirkung nicht verfehlt. [...]«46 Die letzten Pressemitteilungen stammen aus dem Dezember 1933. Kurz vor Weihnachten wurde mitgeteilt, daß eine große Zahl Schutzhaftgefangener »aus Anlaß des Weihnachtsfestes« entlassen werde - und zwar »in der Erwartung, daß sie nunmehr nützliche Glieder der Volksgemeinschaft werden.c" Die letzte Meldung, die wir über Breitenau in der zeitgenössischen Presse gefunden haben, stammt vom Jahresende 1933; darin heißt es: »Auch dem Konzentrationslager Breitenau stattete der Anstaltsleiter des Karlshos- pitals, Papa Kröning, mit seiner Laienspielgruppe einen Besuch ab. Zusammen mit der Breitenauer und Guxhagener Bevölkerung und der NS-Frauenschaft versam- melten sich die Insassen des Konzentrationslagers zu einer Weihnachtsfeierstunde. Papa Kröning sprach von der Erlösung des Einzelmenschen aus dem Alleinsein durch den Kampfund den Einsatz für die Gemeinschaft. Besonders berührte er das nationalsozialistische Wollen zum Christentum durch den Kampf um die innere Freiheit unseres \bIkes. Es folgte sodann das Weihnachtskrippenspiel -Deutsche Weihnachten<, dem alle aufmerksam folgten.s" Falls diese Nachricht zutraf, weist sie auf eine Berührung zwischen der Bevölkerung im Ort und den politischen Schutzhaftgefangenen hin. Zugleich zeigt sie eine bislang zu wenig beachtete Wahrnehmung dieser frühen Konzen- trationslager im Ort und in der Region. Die Vorstellung, Stacheldraht und Wachtürme hätten das KZ Breitenau im Jahre 1933 hermetisch von der Gesell- schaft abgeschlossen, ist unzutreffend. Ergebnisse Die große Anzahl der Meldungen und Berichte über das Konzentrationslager Breitenau war zunächst überraschend. Der Vergleich mit der Berichterstattung über andere frühe Konzentrationslager zeigt jedoch, daß dies keine Besonderheit Breitenaus war. Die Berichterstattung über die Konzentrationslager in Deutsch- land war im Sommer 1933 allgemein dicht und vielfältig. Insofern trifft nicht zu, was Karl August Wittfogel - der selbst im KZ Esterwegen 1933 als Schutzhaftge- fangener eingesperrt war - als typisch für die zeitgenössische Presse ansah, daß 46 Melsunger Tageblatt Nr. 198 vom 25.8.1933; Hornberger Kreisblatt Nr. 199 vom 26.8.1933. Über diesen Dr. Stern ließ sich nichts Näheres ermitteln, und Presseberichte im Ausland von ihm oder mit ihm sind nicht bekannt. 47 Melsunger Tageblatt Nr. 299 vom 22.12.1933; Kurhessische Landeszeitung Nr. 304 vom 22.12.1933 (beide Artikel wortgleich). 48 Kurhessische Landeszeitung Nr. 308 vom 29.12.1933. 111 sich nämlich über die Konzentrationslager nur »ein paar ungenaue, verschwom- mene Zeilen«49 finden lassen. Meldungen, die eher beiläufig daher kommen, gab es auch über Breitenau. Die Meinungsbildung der Leser dürfte jedoch von den größeren Berichten und Reportagen bestimmt worden sein. Dies ging auf die Initiative des Kasseler Polizeipräsidenten von Pfeffer zurück. Spuren von Nicht-Einverständnis oder gar von Kritik und Widerspruch von Seiten der Presse finden sich auf den ersten Blick hin nicht. Allerdings sind Form und Inhalt zwischen den Berichten in der »Kasseler Post« und in den »Kasseler Neuesten Nachrichtcn« so grundverschie- den gewesen, daß man hier zwischen einem .Geschicht den Bonzen Rechte- Tenor und einem vorgeblich um Sachlichkeit bemühten, zugleich jedoch schö- nenden und verharmlosenden Bericht unterscheiden kann. Erstaunlich war, daß die meisten Zeitungen sich daraufbeschränkten, den amtli- chen Bericht bzw. die Presseerklärungwiederzugeben. Es sind keine Recherchen vor Ort unternommen und auch keine Fotos wiedergegeben worden. Hier trifft die Beobachtung K A. Wittfogels zu: Die Zeitungen meldeten dies, wie sie andere Nachrichten auch meldeten. Keine Nachfragen, keine Recherchen, keine Kritik. Diese Art der Berichterstattung dürfte sich aus dem zunehmenden politischen Druckvon Seiten des Goebbels'schen Propagandaministeriums aufdie .bürgerliche- Presse seit März 1933 erklären. Viele Redakteure hatten Deutschland bereits verlas- sen, andere hatten sich angesichts der massiven Drohungen und des sich einengen- den Gestaltungsraums auf eine scheinbar distanziert-neutrale Berichterstattung zurückgezogen." Es ist anzunehmen, daß eine ausdrückliche Presseanweisung, wie über Konzentrationslager zu berichten wäre, nicht erforderlich war.51 Auszu- schließen ist freilich nicht, daß über die in Kassel tätige Gaupropagandaleitung und deren Verbindungen ins Goebbels'sche Ministerium »Empfehlungen« an die regio- nale Presse ergangen sein könnten.52 Die Berichterstattung über die Einrichtung des Konzentrationslagers Brei- tenau enthielt wichtige Grundinformationen: Über die Gründung selbst, die Inhaftierung politischer Gefangener, die vorgesehenen Arbeiten im Lager, die 49 Karl August Wittfogel: Staatliches Konzentrationslager VII. Eine Erziehungsanstalt im Dritten Reich. Roman. Bremen 1991, 43. 50 Vgl. Oron ]. Hale: Presse in der Zwangsjacke 1933-1945. Düsseldorf1965, bes. 83-100; Ernest K. Bramsted: Goebbels und die nationalsozialistische Propaganda. Frankfurt a.M. 1971, 101-147; Norbert Frei! Johannes Schmitz: Journalismus im Dritten Reich, München 1989,20-38. 51 Auf die Konzentrationslager bezogene Presseanweisungen sind für das Jahr 1933, von einer peri- pheren Ausnahme abgesehen, nicht nachweisbar. Vgl.: NS-Presseanweisungen der Vorkriegs- zeit. Edition und Dokumentation. Band 1: 1933. München, NewYork, London, Paris 1984, 217f 52 Nachweisen läßt sich dies nicht. Immerhin war die Gau-Propagandaleitung im Gau Kurhessen im Jahre 1933 ausgeweitet und personell ausgebaut worden. Sie bestand aus dem Gau-Propagan- daleiter Karl Gerland (dem späteren Gauleiter) und sechs >Abteilungsleitern<, unter anderem für »Presse-Propaganda« und »Lügenabwehr«. Vgl.Flandbuch für den Gau Kurhessen der N.S.D.A.P. Im Auftrag der Gauleitung Kurhessen bearbeitet vom Gaupresseamt [Kassel. April 1934]. 112 Wachmannschaft u.a. wurde berichtet. Bemerkenswert ist, daß die Bericht- erstattung nach der Gründungsphase abgebrochen wurde. Die Wirklichkeit des Lagers selbst taucht in der zeitgenössischen Presse nicht mehr auf. Zum einen spricht dies dafür, daß es von Pfeffer bei seiner Presseführung imJuni 1933 um eine gezielte Wirkung in der Öffentlichkeit gegangen war. Zum andern bedeu- tet es, daß eine solche Wirkung später entweder als nicht mehr notwendig oder als nicht aussichtsreich beurteilt wurde. Beides erscheint denkbar. Die Motive der Berichterstattung liegen auf der Hand: es handelte sich um die amtliche .Steuerung- durch die Kasseler Polizeiführung, bei der die Presse sich zur Verfügung stellte. Einwandfrei geht aus der Untersuchung hervor, daß der Begriff-Konzcntrationslagcr- verwandt wurde. Mit diesem Begriffwar übrigens von Naziseite im Frühjahr 1933 in Kassel, wie ein anderer Vorgang belegt, demonstrati d 53Iv umgegangen wor en. Die Frage bleibt, was die Zeitgenossen über das Konzentrationslager auf der Grundlage der Presseberichterstattung wissen konnten. Jeder Kasseler Bürger, soweit er lesen wollte, konnte den Tageszeitungen (auch bei beschönigender und verharmlosender Berichterstattung) doch so viel entnehmen, daß zahlreiche politische Gegner des Hitler-Staates gefangengenommen und zu Umerziehungs- zwecken in ein Konzentrationslager eingesperrt worden waren. Die Geheimhal- tung der Konzentrationslager gilt für die frühen Lager nicht." Einer der politischen Schutzhaftgefangenen Breitenaus hatte in dokumentarischer Absicht bis in unsere Tage den großen Artikel über Breitenau in der »Kasseler Post« als originalen Zeitungsausschnitt verwahrt! Schließlich hat uns die Untersuchung der Presseberichte über unsere ein- gangs formulierten Fragen hinausgeführt und in zweierlei Hinsicht die Konturen Breitenaus deutlicher hervortreten lassen. Erstens ist die Rolle der Kasseler Polizeiführung, möglicherweise damit auch diejenige von Pfeffers für Breitenau erkennbarer geworden. Breitenau war seine Gründung - sowohl gegenüber dem preußischen Innenministerium in Berlin als auch in Abgrenzung zu der regiona- 53 Am 1. April 1933, als die jüdischen Geschäfte auch in Kassel boykottiert wurden, hatten SA-Leute mitten in der Stadt ein symbolisches KZ aufgestellt. In der NS-Zeitung hieß es hierzu: »Das Konzentrationslagen amOpernplatz. Damit bei allem Ernst, der dem Boykott zugrunde lag und mit dem er durchgeführt wurde, der Scherz nicht fehlte, hatten SA-Männer auf dem Opernplatz einen viereckigen Raum durch Stacheldraht abgeteilt und durch Anbringung eines Plakates den Sinn dieser kriegerischen Maßnahme erläutert: Konzentrationslagerfür widerspenstige Staatsbürger, dieihre Einkäufe bei Judentätigen, stand aufdiesem Plakat zu lesen.« (Hessische Volkswacht Nr. 80 vom 4.4.1933). 54 Der Satz: »Das Verfahren der sogenannten Schutzhaft, die Existenz der sogenannten Konzentrationslager, ihre .Aufgaben., die Zustände in ihnen, die Zahl ihrer Insassen wird strengstens geheimgehalten, jedes Eingehen daraufverboten« (lürgen Hagemann, Die Presselenkung im Dritten Reich. Bonn 1970, 180) gilt für die frühen Konzentrationslager nicht. Auch für spätere Zeiten ist diese Annahme nicht zutreffend, da z.B. in Meyers Lexikon im Jahre 1939 und in anderen Lexika bis in die Kriegszeit hinein der Begriff »Konzentrationslager« als Stichwort aufgenommen und eingehend erläutert wurde. Meyers Lexikon. 8. Aufl. Leipzig 1939, Band 6, 1416 f. 113 len Naziführung (aus der er übrigens weder politisch noch regional stammte) um den Gauleiter in Kurhessen Karl Weinrich, um Roland Freisler und den Kasseler NSDAP-Kreisleiter RudolfSempf. Bei diesen handelte es sich um einen anderen Typus von Naziführer, um Anhänger eines extrem antisemitisch und gewalttätig eingestellten irrationalen Terror- und Rachesystems. Damit hängt ein zweiter Gesichtspunkt zusammen. Da Breitenau tatsächlich als Gründung von Pfeffers anzusehen ist, die mit den preußischen Regierungsin- stanzen zwar abgesprochen, ihnen gegenüber jedoch ständig gerechtfertigt bzw. verteidigt und gehalten werden mußte, verfolgte von Pfeffer dabei das Ziel, mit Hilfe des Konzentrationslagers Breitenau die durch den Märzterror der SA und SS beunruhigte Öffentlichkeit in der Region wieder zu beruhigen. Er beabsich- tigte nicht, den Terror weiter zu treiben oder ihn systematisch zu verschärfen, sondern ihn durch Verwaltungshandeln zu ersetzen und ihn dadurch zu normalisieren. Zugleich band er damit das System der politischen Unter- drückung an - freilich nationalsozialistisch entstellte - Vorstellungen von -Staat., .Ordnung: und .Erzichungc Auch in späteren Jahren hat der überzeugte Natio- nalsozialist Fritz von Pfeffer, immerhin Träger des goldenen NSDAP-Partei- abzeichens, Dissonanzen und Konflikte mit der NSDAP nicht gescheut, wenn von dort in seine staatlichen Kompetenzen - als Regierungspräsident in Wiesba- den - hinein zu regieren versucht wurde." 55 Im Jahre 1942 wies er in scharfem Ton den Frankfurter Gauleiter Sprenger zurück, obgleich es nur um ein Rundschreiben betr. Kohlenversorgung ging: »Ich bin keine dem Gauleiter nachgeordnete Dienststelle. Ich darf daher eine .Anordnung- oder .Anweisung- von Ihnen nicht entgegenehmen. Weisungen von unbefugten Dienststellen an staatliche oder kommunale Behörden können nur Unsicherheit und Verwirrung bei den einzelnen Beamten und in den betroffenen Bevölkerungskreisen hervorrufen. [...] Die dadurch hervorgerufene Rechtsunsicher- heit muß aber m. E. gerade im Kriege vermieden werden.« Er wandte sich an Hitler persönlich, da Sprenger aufgrund des oben im Auszug zitierten Schreibens seine Ablösung als Regie- rungspräsident gefordert und schließlich auch ereicht hat. Näheres bei Karlheinz Müller: Preußischer Adler und Hessischer Löwe. Hundert Jahre Wiesbadener Regierung 1866-1966. Dokumente der Zeit aus den Akten. Wiesbaden 1966, 279 f., 313-317. 114 Int Konzentrationslager Unterbringung, Kleidung, Verpflegung und Versorgung Die Quellen über die Unterbringung sind spärlich. Die meisten Gefangenen waren in großen Sälen im Hauptgebäude untergebracht. Bei diesem damals und heute so bezeichneten Hauptgebäude handelte es sich um das Mittelschiff der ehemaligen Kirche, das zuletzt bei der Einrichtung des Arbeitshauses Breitenau in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts zur Unterbringung von männlichen Insassen - deshalb wurde es auch als .Männerhaus- bezeichnet - umgebaut worden war. Die Fenster waren wie in einem Gefängnis vergittert. Das Treppen- haus war ebenso von Etage zu Etage durch Gitter abgetrennt. Die Presseer- klärung des Kasseler Polizeipräsidenten beschrieb die Unterbringung der Gefangenen in beschönigender und doch - hinsichtlich der Nutzung der Säle und Etagen - genauer Art und Weise: »In einem schon lange für ähnliche Zwecke benutzten Flügelt der alten "Wlllfahrts- kirehe bot sich genügend Raum, bis zu 100 Schutzhäftlinge unterzubringen, so daß durch die jetzige Belegung mit 40 Personen die zur \erfügung stehenden Räume bei weitem nicht voll belegt sind [...] Im ersten Stock des Hauses steht jeder Gruppe je ein geräumiger 1igesraum zur \erfügung, im zweiten Geschoß liegen die Unterkunftsräume für die %chmann- schaften, [...] der dritte Stock enthält zwei große luftige Schlafräume und die"Wlschräu- me. Im Erdgeschoß gegenüber dem "Wlchzimmer liegen die Bade- und Brauseräume, die den Häftlingen in ausgedehntem Maße zur \erfügung stehen [...]«.3 Der ehemalige Schutzhaftgefangene in Breitenau RudolfFreidhoferinnert sich: »Die Unterbringung erfolgte in einem großen Saal unterm Dach. Die Schlafstellen bestanden aus Stroh. Alle seien zusammen4 im großen Saal untergebracht gewesen «.5 Die Unterbringung bei höherer Belegung hat man sich in Breitenau im Juli 1933 (90 Gefangene) so vorgestellt: »Bei Ausnutzung aller Belegungsmäglichkeiten lassen sich außer den bereits hier untergebrachten Personen noch r[ un]d 110 Häftlinge nebst den dazu erforderli- chen Bewachungsmannschaften unterbringen, und zwar: im Hauptgebäude noch 30 Mann, in den beiden Sälen im Dachgeschoß des Landesfürsorgeheims Genau genommen handelte es sich nicht um einen Kirchenflügel. sondern um den Mittelbau bzw. das Mittelschiff der Kirche. 2 Ob die Klosterkirche tatsächlich als Wallfahrtsort gedient hat, erscheint fraglich. Sie beherbergte Reliquien; ein Hinweis aufWallfahrten ließ sich nicht finden. 3 Hersfelder Zeitung vom 24. Juni 1933. 4 Das »alle zusammen« kann sich nur auf die eineder beiden Häftlingsgruppen beziehen. Denn in der Presseerklärung vom Juni 1933 war die Rede von zwei Schlafräumen und davon, daß die Schutzhaftgefangenen in zwei Gruppen eingeteilt wurden. Notiz über ein Gespräch mit RudolfFreidhof(1980). 115 zus[ammen] 50 Mann und im ehem[aligen] Schlafsaal der Korrigendinnen im Frauenhaus 30 Mann.s'' Das Landesfürsorgeheim muß im Gebäude des Landarmenhauses unterge- bracht worden sein; letzteres befand sich schräg gegenüber dem Hauptgebäude- Eingang (ehemaliges Kirchenportal) und dem Frauenhaus.' Einem Schreiben des Landesrats [Kurt] von Hugo, Leiter der Abteilung I beim Landeshauptmann", vom 4. Januar 1934 an den Kasseler Polizeipräsidenten, in dem es um die Zukunft des Konzentrationslagers ging, ist zu entnehmen, daß die Schutzhaftgefangenen bis in den Januar 1934 hinein im Hauptgebäude unterge- bracht worden sind. Im Auftrag des Landeshauptmanns schrieb von Hugo: »Sollte mit einer höheren Zahl von politischen Häftlingen wie 50 bis höchstens 60 für absehbare Zeit nicht zu rechnen sein, so würde ich Wert darauf legen müssen, diese in Zukunft nicht mehr im sogen[annten] Hauptgebäude unterzubringen, sondern nur noch in dem zeitweilig mitbenutzt gewesenen Landannenhaus. [...]«9 Diese hier angesprochene Änderung trat am 20. Januar 1934 ein; an diesem Tage wurden die Gefangenen - deren Zahl sich tatsächlich erheblich reduziert hatte - in das Landarmenhaus .umquartiertc'" Wenn die Erinnerung von Georg Kramm zutrifft, hat es im Jahr 1933 für bestimmte Gefangene .Einzclhaft, gegeben. »Georg Kramm war die ganze Zeit seiner Inhaftierung in einer Einzelzelle unter- gebracht. Er schlief auf einer Holzpritsche mit einer kurzen Decke. Die \erpflegung bestand aus "Wlsser und Brot. Er hatte nach 3 Monaten Haft 25 kg Untergewicht. Nachts wurden die Zellen von Bewachern mit Karabinern bewacht; morgens gab es vor der Zehntscheune oftmals Knüppelschläge aufden freien Oberkörper, ohne daß ein Grund ersichtlich war bzw genannt wurde. Die Kleidung bestand aus einer grauen Leinenjacke und dazugehöriger Hose; Unterwäsche gab es nicht.s" >Wir trage.n hier .Ans~al.tswäsch.e und K!eidunÄ bei der Arbeit und nur am Sonntag werfen WIr uns In Civil und eigene ~sche.« - 6 Archiv des LWV Hessen: KZ Breitenau. Aus einem handschriftlichen Briefentwurf der Anstalts- leitung für das Antwortschreiben des Landeshauptmanns an pp Kassel vorn 4. Juli 1933. 7 Vgl. den Grundriß der Landesarbeitsanstalt Breitenau aus dem Jahre 1928; s. Abb. aufS. 43. 8 Die Abteilung I (Landeskrankenhäuser, -heilanstalten, Landeshebammenstellen und Pressestelle) war für die Landesarbeitsanstalt Breitenau zuständig. Kurt von Hugo (1877-1947), der die Vereinbarung mit dem Polzeipräsidenten über die Einrichtung des KZ Breitenau unterzeichnet hatte, unterstand auch die Öffentlichkeitsarbeit. 9 Archiv des LWV Hessen: KZ Breitenau. Landeshauptmann an pp Kassel vom 4.1.1934. 10 Archiv des LWV Hessen: KZ Breitenau. Landeshauptmann in Hessen an pp Kassel vom 13.1. 1934/ Klimmer [Anstaltsvorsteher Breitenau] an Landeshauptmann vom 22.1.1934. 11 Notiz über ein Gespräch mit Kurt Kramm (Sohn von Georg Kramm). 12 Privatsammlung Kurt Pappenheim (Schmalkalden): Nachlaß Ludwig Pappenheim (im folgenden zitiert: Nachlaß L. Pappenheim). Briefvon Pappenheim an seine Frau vom 7. September 1933.- Dagegen berichtet Christian Wicke: »Häftlingskleidung gab es nicht in Breitenau. Alle trugen ihre Zivilkleidung. So weit war es noch nicht.« Bericht von Christian Wicke über seine Haftzeit in Breitenau. In: Ulrich Schneider: Hessen vor 50 Jahren. Frankfurt a.M. 1983,74 (im folgenden 116 Hinsichtlich der Kleidung der Gefangenen sind die beiden letzten Zeugnis- se von Bedeutung. Sie bestätigen aus ihrer Erinnerung, daß die Pläne der Anstaltsleitung, die Bekleidung für die Gefangenen in eigene Regie zu nehmen, nachdem nämlich der Kasseler Polizeipräsident seinen diesbezüglich vereinbar- ten Verpflichtungen nicht nachgekommen war, allem Anschein nach realisiert werden konnten. »Nach den wiederholten Angaben des Sachbearbeiters des H. Polizeipräsidenten, des H. Polizeiobersekretärs Faust, ist es trotz der größten Bemühungen bis jetzt nur gelungen, etwa 40 Paar Schuhe zur Bekleidung der Schutzhäftlinge zu erhalten. Z. Zt. befinden sich rd. 90 Schutzhäftlinge in der hies. Anstalt. An Bekleidungsstücken konnte das Polizeipräsidium bis heute nur 50 Bettlaken liefern. Ich habe H. Faust wiederholt dringend gebeten, für die umgehende Anlieferung der notwendigen Bekleidungsstücke bemüht zu sein. Als mir H. Faust aufmein Befragen am Sonnabend versicherte, daß es dem Polizeipräsidium nicht möglich sei, außer den zugesicherten 40Paar Schuhen, die aber noch nicht eingetroffen sind, noch weitere Bekleidungsstücke anzuschaffen, machte ich ihm den \brschlag, die für die Häftlinge zu zahlenden \erpflegungskosten pp. so zu erhöhen, daß die Anstalt die Ausrüstung der Häftlinge mit Bekleidung p. übernehmen könne. H. Faust schien dieser ~g gangbar und bat um entsprechenden \brschlag.«13 Aus der beigelegten Aufstellung ist ersichtlich, was man aus der Sicht der Anstalt für die Bekleidung von 110 weiteren Schutzhaftgefangenen noch zu beschaffen hatte: »220 Unterhosen, 220 Hemden, 220 PStrümpfe, 110 PSchuhe, 300 Bettlaken, 110 Strohsäcke, 110 Strohkissen, 160 Schlafdecken, 220 Handtücher, 110 Eßnäpfe, 110 Messer, Gabeln und Löffel.«14 Diese Vorgänge verdeutlichen, daß in der Anstalt Breitenau hinsichtlich der Grundbedürfnisse der Insassen ein Ordnungs- und Betreuungsdenken vor- handen war, das nicht nur gegenüber den Korrigenden, sondern auch gegenüber den KZ-Gefangenen zur Geltung kam. Man kümmerte sich darum, daß die Gefangenen Kleidung und Schuhe hatten, wie es von Polizeiseite zugesagt wor- den war. Diese Sorge lag in der Tradition des Arbeitshauses begründet, dem durch das KZ eine weitere Kategorie von Insassen zugeordnet worden war. Dieser Tradition entsprach es auch, daß der bisherige Anstaltsarzt, Dr. med. Franz Stroop, der als praktischer Arzt in Guxhagen tätig war, die ärztliche Betreu- zitiert: Bericht von Christian Wicke). Mit »Zivilkleidung« konnte auch die von der Anstalt gestellte Kleidung im Unterschied zur KZ-Häftlingskleidung gemeint gewesen sein. 13 Archiv des LWV Hessen: KZ Breitenau. Briefentwurf der Anstaltsleitung (abgesandt am 4. Juli 1933) an den Landeshauptmann. - So ist es dann auch geschehen. Der Landeshauptmann bestätigte am 13. Juli 1933 dem pp in Kassel die neue Vereinbarung, derzufolge die Anstalt die Bekleidung der Gefangenen übernahm. Archiv des LWV Hessen: KZ Breitenau. Landes- hauptmann an pp Kassel vom 13.7.1933. 14 Archiv des LWV Hessen: KZ Breitenau. Briefentwurf der Anstaltsleitung (abgesandt am 4. Juli 1933) an den Landeshauptmann. 117 ung der Schutzhaftgefangenen übernahm, zunächst gegen eine Pauschalgebühr von 25 RM monatlich, später auf seinen Antrag hin entsprechend der Zahl der Inhaftierten, für den ihm pro Kopfein bestimmter Betrag überwiesen wurde." Ab Januar 1934 übernahm Dr. med. Friedrich Ostwald die Aufgaben des Anstaltsarz- tes und die ärztliche Versorgung der Schutzhaftgefangcnen"; Gründe für diesen Wechsel waren nicht zu ermitteln. Nicht zuletzt gehörte auch die erwähnte Weihnachtsfeier in diese Anstaltstra- dition: »Zusammen mit der Breitenauer und Guxhagener Bevölkerung und der NS-Frau- enschaft versammelten sich die Insassen des Konzentrationslagers zu einer Weih- nachtsfeierstunde.«17 Der bisherige Anstaltsgeistliche, Kreispfarrer Hans Hollstein, übernahm die seelsorgerische Betreuung der Schutzhaftgefangenen. Über die Verpflegung sind uns aus den Gesprächen mit den ehemaligen Gefangenen - vom gezielten Essensentzug aus übergeordneten politischen Grün- den einmalig abgesehen - keine gravierenden Klagen bekannt geworden. Rudolf Freidhofberichtet, daß die Verpflegung mittelmäßig gewesen sei." In der Presse- mitteilung des Polizeipräsidenten wurde ausdrücklich mitgeteilt, daß das Essen »für die Schutzhäftlinge und die Wachmannschaft wie auch für alle übrigen Insassen des Hauses das gleiche ist«.19 Hier sind allerdings Zweifel angebracht, weil der Verpfle- gungssatz für die Wachmannschaft nach wenigen Tagen erhöht wurde.i" Ein Redakteur bei der Presseführung hierzu: »Das Essen ist kräftig undjeder kann soviel bekommen, wie er Hunger hat; soweit Klagen im einzelnen laut werden, werden sie abgestellt. Es wird natürlich kein Diner geliefert, aber jeder soll, wenn er arbeiten muß, auch entsprechend ernährt werdena" 15 Archiv des LWV Hessen: KZ Breitenau. Der Anstaltvorsteher KI[immer] am 5.1.1934 an die Anstaltskasse: »Dcr Anstaltsarzt Dr. Stroop erhält seit dem 1. August 1933 für die ärztliche Betreuung der politischen Schutzhäftlinge für den Kopf der jeweiligen monatlichen Bclegung 60 Pfennig.« 16 Archiv des LWV Hessen: KZ Breitenau. Der Anstaltvorsteher K1[immer] am 22. März 1934 an die Anstaltskasse. Darin wurden Dr. Ostwald die Beträge für die Monate Januar bis März 1934 berechnet und zur Zahlung angewiesen. 17 Hessische Volkswacht vom 19.12.1933. 18 Notiz über ein Gespräch mit RudolfFreidhof (1980). 19 Hersfelder Zeitung vom 24.6.1933. 20 Für die Gefangenen hatte der Staat täglich zunächst 1 RM, für die Angehörigen der Wach-- mannschaft 1,20 RM zu entrichten. Archiv des LWV Hessen: KZ Breitenau. Notiz des Anstaltsvorstehers vom 22.6.1933; darin heißt es: »Der Herr Polizeipräsident in Kassel hat den Verpflegungssatz für die Wachmannschaften ab 22.6.33 auf 1,20 RM täglich crhöht.« - Ein im August 1933 im KZ tätiger SS-Mann schrieb auf einer Postkarte an seine Verwandten u.a.: »Es gefällt mir hier in Breitenau großartig, prima Essen, wie Beamten 1. Klassc« (Achiv Gedenkstätte Breitenau: Postkarte von Christian L. vorn 14. 8.1933). 21 Kasseler Neueste Nachrichten Nr. 144 vom 23. Juni 1933. 118 In den Akten befindet sich eine »Aufstellung der vom 17.6. bis 30. Juni 1933 verausgabten Naturalien«. Die verausgabten Naturalien schließen den Verzehr durch die Korrigenden, die Wachmannschaften und die Schutzhaftgefangenen ausdrücklich ein. Freilich weiß man nicht, zu welchen Anteilen z.B. das Fleisch und der Fisch aufgeteilt wurde. Wenn man von einer gleichen Aufteilung aus rechnet, so ergeben sich auch für einen Schutzhaftgefangenen im KZ Breitenau imJuni 1933 neben anderen kleineren Anteilen (Gries, Mehl, Salz, Reis, Nudeln u.a.) folgende Wochenrationen (7 Tage), wobei die ungleiche Behandlung von Gefangenen und Wachmannschaften hier nicht einbezogen ist: 3,5 Kilogramm Brot, 5,4 Kilogramm Kartoffeln, 137 Gramm Zucker; 195 Gramm Butter, 136 Gramm "Wlrst, 1 Handkäse; 1,46 Liter Milch; 161 Gramm Rindfleisch, 202 Gramm Schweinefleisch, 148 Gramm Fett; 191 Gramm Fisch, 1 Hering; 163 Gramm Kaffee; 157 Gramm Linsen; 124 Gramm Bohnen; 706 Gramm Zwiebeln; 720 Gramm Mangold; 461 Gramm Salat.22 Diese Ernährungslage der Gefangenen zu beurteilen ist heute schwierig; auf Grund der beschriebenen Quellenlage sind nur Aussagen über die Ernährung während der ersten 14 Tage des Bestehens des Lagers möglich. Für diese ersten 14Tage läßt sich mit gewissen Vorbehalten die Ernährungslage berechnen: »Die Fettzufuhr ist etwas geringer,dafür werden mehr Kohlenhydrate verzehrt. Protei- ne sind ganz sicher bestimmt genügend vorhanden. Auch die Zufuhr von Vitami- neu/Mineralstoffen entspricht überwiegend dem Bedarf Erstaunlicherweise zeigen die Hauptnährstoffe Eiweiß, Fett, Kohlenhydrate das heute gewünschte Zahlenverhältnis. Die Ernährung wäre somit im Rahmen des Bedarfs angesiedelt. \On einer Unterver- sorgung oder einer Mangelemährung könnte man genauso wenig sprechen wie von einer übermäßigen Ernährung. Natürlich stellt sich die Lageanders dar,wenn evtl. die aufgeführten Nahrungsmittel noch für andere Personengruppen abgezweigt wurden und die Arbeitsschwere und Arbeitszeit extrem hoch angesetzt wird (bei meinen Berechnungen: 9 St.). Dann dürfte der EnergiebedarfaufGrund des geringen Fettan- teils in der Nahrung nicht mehr gedeckt worden sein«." In anderen frühen Konzentrationslagern sah es zum Teil erheblich schlechter 24 aus. 22 Archiv des LWV Hessen: KZ Breitenau. Aufstellung der vom 17.6. bis 30. Juni verausgabten Naturalien. - Die Berechnung wurde wie folgt vorgenommen: Die Aufstellung erhält die Summen (und auch die Preise) der für diese 14 Tage verausgabten Naturalien (z.B. 1033 kg. Brot). Aufgrund der Zahl der Korrigenden, Pfleglinge und Bediensteten, der Schutzhaftgefangenen und Wachmannschaften sind in diesen 14 Tagen 2061 Verpflegungstage entstanden. Die Summe wurde also durch 2061 geteilt und mit 7 multipliziert (1033:2061 x 7 = 3,50..). 23 Stellungnahme von Frau OStR Brigitte Boesch, Diplom-Ökotrophologin (Knipping-Schule Kassel), vom 27. 11. 1996. Frau Boesch hat mit Hilfe von Nährwertberechnungsprogrammen diese Ergebnisse berechnet; die entsprechenden Tabellen liegen (Archiv der Gedenkstätte) vor. 24 Zum Vergleich ein Bericht über die Ernährung im KZ Esterwegen im August 1933: »In 119 120 ALifstellung der vom 17.6. bis 30.6.1933 verausgabten Naturalien (Archiv des LWV Hessen: KZ Breitenau). Sie diente der Berechnung dergesantten Verpflegungskosten. Zugrundegelegt warenfür die Korrigenden (die >klassischen< Arocitsnausinsassen.), die SA-WachntannschaJt und die SchutzhaJtgeJangenen in diesem Zeitraum insgesamt 2061 Verpjlegungstage (vgl. die rechte Spalte). Die Rechnung ergab »mithinfür Kopf und Tag« an Kosten 70 Pfg (65 Pfg für Essen und 5 Pfg»Heizungjür Kücheetc.«). 121 Arbeiten In der Vereinbarung zwischen dem Polizeipräsidenten und dem Landeshaupt- mann war die Arbeit der Gefangenen geregelt: »Die Insassen des Konzentrations- lagers werden zu den in der Anstalt üblichen Arbeiten (in der Landwirtschaft, beim Urbarmachen von Ödland, Wegebau und Instandsetzung, Gräbenreini- gung, Schlammbeseitigung in der Fulda und dgl.) unter Aufsicht des Polizeikom- mandos unentgeltlich zur Verfügung gcstellt.c" Der Jahresbericht der Anstalt im Jahre 1934 berichtete über die von den Schutzhaftgefangenen geleisteten Arbeiten im Jahr 1933. »Auf dem Fuldaberg wurden die im \brjahre durch den freiwilligen Arbeitsdienst begonnenen Rodungsarbeiten durch politische Schutzhäftlinge fortgesetzt und vollendet. Die gesamte Ödlandtläche wurde mit Mischwald aufgeforstet. Agitatoren<-Standpunkt abgebracht werden. Zu diesem Zweck sah der Polizei- präsident von Pfeffer für .Besserungsfähige- eine probeweise Verlegung in ein Arbeitsdienstlager vor: »Häftlinge im Alter von 20 bis 30Jahren, die sich besonders gut führen, und bei denen der Eindruckgewonnen wird, daß siebesserungsfähig sind, werden von mir probeweise einem Arbeitsdienstlager zugewiesen. Hier werden sie noch scharfbeobachtet. Stellt es sich heraus, daß sie sich tatsächlich gebessert haben, so bleiben sie endgültig dort; suchen sie sich aber staatsfeindlich zu betätigen, so werden sie unverzüglich ins Konzentrationslager zurück überwiesen. Ich glaube aus volkserzieherischen Gründen diese Maßnahme rechtfertigen zu können, zumal die Arbeitsdienst-Lagerleitung be- stätigt hat, daß ehemalige Kommunisten sich nach richtiger Behandlungvielfach besser führen als Lagerinsassen aus bürgerlichen Kreiscn.e" Aber was verstand der Polizeipräsident unter Volkserziehung? Zum einen Arbeitsdisziplin und Arbeitsfähigkeit, zweitens Gehorsam und Folgsamkeit (die sogenannte >gute Führung-) und drittens Staats- und Autoritätsbejahung. In diesem Sinne sollten Kommunisten, Anarchisten und andere -Volksfeinde. wieder auf die rechte Bahn gebracht werden. Sie würden dann zu »nützlichen Gliedern der Volks- gemeinschaft«, wie dies in einem Artikel in der NSDAP-Zeitung »Hessische Volks- wacht« anläßlich der Weihnachts-Amnestie Görings deklamatorisch anklingt: »Aus [...] dem Lager Breitenau wird etwa die Hälfte der Schutzhäftlinge aus Anlaß des Weihnachtsfestes entlassen in der Erwartung, daß sie nunmehrnützliche Glieder der TOlksgemeinschaft werdcn.e" Die erhaltenen Akten des Pfarramtes Guxhagen bestätigen, daß die Schutz- haftgefangenen aufWeisung des Polizeipräsidenten am Gottesdienst der Dorfkir- ehe teilzunehmen hatten. Die Konfirmanden hatten für sie ihre Plätze in der Kirche zu räumen." In einem Bericht der NSDAP-Zeitung »Hesssiche Volks- wacht« wurde der Kirche eine tragende Rolle bei der -Resozialisation: der KZ-Ge- fangenen attestiert: »Der regelmäßige Besuch des Gottesdienstes [...] hilft mit zum \krständnis, daß neben Zucht und Ordnung auch die kirchliche Sitte eine Großmacht zur Gesun- dung des Lebens ist.«43 40 HStA Mbg 165/3982. Band 11. pp Kassel an RP Kassel vom 21.8.1933. 41 Hessische Volkswacht vom 22.12.1933. 42 Akten der Pfarrei Breitenau im Kirchenkreis Melsungen [heute: Pfarramt Guxhagen]. Verhandlungsbuch des Kirchenvorstandes Breitenau-Guxhagen. Begonnen mit der Neubildung des Kirchenvorstandes imJahre 1933. Protokoll der Sitzung des Kirchenvorstandes am 27.9.1933: »Da zur Zeit durch die Insassen des Konzentrationslagers das dritte Kirchenschiffvoll besetzt ist, sollen die Konfirmanden für die Dauer dieses Zustandes auf der ersten Bank des Mittelschiffs Platz nehmen.« 43 Melsunger Tageblatt vom 25.8.1933. 125 Die Arbeitsdienstlager - eine noch uJenig eiforschte Vorstujc der Koneentrationslaocr im System des Terrors (HStA Mbg 165/3982) Band 11) . 126 Blick auf den Winkel zwischen Langhaus und Querschiff der ehemaligen Basilika (Foto: Stadtbildstelle Kassel). Man erkennt links die vergitterten Fenster und rechts unten den Eingang zum Cottesdienstgebdude, das ausden beiden Querschijfrn und dem Chor besteht. 127 Allerdings sind die Pläne der Polizei in diesem Punkt nicht aufgegangen. Es ist ein Bericht von Pfarrer Hans Hollstein überliefert, dem im Jahre 1933 in Breitenau amtierenden Gemeindepfarrer und Kreispfarrer des Kirchenkreises Melsungen, über seine »bei Ausübung der Seelsorge im dortigen Konzen- trationslager gemachten Erfahrungen«, wozu ihn die »Einstweilige Kirchen- leitung in Hessen-Kassel«44 aufgefordert hatte. Dieser Bericht belegt, daß Pfar- rer Hollstein keineswegs als verlängerter Arm der Lagerleitung fungierte; vielmehr nahm er seinen pastoralen Auftrag als Seelsorger der Gefangenen ernst. »Die Insassen des hiesigen Konzentrationslagers setzen sich überwiegend aus Leu- ten zusammen, die aus der Kirche ausgetreten sind. Sie waren anfangs von Miß- trauen erfüllt und darum sehr verschlossen. Erst allmählich wurden Einzelne zugänglicher. [nicht leserliche Worte] Ich glaube, daß der Umschwung von \er- schlossenheit zu einer gewissen Aufgeschlossenheit durch zweierlei herbeigeführt ist: Einmal dadurch, daß ich ihnen menschlich nahezukommen suchte durch Besuche in ihren Erholungsräumen nach ihrer ligesarbeit und ihnen auch sie allgemein interessierende [nicht leserliches Wort] \brträge hielt, und zum anderen, daß ich ihnen allerlei Winsche erfüllte, um ihre Lage zu erleichtern. Z. B. schenkte ich ihnen einige Bogen Papier und Umschläge, weil sie sich beklagten, daß sie kein Schreibmaterial zum Heimschreiben hätten. Den nach Lesestoff \erlangenden versuchte ich zu helfen, daß ich Herrn I. Strang - Kassel bat, 40 Stück Sonntags- boten zur \erfügung zu stellen. Sämtliche Insassen müssen am Gottesdienst teilnehmen. Die Insassen waren der Meinung, daß der Pfarrer Urheber dieses Zwanges sei und waren darüber unwillig. Gelegentlich einer Aussprache ward ich danach gefragt und konnte die Sachlage erklären. Es schwand dadurch bei den Leuten etwas von ihrer inneren Ablehnung. ~hl war die äußere Haltung bei den Gottesdiensten immer mustergültig, aber keine innere Entschlossenheit bemerkbar. Erst jetzt fingen die Leute an auf- zuhorchen und waren zum 'Eil innerlich ergriffen. Und während früher kein Einziger mitsang - sie erklärten mir, daß das gegen ihre Überzeugung gehe - fingen jetzt Einzelne an mitzusingen. Eine spezielle Seelsorge ist recht schwer, weil die Leute aufSälen liegen und Einzelzimmer nur außerhalb zur \erfügung stehen. Sich aber zu einer Einzelsprechstunde zu melden, fehlt fast allen der Mut, da sie dann 44 Die »Einstweilige Kirchenleitung« der Evangelischen Landeskirche Hessen-Kassel war nach den Kirchenwahlen vom 23.7.1933 aufder konstituierenden Sitzung des neuen Landeskirchentages in Kassel am 12. September 1933 unter dem Vorsitz von Metropolitan a.D. D. Theodor Dithmar eingesetzt worden, nachdem die bisherige Kirchenregierung zurückgetreten war. Die »Einstweilige Kirchenleitung« war der Versuch eines Kompromisses zwischen den verschiedenen und entgegengesetzten Glaubensrichtungen inerhalb der kurhessischen Landeskirche, zwischen der »Glaubensbewegung Deutscher Christen« auf der einen und der später mehrheitlich zur Bekennenden Kirche neigenden »Arbeitsgerneinschaft Kurhesssicher Pfarrer« auf der anderen Seite. Näheres bei: Hans Slenczka: Die evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck in den Jahren 1933 bis 1945. Göttingen 1977,35-47; Martin Hein: Das Jahr 1933 in der Evangelischen Landeskirche in Hessen-Kassel; in: Jahrbuch der Hessischen Kirchengeschichtlichen Vereinigung 44 (1993), 155-166; Martin Hein (Hg.): Kirche im Widerspruch. Die Rundbriefe des Bruderbundes Kurhesssicher Pfarrer und der Bekennenden Kirche Kurhessen-Waldeck 1933-1935. Darmstadt 1996,18 u. 39 (Anm. 2). 128 die Hänseleien der anderen fürchten. Nur hie und [da] entschließt sich einer. Aber es sind dann Bitten äußerer Art, die sie auch gerade so gut im Beisein der anderen hätten vorbringen können. ~nn das hiesige Konzentrationslager für längere Zeit gedacht wäre, hätte ich allerlei \brschläge gerade mit Rücksicht auf Seelsorge ~nicht lesbare ~rte] zu machen. Doch besteht Aussicht auf baldige Aufhebung«.' Pfarrer Hollstein hat versucht, wie aus einer ebenfalls erhaltenen Korre- spondenz mit Frau Grete Sumpf aus Willingen in Waldeck hervorgeht, für die Gefangenen eine kleine Bibliothek einzurichten. Die Initiative hierzu ging vom starken Engagement dieser Frau aus, die den Polizeipräsidenten in Kassel persön- lich sprechen wollte, um die aus Spenden zusammengestellte kleine Bibliothek und auch den Auftritt eines Kasseler Singkreises, der sogenannten Finkensteiner Singgemeinde, in Breitenau genehmigen zu lassen." Unterstützung fand sie bei Pfarrer Hollstein, den sie in dieser Sache darum gebeten hatte. Leider ist die Liste der ersten 50 Bücher nicht erhalten; allerdings geht aus folgender Passage eines Briefes von Frau Sumpf an Pfarrer Hollstein hervor, daß durchaus moralische Gütekriterien angelegt waren: »Ich muß Ihnen ohnehin gestehen, daß mir schwere Gewissensbedenken gekom- men sind wegen der vielen Kriegsbücher, die nach Br[ eitenau] kommen. Das ist gerade der Geist, den ich nichtweiterpflanzen möchte. Es war ganz jesuitisch, daß ich sie überhaupt nahm. Einmal wollte ich die Geberin nicht zurückstoßen. Und dann waren sie auch so prächtig, um das Polizeipräsidium darüber zu beruhigen, daß wir nicht etwa kommunistische Literatur einschmuggeln wollten. Aber ich habe es schwer bereut, und es würde mir geradezu eine Erlösung sein, wenn Sie diese Bücher so bald als möglich verbrennen könnten. Ersatz dafür wollte ich gern beschaffen! Auch für Ihre Alten sind sie doch keine geeignete Lektüre für den Lebensabend. Wenn die mit Kanonenstiefeln ins Jenseits gepoltert kommen, wer- den sie sich dort erst wieder einen sehr viel leiseren ritt angewöhnen müssen.s" In der Tat war man anscheinend im Kasseler Polizeipräsidium irritiert und argwöhnisch gegenüber der Initiative von Frau Sumpf Man bat sie, zunächst eine Liste der vorgesehenen Bücher einzuschicken; dies geschah am 3. Januar 1934. 45 Akten Pfarrei Breitenau. Akten betreffend: Seelsorge im Konzentrationslager Breitenau. Begonnen: 1. August 1933 [bis 12.1.1934]. 46 Die Finkensteiner Singgemeinde oder der Finkensteiner Bund gehörte zur Jugendmusik- bewegung der bündischen Zeit. In der Waldsiedlung Finkenstein im Sudetenland hatte Walter Hensel die erste Singwoche ins Leben gerufen; dies gab den Anstoß zur Gründung des Bärenreiter Verlages in Augsburg (später in Kassel) durch Karl Vötterle. Die Finkensteiner faßten »sehr bald und ungemein intensiv in der evangelischen Kirchenmusik Fuß« (Die deutsche Jugendbewegung 1920 bis 1933. Die bündische Zeit. Quellenschrift hgg. von Walter Kindt [=Dokumentation der Jugendbewegung III]. Düsseldorf, Köln 1974,1627), auch in Kassel, wo sie nicht zuletzt wegen des kirchlich-christlichen Engagements 1933 verboten wurden (Karl Vötterle: Haus unterm Stern. Ein Verleger erzählt. Kassel 41969, 53-61 u. 127). 47 Akten Pfarrei Breitenau. Akten betreffend: Seelsorge im Konzentrationslager Breitenau. Begonnen: 1. August 1933 [bis 12.1.1934]. Brief von Grete Sumpf an Herrn Kreispfarrer Hollstein vom 10.1.1934. 129 Dann bat man sie, die Bücher ins Polizeipräsidium zu senden, »um die Inventa- risation vornehmen zu können.« Über ihren Besuch im Polizeipräsidium berich- tete Frau Sumpf an Pfarrer Hollstein: »Ich wurde wiederholt gefragt, von lvem die Büchersammlung ausginge, und die Beamten schienen merklich beruhigt, als ich versicherte, daß es eine völlig private Angelegenheit von mir sei. Ich möchte Sie bitten, gegebenenfalls auch noch einmal zu bekräftigen, daß keinerlei Organisation dahinter steht, die der totale Staat natür- lich nicht neben sich dulden kann.c" Zusammenfassend kann zum Verständnis von Erziehung im KZ Breitenau folgendes festgehalten werden: Die Darstellung des KZ als Erziehungsein- richtung war in einem eher auf die traditionelle Anstalt Breitenau bezogenen, .sozialisierenden-, funktionalen Sinne (Arbeit, Gehorsam, Kirche) gemeint. An Indoktrination, Unterricht oder Belehrung in einem systematisch-intentio- nalen Sinne, an politischen Unterricht oder Gespräche seitens der Wachmann- schaften - und wenn auch im parteilichen Sinne des Regimes, also z.B. über Nationalsozialismus oder ähnliches - konnte sich keiner der Gesprächspartner ermnern. Erziehung wurde genannt, was als totalitäre Kontrolle des Denkens und Mei- nens, als Akt geistiger und psychischer Unterwerfung praktiziert werden sollte. Pfarrer Hollstein als Gemeinde- und Anstaltspfarrer und Grete Sumpf als engagierte Bürgerin haben in diesem Konzept nicht mitgespielt, indem sie tat- sächlich - im überschaubaren und gegenüber dem gesamten Los der Inhaftierten bescheidenen Rahmen - etwas für die Schutzhaftgefangenen und ihre Bildung getan haben. Schikanen und Mißhandlungen Es fällt auf: daß häufig in den Erinnerungen der ehemaligen Gefangenen die Schikanen und Mißhandlungen jüdischer Gefangener auftauchen. »An den Kurt Finkenstein habe ich nur eine Erinnerung, wo wir Feldarbeit gemacht haben, da haben sie den Mann furchtbar drangsaliert. Der mußte mit dem Un- krautkorb [...] die ganze Furche runterlaufen und immer einer hinter ihm her und hat ihm was mit dem Knüppel gegeben. Das habe ich erlebt in Breitenau mit dem Finkenstein. Dann haben wir im Steinbruch Steine hauen müssen. [...] Und da mußte der Finkenstein natürlich statt bergauf bergab hauen, mußte der sich an den Berg stellen und mußte bergrunter hauen. 1itsache. Das haben wir erlebt mit dem Finkenstein.«49 48 Akten Pfarrei Breitenau. Akten betreffend: Seelsorge im Konzentrationslager Breitenau. Begonnen: 1. August 1933 [bis 12.1.1934]. Brief von Grete Sumpf an Herrn Kreispfarrer Hollstein vom 29.12.1933. 49 Notiz über ein Gespräch mit Friedrich Eisenacher am 6. Mai 1987 in Kassel. 130 »Den [gemeint ist Kurt Finkenstein, d.Vf] haben sie besonders übel behandelt; er mußte in den Steinbrüchen arbeitcne." »Man kann sich gar nicht reindenken, wie die Menschen geduckt worden sind, [...] die ganzen \erhältnisse haben aus diesen Menschen innerhalb von 14 ligen sprach- lose "Wesen gemacht [...] Ich habe mir immer gesagt: wenn Du auf den Bock kommst, dann bereite Dich vor, entweder bist Du tot oder ... , die waren unbarmherzig, hauptsächlich die SA. [...] Ich habe gesehen, wie Mitgefangene, die nicht mehr mit dem Arbeiten mitkamen, getreten wurden.c" »Ein SA-Mann hat mir, als ich es einmal nicht so eilig hatte, befohlen Ins VUzsser! Ich mußte in einem "Wdssergraben über eine halbe Stunde gehen und stand dort bis unter die Knie im "Wdsser, woraufhin ich mich schwer erkältet hatte. Der Anstalts- arzt, der mich mit hohem Fieber sah, sagte Höhenluft!: mit anderen Worten: Fulda- berg. [...] Dann kam die SS, zwei 5S-Leute kamen aus Burghaun, die haben sich mir gegenüber gut verhalten; denen habe ich zu verdanken, daß ich ein wenig Erleichterung hatte. [...] Das Unmenschliche, das hat mich zerhackt. Bei der SA waren die Schikanen noch schlimmer als bei der SS. Ich mußte einem SS-Mann die Schuhe putzen, aber seine Frau gab mir ein Stück Kuchen; sie wohnten in unmittel- barer Nähe hier. Ich mußte die Schuhe putzen; wenn nicht, die hatten ja auch hier einen Bock stehen, da wurde das Nötige verabreicht ... Den Bock habe ich gesehen. Ist er nicht gefunden worden? Da ging's drauf, so eine Art Sprungbock, wie Kinder ihn haben, aber niedriger. Sie haben Peitschen gehabt, ausgepeitscht. Auch Genos- sen von mir sind hier ausgepeitscht worden.c" »In dem urm Breitenau wurde ich auch einmal aufden Spezial-Holzbock gelegt.«53 »August Schäfer und Richard Nestler haben in Breitenau furchtbare Schläge ge- kriegt. In Breitenau hat die Frau ihn bcsucht.s" »Ja, erzählt hat er, daß die Leute in Breitenau geschlagen wurden. Aber ob er persönlich dabei war? Vielleicht hat er das aber auch nicht erzählt, damit er uns Kinder nicht beunruhigte. Aber das stimmt, er hat gesagt, in Breitenau sind sie geschlagen worden. Ich weiß nicht, ob er gesagt hat, wir sind geschlagen worden oder ich bin geschlagen worden. Das ist ja zweierlei. Aber es kann sein, daß er auch dabei gewesen ist. Ich möchte jetzt auch nichts \erkehrtes sagen, damit nicht nachher das \ülk denkt, die machenjetzt noch ein Highlight draus, in dem Sinn.e" »Ich war zuerst ins Kasseler Gefängnis gekommen; dann mit der grünen Minna nach Breitenau. Ein SA-Mann: Ihr Burschen, Euch machen wir fertig!«56 »Manchc haben sich darüber lustig gemacht, daß er [Friedrich Bente] in Breitenau war. Er hat sich darüber gegrämt, daß er so erniedrigt worden war.«57 50 Notiz über ein Gespräch mit Friedrich Loose (1984). 51 Notiz über ein Gespräch mit Franz Heil am 14. 12. 1987. 52 Notiz über ein Gespräch mit Franz Heil (1987). 53 Schriftliche Mitteilung von Heinrich Kleinschmidt am 7.9.1989 an Vf. 54 Notiz über ein Gespräch mitJosefMüller (Schwiegersohn von August Schäfer) in Lohfelden am 30.4.1987. 55 Notiz über ein Gespräch mit Frau Wagner (Tochter von Heinrich Siebert) im Januar 1982. 56 Notiz über ein Gespräch mit Franz Heil (1987). 57 Notiz über ein Gespräch mit Herrn Wilhelm und Frau Schäfer (Tochter bzw. Schwiegersohn von 131 »Man hat natürlich immer in ndesangst gelebt, wenn man vor denen antreten mußt~, mit ihren Gewehren, ~hrer 9uälerei, Sch~mpferei. und J~perei. Unter Karabinerbewachung mußten WIr arbeiten. Es war nicht so einfach.« >~nn irgendetwas war, wurden Sie [als Strafe] in eine Dunkelzelle gesperrt. [...] Das Gefühl der Bedrohung war da. Sie waren ja eingesperrt und denen ausgelie- fert. [...] Zu meiner Zeit [wurde] nicht [geschlagen]. Das wurde da oben besorgt, in den Bürgersälen und im Königstor.c" »Es war eine schwere Zeit damals [...] \ater hat nie über seine Zeit in Breitenau gesprochen.«60 Dem Schutzhaftgefangenen Lipphardt verwehrte man die Beurlaubung bzw. Freilassung für den Besuch seiner kranken Frau, obgleich er beim Regierungsprä- sidenten mehrfach eindringlich darum ersucht hatte." Die Wachmannschaften haben den Berichten zufolge nicht nur einmal - im Juli 1933 - jene berüchtigte Tortur veranstaltet, über die gleich berichtet wird. Das befohlene Kreislaufen, gelegentlich von Schlägen und Tritten begleitet, hat es öfters gegeben. So erinnerte sich H. Weymann an ein Ereignis, das frühestens Ende Juli, wahrscheinlich aber erst im August oder September stattfand": »Diese Sandsteintreppe [...] da saß der alte Höchst drauf, auf dieser Sandstein- treppe, dieser Bauer, den hatten sie damals auch, die Nazis hatten den unter Druck genommen usw und dann hieß es, es ist die höchste Zeit, wir müssen gehen in Schutzhaft usw Und den hatten sie vor, haben sie die immer rumgejagt im Kreis auch um gar nichts. Na, wie sagt man? Gehorsamsübung? Die waren dann alle fertig. Nicht wahr, die haben sie so getrieben, daß sie nicht mehr konnten. Und dieser alte Mann, der setzt sich da oben hin und saß aufder lfeppe. Da sagt er,Junge, mit mir können se nicht mehr, laß se machen mit mir was se wollen, ich kann das nicht mehr. Das war dieser Höchst.«?' Vier Berichte, unabhängig voneinander entstanden, liegen über einen berüch- tigten Abend im Juli vor. Sie sollen ungekürzt wiedergegeben werden: »Der Kommandant war ein Schupo aus Kassel, der war aber rein menschlich gesehen in Ordnung. SA-Leute hatten uns wegen eines politischen Liedes (»Kameraden, die SA und Reaktion erschossen ...« [eine Abwandlung des Horst-Xessel-Licdcsj) von 8 Uhr abends bis nachts um 2 Uhr Dauerlauf machen lassen. Da kam der Schupo und hat F. Bente) am 3.6.1987. Friedrich Bente war bereits bei der sogenannten »Strafaktion« der Nazis gegen Sozialdemokraten in Hofgeismar am 26. März 1933 mißhandelt worden. 58 Notiz über ein Gespräch mit Bernhard Boczkowski (1981). 59 Notiz über ein Gespräch mit Ernst Ehmer (1982). 60 Notiz über ein Gespräch mit Heinrich Bolte (Sohn von Georg Bülte) am 6.5.1987 in Lohfelden. 61 HStAMbg 165/3982. Band 11. Schreiben von H. Lipphardt (z.Zt. Schutzhaft Konzentrationslager Breitenau) an den RP Kassel vom 17.7.1933. 62 Der in dieser Erinnerung erwähnte Peter Höchst war vom 18,Juli bis zum 5. September 1933 als Schutzhaftgefangener in Breitenau. 63 Notiz über ein Gespräch mit Hermann Weymann (1981). 132 sofort gesagt: Aufhören! Bei diesem Abend sind viele ältere Menschen zu- sammengebrochen, die ich nie mehr wiedergesehen habe.« [...t 4 »Breitenau war ein Saustall. Da war überhaupt nichts. Wir mußten erst mal alles saubermachen. Durchs Radio spielte das Horst-Wessel-Lied den ganzen lig. Eines Abends kam ein SA-Mann rein, H[ ... ]65 oder so ähnlich (in der Obersten Gasse hatten die ne Wirtschaft). Er sagte: .Euch werd' ich helfen, singen Wirwerden dieroten Richter seinie Sollten wir gesungen haben. Es war gar nicht an dem. Dann ging's rund. Er ist raus und dann kamen sie alle an, die aufder "Welche waren. Dann mußten wir uns umziehen, es gab Anstaltstücher, und dann ging's raus auf den Hof Da mußten wir zwei Stunden Dauerlaufmachen. Da war der Konrad BeIz zusammen- gebrochen. Sie haben ihn gepackt und reingeschleift. "Wels dann noch gewesen ist, konnten wir nicht wissen. Aber wir wurden alle reingeholt und über'm Bett kriegten wir mit Gummiknüppeln 'ne Sendung. Aber fragen Sie nicht wie. In einem extra Raum, ein kleiner Raum mit einem Bett. [... ] Das hat zirka eineinhalb Stunden gedauert, bis das alles durch war. Das war nach ungefähr drei Wochen.«66 »Etwa Mitte Juli abends 22.30 Uhr wurden sämtliche Häftlinge aus den Betten auf den Hof geholt, in den Winkel zwischen Küche und Weiberbau wurden wir ungefähr 2 Stunden im Kreis rumgejagt, so daß wir bald zusammenstürzten, dann immer 5 - 6 Mann rausgeholt, im Keller im Hauptgebäude mit dem Gesicht an die "Welnd gestellt und dann mit Gummiknüppeln bearbeitet, so daß am Körper sämtli- che Farben zu sehen waren. «67 »Der Polizeioffizier war in Ordnung. Wenn der damals dagewesen wäre, wäre die Sache vom Septernber'" 1933 bestimmt nicht passiert. Es war an einem Mittwoch Abend. Gegen sieben Uhr wurde es dämmerig. Da sagte der Polizeioffizier - er war von Kassel: Ich muß unbedingt nach Kassel. Meine Frau kommt da nichtzurecht. Es ging um irgendwas Behördliches. Und: Ich warne Euch. Gebt keine Uranlassung 64 Notiz über ein Gespräch mit Franz Heil (1987). 65 Ein Karl H.[ ...] war Mitglied der SA-Wachmannschaft in Breitenau. 66 Notiz über ein Gespräch mit Friedrich Eisenacher (1987). - Archiv des LWV Hessen: KZ Breitenau. Nachweisungen. F. Eisenacher war vom 16. Juni 1933 an in Breitenau; der von ihm geschilderte Vorfall des Prügelns der Gefangenen ereignete sich demnach in der erstenJuliwoche. Konrad Beiz befand sich seit dem 5.Juli 1933 und Kurt Finkenstein seit dem 16.Juni 1933 im KZ Breitenau. 67 Notiz über ein Gespräch mit Karl Kramm (1983). Erklärung von Georg Kramm. 68 I Iier irrt Christian Wicke offensichtlich. Dieser -Rundlauf kann nur im Juli 1933 stattgefunden haben. Dies ergibt sich allein schon aus den von Wicke selbst mitgeteilten Informationen (s.o.), zu denen folgendes zu bemerken ist: 1. Die SA-Wachmannschaft hat Breitenau bereits am 8. August 1933 verlassen. Darunter befand sich auch der erwähnte SA-Mann Günther P. aus Kassel, der tatsächlich in der Artilleriestraße 7 wohnte. - 2. Konrad Beiz und Heinrich Seitz waren überhaupt nur bis zum 19. Juli 1933 im KZ Breitenau. Möglicherweise liegt dieser ihr gemeinsamer Entlassungstag ganz dicht am Abend der Mißhandlungen, so daß diese vielleicht wenige Tage vor dem 19. Juli stattfanden. Wenn der -Mittwoch- stimmt, könnte es sogar Mittwoch, der 19. Juli 1933, gewesen sein; die Geschundenen wären dann am Abend noch entlassen worden. Dann bekäme die Wahrnehmung von Franz Heil (s.o. Anmerkung 64) einen Sinn: »Bei diesem Abend sind viele ältere Menschen zusammengebrochen, die ich nie mehr wiedergesehen habe.« 3. Der Polizei-Offizier (es handelte sich um Polizei-Oberwachtmeister Heinrich Rüffer) war allem Anschein höchstens bis Ende August 1933 in Breitenau; er wurde offiziell am 2. September 1933 vom SS-Führer Georg M. abgelöst. 133 irgendwie. Haben wir auch nicht getan. Ein SA-Mann, P [...], aus der Artillerie- straße in Kassel, der hat diese Geschichte provoziert. Wir sollten gesungen haben Einst werden wir die roten Richtersein. Das war ein Lied von uns. Die Melodie haben sie uns abgenommen und ihren ext dazu gemacht. Und da hat der SA-Mann behauptet, wir hätten das gesungen. Und abends zwischen halb sieben und sieben hieß es dann: Stufe 1 raustreten! Neben der Klosterkirche war ein runder Platz mit Platten belegt. In jeder Ecke stand ein SA-Mann mit 'nem Knüppel. Da ging's rund. Uns wurde gesagt, daß keiner am Fenster gucken sollte. Wir hörten ja die Schreie und haben doch geguckt. [...] Es war fürchterlich. Es waren mindestens 15 Mann, vorwiegend Kasseler. Und es hat sich über eine Stunde hingestreckt. Der Henner Seitz und der Konrad BeIz, die haben am meisten darunter gelitten. [...] Gegen halb zehn ist der Polizeioffizier wiedergekommen. Da hat er das Theater dann erlebt. Er hat einen Arzt gerufen und der empfahl dann Hochlagern. Sie mußten beide hochgelagert werden. Die Schreie waren so laut gewesen, daß die Bevölkerung das an dem Abend mitgekriegt hat [...] Und die haben das am andern lag auch in Kassel verbreitet.s'" Es ist erklärungsbedürftig, daß es zwar nicht viele, aber doch einige Berichte ehemaliger Gefangener Breitenaus gibt, die von den bislang genannten deutlich abweichen bzw. ihnen implizit widersprechen. In diesen Zeugnissen erscheinen die Verhältnisse im KZ Breitenau z.B. gegenüber anderen Erfahrungen relativiert. So berichtete zum Beispiel Erwin Köhler, daß Breitenau gegen Dachau und Buchenwald eine Lappalie gewesen sei; Mißhandlungen habe es in seiner Zeit dort nicht gegeben." Ähnlich urteilte auch Otto Haferburg: Im Rückblick er- schien ihm die Haftzeit im KZ Breitenau als eher harmlos. Er erinnere sich ganz genau, daß man bei den 55-Wachmannschaften unterschieden habe zwischen solchen, mit denen man reden konnte, und anderen, die Gegner waren." Ähnlich auch Justus Hochrath: »Dann ging's nach Breitenau [nach den Mißhandlungen im Polizeigefängnis am Königstor], da war dann eigentlich doch [alles] ein bißchen geordnet, bedingt durch das Arbeitshaus vorher [...] Es war kein Kuchenschlecken. Das war ja damals schon bekannt im Oktober 1933. Ich hab' mir das eigentlich schlimmer vorgestellt. Arbeit machen, Aufstehen, Wecken, "Welschen und ruck zuck alles, dann raus, singend zur Arbeitsstelle, die wollten das. Und dann haben wir 'n Weg gebaut, das haben wir gemacht am Fuldaberg, das war unsere Hauptbeschäftigung.e' Bei der Interpretation dieser Berichte sollten drei erklärende und zugleich einschränkende Gesichtspunkte ins Auge gefaßt werden: Erstens vergleicht Erwin Köhler Breitenau mit dem KZ Dachau und dem KZ Buchenwald, in denen er während des Krieges inhaftiert war. Er vergleicht mithin von Zeit und Ort her Unvergleichbares: die Erfahrung in sowohl zentralen als 69 Bericht von Christian Wicke, 76. 70 Notiz über ein Telefongespräch mit Erwin Köhler (vormals Cohn) (1991). 71 Notiz über ein Gespräch mit Otto Haferburg (1981). 72 Notiz über ein Gespräch mit Justus Hochrath (1982). 134 auch unstreitig -härteren- Lagern fanden zu einer anderen Zeit als im unmittelbar nach der Machtergreifung eingerichteten regionalen Lager Breitenau im Jahre 1933 statt. Aus der Sicht eines Gefangenen, der beide Lager durchlaufen mußte (also z.B. 1933 Breitenau und 1942 Dachau), ist es verständlich, daß es für ihn zu einer Frage des Bezugssystems werden kann (xlort war es weniger schlimm, hier am schlimmsten.). Zweitens haben nicht alle Gefangenen alles in Breitenau mit eigenen Augen erlebt. Die Schikanen am Fuldaberg haben nur die dort zu dieser Zeit Arbeiten- den erlebt. Es ist also denkbar, daß einige von Schikanen berichten, von denen andere nicht berichten können, weil sie selbst nicht anwesend waren (vielleicht könnten sie vom Hörensagen etwas mitteilen). Drittens unterschied sich - wie wir an anderen Stellen gezeigt haben und auch noch im Kapitel über die Wachmannschaften zeigen wollen - die Situation der Gefangenen ganz erheblich in der Zeit der SA-Wachmannschaft (15. Juni 1933 bis 8. August 1933) von derjenigen unter der SS (ab dem 8. August 1933 bis zur Auflösung des Lagers). Schlimmer war die SA - dies geht aus sämtlichen Berich- ten hervor. Die drei oben wiedergegebenen Aussagen stammen sämtlich von ehemaligen Gefangenen, die die SA nicht mehr selbst erlebt haben." Hans Minkler hingegen - er hat beide Wachmannschaften, SA und SS, erlebt - sprach davon, daß »von wenigen Ausnahmen abgesehen das tägliche Leben in der Breitenau nicht besonders schikanös gewesen sei.s" Es hat mithin Schikanen gegeben, die jedoch die Ausnahme bildeten. Verhältnisse und Beziehungen unter den Gefangenen In den Gesprächen taucht gelegentlich ein Hinweis darauf auf daß man sich die Beziehungen zwischen den inhaftierten Kommunisten und Sozialdemokraten in Breitenau nicht zu harmonisch vorzustellen hat. Hans Minkler verweist sicher zu Recht auf die soziale Distanz zwischen den nicht selten in Amt und Würden stehenden Sozialdemokraten - in diese Kerbe schlugen die Nazis systematisch mit dem üblen Wort Bonzen - und den arbeitslosen und vielfach auch mittellosen Kommunisten: »Diskussionen zwischen den verhafteten Sozialdemokraten und Kommunisten habe es vielfach gegeben. Doch sei bei diesen Diskussionen überwiegend der gegenüber den \ertretem der anderen Partei nicht ohne Bitterkeit vorgetragene \Orwurf erhoben worden, daß man es ihnen verdanke, hier eingesperrt zu sein. Die gegenseitige Ab- schottung zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten sei doch sehr stark gewesen. So sei beispielsweise eine Diskussion mit dem [späteren] Landrat Herrmann für ihn als einen arbeitslosen Maler unmöglich gewesen [...] Es habe auch eine gewisse soziale 73 Otto Haferburgwar ab dem 8.8.1933, Justus Hochrath ab dem 24.10.1933 und Erwin Cohn war vom 8.12.1933 an als Schutzhaftgefangener in Breitenau. 74 Notiz über ein Gespräch mit Hans Minkler (1980). Hervorhebung d. Vf 135 Distanz zwischen ihnen und den kommunistischen Häftlingen etwa in dem Sinne bestanden, daß man sich mit letzteren nicht >gemein machen- wollte.x? Das, was Minkler als sachlichen Streitpunkt hier nur vorsichtig andeutet, wurde - wenn Hermann Weymanns Bericht zutreffend ist - in einem besonders schlimmen Fall handgreiflich. Es traf - tragisch und in einem grotesken Mißver- ständnis zugleich - Ludwig Pappenheim. Er, der sich in den 20er Jahren für die Reform des Arbeitshauses Breitenau eingesetzt hatte", wurde nun von einem Kommunisten, der von der Sache offensichtlich keine Ahnung hatte, für den Bau des Arbeitshauses Breitenau verantwortlich gemacht: »Ich hab' so'n bißchen Halt an ihm [Ludwig Pappenheim] gehabt, der war ein gutmü- tiger Mensch gewesen, und ich hab' mich damals sehr sehr darüber geärgert: da hat ihn einer, der war wahrscheinlich so ein Rabautz- Kommunist, [...] die nichts mit der Sache zu tun haben, die eben bloß so die Rebellion, und der hat ihm ne Ohrfeige gegeben, in Breitenau. Und das ist von allen sehr verurteilt worden und von mir ganz besonders. [...] ~il er geäußert hatte, der Pappenheim, das hat er unter seiner Regie da bauen lassen, dieses Zuchthaus da. [...] Und der hat sich dann erbost, hat gesagt .Dir gehört das hierx; er war doch Sozialdemokrat, der Pappenheim. .Das solltet Ihr hier ganz anders gemacht haben als wie im Gefängnis! Und für wen habt Ihr das gebautf Ich hörte ihn, den Cramer, und hat ihm 'ne Ohrfeige gegeben. Jedenfalls wird das sehr verurteilt. Denn den Pappenheim haben se nachher aufder Flucht crschosscn.s" Ausschließen kann man nicht, daß der hier erwähnte Kommunist der Nazi- Strategie auf den Leim gegangen ist, der es um ein Aufhetzen der Kommunisten gegen die mitgefangenen Sozialdemokraten" zu tun gewesen ist. Andererseits gab es ohnehin eine tiefe Feindseligkeit zwischen Kommunisten und Sozialdemokra- ten, so daß für falsche gegenseitige Anschuldigungen der Boden bereits vor 1933 bereitet war. Besuche, Post und Zensur Besuche waren nur an Sonntagen gestattet und die Besuchszeit war knapp bemessen: 75 Notiz über ein Gespräch mit Hans Minkler (1980). 76 Vgl. Ayaß, Arbeitshaus Breitenau, 251-258. 77 Notiz über ein Gespräch mit Hermann Weymann (1981). 78 Über die Versuche der Wachmannschaften, fuhrende Sozialdemokraten zum Aggressonsobjekt der mitgefangenen Kommunisten zu machen und über die Mißhandlungen L. Pappenheims im KZ Breitenau und in Börgermoor [gemeint kann nur Neusustrum sein] berichtete auch Willi Belz - allerdings mit anderer Tendenz - folgendes: »Aus Wut darüber, daß ihre Pläne nicht aufgegangen waren [i.e. den -Bonzen. Pappenheim zum Aggressionsobjekt der kommunistischen Mitgefangenen zu rnachen],jagten die Wachmannschaften Pappenheim wie toll aufdem Hofherum, schlugen und traten, beleidigten und demütigten ihn auf schändliche Weise.« - Belz, Die Standhaften, 180. Vgl. auch das Kapitel .Das Konzentrationslager Breitenau in der zeitgenössischen Presse., bes. S. 109 (Anm.42). 136 »Deine Anfrage wegen eines evtl. Besuchs hier kann ich dahin beantworten, daß hier an jedem Sonntag von 14 bis 17 Uhr Besuchszeit ist. Da dieselbe nur 15 Minuten ist, hat es keinen Sinn, die weite und teure Reise von dort aus zu machen. Sollte etwas besonderes vorliegen oder die Haft hier noch sehr länger dauern, dann müßtest Du bei Polizeipräsidium Kassel, dem das Lager untersteht, eine besondere längere Sprecher- laubnis beantragen, die vielleicht auch wochentags gewährt wird.e" »Ich hab' meinen Mann in Breitenau besucht. Das ist so gravierend, das weiß ich noch wie heute. Da war auch die SS. [...] Das war so eine alte wunderbare Kirche. Am Eingang kam mir ein 55-Mann entgegen, in der schwarzen Kluft. Ich hatte ein Päckchen in der Hand und ein Köfferchen.«80 Besuch sei möglich gewesen, auch der Postverkehr sei nicht wesentlich unter- brochen gewesen. 81 Mindestens einmal wurde der Besuch für eine bestimmte Gruppe von Gefan- genen untersagt. »Nun, wie [ich] Euch schon mitteilte, fällt der Besuch am kommenden Sonntag für die Angehörigen der Stufe 11 aus.«82 Wie eine solche Besuchszeit ablief, beschreibt Marie Rügheimer: )Wirsind dann schubweise, glaube ich, reingekommen. Das weiß ich heute auch nicht mehr so genau. Ich kann mich nur noch entsinnen, daß es ein großer Raum war mit langen TIschen, und da saßen die Männer und hier standen wir. Und immer dazwi- schen, da saß rechts und links ein SA-Mann, damit wir uns nichts erzählten, was unsere Männer nicht wissen sollten - vor allem nichts politisches, nicht. Man konnte ja nur so über die Familie sich unterhalten und so fort, wie es einem geht USW«83 Kinder erinnerten sich an den Besuch des Vaters im KZ: »Er selbst sei damals noch ein kleines Kind von drei Jahren gewesen, aber er könne sich doch noch erinnern, daß er es mitbekommen habe und immer zu seinem Papa wollte. Einmal sei er auch mit seiner Mutter in Breitenau gewesen, seinen Vlter zu besuchen. Es war ein großer Saal, sie hatten nur 10 oder 15 Minuten Zeit, und das ganze fand unter Bewachung statt.e" Die zu jener Zeit zehnjährige Tochter eines Gefangenen beschrieb, wie sie den Besuch des Vaters in Breitenau empfand: »[a, nur einmal. Also da hat meine Mutter mich nie mehr mitgekriegt. Ich weiß noch, das waren die ganz großen Fenster. Da standen die auf dem Fensterbrett und oben an 79 Nachlaß L. Pappenheim. Brief aus dem Konzentrationslager Breitenau vom 1.8.1933 an seine Familie. 80 Notiz über ein Gespräch mit Frau Martha Herbordt 1982 in Kassel. 81 Notiz über ein Gespräch mit RudolfFreidhof (1980). 82 Kar! Ritter an seine Frau auf einer Postkarte aus dem KZ Breitenau am 15. August 1933 (von Privat). Das bestätigt Marie Rügheimer in: Bericht von Christian Wicke, 75. 83 Bericht von Christian Wicke, 75. 84 Notiz über ein Gespräch mit Helmut Vaugt (dem Sohn von Kar! Vaugt) am 1. Februar 1993 in der Gedenkstätte Breitenau. 137 den Eisengriffen, und da sangen sie alle -Abcr rot sind die Rosen, ehe sie verblühen, wo die grüne Heide blüht, aber rot sind die Rosen, ehe sie verblühen.< Da habe ich meiner Mutter gesagt: da gehe ich nicht mehr mit. Da war ich schon bedient. Da haben die Frauen draußen alle geheult. Mein Bruder, ja, der ging mit, der war ja noch klein. Da hat meine Mutter zu mir gesagt: Hör mal, Du mußt mitgehen, Dein Vlter fragt nach Dir! Ich konnte es nicht mehr sehen. Es war ja eine Haft in dem Sinne. Ob sie ins Gefängnis kommen, egal ob es jetzt ein SA-Mann ist oder ein Gefängniswärter. Ich konnte das nicht mehr sehen. Das war für mich so ein Schock.«85 Es sind in den Briefen der Gefangenen deutliche Hinweise auf Briefzensur und Beschlagnahme der eingehenden und der ausgehenden Briefe erhalten, z.B. der folgende, bei dem man die den Zensurumständen angepaßte Sprachebene mithört: »Meine Lieben! Euren Brief habe ich heute - dank des Entgegenkommens der hiesigen Lagerkommandantur - gelesen. Ausgehändigt wurde er mir nicht wegen einiger Bemerkungen, die Du l(iebe] Frieda in demselben machtest und die Anstoß erregten. «86 Pappenheim hat noch im August und September 1933 zahlreiche Briefe und Karten schreiben und versenden können. Er berichtet von einer einschneidenden Änderung bzw. Verschärfung ab 15. Oktober 1933: »Ich schreibe Dir, weil uns soeben mitgeteilt wird, daß von nun an nur noch alle 4 Wochen geschrieben werden darf und wir nur alle 4 Wochen Post erhalten. Also an jedem 15. In dieser Woche werden noch Briefe angenommen.e" Fragmente von Erinnerung an einzelne Ereignisse Das >Bhrenmal55-Ehrenmals< authentisch erhalten ist: »Erbaut im Jahre der nat.[ionalen] Erhebung 1933 durch Insassen des Konzentrationslagers Breitenau«. Im Hin- tergrund sinddie 55-Runen erkennbar. Reste dieses Mauerwerks befinden sich noch heute am Fuldaberg. Allerdings sind sämtliche Schriftzeichen) auch das Hakenkreuz) aus nicht ermit- telbaren Gründen - nach 1945? - bis zur Unkenntlichkeit zerstört. Der Fotograf ist unbekannt. Die Aufnahme ist nicht genau zu datieren; siedüifte aus denJahren 1933 oder 1934 stammen) da die Buchstaben der Inschrift und der Rahmen durch einen noch relativ witterungsfreien Anstrich hervorgehoben erscheinen. Hakenkreuz. In der Nische waren, einem Medaillon vergleichbar, die 55-Runen zu sehen. Das Dach wurde von zwei Gestalten symbolisch getragen, um die sich allerlei Legenden gebildet haben. Merkwürdigerweise - an der Existenz dieses Ehrenmals besteht kein Zweifel, zumal es auch zeitgenössische Fotoaufnahmen gibt - taucht es in den Gesprächen mit den ehemaligen Gefangenen, die wir führten, nicht auf 139 Willi Belz hat hierzu eine literarische Bearbeitung, die sich auf Berichte von Zeugen stützt, veröffentlicht: »Am folgenden 'lige geht es hinauf zum Fuldaberg. Eine Art Ehrenhain soll hier errichtet werden. Der Rottenführer zeigt den Fachleuten, wie die Anlage aussehen soll: Eine lange 1rockenmauer ist an einem Hang vorgesehen, von einer Nische im Mittelteil unterbrochen, über der ein Pleitegeier der NSDAP und darunter eine 'lifel mit Inschrift prangen soll. Die 'lifel sollte Besuchern der Anlage davon künden, daß sie von Häftlingen des KZ Breitenau errichtet wurde. Wochenlang schleppten die Häftlinge Feldsteine aus der Umgebung für die Mauer zusammen. Nun stand die Krönung der Anlage mit der künstlerischen Gestaltung des Em- blems und der 'lifel an. Aber die Bauherren hatten nicht mit der Findigkeit der Zwangserbauer gerechnet, und die hatten schon längst im kleinen Kreise einen Plan ausgeknobelt, wie man der SA88 ein Schnippchen schlagen könnte. -Ich hab's., rief Heini Heeb, der gewiefte 1üftler, aus, -hört mal zu. Zu der Stukkarbeit gehört doch bekanntlich Muschelkalk.< Darunter konnten sich die Nichtfachleute noch wenig vorstellen und fragten, was es damit auf sich hätte. Heini Heeb: Wenn man unter den Muschelkalk Salz oder Kali mischt, wird er in wenigen Monaten unter ~ttereinwirkungvöllig zu Staub verfallen.< [...] Der Plan der Häftlinge gelang perfekt [...]. Da war aber noch etwas anderes, über dasAdi Ruhl [nach 1945;d.Vf] zu berichten wußte: "Wihrend der Errichtung der 1rockenmauer hatten Genossen und Freunde beschlossen, heimlich eine Flasche mit einem von allen unterzeichneten Bekenntnis in die 1rockenmauer einzuschmuggeln. Am lige der Befreiung sollte sie herausgeholt werden. In dem Bekenntnis hieß es: Hitr schwören, niemals im Kampfg~Werk< gefunden. Auch ist nicht bekannt, ob Gefangene nach 1945 tatsächlich die Flasche mit dem Text herausgeholt haben. Schließlich bleiben einige Fragen zu den beiden Figuren und ihren Köpfen - es gibt das Gerücht, die Köpfe seien Ernst Thälmann und Rudolf Breitscheid nachgebildet - und deshalb bei der feierlichen Eröffnung gleich von einem SS-Mann im Zorn abgeschlagen worden. Angesichts der tiefen Verfeindung zwischen SPD und KPD vor 1935 erscheint dies kaum glaubhaft. DieAktion >Hindenburg-Eiche< Gestapo-Chef Rudolf Diels hatte am 28. Juli 1933 für alle preußischen Schutz- häftlinge angeordnet, ihnen das Mittagessen für drei Tage zu entziehen, da in Berlin-Tempelhof eine neugepflanzte Hindenburg-Eiche beschädigt worden war. 90 Dies wurde, wie die Erinnerung einzelner Gefangener verdeutlicht, auch in Breitenau vollzogen. 88 Es kann sich auf Grund des Zeitpunkt (Herbst 1933) nur um die SS gehandelt haben. 89 Belz, Die Standhaften, 178 f 90 DrobischlWieland, 114.- Der Funkspruch von Diels ist im Wortlaut wiedergegeben in: Klein, 140 »Beijeder Kleinigkeit, wenn z.B. irgendwo eine Hitler-Eiche gefälltwar, dann hatten wir dann zu leiden, dann gab's nur "Wlsser und Brot und Rauchverbot. Man saß in der Ecke, kein %rt durfte man sprechen, das hat die Menschen zermürbt [...]«91 »Drei 1ige bekamen sämtliche KPD-Häftlinge kein warmes Essen, da in Berlin die Hindenburgeiche abgebrochen war.«92 Hermann Weymann berichtet vom Essensentzug als Strafe für die kommu- nistischen Gefangenen, »weil angeblich Kommunisten in Berlin einen Baum gestürzt haben sollten«. Er erwähnt die Hilfe sozialdemokratischer Gefangener, die von ihrem Essen etwas abgaben." Ein Lattenverschlag im Keller? Einer der Gefangenen berichtet von einem Verschlag, der sich in einem der Keller befunden habe; darin seien Gefangene eingesperrt worden. »Das sollte nachmittags geschehen sein. Da war aber nur der Steinacker, KPD, im Keller, in einem \erschlag aus Latten. Der war da eingesperrt, weil er sich unerbitt- lich gegen die SA aufbäumte [...]«94 Der Name .Steinacker- wird in den Breitenau-Akten nicht erwähnt, so daß hier eine Namensverwechslung vorliegen kann. Bei dem Lattenverschlag könnte es sich um ein Strafinstrument aus der Arbeitshaus-Tradition gehandelt haben." Fritz Raabe berichtet ebenfalls von einem Keller, in dem die SA Gefangene mißhandelt habe." Der in Breitenau leitende Polizeibeamte Heinrich Rüffer hält eine solche Folterstätte nicht für ausgeschlossen; allerdings habe sie sich seiner Erinnerung nach nicht im Keller befunden: >Wir hatten eine Dunkelkammer. Das habe ich nicht erlebt - bis auf einen Fall, das habe ich mitbekommen, daß dort ein junger Mann eingesperrt worden war, der hat da furchtbar geweint und gejammert, und dann habe ich dafür gesorgt, daß er da schnell wieder rauskam. Diese Dunkelkammer befand sich in der Nähe des Saales, nicht in einem Keller.«97 Lageberichte der Gestapo, 616. Die Hindenburg-Eiche war »am Tage der nationalen Arbeit« gepflanzt worden. 91 Notiz über ein Gespräch mit Franz Heil (1987). 92 Notiz über ein Gespräch mit Herrn Kramm (1983). 93 Notiz über ein Gespräch mit Hermann Weyluann (1981). 94 Bericht von Christian Wicke, 76. 95 Die Hausordnung des Arbeitshauses Breitenau von 1874 hatte den sog. »Lattenarrest« eingeführt. Ayaß, Arbeitshaus Breitenau, 211 f: »Beim auch in Gefängnissen und Zuchthäusern verhängten Lattenarrest wurden die Verurteilten in einfacher Kleidung ohne Schuhe in eine leere Zelle gesperrt, deren Boden und Wände mit Dreikanthölzern ausgeschlagen waren, deren scharfe Seite nach außen stand.« 96 Gedächtnisprotokoll von Willi Hierdes über die eintägige Festnahme von Fritz Raabe In Breitenau. Aufgezeichnet am 1.8.1995 und mitgeteilt an Vf von Herrn Karl Cöster, Breuna. 97 Notiz über ein Gespräch mit Heinrich Rüffer am 8.8.1995. 141 Die SA-Schutzhciftgefangenen Ende des Jahres 1933 hat es zweimal kleinere Gruppen von SA-Männern - insgesamt waren es dreizehn Gefangene - gegeben, unter denen sich keine Dienstgrade befanden, die in das KZ Breitenau eingeliefert worden waren. Sie wurden von den anderen Schutzhaftgefangenen getrennt untergebracht und von einem zu diesem Zweck abkommandierten SA-Führer, Sturmführer Heinrich H. [...], bewacht; dies deutet auf eine Art .Ehrenhaft: hin, die man auch aus anderen Konzentrationslagern kennt. 98 SA-Sturmführer und Landwirt Heinrich H. [...] aus Lindenhofbei Hofgeismar war kein Unbekannter. Er hatte sich an verschiedenen gewaltsamen Handlungen gegen kommunistische und sozialde- mokratische Politiker maßgeblich beteiligt und im Sommer 1932 die Selbstbe- waffnung der SA bis zum Bau eines Panzerwagens (die .Hotgcismarcr Panzer- wagcnaffaire. ging durch die Zeitungen) getrieben" Die >SA-Häftlinge< blieben bis auf zwei, die etwas länger gefangen gehalten wurden, drei Wochen im KZ Breitenau. Näheres über die Haftgründe dieser mehrheitlich aus dem Kreis Gelnhausen stammenden SA-Männer ließ sich nicht ermitteln. 100 Vom KZ Sonnenburg ins KZ Breitenau Im Zuge der bereits unmittelbar nach dem 28. Februar 1933 in Schutzhaft genom- menen kommunistischen Reichs- und Landtagsabgeordneten war der bei den Wah- len am 5. März 1933 in den Reichstag gewählte Abgeordnete Kar! Küllmer aus Reichensachsen101 über verschiedenn Haftstationen schließlich im KZ Sonnenburg eingeliefert worden. Infolge schwerer Mißhandlungen erlitt er einen Schädelbruch und mußte im April 1933 in der Berliner Charite behandelt werden. 102 Am 23. September 1933 wurde er aus dem KZ Sonnenburg entlassen. 103 Während von dem Geheimen Staatspolizeiamt in Berlin aus noch das großsprecherische Entlassungsverfahren lief-so schrieb das Gestapa am 9. Okto- ber 1933 an die Ortspolizeibehörde Reichensachsen, daß Küllmer sich im KZ über das »Verwerfliche« seiner Handlungen habe Klarheit verschaffen können 98 Für das KZ Oranienburg berichtet dies Hans Biereigel. Mit der S-Bahn in die }-1ölle. Wahrheiten und Lügen über das erste Nazi-KZ. Berlin 1994,61. 99 Die Geschichte der Kurhessischen SA. Herausgegeben von der SA-Standarte 47 (Kassel). Schriftleitung: SA-Truppführer Karl Poppe. [2. Auflage] Kassel 1935, 121 f 100 Rückfragen beim Stadtarchiv Gelnhausen, der Gemeindeverwaltung Birstein und beim Geschichtsverein Birstein e.V. ergaben, daß der einzige noch lebende dieser SA-Gefangenen nicht zu einem Gespräch über diese Sache bereit ist (1997). 101 Vgl. S.189 f, biographische Notiz zu Karl Küllmer. 102 HHStA Wbdn: Dokumentation. 103 In nachgelassenen Papieren findet sich das Original des »Entlassungsschcins« aus Sonnenburg und das Schreiben des Gestapa vorn selben Tag ())Nach Prüfung Ihrer Schutzhaftsache habe ich mich entschlossen, die Aufhebung der Haft anzuordnen«). Archiv Gedenkstätte Breitenau: Nachgelassene Dokumente. Küllmer, K. 142 und daß er nun Gelegenheit erhalten solle, »sich in der Freiheit mit dem national- sozialistischen Gedankengut vertraut zu machcn« - saß Küllmer erneut in Schutz- haft, die der Landrat von Eschwege am 29. September 1933 verhängt hatte.?" »Begründet« wurde dies vom Eschweger Landrat wie folgt: »Selbst wenn Küllmer sich fortan jeder politischen 1ätigkeit in kommunistischer Richtung enthalten sollte, müßte befürchtet werden, daß es bald zu Zusammenstö- ßen mit den alten Kämpfern der nationalen Erhebung käme, die ihn als ihren erbitterten Gegner in Erinnerung haben. Ein \krbleiben in Reichensachsen war deshalb untragbar, weshalb ich am 29.9.33 erneut die Schutzhaft über ihn verhäng- te. Dies war um so mehr notwendig, als mir bekannt geworden war, daß Küllmer Greuelgeschichten über schlechte Behandlung im Konzentrationslager Sonnen- burg erzählt habe. Abermalige Überführung in ein Konzentrationslager halte ich unter den geschilderten Umständen für dringend nötig.«lOs Der letzte Absatz wird ausschlaggebend gewesen sein. Treibende Kraft für die erneute Schutzhaft war hier der Landrat von Eschwege. Man kann sich vorstellen, daß jemand, der nach schweren Mißhandlungen und Verletzungen ins Dorf zurückkehrt, Gespräche gesucht hat - auch wenn er selbst gar nicht viel gespro- chen haben mag. Als überlebendes Zeugnis für die Wirklichkeit des national- sozialistischen Staates war er den Regierenden und ihren Dienern ein Dorn im Auge. So kam er am 24. Oktober 1933 - über verschiedene Polizeihaftstätten - nach Breitenau. Am 17. November 1933wurde er von dort in das KZ Lichtenburg überführt. Im KZ Breitenaufür einen Tag? Von Fritz Raabe, dem damaligen Bürgermeister der Gemeinde Breuna, wird berichtet, daß er für einen Tag nach Breitenau überführt worden ist. In den Büchern findet sich hierüber kein Eintrag; Willi Hierdes aus Breuna erinnert sich jedoch und gibt den von Raabe erhaltenen Bericht wie folgt wieder: »In der Nacht vor meiner Festnahme stand ein SA-Mann vor unserem Haus, so erzählte mir Fritz Raabe. Frühmorgens wurde Fritz Raabe verhaftet und nach Breitenau gebracht. Große Aufregung bei seinen Nachbarn und Freunden. Er wurde in Breitenau einige Zeit in der Schreibstube nicht beachtet. Herr Raabe wurde dann in einen Keller geführt, wo im Karree SA-Schläger saßen. Im Keller lagen blutüberströmte wimmernde Männer, die SA-Männer waren ebenfalls mit Blut besudelt. Da bekam ich weiche Knie, so erzählte mir Fritz Raabe weiter. Die uniformierten SA-Leute weideten sich an dem Anblick und an meiner Angst. Nach geraumer Zeit wurde ich wieder nach oben geführt. Er wurde gefragt: Wissen Sie, wem Sie das zu verdanken haben, daß Sie nicht da unten liegen? Ihrem Studien- kamerad Steinmetz. Die Ehefrau von ER. hatte alle Hebel in Bewegung gesetzt, um 104Archiv Gedenkstätte Breitenau: Nachgelassene Dokumente. Küllmer, K. Schutzhaftbefehl vom 29. September 1933. 105Archiv Gedenkstätte Breitenau: Nachgelassene Dokumente. Küllmer, K.: LR Eschwege: Antrag auf Aufnahme des Schutzhaftgefangenen ins Konzentrationslager vom 10.10.1933. 143 ihren Mann frei zu bekommen, und alle Freunde haben Frau Raabe in der Zeit beigestanden. Wie Fritz Raabe nach Hause gekommen ist, weiß ich nicht mehr [ ••. ] .«106 Uns sind sechs weitere Namen von Menschen bekannt, von denen berichtet wird, sie seien 1933/34 als Schutzhaftgefangene in Breitenau gewesen, ohne daß sich ein Hinweis darauf in den Akten findet. 107 106 Gedächtnisprotokoll von Willi Hierdes über die Festnahme von Fritz Raabe [...](1995). 107 Es handelt sich im einzelnen um: [...] Becher[er?], Kar! Senkbeil (SPD- u. Reichsbanner-Mitglied), Willi Stein, geb. 21.10.1902 in Kassel, Drahtstecher,[ ...] Steinacker, Adam Walper, geb. 30.6.1907 in Braunshausen/Rotenburg und um Christian Wittrock (SPD-Stadtverordneter in Kassel). 144 Die Wachntannschaften Zur Quellenlage Es ist erstaunlich, daß es kaum historische Forschungen zur regionalen oder lokalen SS und SA gibt; beide Organisationen umfaßten jeweils Hunderttausende von Mitgliedern, und beide gehörten zu den tragenden Säulen der nat.soz. Herrschaft. In der SS hatte Heinrich Himmler die Inkarnation der künftigen Führungs- schicht in Europa und der Welt gesehen. Wie mit einem Schlag schien 1945 die 5S-Vergangenheit Hunderttausender ausgelöscht; das Thema war tabu. Die im Konzentrationslager Breitenau eingesetzten SS- und SA-Männer haben, vielleicht aus Furcht vor strafrechtlichen Verfahren, nach 1945 über diese Zeit nichts mitgeteilt. In keinem einzigen Fall konnten wir bei den ehemaligen Angehörigen der Wachmannschaften Gesprächsbereitschaft feststellen. Ermittlungsverfahren hat es zum frühen KZ Breitenau nicht gegeben, wie übrigens auch für das erheblich größere berüchtigte KZ Columbia-Haus in Berlin nicht.' Für wenige frühe Kon- zentrationslager war es nach 1945 zu Anklagen und Verurteilungen gekommen; besonders streng waren die Urteile gegen Angehörige der Wachmannschaften des frühen Konzentrationslagers Kemna in Wuppertal, wo im Jahre 1948 ein Todes- urteil, lebenslange Haft- und hohe Zuchthausstrafen ergangen sind.' Insofern ist die Quellenlage zu den Wachmannschaften auf die wenigen erhaltenen Akten, die nicht sehr ergiebige Literatur und die (hierfür ebenfalls Kurt Schilde/Johannes Tuchel: Columbia-Haus. Berliner Konzentrationslager 1933-1936. Berlin 1990,85. 2 Karl Ibach: Kemna. Wuppertaler Konzentrationslager 1933-1934. 3. Auflage Wuppertal. 1981 [zuerst 1948 u.d.T. Kemna. Wuppertaler Lager der S.A.1933], 84-129. Dort wird ausführlich über Anklageschrift, Prozeß und Urteil berichtet. Die Anklageschrift umfaßte 151 Seiten und klagte die beschuldigten SA- und SS-Angehörigen u.a. an, »durch fortgesetzte und zum Teil gemeinschaftliche Handlungen als Beamte in Ausübung oder in Veranlassung der Ausübung ihres Amtes vorsätzlich Körperverletzungen begangen oder begehen lassen zu haben«, Wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit wurde einer der Angeklagten zum Tode, vier zu lebenslangem Zuchthaus, sechs zu Zuchthausstrafen zwischen 15 und 2Jahren und weitere sechs Angeklagte zu Gefängnisstrafen verurteilt. Die Verurteilung war in zahlreichen Fällen mit der Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte verbunden. - Solche harten Strafen bildeten die Ausnahme; zumeist herrschte eine den Angeklagten entgegenkommende Milde vor. Ehemaligen SA- und SS-Hilfspolizisten der frühen KZ Missler, Landlütjen 11 und Ochtumsand in und bei Bremen billigte das Bremer Landgericht im Jahre 1951 milderne Umstände zu, »weil sie zur Tatzeit jung, arbeitslos und politisch verhetzt gewesen seien. [...] Es sei deshalb ein gravierender Fehler der vorgesetzten Stellen gewesen, die Wachmannschaften für die politischen Häftlinge aus dem Kreis von SA und SS zu rekrutieren. Damit nicht genug, rechnete das Gericht die schweren Verwundungen, die einige Angeklagte während des Krieges davongetragen hatten, ebenso als strafmildernd an wie den Umstand, daß so mancher Angeklagter nach 1945 in Lagern der Alliierten selbst schwer mißhandelt worden sei« (Lothar Wieland, Die Konzentrationslager Landlütjen 11 und Ochtumsand, a.a.O., 78). 3 Die ältere Darstellung von Schön und die SA-eigene Darstellung von K. Poppe enthalten keine Hinweise auf Mitglieder der SA-Wachmannschaft in Breitenau. Bei Poppe wird die SA-Wachmannschaft der Schutzhaftstation am Karlshospital in Kassel allgemein erwähnt ( 149: 145 nicht ergiebigen) zeitgenössischen NS-Tageszeitungen beschränkt. An Akten sind die NSDAP-Akten (Berlin Document Center), die Breitenauer Anstaltsak- ten (LWV-Archiv) und die Akten des Regierungspräsidenten des Regierungsbe- zirks Kassel (Hessischen Staatsarchiv Marburg) von Belang. Die erste Wachmannschaft: Hilfspolizei/SA aus Kassel (15.Juni bis 8. August 1933) Rechts- und Unterstellungsverhältnisse, Stärkedes Kommandos Die erste Wachmannschaft des KZ Breitenau wurde aus sogenannten Hilfs- polizisten gebildet und war vom Polizeipräsidium Kassel eingesetzt worden.4 Allerdings hat man sich unter diesen Hilfspolizisten nicht ein sorgfältig ausge- wähltes und fachlich ausgebildetes Personal vorzustellen. Es handelte sich um SA-Angehörige, denen über Nacht staatliche Hoheitsaufgaben zugeteilt worden waren. Polizeipräsident von Pfeffer, selbst SA-Gruppenführer und seit dem 26. Juli 1933 Leiter der im Polizeipräsidium eingerichteten Staatspolizeistelle Kassels, hatte die SA-Männer zu staatlichen Polizisten ernannt. Grundlage war der Erlaß über die Hilfspolizei des (seit dem 1. Februar 1933 amtierenden) preußischen Innenministers Hermann Göring vom 22. Februar 1933.6 Die Presseverlautbarung des Polizeipräsidiums hat die Tatsache, daß die Angehö- rigen der Wachmannschaft in Breitenau der SA angehörten, öffentlich mitgeteilt': »Als"Wache wurde ihnen [den Schutzhaftgefangenen] ein Polizei-Oberwachtmei- ster und 15 Hilfspolizisten aus der SA zugewiesen.s" Aussagen von Zeitzeugen deuten daraufhin, daß zwischen dem Polizei- Oberwachtmeister Heinrich Rüffer und dem SA-eigenen »Führer des Wachkom- mandos« w. - so bezeichnete sich W. rückblickend in einem LebenslaufirnJahre »Unterm 28. März wird auf Anordnung der SA-Standarte 83 im Karlshospital eine Schutz- haftstelle für SPD- und KPD-Bonzen des Landkreises Kassel eingerichtet. Ein Kommando der SA-Hilfspolizei stellt die Wache»). Die Geschichte der Kurhessischen SA. Herausgegeben von der SA-Standarte 47 (Kassel). Schriftleitung: SA-Truppführer Karl Poppe. [2. Auflage] Kassel 1935. Eberhart Schön: Die Entstehung des Nationalsozialismus in Hessen. Meisenheim am Clan 1972 (=Mannheimer Sozialwissenschaftliche Studien. Hgg. v. Hans Albert, Martin Irle u.a.. Band 7). 4 HStA Mbg 165/3878. Landeshauptmann an pp in Kassel vom 15.6.1933 (»vom Polizeipräsidium zu stellende [s] Aufsichtspersonal«). 5 Klein, Lageberichte der Gestapo, 27. 6 Abgedruckt in: Gutachten des Instituts für Zeitgeschichte. München 1958, 336. 7 Die Mitgliedschaft in der SA kann bei Friedrich A. (SA-Obertruppführer seit 1930), Kurt G., Walter K. (SA-Obertruppführer seit Mai 1933), Leo M., Hermann S., Willy S. (Sturmführer im OSAF-Stab und im Stab der SA-Brigade 47 Kassel) und bei Hans W. nachgewiesen werden. Der Rang eines SA-Obertruppführers entsprach dem eines Oberfeldwebels bei der Wehrmacht und dem eines Hauptscharführers bei der SS. Der Rang eines Sturmführers bei der SS entsprach einem Offiziersrang bei der Wehrmacht (Leutnant, Oberleutnant oder Hauptmann entsprechend Unter-, Ober- oder Hauptsturmführer). Vgl. Heinz Artzt: Mörder in Uniform. Organisationen, die zu Vollstreckern nationalsozialistischer Verbrechen wurden. München 1979, 198 (Rangtafel). 8 Kasseler Post Nr. 171 vom 23.6. 1993. ))Eine Stunde unter Schutzhäftlingen«. 146 19389 - eine Konkurrenz um die Führungsposition bestand. Diese Konkurrenz hatte durchaus objektive Gründe: es bestand ein institutionelles Spannungs- verhältnis zwischen der noch nicht vollständig beseitigten rechtsstaatliehen Polizeigewalt und der zur uneingeschränkten Herrschaft drängenden politischen Partei, hier in Gestalt der Privatarmee SA. Durch Fluktuation bzw. Erweiterung des Kommandos waren insgesamt wäh- rend der ersten acht Wochen 24 Mann als Bewachung eingesetzt, die zunächst im zweiten Stock des Hauptgebäudes untergebracht waren." Die Wachmannschaft war somit aufdie Etage zwischen die Tagesräume (1. Stock) und die Schlafsäle (3. Stock) der Schutzhaftgefangenen plaziert worden. Alle Angehörigen dieses Kommandos waren mit Wohnsitz in Kassel gemeldet; neun von ihnen sind in Kassel geboren und dort vermutlich auch aufgewachsen. II Der Regierungspräsident hatte dem preußischen Innenminister am 10. Juli 1933 mitgeteilt, warum er die Angehörigen des Kommandos aus der Stadt Kassel rekrutiert hatte: »Da in Breitenau und Umgebung nicht die erforderlichen Hilfspolizeibeamten zur \erfügung standen, wurden aus Kassel Hilfspolizeibeamte abgeordnet, die in der Korrigendenanstalt in Breitenau untergebracht und verpflegt wcrden.e" Vom Kasseler Polizeipräsidium wurde anläßlich der Pressekonferenz am 22. Juni 1933 erklärt, daß die Auswahl des Wachkommandos besonders unter dem Gesichtspunkt der Schwierigkeit des »Urngangs« mit »Andersdenkenden« zusam- mengestellt worden sei: »Da man die Bewachungsmannschaften nicht lediglich nach dem Grundsatz der Schneidigkeit, sondern nach der Eignung für den gewiß nicht leichten Umgang mit politisch extrem Andersdenkenden ausgesucht hat, wird auch hierbei viel- leicht manches Samenkorn späteren besseren \erstehens des heutigen Staates gesät werden können.s" Alter, Ausbildung, Beruf Die Wachmannschaft bestand überwiegend aus jungen Männern. Und doch lassen sich zwei Altersgruppen unterscheiden: 14 von den 24 SA-Männern gehör- ten der jüngeren Gruppe an; sie waren durchschnittlich 23 Jahre alt (alle waren 9 Bundesarchiv. Außenstelle Berlin-Zehlendorf (ehern.: Berlin Document Center). (im folgenden zitiert: BDC) Hans W.: R. und S. Fragebogen. Lebenslauf aus dem Jahre 1938. 10 Hersfelder Zeitung vom 24.Juni 1933. 11 Alle haben Kassel als Wohnsitz angegeben; lediglich einer wohnte im stadtnahen (später erst [1936] eingemeindeten) Harleshausen. 12 HStA Mbg 165/3878. Handschr. Entwurf eines Schreibens des RP in Kassel an PrMdI am 10.7. 1933 anlaßlieh des Antrags auf Einführung des Schichtwechsels für das Bewachungspersonal des KZ Breitenau. 13 Kasseler Neueste Nachrichten Nr. 144 vom 23.6.1933. »Sie können sich nicht beklagen«. 147 zwischen 21 und 25 Jahre alt), während 10 der Gruppe der Älteren angehörten und durchschnittlich 32 Jahre alt waren (alle zwischen 26 und 33, einer sogar 41 Jahre alt)." Eine etwas andere Altersstruktur findet sich übrigens bei der später eingesetzten SS-Wachmannschaft. 19 (von 24) hatten die Volksschule, zwei hatten Realschule oder höhere Schule besucht (»Realgymnasium bis 0 111«; »Oberrcalschulc in Kassel«; von Abitur ist in beiden Fällen nicht die Rede) und bei weiteren zweien ist es auf Grund der Berufsbezeichnung (»Ingenieur«) denkbar bzw. zu vermuten. Insgesamt 12 kamen aus Berufen wie Maurer, Installateur, Ankerwickler, Zim- mermann, Schuhmacher, Hausdiener, Schreiner, Arbeiter, Gärtner, Elektriker, weitere sieben waren kaufmännische Angestellte oder hatten »Kaufmann« als Berufangegeben. Weitere Aussagen zu Beruf und sozialer Herkunft der Mitglieder dieser Wach- mannschaft lassen sich wegen fehlender Quellen - es haben sich nur wenige Lebensläufe und Partei-/SA- bzw. SS-Eintrittsdaten finden lassen - nicht machen. Politische Orientierung Bei 23 von den 24 Angehörigen dieses Kommandos läßt sich eine Mitgliedschaft in der NSDAP nachweisen; bei zwei Drittel von ihnen lag der Eintritt in die NSDAP in den Jahren 1929 -1932 (4 imJahre 1929,2 imJahre 1931 und 9 imJahre 1932). Einige waren bereits Jahre vor dem 30. Januar 1933 in die SA eingetreten und hatten Dienstgrade erreicht: • Friedrich A. war am 1.4.1930 in die SA eingetreten und Obertruppführer geworden15 ; • Werner B. war am 1.10.1930 in die NSDAP eingetreten"; • Walter K. muß schon länger bei der SA gewesen sein, denn er war SA- Obertruppführer"; • Leo M. war am 30.11.1930in die S5 und am 1.4.1931 in die 5A eingetreten; ab Februar 1932 gehörte er der Motor-SA an, bei der er ab Februar 1932 Ober- truppführer geworden war. Als NS->Ehrenzeichen< trug er das »Dienstabzei- chen 1931« und das »BraunschweigerTreue Verdienstkreuz in Bronzec'"; • Hermann S. war am 1.12.1930 in die NSDAP eingetreten und auch früh (das genaue Datum war nicht zu ermitteln) in der SA aktiv. Er wird in der 14 Der dem SA-Konlmando beigeordnete Polizei-Oberwachtmeister Rüffer wurde in diese Berechnungen nicht einbezogen. 15 BOC. NSDAP-Kartei: Friedrich A. - Der Rang eines SA-Obertruppführers entsprach dem eines Oberfeldwebels bei der Wehrmacht und dem eines Hauptscharführers bei der S5. Vgl. Heinz Artzt: Mörder in Uniform, a.a.0., 198 (Rangtafel). 16 BDC. NSDAP-Kartei: Werner B. NSDAP Nr. 331803. 17 BDC. NSDAP-Kartei. Walter K. 18 BDC. OT-Akte und NSDAP-Kartei: Leo M. 148 Kasseler kommunistischen Tradition der »berüchtigte Sturmführer S.« genannt". Von diesen SA-Unterführern ist anzunehmen, daß sie bereits in der soge- nannten .Kampfzeit-, der Auseinandersetzung mit -dem System. und dem politi- schen Gegner, Erfahrung gesammelt und sich -bewährt: haben. Von diesen etwas älteren Unterführern ist eine Gruppe jüngerer (Stichdatum 1.6.1933) SA-Männer, die erst 1933 in die NSDAP (und vermutlich auch erst in diesem Jahr in die SA) eintraten, klar unterscheidbar. Zu ihnen zählen u.a.: • Hans G., 22 Jahre alt, Eintritt in die NSDAP am 1.5.1933 • Paul K., 26Jahre alt, Eintritt in die NSDAP am 1.4.1933 • Erich P., 24 Jahre alt, Eintritt in die NSDAP am 1.3.1933 • Erwin P., 23 Jahre alt, Eintritt in die NSDAP am 1.2.1933 Mißhandlungen und .Abrechnunoen: in Breitenau Ganz schwierig ist es, zu einer Vorstellung der tatsächlichen Praxis dieser (und auch der ihr folgenden) Wachmannschaft zu kommen. Keiner von ihnen, soweit überhaupt noch erreichbar, war zu einem Gespräch bereit. Wir verfügen daher nur über Fragmente und Splitter, die schwer zusammenzufügen sind. Im folgenden einige bereits in anderem Zusammenhang wiedergegebene Äußerungen ehemali- G L: 20ger elangener: »Ich habe mir immer gesagt: wenn Du aufden Bock kommst, dann bereite Dich vor, entweder bist Du tot oder ..., die waren unbarmherzig, hauptsächlich die SA. [...] Ich habe gesehen, wie Mitgefangene, die nicht mehr mit dem Arbeiten mitkamen, getreten wurden.« »Ich war zuerst ins Kasseler Gefängnis gekommen; dann mit der grünen Minna nach Breitenau. Ein SA-Mann: -Ihr Burschen, Euch machen wir fertigk« »Ein SA-Mann hat mir, als ich es einmal nicht so eilig hatte, befohlen Ins Vflisser! Ich mußte in einem ~ssergraben über eine halbe Stunde gehen und stand dort bis unter die Knie im ~sser,woraufhin ich mich schwer erkältet hatte. DerAnstaltsarzt,der mich mit hohem Fieber sah, sagte >Höhenluft!< Mit anderen ~rten: Fuldaberg.« »Das Unmenschliche, das hat mich zerhackt. Bei der SA waren die Schikanen noch schlimmer als bei der SS. [...] Den Bock habe ich gesehen. Ist er nicht gefunden worden? Da ging's drauf so eine Art Sprungbock, wie Kinder ihn haben, aber niedriger. Sie haben Peitschen gehabt, ausgepeitscht. Auch Genossen von mir sind hier ausgepeitscht worden.s" 19 Belz, Die Standhaften, 37, berichtet davon, daß Fritz Schmidt (KPD-Bezirksleitung 1933) von einem »berüchtigten Sturmführer S.«gesprochen habe, dessen SA-Sturm am 28. Februar 1933 in kommunistische Wohnungen in Kassel eingedrungen sei. 20 Vgl. auch den Abschnitt: Schikanenund Mij3handlungen) , S.130 ff 21 Notiz über ein Gespräch mit Franz Heil (1987). Franz Heil war als Schutzhaftgefangener in der Zeit vom 14. Juli bis 20. September 1933 in Breitenau. Er hat also zunächst die SA drei Wochen lang und dann die SS (ab 8. August 1933) als Wachmannschaft erlebt. 149 Die Tatsache, daß sich ein Mitglied der SA-Wachmannschaft wegen der .Mcthode: der Behandlung politischer Gegner abgemeldet haben soll, deutet in dieselbe Richtung: »Die SA-Hilfspolizisten haben ein Gewehr getragen. Bei der SA-Welchmannschaft habe man aber auch welche getroffen, denen diese Methode der Inhaftierung politischer Gegner mißfallen habe. So habe ein SA-Mann zu ihm gesagt: -Ich melde mich ab. Ich will nicht haben, daß die Leute geschunden werdencs" Zu einzelnen Mitgliedern des Kommandos Drei Mitglieder des Wachkommandos wurden im Laufe der folgenden]ahre aus der SA bzw. der NSDAP ausgeschlossen: einer wegen .Disziplinlosigkeit-, ein anderer wurde ohne erkennbare Gründe »aus der SA cntlassen«, ein dritter wurde wegen »Untreue und unerlaubter Entfernung im Felde« im]ahre 1941 aus SA und NSDAP ausgeschlossen. Willy S. machte bei der Gestapo Karriere: bereits im November 1933 trat er als Kriminal-Angestellter der GestaposteIle Kassel bei; 1937 wechselte er zur SS; seit Februar 1939 war er bei der Stapo Karlsbad als Kriminal-Assistent der Außen- stelle Budweis tätig. Ein Gespräch mit dem ehemaligen Polizei-Oberwachtmeister Im August 1995 ergab sich die Gelegenheit, mit dem damaligen Polizei-Ober- wachtmeister Heinrich Rüffer, der dem SA-Kommando zugewiesen worden war, zu sprechen. Er lebte als rüstiger 90-jähriger in Kassel und war sofort zu einem Gespräch bereit, das in seiner Wohnung stattfand. Erinnern wir uns, daß I-Ieinrich Rüffer in den Erinnerungen einzelner Gefangenen deutlich positiver beurteilt worden war als die SA-Wachmannschaft, zumal er offenbar den abendlichen Terror im]uli 1933 beendet hatte. Heinrich Rüffer hat in dem Gespräch die aus den Akten gewonnene Sichtwei- se des gespannten Verhältnisses von Polizei und SA-Wachmannschaft bestätigt. Dabei ging er auch aufdie Beendigung des SA-Terrors anläßlich seiner Rückkehr aus Kassel am 19.]uli 1933 ein: »Nun, diese verdammten SS- und SA-Mannschaften, die ja ihr Mütchen kühlen wollten an den armen Menschen. Das war ja für die eine Sache, eine ganz willkom- mene Angelegenheit. Schutzhaftlager! Ich habe immer gesagt, diese Leute müssen wir in Schutz nehmen, die können wir doch nicht schlagen. Und ich hatte einen lig Urlaub, ich komme zurück, da haben diese Schweine die armen Menschen antreten lassen wie Soldaten, kommandiert Hinlegen - Auf! Hinlegen- Auf! und auch verprügelt und so weiter. Und waren so arme kranke Leute auch dabei. Da kam ich dann und sagte: Schluß! Aus! Nichts mehr! Wels ist denn hier los? Das gibt's 22 Notiz über ein Gespräch mit RudolfFreidhof (1980). 150 doch gar nicht! Und da waren die noch böse. Der Sturmführer hat ein böses Gesicht gemacht. Da habe ich ihn mir kommen lassen und gesagt: Ich habe hier die Anordnung, anständig die Leute zu führen und bin verantwortlich dafür, nicht Sie, sondern ich! Also unterstellen Sie sich ganz und gar, das will ich so haben. Naja, dadurch, daß ich nun energisch auftrat, da hatten sie dann doch ein bißchen Respekt und Achtung vor mir. Ich war damals ein energischer Bursche, wog 190 Pfund, war kräftig, und da hatten sie Achtung vor mir. [...] }3 Auch der Konflikt mit dem SA-Sturmführer taucht auf: »Zu meiner Zeit war ich der Leiter, sonst keiner. Es war zwar jedes Mal der Sturmführer dabei, bei den Leuten, die aber alle mir unterstanden, auch der Sturmführer. Wenn ich da nicht ganz energisch durchgegriffen hätte, ganz bewußt gezielt, und auch meinen Mann gestanden hätte, dann war es gar nicht möglich, dann hätten sie mir auf dem Kopf rumgetanzt.e" Und noch einmal ganz deutlich: »[a,es war für mich eine ganz häßliche Abkommandierung, die ich aber nachher für gut empfunden habe, im nachhinein, weil ich mir sagte: Du hast doch dazu beitragen können, daß wenigstens diese Leutchen menschlich entsprechend auch behandelt wurden. Wie gesagt, wenn ich mit denen [den SNSS-"Wlchmannschaften] in ein Horn geblasen hätte - du lieber Gott, die armen Leute wären totgeschlagen worden.e'" Gäbe es keine unabhängig von diesem Bericht und Jahre zuvor zustandege- kommenen Urteile ehemaliger Schutzhaftgefangener Breitenaus, die hinsichtlich der Rolle des Polizei-Oberwachtmeisters in dieselbe Richtung weisen, ließe sich Rüffers Darstellung als die eigene Person schützende und zugleich andere bela- stende Aussage in ihrer Glaubwürdigkeit in Frage stellen oder gar anzweifeln. Unter den hier gegebenen Bedingungen sehen wir für einen solchen Zweifel keinen Anlaß. Rüffer verweist auch auf die einverständige Zusammenarbeit mit Pfarrer Hollstein in Breitenau: »Pfarrer Hollstein, er wollte oft mit mir sprechen, ich bin oft bei ihm zu Hause [in Guxhagen] gewesen, er war auch kein Nazi, wir haben otr über diese häßlichen Dinge, die sich anbahnten, gesprochen. Wir hatten gegenseitiges \ertrauen, politisch gesehen, so daß wir uns über alles ausdrücken konnten. Er hat sich gefreut, wenn ich ihm sagte, daß ich versuchen würde, nach Möglichkeit diese Menschen menschlich zu behandeln, damit sie kein Leid angetan bekommen. -Das ist schön von Ihnen., sagte er dann. Wir haben gut zusammengearbeitet. Der hat dann auch mal eine Predigt gehalten.a" Zusammenfassende Charakterisierung des SA-Kommandos Viele Berichte - vor allem in der Erinnerung ehemaliger Gefangener - sprechen dafür, daß die SA-Wachmannschaft, vielleicht unter besonderer Führung einzelner 23 Notiz über ein Gespräch mit Heinrich Rüffer (1995). 24 Ebenda. 25 Ebenda. 26 Ebenda. 151 Schläger und Schinder, den rohen Terror des März und April 1933 im Zuge der Machtergreifung danach in Breitenau fortzusetzen suchte. Die Folterstätten Wassersporthaus, Bürgersäle, Karlshof und andere im Regierungsbezirk Kassel wurden nun nach Breitenau verlagert und unter polizeilich-staatlicher Abschir- mung fortgesetzt. Freilich gab es unter den SA-Leuten auch andere, die sich an den Mißhandlungen und am Terror nicht beteiligten. Einer soll sich wegen der Miß- handlungen vom Kommando abgemeldet haben, von einem anderen hörten wir, daß er eher maßvoll war. Gleichwohl dürften die Schläger und Schinder den Ton angegeben haben. Nicht zuletzt deren Auftreten und Verhalten und/oder deren Bekanntwerden bis nach Kassel könnte den Kasseler Polizeipräsidenten in der Absicht bestärkt haben, die 5A-Wachmannschaft nach acht Wochen abzuberufen. Die zweite Wachmannschaft: Hilfspolizei/SS (8. August bis 17. März 1934) Rechts- und Unterstellunosverhdltnisse, Stärkedes Kommandos Am 8. August 1933 wurde das SA-Kommando von einem ebenfalls aus Kassel stammenden 55-Kommando abgelöst. Auch dieses Kommando firmierte offiziell als Hilfspolizei, diesmal allerdings in schwarzer Uniform statt im Braunhemd. Zwei Motive erklären, warum dieser Wechsel nach so kurzer Zeit vorgenom- men wurde: erstens einflußreiche Bestrebungen im preußischen Innenministeri- um, besonders seitens des 55-Führers Kurt Daluege, die dahin gingen, in den preußischen Konzentrationslagern allgemein die 5A- durch 55-Wachmannschaf- ten abzulösen; zweitens die Initiative des Polizeipräsidenten und Leiters der Staatspolizeistelle Kassel (seit dem 26. Juli 1933) von Pfeffer, die mit den eben berichteten Mißhandlungen der 5chutzhaftgefangenen in Breitenau durch die 5A zu tun hatte. Die Initiative von Pfeffers kann sich mit den Bestrebungen Dalueges getroffen haben. Der preußische Innenminister genehmigte am 24. Juli 1933 die Ablösung des SA-Kommandos und die Beauftragung eines SS-Kommandos in Breitenau: »Für den Bewachungsdienst [...] genehmige ich bis auf weiteres vorbehaltlich jederzeitigen Widerrufs die Gestellung eines - im Benehmen mit der zuständigen SS-Gruppe aus geeigneten SS-Mannschaften zusammenzustellenden - Be- wachungskommandos in Stärke bis zu 20 Mann Hilfspolizeibeamten.« 27 Eine solche Genehmigung läßt aufeinen entsprechenden Antrag schließen; es muß mithin eine solche Initiative von Pfeffers gegeben haben. Der Regierungs- präsident von Monbart hatte sich am 10.Juli 1933 an den Innenminister gewandt 27 HStA Mbg 165/3878. PrMdI an RP Kassel vom 24.7.1933 betr. Unterbringung politischer Schutzhäftlinge. 152 und diesem berichtet, daß er »den Antrag des hiesigen Polizeipräsidenten« befür- werte" und darum gebeten, »die dauernde \erwendung der für die Bewachung der Schutzhäftlinge in Breitenau erforderlichen Hilfspolizeibeamten gemäß Absch. 1 Ziffer 4 der Durchführungs- bestimmungen" zum Runderlaß vom 22.2. 1933 - 11 C 1 59 Nr. 40/33 - (nicht veröffentlicht) zu genehmigen.e" Es erscheint daher wahrscheinlich, daß der Antrag des Kasseler Polizeipräsi- denten, auf den hier Bezug genommen wird, auch den Vorschlag enthielt, die SA-Wachmannschaft durch ein SS-Kommando abzulösen." Die Aussage eines ehemaligen SS-Angehörigen in einem Spruchkammerver- fahren enthält einen Hinweis: »Breitenau war ein Schutzhaftlager, das von der SA verwaltet und auch geführt wurde. Ich weiß, daß irgendwelche Schweinereien vorgekommen waren und seitens des damaligen Polizeipräsidenten von Pfeffer bei der SS-Dienststelle ange- fragt wurde und auch von uns zwangsläufig verlangt hat [richtig: wurde], ihm zuverlässige, ruhige SS-Angehörige zur \erfügung zu stellen. Ob es dann gesche- hen ist, kann ich im Augenblick nicht sagen. Ich glaube aber: ja.l2 Das zweite Motiv ist eindeutig faßbar und von Tuehel dargelegt: aufBetreiben von Kurt Daluege, der zugleich hoher 55-Führer und Leiter der Polizeiabteilung im preußischen Innenministerium geworden war, sollten in allen preußischen Konzentrationslagern in den Monaten Juli/August SA- und Stahlhelm-Wach- mannschaften von 55-Wachmannschaften abgelöst werden, sofern dies nicht bereits geschehen war." .Festgeschrieben. wurde diese Entwicklung durch einen Erlaß Dalueges vom 7. Juni 1933, den Tuchel auszugsweise wiedergibt. Wahr- scheinlich geht die Tendenz, - so nimmt Tuehel an - die SS ausschließlich im Rahmen der politischen Polizei einzusetzen, sogar in den April 1933 zurück." Aber Wille und Erlaß in Berlin bedeuteten noch nicht Vollzug und Wirklichkeit in Kassel und Breitenau. Das Innenministerium hat jedenfalls Druck in Richtung 28 Der Regierungspräsident verfaßte sein Schreiben »urschriftlich mit 2 Anlagen«; d.h. wahrscheinlich lag seinem Schreiben der Antrag des Kasseler Polizeipräsidenten bei. 29 Die Durchführungsbestimmungen zu dem o.g. Erlaß konnten nicht ermittelt werden. 30 HStA Mbg 165/3878. RP in Kassel an PrMdI am 10.7.1933 anläßlich des Antrags aufEinführung des Schichtwechsels für das Bewachungspersonal. 31 Hierüber letzte Gewißheit könnte der Bericht des PP vom 5.7.1933 geben, auf den der RP verweist, der jedoch nicht überliefert ist. 32 HHStA Wiesbaden. Spruchkammerakten. Spruchkammer Kassel. Georg R. [zuletzt SS-Sturmbannführer; seit 1.4.1933 bei der SS in Kassel], Bad Wildungen, im Verfahren vor der Spruchkammer Kassel am 26.10.1948 gegen Georg M., Büchenwerra. 33 Tuche!, Konzentrationslager, 73-76. 34 Tuehel berichtet, daß in den »ergänzcndcn Durchführungsbestimmungen« über den Einsatz der Hilfspolizei am 21.4.1933 formuliert worden sei: »Angehörige der SS sind in erster Linie für Zwecke der politischen Polizei zur Verfügung zu halten.« Tuchel, Konzentrationslager, 73. 153 aufAblösung der SA-Wachmannschaft ausgeübt. In dem Schreiben an den Regie- rungspräsidenten in Kassel vom 24. ] uli 1933 hieß es klipp und klar: »Mit der Führung des Bewachungskommandos ersuche ich [!], einen geeigneten SS-Führer zu betrauen und den abgeordneten Polizeibeamten zurückzuzichcn.c" Die Frage nach den Motiven und Gründen der Ablösung der SA in Breitenau ist daher beantwortet. Der tatsächliche Ablauf wird wohl so gewesen sein, daß die Initiative von Pfeffers bei K. Daluege aus der beschriebenen Lage in Berlin offene Ohren fand; oder K. Daluege hat sich selbst für die SS-Wachmannschaft eingesetzt und diese in der Form der .Genehmigung- den Kasseler Instanzen .nahegelegtc" Seit Anfang August war das Geheime Staatspolizeiamt in Berlin bestrebt, die Hilfspolizei in eigene Regie zu nehmen. Dies traf sich mit der Tendenz, für Aufgaben der politischen Polizei ausschließlich auf die SS zurückzugreifen. Am 2. 8. 1933 erging ein Runderlaß des preußischen Innenministers, der die sofortige Auflösung der Hilfspolizei anordnete." Tatsächlich sollte den regionalen Regierungsinstanzen wie dem Regierungs- und dem Polizeipräsidenten die Auf- sicht über die Hilfspolizei zugunsten des zentralen Geheimen Staatspolizeiamts in Berlin entzogen werden. In einem Schreiben am 15.8.1933 teilte Daluege dem Geheimen Staatspolizei- amt mit, daß keine Bedenken bestehen, »wenn bis zum 30. September 1933 in den Grenzen des unbedingt notwendigen Bedarfs Hilfskräfte zur vorübergehenden \erstärkung der Geheimen Staatspolizei eingestellt werden [...]lH Das Gestapa teilte dies allen Staatspolizeistellen mit. Von Pfeffer stellte sich aufdie neue Rechtslage sofort ein und bedeutete dem Regierungspräsidenten, daß die Mitglieder der Wachmannschaft in Breitenau als »Hilfspolizeibeamte des Geheimen Staatspolizeiamtes« anzusehen wären: »Nach dem Erlaß vom 7.6.1933 - II C 1 59 Nr. 81/33- (nicht veröffentlicht) sind die SS-Männer nicht Hilfspolizeibeamte der Sicherheitspolizei, sondern -Hilfs- beamte des Geheimen Staatspolizeiamtes., auf die sich die ergangenen Bestim- mungen über die Auflösung der Hilfspolizei m [einer] A[ nsicht] nicht bcziehcn.s" 35 HStA Mbg 165/3878. PrMdI an RP Kassel vom 24.7.1933 betr. Unterbringung politischer Schutzhäftlinge. 36 Tuehel betont, daß Daluege als Leiter der Polizeiabteilung im MdI SS-Interessen durchgesetzt habe. Er habe mehrfach die Genehmigung zum Einsatz von SS-Wachmannschaften erteilt. Vgl. Tuchei, Konzentrationslager, 73. 37 MBliV I (1933), 932.- II C I 59 Nr. 89/33: »(1) Die Hilfspolizei wird, nachdem sie ihrer Zweckbestimmung in vollem Umfange gerecht geworden ist, mit dem 15.8.1933 aufgelöst. (2) Eine weitere Ausbildung findet nicht mehr statt. (3) Die RdErl. v. 22.2.1933 u. 21.4.1933 - II C I 59 Nr. 40/33 u. Nr. 46/33 (nicht verötTfentl.) treten mit Ablauf des 15.8.1933 außer Gültigkcit.« 38 HStA Mbg 165/3878. Begl. Abschr. MdI an Gestapa vom 15.8.1933. 39 HStA Mbg 165/3878. pp in Kassel an RP Kassel vom 17.8.1933 betr. Wachkommando in Breitenau. 154 In der Antwort des Kasseler Polizeipräsidenten vom 31. 8. 1933 (»in Vertre- tung« von Dr. Lindenborn unterzeichnet), die sich von Pfeffers Rechtsauffassung anschloß, hieß es dementsprechend: »Die "Wachmannschaftin Breitenau ist auf Grund des Min. Erl. vom 7.6.193311 C I 59 Nr. 81/33 (Reg. \erf vom 3.7.1933 A 11 Nr. 2427) aus Angehörigen der SS entnommen und im Hinblick auf ihre Beschäftigung als \erstärkung der Staats- polizeistelle anzusehen.e" Dieser Erlaß vom 7.Juni 1933, den Tuchel auszugsweise wiedergibt, hatte für die Aufgaben der politischen Polizei ausschließlich die SS vorgesehen. Kurt Daluege hatte zwei Kategorien von Hilfspolizisten gebildet: »Hilfspolizeibeamte der Sicherheitspolizei, in der in Zukunft nur Angehörige der SA und des Stahl- helms Verwendung finden sollen, und [...] Hilfspolizeibeamte für das Geheime Staatspolizeiamt, die künftig nur durch Angehörige der SS zu stellen sind.« K. Daluege ernannte im selben Erlaß »den Reichsführer der SS zum -Ministcrial- Kommissar für die Hilfspolizeibeamten des Geheimen Staatspolizeiamtes-.« Tu- chel unterstreicht, »daß mit dem Erlaß über die Hilfspolizeibeamten vom 7. Juni 1933 Heinrich Himmler als .Ministerial-Kommissar für die Hilfspolizeibeamten des Geheimen Staatspolizeiamtes- seine ersten staatlichen Kompetenzen in Preußen erhielt.x" In letzter Instanz unterstand die ab Anfang August in Breitenau eingesetzte SS-Wachmannschaft demnach dem Reichsführer SS Heinrich Himmler. Alter, Ausbildungund Beruf Die SS-Wachmannschaft bestand insgesamt aus 28 Männern; auch hier fand häufiger Wechsel statt, der sich in erster Linie daraus erklärt, daß die Zahl der Bewacher stets der Zahl der Schutzhaftgefangenen angeglichen wurde. Es fallt auf, daß die SS-Angehörigen noch jünger waren als die SA-Hilfspolizisten. Das Durchschnittsalter der SS-Männer betrug 23,2Jahre (Vergleich: SA-Wachmann- schaft 26,8 Jahre durchschnittlich). Noch stärker fallt auf: daß die Gruppe der relativ Älteren, d.h. der über Dreißigjährigen, die bei der SA-Wachmannschaft knapp ein Drittel stellte ( 7 bis 8 von 24), bei der SS fehlte. Aufder anderen Seite waren bei der SS knapp ein Drittel der Wachmannschaft (9 von 28) unter 21, einer war noch keine 18Jahre alt! Bis auf eine Ausnahme ist bei den SS-Männern als Schulbesuch die Volks- schule angegeben; häufig ist der Hinweis -arbeitslos. enthalten. Ernst L. hatte 1931 an der Oberrealschule in GrünbergAbitur gemacht und war im Sommersemester 1932 als Student der Rechtswissenschaft an der Universität Marburg einge- 40 HStAMbg 165/3878. pp in Kassel an RP in Kassel vom 31.8.1933. 41 Tuchel, Konzentrationslager, 73. 155 schrieben; vorher hatte er evangelische Theologie an der Universität Gießen (im Jahre 1937 bezeichnete er sich als »gottgläubig«) studiert; im Wintersemester 1933/34 studierte er an der Universität Frankfurt". L. war schon 1931 der SS, der NSDAP und NS-Studentenbund beigetreten und als .Sport-Rcfercnt. beim Kas- seler »Sondersturm Reuthof tätig. Rekrutierung ausdem»Sondersturm Renthoj« Die Wachmannschaft der SS wurde aus dem sogenannten »Sondersturrn Renthof rekrutiert. Der Renthof ist ein historisches Gebäude und liegt in Kassel am Fuldaufer in der Nähe der Fuldabrücke am Altmarkt. Im Mai 1933 hatte die Kasseler Polizei ihre im Renthof bis dahin untergebrachte Wache -zurückgezogen-, damit die Unterkunftsräume von dem bereits erwähnten SS-Sondersturm bezogen werden konnten. Dieser Sondersturm sollte in erster Linie eine .Auslcsc- für die SS-Leibs- tandarte in Berlin -heranzichcn. und unterstand dem späteren KZ-Kommandan- ten von Buchenwald Karl Koch43• Höchster SS-Führer in Kassel war der Standartenführer Döring als Führer der 35. SS-Standarte und des SS-Abschnitts XVIII. Am 15. 9. 1933 übernahm Döring den SS-Abschnitt Dresden und wurde in Kassel von SS-Sturmbannführer Opländer abgelöst." Eine Charakterisierung dieses -Sondersturrns. findet sich in der NS-Zeitung »Hessische Volkswacht«: »Die Ausbildung, die in den Händen des SS-lfuppführers beim Stabe der 35. SS-Standarte Koch, als dem Führer der Bereitschaft, liegt, wird naturgemäß eine harte und vielseitige sein. Es ist für die SS eine Selbstverständlichkeit, daß eine derartige Zusammenfassung der Auslese einer ganzen Standarte notwendigerweise ihr ~est~s zu leis~en ?at in Bezug a~fD~sz~plin,äußerem straffen Auftreten, innerer Festigkeit und ständiger Schlagfertigkeit.« - Die an zahlreichen Orten im Jahre 1933 aufgestellten -Politischcn Be- reitschaften: waren innerhalb der SS - neben der Allgemeinen SS und dem SD (Sicherheitsdienst) - die dritte Säule: aus ihr gingen später die Verfügungstruppe bzw. die Waffen-SS hervor; aus ihr wurde z.T. auch die sog. »Leibstandartc Adolf Hitler« gebildet. Es handelte sich um den militärisch bewaffneten Teil der SS.4() 42 BDC. R. u. S.-Fragebogen Ernst L. Lebenslauf 1937. 43 Tom Segev, Die Soldaten des Bösen. Zur Geschichte der KZ-Kommandanten. Aus dem Amerikanischen. Reinbek 1992, 184. Segev teilt mit, daß Koch die Hilfspolizei in Kassel im Frühjahr 1933 selbst aufgestellt habe. 44 Kurhessische Landeszeitungvom 15.9., 16./17.9. und 23./24.9.1933. 45 Hessische Volkswacht Nr. 118 vom 20./21. Mai 1933. (»Sondersturm Rcnthof«). 46 Hans Buchheim: Die SS - das Herrschaftsinstrument. In: Anatomie des SS-Staates. Band 1. München 2.Aufl. 1979, 60. 156 Hessische Volkswacht Nr. 118 vom 20./21. Mai 1933. Aus dem »SS-Sondersturm Renthofi< ka- men zahlreiche Angehörige der im KZ Breitenau eingesetzten SS-Wachmann- schaft. Bei dem hier genannten SS- Truppführer Koch handelte es sich um Kar! Koch) den späteren Kommandanten des Konzentrationslagers Buchenwald bei Weimar. Koch gehörte der Wachmann- schaft des KZ Breitenau nicht an. Mit großer Wahrscheinlichkeit haben Mitglieder und Führer dieses Sonder- sturms an den Exzessen und Mißhandlungen im Frühjahr 1933 in Kassel - im Wassersporthaus am Fuldadamm, im Renthofselbst und an anderen Orten in der Stadt - maßgeblich teilgenommen bzw. diese veranstaltet. Beim Spruchkammerverfahren des Georg M. im Jahre 1948 bestritt dieser zwar seine persönliche Beteiligung an der groben Mißhandlung und Körper- verletzung eines SS-Angehörigen durch Angehörige des Sondersturms - es han- delte sich um eines der fälschlich Feme-Verfahren genannten Verbrechen innerhalb der SS selbst - und leugnete sogar seine Zugehörigkeit zum Sonder- sturm; die Vorgänge der Mißhandlung selbst bestätigte er jedoch ausdrücklich. Der SS-Vorgesetzte M.s im Jahre 1933, der Führer des Sturmbanns I in Kassel, Ludwig F., bestätigte in demselben Verfahren im Jahre 1948 die Mitgliedschaft M.s im Sondersturm und sprach von »Gewaltmethoden und Maßnahmen«, die vom Sondersturm ausgegangen waren." 47 HHStA Wiesbaden. Spruchkammerakten. Georg M. - F. führte aus: »Am 20.4.1933 wurde ich Hauptsturmführer und gleichzeitig mit der Führung des Sturmbanns I betraut. Seit dieser Zeit 157 Angehörige dieses ausgesuchten Sondersturms zeichneten sich mithin - nach- dem sie nun als Hilfspolizisten im KZ Breitenau auftraten - durch straffe Diszi- plin, unbedingten Gehorsam und bessere -Steuerbarkeit- aus. Bei folgenden 15 Angehörigen der SS-Wachmannschaft läßt sich auf Grund eigener Angaben die Zugehörigkeit zum »Sondersturm Renthof nachweisen": • Hermann A., • Heinrich B., SS- und NSDAP-Eintritt 1.2.1933, • Heinrich D., SS- und NSDAP-Eintritt am 9.11.1931, • Reinhardt F., • Otto G., • Bernhardt H., SS- und NSDAP-Eintritt 1.8.1932 • Heinrich H., • Otto Bernhard H., • Christian K., • Adam L., • Ernst L., • Johann Peter L., • Georg M., NSDAP-Eintritt 1930, SS-Eintritt 1931, • Wilhelm S., • Friedrich V. und • Wilhelm W., Bei den anderen Mitgliedern ist die Zugehörigkeit zum Sondersturm Renthof zu vermuten. Zur Praxis in Breitenau Die SS-Wachmannschaft war bis Januar 1934 vermutlich in den Räumen im Hauptgebäude, in denen zuvor die SA-Wachmannschaft sich aufgehalten hatte, untergebracht. Am 20. Januar 1934 wurden die Schutzhaftgefangenen, deren Zahl sich nunmehr deutlich verringert hatte (aufetwa 50), in das Landarmenhaus, das Teil der Anstalt war, umquartiert. Die SS-Wache wurde ebenfalls dorthin umquartiert." leitete ich die Dienststelle des Sturmbanns I Kassel, Hohenzollernstraße 66. In den anliegenden Räumen befand sich die Dienststelle der Standarte 35, deren Leiter Standartenführer Döring war. Auch befand sich hier das Dienstzimmer des Sondersturms, dessen Führer der Sturmführer Koch, der spätere Kommmandant von Buchenwald, war. Zu diesem Sondersturm gehörten u.a.: M., [...] Ich selbst habe mich persönlich oder durch Austeilen von Befehlen an den Gewaltmethoden oder Maßnahmen, die von der Dienststelle in der I-Iohenzollernstraße geschahen, nicht beteiligt. Ich kann auch nähere Einzelheiten der vom Sondersturm durchgeführten Aktionen nicht geben.« 48 BDC. NSDAP-Kartei und R. u. S-Fragebogen. 49 Archiv des LWV Hessen: Jahresbericht 1933,1 : »Die bis dahin von der S.S.-Wache des Lagers bewohnten früheren Büroräume im Landesfürsorgeheim der Anstalt wurden am 28. März 1934 wieder von der Kasse und dem Sekretariat bezogen.« - Archiv des LWV Hessen: KZ Breitenau: Landeshauptmann in Hessen an pp Kassel vorn 4.1.1934: »Sollte mit einer höheren Zahl von 158 Führer des SS-Kommandos war bis zum 30.November 1933 Scharführer bzw. (ab Oktober 1933) Oberscharführer Georg M. Wer M. dann als Führer des Kommandos abgelöst hat, ist nicht ganz klar. Einerseits betonte Hermann A. vor der Spruchkammer Kassel im Jahre 1949, daß er nach M.s Abberufung mit der Führung des Kommandos betraut wurde - und eine solche führende Stellung, die ihn zusätzlich belastete, wird er sich in dieser Situation wohl kaum selbst zuge- schrieben haben." Andererseits unterzeichnete SS-Mann Adam L. die Meldun- gen, die vorher M. bzw. der Führer des Kommandos stets unterzeichnet hatte. Ab dem 20. Januar 1934 unterzeichnete SS-Rottenführer (offenbar gerade als solcher ernannt, denn kurz zuvor erscheint er noch als »SS- Mann W.«) Fritz W. als »Führer des Wachtkommandos«. Der Polizei-Oberwachtmeister Rüffer hatte Breitenau übrigens erst Ende August 1933- und nicht am 8. August beim Wechsel der Wachmannschaft - verlassen"! Im Herbst 1933 ließ die SS zur eigenen Selbstverherrlichung von den Schutz- haftgefangenen ein -Ehrcnmak am Fuldaberg errichten, über das bereits berichtet wurde." Über Mißhandlungen oder Folterungen seitens der SS in Breitenau gibt es von Seiten der ehemaligen Gefangenen nur wenige Hinweise.53 Der Unter- schied zu den Berichten über das Verhalten einzelner S.A.- Angehöriger ist augenfällig. 54 politischen Häftlingen wie 50 bis höchstens 60 für absehbare Zeit nicht zu rechnen sein, so würde ich Wert darauf legen müssen, diese in Zukunft nicht mehr im sog. Hauptgebäude unterzubringen, sondern nur noch in dem zeitweilig mitbenutzt gewesenen sogen. Landarmenhaus. [...]« 50 HHStA Wiesbaden. Spruchkammerakten. Hermann A. Im Protokoll der Öffentlichen Sitzung der Kammer am 31.5.1949 führte er aus: »Im jahre 1933 - an den Monat kann ich michjetzt nicht mehr erinnern - kam ich als Wachmann nach Breitenau, nachdem die Wachmannschaften der SA von Angehörigen der SS abgelöst wurden. M. war der Führer dieser Einheit. Als er jedoch zum Sturmführer ernannt wurde und auf eine SS-Schule zum Lehrgang geschickt wurde, wurde ich mit der Führung dieser Einheit betraut. [...] Die Abwicklungsgeschäfte für das Lager Breitenau habe ich als stellv. Lagerleiter bei dessen Auflösung noch gemacht.« 51 AIn 23. 8.1933 meldete die Anstalt Breitenau an den Landeshauptmann in Kassel letztmalig die Anwesenheit des Polizei-Oberwachtmeisters. Förmlich ist der .Abgang- Rüffers in den Unterlagen nicht gemeldet worden. In der Meldung des neuen 55-Führers M. vom 2.9.1933 heißt es dann (und so bleibt die Meldung im Kern bis zur Auflösung bestehen): »Das Konzentrationslager ist zur Zeit belegt mit: 20 Hilfspolizeibeamten (S.S.) und 153 Schutzhäftlingen«. 52 Vgl. den Abschnitt »Das -Ehrenmak für die SS am Fuldaberg«, S.138 f 53 Hans Minkler sprach davon, daß »von wenigen Ausnahmen abgesehen das tägliche Leben in der Breitenau nicht besonders schikanös gewesen sei.« (Notiz über ein Gespräch mit Hans Minkler 1980). - Der SS-Hilfspolizist Christian L. schrieb in einer Postkarte an Verwandte, daß er einen Schutzhaftgefangenen .bei sich hattc« »Hatte heute A. von Wickenrode bei mir. Der Kerl ist wie ein Schisshündchen« (Archiv der Gedenkstätte Breitenau. Postkarte von Ch. L. an Verwandte vom 14.8.1933). Vgl. die Abbildung aufS.VIII. 54 Vgl. den Abschnitt »Schikanen und Mißhandlungen«, S.130 ff. 159 Weitere Stationen einzelner Mitglieder des 55-Kommandos Es fällt auf, daß einige Mitglieder der SS-Wachmannschaft - offenbar ganz im Sinne der Zielsetzung des »Sondersturms Reuthof und entsprechender weiterer Sonder-Ausbildung in anderen Sonderstürmen - immer wieder wird ein »Son- dersturm Merkcrss" in Thüringen genannt, zu dem einige aus der SS- Wachmannschaft wechselten - oder in Konzentrationslagern selbst entweder zu den SS - Totenkopfverbänden gingen oder in den Sicherheitsdienst der SS bzw. in die Gestapo eintraten. Nachweisen läßt es sich bei folgenden fünf Personen": • Heinrich D. wurde im August 1934 zur »SS - Schule Merkcrs« versetzt und war seit November 1937 »Angehöriger des SD - Unterabschnitts Groß - Berlin«; • Reinhard F. kam im April 1934 zum »SS - Sonderkommando Sachsen« und dann zur 111. SS T[otenkopf] V[erbände] Sachsen; den Zugführer- lehrgang in Dachau im Dezember 1934 hat er »mit Erfolg bestanden«; • Heinrich H. kam ab April 1934 zur »Politischen Bereitschaft Dresden« und gehörte ab 21.8.1934 zur Wachmannschaft des Konzentrationslagers Lichtenburg, seit 1937 zum Kommandantur-Stab des KZ Buchenwald [bis mindestens Oktober 1938]; • Christian K. gehörte 1936 zur 111. SS TV Thüringen, dann zur Koman- dantur Frankenberg des KZ Sachsenhausen und später zur Wachmann- schaft des KZ Buchenwald; • Johann Peter L. gehörte ab März 1934 zum »SS-Sonderkommando Sach- sen«, später zu den »SS - Totenkopfverbändcn«; Ende 1935 nahm er erfolgreich am Zugführerlehrgang bei der I. SS T.V.Oberbayern [das heißt: in Dachau; d. Vf.] teil. Es ist vielleicht bemerkenswert, daß bei allen hier aufgeführten fünf Personen die KZ-Aufseher-Lautbahn bzw. der SD-Dienst beruflich mit einem Aufstieg ver- bunden war, dessen Bewußtsein sich sowohl in den Fotos als auch in den Lebens- läufen wiederspiegelt. Nicht zufällig vermerkt Johann Peter L. im Fragebogen des Rasse- und Siedlungshauptamts als seinen Beruf»SS-Führer« und als solcher ließ er sich auch ablichten, während unter -erlemter Beruf Maurer steht. K. ähnlich: Beruf »SS-Unterführer«, während er tatsächlich Gelegenheitsarbeiter war. Alle fünf kamen aus Familien, die man zu den arbeitenden Klassen zählen muß (die Väter waren Maurermeister, Bahnwärter, Bauer, Arbeiter und Maurer) und keiner von ihnen hatte diesen Rahmen durch Berufsausbildung oder Berufsausübung verlassen können (Schneiderlehre 1927-1930 und seit 1931 ar- 55 Merkers ist ein Dorf an der B 62 in der Nähe von Bad Salzungen/Thüringen. 56 BDC. R. u. S.-Fragebogen, Korrespondenzen, Lebensläufe. 160 Angehöriger der 55-Wachmannschaft im KZ Breitenau (Foto: Bundesarchiv Koblenz) A ngehöriger der55-Wachmannschaft im KZ Breitenau (Foto: Bundesarchiv Koblenz) Angehöriger der55-Wachmannschaft im KZ Breitenau (Foto: Bundesarchiv Koblenz) 161 beitslos; Lehrling im Lebensmittelgeschäft seit 1928 und anscheinend ohne Ab- schluß und am 1.5.1933 »auf eigenen Wunsch entlassen«, dann in die SS; Klempnerlehre abgeschlossen und bis Mai im Beruftätig, »am 17.5.1933 meldete ich mich zur kasernierten SS«; Gelegenheitsarbeiter; Maurer). Vier Angehörige der Wachmannschaften meldeten sich nach ihrer Tätigkeit in Breitenau bei der SS - Verfügungstruppe, dem anderen bewaffneten Teil der SS (neben den Totenkopfverbänden). Von Georg M. wissen wir, daß er später als Gefängnisaufseher in der Justiz- vollzugsanstalt Wehlheiden wegen seiner .Strcnge- gefürchtet war; einzelne Gefan- gene hielten ihm vor, er habe sie geschlagen und getreten, was er in Abrede stellte.57 Zusammenfassende Charakterisierung des 55-Kommandos Die Angehörigen des 55-Kommandos kamen überwiegend wenn nicht alle aus dem berüchtigten »SS- Sondersturm Reuthof in Kassel, der für Gewaltmaßnah- men und -Aktioncn., d.h. für Mißhandlungen, Folter und Schläge, zusammenge- stellt und -ausgebilde« wurde. Die weiteren -Karrieren: einiger Mitglieder dieses Sondersturms zeigen, daß hier der Typus des für den SS-Staat unentbehrlichen KZ-Aufsehers (Unterführer wohlgemerkt, nicht 55-Offizier) geschaffen und perfektioniert (in Lehrgängen und auf Sonder-Einrichtungen wie z.B. in Mer- kers) werden sollte. Die Mitglieder dieses Kommandos waren zu Grausamkeit und Miß- handlung fähig. Es scheint so, daß die Umstände der Ablösung der SA-Wach- mannschaft ihnen als Aufseher im KZ Breitenau eine besondere Zurückhaltung in diesem Punkt auferlegt haben. 57 HHStA Wiesbaden. Spruchkammerakten. Georg M. 162 Zur Rolle des Provisoriums Breitenau bis zur Auflösung des Lagers Das Konzentrationslager Breitenau sollte aus der Sicht der preußischen Regie- rung von Anfang an nur eine Übergangseinrichtung sein, die sobald wie möglich wieder zu schließen war. Bereits in der ersten amtlichen Äußerung der preußi- schen Regierung zu Breitenau kam dies zum Ausdruck: »Ich weise jedoch daraufhin«, - so der preußische Innenminister EndeJuli 1933 an den Kasseler Regierungspräsidenten - »daß die behelfsmäßige Unterbringung der Schutzhäftlinge in der Landesarbeitsanstalt Breitenau nur eine vorübergehende ist; die Einrichtung eines dauernden Konzentrations- bezw Durchgangslagers in Breitenau kommt jedenfalls nicht in Frage, da die Schutzhäftlinge aus den west- lichen Industriebezirken voraussichtlich schon in nächster Zeit in die im Aufbau befindlichen Moorlager im Regierungsbezirk Osnabrück abtransportiert werden. Ausgaben für etwaige bauliche Erweiterungen, Instandsetzungen, Inventarausstat- tungen usw dürfen daher der Staatskasse für das Lager Breitenau nicht entstehen.c' Die weiteren Äußerungen des preußischen Innenministeriums bis zur Auflö- sung des Lagers hielten an dieser Auffassung fest. Anders sahen es der Polizeiprä- sident und der Regierungspräsident in Kassel. Diese beiden Behörden waren bestrebt, das Konzentrationslagers Breitenau bestehen zu lassen. Aus der Sicht der Kasseler Regierung und Polizeiführung fungierte Breitenau als ein brauchbares Sammellager für Zwecke der politischen und rassischen Verfolgung; obendrein wirkte die Schutzhaft in Breitenau aufviele Menschen in- und außerhalb des Lagers einschüchternd und abschreckend. Ganz unzulässig wäre es, diese Konstellation, daß die Kasseler Regierungs- und Polizeibehörde für, das Innenministerium gegen die Aufrechterhaltung Brei- tenaus als KZ war, weltanschaulich oder moralisch zu interpretieren. Zweifel an der Notwendigkeit der Einrichtung des Konzentrationslagers Breitenau fanden sich in der Korrespondenz zwischen dem preußischen Innenministerium und den Kasseler Behörden nicht. Im folgenden soll die Rolle, die das KZ Breitenau im Rahmen der regionalen politischen Verfolgung des sich etablierenden nationalsozialistischen Staates ge- spielt hat, näher dargestellt werden. Das Herausfiltern der Unbeugsamen Sobald ein Mensch zum Schutzhaftgefangenen erklärt und nach Breitenau ge- bracht worden war, setzte ein Prozeß der bürokratischen Prüfung und Auslese ein, dessen Ausgang für den Betroffenen ungewiß blieb. Spuren der bürokrati- HStA Mbg 165/3878. MdI an RP Kassel vom 24.7.1933. 163 schen Korrespondenzen solcher Überprüfungen haben sich in den Verwaltungs- akten des Kasseler Regierungspräsidenten, der Landräte im Regierungsbezirk und des Polizeipräsidenten erhalten, so daß in einigen Fällen ein genaues Bild des Ablaufs und der Stationen der politischen Verfolgung entsteht. Verfügte der Gefangene über gute Beziehungen, zu denen z.B. Fürsprecher in Politik oder Wirtschaft außerhalb des Lagers zählten, konnte es geschehen, daß er nach wenigen Wochen mit oder ohne Auflagen, zumeist mit der Auflage der regelmäßigen Meldung bei der Ortspolizeibehörde. und entsprechenden >Ver- warnungen< wieder entlassen wurde. Dies betrafvor allem ausländische Gefange- ne, für die Konsulat oder Botschaft intervenierten und die aus nat.soz. Sicht als .politisch unbedeutend- eingestuften Gefangenen, die nicht grundsätzlich in Widerspruch zum System in Erscheinung getreten waren (zum Beispiel eine abfällige Bemerkung über einen der NS-Prominenten geäußert hatten). Deren Entlassung erfolgte auch, - so der preußische Ministerpräsident Hermann Gäring im September 1933 - damit nicht »durch vorzeitige Überlastung der Konzentrationslager und sonstigen Gefangenen- anstalten mit politisch unbedeutenden Persönlichkeiten und die damit verbundene Überanspruchnahme der zuständigen Dienststelle durch Schreibarbeiten die erforderliche Bewegungsfreiheit der Polizeibehörden im entscheidenden Zeit- punkt Schaden leiden soll.c" Die »objcktive Gefährlichkeit« vieler in Schutzhaft genommener Personen - so Gäring weiter - sei im Grunde nicht gegeben. »Wiederholt sind sogar Blinde, Schwerbeschädigte und Geisteskranke in Schutzhaft genommen worden«. Die Mitglieder der Reichsregierung legten übrigens keinen Wert darauf, daß wegen des Tatbestandes der Beleidigung ihrer Person gleich Strafmaßnahmen in Gang gesetzt würden. »Grundsätzlich sollen Schutzhaftanordnungen nur gegen solche Personen aufrecht erhalten bleiben, bei denen im Hinblick auf ihre frühere politische Betätigung zu befürchten steht, daß sie sich nach der Entlassung erneut im staatsfeindlichen Sinne betätigen werden.s' Die politische Polizei, die sich Zug um Zug von Berlin aus Kompetenzen zueignete und die Landräte als Kreispolizeibehörden im Frühjahr 1934 in Sachen Schutzhaft bereits entmachtet hatte4, ließ von Zeit zu Zeit überprüfen, für wen die Schutzhaft »bis auf weitercs« aufrechtzuerhalten sei. Regelmäßig 2 HStA Mbg 165/3982. Band 11. Schnellbrief Gärings vorn 19.9.1933. 3 Ebd. 4 HStA Mbg 180. Woltbagen 2329: Am 14. März 1934 teilte Dr. Hütteroth (Staatspolizcistcllc Kassel) den Polizeibehörden im Regierungsbezirk mit, daß entsprechend »dcn Ausführungen des I Ierrn Regierungspräsidenten in der Landratskonferenz [...] die Anordnung von Schutzhaftmaßnahmen. für die nunmehr die Kreispolizeibehörden nicht mehr zuständig sind, in erster Linie bei der Staatspolizeistelle zu beantragen sind.« 164 folgten diesen Überprüfungen, die sich für Breitenau im September 19335, im Dezember 19336, im Januar 19347 und im März 19348 nachweisen" lassen, auf der einen Seite Entlassungen und auf der anderen Seite immer häufiger Über- stellungen von Schutzhaftgefangenen in andere preußische Konzentrations- lager, in die sogenannten »staatlichen Großkonzentrationslager« wie Lichten- burg, Sonnenburg und die Emslandlager. Hintergrund hierfür war die Absicht der preußischen Regierung, die kleinen Lager wie Breitenau so bald als möglich wieder aufzulösen. Die Überprüfung der Schutzhaftsachen im September 1933 offenbarte erneut die Linie Görings, den .harten Kern: der politischen Gegner aus der großen Zahl der aus welchen Gründen immer in Schutzhaft oder in ein KZ Geratenen herauszulesen. Das Geheime Staatspolizeiamt in Berlin behielt sich nämlich selbst die Entschei- dung über Entlassung bei den drei -härteren- Haftkategorien »Funktionar«, »Rückfälliger« und »nach dem 21.3.1933 aktive" vor. In den anderen Fällen durfte »der Regierungspräsident im Einvernehmen mit der örtlich zuständigen Staats- polizeistelle über Haftbeschwerden und Gesuche um Freilassunge'" entscheiden. Bei der .Uberprüfung: der Schutzhaftvorgänge im September 1933 wurden 43 von insgesamt 213 Schutzhaftgefangenen im Regierungsbezirk Kassel - diese Zahl schloß Schutzhaftgefangene Breitenaus ein - entlassen. Einige Beispiele solcher Entlassungen: Am 27. September 1933 wurde der Stellmacher Paul Masch aus Wellen/Kreis der Eder entlassen. Wahrscheinlich gehörte er der KPD an. Er war gerichtlich am 5 HStAMbg 165/3982. Band 11. SchnellbriefGöringsvom 19.9.1933. 6 HStA Mbg 165/3982. Band 12. Der Preuß. Ministerpräsident Gäring an den Inspekteur der Geheimen Staatspolizei, Herrn Ministerialrat Diels, vom 5. Dezember 1933. 7 Verfügung der Gestapo Berlin vom 29.1.1934. Diese Verfügung ist uns nicht bekannt; allerdings existiert ein Schreiben des pp Kassel an das Gestapa im HStA Mbg vom 22.2.1934 (HStA Mbg 165/3982. Band 12), in dem aufdiese Verfügung Bezug genommen wurde. 8 HStA Mbg 165/3982. Band 12. Gestapo Kassel vom 14. März 1934. 9 Die Nachprüfungen entsprechend den Runderlassen vom 24. April 1933 und vom 11. August 1933 lassen sich für Breitenau nicht nachweisen. Beide werden genannt in: HStA Mbg 165/3982. Band 11. SchnellbriefGärings vom 19.9.1933. 10 HStA Mbg 165/3982. Band 11. Schnellbrief Görings betr. Nachprüfung von Schutz- haftanordnungen vom 19.9.1933. Darin heißt es u.a.: »Die Weiterführung des Kampfes gegen Staat und Regierung über diesen Tag hinaus [dem sogenannten «Tag von Potsdam« - d.Vf.] kennzeichnet sich somit als Auflehnung gegen den übereinstimmenden Willen des deutschen Volkes selbst. Während die Betätigung für die marxistischen Parteien bis zum 21. März 1933 bei den untergeordneten Mitläufern der KPD und SPD von diesem Standpunkt aus in der Regel nicht mehr als hinreichender Grund für die Verhängung bezw. Aufrechterhaltung der Schutzhaft wird erachtet werden können, muß aus dem Umstand, daß sich der Häftling nach dem 21. März 1933 für eine marxistische politische Organisation betätigt hat, gefolgert werden, daß er auch nach einer etwaigen Entlassung aus der Schutzhaft von der Fortsetzung seiner illegalen Betätigung nicht abstehen wird.« (Vgl. auch den Abschnitt »Führende Funktionäre« im Kap. 4) 11 HStAMbg 165/3982. Band 11. SchnellbriefGöringsvom 19.9.1933. 165 Ein Schreiben des Regierungspräsidenten in Kassel an die Kreispolizeibehörden) in dem im A uft rag des preußischen Innenministers die Schutzh C!ftvorgänge »iiberpriijt« tourden (I-IStA M bg 165/3982) Band 11). 166 29. Juli 1933 freigesprochen12, vermutlich jedoch nicht sofort entlassen, sondern im Polizeigefängnis am Königstor oder in der »Elwe«festgehalten worden; am 31. Juli 1933 hatte man ihn in das KZ Breitenau eingeliefert. Am 27. September 1933 wurde der Arbeiter Oswald Armbruster - gemeinsam mit Leo Klug, Hermann Fell und Wilhelm Elm; alle aus Flicden/Kreis Fulda - aus dem KZ Breitenau entlassen, wohin er am 29. Juni 1933 gebracht worden war. Wenige Wochen später wurde er jedoch als »Rückfälliger«in das KZ Sonnenburg verbracht, weil er erneut für die KPD agitiert hatte bzw. haben sollte. Am 30. September 1933 wurde der Fabrikant Gustav Grebestein aus Eschwege entlassen. Er war am 1. September 1933 in Schutzhaft genommen worden, vermutlich als Verwandter von Karl Grebestein - ebenfalls Fabrikant in Eschwe- ge -, der politisch für die »Tannenbergbewegung« tätig war. Karl Grebestein hingegen galt als »fanatischer Anhänger der Tannenbergbewegung« und als »Rückfälliger« und mußte noch bis Januar 1934 im KZ Breitenau bleiben." Die ersten Überstellungen in die »Großkonzentrationslager« - dieser Begriff findet sich in der Korrespondenz des Kasseler Polizeipräsidenten im Herbst 1933, offenbar in Abgrenzung zum Lager Breitenau - sind Mitte Oktober 1933 von Breitenau aus erfolgt. Es hat drei größere Transporte gegeben. Der erste ging in die Konzentrations- lager Bärgermoor und Esterwegen im Emsland, der zweite in das KZ Sonnen- burg, der dritte in das KZ Lichtenburg. Wir wissen, daß fünfundzwanzig Schutzhaftgefangene am 17. Oktober 1933 von Breitenau in das KZ Börgermoor überführt worden sind." Ihr folgte ein zweiter Transport von neunzehn Gefangenen am 24. Oktober in das KZ Ester- wegen (111). Der Polizeipräsident machte deutlich, daß man für die Transporte in die Emslandlager ein bestimmtes Kriterium angelegt hatte: »Es handelt sich um Schutzhäftlinge, für die eine Haftdauer von mindestens einem Jahr in Frage kommt.c" Unter diesen befanden sich z.B. Ernst Lohagen, Ludwig Pappenheim, Hans Schramm, Ernst Schädler, Willi Walberg, Heinrich Eckhardt und andere regional führende Nazigegner; bis auf den Sozialdemokraten Ludwig Pappenheim waren es Kommunisten. Für die nach Sonnenburg und Lichtenburg Überführten hatte 12 HHStA Wiesbaden: Dokumentation OJ 49/33 vom 29.7.1933. 13 HStA Mbg 165/3982. Band 12. Staatspolizeistelle Kassel an Gestapostelle Berlin vom 22.2.1934 betr.: Rückfällige frühere Schutzhäftlinge. 14 HStAMbg 165/3982. Band 11. pp an RP Kassel vom 25.10.1933. In diesem Schreiben teilte der Polizeipräsident mit, daß aus dem Lager Breitenau »arn 17.10.33 25 Schutzhäftlinge in das Konzentrationslager Börgermoor, Regierungsbezirk Osnabrück und am 24.10.33 19 Schutz- häftlinge in das Konzentrationslager III Esterwegen, Regierungsbezirk Osnabrück in Marsch gesetzt worden« sind. Diese Zahlen lassen sich aus Nachweisungen belegen. 15 HStAMbg 165/3982. Band 11. PP an RP Kassel vom 25.10.1933. 167 168 man dies Kriterium nicht angelegt; einige der in das KZ Sonnenburg Überführten wurden Weihnachten 1933 entlassen. Am 28. Oktober 1933 erging von Seiten des preußischen Innenministers (Unterzeichner: Fischer, der gerade das KZ Breitenau besichtigt hatte) die Aufla- ge an den Kasseler Regierungspräsidenten, »50 männliche Schutzhaftgefangene auszuwählen und sofort [...] in das staatliche Konzentrationslager in Sonnenburg bei Küstrin [...] zu überführen.« Am 11.11.1933 teilte der Kasseler Polizeipräsi- dent dem Regierungspräsidenten mit, daß am 7. November 17 Schutzhäftlinge, am 8. November 16 und am 10. November weitere 17 Schutzhaftgefangene »nach dem Konzentrationslager Sonnenburg in Marsch gesetzt worden sind.s" Am 14. November sollen dann - dies war der dritte Transport - nach Mit- teilung des Polizeipräsidenten von Breitenau aus sieben Schutzhaftgefangene, am 18. November neun und am 21. November ein Schutzhaftgefangener in das Konzentrationslager Lichtenburg bei Prettin überführt worden sein." Die nächste .Überprüfung- der Gefangenen fand wie erwähnt im Dezember 1933 statt. Göring hatte in einem Schreiben an Rudolf Diels, den Inspekteur der Geheimen Staatspolizei, »im Hinblick auf das günstige Ergebnis der Reichstags- wahlen, insbesondere in den Konzentrationslagern" und aus Anlaß des Weih- nachtsfestes« die Absicht bekundet, »in großzügiger Weise Entlassungen aus den Konzentrationslagern vorzunehmcn.e" Es handelte sich um die sogenannte 16 HStA Mbg 165/3982. Band 11. MdI Schnellbriefvom 28.10.1933 an OP Kassel; pp an RP vom 11.11.1933.Am 7.11. haben acht und am 8.11. achtzehn Gefangene Breitenau verlassen, wobei aus den Unterlagen (Archiv des LWV Hessen: KZ Breitenau. Nachweisungen) nicht hervorgeht, ob sie alle in das KZ Sonnenburg verbracht worden sind. 17 HStA Mbg 165/3982. Band 11. pp an RP vom 21.11.1933. Auch diese Zahlen lassen sich in den Breitenau-Akten nicht klar nachweisen. Diesen Unterlagen zufolge verließen am 17.11. dreizehn und am 20.11. ein Gefangener das Lager Breitenau, wobei auch hier nicht einwandfrei klar ist, ob diese vierzehn alle nach Lichtenburg verbracht worden sind. 18 In den preußischen Konzentrationslagern - auch im KZ Breitenau - haben die Schutzhaftge- fangenen an der Reichstagswahl teilnehmen können. Die Ergebnisse wurden z.T. in den Tageszeitungen mit den anderen Wahlergebnissen veröffentlicht. Vgl. DrobischlWieland, 118 f 19 HStA Mbg 165/3982. Band 12. PrMP und Chefd. Gestapo an Insp. d. Gestapo vom 5.12.1933. - Dieses Schreiben ist auch deshalb bemerkenswert, weil es die Tendenz Görings, die Himmlers Gegenüber: Ein Sammelbogen des Regierungspräsidiums Kassel, in dem dieAntworten der Kreispolizeibehören auf dieAnfrage (s. voriges Dokument)festgehalten wurden (HStA Mbg 165/3982, Band 11). Die handschriftlichen Eintragungen in der oberen Zeile bedeuten: Entlassung - SchutzhäJtling - K.P.D. - S.P.D. - Sonstige - Funktionäre - Rückffällige] - Staats.fleindlich] n[ach] 21.111.1933. Der hohe Anteil der inhaftierten Kommunisten und Funktionärefällt insAuge. 169 Der Polizeipräsident berichtet dem Regierungspräsidenten über die länger z u inhaftierenden politischen Gefangenen. Der»harteKern« derSchutzhaftgefangel1en verließ das KZ Breiten- au als Zwischenstation in ein »G rC!ßkonzentratiol1slager«(H StA Mbg 165/3982) Band 11). 170 Melsunger Tageblatt NI'. 266 uom 13. November 1933. - Es handelt sich U111 die nach Orten aufgelisteten Ergebnisse der Vollesabstimmuno vom12.November 1933(Demagogischformuliene ]a-Nein-Frage zur Politik der Hitler-Regierung) besonders ZLlIn Austritt ausdem Völkerbund) undder zeitgleich damit verbundenen Rei[hstagslvahl (Vgl. RGBII, 1933) 729.ff.). Unter »Breitenau« wurden, sonehmenwir an} dieStimmen derKZ-Gefangenen aufgeführt; der mit Abstand höchste Anteil (etwa 18% beiderReichstagswahl) derungültigen Stimmen im Kreis Melsunyen - die einzige Form} sein Nichteinverständnis oder seinen Protest gegenüber derEinheitsliste auszudrücken - spricht ebenenfalls hieifür. Im übrigen haben nicht alle Gefangenen an Wahl und Volksabsiimmung tciloenomrnen, denn am 12. November 1933 befanden sich 101 Gefangene im KZ Breitenau. 171 >Weihnachtsamnestie<. Diels reichte diesen Wunsch seines Chefs an die Staatspolizeistellen weiter." Die Entlassungen sollten in zwei Transporten, je- weils am 16./17. Dezember und am 22./23. Dezember 1933 erfolgen. »Führende Persönlichkeiten sollen auch diesmal von der Entlassung ausgeschlossen sein.« Die Gestapo Kassel teilte mit, daß von den eingesperrten 201 Schutzhaftgefan- genen aus dem Regierungsbezirk »für die erste Entlassungsaktion [...] keine Häftlinge in Betracht [kommen], da aufGrund des Wahlergebnisses im Laufe der letzten Wochen bereits 25 Häftlinge entlassen worden sind.« Aus dem Kasseler Polizeigefängnis «einschließlich Lager Breitenau sollen am 20. Dezember zum Weihnachtsfest etwa 45 Schutzhäftlinge entlassen werden. Von den in staatlichen Großkonzentrationslagern befindlichen Schutzhäftlingen können etwa 20 entlas- sen werdcn.e" In der Tat wurden am 22. Dezember 1933 aus dem KZ Breitenau 26 Schutzhaft- gefangene, am 23. Dezember 1933 13 Schutzhaftgefangene und am 24. Dezember ein Gefangener entlassen." Im März 1934 erfolgte erneut eine Überprüfung der Schutzhaftvorgänge, verbunden mit einer Aufstellung der noch in Schutzhaft sich befindenden Personen. Einige Unterlagen hierzu haben sich erhaltcn.f Von den insgesamt 470 Schutzhaftgefangenen des frühen Konzentrationsla- gers Breitenau waren im März 1934 folgende 25 Personen für eine weitere Haftzeit vorgemerkt: Johann Bettinghausen, Siegfried Frank, Oskar Geiler, Heinrich Heeb, Wilhelm Hens, Karl Hörle, Paul Joerg, Konrad Krüger, Karl Küllmer, Benjamin Loebenberg, Ernst Lohagen, Max Mohaupt, Johann Neidhardt, Adam Nix, Ernst Schädler, Siegfried Schild, KarlSchimp( Heinrich Schmidt,Hans Schramm, August Schülbe, Otto Stolze, Wilhelm Störmer, Willi Wdlberg, Ludwig~ber, Fritz ~hnhardt.24 Plänen und seiner Praxis unmittelbar zuwiderlief, die Schutzhaft nämlich weitgehend zurückzudrängen, klar zum Ausdruck bringt. Göring hielt es für geboten, »daß mehr und mehr von der Verhängung der Schutzhaft abgesehen wird und Personen, die sich politisch betätigt und strafbar gemacht haben, den ordentlichen Gerichten zugeführt werden. [...] Soweit Schutzhaftverhängung notwendig wird, ist in jedem Fall mein persönliches Einverständnis einzuholen.« 20 HStA Mbg 165/3982. Band 12. Abschrift. Gestapa an Stapostellen vom 7.12.1933. 21 HStA Mbg 165/3982. Band 12. PP Kassel. Stapostelle. Funkspruch an Gestapa in Berlin vorn 8.12.1933. 22 Archiv des LWV Hessen: KZ Breitenau. Verzeichnis über die Zu- und Abgänge vom 27. Dezember 1933/vom 9. Januar 1934. 23 HStA Mbg 180. Wolfhagen 2329. Schreiben PP/Stapo Kassel an LR RegBez vorn 14.3.1934; HStA Mbg 165/3982. Band 13. »Sammelbogcn« von Ende März 1934, der die Anzahl und Haftorte der Schutzhaftgefangenen des RegBez., nach Kreisen gegliedert, aufführt; HStA Mbg 165/3982. Band 13. Nachweisung der Schutzhäftlinge, für die aufGrund des Erlasses [... ] vorn 16.3.1934 [...] und der Verfügung des RP Kassel vom 20.3.1934 [...] über den 31.März 1934 hinaus Schutzhaft verlängert wird.« 24 HStA Mbg 165/3982. Band 13. Stapo Kassel. Nachweisung der Schutzhäftlinge, für die [...] über 172 Wenn man diese Gruppe von Gefangenen, die über den März 1934 in Schutz- haft gehalten wurden, näher betrachtet, so finden sich in der Tat viele darunter, die man ohne jede Einschränkung als Widerstandskämpfer bezeichnen muß. Diese 25 Schutzhaftgefangenen waren in der kommunistischen Bewegung tätig. Das KZ Breitenau war die erste Station für sie; sie sind fast alle nach ihrer Zeit im KZ Breitenau von der ganzen Härte politischer Verfolgung getroffen worden. Hierfür einige Beispiele: Paul Joerg war Stadtverordneter und Kreistagsabgeordneter in Witzenhausen. Vom 23.Juli 1935 bis 1.Juli 1937 war er in Untersuchungshaft in Kassel (fast zwei Jahre!). Dann erfolgte seine Verurteilung zu sechs Jahren Zuchthaus wegen Vorbereitung zum Hochverrat: vom 2. Juli 1937 bis zum 2. August 1942 verbüßte er diese Strafe im Zuchthaus Wehlheiden. Am 3. August 1942 kam er in das KZ Sachsenhausen, wo er am 3. Mai 1945 befreit wurde." Johannes Bettinghausen war Kommunist, jedoch kein Funktionär im klassi- schen Sinne. Er wurde am 23. Juni 1936 wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu zwei Jahren Gefängnis und anschließend zu Arbeitshaus verurteilt." Am 29. August 1941 wurde er wegen Vorbereitung zum Hochverrat und wegen »Hcimtücke« zu vier Jahren Zuchthaus und Sicherungsverwahrung verurteilt." Ernst Schädler kam unmittelbar vom KZ Breitenau in das KZ Neusustrum (16. Oktober 1933 bis 1. September 1934). Vom 27. Januar 1936 bis zum 3. November 1936 kam er in Untersuchungshaft. Am 3. November 1936 wurde er zu fünfJahren Zuchthaus wegen Vorbereitung zum Hochverrat verurteilt. In der Strafanstalt Vechta war er vom 4. November 1936 bis zum 27. Januar 1941. Am Entlassungstag wurde er in das KZ Sachsenhausen transportiert; von dort kam er am 10. November 1944 zur berüchtigten »Einheit Dirlewangerc", die gegen sowjetische Truppen kämpfte. Er geriet im Dezember 1944 in sowjetische Kriegs- gefangenschaft, aus der er 1946 freikam." August Schülbe war von Breitenau in die Emslandlager gekommen und von dort Weihnachten 1933 entlassen worden. Am 27. Januar 1934 wurde er erneut verhaftet und kam ins Polizeigefängnis Kassel; vom 14. Juni 1934 bis 27. Juni den 31.3.1934 hinaus Schutzhaft verlängert wird«. 25 Joachim Tappe: Die Geschichte der Arbeiterbewegung in Witzenhausen, Witzenhausen 1984, S. 340 ff (Bemerkenswerte Gedichte, die Paul Joerg im Zuchthaus Wehlheiden verfaßte, sind dort wiedergegeben). 26 Archiv des LWV Hessen. Bestand 2. Nr. 7633. Aufnahmebuch Breitenau 1895-1945. Hier ist Johann Bettinghausen als Korrigend unter der Nr. 1972 (Buchstabe B, männlich) für die Zeit vom 6.5.1938 bis 4.4.1939 eingetragen. Eine Personenakte ist nicht überliefert. 27 Universität Kassel GHK: Informationsstelle Nationalsozialismus in Nordhessen. Sammlung Georg Merle. OLG Ks: OJs 54/36 vom 23.6.1936; OLG Ks: OJs 20/41 vom 29.8.1941. 28 Zu den Strafeinheiten vgl. Kammler, Deserteure, 164 f 29 f-IHStA Wbdn: Dokumentation; Schriftliche Mitteilung von Frau Bambey, Kulturbeauftragte der Gemeinde Frielendorf, vom 17.8.1995; Schriftliche Mitteilung von Frau Höppner, der Schwester von Ernst Schädler vom 18.9.1995. 173 1935 saß er in Untersuchungshaft. Am 27. Juni 1935 wurde er wegen Vorberei- tung zum Hochverrat zu neun Jahren Zuchthaus vom Volksgerichtshofverur- teilt." August Schülbe befand sich vom 7.Juni 1933 bis zum 12./18. März 1944 - mithin fast elfJahr lang - ununterbrochen in Haft (im KZ Breitenau, im KZ Neusustrum, im Kasseler Polizeipräsidium, im Untersuchungsgefängnis »EI- wc«, in der Strafanstalt Moabit, im Zuchthaus Wehlheiden, im »Aschendorfer Moor« und wieder im Zuchthaus Wehlheiden).31 Friedrich Wehnhardt aus Niederzwehren hatte mehrere Haftaufenthalte: Polizeigefängnis Kassel, Untersuchungshaft (1934-1935), Gefängnis (1935), Be- währungsbataillon 999 (4. Februar 1943 - 9. Mai 1945).32 Ernst Lohagen wurde vom Volksgerichtshofzu fünfzehn Jahren wegen Vor- bereitung zum Hochverrat verurteilt." Willi Walberg kam von Breitenau unmittelbar in das KZ Papenburg (bis 1. Mai 1934); auch er hatte eine extrem lange Untersuchungshaftzeit durchzustehen (25. Januar 1936 bis 10. August 1937); anschließend sechs Jahre Zuchthaus in der ]VA Wehlheiden (10. August 1937 - 8./10. Mai 1942); am Tag der Entlassung kam er in das KZ Sachsenhausen; von dort bis zum Kriegsende in das KZ Lichterfelde-West. Am 6. Mai 1934 waren im Regierungsbezirk Kassel noch »28 Schutzhäft- linge vorhandene", ein Sammelbogen hielt die Herkunft dieser Gefangenen nach Landkreisen fest; am 15. Mai 1934 waren es noch 20.3SAn diesen Zahlen läßt sich der Prozeß des Filterns deutlich erkennen. Zurückbleiben sollten jene vermeintlich .Unbclehrbaren., die sich zu keiner Art von Umerziehung und Anpassung hergaben. Es darf hier nicht vergessen werden, daß im Mai 1934 bereits zahlreiche ehemalige Schutzhaftgefangene wegen -Hochverrat. zu langjährigen Zuchthaus- oder Gefängnisstrafen verurteilt waren und sich in Strafanstalten befanden, so daß sie nicht mehr in der Statistik .Schutzhaftgcfangcnc- geführt wurden, weil sie Strafgefangene geworden waren. Hier eine Übersicht über die herausragenden .Schübe- von Entlassungen aus dem KZ Breitenau: 30 StA Kassel: Betreuungsstelle .Schülbe, A. (Strafregisterausazug vom 15.4.1946): Volksgerichtshof Berlin -15J 126/34 - 27.6.35 [wegen] Vorber. eines hochverr. Unternehmens, einheitl. begangen nach dem Sprengstoffgesetz zu 9 Jahren Zuchthaus. 31 StA Kassel: Betreuungsstelle. Schülbe, A. 32 HHStA Wbdn: Dokumentation 33 HHStA Wbdn: Dokumentation 34 HStA Mbg 165/3982. Band 13. Sammelbogen zur Verfügung vom [...] Generalakten. 35 HStA Mbg 165/3982. Band 13. Samme1bogen Schutzhäftlinge. Funkspruch. 174 Herausragende sSchiihe: von Entlassungen bzw. Übeiführungen in andere Konzentrationslager 30 2 3 4 56 8 Zeitraum 16. Juni 1933 bis ]7. März 1934 128.7.1933 2 14.8.1933 3 13.9.1933 428.9.1933 5 16.10.1933 624.10.1933 Erste größere Entlassung von 15 Schutzhaftgefangenen, über- wiegend (10 nachweislich) sozialdemokratischen Amts- und Mandatsträgern. Zweiter größerer Entlassungsschub von 16 Schutzhaftgefan- genen (Sozialdemokraten, Kommunisten, .Beleidigungs-- Vorwürfe). Entlassung von 15 Schutzhaftgefangenen (fast ausschließlich von kommunistischen Parteimitgliedern [ohne Funktion bzw. Amt] und Sympathisanten). Entlassung von 20 Schutzhaftgefangenen (fast ausschließlich von komunistischen Parteimitgliedern [ohne Funktion bzw. Amt] und Sympathisanten). Überführung von 25 Schutzhaftgefangenen in die Emsland- Konzentrationslager (überwiegend kommunistische Funktio- näre aus dem ganzen Reg.Bez.: Heinrich Eckhardt, PaulJörg, Ernst Lohagen, AdolfRügheimer, Ernst Schädler, August Schülbe u.a.) Börgermoor, Esterwegen, Neusustrum und Papenburg. Überführung von 20 Schutzhaftgefangenen in das KZ Ester- wegen (Kommunisten aus Hanau und Landkreis Hanau). 175 7 7.-10.11.1933 Überführung von 40 Schutzhaftgefangenen in das KZ Sonnen- burg (aus dem ganzen Regierungsbezirk Kassel). 8 17./21.11.1933 Überführung von 17 Schutzhaftgefangenen in das KZ Lichtenburg 9 23.12.1933 Entlassung von 26 Schutzhaftgefangenen (Weihnachtsamnestie Görings). 10 16./17.3.1934 Entlassung von 37 Schutzhaftgefangenen anläßlich der Aufhe- bung des Konzentrationslagers Breitenau. Die Behauptung des regionalen KZ Aus den Akten läßt sich das - von Anfang an beobachtbare - Bemühen des Kasseler Polizeipräsidenten und Gestapostellenleiters von Pfeffer entnehmen, das Konzentrationslager Breitenau so lange wie möglich bestehen zu lassen. Die Auffassungen im preußischen Innenministerium gingen in die entgegengesetzte Richtung: man betrieb die baldige Auflösung der frühen und .wilden- Konzentra- tionslager und Haftstätten. Das wurde bereits an der ersten offiziellen Stellung- nahme der preußischen Regierung zum KZ Breitenau deutlich. Am 24. Juli hatte der preußische Innenminister seine Auffassung klar ge- macht: er sprach von einem »zur Unterbringung politischer Schutzhäftlinge vorübergehend eingerichteten Lager in der Landesarbeitsanstalt Breitenau«, ge- nehmigte die Wachmannschaft auch nur »bis aufweiteres vorbehaltlichjederzei- tigen Widerrufs« und machte seine Absicht am Ende des Schreibens noch einmal deutlich, indem er den vorübergehenden Charakter der »behelfsmäßigen Unter- bringung der Schutzhäftlinge in der Landesarbeitsanstalt [!] Breitenau« betonte." Auf der Grundlage eines Berichts des Polizeipräsidenten" beeilte sich der Regierungspräsident, dem Innenminister gegenüber die .Vortcilc. Breitenaus zu verdeutlichen: erstens seien Einrichtung und Ausstattung in Breitcnau vorhan- den, zweitens sei der Tagessatz dort um 30 Pfennige billiger als im Polizeigefäng- nis, drittens leisteten die Häftlinge produktive Arbeit und viertens gäbe es in Stadt und Landkreis Kassel keine anderen »geeigneten Unterbringungsmöglichkeiten«. Der Regierungspräsident schloß: »Solange die Zahl der politischen Schutzhäftlinge, die für das Moorlager in Frage kommen, noch so hoch und oft so sprunghaft ansteigt, wie dies bisher der Fall gewesen ist, bitte ich, das Durchgangslager Breitenau als Sammellager auch nach Ferti~stel!un9H des Moorlagers bestehen zu lassen, da es m. E. als solches unent- behrlich ISt.«- 36 HStA Mbg 165/3878. MdI an RP Kassel vorn 24.7.1933. 37 HStA Mbg 165/3878. pp an RP Kassel vom 3.8.1933. 38 HStAMbg 165/3878. RP an MdI vom 10.8.1933. 176 Mitte August gelang es von Pfeffer dann, der neuen Definition der Hilfspoli- zei (»Hilfspolizeibeamte des Geheimen Staatspolizeiamtes«) Rechnung zu tragen und die SS-Wachmannschaft bis zum 30. September 1933 verlängern zu kön- nen." Ende September startete von Pfeffer erneut eine Initiative, um Breitenau über den 30. September 1933 hinaus zu verlängern. Er wandte sich an den Regierungspräsidenten, verwies aufdie geringen Kosten, die Breitenau dem Staat verursache, und betonte, »daß das Lager für Schutzhäftlinge in Breitenau auch über den 30. September 33 hinaus erforderlich ist.c" Wie stets zuvor in Fragen Breitenaus übernahm der Regierungspräsident Geist und Buchstaben dessen, was ihm vom Polizeipräsidenten vorgeschlagen war, und wandte sich im selbcn Sinne an den Innenminister." Dieser entsandte einen Referenten (Fischer), der sich vor Ort ein Bild machte. Anschließend teilte der Innenminister mit: »Nach dem Ergebnis der örtlichen Besichtigung des Lagers am 3. Oktober d]. ist seine Auflösung zunächst noch nicht vorgesehen. \leitere Weisung bleibt zu gege- bener Zeit vorbehalten.c" Interessant ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, daß die Anstalt selbst im Oktober 1933 vorschlug, - zu einer Jahreszeit, in der üblicherweise eine Erhöhung der Tagessätze mit Blick auf die Heizkosten im Winter gestellt wurde - den Verpflegungssatz wieder auf 1,- RM abzusenken. Sie tat dies, um die in Aussicht genommene Auflösung des Konzentrationslagers abzuwenden. Wir entnehmen dies einem Schreiben der Kasseler Staatspolizeistelle vom 10. Okto- ber 1933 an den Landeshauptmann in Hessen, in dem es u.a. hieß: »Mit Ihrem \Orschlag bin ich einverstanden. Es wird somit ab 16. d. Mts. für jeden Schutzhäftling pro 1ig 1,- RM gezahlt [...]. Nach Lage der \erhältnisse ist jedoch damit zu rechnen, daß bei den nunmehr ermäßigten Kosten das Lager in Breitenau in absehbarer Zeit nicht aufgelöst wird. gez. von Pfeffer.«43 Die Auflösung des Lagers sollte dann doch in nächster Zeit erfolgen, wenn- gleich erheblich später als vom preußischen Innenministerium gewünscht und geplant war. Die abschreckende Wirkung Aus mehreren Berichten ehemaliger Schutzhaftgefangener Breitenaus geht die Tatsache hervor, daß sie die Zeit in Breitenau als demütigend und niederschmet- 39 Vgl. den Abschnitt »Die zweite Wachmannschaft. Rechts- und Unterstellungsverhältnisse« (im Kap. 7). 40 HStA Mbg 165/3878. pp Kassel an RP Kassel vom 21.9.1933. 41 HStA Mbg 165/3878. RP an MdI vom 26.9.1933. 42 HStA Mbg 165/3878. MdI an RP Kassel vom 16.10.1933. 43 Das im Betreffgenannte Schreiben des Landeshauptmanns vom 6.10.1933 (Az. I Br. I 29) ist uns nicht zugänglich gewesen. Archiv des LWV-Hessen: KZ Breitenau. Polizeipräsident an Landeshauptmann v. 10.10.1933. 177 178 1933 - Ir- G 1610/22.6.33.19~ DerPolizeipräsident Fritz von Pfeifer engagierte sich gegenüber den Regierungsbehärden für die Beibehaltung des regionalen Konzentrationslagers Breitenau (HStA Mbg 165/3878). 179 Das preußische Innenministerium akzeptierte den Vorschlag desKasselerPolizeipräsidenten und ließ das LagerBreitenau bisaujweiteres bestehen (HStA Mbg 165/3878). 180 ternd empfunden haben. Dies ist verständlich, da von Seiten der SA und SS Demütigungen, Beleidigungen und Mißhandlungen beabsichtigt und an der Ta- gesordnung waren. Die Schutzhaftgefangenen sollten sich als Bestrafte wahrneh- men, um sich dann wieder - gleichsam ein neues politisches Leben beginnend - als von der nationalsozialistischen Idee Überzeugte in die .Volksgcmcinschafb ein- zufügen. Diese pseudoreligiöse Demagogie, die mit bewährten überlieferten Topoi wie Strafe, Sühne, Einkehr und Umkehr .arbeitete-, findet sich besonders klar in einem ganzseitigen und bebilderten Artikel in der kurhessischen NS-Gau-Zeitung »Kurhessische Landeszeitung«. Der Artikel ist zwar erst im November 1934, also nach der Auflösung des KZ Breitenau erschienen; er enthält jedoch alle Momente dieser Methode einer dumpfen Schuld-und-Sühne-Ideologie. Der Artikel ist überschrieben »Einmal dritter Klasse Breitenau!«." Mit diesen Worten verlangt in Kassel eine junge Frau am Bahnhof eine Fahrkarte nach Guxhagen. Der Untertitel schlägt das eigentliche Thema an: »Ein Mensch findet sein Vaterland - Kommune, Breitenau und Erwachen«, Der uns hier inter- essierende Aspekt an dieser kitschigen und mit üppigen Klischees aufgeladenen Geschichte ist die Darstellung des politisch Andersdenkenden, hier des jungen Kommunisten Horst Windner, bei dem Sachbeschädigung, Diebstahl und Kom- munismus in einen Topf gerührt werden. »AlsHost Windner eines liges arbeitslos geworden war, lachte er laut, da er seinem jungen Weibe gegenüber trat. Martha blickte ihn erschrocken an: -Du kannst dabei noch lachen, Horst? Mir fährt ein großen Grauen in die Seele.< -Ich habe keine Angst<, sagte er mit hastigen Worten, .das mußte so kommen. Alle müssen arbeitslos werden und die Fäuste recken, die Schornsteine müssen erst umgerissen werden, dann kommt das Reich des Friedens für uns Arbeiter.< Dann trat sie plötzlich dicht vor ihn hin und starrte ihm in die Augen. .Du bist wohl auch einer von den \errätern, die auf den 1rümmern etwas N eues errichten wollen?« sagte sie gereizt.« Horst Windner wird, nachdem er eine Schaufensterscheibe eingetreten hatte, verurteilt und kommt nach Breitenau. Seine Frau Martha - die Ehe war zerbro- chen - besucht ihn nun nach langer Haftzeit und kurz vor der Entlassung in Breitenau (»Einmal dritter Klasse Breitenau!«) und bringt ihn wieder aufden Weg in das .neue Deutschlande » .Horst-, sagte Martha jetzt mit leiser Stimme, -ich will noch ein größeres Opfer bringen, ich will wieder zu Dir und alles tun, damit du noch ein tüchtiger, ehrlicher und glücklicher Mensch wirst in diesem neuen Deutschland, das wir so von Herzen lieben, weil alles so anders und schön in ihm geworden ist. Der Arbeiter ist so hoch geachtet und schämt sich auch der härtesten Arbeit nicht mehr. Auch Du wirst es sein, wenn Du - - -< « 44 Kurhessische Landeszeitung N r. 277 vom 17./18.11.1934. 181 Es läßt sich denken, daß diese Schuld- und Sühne-Ideologie bei eInIgen Inhaftierten Selbstvorwürfe und persönliche Schuldzuweisungen ausgelöst hat. Wir wissen, daß viele der ehemaligen Schutzhaftgefangenen Breitenaus, mit denen wir in Verbindung getreten sind, auch nach Ende der Hitlerzeit nicht einmal im engsten Kreis ihrer eigenen Familie, also gegenüber Frau und Kindern, über ihre Zeit als Schutzhaftgefangene in Breitenau gesprochen haben. Mitunter erfuhren ihre engsten Familienangehörigen erst durch die Tatsache, daß von der Universität jemand kam, der den Vater interviewen wollte, von seiner Haftzeit in Breitenau. Aus manchen Gesprächen wurde deutlich, daß sich ehemalige Gefan- gene Breitenaus, obwohl hierzu weder objektiv eine Berechtigung noch subjektiv auch nur die Spur eines Anlasses bestanden hat - ihrer Zeit in Breitenau geschämt haben. Darin sehen wir eine schlimme, weit ins Leben des einzelnen hineinragen- de, jahrelang anhaltende Wirkung der Haft. Soviel zur abschreckenden Wirkung aufdie Schutzhaftgefangenen Breitenaus selbst. Von nicht geringerer Bedeutung dürfte die Abschreckung und Einschüch- terung des KZ Breitenau für die Öffentlichkeit gewesen sein, zuallererst freilich für den Kreis der politisch Interessierten und Engagierten, für ehemalige Mit- glieder und Wähler wie Sympathisanten zum Beispiel von SPD und KPD, von Zentrum und Liberalen. Es ist an Berichte entlassener Schutzhaftgefangener oder Angehöriger zu denken, die sich im Kreis der politischen Freunde schnell herumgesprochen haben dürften. Auch wenn einer zurückkam und mit keinem Wort über die Zeit in Breitenau sprach, hatte dies Wirkungen. Zweitens gibt es verstreute Hinweise darauf daß die Behörden, von den Landrä- ten bis zum Bürgermeister, die Drohung .Breitcnau. politisch einsetzten. »Als er sich 1933 in Harleshausen beim Bürgermeister wegen der Einteilung zur Pflichtarbeit melden mußte, verweigerte er vor 50 angetretenen Arbeitslosen den -deutschen Gruß., obwohl ihn der Bürgermeister noch einmal vor die 1iir schick- te, um ihm Gelegenheit zur .Besinnung. zu geben, und ihm mit dem nahen KZ Breitenau drohtc.c" Auch finden sich einzelne Berichte von exzessiver Grausamkeit, die sich im KZ Breitenau ereignet haben sollen. Es läßt sich nicht mehr feststellen, ob sich das Berichtete so oder überhaupt ereignet hat. Bemerkenswert sind diese Berichte jedoch allein schon als Zeugnis des verbreiteten Schreckens, der von Breitenau damals ausging. Sie belegen die zeitgenössische abschreckende Wirkung des KZ, nicht unbedingt die Torturen selbst." Und schließlich fanden die NS-Presse und ihr nahestehende Journalisten in bürgerlichen Zeitungen ein ausgesprochenes Interesse an der Bloßstellung und 45 zitiert nach: Kammler, Deserteure, 23. 46 Vgl. den Bericht von Fritz Raabe, dem ehemaligen Bürgermeister von Breuna (5.143 f.). 182 Verhöhnung besonders sozialdemokratischer Mandatsträger aus der -Systemzeitc Diese von Niedertracht, Hohn und Spott gekennzeichneten Artikel, z.B. in der »Kurhessischcn Landeszeitung«, werden ihre Wirkung auf das politische Umfeld der so öffentlich Angeprangerten nicht verfehlt haben. Die Auflösung des KZ Breitenau Die Zahl der Schutzhaftgefangenen in Breitenau war seit Mitte Oktober 1933, dem Beginn der Verschiebung zahlreicher Schutzhaftgefangener in die so- genannten .Großkonzentrationslager- Börgermoor, Esterwegen, Lichtenburg und Sonnenburg, stark zurückgegangen. Die Entlassungen auf Grund der Weih- nachtsamnestie Görings hatte ebenfalls einen deutlichen Rückgang bewirkt. Dementsprechend hatte der Polizeipräsident die SS-Wachmannschaft reduziert. Vereinzelt trafen zwar noch bis Anfang März Schutzhaftgefangene in Breitenau ein; gleichwohl war nun auf Grund des starken Rückgangs der Gefangenen für von Pfeffer das Provisorium Breitenau zu beenden. Die Auflösung erfolgte unvermittelt und schlagartig. Am 13. März 1934 infor- mierte das Kasseler Polizeipräsidium telefonisch den Oberpräsidenten darüber, »daß infolge der allgemein vorzunehmenden Einschränkung der Konzentrationslager in allernächster Zeit, vielleicht schon vor dem 20. d. Mts., innerhalb 24 Stunden mit der Aufhebung des dortigen Konzentrationslagers gerechnet werden müsse.s" Am 16. März 1934 befanden sich noch 36 Schutzhaftgefangene im KZ Brei- tenau. An diesem Tag wurden 22, am folgenden Tag 14 Gefangene entlassen. Wohin diese entlassen wurden, - ob in Freiheit oder in ein anderes KZ - konnte nicht ermittelt werden. Zwei Tage später wurde die Auflösung verfügt. Dr. Ferdinand Oskar Hüt- teroth48, der stellvertretende Leiter der Staatspolizeistelle Kassel, dankte der Anstalt mit folgenden Worten: »Gemäß Anordnung des Herrn Ministerpräsidenten muß das Schutzhaftlager Breitenau mit sofortiger Wirkung aufgelöst werden. Für die freundliche Überlas- sung der Räume und die vorbildliche Zusammenarbeit zwischen der Leitung der Anstalt und meinen Dienststellen bringe ich aus diesem Anlaß nochmals unseren besonderen Dank zum Ausdruck.c" Am Sonnabend, den 17. März 1934,16 Uhr, war das Schutzhaftlager Breiten- au »endgültig aufgehoben«." 47 Archiv des LWVHessen: KZ Breitenau. OP an Breitenau vom 13.3.1934. 48 Klein, Lageberichte der Gestapo, 22 f 49 Archiv des LWV Hessen: KZ Breitenau. pp Kassel an OP Kassel vom 15.3.1934. 50 Archivdes LWVHessen: KZ Breitenau. Notiz des AnstaltsleitersKlimmervom 19.3.1934. (handschr.). 183 Zu einzelnen Schutzhaftgefangenen Alfred Abramowicz (*1905) In den Akten des Kasseler Regierungspräsidenten, abgelegt unter betr.: Öffentliche Ruhe und Ordnung befindet sich ein beschämender Vorgang, der ein Licht auf die Praxis antisemitischer Vorstellungen nicht nur bei der nationalsozialistischen Ideologie ergebenen Parteigängern, sondern auch bei Regierungsbeamten in der Verwaltung wirft. Erhalten ist der Briefvon Frau Minna Abramowicz, der Mutter des zu diesem Zeitpunkt im KZ Breitenau inhaftierten Alfred Abramowicz, an den Oberpräsi- denten der Provinz Hessen-Nassau, Seine Königliche Hoheit Prinz Philipp von Hessen vom September 1933, der im Wortlaut wiedergegeben werden soll': »Eure königliche Hoheit, bitte ich ergebendst folgendes unterbreiten zu dürfen: Ich bin eine fast 70-jährige Witwe, die in den Nachkriegsverhältnissen völlig verarmt ist. Ich werde von meinem 28-jährigen Sohn Alfred ernährt. Mein Sohn hatte im Winter vier Monate lang eine schwere Nierenentzündung, von der er sich nicht vollständig erholen konnte. \On der Reichsversicherungsanstalt für Angestellte wurde er daher zur Kur nach Bad Reinhardsquelle [Reinhardshausen] bei Wildungen gesandt, wo er bis zum 2. August ca. vier Wochen verbrachte. Dort lernte er eine junge Dame, Fräulein 1rude Benz aus Köln kennen, die im gleichen Sanatorium zur Kur weilte. Die beiden jungen Leute freundeten sich an und verabredeten miteinander nach Abschluß ihrer Kur noch einige lige in der schönen Gegend bei Wlldeck zu verbringen. Da sie beide gerne Wlssersport treiben, wollten sie am Edersee bei "Waldeck noch etwas rudern. In "Waldeck wohnten sie in zwei getrennten Zimmern im Hotel .Höhle-, wo sie sich unter ihrem richtigen Namen eintrugen. Am dritten lige ihres Wlldecker Aufenthalts wurden die beiden jungen Leute von SA verhaftet. Erst nach Wildungen, später ins Gefängnis nach Kassel überführt. 'Während das junge Mädchen nach wenigen 'ligen entlassen wurde, ist mein Sohn in das Konzentrationslager nach Breitenau gebracht worden, wo er sich jetzt seit vier Wochen befindet. Gegen irgend ein geltendes Gesetz hat mein Sohn nicht verstoßen. Ob sein \erhalten irgendwie moralisch verurteilenswert war, vermag ich nicht zu beur- teilen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß mein Kind irgendwie etwas getan hat, was den Gesetzen Gottes oder der Menschen zu wider läuft. Mein Sohn ist ein völlig unpolitischer junger Mensch, dessen moralische Auffassungen auch immer ziem- lich streng gewesen sind. In den letzten Jahren war er fast ständig leidend. Hier- durch hat sich bei ihm eine gewisse Schüchternheit im \erkehr mit Menschen, insbesondere mit Frauen, ausgebildet. Ich kann mir daher auch nicht vorstellen, daß zwischen Fr. Benz und meinem Sohn andere als rein freundschaftliche Bezie- hungen bestanden haben. Dem ganzen Charakter und der schüchternen \eranla- gung meines Sohnes liegt jede erotische Aktivität völlig fern. Selbst wenn jedoch Der Regierungsbezirk Kassel (vormals Kurfürstentum Hessen) war Teil der 1868 neu gebildeten preußischen Provinz Hessen-Nassau, zu der auch der Regierungsbezirk Wiesbaden (vorrnals Herzogtum Nassau) mit (der vormals Freien Reichsstadt) Frankfurt gehörte. An der Spitze der Provinz stand der Oberpräsident (Sitz Kassel). 184 diese Annahme nicht zutreffen sollte, bitte ich Eure Königliche Hoheit zu beden- ken, daß mein Sohn durch die jetzt durchlebten vier W:>chenfür eine etwa began- gene Unbesonnenheit bereits so schwer bestraft ist, daß nunmehr eine milde Beurteilung gerechtfertigt sein dürfte. Mein Sohn, der als schwerkranker Mann nach Reinhardsquelle gekommen ist, muß unter dem seelischen und körperlichen Druck der Internierung besonders leiden. Noch viel schwer trifft dies jedoch mich. Ich war bis zum Kriegsausbruch mit meinem Mann in Rußland. Wir mußten, da mein Mann Leiter einer Bank war, vor den Bolschewisten fliehen und haben dann unser ganzes 'Vermögen verloren. Mein Sohn ist meine einzige Stütze auf der Welt. Wenn ich diese verliere, stehe ich ganz allein aufder Welt und falle der öffentlichen Wohlfahrt zur Last. Bei der schwachen Konstitution meines Kindes fürchte ich, daß ein längerer Aufenthalt im Lager ihn körperlich und seelisch so schwächt, daß er- der gegenwärtig arbeitslos ist - nicht imstande ist, sich eine neue Existenz auf- zubauen, zumal ihm für den Aufbau keine anderen Mittel als die Kräfte seines Körpers und Geistes zur 'Verfügung stehen. Eine verzweifelte Mutter bittet Eure Königliche Hoheit als obersten Polizeiherrn der Provinz Hessen-Nassau inständigst um die Freilassung ihres Kindes. Sehr ergcbendst.e Die Verfasserin des Briefes hatte ihren Geburtsnamen Bloch bei ihrer Eingabe mit angegeben. War es diese Unterschrift, die im Regierungspräsidiumjemanden veranlaßt hat, die Passage »seiner fast 70jährigen Mutter« im Schreiben des in dieser Angelegenheit appellierenden Rechtsanwalts mit einem >J< (für ~üdisch<) am Rande zu kommentieren? Am 13. September 1933 wandte sich Rechtsanwalt Max Baum aus Berlin an den Regierungspräsidenten in Kassel, da er in Erfahrung gebracht hatte, daß Prinz Philipp von Hessen die Eingabe der Mutter »zuständigkeitshalber dorthin weitergeleitet« hat. Der Anwalt machte darauf aufmerksam, daß »die baldige Haftentlassung um so mehr zu rechtfertigen sei, als Alfred Abramowicz beabsich- tigt, demnächst aus Deutschland auszuwandern«. Der Kasseler Regierungspräsident legte den gesamten Vorgang dem Kasseler Polizeipräsidenten von Pfeffer vor. Das vom Polizeipräsidenten persönlich unter- zeichnete Antwortschreiben lautete: »Abramowicz hatte Anfang August dieses Jahres ein deutsches Mädchen verführt, mit ihm in einem Hotel zu übernachten. Hierüber war in der Bevölkerung eine derartige Erregung entstanden, daß 1ätlichkeiten gegen ihn zu befürchten waren. Herr Abramowicz mußte daher zu seiner eigenen Sicherheit in Schutzhaft genom- men werden, ist jedoch am 16. dieses Monats wieder freigelassen worden.« Der Kasseler Regierungspräsident übernahm die Erklärung des Polizeipräsi- denten und teilte dies dem Berliner Rechtsanwalt mit; er schloß: »Ich sehe damit die Angelegenheit als erledigt an«. Auch der Mutter teilte er am 29. September 1933 mit: 2 HStA Mbg 165/3982.Band 11. 185 »Aufdie Eingabe vom 4. September dieses Jahres teile ich Ihnen mit, daß Ihr Sohn, Alfred Abramowicz, am 16. dieses Monats aus der Schutzhaft entlassen worden ist. Ich sehe damit die Angelegenheit als erledigt an.«] Aus den erhaltenen Akten des Konzentrationslagers Breitenau geht hervor, daß Alfred Abramowicz aus Berlin in der Zeit vom 11. August bis zum 15. September 1933 im Konzentrationslager Breitenau eingesperrt war." Der weitere Lebensweg von Alfred Abramowicz ließ sich nicht aufklären. Julius Dalberg (1882 - 1943?) Rechtsanwalt und Notar Julius Dalberg war Gemeindeältester und in verant- wortlichen Positionen der Kasseler Jüdischen Gemeinde. Er hatte zu deren Geschichte (gemeinsam mit Dr. RudolfHallo) auch wissenschaftlich gearbeitet.' Über ihn wissen wir vor allem durch Wolfgang Prinz, der auch über sein Schick- sal im Rahmen seiner Studien zur Geschichte der Jüdischen Gemeinde Kassel geforscht hat. 6 Dalberg war seit Jahren - schon 1928 hatte es einen Zusammenstoß mit Oswald Freisler, dem Bruder des berüchtigten Roland Freisler, vor Gericht gegeben - von den Nazis geschmäht und beleidigt worden. Beide Brüder Freisler waren in den zwanziger Jahren als Anwälte in Kassel tätig. Oswald Freisler war dann vom Ehrengericht der Anwälte verurteilt worden, »weil er durch Beleidi- gung versucht hatte, den gegnerischen Jüdischen Kollegen in den Augen des Gerichts herabzusetzen«. 7 Der Terror der SA im Frühjahr 1933 zielte auch aufJulius Dalberg, und er war bereits im März - wie sein Berufskollege Dr. Max Plaut - von SA-Leuten in den Kasseler .Bürgersälen- schwer mißhandelt worden. Diese Vorfälle waren so gravierend, daß sie unter der Überschrift »Kassel als Beispiel« in das »Braunbuch über Reichstagsbrand und Hitlcrterror« aufgenommen wurden. Über die Miß- handlung von Julius Dalberg heißt es darin: »Am gleichen lig wurde der Rechtsanwalt Dalberg in der schwersten Weise miß- handelt und zwar am gleichen Ort und in ähnlicher Weise wie Plaut. Bemerkens- wert ist, daß Dalberg kurze Zeit vorher einen Streit vor Gericht mit dem damaligen Rechtsanwalt, jetzigen Ministerialdirektor Dr. Freisler, gehabt hatte, und daß ihm 3 Dieses und alle vorangegangenen Zitate: Ebenda. 4 Archiv des LWV Hessen: Aufnahmebuch. 5 Geschichte der Jüdischen Gemeinde Kassel unter Berücksichtigung der Hessen-Kasseler Gesamtjudenheit. Band 1. Hrsg. von der Israelitischen Gemeinde Kassel. Kassel 1931. Verfasser waren Dr. Rudolf Hallo mit seinem denkwürdigen Beitrag zur Kasseler Synagogengeschichte, Landrabbiner Dr. Walter und Julius Dalberg mit einem Beitrag über »Volkskundc der Hessen- Kasseler Juden« ( 109 - 168), in dem besonders zur Sprache (Dialekt und Redewendungen) der hessischenJuden berichtet wird. 6 Prinz, Judenverfolgung in Kassel, 166f, 170f, 215. 7 Prinz, Judenverfolgung in Kassel, 166 f. 186 dies auch während der Mißhandlung vorgehalten wurde. Es bestand also kein Zweifel darüber, daß die Folterung des Rechtsanwalts Dalberg auf direkten Befehl dieses zur damaligen Zeit obersten Führers der Kasseler NSDAP und jetzigen hohen preußischen Beamten erfolgt ist. Dalberg wurde auch sein langer \bllbart abgeschnitten. Die \erletzungen von D. waren so schwer, daß die Ärzte einige nge befürchteten, ein Bein müßte amputiert werden, doch konnnte es glücklicherweise noch gerettet werden. Dalberg leidet heute noch schwer unter den Folgen der Mißhandlungen.«8 Julius Dalberg wurde vom 1. bis 15. September 1933 im KZ Breitenau eingesperrt. Näheres über die Umstände dieser Schutzhaft und über seine Ent- lassung ist nicht bekannt. Offenbar unmittelbar nach seiner Inhaftierung im KZ Breitenau verließen er und seine Frau Deutschland und gingen in die Nieder- lande. Sie lebten von 1934 bis 1943 in Amsterdam. Im Juni 1943 wurden sie bei einer Razzia dort verhaftet und über das Lager Westerbork in das Vernichtungs- lager Sobibor deportiert. Seitdem gelten beide als verschollen." Kurt Finkenstein (1893 -1944) Kurt Finkenstein wurde in Straßburg geboren. Sein Vater, der vor seiner Geburt starb, war ein deutscher Offizier, seine Mutter war Jüdin. Nach der Mittleren Reife erlernte er den Berufeines Zahntechnikers, den er auch ausübte. Als Soldat nahm er 1914 bis 1918 am Weltkrieg teil. Seine pazifistische Gesinnung und literarische Interessen führten ihn zur Mitarbeit an der von Franz Pfemfert herausgegebenen Zeitschrift »Die Aktion«. Nach dem Ersten Weltkrieg ließ er sich in Deutschland nieder. Anfang der zwanziger Jahre heiratete er Elfriede T.; beide zogen nach Kassel, wo er ein zahntechnisches Labor eröffnete. Aus der Ehe gingen drei Söhne hervor. Ende der zwanzigerJahre war die Entfremdung zwischen ihm und seiner Frau so weit fortgeschritten, daß diese mit den beiden Söhnen (der dritte Sohn war früher gestorben) Kassel verließ und nach Schreiberhau (Schlesien) ging. Finkensteins Lebensgefährtin wurde von nun an Käte Westhof~ die (als spätere Käte Funkenstein) uns im Jahre 1983 Einblick in seine Briefe nehmen ließ. Kurt Finkenstein war ein politischer Mensch; er hatte in der November-Re- volution der USPD, dann der KPD angehört (aus der er 1925 austrat); 1932 trat er ihr aus grundsätzlichem Bekennermotiv (im Sinne einer von ihm als notwen- dig angesehenen welthistorischen .Entscheidung- zwischen Barbarei und Fort- schritt) erneut bei. Bereits im April 1933, noch während der ersten Welle nationalsozialistischen Terrors nach der Machtergreifung, wurde Finkenstein verhaftet und über das 8 Braunbuch, 230. - Vgl. auch: Prinz, Judenverfolgung in Kassel, 170 f 9 Vgl. Namen und Schicksale, 93 f 187 Polizeigefängnis Kassel im Juni 1933 in das Konzentrationslager Breitenau ge- bracht, wo er bis zum 8. August 1933 gefangen blieb. Am 23. Juli 1935 wurde er erneut in Kassel verhaftet - gemeinsam mit Käte Westhoff und 16 anderen politischen Freunden und Freundinnen aus kommunistischen Zirkeln. Von diesem Tag an hat er die Freiheit nicht mehr gesehen. Über zwei- einviertel]ahre (!) saß er in Kasseler Gefängnissen (zuerst im Polizeigefängnis am Königstor, dann im Untersuchungsgefängnis in der Leipziger Straße 11, schließlich im Zuchthaus Wehlheiden) in Untersuchungshaft; am 9. November 1937 wurde er zu siebeneinhalb Jahren Zuchthaus wegen -Vorbereitung zum Hochverrat: verurteilt. Spuren des Beweises für diese unerhörte Beschuldigung blieb das Gericht schuldig. Nur ein Teil der Untersuchungshaftzeit wurde ihm angerechnet. Käte Westhoff saß fast zwei Jahre bis zu ihrem Freispruch im Mai 1937 in Untersuchungshaft. Im Anschluß daran wurde sie in Schutzhaft genommen und in das (Frauen-)Konzentrationslager Moringen (bis zu dessen Auflösung im März 1938), von dort in das Konzentrationslager Lichtenburg gebracht, wo sie am 21. Juni 1938 entlassen wurde. Finkenstein blieb auch nach dem Urteil - noch ganze sechs Jahre lang - bis zum November 1943 im Zuchthaus Wehlheiden. In der Gefangenschaft erfuhr er vom Tod seiner früheren Frau und seiner beiden Söhne Peter und Martin, die als Soldaten in Rußland ihr Leben ließen. Am letzten Tage der Verbüßung der Zuchthausstrafe wurde er von der Gestapo in Schutzhaft genommen und zuerst in das Lager Breitenau, später dann von dort nach Auschwitz deportiert, wo er am 29. Januar 1944 ums Leben kam. Zu seiner Persönlichkeit schrieb Herbert Lewandowski: »Kurt Finkenstein hatte seinen jüdisch klingenden Namen seltsamerweise von seinem arischen vater geerbt, der in Metz alsdeutscher Offizier lebte. Vielleichtwar er verarmter Adel, der sich ursprünglich nach seiner Burg benannt, aber schließlich das .von- abgelegt hatte. Seine Mutter allerdings war Jüdin. Obwohl Finkenstein seine Heimat, das Elsaß, sehr liebte, entschloß er sich doch nach dem ersten Weltkrieg, in Deutschland zu bleiben - ein Entschluß, der für sein Leben die furchtbarste Auswirkung haben sollte. Nichts ist so illusorisch wie der Dank des vaterlandes, das viel eher wie Mörikes Bauern -Stank statt Dank: gibt. Und daß dies ganz besonders für Deutschland gilt, kann man bei Goethe und Hölderlin nachlesen - von Heine zu schweigen. Die \erbindung mit den Kreisen um Schickeie und Pfemfert, die nach dem Kriege in Deutschland Morgenluft witterten, war wohl mit ausschlaggebend für diesen Entschluß Finkensteins. Nur wenige - wie Albert Schweitzer, der weise Magier und Menschenfreund, und auch Yvan Goll - entschieden sich von Anfang an für Frankreich. Finkenstein wurde zunächst nach Breslau verschlagen, dann nach Leipzig, wo er seine spätere Frau kennenlernte, die wohl ebenso wie er im zahntechnischen Fach arbeitete. Anfangsder zwanzigerJahre verheiratete er sich und zog in meine Heirnat Kassel, wo er ein eigenes zahntechnisches Laboratorium eröffnete. Im Anfang war 188 seine Ehe glücklich, sie war mit zwei Söhnen gesegnet. Später trat eine Entfrem- dung zwischen den Gatten ein, und Finkenstein geriet auf gelegentliche Abwege. Der dritte Sohn, der geboren wurde, war blind. Finkenstein erwachte wie aus einem furchtbaren Kaum. Ich sah ihn regelmäßig, wenn ich von der Fremde bei den Eltern in Kassel wieder einkehrte. Bei einem Spaziergange in der Aue beklagte er aufs Bitterste seinen sträf- lichen Leichtsinn und maß sich die Schuld an der Erblindung des dritten Kindes zu. Aber noch immer war es bezaubernd für mich, in Finkensteins Heim zu kommen. Er war von hinreißender Gastlichkeit wie ein alter lihitaner. Bei ihm war man immer willkommen. Und wie herrlich war seine große Sammlung expressionistischer Gemäl- de von Kokoschka, Schmidt-Rottluff und vielen andern. Auch in den schönen Holzschnitten von Masereel oder in seiner Bibliothek stöberte ich gern herum. Als die Hitlerzeit heraufdämmerte, fand ich eine andere Frau an seiner Seite. Er war wohl geschieden, seine erste Frau war mit den drei Söhnen nach Schreiberhau zurückgegangen. Wir sprachen viel von Auswandern. Aber Finkenstein war seltsam unentschlossen. Das Wort Frankreich fiel seltsamerweise gar nicht. Wir sprachen von Holland, von Nordamerika. Finkenstein glich jenem Emigranten, der in einem Reisebüro lange an einem Globus herumdreht und schließlich den Angestellten fragt: .Haben Sie nichts anderesj': Gerade zur Zeit der Machtergreifung war ich wieder einmal bei Finkenstein und Frau Käte. Ich lernte ein Ehepaar kennen, das sich, von Finkensteins sprichwörtlicher Gastlichkeit profitierend, bei ihm eingenistet hatte. Wir spielten die Platten aus der .Dreigroschenoperc Meine Frau machte mir damals \Orwürfe wegen meines leicht- sinns. Ja - Finkenstein wurde wenige 1ige später ins Konzentrationslager Birkenau [gemeint war: Breitcnau; d. Vf] geschleppt, weil er geflüchtete Kommunisten beher- bergt hatte - und ich konnte meinem Schöpfer danken, daß ich wieder heil über der Grenze war. Dennoch - man trennt sich nicht leicht von diesem kostbaren Besitz -Heimat« Im Jahre 1934 war ich doch noch einmal in Kassel, lebte allerdings sehr zurückgezogen aufWilhelmshöhe. Finkenstein kam mit Frau Käte herauf Ich versuchte, ihn über seine Konzentrationslagerzeit auszufragen, doch sein Mund blieb geschlossen. Er sagte nur: .Ceschlagen haben sie mich nichtl- Wieder sprach man von Auswandern, aber der arme Finkenstein wußte nicht, wohin. Er hatte ja zwei Frauen, drei Kinder, mußte helfen. Es gab unbezahlte Schulden. Noch immer war er so leichtsinnig, ab und zu ein schönes Bild, ein kostbares Buch zu kaufen oder irgend einen armen Künstler einzuladen. Und so liefer - fast sehenden Auges - dem \erhängnis in die Armc.c'" KarlKüllmer (1900 -1977) Karl Küllmer war von Beruf Schlosser und seit langem für die Kommunistische Partei im Raum Eschwege tätig. Er galt als herausgehobener kommunistischer Funktionär und fiel unter die Kategorie der von Seiten der politischen Polizei nach dem Reichstagsbrand sofort gesuchten und inhaftierten Kommunisten. Er war, in den Akten auch Küllmer11bezeichnet", bei den Wahlen am 5. März 1933 10 Lee van Dovski [i.e.H. Lewandowski]: Kurt Finkenstein. In: Eros der Gegenwart. Quasi ein IH. Band von »Genie und Eros«. Genf 1952, 98 [ 11 Es gab nämlich einen ebenfalls aus Reichensachsen stammenden, ebenfalls von den Nazis 189 in den Reichstag gewählt worden12, konnte sein Mandat als Abgeordneter jedoch nicht antreten. Im Reichstag hatte kein Abgeordneter auch nur mit einem Wort den Skandal zur Sprache gebracht, daß 81 gewählte Abgeordnete der Kommunistischen Partei in Schutzhaft genommen und daher an der Ausübung ihres Mandates gewaltsam gehindert worden waren. 13Als Otto Wels im Reichstag am 23. März 1933 gegen das Ermächtigungsgesetz sprach, - auch er beschränkte sich aufdie eigene Partei und nannte nur die »Verfolgungen, die die Sozialdemo- kratische Partei in der letzten Zeit erfahren hat« 14 beim Namen - befand sich der Reichstagsabgeordnete Karl Küllmer schon mehr als drei Wochen in Schutzhaft, zunächst, und zwar seit dem 1. März 1933, im Polizeigefängnis Eschwege und, unmittelbar anschließend, ab 17. März 1933 im KZ Sonnenburg. Dort hatte er Folterungen und Mißhandlungen schlimmsten Ausmaßes zu überstehen. Wäh- rend seiner Haft in Sonnenburg - solches hat sich tausendfach gegenüber kommunistischen Schutzhaftgefangenen ereignet - griffder Staat bedenkenlos in das private Eigentum der Gefangenen ein: bei Kurt Finkenstein hatte die Polizei eine wertvolle Gemäldesammlung und die Bibliothek sich einverleibt; bei Küll- mer konfiszierte der Landrat sein angezahltes Motorrad, da dies »dcr Förderung kommunistischer Bestrebungen gedient hat«. 15 Der Landrat teilte seiner Frau mit, es ser »ausgeschlossen, daß Sie das Motorrad zurückerhalten, oder daß Ihnen von der geleisteten Anzahlung auch nur etwas zurückgegeben wird.e" verfolgten Sekretär des Deutschen Baugcwerkbundes mit dem Namen Karl Küllrncr (geb. 18. 12.1877; wohnhaft in Reichensachsen, Landstraße 2243/4), der dem Provinzial-Landtag und der SPD angehörte. HStA Mbg 165/3982. Band 10. LR Eschwege an RP Kassel, bctr. Waffenfund in der Synagoge in Reichensachsen. 12 HStA Mbg 165/3886. Band 1. pp Kassel an pp Berlin LKPASofort! Geheim! vorn 18.3.1933 bctr. Festnahme und Abschub kommunistischer Reichs- und Landtagsabgeordneter. - Küllmcr 11 ist weder bei Lübbe/Schumacher (M.d.R). noch bei Max Schwarz (MdR. Biographisches Handbuch der Reichstage. Hannover 1965) aufgenornrncn. Schwarz (824) erläutert dies damit, daß nach Paragraph 10 des Gesetzes vom 31.3.1933 den gewählten 82 kommunistischen Abgeordneten »keine Mandate zugeteilt« worden waren! Es handelte sich hierbei um das »Vorläufige Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich. Vom 31. März 1933«, und dessen 10 lautete: »Dic Zuteilung von Sitzen aufWahlvorschläge der Kommunistischen Partei für den Reichstag und den Preußischen Landtag auf Grund des Wahlergebnisses vom 5. März 1933 ist unwirksam. Ersatzzuteilung findet nicht statt.« (RGBI I [1933], 153 f.) 13 Es gab einen Antrag der SPD, der die Aufhebung der Haft verlangte, die über eine Anzahl von Mitgliedern der sozialdemokratischen Fraktion verhängt worden war. Dieser Antrag wurde von der NSDAP mit der zynischen Bemerkung abgelehnt, »daß es unzweckmäßig wäre, die Herren des Schutzes zu berauben, der ihnen durch die Verhängung dieser Haft zuteil geworden ist.« Deutsche Parlamentsdebatten. Band II: 1919-1933. Jlg. von DetlefJunker. Harnburg 1971, 229. 14 Deutsche Parlamentsdebatten II, 250. 15 Archiv Gedenkstätte Breitenau: Nachlaß Karl Küllmer. RP Kassel. Enteignungsbeschluß VOIll 23.11.1933. 16 Archiv Gedenkstätte Breitenau: Nachlaß Karl Küllmcr. LR Eschwege an Frau Küllmer vorn 13.9.1933. 190 Am 23. September 1933 wurde er aus dem KZ Sonnenburg entlassen - als schwer beschädigter und tief verletzter Invalide. Er kehrte in seinen Heimatort Reichensachsen zurück. Dort gewährte man ihmjedoch von Seiten der Verfolger keine Schonung und keine Gnade. Bereits fünf Tage nach seiner Heimkehr, am 29. September 1933, wurde er vom Landrat in Eschwege erneut in Schutzhaft genommen." Als bei der Ortspolizei Reichensachsen vom Geheimen Staats- polizeiamt Berlin am 9.10.1933 die Nachricht von der Entlassung eintraf: befand sich Küllmer bereits wieder seit mehreren Tagen in Haft. 18 Küllmer war wieder in Schutzhaft genommen worden, weil er »Greuelgeschichten über schlechte Behandlung im Konzentrationslager erzählt« habe." Küllmer wurde 1934 wegen Hochverrat angeklagt und unter Anrechnung der Untersuchungshaft zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Im Februar 1935 wurde er schließlich in seinen Heimatort entlassen. Weitere Schutzhaft schien nun auch der Gestapo Kassel »nicht mehr erforderlich, insbesondere, weil sich Küllmer vor seiner Strafverbüßung seit 1. März 1933 ununterbrochen in Schutzhaft befunden hat.«20 Ludwig Pappenheim (1887 -1934) Ludwig Pappenheim wurde am 17. März 1887 als Sohn einer Kaufmannsfamilie in Eschwege (der Vater besaß dort ein Lebensmittelgeschäft) geboren. Nach seiner Kaufmannslehre in Hamburg und in Köln war er früh zur Sozialdemo- kratie gestoßen." Vom elterlichen Haus hatte er sich mit diesem Schritt zwar politisch, nicht aber persönlich entfernt. Das besonders gute Verhältnis zu seiner 17 Im privaten Nachlaß von Küllmer findet sich eine Eidesstattliche Erklärung, in Eschwege am 1.9.1946 aufgesetzt, von Wilhelm Trinder - vermutlich einem Angestellten der Kreisverwaltung Eschwege -, der darlegt, daß die erneute Schutzhaft gegen Küllmer vom Landrat Dr. jur. Philipp Deichmann von Eschwege (Vgl. Klein, Leitende Beamte, 110) veranlaßt worden sei, um sein Leben zu schützen, das von einem unmittelbar bevorstehenden Mordanschlag, an dessen Planung der Kasseler PP, der Kreisleiter und ein SA-Standartenführer teilgenommen hätten, bedroht gewesen sei. Die Darstellung erscheint deshalb nicht glaubwürdig, weil der LR von Eschwege noch vier Monate später - nachdem die vermeintliche oder wirklich unmittelbare Gefahr doch nicht mehr bestanden haben dürfte - sich für eine Fortsetzung der Schutzhaft von Küllmer ausgesprochen hat. Archiv Gedenkstätte Breitenau: Nachlaß Kar! Küllmer. LREschwege an Direktor des KZ Lichtenburgvom 31.1.1934. 18 Archiv Gedenkstätte Breitenau: Nachlaß Karl Küllmer. Gestapa an Ortspolizei Reichensachsen vom 9.10.1933. - LR Eschwege an Stapo Kassel vom 10.10.1933. 19 Archiv Gedenkstätte Breitenau: Nachlaß Kar! Küllmer. LR Eschwege an Stapo Kassel vom 10.10.1933. 20 Archiv Gedenkstätte Breitenau: Nachlaß Karl Küllmer. Stapo Kassel an LR Eschwege vom 16.4.1935. 21 Der persönliche Nachlaß L. Pappenheims befindet sich in Schmalkalden im Besitz des Sohnes Kurt Pappenheim. Im Nachlaß befindet sich ein Mitgliedsbuch L.P.s im »Sozialdemokratischen Verein für Köln«, in dem sein Parteieintritt am 1.5.1905 festgehalten ist. Ebenfalls ist seine Mitgliedskarte des »Arbeiter-Turnbundes« Köln erhalten, in den er am 1.7.1905 eintrat. 191 Mutter und seinen Schwestern und Schwägern blieb bis zu seinem Lebensende bestehen. Überhaupt galt ihm die Familie viel.22 Als Soldat im Weltkrieg hatte er ein Kriegsgerichtsverfahren zu überstehen. In der Novemberrevolution war er zunächst in Eschwege und in Schmalkalden als Unabhängiger (USPD) aktiv tätig gewesen; später engagierte er sich kommunal- politisch in Schmalkalden und im Regierungsbezirk Kassel. Während der Revo- lution wurde er während des über Schmalkalden verhängten Belagerungs- zustandes verhaftet und unter dem Vorwand, Landfriedensbruch begangen zu haben, vorübergehend im Zuchthaus Kassel-Wehlheiden eingesperrt." Sein elterliches Erbe verwandte er zur Gründung einer politischen Tageszeitung, der Schmalkaldener »Volksstimmcc", deren (verantwortlicher) Redakteur er seit 1919 war. An der Niederschlagung des Kapp-Putsches war er beteiligt. Im Sommer 1924 befand er sich für kurze Zeit in der Strafanstalt Suhl; Anlaß und Grund hierfür sind uns nicht bekannt." Ab 1929 war er unbesoldeter Beigeordneter des Schmalkalder Magistrats." Dem Kreisausschuß Schmalkalden gehörte er offenbar seit 1925 an." In den letzten Jahren der Republik war er Vorsitzender der Kreis- organisation der SPD.2H Im Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold war er früh aktives Mitglied." Er war als Stadtrat, stellvertretender Landrat und Mitglied in mehreren 22 Schriftl. Mitteilung von Kurt Pappenheim vom 28.8.1995. 23 »Nach kurzer Zeit seines Wirkens wurde er 1919 durch einen Gewaltstreich des damaligen Landrats Schubert von den Noskesoldaten in ein Zuchthaus bei Kassel verschleppt. Diese Verhaftung rief unter der Arbeiterschaft große Empörung hervor«, berichtet IIugo Wenzel (Nachlaß L. Pappenheim). »Militär in Schmalkaldcn« lautete die Schlagzeile der »Volksstimme« am 17.10.1919; tatsächlich war der Belagerungszustand bis zum 17.11.1919 verhängt worden. Wann L.Pappenheim entlassen wurde, was man ihm im einzelnen vorgehalten hatte, entzieht sich unserer Kenntnis. Bereits zwei Tage nach der Verhaftung berichtete die Zeitung: »Die Genossen Pappenheim und Blechschmidt sind in Cassel. Bereits gestern nlorgen erhielten wir von der Frau des Genossen Blechschmidt die Mitteilung, daß sie sich am Sonnabend morgen bei sehr anständiger Behandlung auf dem Transport von Eisenach nach Cassel befunden haben. Sie sind nicht auf der Flucht erschossen, in der Strafanstalt Wehlheiden bei Cassel, sind auch bereits vom Untersuchungsrichter vernommen.« Volksstimme (Schmalkalden) Nr. 240 vom 20.10.1919. 24 Volksstimme. Organ für die werktätige Bevölkerung West-Thüringens. Schmalkalder Tageblatt. 32. Jg. (1919); später: Organ der Sozialdemokratischen Partei. Schmalkalder Tageblatt. Amtsblatt der Kreiskommunalverwaltung und der Städtischen Behörden. 15 Jg. (1933). Redaktion: Ludwig Pappenheim. Die »Volksstirnme« war zunächst (ab 1919) anscheinend ein Organ der USPD; sie wurde später eines der SPD (s.o.). Eine Verlagsgenossenschaft, vermutlich unter hoher finanzieller Beteiligung L. Pappenheims, kaufte das seit 1888 bestehende »Schmalkalder Tageblatt« im Frühjahr 1919 auf und funktionierte es ab 1.4.1919 politisch um; ab 2.6.1919 erfolgte die förmliche Umbenennung in »Volksstimme«. 25 Eine Postkarte von Rechtsanwalt Kurt Rosenfeld, linker sozialdemokratischer Reichstagsabge- ordneter aus dem Wahlkreis Thüringen (vgl. Lübbe/Schumacher, M.d.R., 472), vom Juni 1924 und ein Brief desselben vorn 22. Juli 1924 (Nachlaß L. Pappenheim), in dem er »auf Ihre Entlassung am 26.7.24« hofft, belegen diese Tatsache. 26 Im Nachlaß findet sich die Bestätigungsurkunde des preußischen Staatsministeriums vom 4.1.1930, unterzeichnet vom preußischen Innenminister A. Grzesinski. 27 Bericht Hugo Wenzel (Nachlaß L. Pappenheim). 28 Bericht Hugo Wenzel (Nachlaß L. Pappenheim). 192 Kurt Finkenstein KarlKüllmer Paul Pickel Friedrich Herbordt ]ustus Hochrath Heinrich Merle 11 Ernst Schddler PaulJoerg F ritz Precht Karl-August Quer 111 Heinrich Treibert KarlHerrmann AlfredMatthes Christian Abel KonradBeIz (sitzend) und Sohn Willi Belz (links stehend) IV RudolfFreidhof KarlRitter Adam und Elisabeth Selbert v Georg Balte Heinrich Parthesius Ludwig Pappenheim (rechts am Rand) VI Georg Kroll GeorgKramm VII Vorder- und Rückseite der An sichtskarte , die Chris- tian L., Mitglied der SS- Wachmannschafc, am 15.8. 1933 aus Breit en au an Fa- mili enangeh öri ge sch rieb. Über die Ansicht hat er ei- nen Pfeil ein gezeichnet , der auf die Klosterkirche zeigt . »Lb. Schwager, Bruderund Schwester & A nni! Esgcfiillt mirhierin Breiteneu f!.rcf3mtig, prima Essen, wie Beamten I.lAbstinenzler< war er aus Anschauung (er hatte sich mit Fürsorgeerzie- hung intensiv befaßt) und Überzeugung"; die erhaltenen Reden anläßlich von Jugendweihen Mitte der zwanzigerJahre lassen aufeinen überzeugten Sozialisten mit hohem moralischem Anspruch schließen. Ludwig Pappenheim wurde am 25. März 1933 in Schmalkalden auf der Grundlage einer Verfügung des Schmalkaldener Landrats Ludwig Hamann ver- haftet, der ihn des »Verbergen [s] eines Waffenlagers« beschuldigte - für ihn als 29 Ein Mitgliedsbuch für die Schmalkalder Organisation befindet sich in seinem Nachlaß. 30 Uns liegt ein »Verzeichnis der Mitglieder des Provinzial-Landtages im Staatspolizeistellenbezirk Kassel« vor; dieses Verzeichnis stammt aus der Zeit nach 1933 und enthält sozialdemokratische Abgeordnete. Es steht im Zusammenhang mit einem »Verzeichnis derjenigen Marxisten, deren gegen den Nationalsozialismus gerichtete Tätigkeit über einen örtlich beschränkten Kreis hinausging« (ebenda). In beiden Verzeichnissen ist L. Pappenheim aufgeführt; als Provinzial-Landtagsabgeordneter wird er für die Jahre 1920 (USPD), 1921 (USPD) und 1926 (SPD) namentlich ausgewiesen. In beiden Verzeichnissen sind hinter dem Namen Pappenheim ein Kreuz und zwei/drei nicht leserliche Buchstaben (KZ?) eingetragen. 31 Die Anstaltsordnung von 1925 sah die Einrichtung eines Anstaltsbeirats vor, der aus dem Direktor, dem Arzt, dem Anstaltsgeistlichen und zwei vom Kommunallandtag zu bestimmenden Mit- gliedern bestand (Verhandlungen des Kommunallandtags für den Regierungsbezirk Kassel 1925, Anlage 35, Sp. 44). Ludwig Pappenheim war von 1925 bis 1933 ein Vertreter des Kommunal- landtags in diesem Gremium. Archiv des LWV Hessen: Breitenau. Bestand 1, Nr. 156,2. 32 Ayaß, Arbeitshaus Breitenau, 251 f., 259, 261. 33 Pappenheim, Ludwig: Die Sozialdemokratie im Kasseler Kommunallandtag und im Kreistag des Kreises Herrschaft Schmalkalden. 0.0. 0.]., 5 f. 34 Bericht Hugo Wenzel (Nachlaß L. Pappenheim). 193 überzeugten Pazifisten ein bitterer Zynismus." Pappenheim nannte diese An- schuldigung »fadenscheinig«. Das Amtsgericht Schmalkalden hielt den Haftbe- fehl nicht aufrecht; d.h. der genannte Vorwurfwar nicht begründet. Dies führte jedoch keineswegs zur Entlassung L. Pappenheims aus der Haft. Er wurde viel- mehr fortgesetzt in Schutzhaft im Gefängnis Schmalkalden festgehalten. »Ich erhebe bei Ihnen«, schrieb Pappenheim an den Oberpräsidenten in Kassel, »als vorgesetzte Behörde Einspruch. Ist dieser Staat so schwach, daß er, wenn jemand bedroht wird, diesen und nicht den Drohenden festsetzti's" An den Kasseler Regierungspräsidenten schrieb er: »Scheinbar handelt der Landrat unter dem Einfluß einiger Leute, die durch Dro- hungen selbst die öffentliche Ruhe stören wollen. Statt diese evtl. zur Rechenschaft zu ziehen, wie es in einem geordneten Staat geschehen müßte, sperrt er den Bedrohten ein. Dagegen wende ich mich. Ich habe durch jahrelange selbstlose Arbeit im Landesausschuß, Magistrat und Kreis- ausschuß es nicht verdient so behandelt zu werden, indem man vor radaulustigen Elementen zurückweicht, die durch ihr \GrIeben alles andere verdient haben.s" Eine solche widersprechende, bestimmte und politisch wie rechtlich standfe- ste Haltung findet sich nur selten in den erhaltenen Akten, in denen Anträge und Gesuche aufEntlassung aus der Schutzhaft zahlreich erhalten sind. Pappenheim hat in diesen frühen Schutzhaftmaßnahmen nicht nur die Aufkündigung des demokratischen Rechtsstaates und die skrupellose politische Entmachtung der Parlamente, ja die groteske Verkehrung allen Rechts und jeder Moral benannt; er hat auch die Stirn gehabt, diese Wahrheit öffentlich zu machen, sie in Briefen an Behörden zu äußern. Am 31. März 1933 wandte er sich erneut an den Kasseler Regierungspräsiden- ten und beschwerte sich über die Haft gegen ihn. Er führte die gegen ihn angeordnete Haftverschärfung auf die Tatsache zurück, daß er in einem Schrei- ben an den Landeshauptmann in Hessen diesen ersucht habe, ihm die Teilnahme an der konstituierenden Sitzung des Kommunallandtags am 5. April 1933 zu ermöglichen." In diesem Schreiben (an den Landeshauptmann) hatte Ludwig Pappenheim davon gesprochen, 35 HStA Mbg 165/3982. Band 10. BriefL. Pappenheims an den OP Kassel vom 27.3.1933 und Brief L.P.s an den RP Kassel vom 27.3.1933. 36 HStA Mbg 165/3982. Band 10. L. Pappenheim an den OP in Kassel am 27.3.1933. 37 HStAMbg 165/3982. Band 10. BriefL.Pappenheims an RPKassel vom 27.3.1933. 38 Dieser Brief Pappenheims ist nicht bekannt. Landeshauptmann Rabe von Pappenheim hat sich am 31. März 1933 an den RP Kassel gewandt und diesen gebeten, »umgehcnd zu veranlassen, daß Pappenheim wieder in Freiheit gesetzt wird [...]«. Ludwig Pappenheim befinde sich grundlos in Schutzhaft, was bereits daraus hervorgehe, daß »der Amtsrichter abgelehnt hat, einen Haftbefehl zu erlassen. Ich bitte, umgehend zu veranlassen, daß Pappenheim wieder in Freiheit gesetzt wird, damit er die Möglichkeit hat, an den Tagungen des Kommunallandtages (Eröffnung 5. April) und des Provinziallandtages (10. April) teilzunehmen. Seine Anwesenheit ist umso notwendiger, als 194 »daß scheinbar ehemals demokratische Beamte ihre politischen Minderwertigkeits- komplexe durch energisches \Orgehen gegen Sozialdemokraten abreagieren wollen.s'" Dieser Brief, obgleich »persönlich gehalten«, sei »vor der Beförderung« - also seitens der Gefängnisleitung oder der Polizei - dem Landrat Hamann mitgeteilt worden. Daraufhin sei er in eine nahezu dunkle Arrestzelle verlegt worden, die er - wovor sein Protest ihn bewahrte - mit einem kriminellen Gefangenen teilen sollte. Pappenheim verwies auf den Verlust seiner Sehschärfe, die er sich durch eine Gasvergiftung im Weltkrieg zugezogen habe und betonte sein Recht, als geistiger Arbeiter so untergebracht zu werden, »daß ich geistig arbeiten kann, und dazu gehört bei meinen schwachen Augen helles Licht.e" Pappenheim fuhr fort: »AlsObjekt für primitive Rachegefühle möchte ich nicht hier sein. Ich beschwere mich ferner darüber, daß ich hier der Hilfspolizei ohne Mitwirkung der ordentli- chen Polizei unterstellt bin. Hierin sehe ich allerdings die einzige Gefährdung meiner Person. Diese wäre schon da, wenn ich aufden mir gemachten Zurufeines Hilfs Polizeibeamten: Halten Sie die Schnauze!entsprechend reagieren würde«." Am 1. April 1933 wurde Pappenheim in das Gefängnis in Suhl verlegt; am 20. April kam er wegen des am nächsten Tag bevorstehenden Prozesses in das Gerichtsgefängnis Schmalkalden." Am 21. April wurde er wegen Gotteslästerung vom Amtsgericht Schmalkalden zu drei Monaten Gefängnis verurteilt. Landrat Hamann hatte daraufhingewiesen, daß Pappenheim »Dissident, aber israelitischer Abkunft« sei. »Er hat im Kreise die Jugendweihe eingeführt und die Freidenkerbewegung geför- dert. Diese litsachen haben natürlich in kirchlich gesinnten Kreisen höchsten Anstoß erregt.e" Er mußte diese drei Monate im Gerichtsgefängnis in Suhl absitzen." Pappen- heim glaubte fest, nach dieser dreimonatigen Gefängnishaft die Freiheit wieder- zusehen. Er teilte seiner Frau ins einzelne gehende Vorschläge für den 21.Juli rnit: er bisher Mitglied des Landesauschusses WaL» HStA Mbg 165/3982. Band 10. Der Landes- hauptmann in Hessen an den RP Kassel vom 31.3.1933. 39 HStA Mbg 165/3982. Band 10. L. Pappenheim an RP Kassel vom 31.3.1933. 40 HStA Mbg 165/3982. Band 10. L. Pappenheim an RP Kassel vom 31.3.1933. 41 HStA Mbg 165/3982. Band 10. 42 Das Notizbuch Ludwig Pappenheims (Nachlaß L. Pappenheim) vermerkt unter dem 1.4.1933 »Transport nach Suhl« und unter dem 20.4. »nach Schmalkalden Gerichtsgefängnis«. 43 HStA Mbg 165/3982. Band 10. LR Schmalkalden an RP Kassel vom 31.3.1933. Der Hinweis auf die -israelitische. Seite des Dissidenten L. Pappenheims erschien dem Landrat vermutlich auch deshalb von Belang, da er selbst Dissident war; vgl. Klein, Leitende Beamte, 136. 44 Es liegen von ihm aus dem Gefängnis Suhl Briefe (überwiegend an seine Frau) vom 3.4., 8.4., 13.4., 16.4., 19.4., 24.5., 25.5. (heimlich herausgebracht) und vom 26.6.1933 (Nachlaß L. Pappenheim) vor. 195 »Es freut mich auch sehr zu hören, daß Du mich abholen willst. Das wäre sehr schön, und die Ausgabe der Reise wirst Du Dir leisten können. Es wird doch die einzigste dieses Sommers sein. [...] ~nn Du am 21. kommst, dann mußt Du mit dem Zug um 9 Uhr 10 fahren. Gegen 11 Uhr bist Du hier, dann gehe gleich zum Gefängnis und verlange mich zu sprechen. Lasse Dich aber nicht abweisen, und wir wollen dann versuchen, daß ich gleich herauskomme. Bringe, wenn das Wetter warm ist, die Sporthose mit, Strümpfe, Strumpfbänder und Halbschuhe, sowie Kragen und Krawatte. "Weste ist nicht nötig; auch ein reines Hemd ist noch hier. Bei schlechtem Wetter ziehe ich den blauen Anzug an, der hier ist.«45 Es muß ihn schwer getroffen haben, daß er am 21. Juli nicht frei kam, sondern nach Kassel ins Polizeigefängnis verlegt wurde." Erste Zeichen von Ermattung werden sichtbar. In einem Entlassungsgesuch, abgefaßt am 23. Juli 1933 im Kasseler Polizei- gefängnis am Königstor. den Transport in das KZ Breitenau vor Augen, verwies Pappenheim darauf: daß er sich im Gefängnis gut geführt habe; er erwähnte seine Kriegsauszeichnung und rief den Kasseler Bürgermeister Lahmeyer und Gauleiter Weinrich [beide waren regionale Prominente der NSDAP] als Zeugen dafür auf: daß er seinerzeit im Landesausschuß aktiv mitgearbeitet habe - falls dieser Brief authentisch von ihm stammt (und nicht polizeiliche .Ratgeber: die Feder geführt hatten), dann sehen wir darin ein erschütterndes Zeugnis für die einsetzende Demütigung, wie sie im Hitlerstaat vielen auferlegt wurde: »Durch eine \erlängerung der Schutzhaft wird meine Ehefrau mit ihren 4 Kindern, von denen drei im Alter von 9,8 und 6 Jahren sind, moralisch und psychisch zu Grunde gerichtet. Dies ist sicher nicht der "Wille der Regierung; vielmehr wird dieser darauf gerichtet sein, mich von der politischen Betätigung fernzuhalten. Dies Ziel [ist] aber nach der nunmehr eingetretenen eindeutigen Klärung [der Machtver]hältnisse in Deutschland erreicht. Ich werde keinen Anlaß bi[eten ], mich um öffentliche Dinge zu kümmern und muß ver[suchen], im Interesse meiner Familie mir eine wirtschaftliche Exi[stenz zu] schaffen. Zu diesem Zwecke beabsichtige ich Schmalkalden [zu ver] las- sen, sobald ich die materiellen Möglichkeiten dazu [habe]. Ich bitte daher, meine Haftentlassung in Erwägung zu ziehen. Pappenheim.c" Mit Blick auf seine Frau und seine Kinder erklärte er sich bereit, den Ort seines langjährigen Wirkens, seine Heimat, zu verlassen und ins Exil zu gehen. Er bat darum, die Entlassung aus der Haft »in Erwägung zu ziehcn«. 45 L. Pappenheim an seine Frau aus dem Gefängnis Suhl am 26.6.1933 (Nachlaß L. Pappenhcirn). 46 Im Notizbuch vermerkt er unter dem 21.7. »nach Kassel« (Nachlaß L. Pappcnheim), 47 HStA Mbg 165/3982. Band 11. L. Pappenheim an RP Kassel vom 23.7.1933 aus dem Poli- zeigefängnis Kassel. [Dieser Brief ist am Rand nicht vollständig lesbar; in eckigen Klammern Ergänzungen von mir - kv]. Unklar ist der Ort seiner Haft in Kassel, bevor er in das KZ Breitenau kam. Dieses Gesuch ist, von L. P. handschriftlich vermerkt, im »Polizeigefängnis» geschrieben; am gleichen Tag schrieb er jedoch eine Postkarte an seine Frau, auf der er als Ort »Gerichtsgefängnis Kassel» - dieses befand sich in der Leipziger Straße 11 - vermerkte (Nachlaß Pappenheim). 196 Den Nationalsozialisten kam es nicht in den Sinn, ihrem politischen Gegner einen ehrenvollen Rückzug oder gar .freies Geleit. zu gewähren; sie wollten Vergeltung. »Pappenheim hat unsererseits keine Schonung zu erwarten«, schrieb der Ortsgrup- penleiter der NSDAP-Ortsgruppe Schmalkalden zu dem »Gesuch des Juden Pap- penheim« aufEntlassung aus der Haft. »Eine Entlassung aus der Schutzhaft zu dem Zwecke, sich irgendwo in Deutschland eine Existenz zu gründen, kommt über- haupt nicht in Frage [...] Es wäre das Beste, Pappenheim ginge mit seiner Familie ins Ausland.s" Und der Kreisleiter der NSDAP Schmalkalden Otto Recknagel teilte dem Landrat mit: »Die Zersetzungsarbeit, die der Jude Pappenheim die ganzen Jahre hindurch im Kreis Schmalkalden betrieben hat, rechtfertigt unter keinen Umständen eine etwai- ge Freilassung. Pappenheim ist leider viel zu human nach dem 30. Jan[uar] be- handelt worden. Ich muß mich als Kreisleiter ganz entschieden dagegen aussprechen, daß Pappenheim, der etwas ganz anderes verdient hätte, jetzt freige- lassen würde und nicht in ein Konzentrationslager käme.e" Die Ausdrucksweise des Nazi-Kreisleiters, daß Pappenheim bislang »viel zu human behandclt« worden sei, er »etwas ganz anderes verdient hätte« - ist sie anders zu verstehen als die Umschreibung dafür, daß man ihn -eigentlich- sofort ins Ausland hätte abschieben oder ihn gar auf der Stelle hätte umbringen sollen? So mußte Pappenheim eine zunächst (dies war allgemein bei frühen Einwei- sungen in ein KZ die Frist) dreimonatige Schutzhaft im Konzentrationslager Breitenau antreten. An diese Frist hielt man sich bei ihm auch; er war vom 21.Juli - 24. Juli im Polizeigefängnis Königstor bzw. im Gerichtsgefängnis Kassel und vom 24. Juli - 16. Oktober/21. Oktober 1933 in Breitenau in Schutzhaft. Aus Breitenau liegen einige Briefe von ihm vor. 50 Im Brief an einen ihm nahestehenden Onkel benannte er offen seine Lage und seine Sorgen: >>Was mich bedrückt, ist das Geschick der Familie, für die zu sorgen ich gehindert bin. Die geringen Ersparnisse werden nicht lange anhalten, und wenn ich bis dahin frei bin, dann ist der neue Anfang auch nicht leicht. Doch habe ich den Mut und den Willen, mir und den meinen zu helfen und mich durchzuboxen.s'" 48 HStA Mbg 165/3982. Band 11. NSDAP - Ortsgruppe Schmalkalden an LR Schmalkalden vom 9.8.1933. 49 HStA Mbg 165/3982. Band 11. NSDAP - Kreisleitung Schmalkalden-Suhl-Schleusingen an LR Hamann vom 2.8.1933. 50 L. Pappenheim (überwiegend an seine Frau oder an Frau und Kinder gerichtet) aus dem Konzentrationslager Breitenau vom 1.8., 12.8., 19.8., 26.8., 7.9., 10.9. (Postkarte), 14.9., 24.9., 25.9.,1.10. und 15.10.1933 (Nachlaß L. Pappenheim). 51 L. Pappenheim an seinen Onkel T. vom 26.8.1933 aus dem KZ Breitenau (Nachlaß L. Pappenheim) . 197 In der Tat war die materielle Lage der Familie schlecht: die »Volksstimme« war verboten worden; das letzte Gehalt hatte Pappenheim für den Monat März 1933 erhalten." Aus dem KZ richtete er beim Arbeitsgericht Schmalkalden eine Lohn- klage" gegen die Verlagsgenossenschaft »Volksstimrne« GmbH - seinen Arbeit- geber - oder deren Rechtsnachfolger, über die jedoch die Verhandlung im November 1933 noch nicht eröffnet wurde: das Gericht hatte festgestellt, den Termin aufzuheben, da die Ladung des Klägers nicht möglich war, »weil er unter der angegebenen Adresse nicht aufzufinden war.« 54 Die »angegebene Adresse« war die des KZ Breitenau gewesen, aus dem Pappenheim am 16. Oktober in das KZ Börgermoor verlegt worden war! Am 26. November 1933 wandte er sich aus Neusustrum, wo das Gericht ihn zwischenzeitlich erreicht hatte, an das Ar- beitsgericht mit der Bitte, einen Vergleichsvorschlag zu machen. Er könne einer Verhandlung zur Zeit nicht zustimmen, da er keine Vertretung habe." Am 14. September 1933 wandte sich Frieda Pappenheim an die Sozialver- sicherung (Berlin) und bat um Rückerstattung der eingezahlten Beiträge, da »durch die veränderten Verhältnisse eine Fortsetzung der Mitgliedschaft nicht möglich ist.« »Durch die lange Schutzhaft bin ich mit meinen vier unmündigen Kindern [...] in große Notlage gekommen, da ich sonst keinerlei Einnahmen habc.e'" Seinen Tod hatte Landrat Hamann bereits vor Augen - wenn auch in der Maske des Biedermanns und mit unüberhörbar drohendem Unterton -, als er dem Kasseler Regierungspräsidenten schrieb: »Sollte er [i.e. L. Pappenheim] sich hier sehen lassen, so müßte er dies wahrschein- lich mit seinem Leben bezahlen und, wer weiß, wie es gehen wird, wenn er sich in einem anderen Ort aufhalten würde«57 Dieses Schreiben hatte der Landrat mit dem förmlichen Antrag verbunden, »Pappenheim in das größere Konzentrationslager Osnabrück verbringen zu las- sen. Er hat es verdient.c" Am 16. Oktober 1933 veranlaßte dann der Polizeipräsident in Kassel »dic Überführung des Pappenheim in das Großkonzentrationslager Börgermoor.e" Am 17. Oktober 1933 teilte Pappenheim seiner Familie aus dem Kasseler Polizei- 52 L. Pappenheim aus Breitenau arn 25.9.1933 an das Arbeitsgericht Schmalkalden, Lohnklage (Nachlaß L. Pappenheim). 53 Ebenda. 54 Arbeitsgericht Schmalkalden vom 9.11.1933 an Frau Frieda Pappenheim (Nachlaß L. Pappenheim). 55 L.Pappenheim an das Arbeitsgericht Schmalkalden am 26.11.1933 (Nachlaß L. Pappenheim). 56 Frieda Pappenheim an die Unterstützungsvereinigungvom 14.9.1933 (Nachlaß L. Pappenheim). 57 HStA Mbg 165/3982. Band 11. LR Schmalkalden an RP Kassel vom 3.10.1933. 58 Ebenda. 59 HStA Mbg 165/3982. Band 11. pp Kassel an RP Kassel vom 17.10.1933. 198 gefängnis mit, daß er in »guter Gesellschaft« gestern aus Breitenau weggekommen sei und daß sie in ein »Lager bei Osnabrück« kämen." Wenige Tage zuvor hatten ihn Frau und Kinder besucht." Über den Weg Pappenheims in die Emslandlager am 17. Oktober 1933 liegt ein Bericht vor: »[...] es war ganz furchtbar; wir kamen von Breitenau ins Moor. Einjude, 42Jahre alt, trug alles Gepäck, immer wieder geschlagen, aus Schmalkalden; ich selbst bin schwarz geschlagen worden, Nierenbluten, 50 gr. Zucker [?], es war ganz schlimm.e'" L. Pappenheim wurde zunächst in das KZ Börgermoor, später (vermutlich ab Anfang November) in das »Lager V« (Neusustrum), und zwar in Baracke 7, untergebracht: seine Briefe und die amtlichen Dokumente vermerken - mit einer Ausnahme, auf die wir eingehen werden - dieses Lager. Aus der Zeit der Haft in Neusustrum sind vier Briefe Pappenheims überliefert." Erhalten ist auch der Brief eines Mitgefangenen Pappenheims in Breitenau, der ihn dort erst kennengelernt hatte. Dieser schrieb am 17. November 1933 an ihn und schickte den Briefan die Adresse seiner Frau. Er war Landwirt in einem kleinen Dorfbei Arolsen. «Mein lieber Freund Pappenheim! Auf Deine Adresse habe ich mit Sehnsucht gewartet. Zwar hat mir Deine Frau die Adresse geschrieben, ich konnte aber die (....?) nicht richtig lesen. Ich hatte ihr eine Ente und eine (....?) Hammelfleisch geschickt, weil ich dachte, Deine Frau dürfte Dir etwas schicken. Ich schicke Dir etwas Butter, zwei WUrste und ein paar Äpfel. Wenn Du das Paket erhalten hast, gib mir bitte Nachricht. Dann kann ich Dir ab und zu mal etwas schicken. Nun, lieber Pappenheim, daß ich vor dem Sonderrich- ter freigesprochen worden bin, wirst Du ja damals in der Zeitung gelesen haben. [...] Meine größte Freude ist ja, daß alles ans Licht gekommen ist, und ich wieder als ehrlicher Mensch dastehe. Nun, lieber Pappenheim, ich bedaure Euch und ganz besonders Dich, der Du noch nicht in Freiheit bist, ich weiß ja nicht, was Dir zur Last gelegt wird, aber das weiß ich, daß Du kein \erbrechen begangen hast und kein \blksfeind bist. Wenn ich Dich auch nur in Breitenau kennengelernt habe, so habe ich den Eindruck mitgenom- men, Pappenheim ist ein Ehrenmann, und wenn jemand wie ich unschuldig dorthin gekommen war, welches selbst der Staatsanwalt und das Gericht festgestellt 60 Nachlaß Pappenheim. Postkarte an seine Frau vom 17.10.1933. 61 Nachlaß Pappenheim. Postkarte an seine Frau vom 15.10.1933, in der er schrieb: »Meine Lieben! Nochmals vielen Dank für Euren Besuch [...]«. 62 Diese Äußerung machte Otto Weber während einer Veranstaltung der Volkshochschule Kassel am 5.11.1981, bei der ich über unsere Breitenau-Studien öffentlich berichtet hatte. In den Akten findet sich sein Name neben dem Pappenheims und anderer aufder Entlassungsliste Breitenaus (»Abgang«) unter dem 17. Oktober 1933. L. Pappenheim war zu dieser Zeit 46 Jahre alt; die Erinnerung von Otto Weber an das Lebensalter stimmt also annähernd. 63 L. Pappenheim an seine Frau aus dem Konzentrationslager Neusustrum vom 12.11., 16.11., 17.12. und 23.12.1933 (Nachlaß L. Pappenheim). 199 hat, und Leute zum Meineid verführt werden sollten, weiß ich, das manches heute vor Gericht kommt durch einen persönlichen Feind --- Lieber Pappenheim, Du kannst doch auch mal schreiben. Meiner ganzen Familie tut es um Dich leid, trotzdem wir uns nie gekannt haben, da ich weiß, Du hast durch das Gelbkreuz zwar Dein Augenlicht verloren und als treuer Soldat Dir das Eiserne Kreuz er- worben. Wir beten für Euch alle zu Gott und besonders für Dich, der Euch allen, der allmächtige Gott, die baldige Freiheit geben möchte. Das walte Gott. Dein Freund Höchst, Landwirt in Lütersheim über Arolsen.« 64 Ein Mithäftling Pappenheims hat berichtet, daß dieser vom ersten bis zum letzten Tage seiner Haft von den Wachmannschaften schikaniert, geschlagen und mißhandelt worden sei. Neusustrum unterstand seit Ende September 1933 dem SS-Obersturmführer Emil Faust, der für Brutalität und Terror bekannt war." Einzelne Polizisten seien aufPappenheim »scharf gemacht« worden. »Unerhörte Arbeit, Mißhandlung und Hohn wechselten einander ab.« Scheinhinrichtungen seien mit ihm durchgeführt worden. »Zu "Weihnachten kam er [Pappenheim] wieder in den Bunker, nachdem man ihn schon vorher täglich "Weihnachtsgedichte lernen ließ, die er abends zum Ergötzen der "Wachen aufsagen mußte [dies zur .Strafe-, weil -er alsJude ein Hohngedicht auf "Weihnachten gemacht habe.]. Am Weihnachtsabend schleppte man ihn ins Casino, wo die "Wachmannschaften und verschiedene Frauen waren. Dort wurde er ver- höhnt, mußte der jubelnden Gesellschaft Gedichte vortragen und Lieder singen, wurde dann mit Fußtritten wieder in den Bunker geworfen.e" In den von ihm aus dieser Zeit erhaltenen Briefen nimmt man das Leid, dem er ausgesetzt war, deutlich wahr: »Nun habe ich schon über vier %chen von Euch, liebe Frieda und Kinder, nichts vernommen, und weiß mir dafür keine Erklärung. Ich kann nur annehmen, daß Ihr meinen Brief: den ich vor 14 ligen an Euch sandte, nicht erhalten habt. Der Brief war von mir in einer gewissen Depression geschrieben. Jetzt habe ich mich auch hier hineingefunden und bin besserer Stimmung [...] Wie Du siehst, richte ich mich auf Dauer ein. [...]«67 Im letzten längeren Brief an seine Familie vom 17. Dezember 1933 liegen Hoffnung und Verzweiflung dicht beieinander: 64 Nachlaß L. Pappenheim. 65 Kosthortst/Walter, 284 - 318: »Urteil gegen Emil Faust vor dem Schwurgericht des Landgerichts Osnabrück«. 66 Es gibt einen »Auszug aus dem Original eines Augenzeugenberichts über die Ermordung des Genossen Pappenheim« eines uns unbekannten Häftlings, den dieser nach seiner Entlassung aus dem Konzentrationslager den Familienangehörigen zukommen ließ (Nachlaß L. Pappenheim). 67 L. Pappenheim an seine Frau aus dem KZ Neusustrum vom 18.11.1933 (Nachlaß L. Pappenheim) . 200 »Hier haben wir kalte Wintertage. Es ist allerdings nicht so schön wie in unserem Thüringerlande. Als ich heute früh aufstand, hatte Rauhreif angesetzt. Er sah an dem Gitter aus Stacheldraht, das unser Lager umgibt, allerdings nicht so schön aus wie an den linnen und Fichten Eurer Wcilder. Die Gegend hier ist überhaupt recht öde, denn weit und breit befindet sich kein Berg, das Land ist völlig flach wie ein TIsch, dabei sumpfig und moorig und unkultiviert. Civilpersonen sehen wir bei der schwachen Besiedlung kaum. Unsere Arbeit soll dazu dienen, das Land urbar und bewohnbar zu machen. Ich hoffe, nicht so lange hier und von Euch getrennt zu bleiben, bis das erreicht ist. Wie es heißt, sollen auch im Januar noch Entlassungen vor sich gehen. Vielleicht haben wir dann Glück. Es hängt alles von Schmalkalden ab. \br einigen ligen war ich schon der Meinung, daß ich freikommen würde. Daher hatte ich wegen Fahrgeld nach Leipzig geschrieben, das mir Anna auch prompt einsandte. Leider war es nur ein raum - aber das Fahrgeld habe ich nun wenigstens hier. Möge ich es bald ausgeben können! «68 Einen Tag vor Weihnachten bat er seine Frau, »einliegenden Briefpersönlich zum Landrat [zu bringen].« Dieser solle umgehend antworten: »Mir schaden hier solche Gerüchte sehr, vielleicht wäre ich ohnedem schon in Freiheit«." Am 4. Januar 1934 wurden Ludwig Pappenheim und der Mitgefangene Au- gust Henning von Mitgliedern der Wachmannschaft des Lagers in der Nähe des KZ Neusustrum ermordet. Die Meldung der Kommandantur in Papenburg an den Oberpräsidenten in Hannover sprach von der »Erschießung zweier Schutzhaftgefangener des Lagers V Neusustrum«." Das Amtsärztliche Zeugnis von Polizeimedizinalrat und Kom- mandanturarzt Dr. Erich Grunow" diskreditierte sich dadurch, daß er den .Pluchrvcrsuch: medizinisch aus der Verletzung diagnostizierte: »Brustschuß, abgegeben vom Posten, da Fluchtversuch unternommen wurde. Ein- schuß im Rücken, Ausschuß am Brustbein. [...] Leiche wurde von der Staatsan- waltschaft freigcgebcn.c" Ein der Familie Pappenheim im Jahre 1934 zugegangener anonymer Bericht eines Augenzeugen des Mordes teilte Näheres mit: »Am 4. Januar, seinem Ddestag, war starker Nebel und alle, die angetreten waren, mußten in die Baracken zurück, da die Gefahr des Flüchtens zu groß sei. Auch Ludwig und Henning aus Pom gingen in die Baracken zurück. Dort erzählte Henning noch, wie sie im Bunker geschlagen wurden. Um 9 oder 10 Uhr wurden aber Ludwig und Henning herausgeholt und [angewiesen] mit Lederschuhen zur Arbeit zu gehen; es war sonst verboten, in Lederschuhen zu gehen, sondern es 68 L. Pappenheim an seine Frau aus dem KZ Neusustrum am 17.12.1933 (Nachlaß L. Pappenheim). 69 L. Pappenheim an seine Frau aus dem KZ Neusustrum am 23.12.1933 (Nachlaß L. Pappenheim). Der einliegende Brief an den LR konnte nicht ermittelt werden. 70 Kosthorst/Walter, 196. 71 Im Dokumentations- und Informationszentrum Emslandlager sind keine Unterlagen zu Dr. Grunow vorhanden; von ihm ist dort nichts bekannt (Tel. Auskunft von Kurt Buck, Oktober 1996) 72 Amtsärztliches Zeugnis vom 8.1.1934 (Nachlaß L. Pappenheim). 201 mußten Holzschuhe getragen werden. Mit den beiden gingen zwei ~chleute und ein Arbeitsanweiser (Stahlhelmmann), dem noch vorher in der Kommandantur eine Pistole gegeben wurde. Ludwig ahnte, daß er in den Txl ging [...]/3 Ein ehemaliger Mitgefangener Pappenheims in Börgermoor sprach über sei- nen Tod von »offenem Mord«." Der Landrat von Schmalkalden teilte dem Regierungspräsidenten in Kassel mit, Ludwig Pappenheim sei »bei einem Fluchtversuch aus dem Lager Börger- moor [tatsächlich: Neusustrum]75 erschossen worden«." Nach der Ermordung Ludwig Pappenheims wurde es seiner Witwe vom Landrat in Schmalkalden verwehrt, ihn dort zu bestatten. Nach vielen Bemühun- gen an mehreren Orten gelang es Frieda Pappenheim schließlich, eine Genehmi- gung auf dem Jüdischen Friedhof in Leipzig zu erhalten. Dort wurde er am 12. Januar 1934 begraben." Die dargestellte Prozedur der Erniedrigung und Peinigung eines intellektuell, moralisch und politisch überlegenen Gegners wurde bis zur Vernichtung seines Lebens mit Haß, Systematik und Konsequenz vollzogen. Sein Tod war, wie die Sprache der Täter und Mittäter verrät, vom Tage seiner Verhaftung an, vielleicht schon früher, mitgedacht. In dieser Vernichtungsprozedur spielten Schutzhaft und Konzentrationslager deshalb eine tragende Rolle, weil juristisch gegen L. Pappenheim trotz größter Manipulationen (Vorwurf der Gotteslästerung, des Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz) mehr als drei Monate Gefängnis nicht 73 »Auszug aus dem Original eines Augenzeugenberichtes über die Ermordung des Genossen Pappenheim« (Nachlaß L. Pappenheim). Dieser Bericht wurde durch zwei weitere Aussagen bestätigt. Zum einen erklärte Willi Walberg aus Kassel, der gemeinsam mit Ludwig Pappenheim in Börgermoor gewesen war, daß dieser Bericht eines Augenzeugen, der ihm vorgelegt wurde, den Tatsachen entspräche. Mitteilung K. Pappenheim an V[ vom 28.8.1995. - Zum andern gibt es einen Bericht eines anderen Mitgefangenen Pappenheims in Börgermoor, der in den wesentlichen Punkten mit diesem Bericht übereinstimmt. Er stammt von Heinrich Kleinschmidt. Schriftliche Mitteilung von H. Kleinschmidt (1989) 74 Willy Perk: Hölle im Moor. Zur Geschichte der Emslandlager 1933-1945. Frankfurt a.M. 1979, 32. 75 Ludwig Pappenheim war im Oktober 1933 in das KZ Börgermoor eingeliefert, später von dort in das KZ N eusustrum verlegt worden, wovon der Landrat von Schmalkalden jedoch keine Notiz genommen hatte. 76 HStA Mbg 165/3982. Band 12. LR Schmalkalden an RP Kassel vom 11.1.1934. 77 »Meiner Mutter ist es nur mit großer Unterstützung seiner Schwester und seines Schwagers aus Leipzig gelungen, die Genehmigung für das Grab zu erlangen. Der Schwager erreichte es, die damals erforderlichen Genehmigungen für die Durchfahrt und den Transport durch die Länder und Regierungsbezirke zu erlangen.« Mitteilung K. Pappenheim an Vf. vom 28.8.1995. - In seinem Notizbuch (Nachlaß L. Pappenheim) findet sich (vermutlich von seiner Frau geschrieben) unter dem 12.1.1934 der Eintrag: »Ludwig für immer von uns gegangen.« - Vgl. auch: Notiz über ein Gespräch mit Herrn Kurt Pappenheim (Schmalkalden) am 1. März 1985. (Teilnehmer: Michael Kelbling, D. Krause-Vilmar). Teilweise abgedruckt in: Dillmannl Krause-Vilmar/ Richter: Mauern des Schweigens durchbrechen. Die Gedenkstätte Breitenau (=Nationalsozialismus in Nordhessen. Schriften zur regionalen Zeitgeschichte, 9) Kassel 1986, 204 f. (Foto von L. Pappenheim auf 206). 202 veranlaßt werden konnten. Breitenau, Bärgermoor und Neusustrum waren nun die Orte, in denen die Desintegration der Person bewerkstelligt werden sollte. Bemerkenswert erscheint auch folgender Vorgang: die politische Gegnerbe- kämpfung aus der Zeit der (Weimarer) Republik, für die der Regierungspräsident mit seinem Vorschlag, Pappenheim gegebenenfalls nach der dreimonatigen Schutzhaftzeit zu entlassen, steht, wurde durch die NSDAP in Sehntalkalden überrollt; letztere setzte sich durch. Der politische Gegner geriet nun nicht mehr befristet hinter Gitter; er wurde - wenn er als .Fcind. ausgemacht worden war - im KZ erniedrigt und umgebracht; seine Familie wurde geächtet. Heinrich Parthesius (1901-1957) Heinrich Parthesius war Schreinermeister in Grüsen, einer kleinen Gemeinde in der Nähe Gemündens im Altkreis Frankenberg. Er war 1924 der SPD beigetreten. »Er war ein temperamentvoller, klassenbewußter Sozialdemokrat«78 und hatte einen guten Namen in der Gemeinde. Er war nicht der einzige in seiner Dorfge- meinde zu Amt und Würden gekommene Sozialdemokrat, der nun in Breitenau eingesperrt wurde: Bürgermeister Wilhelm Pfannkuch aus Heiligenrode, Bürgermeister Karl Kraft aus Nieste, Fritz Precht aus Ihringshausen, Adam SeIbert aus Niederzwehren, Altbürgermeister WiIheIm Lukan aus Harleshausen - sie alle und noch andere mehr wurden nun als rote Bonzen geschmäht und sollten als Sträflinge gedemütigt werden. Parthesius war im Jahre 1932 in die Mühlen der politischen Verfolgung anläßlich einer Auseinandersetzung mit einer SA.-Gruppe geraten. In seinem Lebenslaufberichtet er darüber: »Bei den Umzügen der NSDAP und deren Gliederungen geriet ich mit noch mehreren Genossen meiner Partei in einen Streit mit einem SA-Propagandazug, welcher durch Überfall auf uns in eine Schlägerei ausartete. "Waren wir auch nicht die Schuldigen, so wurden wir damals doch von den verseuchten Gerichten bestraft. Ich selbst wurde mit 6 Monaten Gefängnis bestraft, aber durch eine Amnestie der damaligen Regierung (im Dezember 1932) amnestiert.x" Am 25. Juni 1933, nachts um 2 Uhr, wurde Parthesius von SA-Leuten .abgeholt-, verhaftet und zunächst in das Amtsgerichtsgefängnis in Frankenberg eingesperrt." Vier Tage später wurde er in das KZ Breitenau überführt, wo er bis zum 28. Juli oder bis zum 3. August blieb." 78 Mitteilung Stadtarchivar Brandt, der ihn persönlich kennengelernt hatte, vom 7.4.1987. 79 Mitteilung Stadtarchivar Brandt vom 7.4.1987 (Aus dem Lebenslaufvon H.P.). Herr Brandt hat die Gerichtsakten, die zur Verurteilung der fünf Sozialdemokraten geführt hatten, eingesehen. Die Anklage erfolgte wegen »schwerer Körperverletzung«. Ein SA-Mann erhielt bei der Schlägerei einen Steinwurf an den Kopf Der angebliche Steinwerfer war ein Maurer. 80 HHStA Wbdn: Dokumentation. 81 In den Breitenau-Akten ist seine Entlassung am 28.7.1933 notiert. Er selbst schreibt in seinem 203 »Nach meiner Entlassung am 3. August des gleichen Jahres nahm ich mein Ge- werbe wieder auf.«82 Der Stadtarchivar hat eine weitere begründete Vermutung für die Schutzhaft gegen Heinrich Parthesius: »Die .Schutzhaft- für Heinrich Parthesius hängt nach meinen Nachforschungen nicht nur mit seiner Zugehörigkeit zur SPD und zum Reichsbanner, sondern auch mit seinen freundschaftlichen Beziehungen zu den jüdischen Mitbürgern in Grü- sen zusammen. Noch 1938 zimmerten sich einige junge Juden vom -Landwirt- schaftliehen Umschulungslager- (die jungen Juden und Jüdinnen nannten es damals Kibbuz) in Grüsen nach der Kristallnacht in großer Eile bei Schreiner- meister Parthesius in dessen ~rkstätte ihre Holzkoffer, bevor sie ihre Ausreise nach Palästina antraten.e'" Nach 1945 fand Parthesius wieder zu Anerkennung und Ehren. Zunächst setzten ihn die Amerikaner zum Bürgermeister von Grüsen ein. Dann gewann er die demokratische Wahl in der Gemeinde selbst. »In der am 25.4.1948 stattgefun- denen Gemeinde- und Kreistagswahl wurde ich (SPD-Wahlvorschlag) mit Stim- menmehrheit wieder zum Bürgermeister der Gemeinde Grüsen gewählt.e" Dieses Amt behielt er bis zu seinem Tod im]ahre 1957 inne. Paul Pickel (1898 -1960) Paul Pickel gehört zu denjenigen Verfolgten des Hitlerstaates, die so schwer getroffen waren, daß sie auch nach dem Ende des Hitlerstaates gezeichnet blieben. Über sein Schicksal teilt der Stadtarchivar von Frankenberg in einem eindrucksvollen Bericht, den er selbst recherchiert hat, folgendes mit: »Pickel wurde am 06.11.1898 in Offenhausen (Mittelfranken) geboren und verstarb am 13.04.1960 durch einen\erkehrsunfall in Frankenberg. Er war gelernter Müller, lernte auf der "Wanderschaftseine Frau aus Frankenberg kennen und arbeitete dort bis 1933 in der Niedermühle. Er war Mitglied der KPD. In der ~imarer Republik organisierte er in Frankenberg während der größten Arbeitslosigkeit von städti- schen Behörden geduldete Hausschlachtungen, deren Fleisch an die Notleidenden verbilligt abgegeben wurde. Nach der Machtübernahme durch Hitler wurde er in Breitenau bei Kassel inhaftiert und verblieb dort länger als andere bis zum 20.09.1933. Etwa 1937 fand man in Kassel eine Liste mit ehemaligen KPD-Funk- tionären, aufder auch Pickel benannt war. Er war zwar nur ein kleiner Fisch gewesen, hatte aber in seiner unerschrockenen Art auch nach seiner Entlassung in Breitenau in Gesprächen mit der Frankenberger Bevölkerung aus seiner politischen Über- zeugung keinen Hehl gemacht. Nach Aussage eines noch lebenden Neffen ver- schwand sein Patenonkel etwa ab 1937 bis zum Kriegsende (!) im Zuchthaus Lebenslauf, er sei dort erst am 3. August 1933 entlassen worden. Es ist denkbar, daß man ihn zwischen dem 28. Juli und dem 3. August noch im Polizeipräsidium Kassel festgehalten hat. 82 Mitteilung Stadtarchivar Brandt vom 7.4.1987 (Aus dem Lebenslaufvon H.P.). 83 Mitteilung Stadtarchivar Brandt vom 7.4.1987. 84 Mitteilung Stadtarchivar Brandt vom 7.4.1987 (Aus dem Lebenslaufvon H.P.). 204 ~hlheiden, danach in einem Zuchthaus bei Hamm (Werl) und schließlich in der Landesheilanstalt Haina (Kloster), von wo er nach Einmarsch der Amerikaner sofort nach Frankenberg entlassen wurde. Seine Frau hatte sich während der langen Haftzeit ihres Mannes (sie erhielt keine Unterstützung!) von ihm getrennt, das von Pickel erbaute Blockhaus verkauft und sich in einer ländlichen Gemeinde ander- weitig verheiratet. Das gnadenlose Schicksal dieses politisch \erfolgten hat ihn nicht nur gedemütigt, sondern körperlich und seelisch so zerschlagen, daß er der hiesigen Bevölkerung zwar gutmütig aber wunderlich verwirrt erschien, wenn er nach dem Kriege mit Kurzwaren per Fahrrad in die umliegenden Dörfer fuhr und dabei nahe der alten Hütte aufder B 252 bei Frankenberg tödlich von einem Auto erfaßt wurde. [...] Pickels Neffe besuchte seinen Onkel 1943 während eines Fronturlaubs in der Landesheilanstalt Haina, wo ihm Pickel sagte, daß es ihm schlecht ginge. Auch mit einem Koppel sei er schon geschlagen worden. Dem gleichen Neffen schrieb Pickel etwa 1948 in ein sowjetisches Gefangenenlager aufeiner Rot-Kreuz-Karte: -Liebcr Junge, die Amerikaner haben mich sofort entlassen. Komme nur gesund nach Hause. Dann wird schon alles gut werden.< Nachtrag: "Weitere Zeugen zur Person Pickels sagten aus, daß er von der Spruchkammer in mehreren Fällen als Zeuge zur Aussage über Belastete gebeten wurde. Pickel soll in allen Fällen eine Zeugenaussage mit der Bemerkung abgelehnt haben, -man möge die Beklagten selbst zu den erhobenen \brwürfen hören.<«85 Heinrich Treibert (1898 -1974) Heinrich Treibert wurde am 31. März 1898 in Treysa als Sohn eines Post- schaffners geboren. Nach der Ausbildung auf der Präparandenanstalt und dem Lehrerseminar in Frankenberg (1912 - 1918) und der Teilnahme am Weltkrieg engagierte er sich im Hessischen Lehrerverein (im Vorstand) und war als Lehrer am Treysaer Gymnasium tätig. Es folgte im Jahre 1921 eine Lehreranstellung in Merzhausen (Kreis Ziegenhain) und 1924 in Besse (Krs. Fritzlar). Früh betätigte er sich auch als Sozialdemokrat in der Kommunalpolitik. Mit 27Jahren wurde er Mitglied des Kreisausschusses und später Kreisdeputierter für den Kreis Fritzlar. 1928 kandidierte er für den Preußischen Landtag. Von der preußischen Staats- regierung 1929 zum Landrat des Kreises Fritzlar ernannt, war Treibert damals mit 31Jahren der jüngste Landrat in Preußen." Als der Landkreis Fritzlar imJahre 1932 aufgelöst und Teil des neu gebildeten Landkreises Fritzlar-Homberg wurde, versetzte man Heinrich Treibert in den einstweiligen Ruhestand." Möglicherweise war bei der Neubildung des Land- kreises Fritzlar-Homberg auch ein Interesse an der Entmachtung des -rotcn Landrats: Treibert, der als überzeugter Sozialdemokrat und engagierter Gegner des Nationalsozialismus bekannt war, im Spiel gewesen. 88 85 Mitteilung Stadtarchivar Brandt an V[ vom 20.5.1987. 86 Nachruf auf Heinrich Treibert, in: EAM-Ring 1974. 87 Klein, Berichte des RP, 856. 88 Manfred Kieserling: Faschisierung und gesellschaftlicher Wandel. Mikroanalyse eines nord- hessischen Kreises 1928 - 1935. Wiesbaden 1991, 272. 205 Es blieb der nationalsozialistischen Regierung vorbehalten, dem Ruhe- standsbeamten Treibert sämtliche ihm rechtlich zustehenden Bezüge zu strei- chen, indem sie ihn kurzerhand -aus dem Staatsdienst- entließ." »Das war für einen Familienvater einer 6köpfigen Familie eine harte Strafe. Er schrieb zunächst für verschiedenen Zeitungen, doch als die Nazis herausfanden, wer sich unter dem Pseudonym verbirgt, durften die Zeitungen seine Artikel nicht mehr annehmen. Er fand dann bei der Aachener- und Münchener-\ersicherung eine Anstellung auf Provisionsbasis. Da er weit bekannt war, schloß mancher Wohlgesonnene eine \ersicherung ab. Er fuhr mit dem Fahrrad und kam manchmal die ganze %che nicht nach Hause. Wir wohnten in Fritzlar und wir Kinder gingen ins Lyzeum, die \brschule und den Kindergarten der Ursulinen. Als unser \!.lter seine Kinder abmelden wollte, weil er das Schulgeld nicht aufbringen konnte, haben ihm die Ursulinen sämtliches Schulgeld erlassen. Jeder Pfennig wurde im Hause reibert dreimal umgedreht. So war es auch zu erklären, daß \!.lterjeden Abend ins benachbarte Dorf Geismar lief, um Milch bei einem Bauern zu holen. Auf einem dieser abendlichen Gänge wurde er von SA verhaftet und in einem Schweinetransportwagen abtransportiert. Er war dann wohl zunächst in "Wabern im Karlshof und kam von dort nach Brcitcnau.e'" Aus den Akten geht hervor, daß dies Ende Juni 1933 geschehen sein muß, denn der stellvertretende Landrat des Kreises Fritzlar-Homberg, Kreisoberin- spektor [Oskar] Hartenbach, berichtete am 1. Juli 1933 betr. »Abtransport des Landrats a[ufJ W[artegeld] Treibert durch die SA«9\ daß ihm am 29. Juni »in den Abendstunden [...] mitgeteilt« worden sei, »daß Landrat reibert von der SA verhaftet und abtransportiert worden sei. Wohin, konnte ich allerdings nicht erfahren. Irgendwelche Feststellungen wurden dadurch erschwert bzw unmöglich gemacht, daß die SA - Führer unterwegs und nicht zu erreichen waren. Gestern vormittag brachte ich in Erfahrung, daß der Sturmbannführer [Bruno] Möllergeschlossenen Fürsorgeerziehung<, einer Vorform der späteren Jugendkonzentrationslager, begonnen. Im November 1938 wurden bei den im ehemaligen Kurhessen in einigen Gemeinden bereits am 7. November einsetzenden antisemitischen Pogromen 24 deutsche Juden aus Guxhagen (12), Melsungen, Röhrenfurth, Neumorschen, Binsförth, Heinebach (Altkreis Melsungen) und Rotenburg a.d.F. in Breitenau inhaftiert.' Bevor sie in Breitenau für einige Tage eingesperrt wurden, war es zu gewaltsamen Ausschreitungen (z.B. Einbruch in die Wohnungen u.ä.), zu Mißhandlungen und zu Vandalismus gegenüber den Juden im Ort Guxhagen gekommen. Für Nordhessen stellte W.-A. Kropat fest: »Was auffällt, sind Heftig- keit und Ausmaß der antijüdischen Ausschreitungen. [...] Die totale Zerstörung all dessen, was Juden gehört und was ihnen heilig ist, stellt eine Eskalation der Gewalt gegenüber der jüdischen Bevölkerung dar, die trotz aller schlimmen Vorkommnisse der vergangenen Jahre beispiellos ist.e" Für viele der Juden aus der Melsunger Gegend war Breitenau die erste Haftstätte, der weitere, meist Ghetto oder KZ, folgten. Zwei von den zwölf im November 1938 in Breitenau eingesperrten Guxhagener Juden, Daniel und Josef Katz, überlebten Krieg, KZ und Ghetto im Osten. Benni Katz wurde für tot erklärt; von Max Speier stammt die letzte Nachricht, daß er nach Riga deportiert wurde. Lenor Katz gilt als .unbekannr verschollene, Jonas Speier gilt als -im Osten verschollen- und Leopold Blumhof fand am 18.2.1945 in Buchenwald [KZ] den Tod. Das Schicksal der anderen fünf ist - wie das vieler anderer aus der alten und großen Guxhagener jüdischen Gemeinde (ungefähr 180 Seelen Ende der 20er Jahre; eigene Volksschule)" - ungeklärt." Nur einer von ihnen, JosefKatz, kehrte nach 1945 nach Guxhagen zurück. Während des Zweiten Weltkrieges wurde in Breitenau von der Staatspolizei- stelle Kassel ein Arbeitserziehungslager eingerichtet. Solche Arbeitserziehungsla- ger entstanden im Jahre 1940 an vielen Orten; sie dienten dazu, sogenannte 7 Gendarmerieposten Körle/Kr. Melsungen am 11.11.1938, Verzeichnis der in der Anstalt Breitenau untergebrachten Juden (nach Richter, 191). 8 Wolf-Arno Kropat: Kristallnacht in Hessen. Das Judenpogrom vom November 1938. Eine Dokumentation. Wiesbaden 1988, 24. 9 Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn. Band 1. Frankfurt a.M. 1971,304 ff 10 Gedenkbuch. Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945. Bearbeitet vom Bundesarchiv Koblenz und dem ISD Arolsen. Koblenz 1986, Band 1, 143, Z.17, Band 2,1420, Z.66 u. 1687, Z.37 - Frank-Matthias Mann: Liste der als Juden verfolgten Häftlinge Breitenaus 1933-1945. In: Rundbrief 9 des Vereins zur Förderung der Gedenkstätte und des Archivs Breitenau. Kassel 1991, 20-33. - ders.: Über das Verschwinden der Jüdischen Gemeinde Guxhagen. In: Rundbrief 10 des Vereins zur Förderung der Gedenkstätte und des Archivs Breitenau. Kassel 1991, 12-17. 209 -Arbcitsbummclanten. bzw. >Arbeitsverweigeren für drei oder acht Wochen bei verschärftem Arbeitszwang und bei KZ-Bedingungen vergleichbarer Unter- drückung im nat.soz. Sinne zu disziplinieren. Im günstigen Fall konnte der Gefangene nach Unterzeichnung einer >Warnungsverhandlung< an seinen Ar- beitsplatz zurückkehren. In vielen anderen Fällen wurde er von einem Arbeitser- ziehungslager unmittelbar einem Konzentrationslager überstellt. Im Jahresbericht der Anstalt Breitenau für das Jahr 1940 hieß es: »Im Sommer 1940 wurde aufAntrag der Geheimen Staatspolizei Kassel ein Arbeits- erziehungslager für Schutzhäftlinge hier eingerichtet. Dieses Lager ist als \{)rstufe eines Konzentrationslagers anzusehen. Untergebracht werden größtenteils Polen und Juden, außerdem befinden sich auch Deutsche und sonstige Ausländer dazwi- schen. Der Grund der Unterbringung ist größtenteils Arbeitsverweigerung, \erlas- sen der Arbeitsstelle und Verstöße gegen die \blksgemeinschaft. Die U ntcr- bringungsdauer ist kurz bemessen, sie beträgt durchschnittlich 3 - 4 ~bchen. Die meisten Häftlinge werden von hier aus entlassen und ihrer Arbeitsstelle wieder zugeführt. Eine weitere Anzahl wird von hier aus einem Konzentrationslager überstellt. Es handelt sich hierbei größtenteils um Menschen in den bestenjahren, die der Anstalt sehr wertvolle Dienste leisten.c' I Erneut wurden nun ab dem Jahre 1940 .Schutzhaftgcfangcne- in Breiterrau inhaftiert. Die meisten der insgesamt etwa 8 400 Gefangenen waren ausländische Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen. Sie hatten sich gegen die Arbeits- und Lebensbedingungen gewehrt und wurden deshalb einer besonderen Art von >Arbeitserziehung< unterworfen. Schutzhaft und Arbeitserziehungslager drohten all denen, die in irgendeiner Form als respektlos, kritisch, ungehorsam, unange- paßt oder .rcnitcn« aufgefallen waren, Widerstand geleistet oder gegen die Rassen- ideologie verstoßen hatten. Hier einige Beispiele von sogenannten Haftgründen, die sich bei Schutzhaftgefangenen Breitenaus in der Kriegszeit fanden. Sie doku- mentieren das totale Kontrollbedürfnis des nat.soz. Staates bis weit in die persön- liche Sphäre der Menschen. Es wurden in das Arbeitserziehungslager Brcitenau eingewiesen: • eine 3Sjährige Polin wegen »wiedcrholtc [r] Arbeitssäumigkeit und wc- gen widersetzlichen Verhaltens«, • eine SOjährige Deutsche, »weil sie eine Behördenangestellte in übler Weise beleidigt, verleumdet und bedroht hat«, • ein 40jähriger Deutscher, »weil er unerwünschten Umgang mit Russin- nen pflegte«, • eine 21jährige Deutsche: »Sie hat sich während ihrer Inhaftierung im hies. [igen] Gefängnis wegen Arbeitsbummelei im kommunistischen Sin- 11 Archiv des LWV Hessen: Nr. 9794. Jahresbericht der Landesarbeitsanstalt und des Landes- fürsorgeheims zu Breitenau für das Rechnungsjahr 1940. Breitenau, den 10. September 1941 (maschinenschriftl.), 1. 210 ne betätigt. Als Stalingrad durch die Sowjets wieder eingenommen wurde, ist sie mit noch anderen Insassen in Freudenkundgebungen ausgebrochen«, • eine 35jährige Polin: »Sie hat an der Verpflegung unberechtigt Kritik geübt und das Essen der Köchin vor die Füße geworfen«, • eine 25jährige Polin: »hat (...) ihren Meister mit Bluthund und einen Gärtner, der kriegsbeschädigt ist, mit Krüppel bezeichnet«, • eine 20jährige Deutsche, »weil sie wiederholt mit einem Polen den Ge- schlechtsverkehr ausführte«, • ein 30jähriger »Ostarbeiter«, »weil er in betrunkenem Zustande den Straßenverkehr behinderte«, • ein 19jähriger Pole, »wcil er seine Arbeitsstelle eigenmächtig verlassen hat und die Reichsbahn unerlaubt benutzte«." Der am meisten genannte Haftgrund »die Arbeitsstelle eigenmächtig bzw. unerlaubt verlasscn« konnte aufverschiedene Anlässe und Gründe zurückgehen; unter Bedingungen der Zwangsarbeit konnte dies auch Ausdruck einer Gegen- wehr der arbeitenden Menschen sein, deren Arbeitskraft bis an die Grenze der physischen Leistungsfähigkeit ausgenutzt werden durfte. Auch aus anderen Haft- gründen werden die elementare Not (z.B. »des Kartoffeldiebstahls verdächtig«; »Gebettelt«) und Formen des Nicht-Mitmachens (»Ausländischen Arbeitern die Küche zu Zusammenkünften zur Verfügung gestellt«) und des Sichwidersetzens (»Andere zur Einstellung der Arbeit aufgefordert«) sichtbar. 1940/41 stellten Deutsche und aus den besetzten polnischen Gebieten ver- schleppte oder angeworbene Polen den größten Teil der Schutzhaftgefangenen im Arbeitserziehungslager Breitenau. Im Verlauf des Krieges wurden immer mehr Menschen aus der Sowjetunion in Deutschland zur Arbeit gezwungen; der Anteil der sowjetischen Gefangenen in Breitenau war bis zum Kriegsende ständig steigend. 1944/45 kam der überwiegende Teil der Gefangenen aus Polen und der Sowjetunion. Gleichzeitig wurden Schutzhaftgefangene aus den meisten europäi- schen Staaten (vor allem aus Frankreich, den Niederlanden, Belgien und Luxem- burg) im Arbeitserziehungslager Breitenau gefangengehalten. Alle nur denkbaren Berufsangaben finden sich in den erhaltenen Aufnahme- büchern: Angestellte, Hausfrauen, Lehrer, Studenten, Pfarrer und Kaufleute. Besonders hervorzuheben ist die weitaus größte Gruppe der Land- und Industrie- arbeiter sowie Handwerker im leistungsfähigen Lebensalter. Diese Zwangsarbei- ter und -arbeiterinnen waren es, die die Arbeitskraft der zur Wehrmacht eingezogenen Männer in der deutschen Industrie und Landwirtschaft ersetzen sollten. 12 Zufällig im Buchstaben I der Schutzhaftgefangenenakten Breitenaus ausgewählte Haftgründe, die sich ergänzen und weiter differenzieren ließen. Archiv des LWV Hessen: Breitenau 2. 111. [2869] Akten von Schutzhaftgefangenen [zur Zeit im Archiv der Gedenkstätte Breitenau]. 211 Gleichzeitig mit der Einrichtung des Arbeitserziehungslagers diente Breitenau als Sammellager für die Gestapostellen Kassel (Männer und Frauen) und Weimar (Frauen)." Polizeilich Verhaftete, über deren Deportation das Reichssicherheits- hauptamt in Berlin noch nicht entschieden hatte, wurden hier -bis auf weiteres- eingesperrt. Die Dauer der Haft im Lager war sehr unterschiedlich und reichte von wenigen Tagen bis zu einemJahr. Die Haft konnte mit der Rückführung zur Arbeitsstelle oder mit der Einweisung in ein Konzentrationslager enden. Etwa jeder Fünfte der Schutzhaftgefangenen wurde von Breitenau aus in eines der Konzentrationslager deportiert. Von den größeren Lagern werden Buchenwald, Dachau, Flossenbürg, Mauthausen, Natzwciler-Struthof Neuengamme, Ra- vensbrück, Sachsenhausen und Auschwitz in den Lagerakten genannt. Den Gefangenen sollte in Breitenau - wie es in der Behördensprache jener Jahre hieß - -das Arbeiten beigebracht: werden. Sofern dabei überhaupt ein bestimmtes Ziel verfolgt wurde, war es die Erzwingung blinden Gehorsams und ausdauernder und williger Arbeitsleistung - auch und gerade unter extremen Lebensbedingungen (Hunger, Kälte, Krankheit, Schläge, andere Erniedrigungen usf.), Diesem Ziel dienten zum einen die unter Aufsicht in den umliegenden Betrieben und Höfen angeordnete Arbeit, wobei die Anstalt Breitenau sich durch das -Verleihcn- der Schutzhaftgefangenen beträchtlicher -Mehreinnahmen. er- freute - im Jahre 1940 47.469,37 RM 14 -, zum anderen und wesentlichen das System des Arbeitslagers selbst. Die Unterbringung der Gefangenen erfolgte in großen Sälen; als ab Mitte 1944 die sich noch steigernde Überbelegung zur Regel wurde (die Anstalt war für etwa 300 Insassen eingerichtet; monatelang waren jedoch 800 - 1000 darin untergebracht), wurden in den Scheunen und in den Ställen Schlafstellen einge- richtet. In den Einzelzellen des sogenannten Zellenbaus wurden je bis zu sechs Menschen, in den Strafzellen des Hauptgebäudes zeitweise 10 - 15 Gefangene eingesperrt." Der Hunger wurde zum ständigen Begleiter. »Wer von dem Essen im Lager leben mußte, ist verloren gewesen«, berichtete eine ehemalige Gefange- ne, die dem Umstand, daß sie täglich zwölf Stunden in einer Gipsfabrik arbeiten mußte, lebenswichtige Bedeutung beimaß, »denn so konnten wir wenigstens zwischendurch von den anderen Arbeitern dort mal was zu essen zugesteckt bekommen«. Krankheiten und Epidemien (z.B. Fleckfieber, Typhus) breiteten 13 Wir haben einmal in den Akten den Ausdruck .Konzentrations-Sammellagcr. gefunden; da dieser sich jedoch nirgendwo sonst fand, sprechen wir künftig von -Samrncllager-. 14 Archiv des LWV Hessen: Nr. 9794. Jahresbericht der Landesarbeitsanstalt und des Landesfürsorgeheims zu Breitenau für das Rechnungsjahr 1940. Breitenau, den 10. September 1941 (rnaschinenschriftl.), 7: »Bei Titel VII 1 ist eine Mehreinnahme gegenüber dem Voranschlags-Soll von 47.469,37 RM zu verzeichnen. Hieran sind größtenteils die Schutzhäftlinge beteiligt, die mit Arbeiten in der Industrie beschäftigt wurden.« 15 Archiv Gedenkstätte Breitenau: Nr. 184. Bericht des Oberaufsehers Karl Wolfram aus der unmittelbaren Nachkriegszeit. 212 sich unter solchen Bedingungen und angesichts körperlicher Schwächung rasch aus (die Zahl der bei einer solchen Epidemie inJuni 1944 Verstorbenen ist nicht genau ermittelbar); diskriminierende Bestimmungen über die Krankenversor- gung ausländischer Arbeiter taten das übrige. Verheerender als diese physischen Belastungen dürfte jedoch die Ohn- machtserfahrung gewesen sein, die vielen Gefangenen seitens der Aufseher und der Lagerleitung in krasser Form vor Augen geführt worden ist. Das Arbeitserzie- hungslager wurde im täglichen Betrieb von den Aufsehern und Aufseherinnen des Arbeitshauses, d.h. den Bediensteten des Kommunalbezirksverbandes Kassel, geführt. Gestapobeamte kamen zunächst nur an bestimmten Tagen zu Verhören nach Breitenau. Das Schlagen, Treten, Werfen mit Schlüsselbund u.ä. »war an der Tagesordnung«. 16 Die nach 1945 vor der Strafkammer des Landgerichts Kassel der Mißhandlung von Häftlingen in Breitenau angeklagten vier Aufseher und eine Aufseherin bestritten die ihnen zur Last gelegten Körperverletzungen nicht. 17 Hinzu kam für die Gefangenen die Ungewißheit, was der nächste Tag bringen würde. Vielfach wurden die Schutzhaftgefangenen auf Anweisung der Gestapo über die Haftdauer im unklaren belassen. Die Furcht, am nächsten Tag .abgeholt- oder -abtransportiert: zu werden - vielleicht in ein KZ im Osten - war verbreitet; man sah fast täglich Mitgefangene verschwinden und befürchtete dabei das Schlimmste. Eine freie Verständigung mit den nächsten Angehörigen war nicht mehr möglich: Briefe wurden zensiert oder einfach zurückgehalten, Besuchsan- träge wurden zumeist abgelehnt. Für nicht wenige blieb als letzte Form des Widerspruchs und Protests gegen dieses Lagersystem die Flucht (die Zahl der gelungenen .Entweichungen- war in Breitenau hoch); Einzelfälle von Selbsttötung sind bekannt. Gefangene sollen geäußert haben, lieber wären sie tot als daß sie noch einmal nach Breitenau • 1HgIngen. Wenn Drill und Zwang erwarten ließen, daß das reibungslose Funktionieren im Arbeitsalltag wieder gewährleistet war, wurden die Gefangenen zum alten Arbeitsplatz zurückgeführt. Den Arbeitsämtern sowie einzelnen Landrats- und 16 Archiv Gedenkstätte Breitenau: Notiz über ein Gespräch mit Frau Dora Zimmermann am 4. 11. 1981,3. 17 Der vom Gericht verkündete Freispruch bzw. die Einstellung des Verfahrens erfolgte »aufGrund des § 3 des Gesetzes über die Gewährung von Straffreiheit vom 31.12.1949 [...], weil keine höhere Gesamtstrafe als 6 Monate Gefängnis oder keine höhere Geldstrafe als 5.000.- DM zu erwarten ist« (Staatsanwaltschaft Kassel: Geschichtl, wertvolle Akten. Urteil der Strafkammer III des Landgerichts Kassel gegen August A. vom 5. Juni 1951 wegen Körperverletzung im Amte). 18 Archiv des LWV Hessen: Breitenau Bestand 2. Nr. 9735. Allgemeines. Aktennotiz des Ver- waltungsinspektors in Breitenau vom Juni 1943: »Der Herr Landrat in Fulda teilt heute fernmündlich nach hier mit, daß in letzter Zeit die Unterbringung von Ausländern in hiesiger Anstalt Wunder gewirkt habe. Er habe schon mehrmals von hier inhaftiert gewesenen Schutzhäftlingen gehört, daß sie lieber tot sein wollten, als noch einmal nach Breitenau gingen«. 213 Bürgermeisterämtern des Regierungsbezirks kam eine Verteilerfunktion der aus Breitenau kommenden Schutzhaftgefangenen zu; von diesen Stellen aus wurden die zumeist ausländischen Gefangenen privaten Arbeitgebern .überlassen-. Das Lager Breitenau wurde von der Geheimen Staatspolizei aus Kassel regel- mäßig aufgesucht. Ein ehemaliger Schutzhaftgefangener Breitenaus berichtete: »In gewissen Zeitabständen kam immer die Gestapo. Die hatten einen Holzbock, auf den die Gefangenen geschnallt wurden, und haben 25 Hiebe gekriegt und wurden gefragt, warum sie hier sind, aus welchem Grund. Jeden Donnerstag, aus Kassel«.lY Diese Verhöre fanden oft auf dem Appellplatz statt. Die Polizisten der Kasseler Geheimen Staatspolizei - fast immer mit S5-Rang - erschienen auch in Breitenau, um Gefangene .abzuholcn.. Der Vermerk auf einigen Aktendeckeln der Schutzhaftakten »von Gestapo Kassel abgeholt« er- schloß sich uns erst durch eine zeitgeschichtliche Spurensuche von Schülern und Schülerinnen des Fritzlarer König-Heinrich-Gymnasiums. Sie hatten herausge- funden, daß bei drei polnischen Gefangenen im Jahre 1942 dem .Abholen- durch die Kasseler Gestapo aus Breitenau unmittelbar die Hinrichtung bzw. Ermordung des .abgeholten: Gefangenen erfolgt ist." »Insgesamt sind wir in den letzten Jahren auf 15 Gestapo-Gefangene des Lagers Breitenau gestoßen, die von der Gestapo hingerichtet wurden.c" Anlässe für diese zur Abschreckung durchge- führten Morde waren entweder Beziehungen zu deutschen Frauen oder Gewalt- tätigkeit bzw. gewaltsamer Widerstand. Bei den großen Bombenangriffen auf die Kasseler Innenstadt im Jahre 1943 wurde das Gebäude der Kasseler Staatspolizeistelle in der Wilhelmshöher Allee 32 zerstört. Daraufhin richtete sich ein Teil der Kasseler Gestapo auf Dauer in Breitenau ein. Zug um Zug wurden weitere Abteilungen nach Guxhagen über- führt (so zuerst die Abteilung »Arbeitsvertragsbruch ausländischer Arbeiter«; später folgten »Arbeitsverweigerung«, »Rundfunk, Heimtücke, religiöse Sekten« u.a.). Die Büros wurden im gesamten ersten Stock der ehemaligen Zehntscheune errichtet und blieben dort bis zum Kriegsende. In diesen Räumen hatte sich bis zu diesem Zeitpunkt das Altersheim befunden. Breitenau wurde kurz vor Kriegsende Ort eines Massenmordes." Kurz bevor amerikanische Truppen den Ort Guxhagen erreichten, in der Nacht zum 30. 19 Archiv Gedenkstätte Breitenau: Notiz über ein Gespräch rnit Marcin Blaszczak am 2. September 1981 in Asbach/Kreis Bad Hersfeld (Susanne Hohlmann, Pjotr Götz, I). Krause-Vilmar), 1H. - Siehe auch: Susanne Hofmann: In Memoriam - Marcin Blaszczak. In: Rundbrief 10 des Vereins zur Förderung der Gedenkstätte und des Archivs Breitenau. Kassel 1991, 3-5. 20 Eva-Maria Krenkel, Dieter Nürnberger u.a.: Lebensskizzen kriegsgefangener und zwangs- verpflichteter Ausländer im Raum Fritzlar-Ziegenhain 1940-1943 (= Nationalsozialismus in Nordhessen, Heft 6). Kassel 1985, 18-33. 21 Gunnar Richter: Recherchen zur Ermordung von sechs polnischen Gefangenen von Breitenau in Herzhausen bei Vöhl. In: Rundbriefdes Fördcrvereins Breitenau Nr. 16. Kasse11997, 47-57 (hier: 52). 22 Zu diesem Kriegsverbrechen hat Gunnar Richter systematisch die erreichbaren Quellen 214 März 1945, wurden von 55 und Gestapo 28 Gefangene am Fuldaberg oberhalb Breitenaus ermordet und im Wald vergraben. Bei den Erschossenen, von denen nur zehn namentlich ermittelt werden konnten, handelte es sich um zwei Hol- länder, 16 sowjetische und 10 französische Gefangene. Die Gründe für die Massenexekution sind weitgehend ungeklärt. Die Franzosen sollen Angehörige einer Widerstandsgruppe gewesen sein. Bei den sowjetischen Opfern handelte es sich um Zwangsarbeiter, denen von Seiten der Gestapo -Plünderungen. und >Überfälle< vorgehalten worden waren. Über die niederländischen Gefangenen ist nichts bekannt. Die Untat gehört in die Reihe der Kriegsverbrechen der letzten Phase, bei denen niedrige Rachegefühle und Angst vor eigener Verfolgung den Ausschlag zu blindwütigem Rasen und Terror gaben. erschlossen. Er hat - zugleich als Einführung in Methoden der zeitgeschichtlichen Spurensuche über die nat.soz. Zeit vor Ort - eine Ton-Dia-Reihe »Der Umgang mit der nationalsozialistischen Zeit - Eine lokale Studie über ein Verbrechen der Endphase des Zweiten Weltkriegs. Methoden des Recherchierens« erstellt, die wie die unter demselben Titel angefertigte schriftliche Ausarbeitung (Staatsexamensarbeit Gesamthochschule Kassel 1981) in der Gedenkstätte Breitenau zu sehen bzw. zu lesen ist. Zum neuesten Stand der Erforschung dieses Verbrechens s. Richter, Breitenau, 206-212. 215 Der Utngang mit dem KZ Breitenau nach 1945 Die Entdeckung der Akten des Lagers Die Entdeckung der Akten des Lagers Breitenau geschah spät und zufällig. IrnJahr 1979 hatten wir Zeitzeugen zur Geschichte der Arbeiterbewegung in Kassel befragt. Einer von ihnen war Max Mayr, von Beruf Dreher bei Henschel. Er gehörte dem »Internationalen Sozialistischen Karnpfbund« (ISK) an und hatte am Widerstand gegen die Diktatur teilgenommen.' Die Nazis verfolgten ihn und sperrten ihn in das KZ Buchenwald ein, wo er als -Häftlingsschrciber. arbeiten mußte und überlebt hat. Als wir mit ihm im Oktober 1979 sprachen, erwähnte er mehr beiläufig - er wußte dies aus seiner Zeit im Regierungspräsidium Kassel, wo er nach dem Krieg von den Amerikanern für Wiedergutmachungsfragen einge- setzt worden war -, daß sich beim Landeswohlfahrtsverband Hessen in Breite- nau/Guxhagen eine Liste befand, die sämtliche aufgenommenen politischen Häftlinge des KZ Breitenau enthielt. Im Keller des Verwaltungsgebäudes befand sich nicht nur die erwähnte Liste der politischen Gefangenen des KZ Breitenau in den Jahren 1933 und 1934; wir stießen auch aufungefähr 3000 Individualakten der Schutzhaftgefangenen Breite- naus aus denjahren 1940 bis 1945 sowie aufzahlreiche Korrespondenzen aus der Nazizeit. Breitenau hatte also im Krieg zur Unterbringung von Schutzhaftgefan- genen gedient - das war neu. Die Akten, die wir in Händen hielten, trugen selbst in ihrer bürokratisch niedergelegten Form Spuren der Leidensgeschichte der in Breitenau inhaftierten Menschen. Studierende und Mitarbeiter unserer Hoch- schule begründeten ein -Projekt Breiterrau. und bereiteten eine Ausstellung vor, die unter dem Titel »Erinnem an Breitenau 1933-1945« im Herbst 1982 in Kassel gezeigt wurde. Die Ausstellung zeigte ausgewählte Dokumente, Fotos und Zeug- nisse aus diesen Akten. Die ersten Zeitzeugen, nach denen wir suchten, meldeten sich; einige von ihnen besuchten uns, andere überließen uns Zeugnisse ihrer Haftzeit. Im Dezember 1983 lud uns der Landeswohlfahrtsverband ein, die Ausstellung in seinen Räumen in Guxhagen zu zeigen. Im Sommer 1984 wurde die Gedenkstätte Breitenau eingerichtet. Seit dieser Zeit begann auch die wissenschaftliche Erforschung der Geschichte des Lagers Breitenau. Es war uns Anfang der 80er Jahre wichtig, - und hierfür schienen die Breitenau-Akten und das zeitgleich mit den Kollegen Järg Kammler und Wilhelm Frenz begonnene Projekt »Kassel im Nationalsozialismus« einen geeigneten Anlaß zu bieten, - sich noch einmal neu und von Grund auf mit dem Nationalsozialismus zu befassen, der unser Leben als Kinder in der Kriegszeit, vor Zu seiner Person s. Volksgemeinschaft und Volksfeinde 1,360-363. 216 allem jedoch als Jugendliche in der postnazistischen Nachkriegszeit so entschei- dend beeinflußt und beschäftigt hatte. Stationen des Vergessens und des Verdrängens Da sich in der Nachkriegszeit und auch später mit dem Namen Breitenau nicht nur das frühe staatliche Konzentrationslager der Jahre 1933/34, sondern auch das in der Kriegszeit an diesem Ort eingerichtete Arbeitserziehungslager Breitenau verbindet (von der Arbeitshaustradition und dem Mädchenfürsorgeheim ganz zu schweigen) hat man von einem Komplex Breitenau auszugehen. Man wird daher den späteren Umgang mit dem frühen KZ nicht immer streng von demjenigen mit dem Arbeitserziehungslager trennen können. Der Massenmord am Fulda- berg trug ebenfalls dazu bei, daß es um den Namen Breitenau nach 1945 nicht still wurde. Und doch setzte das Verdrängen schon sehr früh ein. Vor allem der Begriff .Konzentrationslager- wurde bereits unmittelbar nach Ende des Krieges im Jahr 1945 in einem Artikel in der »Hessischen Post« zurückgewiesen. Das Stereotyp zu Breitenau -Kein KZ, sondern [nur] Arbeitshaus- wurde uns, als wir mit unserer Ausstellung und unseren Breitenau-Studien in den 80er Jahre begannen, oft entgegengehalten. Unter der Überschrift »Breitenau: Ein finsteres Kapitel« er- schien ein Artikel in der »Hessischen Post«, der wie folgt begann: »Brcitenau ist kein Konzentrationslager. Es ist eine Arbeitsanstalt, die dazu bestimmt war, sogenannte arbeitsscheue Individuen zu einem geordneten, arbeitsamen Leben anzuhalten. Der Berichterstatter der Hessischen Post hatte Gelegenheit, mit mehre- ren ehemaligen Insassen der Anstalt zu sprechen und zu sehen, mit welchen Methoden die Nazi-Justiz Menschen bessern wollte. [...]«.2 Es ist erstaunlich, daß diese rechtfertigende und die historische Wahrheit abwehrende Darstellung Breitenaus bereits im Mai 1945 ihren Ausgang genom- men hat. Zu dieser Zeit lebten zahlreiche Zeitzeugen und Verwaltungsbeamte, die der Legendenbildung hätten entgegentreten können. Die »Betreuungsstelle für ehemalige KZ-Opfer« in Kassel hatte 1945 zahlreiche Ausweise ausgestellt, in denen die Haftzeiten im »KZ Breitenau« aufgeführt worden waren.' Die Behaup- tung, Breitenau sei (nur) ein Arbeitshaus gewesen, ist nicht nur falsch für die Zeit, in der diesem Arbeitshaus ein Konzentrationslager angegliedert wurde (1933/34), sondern auch für die Kriegszeit, in der dem Arbeitshaus Breitenau ein sogenann- tes Arbeitserziehungslager der Gestapostelle Kassel angeschlossen wurde. In diesem ersten uns bekannt gewordenen Zeitungsartikel vom 12. Mai 1945 wird über die Zustände in der Kriegszeit Breitenaus von »wüsten Beschimpfun- gen«, »Abzüge von dem kärglichen Essen« und von Schlägen einer »sadistischen 2 Hessische Post N r. 3 vom 12. 5. 1945. 3 Im Bildteil ist ein solches Dokument wiedergegeben (s. Abb. aus S. VIII). 217 Oberschwesrer« mit einem »aus 25 Schlüsseln bestehenden schweren Schlüs- selbund in den Nacken« berichtet. Männer seien »im Hof von den SS-Wachen mit Riemen geschlagen worden und wir hörten ihre Schrcie.s' Damit war ein Teil der historischen Wirklichkeit des Arbeitserziehungslagers berührt.' Mit der Erwähnung der SS war implizit mitgeteilt und eingestanden, daß Breitenau nicht nur ein gewöhnliches Arbeitshaus gewesen sein konnte. Nach dem Krieg lassen sich zwei Sichtweisen bei der Darstellung Breitenaus im Nationalsozialismus unterscheiden: Die erste bezieht - wenn auch begrifflich und historisch meistens nicht ge- nau - die Kriegszeit des Lagers Breitenaus zwar ein, gliedert jedoch das Arbeits- erziehungslager und das Sammellager Breitenau umstandslos in die Arbeitshaus- tradition ein. Breitenau sei eben ein ganz normales Arbeitshaus gewesen, so wird behauptet, und demzufolge seien die Insassen vielleicht nicht ganz unschuldig gewesen - von Verfolgung und Terror könne jedenfalls nicht gesprochen werden. Diese Auffassung ist historisch falsch. Sie läßt die Illusion aufkommen, als habe man in Breitenau mit Gestapo, SS,Judenverfolgung, Mißachtung und Mißhand- lungvon Menschen im Hitler-Staat nichts zu tun gehabt. Sicher hat es zahlreiche Überschneidungen und Gemeinsamkeiten zwischen Korrigendenanstalt und Ar- beitserziehungslager Breitenau gegeben - doch blieb es nicht nur unter dem Aspekt der Haftkategorie, sondern auch unter dem Gesichtspunkt letzter recht- licher Sicherheiten ein großer Unterschied, ob man als Korrigend im System des preußisch-autoritär-konservativen Normenstaates oder als SchutzhäJtling des nat.- soz. Ausnahmestaates in Breitenau Insasse war. Die zweite Sichtweise macht es sich einfach: sie blendet die gesamte Nazizeit (KZ und Arbeitserziehungslager) bei der Darstellung Breitenaus aus - so als ob es weder Schutzhaft noch Gestapo, weder SA noch SSje in Breitenau gegeben habe. Auch diese Ausblendung setzte erstaunlich früh ein. Anläßlich der Auflösung des Arbeitshauses Breitenaus im Jahre 1949 - die Alliierten hatten die Aufhebung aller Arbeitshäuser angeordnet - hielt ein Lehrer aus Grebenau vor der »Arbeits- gemeinschaft für Heimatkunde des Kreislehrervereins Melsungen« einen Vortrag über die Geschichte Breitenaus, der im Jahre 1927 - beim letzten größeren Umbau des Kirchenraums - endete." Ähnlich zurückhaltend gegenüber der jüng- sten Geschichte war auch der Text aufeiner imJahre 1950 aufdem Anstaltsgelän- de angebrachten Tafel zur Geschichte Breitenaus, die inzwischen durch eine neue 4 Hessische Post Nr. 3 vom 12.5. 1945. 5 Vgl. hierzu Richter, Breitenau, 165. 6 Hessische Nachrichten. Heimat-Echo Me1sungen und Pritzlar-Hombcrg. Nr. 106 vom 5.5.1949. »Breitcnau kein Arbeitshaus mehr. Lehrer Haarberg sprach über die Geschichte des Klostcrs.« Arbeitshaus und Fürsorgeheim Brcitenau wurden im Vortrag thematisiert; es ging also nicht nur um Klostergeschichte . 218 Tafel seitens des LWV-Hessen, auf der die zeitgeschichtlichen Ereignisse in der Nazizeit bewußt aufgenommen sind, ersetzt worden ist. Für beide Darstellungsweisen, deren verharmlosende und verleugnende Seiten offen zutage liegen, lassen sich seit den 50er Jahren zahlreiche Beispiele in der Presse, in den Gemeindechroniken, in Broschüren und öffentlichen Reden finden. Während das Arbeitserziehungslager Breitenau bei einigen Autoren Erwäh- nung findet, wird das frühe Konzentrationslager Breitenau 1933/34 allgemein verschwiegen und übergangen. Es gibt keine Erwähnung oder Berichterstattung, keine Reportage oder biographische Nachricht aus dem frühen KZ Breitenau in der regionalen Kasseler Presse in den 50er, 60er und 70er Jahren. Überspitzt könnte man feststellen, wenn man von den Inhalten absehen kann: Die Bericht- erstattung über das KZ Breitenau im Jahre 1933 war um ein Vielfaches informati- ver und dichter als die gesamte Berichterstattung zwischen 1945 und 1979. So konnte imJahre 1982 Dirk Schwarze als Kulturredakteur der »Hessischen Nach- richtcn« einen Artikel über das KZ Breitenau, der über die Ausstellung »Erinnern an Breitenau 1933-1945« berichtete, Die vergessenenJahre überschreiben.' Bemerkenswert ist, daß auch die oppositionelle Studenten- und Schülerbe- wegung Ende der 60erJahre, die sich intensiv und kritisch der Heimerziehung im inzwischen so umbenannten »Jugendheim Fuldatal« angenommen hatte, allem Anschein nach den zeitgeschichtlichen Kontext Breitenaus übersehen hat. Die Diskussion der Methoden der Heimerziehung in Guxhagen schlugen damals hohe Wellen; die BILD-Zeitung schaltete sich rnit einer sensationell aufge- machten Reportage ein. Und obgleich das Wort -faschistoid. zu jener Zeit schnell in den Mund genommen wurde, - auch bei der Kritik der Guxhagener Heimer- ziehung hatte ein Schülerkomitee der Melsunger Geschwister-Scholl-Schule zur Diskussion über Erziehungsmethoden »mit faschistoidem Charakter in soge- nannten geschlossenen Erziehungsheimen, wie zum Beispiel in Guxhagene" ein- geladen - hat keiner der Kritiker, auch nicht Ulrike Meinhof, die die Fürsorge- erziehung in Breitenau scharf angriff, die Bedeutung Breitenaus im Nationalso- zialismus thematisiert; es ist daher anzunehmen, daß keiner von ihnen sie damals gekannt hat. Allerdings gab es Ausnahmen: Willi Belz, ein damals achtzehnjähriger ehema- liger Schutzhaftgefangener des frühen KZ Breitenau, hat als einziger in jenen Jahren in einer Broschüre über den Widerstand in Kassel auf die Geschichte des KZ Breitenau nachdrücklich hingewiesen. In seinem zum ersten Male im Jahre 1960 erschienenen Buch »Dic Standhaften« (hierunter verstand er vor allem die Kommunisten) werden die Entstehung des KZ und die Gestapo-Morde im März 7 Hessische Nachrichten vom 31.8.1982. 8 »Heimerziehung oder Lehrlingskollektiv«. In: Hessische Nachrichten. Nr. 291 »Heimatecho«, Provinzausgabe für die Kreise Melsungen und Fritzlar-Homberg vom 16.12.1969. 219 1945 dargestellt." Der Autor hat zahlreiche Berichte ehemaliger Breitenau- Gefangener in seine Darstellung einbezogen. Es mindert den Wert seiner Arbeit nicht, daß seine Mitteilungen über Breitenau eine wissenschaftliche Darstellung nicht ersetzen können. Leider ist seine Darstellung Breitenaus von der Öffent- lichkeit in Kassel und Umgebung nicht hinreichend zur Kenntnis genomrnen worden; wie anders wäre die - immer wieder zu beobachtende - erstaunte Reaktion zahlreicher Besucher der Gedenkstätte Breitenau, daß ein Konzen- trationslager hier in ihrer unmittelbarer Nähe bestanden habe, zu erklären? Die Verantwortlichen entziehen sich Keiner der ehemaligen SA- und SS->Hilfspolizisten<, die in Breitenau die Wach- mannschaften stellten, hat sich mit Informationen oder mit seiner Sichtweise zu einem Gespräch zur Verfügung gestellt. Es hat nach dem Krieg von dieser Seite keine Geste des Bedauerns oder gar der Entschuldigung den ehemaligen Gefangenen gegenüber gegeben. Vielleicht ist es zu unbefangen gedacht, eine solche Haltung zu erwarten - aber wie anders hätte der Frieden zwischen Ver- folger und Verfolgten angebahnt werden können als durch das Eingestehen von Schuld oder Mitschuld, zumindest von Mitverantwortung und Teilnahme an Mißhandlungen seitens der ehemaligen Verfolger? Die Front blieb hier aufSeiten der Verfolger unverrückt und starr. Ermittlungen oder Strafverfahren gegen Mitglieder der Wachmannschaften im KZ Breitenau sind unseres Wissens nie eingeleitet oder geführt worden, obgleich es den Berichten ehemaliger Gefangener nach hierfür durchaus Anlässe gegeben hätte. Im Rahmen der sogenannten Entnazifizierungsverfahren durch die Spruch- kammern ließen sich nur 13 Spruchkammerverfahren - es waren immerhin 52 SA- bzw. SS-Leute gewesen, die im KZ Breitenau als Wachleute tätig gewesen waren - nachweisen, von denen wiederum nur zwei überhaupt Hinweise aufeine Tätigkeit der Beschuldigten in Breitenau enthielten. 10 Einer von diesen beiden (Adam L.) stellte seine Tätigkeit in Breitenau als Folge seiner Arbeitslosigkeit dar. Im Mai 1933 - so erklärte er in den »Erläuterun- gen zum Meldebogen« - seien »allc arbeitslosen SS-Männer, darunter auch ich« zum SS-Sondersturm Renthof eingezogen worden." Diese Aussage ergäbe ein völlig anderes Bild von dem SS-Sondersturm Renthof als es die SS im]ahre 1933 verbreitet hatte. Das Auslese-Kriterium für diesen Sondersturm war wohl ein anderes als die Tatsache, ob ein SS-Mann arbeitslos war oder nicht. Adam L.s Tätigkeit im KZ Breitenau scheint von der Spruchkammer nicht weiter ein- 9 BeIz, Die Standhaften, 30 f, 68f 10 Schreiben des HHStA Wiesbaden (Dr. Eiter) an Vf vom 7.4.1992 (IIhnP/E). 11 HHStA Wiesbaden: Spruchkammerakten. Adam L. 220 bezogen worden zu sein; er wurde aufGrund anderer Beschuldigungen zunächst im Jahre 1948 von der Kammer Darmstadt in die Gruppe 11 der Aktivisten, dann in der Berufungsverhandlung bei der Kammer Kassel im Jahre 1949 in die Gruppe 111 der Minderbelasteten eingestuft. Der zweite (Hermann A.), bei dem ein Bezug zu Breitenau im Verfahren erkennbar war, zumal er, wie die Kammer ausdrücklich feststellte, in Breitenau »dic zeitweise Vertretung der Lagerleitung inne gehabt hat, zweifellos eine Tätigkeit, die ihn zusätzlich belastete", legte fünf eidesstattliche Versicherungen ehemaliger Schutzhaftgefangener des KZ Breitenau vor, die ihn nicht nur entlasteten, sondern ihm darüberhinaus ein makelloses Verhalten als Mitglied der Wachmannschaft bescheinigten. Alle fünfhatten A., zum Teil mehrere Monate lang, im KZ Breitenau als Leiter des Wachkommandos kennengelernt. Er habe zur vorzeitigen Entlassung mehrerer Gefangener beigetragen, Besuchszeiten von Angehörigen der Gefangenen verlängert, er war »niernals ein eifriger Parteigänger und SS-Angehöriger«, habe sich »injeder Hinsicht für dasWohlwollen und spätere Schicksaleines jeden Insassen des Lagers in hervorragender Weise eingesetzt« und sei als »cin sehr guter und hilfsbe- reiter Mensch« in Erinnerung geblieben. Diese Zeugnisse sind kaum interpretierbar. Sie können sowohl im vollen Sinne zutreffend sein; sie können jedoch auch - aus welchen Gründen und Motiven immer - überzogen, verfälschend oder einfach wahrheitswidrig sein. Die Spruchkammer hat sich dazu verstanden, diese vom Beschuldigten selbst unaufgefordert vorgelegten Zeugnisse uneingeschränkt anzuerkennen; sie hat auf weitere Recherchen und Zeugnisse verzichtet - wie ja überhaupt diese Spruch- kammerverfahren nur mit großen Einschränkungen als rechtsförmige Verfahren anzusehen sind. A. wurde vor allem auf Grund dieser Zeugnisse als Mitläufer eingestuft. Bei den Äußerungen ehemaliger KZ-Gefangener über A. ist auch das von Bedeutung, was indirekt über die Wachmannschaft als ganze mitgeteilt wird. So sei dieser »im Gegensatz zu den anderen Wachmännern [...] freundlich gesinnt und hilfsbereit [gewesen], wenn man Nöte hatte«. Oder: »In seinem Wesen und Benehmen uns Häftlingen gegenüber stand er im krassen Gegensatz zu den anderen 55 Leuten,« Auch - ähnlich wie L.- verwies A. zu seiner eigenen Entlastung auf die Arbeitslosigkeit hin, die ihn zur NSDAP geführt habe. »Im September des glei- chenJahres [1932] bin ich dann in die Partei eingetreten, weil man mir verspro- chen hatte, Arbeit zu gebcn.e" 12 HHStA Wbdn: Spruchkammerakten. Hermann A. 13 Alle Zitate aus: HHStA Wbdn: Spruchkammerakten. Hermann A. 221 Zu den Folgen der Schutzhaft In den Akten und Korrespondenzen sind die persönlichen Verletzungen und Be- schädigungen nicht unmittelbar faßbar, die sich als Spuren in der Lebensgeschich- te vieler ehemaliger Schutzhaftgefangener eingegraben haben. Gelegentlich jedoch scheinen sie in den Anträgen aufWiedergutmachung auf. Joseph Arend, der letzte SPD-Ortsvereinsvorsitzende bis 1933 in Bad Wildungen, sei durch die Haft in Breitenau (28.7. - 21.8.1933) »körperlich derart geschwächt [gewesen], daß dieser als körperliches Wack heimgekehrt sei. Ein halbes Jahr nach der Entlassung aus Breitenau sei Joseph Arend erkrankt und an einer Lungenent- zündung gestorben. Er [i.e. der Enkel von J.A.] führt den nd darauf zurück, daß sein Großvater noch zu geschwächt von der Haft gewesen sei.e" »Die Haft hat das Leben von Otto Beißwenger tiefgreifend beeinflußt. Aufgrund der erlittenen tiefRreifenden Schäden hat Otto Beißwenger nach dem Krieg Selbst- mord begangen.« - »Mein Mann [i.e. Konrad Beiz] war KPD-Funktionär und wurde als solcher kurz nach der Machtübernahme durch die Nazis verhaftet und schwer mißhandelt. Er litt nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis bzw dem Konzentrationslager [i.e. Breitenau] an einer Gehirnembolie, hervorgerufen durch einen schweren Schlag aufdie Nase. Diese und weitere Gesundheitsschädigungen gehen aus einem beige- fügten Attest hervor. Er war seit dieser Zeit arbeitsunfähig. Eintreten von Schlag- anfallen; der zweite war sehr schwer, mit teilweiser Lähmung, machten infolge eigener unzulänglicher Mittel Einlieferung in Anstalt notwendig; in Haina ist mein Mann 1936 plötzlich verstorben, nach 1/2jähriger Dauer. [... ]«I() »Konrad Reis, ein Gewerkschaftssekretär (Bezirksleiter des Zentralverbandes der Steinarbeiter) war kurze Zeit in der SchutzhaftsteIle am Karlshospital, dann vier lage im Polizeigefängnis am Königstor und vom 30.6. - 8.8.1933 im KZ Breitenau. Er machte nach dieser Zeit Gesundheitsschäden (>Nervensystem<) geltend und hielt sich im Oktober-November 1934 in einem Sanatorium bei Göttingen auf«17 »Dic Folgen spürt man bis heute. So etwas verspricht sich irrl Dorf So hat erst jüngst ein Lehrer in Wolfhagen zu seinem [Fritz Looses] Enkel gesagt, als er Nieder-Elsun- gen [vor 1933 gab es hier starke kommunistische %hlerfolge] hörte: Die können wir vergessen. Aber er selbst leide auch darunter, daß er als Krimineller einsaß, wo er aus einer ehrlichen und anständigen Familie kommt und diese Werte selbst hoch schätzc.e" 14 Schriftliche Mitteilung von HerrnJohannes Crötecke, BadWildungen, an Vf. (1992): Aussage des Enkels im Gespräch mit Johannes Grötecke. 15 Notiz über ein Gespräch mit Frau Martha Beißwenger [1981). 0.13. war vorn 16.7.1933 - 18.10.1933 in Schutzhaft in Breitenau und vorn 21.11.1933 bis 19.1.1935 in der Strafanstalt Hameln, vom 1.12.1942 bis zum 9.5.1943 im Strafbataillon 999. 16 [Hessisches Justizministerium] Regierungspräsidium Kassel/Darmstadt. Akten zur Entschä- digung und Wiedergutmachung Witwe Martha Belz. Wiedergutmachungsantrag vorn 17. August 1947 (im folgenden zitiert: RP Kassel: Entschädigungsakten). 17 StA Kassel: Betreuungsstelle. Reis, Konrad. IJiesc gesundheitlichen Schäden stammten z.T. aus seiner Haftzeit in Breitenau. 18 Notiz über ein Gespräch mit Friedrich Loose am 1. März 1984 in Nieder-Elsungen. 222 Willi BeIz (1.) und Christian Wicke (r.), beide im KZ Breitenau 1933/34 eingesperrt) demonstrierten unter Hinweis daraufam 31. März 1984 gegen ein Trejfrn ehemaliger 55-Angehöriger in Oberaula/ Kr. Hersfeld-Rotenburg. Besonders hart waren die psychischen und physischen Spätfolgen und Nachwirkungen für diejenigen Schutzhaftgefangenen, für die sich mit der Einlie- ferung nach Breitenau das Tor zur Freiheit für Jahre schloß. Breitenau war für zahlreiche Schutzhaftgefangene die erste Haftstätte, der Börgermoor, Sachsen- hausen, Buchenwald, das Zuchthaus in Wehlheiden folgen konnten. So hat zum Beispiel August Fuhrmann von den 12 Jahren NS-Staat 121 Monate in Konzen- trationslagern oder in Zuchthäusern verbracht; nur in der Zeit vom 16. März 1934 bis zum 25. Januar 1936 befand er sich nicht in Haft. Er starb früh - wie viele seiner Freunde, die schwer verfolgt worden waren - bereits im Jahre 1947. Und warum dieses alles? Weil er der Bezirksleitung der sogenannten RGO, der Revo- lutionären Gewerkschaftsopposition angehört hat, mit anderen Worten: weil er einer kommunistischen Gewerkschaftsgruppe angehörte. Man hatte von Seiten der Gerichte mit Mühe ein Gespräch Fuhrmanns nachweisen können, in dem es um den Wiederaufbau kommunistischer Gewerkschaftsarbeit gegangen sein soll." 19 StA Kassel: Betreuungsstelle. Fuhrmann, August. 223 Von nicht geringer Bedeutung waren jedoch nicht nur die Einschränkungen der persönlichen Freiheit, die Unterdrückung, der Drill, die seelischen Grau- samkeiten und die körperlichen Verletzungen, denen die Gefangenen ausgesetzt waren, sondern auch die Schäden im beruflichen und wirtschaftlichen Fortkommen sowie die Verluste an Eigentum und Vermögen. Nicht zuletzt haben zahlreiche Schutz- haftgefangene Breitenaus für ihre spätere Rente unerläßliche Versicherungszeiten verloren, die keineswegs in allen Fällen nach 1945 wieder durch eine Nach- versicherung kompensiert werden konnten. Auf diese materiellen Folgen der Schutzhaft macht z.B. die Erklärung von Hans Müller aus Witzenhausen aus dem Jahr 1950 aufmerksam, die stellvertre- tend für zahlreiche andere (besonders einschneidend etwa: L. Pappenheim, F. Precht, W. Pfannkuch) hier stehen soll. Sie verdeutlicht die Schäden an Eigentum und Vermögen sowie die berufliche Abwertung, die oft unmittelbar in die Ar- beitslosigkeit führte. Hans Müllers Antrag aufWiedergutmachung wurde teils mit juristischen, teils mit hanebüchenen .Argumenten: abgelehnt. Er erhielt keinen Pfennig Entschädigung. »Ich war seit 1926 selbständiger Unternehmer eines Fuhrgeschäftes in Wit- zenhausen. An Inventar besaß ich: 1 Zugmaschine, 1 Pflug, 1 Schälpflug, 1 Schei- benegge, 2 Anhängerkastenwagen, 2 Holzwagen zum Abfahren von Holz, 1 Langholzanhänger. Mit diesen Geräten hatte ich im Kreis Witzenhausen für land- wirtschaftliche Güter geackert, für Holzfirmen Holz gefahren und Lohnfuhren jeglicher Art ausgeführt. Ich hatte 1933 jährlich durchschnittlich einen Reinver- dienst von 3500 RM. "Wihrend meiner Inhaftierung war meine Frau gezwungen, den größten 'Eil des Betriebsinventars zu verkaufen. Dies geschah einmal, UITI die Existenz der Familie zu sichern, zum andern, um diese Betriebsmittel vor der Beschlagnahme durch das System sicherzustellen. Ich hatte zu der Zeit vier un- mündige Kinder und meine Frau und meine Mutter zu unterhalten. Nach meiner Entlassung aus der politischen Haft Ende November 1933 konnte ich mein Ge- werbe nicht mehr ausüben, zumal ich auch offensichtlich nach der bekanntgewor- denen Inhaftierung boykottiert wurde. [... ] Ich mußte vielmehr meinen Lebensunterhalt als Lohnarbeiter mit weit geringerem \erdienst bestreiten. Ich konnte nicht einmal als Schlosser tätig werden, da mir auch dort meine sogenannte politische Unzuverlässigkeit zum Nachteil erwuchs. So konnte ich z.B. beim Fieseler-Flugzeugbau" in Kassel und bei Henschel, bei denen ich mich beworben hatte, keinen Arbeitsplatz erhalten. Ich war daher gezwungen, nur als Hilfsarbeiter bei der Autobahn und bei der Stadtverwaltung Witzenhausen zu arbciten.s" 20 Die Fieseler-Werke hatten sich 1937/38 arn »Leistungskampfder deutschen Betricbe« beteiligt und waren für die höchste Auszeichnung »Nationalsozialistischer Musterbetrieb« nominiert worden. Vgl. Wilhelm Frenz: NS-Wirtschaftspolitik und die soziale Lage der arbeitenden Bevölkerung (1933-1939). In: Volksgemeinschaft und Volksfeinde. Band 2, 255 - 290, hier: 286. 21 RP Kassel: Entschädigungsakten. Akten der Entschädigungsstelle des RegBez. Kassel. Witzenhausen/Müller. 224 Wilhelm Schreiber erklärte 1950 in seinem Antrag aufWiedergutmachung: »Aufgrund meiner \erhaftung am 24.6.1933 und dem damit verbundenen Haftauf- enthalt in Breitenau wurde mir vom Arbeitsamt jegliche Arbeitsvermittlung bis zum 8.9.1937 verweigert (Zeuge: Heinrich Schmidt, Arbeitsamt Kassclj.s" Schließlich ist den ehemaligen Schutzhaftgefangenen in der Bundesrepublik Deutschland nach 1945 weder eine ausdrückliche Anerkennung noch eine beson- dere Ehrung zuteil geworden; so daß sie nicht den Eindruck gewinnen konnten, daß der demokratische Rechtsstaat ihre Leidenszeit und ihren Widerstand ernst genommen hat. Erst vierzigJahre nach Kriegsende - nach der Rede des Bundes- präsidenten zum 8. Mai 1985 - begann sich dies allmählich zu ändern; so ist zum Beispiel Willi Belz, einer der Schutzhaftgefangenen Breitenaus, im Jahre 1989 mit der Stadtmedaille der Stadt Kassel geehrt worden. In Frankfurt am Main und in anderen Städten geschah später Ähnliches. Was für Andreas Ruhl im Jahre 1933 in Breitenau begann, endete nach dem Krieg mit Notbeihilfen zur Beschaffung von Kleidungsstücken, Lebensmitteln, Fensterglas, Möbeln, einer Wohnung, mit der Auszahlung von »Sondcrbeiträ- gen«, um »die ihm möglichen Einkäufe zu begleichen«, mit Beihilfen aus Sammlungen, mit »Beihilfen zur Abwehr eines Notstandes«, mit Aufenthalten in sogenannten »KZ-Sanatorien« (gemeint waren Heilstätten für ehemalige KZ-Ge- fangene) und mit unzähligen Behördengängen und Anträgen. Im September 1945 gab Ruhl an den Personaldezernenten der Stadt eine Erklärung ab, in der es hieß: »Den entlassenen politischen Häftlingen ist es unverständlich, daß sie zu einem großen Teil noch ohne Stellung und schwer belastete Nationalsozialisten noch immer in Amt und Würden sind.c" Ruhls Ehefrau war 1945 nervenkrank; die Tochter, die zwischen ihrem 10. und 19. Lebensjahr den Vater nicht gesehen hatte, mußte nun damit fertig werden, daß der Vater .Sträfling. - denn anders nahmen es nach dem Krieg nur wenige wahr - gewesen war. Die tatsächliche materielle >Wiedergutmachung< bzw. Entschädigung hielt sich in sehr engen Grenzen. Das KZ Breitenau wurde überhaupt erst - gemein- sam mit anderen Haftstätten - in einem Bundesgesetz aus dem Jahre 1977 (!) als KZ-Haftstätte ancrkannt'"; bis dahin waren äußerstenfalls »übergesetzliche [meist 22 StA Kassel: Betreuungsstelle. Schreiber, Wilhelm. 23 StA Kassel: Betreuungsstelle Kassel: Ruhl, Andreas. 24 Zum ersten Mal taucht das KZ Breitenau im Rahmen des Entschädigungsgesetzes 1970 auf, allerdings in vager Form »Breitenau/Hessen, ab 1.2.1933« (Bundesgesetzblatt I N r. 5 vom 16.1.1970. Verordnung zur Änderung und Ergänzung der Sechsten Verordnung zur Durchführung des BEG. Vom 10.1.1970, 69 (Lfd. Nr. 165). - Vgl. auch: DetlefGarbe (Hg.): Die vergessenen KZs? Gedenkstätten für die Opfer des NS-Terrors in der Bundesrepublik (=Lamuv Verlag, 26) Bornheim-Merten 1983, 7 ff Dort ist die Liste der in der »Zweiten Verordnung zur Änderung der Sechsten Verordnung zur Durchführung des Bundesentschädigungsgesetzes« vom 20. September 1977 (Bundesgesetzblatt, Teil I, Nr. 64 vom 24. September 1977, 1786-1852) anerkannten Konzentrationslager abgedruckt [auf 9 steht: *Breitenau/Hessen (früher Provinz 225 einmalige] Leistungen aus dem Härtefonds« möglich. Die Hoffnung mancher Antragsteller auf Wiedergutmachung in einem elementaren Sinne, wie dies zum Beispiel Fritz Hildebrandt aus Niedcrzwchrcn im Januar 1946 in seinen Antrag aufWiedergutmachung schrieb, erfüllte sich nicht. Die Frage Nr. 14 im Antrags- formular lautete: »Auf welches Ziel ist Ihr Antrag auf Wiedergutmachung ge- richtet?«, und die Erwartung der Behörden ging vielleicht dabei eher in gegenständliche oder materielle Richtung. Fritz Hildebrandt schrieb: »Meiner Familie wieder einen Erwerb zu sichern und das ungeschriebene Recht auf Wiedergutmachung zu fordern von jenen, die uns fortgesetzt gepeinigt habcn.c" I-Iessen-Nassau), 1.4.1933 bis 17.3.1934] - 1979 tauchte es dann auch im offiziellen Haftstättenverzeichnis des Internationalen Suchdienstes Arolsen auf: Verzeichnis der Haftstätten unter dem Reichsführer - SS (1933-1945). Konzentrationslager und deren Außenkommandos. sowie andere Haftstätten unter dem Reichsführer-SS in Deutschland und deutsch besetzten Gebieten. Herausgegeben vom ISD Arolsen 1979 (Verzeichnis nach Kategorien: Konzentrationslager der Vorkriegszeit, 2). 25 StA Kassel: Betreuungsstelle. Hildebrandt, Fritz. 226 Anhang: Die Schutzhaftgefangenen des Konzentrations- lagers Breitenau 1933/1934 Im folgenden werden die Schutzhaftgefangenen des Konzentrationslagers Brei- tenau in alphabetischer Reihenfolge mit den Geburtsdaten und Haftzeiten in Breitenau aufgeführt.' Die in Anführungszeichen gesetzten Aussagen entstammen den Akten. Bei den von den nationalsozialistischen Verfolgungsbehörden vorgenommenen poli- tischen Zuordnungen (z.B. »kommunistische Betätigung«) und den von ihnen erhobenen Beschuldigungen (z.B. »Waffenbesitz«) ist zu berücksichtigen, daß sie unzutreffend, teilweise zutreffend oder zutreffend sein können. Die mitgeteilten Informationen sind nicht vollständig, da die Quellen unterschiedlich dicht sind. Daß die Daten der politischen Verfolgung (besonders der Gerichtsurteile und Haftzeiten nach der Haft im KZ Breitenau) relativ umfassend hier wiedergegeben werden können, verdanken wir in erster Linie den Forschungen des Hessischen Hauptstaatsarchivs Wiesbaden. Die Mitteilungen über die politische Verfolgung lassen sich auch )gegen den Strich-lesen: Vielfach bezeugen sie Distanz zum aufziehenden Nationalsozialismus, Resistenz, rechtsstaatliches Denken und politischen Widerstand. Hinter dem ge- richtlichen Bannfluch »Vorbereitung zum Hochverrat« (hierfür reichte z.B. das Verbreiten einer kommunistischen Zeitung, der Verkaufvon KPD-Mitgliedsmar- ken u.ä. aus) stand in der Regel nichts anderes als die staatlich-politische Verfolgung der Haltung einzelner, die eigene Gesinnung auch unter terroristischer Bedrohung nicht preiszugeben. Der Hochverratsvorwurf war »einc Art Generalklausei für die Kriminalisierungjedweder politischer (oppositioneller) Tätigkeits' geworden. Die hier nicht im einzelnen aufgeführten Quellennachweise in: Schutzhaftgefangene des Konzentrationslagers Breitenau 1933/1934. Eine quellenorientierte Dokumentation. 4 Bände. Kassel 1997. Diese Dokumentation stützt sich auf eine umfassende Aktenauswertung des Hessischen Hauptstaatsarchivs Wiesbaden (Dokumentation des Forschungsprojekts zu »Widerstand und Verfolgung in Hessen«) und aufeigene Aktenstudien, Gespräche mit Zeitzeugen und Recherchen. - Nähere Informationen zu einzelnen Personen (Dokumente, Briefe, Gesprächsaufzeichnungen, Fotos, Dossiers u.a.) - für alle ehemaligen Gefangenen liegen solche leider nicht vor - in der Sammlung: Zu den Schutzhaftgefangenen Breitenaus 1933/1934 (14 Archivkartons). - Die .Dokumentation- und die .Sammlung. sind in der Gedenkstätte Breitenau in GuxhageniSchwalm-Eder-Kreis einsehbar. 2 Wolfgang Form und Rolf Engelke: »Hochverrat« - »Heimtücke« - »Wehrkraftzersetzung«. Zur politischen Strafjustiz in Hessen. In: Renate Knigge- Tesche und Axel Ulrich (Hg.): Verfolgung und Widerstand in Hessen. Frankfurt a.M. 1996,26-43 (hier 28-30). 227 Christian Abel aus Gudensberg, gebe in GudensberglFritzlar-Homberg, Arbei- ter, aus politischen Gründen (»weil er sich als kommunistischer Funktio- när beteiligt« habe) im KZ Breitenau vom 1.4.1933 bis 16.4.1933 inhaftiert. Theo Abel aus Marburg, gebe am 26.4.1899 in MarburglL., Gärtner, aus politi- schen Gründen (»wegen Verdachts der politischen Betätigung für die KPD«) im KZ Breitenau vom 5.8.1933 bis 15.9.1933 inhaftiert. Alfred Abramowicz aus Berlin, gebe am 2.7.1905 in Charkow/Ukraine, Kauf- mann, aus antisemitischen Motiven (»weil er sich in aller Öffentlichkeit in Waldeck mit einer nichtjüdischen Frau abgegeben« habe) im KZ Breitenau vom 11.8. bis 15.9.1933 inhaftiert. Alfred Adam aus Saarbrücken, gebe am 11.12.1911 in Saarbrücken, Maler, im KZ Breitenau vom 14.11.1933 bis 9.12.1933 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). ]ohannes Albrecht aus Hanau, gebe am 5.5.1899 in Fulda, Kellner; aus politi- schen Gründen (er »betätigte sich führend im ErwerbslosenausschuB und wurde kommunistischer Umtriebe beschuldigt«) im KZ Breitenau vom 23.9.1933 bis 16.10.1933 inhaftiert. Georg Alter aus Kassel, gebe am 8.5.1906 in Kassel, Arbeiter, aus politischen Gründen (Tätigkeit für die verbotene KPD) im KZ Breitenau vom 8.8.1933 bis 19.10.1933 inhaftiert; Verurteilung durch OLG Kassel wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« (10.11.1933) zu zwei Jahren Zuchthaus, weil er imJuni 1933 »Beitragssammlungen für die verbotene KPD« durch- geführt habe; Strafanstalt Kassel-Wehlheiden und Straflager Börgermoor (bis 21.7.1935). Er lebte nach 1945 in Sielen [Trendelburg] . Hugo Andre aus Eberschütz/Hofgeismar, gebe am 5.4.1897 in jccha/Son- dershausen, Maurer, aus politischen Gründen (wegen angeblicher »An- hängerschaft zur verbotenen KPD«) im KZ Breitenau vom 10.11.1933 bis 22.12.1933 inhaftiert. ]oseph Arend aus Bad Wildungen, gebe am 22.6.1885 in Kassel,Bautechniker bzw. Architekt, SPD, Mitglied des Waldeckischen Landtags (1925-1929), Stadtver- ordneter Bad Wildungen (1926-1929), Magistratsmitglied (1929-1933),1933 aus seinem Amt als Leiter der Nebenstelle des Arbeitsamtes Bad Wildungen entlassen, Schutzhaft und aus politischen Gründen (»wegen abfällige[r] Be- merkungen über die nationalsozialistische Bewegung«) im KZ Breitenau vom 28.7.1933 bis 21.8.1933 inhaftiert. Er starb am 6.3.1938 in Kassel. Oswald Armbruster aus Flieden/Fulda, gebe am 9.10.1902 in Singen, Arbeiter, aus politischen Gründen (wegen »kommunistischer Propaganda«) im KZ Breitenau vom 29.6. bis 27.9.1933 inhaftiert. Emil Arnold aus Hofgeismar, gebe am 24.4.1912 in Hofgeismar, Melker, aus politischen Gründen (er habe »Mitglieder der Hitler-Jugend bedroht und 228 kommunistische Redensarten geführt«) im KZ Breitenau vom 16.9.1933 bis 17.11.1933 inhaftiert . Konrad Aschenbrenner aus Kassel, gebe am 29.9.1899 in Dörnhagen/Kassel, Fahrer, im KZ Breitenau aus politischen Gründen (Anhänger der KPD; »infolge antifaschistischer Einstellung« [eigene Angabe]) vom 15.9.1933 bis 30.9.1933 inhaftiert. Karl Bachus aus Fulda, gebe am 16.12.1910 in Großentaft/Hünfeld, Schlosser, aus politischen Gründen (als »Kommunist« in Schutzhaft genommen) im KZ Breitenau vom 30.11.1933 bis 16.3.1934 inhaftiert; Verfahren wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« war in Vorbereitung. Ernst Bader aus Schmalkalden, gebe am 21.10.1898 in Schmalkalden, Polierer, im KZ Breitenau vom 9.9.1933 bis 21.10.1933 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). Hermann Bauer aus Gudensberg/ Fritzlar-Homberg, gebe am 28.9.1873 in GudensbergIFritzlar-Homberg, Kaufmann, aus politischen Gründen (als »SPD-Führer«) im KZ Breitenau vom 7.4.1933 bis 16.4.1933 inhaftiert. Wilhelm Bauer aus NiederzwehrenlKassel, gebe am 30.10.1904 Stuttgart, Elek- tromonteur, aus politischen Gründen (als »KPD-Funktionär«, Kampfbund gegen den Faschismus) seit 28.2.1933 in Schutzhaft und im KZ Breitenau vom 16.6.1933 bis 8.8.1933 inhaftiert. Albert B., aus NiederkaufungenlKassel, gebe am 17.12.1914 in Niederkaufun- gen/Kassel, Klempner, aus politischen Gründen (Tätigkeit für den verbo- tenen KJVD) im KZ Breitenau vom 24.10.1933 bis 6.2.1934 inhaftiert; Verurteilung durch OLG Kassel (23.3.1934) wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« zu einem Jahr Gefängnis; Strafanstalt Halle (bis 28.12.1934). Fritz Bechmann aus Kassel, gebe am 21.4.1895 in Kassel, Bürovorsteher, SPD, er zählte zu den »Freundcn Philipp Scheidemanns«, Vorstand »Die Natur- freunde« (Ortsgruppe Kassel), aus politischen Gründen im KZ Breitenau vom 1.8.1933 bis 9.9.1933 inhaftiert. Er lebte nach 1945 in Kassel; Mitglied der Stadtverordnetenversammlung Kassel (1946-1948). Er starb am 22.11.1961 in Kassel. Paul Becke aus Großauheim/Hanau, gebe am 12.8.1895 in Schönwalde. Dreher, aus politischen Gründen (angeblich Anhänger der KPD) im KZ Breitenau vom 23.9.1933 bis 24.10.1933 inhaftiert; anschließend KZ Esterwegen (bis 24.12.1933). Albert Becker aus Kassel, gebe am 10.2.1903 in Kassel, Monteur, aus politischen Gründen (angeblich Mitglied der Bezirksleitung der KPD) im KZ Brei- tenau vom 16.6.1933 bis 25.8.1933 inhaftiert. Fritz Becker aus Großauheim, gebe am 8.4.1897 in Witten, Arbeiter, aus politi- schen Gründen (wegen »Verächtlichmachung nationalsozialistischer Sym- 229 bole«; er hatte bei einer NSDAP-Kundgebung vor den mitgeführten Fah- nen ausgespuckt) im KZ Breitenau vom 16.9.1933 bis 10.10.1933 inhaf- tiert. Er lebte nach 1945 in Großauheim. Johannes Becker aus Langenselbold/Hanau, geb. am 8.7.1903 in Bellnhausen/b. Gladenbach, Melker, aus politischen Gründen (Kampfbund gegen den Faschismus, KPD) im KZ Breitenau vom 23.9.1933 bis 24.10.1933 inhaf- tiert; anschließend KZ Esterwegen (bis 23.12.1933). Er starb am 20.10.1950 in MarburgIL. Heinrich Beinhauer aus Kassel, geb. am 28.7.1886 in ElfershauseniMelsungen, Schlosser, im KZ Breitenau vom 29.6.1933 bis 6.7.1933 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). Otto Beisswenger aus Kassel, geb. am 7.8.1909 in Kassel, Fliesenleger, aus politischen Gründen (politischer Leiter der KPD in Kassel) seit Juni 1933 in Schutzhaft und im KZ Breitenau vom 8.8.1933 bis 18.10.1933 inhaftiert; Verurteilung durch OLG Kassel (10.11.1933) wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« (angeblich bei ihm »staatsfeindliche, kommunistische Flug- schriften gefunden«) zu eineinhalb Jahren Gefängnis; Strafanstalt Hameln (bis Januar 1935), Strafbataillon 999 (1.12.1942 bis 9.5.1943), Kriegsgefan- genschaft. Konrad BeIz aus Kassel, geb. am 30.12.1887 in Altenbrunslar/Melsungen, Arbei- ter, aus politischen Gründen (als »KPD-Funktionär« verhaftet, Landtags- kandidat der KPD [April 1932]) im März 1933 in Schutzhaft genommen und im KZ Breitenau vom 5.7.1933 bis 19.7.1933 inhaftiert; seit seiner Verhaftung im März 1933 schwerste Mißhandlungen, an deren Folgen er am 7.4.1936 starb. Willi BeIz aus Kassel, geb. am 7.3.1915 in Kassel, Sohn von Konrad BeIz, Technischer Zeichner, aus politischen Gründen (führend im IqVD Hes- sen-Waldeck tätig) im KZ Breitenau vom 8.12.1933 bis 6.2.1934 inhaftiert; Verurteilung durch OLG Kassel (23.3.1934) wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« zu zwei Jahren Gefängnis; Strafgefängnis Halle/Saale (bis Oktober 1935), anschließend KZ Lichtenburg (bis Oktober 1936); Verfas- ser eines Buches über den antifaschistischen Widerstand in Kassel (»Die Standhaften«, 1960) u.a. Veröff.; Stadtmedaille der Stadt Kassel (1989). Er lebt in Kassel. Karl Bender aus Hanau, geb. am 30.9.1903 in Hanau, Arbeiter, aus politischen Gründen (»war an Überfällen auf SA-Leute beteiligt und amnestiert wor- den«) im KZ Breitenau vom 30.9.1933 bis 8.11.1933 inhaftiert; an- schließend KZ Sonnenburg (bis März 1934). Friedrich Bente aus Holzhausen/Hofgeismar, geb. am 14.10.1885 in Holzhausen, [Dreher bei Henschel] Kassenrechner [Raiffeisenverband], SPD, Mitglied 230 des Kreistags Hofgeismar, seit Ende März 1933 in Schutzhaft, aus politi- schen Gründen ( »Strafaktion« der NSDAP Hofgeismar gegen Sozialde- mokraten) im KZ Breitenau vom 11.8.1933 bis 14.9.193 inhaftiert. Er starb 1945. Heinrich Berberich aus Hanau, geb. am 17.4.1909 in Hanau, Schriftsetzer, aus politischen Gründen ( »wegen Verdachts kommunistischer Betätigung«) im KZ Breitenau vom 16.9.1933 bis 24.10.1933 inhaftiert, anschließend KZ Esterwegen (bis März 1934); Ermitlungen der Staatsanwaltschaft Ha- nau wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« (März 1938). Er lebte imJahr 1952 in Hanau. Heinrich Berndt aus Harleshausen/Kassel, geb. am 4.1.1912 in Harleshausen, Autoschlosser, aus politischen Gründen (KPD) im KZ Breitenau vom 5.8.1933 bis 28.9.1933 inhaftiert. RudolfBesser aus Kassel, geb. am 2.7.1906 in Kassel, Schlosser, im KZ Breitenau vom 1.9.1933 bis 16.1.1934 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). Johann Bettinghausen aus Wenigenhasungen!Wolfhagen, geb. am 23.1.1888 in Wenigenhasungen!Wolfhagen, Schreiner, aus politischen Gründen (we- gen des »Verdacht]s], daß er zersetzend im kommunistischen Sinne wir- ken würde«) im KZ Breitenau vom 10.10.1933 bis 1.11.1933 und vom 17.11.1933 bis 20.11.1933 inhaftiert; anschließend KZ Esterwegen, KZ Lichtenburg (bis September 1934); Verurteilung durch OLG Kassel (23.6.1936) wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« und wegen Bettelns zu zwei Jahren Gefängnis; anschließend Arbeitshaus Breitenau (6.5.1938 bis 4.4.1939), erneute Verurteilung durch OLG Kassel wegen »Vorbereitung zum Hochvcrrat« (1941) zu vier Jahren Zuchthaus; Strafanstalt Kassel- Wehlheiden bis 5. April 1945; Flucht von einem Transport. Er lebte nach 1945 in Frielendorf Er starb am 22.8.1961 in Büdingen i.H. Heinrich Bitsch aus Niederrodenbach/Hanau, geb. am 21.3.1899 in Langensel- bold/Hanau, Spengler, Mitglied der Niederrodenbacher Gemeindevertre- tung (KPD) bis 1933, aus politischen Gründen (Tätigkeit für die verbotene KPD) im KZ Breitenau vom 30.9.1933 bis 23.12.1933 inhaftiert. Wilhelm Bläsing aus WaldaulKassel,geb. am 29.9.1891 in WaldaulKassel,Maschi- nenschlosser, aus politischen Gründen (KPD) seit März 1933 in Schutzhaft und im KZ Breitenau vom 16.6.1933 bis 12.10.1933 inhaftiert; mehrere langjährige Gefängnis- und Zuchthausstrafen wegen »Körperverletzung mit Todesfolge«bzw. »Vergehensgegen das Sprengstoffgesetz«, mehrere Inhaftie- rungen (Schutzhaft) wegen politischer Äußerungen (1934-1944). Karl Blum aus Hanau, geb. am 5.5.1910 in Klein-SteinheimIHanau, Gürtler, aus politischen Gründen (bei einer »Aktion gegen die KPD in Hanau« in 231 Schutzhaft genommen) im KZ Breitenau vom 23.12.1933 bis 3.1.1934 und vom 9.1.1934 bis 11.1.1934 inhaftiert. Bernhard Boczkowski aus Kassel, gebe am 12.7.1911 in Kassel, Bruder von Georg Boczkowski, Angestellter, aus politischen Gründen (»als Geisel« [ein Bruder von ihm, den die Polizei nicht fand, war Kommunist]) und antisemitischen Motiven (er wurde bei der Landesversicherungsanstalt am 2.5.1933 als »Halbjude« entlassen) im KZ Breitenau vom 24.10.1933 bis 21.11.1933; als »Mischling 1. Grades« im Zwangsarbeiterlager Bähr in Kassel-Bettenhausen (15.10.1944 bis 3.4. 1945). Georg Boczkowski aus Kassel,gebe am 18.10.1900 in Kassel,Bruder von Bernhard Boczkowski, Korkschneider, aus politischen Gründen (»als Geisel« [ein Bru- der von ihm, den die Polizei nicht fand, war Kommunist]) im KZ Breitenau vom 24.10.1933 bis 21.11.1933; als »Mischling 1. Grades« im Zwangsarbeiter- lager Bähr in Kassel-Bettenhausen (Oktober 1944-ApriI1945). Christoph Börner aus ObervellmarlKassel, gebe am 4.12.1896 in Obervell- mar/Kassel, Schweißer, aus politischen Gründen (er wurde beschuldigt, durch Geldsammlungen für Schutzhaftgefangene irn KZ Breitenau die KPD unterstützt zu haben) seit 16.10.1933 in Schutzhaft und im KZ Breitenau vom 19.10.1933 bis 20.10.1933 und vom 2.3.1934 bis 16.3.1934 inhaftiert; trotz Freispruchs durch das OLG Kassel »mangels Beweises« (17.2.1934) in Schutzhaft bis März 1934. Er lebte nach 1945 in Mönche- hof. Er starb am 27.5.1968 in Kassel. Georg Bolte aus Ochshausen/Kassel, gebe am 24.2.1903 in EhrstenlWolfha- gen, Invalide, aus antisemitischen Motiven (wegen Einkaufens bei ei- nem jüdischen Händler) im KZ Breitenau vom 22.06.1933 bis 14.7.1933 inhaftiert. Fritz Borges aus Kassel, gebe am 11.11.1907 in Kassel, Laborant, 22.2.1934 bis 16.3.1934, aus politischen Gründen (»durch Äußerungen [Rot-Front- Rufe] öffentliches Ärgernis erregt; Zusammenstöße mit SS-Männern«) im KZ Breitenau vom 22.2.1934 bis 16.3.1934 inhaftiert. Wilhelm Bork aus Kassel, gebe am 15.7.1906 in Elberfeld, Schreiner, SPD, aus politischen Gründen (»Hissen der schwarz-rot-goldenen Fahne am 1. Mai 1933«) seit 27. 6. 1933 in Schutzhaft, zuerst im Karlshospital in Kassel, dann im KZ Breitenau vom 1.8.1933 bis 13.9.1933 inhaftiert. Er lebte nach 1945 in Kassel-Rothenditmold. Er starb dort am 1.8.1973. Eduard Borkowski aus Korbach, gebe am 14.6.1916 in Korbach, Arbeiter, aus politischen Gründen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen »Vorbe- reitung zum Hochverrat« (»Verkauf kommunistischer Beitragsmarken«), Freispruch durch OLG Kassel (29.7.1933); im KZ Breitenau vom 31.7.1933 bis 25.8.1933 inhaftiert. 232 Eugen Born aus Hanau, geb. am 9.5.1907 in Hanau, Silberschmied, im KZ Breitenau vom 23.12.1933 bis 9.1.1934 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). Fritz Brandt aus Rhoden/Kr. d. Twiste, geb. am 18.3.1894 in Elberfeld, Metzger, aus politischen Gründen (als »kommunistischer Führer« verhaftet) im KZ Breitenau vom 1.9.1933 bis 8.12.1933 inhaftiert. Er lebte 1946 in Rhoden. Georg Brandt aus Wickenrode/Witzenhausen, geb. am 21.4.1893 in Wickenro- delWitzenhausen, Schlosser, aus politischen Gründen (als sozialdemokrati- scher Gemeindevertreter inhaftiert) im KZ Breitenau vom 29.6.1933 bis 25.8.1933 inhaftiert; in Schutzhaft bis 29.9.1933. Er lebte 1949 in Wickenrode. Otto Braun aus Hanau, geb. am 24.4.1892 in Hanau, Arbeiter, aus politischen Gründen (»wegen illegaler Betätigung für die K.P.D. [Lit.-Obmann)«) im KZ Breitenau vom 30.9.1933 bis 8.11.1933 inhaftiert, anschließend KZ Sonnenburg, 1934 KZ Esterwegen (bis 28.3.1934),1939/40 KZ Sachsen- hausen. Er lebte 1948 in Rückingen/Hanau. Friedrich Briehle aus Helsa/Kassel, geb. am 22.3.1913 in Helsa/Kassel, Maurer, im KZ Breitenau vom 19.9.1933 bis 30.10.1933 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). Heinrich Buchheister aus Harleshausen/Kassel, geb. am 24.5.1908 in Harles- hausen/Kassel, Schlosser, aus politischen Gründen (»KPD«) im KZ Brei- tenau vom 16.6.1933 bis 27.9.1933 inhaftiert. KarlBuchheister aus Harleshausen/Kassel, geb. am 13.3.1910 in Harleshausen/Kas- seI, Gummidreher, aus politischen Gründen (»KPD«, Kampfhund gegen den Faschismus) im KZ Breitenau vom 5.8.1933 bis 28.9.1933 inhaftiert. Johannes Buck aus Hanau, geb. am 5.2.1896 in Frei-Weinheim/Bingen, Schlos- ser, im KZ Breitenau vom 23.9.1933 bis 24.10.1933 (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt) später im Strafgefangenenlager Coswig-Anhalt inhaftiert, nach 1945 vermißt. Oskar Bürger aus Kassel, geb. am 11.8.1894 in Kassel, Schlosser, aus politischen Gründen (»politische Reibereien mit SS- und SA-Männern herbeige- führt«) im KZ Breitenau vom 8.3.1934 bis 16.3.1934 inhaftiert. Jakob Bulle aus Weimar/Kassel, geb. am 9.8.1910 in DärnbergIWolfhagen, Ar- beiter, aus politischen Gründen (KPD, RFB, Antifaschistische Aktion) im KZ Breitenau vom 16.6.1933 bis 13.9.1933 inhaftiert; Verurteilung durch oLG Kassel (23.1.1935) wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« zu einein- halb Jahren Gefängnis; Strafanstalten Hameln und Goslar; Strafbataillon 500 (1.12.1942-5.4.1943). Berthold Bust aus Hersfeld, geb. am 25.11.1907 in Hersfeld, Arbeiter, aus po- litischen Gründen (»wegen angeblicher Anhängerschaft zur verbotenen KPD«) im KZ Breitenau vom 21.10.1933 bis 22.12.1933 inhaftiert. 233 Umberto Carli aus Kassel, gebe am 4.10.1905 in Kassel, Stukkateur, im KZ Breitenau vom 12.7.1933 bis 18.8.1933 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). Albert Charlepska aus Rennersdorf gebeam 25.3.1904 in Rennersdorf Beifah- rer, aus politischen Gründen (wegen »Verdachts kommunistischer Betäti- gung innerhalb der SA«) im KZ Breitenau vom 21.11.1933 bis 22.12.1933 inhaftiert. Heinrich Clobes aus Kassel, gebeam 15.2.1916 in Kassel, Küfer, im KZ Breiten- au vom 12.7.1933 bis 18.8.1933 (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). Erwin Cohn aus OberkaufungenlKassel, gebe am 25.12.1911 in Fulda, Hand- lungsgehilfe, aus politischen Gründen (KJVD) und aus antisemitischen Motiven (er kam aus einer deutsch-jüdischen Familie) im KZ Breitenau vom 8.12.1933 bis 6.2.1934 inhaftiert; Untersuchungsgefängnis Kassel, vom OLG Kassel (23.3.1934) wegen »Vorbercitung eines hochverräteri- schen Untemehmens« zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt, Strafanstalt Hameln (1934-1935), KZ Lichtenburg (1935-1937), KZ Dachau (1937- 1938), KZ Buchenwald (1938-1945). Er änderte seinen Familiennamen 1945 in »Köhler«. Hugo Conrad aus Großauheim, gebe am 19.8.1886 in Erfurt, Former, aus politischen Gründen (angeblich Leiter der KPD-Ortsgruppe in Großau- heim) im KZ Breitenau vom 23.9.1933 bis 17.3.1934 inhaftiert. Er lebte nach 1950 in Großauheim. Hermann Cramer aus Hanau, gebe am 3.7.1898 in Frankfurt/Main, Schlosser, Untersuchungshaft (»wegen Verbreitung verbotener kommunistischer Hetzschriften zum Hochverrat aufgefordert zu haben«): Einstellung des Verfahrens (7.9.1933); daraufhin Schutzhaft im KZ Breitenau vom 9.9.1933 bis 24.10.1933, anschließend im KZ Esterwegen (bis Mitte Juni 1934). Er lebte 1958 in Hanau. Julius Dalberg aus Kassel, gebe am 21.5.1882 in Essentho/Büren, Rechtsanwalt, Gemeindeältester und in verantwortlichen Positionen der Kasseler Jüdi- schen Gemeinde, aus antisemitischen Motiven im KZ Breitenau vom 1.9.1933 bis 15.9.1933 inhaftiert; Emigration; 1943 Verhaftung, Lager Westerbork, Deportation nach Sobibor, seitdem verschollen (zu seiner Person mehr in Kapitel 9). Adolf Debus aus Frankfurt a.M., gebe am 8.10.1905 in Fechenheirn/Hanau, Schneider, im KZ Breitenau vom 23.12.1933 bis 9.1.1934 und vom 12.1.1934 bis 26.1.1934 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt); anschließend ins Saargebiet, später nach Frankreich ver- zogen. 234 Friedrich Debus aus Frankfurt a.M., geb. am 20.5.1898 in Fechenheim/Hanau, Schlosser, KPD ,vom LG Darmstadt wegen Landfriedensbruchs (1.2.1933) zu drei Monaten Gefängnis verurteilt (er hatte als »Schaulustiger« bei einer gewalttätigen Auseinandersetzung zwischen Nationalsozialisten und ihren politischen Gegnern beifällig zugesehen) im KZ Breitenau vom 28.10. 1933 bis 7.11.1933, anschließend KZ Sonnenburg, Ermittlungen wegen Hochverrat (1936), Untersuchungsgefängnis Frankfurt a.M,: Selbsttötung am 15.5.1936. Willi Deseher aus Dennhausen/Kassel, geb. am 5.3.1909 in Herne, Musiker, im KZ Breitenau vom 11.8.1933 bis 29.9.1933 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). Christian Deubel aus Kleinseelheim/Marburg, geb. am 23.8.1909 in Kleinseel- heim/Marburg, Arbeiter, aus politischen Gründen (Anhänger der KPD) im KZ Breitenau vom 21.11.1933 bis 11.1.1934 inhaftiert. Kar}Ditter aus Langendiebach/Hanau, geb. am 9.10.1893 in Langendiebach/Ha- nau, Zimmermann, KPD-Gemeindevertreter, aus politischen Gründen im KZ Breitenau vom 23.9.1933 bis 24.10.1933 inhaftiert; Verurteilung durch OLG Kassel (7.6.1935) wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« zu drei Jahren und drei Monaten Zuchthaus; Zuchthaus Ziegenhain, Butz- bach und Freiendiez (bis 1938). Heinrich Döring aus Kassel, geb. am 11.4.1897 in Remscheid, Büroangestellter, SPD, aus politischen Gründen (Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold) im KZ Breitenau vom 1.8.1933 bis 14.8.1933; Verurteilung durch Sondergericht Kassel zu einem Jahr Gefängnis (»Heimtückegesetz«), Strafanstalten Frei- endiez und Kassel. Karl Dollinger aus WickenrodelWitzenhausen, geb. am 27.11.1906 in Wicken- rode/Witzenhausen, Metzger, aus politischen Gründen (»wegen kommu- nistischer Äußerungen«) im KZ Breitenau vom 24.7.1933 bis 16.10.1933 inhaftiert, anschließend KZ Neusustrum, KZ Börgermoor (bis April 1934); Verurteilung durch ein Feldgericht (Zweigstelle Erfurt) wegen Zersetzung der Wehrkraft (»Erregen von Mißvergnügen«) zu neun Mona- ten Gefängnis (1944), Militärgefängnis Torgau. Georg Ebert aus WickenrodelWitzenhausen, geb. am 31.8.1892 in Wickenro- delWitzenhausen, Lagerhalter, SPD, Arbeitersportverein, Arbeitergesang- verein, wegen angeblicher »politischer Unzuverlässigkeit« seit April 1933 in (Einzel)Haft im Gefängnis Witzenhausen, aus politischen Gründen im KZ Breitenau vom 29.6.1933 bis 25.8.1933 inhaftiert. Ludwig Ebert aus Kassel, geb. am 15.2.1896 in Kassel, Arbeiter, KPD, schwerste Mißhandlungen durch »vernehrnende« SS-Angehörige im Haus des ehern. »Wassersportheims« in Kassel, aus politischen Gründen (KPD) im KZ 235 Breitenau vom 1.9.1933 bis 29.9.1933 inhaftiert; anschließend Polizeige- fängnis Kassel (bis 21.12.1933). Heinrich Eckhardt aus Hanau, gebe am 15.7.1899 in Hanau, Arbeiter, aus politischen Gründen (KPD-Funktionär; pol. Leiter des »Kampfbundes gegen den Faschismus«) seit dem 6.2.1933 in Schutzhaft, Polizeigefängnis Hanau und Frankfurt a.M., im KZ Breitenau vom 19.7.1933 bis 16.10.1933, anschließend KZ Neusustrum; Verurteilung durch OLG Kas- sel (7.6.1935) wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« zu drei Jahren und sechs Monaten Zuchthaus verurteilt; Strafanstalten Ziegenhain und Butz- bach (bis 1938), anschließend erneut Schutzhaft und KZ Buchenwald (1938-1945). Er lebte nach 1945 in Hanau. Er starb dort am 30.10.1961. Ernst Ehmer aus Kassel, gebe am 17.5.1911 in Kassel, Elektromonteur, aus politischen Gründen (KJVD) im KZ Breitenau vom 24.10.1933 bis 6.2.1934 inhaftiert; im sogenannten Kasseler KJVD-Prozeß Verurteilung durch OLG Kassel (22./23.3.1934) wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« zu einem Jahr und sechs Monaten Gefängnis. Friedrich Ehrhardt aus GertenbachlWitzenhausen, gebe am 24.4.1885 in Sell- stadt, Arbeiter, im KZ Breitenau vom 24.6.1933 bis 28.9.1933 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). Wilhelm Ehrlich aus Kassel, gebe am 30.3.1908 in Kassel, Schneider, aus politischen Gründen (KPD) im KZ Breitenau vom 8.8.1933 bis 19.10. 1933 inhaftiert; Verurteilung durch OLG Kassel (10.11.1933) wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« (Neuaufbau der kommunistischen Parteiorganisation) zu einem Jahr Gefängnis; Strafanstalt Kassel-Wehl- heiden. Egon Eifhart aus Steinau/Schlüchtern, gebe am 31.1.1907 in Frankfurt/Main, Kaufmann, im KZ Breitenau vom 20.10.1933 bis 10.11.1933 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). Karl Eigenbrod aus Waldeck/Kr. d. Eder, gebe am 6.5.1901 in Waldeck, Arbeiter, aus politischen Gründen (Tätigkeit für die verbotene KPD) im KZ Brei- tenau vom 9.9.1933 bis 22.12.1933 inhaftiert. Friedrich Eisenacher aus Kassel, gebe am 25.9.1913 in Kassel, Gärtner, aus politischen Gründen (»KPD«) im KZ Breitenau vom 16.6.1933 bis 24.7.1933 inhaftiert. Er lebte 1987 in Kassel. Walter [Wenzel] Eisenacher aus Kassel, gebe am 24.9.1909 in Trier, Maurer, aus politischen Gründen (»KPD«) im KZ Breitenau vom 16.6.1933 bis 12.7.1933 inhaftiert; Zuchthaus Kassel-Wehlheiden (9.9.1938-16.3.1943); KZ Flossenbürg, KZ Sachsenhausen (16.3.1943-Mai 1945). Wilhelm Elm aus Plieden/Fulda, gebe am 11.10.1890 in Weißenwald, Arbeiter, aus politischen Gründen (Kassierer der KPD-Ortsgruppe Flieden) im KZ 236 Breitenau vom 29.6.1933 bis 27.9.1933; schwere Mißhandlungen bei ver- schiedenen Haftrnaßnahmen, Verurteilung durch OLG Kassel (14.3.1935) wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu einem Jahr und sechs Monaten Gefängnis; nach der Gefängnishaft KZ Esterwegen, KZ Sachsenhausen (bis Oktober 1936). Er starb am 24.6.1967 in Flieden. Fritz Engel aus Frankenberg, geb. am 13.7.1907 in Frankenberg, Schmied, aus politischen Gründen (angeblich Anhänger der verbotenen KPD) im KZ Breitenau vom 21.11.1933 bis 23.12.1933 inhaftiert. Kurt Engelbert aus Kassel, geb. am 22.11.1913 in Kassel, kaufm. Lehrling, aus politischen Gründen und antisemitischen Motiven (»Sohn des jüdi- schen Kaufmanns Engelbert«, Unterstützung des kommunistischen Widerstands) im KZ Breitenau vom 28.11.1933 bis 22.12.1933 inhaf- tiert. Heinrich Engelhardt aus Kassel [-Nordshausen], geb. am 21.5.1912 Nords- hausen/Kassel, Maurer, im KZ Breitenau vom 8.8.1933 bis 29.9. 1933 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). Heinrich Erd aus Fritzlar, geb. am 12.4.1887 in Fritzlar, Dackdecker, aus politi- schen Gründen (»Verdacht kommunistischer Betätigung«) im KZ Breiten- au vom 28.10.1933 bis 22.12.1933 inhaftiert. Josef Erd aus Fritzlar, geb. am 22.1.1891 in Fritzlar, Dachdecker, aus politischen Gründen (»Verdacht kommunistischer Betätigung«) im KZ Breitenau vom 23.10.1933 bis 8.12.1933 und vom 12.12.1933 bis 22.12.1933 inhaftiert. Willi Ernst aus Fulda, geb. am 27.11.1899 in Zwötzen/Gera, Eisendreher, im KZ Breitenau vom 14.7.1933 bis 24.7.1933 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). Hermann Fell aus FliedenlFulda, geb. am 5.11.1908 in Flieden/Fulda, Maler, im KZ Breitenau vom 29.6.1933 bis 27.9.1933 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). Fiederlein, Wilhelm aus Hanau, geb. am 4.2.1915 in Frankfurt/Main, Arbeiter, im KZ Breitenau vom 23.12.1933 bis 3.1.1934 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). Fritz Fiege aus ErmschwerdlWitzenhausen, geb. am 7.11.1904 in Witzenhausen, Korbmacher, KPD-Funktionär, seit dem 27.2.1933 aus politischen Grün- den (»Verdacht kommunistischer Betätigung«) in Schutzhaft, im KZ Brei- tenau vom 24.6.1933 bis 16.10.1933, anschließend KZ Börgermoor (bis 1934), Verurteilung durch OLG Kassel (7.5.1937) wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« zu zwei Jahren Gefängnis, anschließend KZ Sachsen- hausen (bis Mai 1945).Er lebte nach 1946 in Witzenhausen. Karl Fingerhut aus Sachsenberg/Kr.d. Eisenbergs. geb. am 24.4.1903 in Fran- kenberg, Kaufmann, nach schweren Mißhandlungen im Juli 1933 durch 237 SA aus politischen Gründen ( kommunistische Betätigung) Gerichtsge- fängnis Korbach, dann KZ Breitenau vom 26.8.1933 bis 28.9.1933, an- schließend Polizeigefängnis Kassel (bis Dezember 1933); Aufenthalts- verbot im Kreis d. Eisenbergs, Wegzug nach Berlin. Nach 1945 Rückkehr nach Sachsenberg, wo er bis zu seinem Tod am 23.8.1951 lebte. Georg Fink aus Breitenbach/Kassel, geb. am 20.11.1876 Breitenbach!Kassel, Schreinermeister, aus politischen Gründen (SPD) im KZ Breitenau vom 29.6.1933 bis 28.7.1933 inhaftiert. Kurt Finkenstein aus Kassel, geb. am 27.3.1893 in StraßburgiElsaß, Dentist, aus politischen Gründen (KPD) im KZ Breitenau vom 16.6.1933 bis 8.8.1933 inhaftiert; seit 1935 in Untersuchungshaft; Verurteilung durch OLG Kas- sel (9.11.1937) wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« zu sieben Jahren und sechs Monaten Zuchtshaus; Zuchthaus Kassel-Wehlheiden, Straflager Aschendorfer Moor, nach der Entlassung (9.11.1943) Arbeitserziehungs- lager Breitenau, von dort KZ Auschwitz, wo er am 29.1.1944 ums Leben kam (zu seiner Person mehr S.187 f.). Paul Fischer aus Schmalkalden, geb. am 4.1.1907 in Schmalkalden, Polierer, im KZ Breitenau vom 9.9.1933 bis 21.10.1933 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). Johann Fissler aus Vollmarshausen/Kassel, geb. am 26.10.1912 in Wellero- de/Kassel, Maurer, aus politischen Gründen (angeblich Anhänger der KPD; soll aufder Dorflinde in Wellerode die Rote Fahne gehißt haben) im KZ Breitenau vom 19.9.1933 bis 6.12.1933 inhaftiert. Adolf Fleck aus Wilhelmshausen/Kassel, geb. am 23.8.1901 in Wilhelmshau- sen/Kassel, Schreiner, aus politischen Gründen (KPD) im KZ Breitcnau vom 1.7.1933 bis 13.9.1933 inhaftiert; Verurteilung durch OLG Kassel (10.7.1936) wegen Vorbereitung zum Hochverrrat zu zwei Jahren und sechs Monaten Zuchthaus; Zuchthaus Kassel-Wehlheiden (bis 10.5.1938), anschließend KZ Buchenwald (10.5.1938 bis 24.4.1941). Er lebte nach 1945 in Wilhelmshausen. Er starb am 16.2.1980 in Münden. Wilhelm Fleischmann aus Hanau, geb. am 15.2.1895 in Hanau, Arbeiter, im KZ Breitenau vom 16.9.1933 bis 8.11.1933 inhaftiert (Grund bzw.Anlaß der Inhaftierung unbekannt); er soll 1942 im KZ Dachau als »Vorbeugehäft- ling« ums Leben gekommen sein. Siegfried Frank aus Wächtersbach!Gelnhausen, geb. am 19.5.1897 in Wächters- bach/ Gelnhausen, Kaufmann, aus politischen Gründen (»Haupträdels- führer der KPD bzw. des Reichsbanners und sehr gehässiger und verbissener Gegner der nat.soz. Erhebung«) im KZ Breitenau vom 8.8.1933 bis 10.11.1933 inhaftiert; KZ Sonnenburg, KZ Esterwegen (bis Juli 1934). 238 Rudolf Freidhof aus Kassel, gebe am 23.9.1888 in Gerlachsheim/Tauberbi- schofsheim, Kaufmann, Bezirkssekretär der SPD, aus politischen Grün- den (offener Gegner des Nationalsozialismus seit 1930 [»Die faschistische Gegenrevolution«. Kassel. Im Selbstverlag des vr 1931] ) seit 19.4.1933 in Schutzhaft und im KZ Breitenau vom 29.6.1933 bis 24.7.1933 inhaftiert; nach dem 20.Juli 1944 im Rahmen der »Aktion Gewitter« erneut verhaftet, KZ Sachsenhausen (26.8.-17.10.1944). Nach 1945 Mitglied der Verfassung- gebenden Landesversammlung Hessen und des Hessischen Landtags (1946- 1949); Vorsitzender SPD-Landtagsfraktion; Mitglied des Deutschen Bundestags (1949-1957); Mitglied der Stadtverordnetenversammlung und Stadtverordnetenvorsteher in Kassel(1956-1964);Ehrenbürger der Stadt Kas- sel;Wilhelm-Leuschner-Medaille. Er starb am 25.12.1983 in Kassel. AdolfFreund aus WernswigIHomberg, gebe am 27.2.1893 in Dickershausen/Fritz- lar-Homberg, Maurermeister, aus politischen Gründen (SPD, Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold) im KZ Breitenau vom 10.4.1933bis 20.4.1933 inhaftiert; im Schutzhaftlager Walkemühle (Melsungen) in Haft (Oktober 1933);erneu- te Inhaftierung (Juli 1936) und Verurteilung durch OLG Kassel (3.11.1936) wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« zu sechs Monaten Gefängnis; Straf- anstalt Wehlheiden; Gestapohaft (März 1944). Nach dem Krieg lebte er in WemswiglFritzlar-Homberg; er starb am 6.5.1980 in HomberglEfze. Kurt Frielingsdorfaus Remscheid-Lennep, gebe am 16.8.1909 in Lennep, Ar- beiter, aus politischen Gründen (»KPD«) im KZ Breitenau vom 21.8.1933 bis 10.10.1933 inhaftiert; anschließend KZ Sonnenburg (vermutl. bis Fe- bruar 1934). Georg Wilhelm Füller aus Hettenhausen/Pulda, gebe am 22.8.1889 in Hetten- hausen/Fulda, Bahnarbeiter, im KZ Breitenau vom 29.6.1933 bis 28.7.1933 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). August Fuhrmann aus Kassel, gebe am 27.9.1899 in Kassel, Elektriker, KPD, seit 5.3.1933 aus politischen Gründen (KPD; IAH; RGO) in Schutzhaft, Un- tersuchungsgefängnis Kassel, Freispruch mangels Beweises (17.2.1934), im KZ Breitenau vom 22.2.1934 bis 16.3.1934,Verurteilung durch OLG Kassel (23.10.1936) wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« (er soll über den Neu- aufbau der kommunistischen Partei mit einem Funktionär gesprochen haben) zu zwei Jahren und sechs Monaten Zuchthaus; Zuchthaus Wehlheiden Ga- nuar 1936-April 1938), Polizeigefängnis Kassel (April bis Juni 1938), KZ Sachsenhausen (Juni 1938- 21.5.1941), KZ Natzweiler (22.5.1941-22.4.1945). August Fuhrmann hat in der Nazizeit 121 Monate Freiheitsentzug erfahren müssen. Er starb am 2.12.1947 in Kassel. Friedrich Gall aus Hanau, gebe am 27.5.1905 in Bruchköbel/Hanau, Arbeiter, aus politischen Gründen (Verdacht, kommunistische Flugblätter an sei- 239 nem Arbeitsplatz bei der Firma Dunlop verteilt zu haben) im KZ Breitenau vom 30.9.1933 bis 11.12.1933 inhaftiert. Wilhelm Gasehe aus Langenselbold, geb. am 29.8.1914 in LangenselboldlHa- nau, Kaufmann, aus politischen Gründen (wegen »kommunistischer Um- triebe«, RFB) im KZ Breitenau vom 21.10.1933 bis 17.11.1933 inhaftiert; anschließend KZ Esterwegen. Im Krieg Strafbataillon 999, bei dessen Einsatz im Osten er ums Leben kam. Karl Gauggel aus Kassel, geb. am 29.6.1904 in Nürnberg, Zuschneider, aus politischen Gründen (KJVD) im KZ Breitenau vom 24.10.1933 bis 6.2.1934 inhaftiert; Verurteilung durch OLG Kassel (23.3.1934) im Kasse- ler »K]VD-Prozeß« wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« zu acht Mona- ten Gefängnis; Strafanstalt Kassel. Er lebte nach 1945 in Kassel. Heinrich Gausmann aus Kassel, geb. am 30.7.1906 in Kassel, Schuhmacher, aus politischen Gründen (»KPD«) im KZ Breitenau vom 15.9.1933 bis 12.10.1933 und vom 24.10.1933 bis 7.11.1933 inhaftiert, anschließend KZ Sonnenburg (am 22./23.12.1933 entlassen). Otto Gebe aus Frankfurt a.M. geb. am 13.8.1881 in Köthen, Bezirkssekretär der Eisenbahnergewerkschaft, Gewerkschafts-Sekretär (ADGB) in Fulda, aus politischen Gründen (er soll im März 1933 Druckschriften mit angeblich »irreführenden und aufhetzerischen« Inhalten verbreitet haben) im KZ Breitenau vom 14.7.1933 bis 15.8.1933 inhaftiert. Oskar Geiler aus Marburg, geb. am 30.10.1898 in Geschwenda/Arnstadt, Bild- hauer, aus politischen Gründen (»Funktionär der KPD, der sich trotz der politischen Schutzhaft weiter staatsfeindlich benahm«) im KZ Breitenau vom 5.8.1933 bis 10.11.1933 inhaftiert; erneute Schutzhaft (1934). JosefGeiling aus Melsungen, geb. am 2.3.1904 in Melsungen, Arbeiter, im KZ Breitenau vom 1.7.1933 bis 8.9.1933 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). Heinrich Gemmecke aus Grcbcnstcin/Hotgcisrnar, geb. am 12.8.1903 in Gre- benstein! Hofgeismar, Arbeiter, aus politischen Gründen (angeblich Füh- rer im Kampfbund gegen den Faschismus) im KZ Breitenau vom 5.8.1933 bis 16.10.1933 inhaftiert. Johannes Genuit aus Kassel, geb. am 7.7.1906 in Soest, landw. Arbeiter, aus politischen Gründen (»KPD«) im KZ Breitenau vom 16.6.1933 bis 14.8.1933 inhaftiert. August Gerbig aus Grebenstein, geb. am 5.8.1894 in LaarlWolfhagen, Bauarbei- ter, im KZ Breitenau vom 5.8.1933 bis 10.10.1933 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). Friedrich Gerlach aus Kassel, geb. am 16.4.1892 in Kassel, Graveur, aus politi- schen Gründen (K]VD) im KZ Breitenau vom 27.10.1933 bis 6.2.1934 240 inhaftiert; Verurteilung durch OLG Kassel (23.3.1934) wegen »Vorberei- tung zum Hochverrat« zu zwei Jahren Gefängnis; KZ Lichtenburg (ein Jahr). Er starb am 22.10.1943 in Kassel (Englischer LuftangriffaufKassel). Artur Glänzer aus Netze/Kr. der Eder, gebe 14.11.1893 in Barmen, Kaufmann, aus politischen Gründen (wegen »Beschimpfung der SA und SS«) im KZ Breitenau vom 1.9.1933 bis 29.9.1933 inhaftiert. Friedrich Görlitz aus Kassel, gebe am 4.2.1909 in Einbeck, Schlosser, aus politi- schen Gründen (KPD, Rote Hilfe, RGO) im KZ Breitenau vom 12.7.1933 bis 28.7.1933 und vom 5.8.1933 bis 19.10.1933, Urteil des OLG Kassel zu zwei Jahren Zuchthaus wegen »Vorbereitung zum Hochverrat«, an- schließend KZ Esterwegen, KZ Sachsenhausen, KZ Buchenwald. Georg Görner aus FrankenberglEder, gebe am 2.5.1891 in Sondershausen (Thü- ringen), Schreiner, aus politischen Gründen (SPD) im KZ Breitenau vom 29.6.1933 bis 8.8.1933 inhaftiert; KZ Sachsenhausen (22.8.-7.9.1944), da er an der Trauerfeier für den im KZ verstorbenen Karl Richter [nicht ermit- telt] teilgenommen hatte [wir vermuten, er wurde im Rahmen der »Aktion Gcwitter« inhaftiert]. Erich Götte aus Frankfurt a.M., gebe am 3.8.1909 in Siegen, Kaufmann, seit März 1933 aus politischen Gründen (angeblich KPD) in Schutzhaft; ihm wurde vorgeworfen, im Zusammenhang mit der Erschießung eines SA- Mannes falsche Angaben gemacht und den später als mutmaßlichen Täter hingerichteten Josef Reitinger gedeckt zu haben; Einstellung des Verfah- rens am 5.10.1933; anschließend KZ Sonnenburg; KZ Breitenau vom 28.10.1933 bis 7.11.1933; KZ Lichtenburg (11.2.-1.10.1934). Nikolaus Götze aus Fulda gebe am 13.5.1894 in Rüdesheim/Bingen, Küfer, aus politischen Gründen (angeblich KPD) seit März 1933 in Schutzhaft; im KZ Breitenau vom 14.7.1933 bis 16.10.1933; anschließend KZ Neusu- strum (bis April 1934). Er starb am 18.5.1960 in Fulda. Heinrich G. aus GroßalmerodelWitzenhausen, gebe am 13.7.1913 in Großal- merode/Witzenhausen, Kaufmann, im KZ Breitenau vom 24.10.1933 bis 11.11.1933 als »SA-Mann« inhaftiert. Valentin Grau aus Kassel, gebe am 11.8.1898 in Dillich, Färber, im KZ Breitenau vom 1.9.1933 bis 22.9.1933, Untersuchungsgefängnis Kassel; Ermittlun- gen wegen Beteiligung an einer Auseinandersetzung zwischen Stahlhelm- Angehörigen und Kommunisten 1931, bei dem ein Stahlhelm-Mann zu Tode gekommen war; Freispruch durch Schwurgericht Kassel (April 1934). Er starb am 3.5.1955 in Kassel. Heinrich Grebe aus DörnbergIWolfhagen, gebe am 4.1.1894 in Wolfhagen, Lagerhalter, Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Dörnhagen, Mitglied des Gemeinderats; Entlassung bei der Konsum-Genossenschaft Zierenberg; 241 Schutzhaft am 21.6.1933; aus politischen Gründen im KZ Breitenau vom 1.7.1933 bis 28.7.1933 inhaftiert. Gustav Grebestein aus Eschwege, geb. am 1.8.1875 in Eschwege, Fabrikant, vorgeblich »wegen ungebührlicher Mißhandlung von Lehrlingen«, tat- sächlich weil er Mitglied der Tannenbergbewegung' war; im KZ Breitenau vom 1.9.1933 bis 30.9.1933 inhaftiert. Karl Grebestein aus Eschwege, geb. am 25.2.1877 in Eschwege, Fabrikant, aus politischen Gründen (vorgeblich »wegen ungebührlicher Mißhandlung von Lehrlingen«, »fanatischer Anhänger der Tannenbergbewegung«) im KZ Breitenau vom 1.9.1933 bis 24.10.1933 inhaftiert; erneute Inhaftierung im Gerichtsgefangnis Eschwege (18.-23.1.1934). Heinrich Grede aus AltenstädtlWolfhagen, geb. am 22.11.1898 in Alten- städtlWolfhagen, Schweißer, aus politischen Gründen (angeblich An- hänger der KPD; systemkritische öffentliche Äußerung) im KZ Breitenau vom 1.7.1933 bis 11.8.1933 inhaftiert; Strafanstalt Kassel- Wehlheiden (Oktober 1938 - März 1939) wegen Verdacht der »Vorbe- reitung zum Hochverrat«, Martin Greiling aus Melsungen, geb. am 4.12.1896 in Melsungen, Schlosser, aus politischen Gründen (Gewerkschafter, Mitglied der KPD) in Schutz- haft in der Walkemühle/Melsungen (juni 1933), im KZ Breitenau vom 1.7.1933 bis 16.8.1933; erneut verhaftet (Februar 1944), Arbeitserzie- hungslager Breitenau (April - Mai 1944); Zuchthaus Berlin-Plötzensee (Mai 1944 - Januar 1945); Freispruch »mangels Beweises« durch Volksge- richtshof (4.1.1945), Freilassung. »Im Totenhaus von Plötzcnsee« (Schrift über seine Haftzeit dort). Nach 1945 Gewerkschaftssekretär (DGB) für den Kreis Melsungen. 1946 Mitbegründer der »Gemcinnützigen Woh- nungsbaugenossenschaft«. Er starb am 4.4.1968 in Melsungen. Otto Haake aus Helmarshausen/Kr. Hofgeismar, geb. am 18.4.1908 in Hel- marshausen/Kr. Hofgeismar, Schlosser, aus politischen Gründen (we- gen kritischer Äußerungen gegenüber der NSDAP angezeigt und in Schutzhaft genommen) im KZ Breitenau vom 13.9.1933 bis 7.10.1933 inhaftiert. Gustav Haas aus Hanau, geb. am 29.3.1906 in Hanau, Friseur, aus politischen Gründen (KPD, Kampfbund gegen den Faschismus) im KZ Breitenau vom 30.9.1933 bis 8.11.1933 inhaftiert; anschließend KZ Sonnenburg, dann KZ Esterwegen (bis 29. März 1934); 1939 erneute Festnahme, Poli- zeigefängnis Hanau, dann KZ Sachsenhausen (bis November 1940). Er lebte nach 1949 in Hanau. 3 Zur Tannenbergbewegung vgl. Kapitel 4, Anmerkung 1. 242 Heinrich Häfner aus Langenselbold, gebe am 6.12.1868 in Langenselbold/Kr. Hanau, Invalide, im KZ Breitenau vom 23.9.1933 bis 19.10.1933 (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). Peter Häfner aus Langenselbold, gebe am 12.9.1913 in Langenselbold/Kr. Ha- nau, Weißbinder, K]VD, aus politischen Gründen (wegen »antinationals- zialistischer Propaganda«) im KZ Breitenau vom 23.9.1933 bis 2.3.1934 inhaftiert; Verurteilung durch OLG Kassel (21.9.1937) wegen »Vorberei- tung zum Hochverrat« zu einem Jahr und zwei Monaten Gefängnis, Strafanstalt Preungesheim (bis November 1938). Kriegsgefangenschaft bis 1946. Er starb am 12.2.1952 in Langenselbold. Otto Haferburg aus Kassel, gebe am 18.6.1911 in Niederzwehren/Kr. Kassel, Maler, aus politischen Gründen (für die verbotene KPD tätig) im KZ Breitenau vom 8.8.1933 bis 23.9.1933 und vom 27.9.1933 bis 19.10.1933 inhaftiert; Urteil des OLG Kassel (10.11.1933) wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« zu einem jahr und sechs Monaten Gefängnis; Zuchthaus Kassel-Wehlheiden; Strafbataillon 999 (1.12.1942 - 21.12.1944). Er lebte nach 1945 in Kassel. Georg Hahn aus Kassel, gebe am 14.12.1907 in Willingshausen/Kr. Ziegenhain, Klempner, aus politischen Gründen (für die verbotene KPD tätig) im KZ Breitenau vom 12.7.1933 bis 16.10.1933 inhaftiert, anschließend KZ N eu- sustrum; erneut (1936) inhaftiert; Zuchthaus Wehlheiden, Verfahren we- gen Vorbereitung zum Hochverrat, das mangels Beweises eingestellt wurde; erneute Ermittlungen gegen ihn wegen Wiederbegründung einer »verbotenen kommunistischen Sportorganisation« (1938). Josef Hahn aus Grüsselbach, gebe am 8.3.1912 Grüsselbach/Kr. Hünfeld, Metzger, aus vermeintlich »sittlichen« Gründen (wegen »leichtsinni- gem Lebenswandel«; gemeint waren angebliche Zahlungsrückstände gegenüber Kunden) im KZ Breitenau vom 11.9.1933 bis 10.11.1933 inhaftiert. Johann Halbschmidt aus Langenselbold/Kr. Hanau, gebe am 4.4.1880 in Langen- selbold/Kr. Hanau, Lagerarbeiter, aus politischen Gründen (für die verbotene KPD tätig) im KZ Breitenau vom 30.9.1933 bis 2.3.1934 inhaftiert. Er lebte nach dem Krieg in Langenselbold. Er starb dort am 22. Mai 1967. Wilhelm Halbschmidt aus Langenselbold/Kr. Hanau, gebe am 27.3.1893 in Lan- genselbold/Kr. Hanau, Schreiner, aus politischen Gründen (für die verbotene KPD tätig) im KZ Breitenau vom 30.9.1933 bis 2.3.1934 inhaftiert. Johannes Hansmann aus Haina Kloster, gebe am 10.12.1893 in Zimmersro- de/Kr. Fritzlar-Homberg, Gespannführer, SPD, Mitglied des Gemeinde- rats Haina, aus politischen Gründen im KZ Breitenau vom 29.6.1933 bis 1.9.1933 inhaftiert. 243 Ernst Harlinghausen aus Kassel, geb. am 27.8.1899 in Rheda, Kaufmann, im KZ Breitenau vom 1.9.1933 bis 18.9.1933 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). Fritz Hartmann aus Kassel, geb. am 5.4.1908 in Kassel, Arbeiter, aus politischen Gründen ( »irn Verdacht, mit der KPD zu sympathisieren. Hat sich öfter an Ausschreitungen gegen SA-Männer beteiligt«) im KZ Breitenau vom 26.8.1933 bis 17.3.1934 inhaftiert. Philipp Hartmann aus Kassel, geb. am 26.4.1910 in Kassel, Schlosser, aus politischen Gründen (für die verbotene KPD tätig) im KZ Breitenau vom 16.6.1933 bis 8.8.1933 und vom 21.11.1933 bis 22.12.1933 inhaftiert. Johannes Hauptreif aus Heckershausen/Kr. Kassel, geb. am 27.1.1902 in Heckershausen/Kr. Kassel, Zimmermann, aus politischen Gründen (als KPD-Funktionär verhaftet) im KZ Breitenau vom 16.6.1933 bis 9.8.1933; Verurteilung durch OLG Kassel (24.8.1934) wegen »Vorbercitung zum Hochverrat« zu einem Jahr und zwei Monaten Gefängnis; Strafanstalt Hameln (bis 26.6.1935). Heinrich Heeb aus Hann. Münden, geb. am 24.11.1898 in Bechenheim/Kr. Alzey, Maurer, aus politischen Gründen (KPD-Funktionär) im KZ Breitenau vom 31.7.1933 bis 16.10.1933 inhaftiert; Verurteilung durch OLG Kassel (25.9.1934) wegen »Vorbercitung zum Hochverrat« zu einem Jahr und sechs Monaten Gefängnis; Strafanstalt Hameln; erneute Festnahme (1939). August Heeg aus Hanau, geb. am 12.1.1895 in Kaiserslautern, Arbeiter, aus politischen Gründen (für die verbotene KPD tätig) im KZ Breitenau vom 9.9.1933 bis 24.10.1933, anschließend KZ Esterwegen; erneute Festnahme und Verurteilung durch OLG Kassel (7.6.1935) zu einem Jahr und sechs Monaten Zuchthaus; Zuchthaus Kassel-Wehlheiden (bis 23.8 1936), an- schließend KZ Lichtenburg und KZ Buchenwald (bis 2.11.1939). Er lebte nach 1945 in Hanau; dort starb er am 18.2.1959. Franz Heil aus Fulda, geb. am 16.4.1907 in Mittelroda, Arbeiter, aus politischen Gründen (angeblich Vors. der KPD-Ortsgruppe Fulda) mehrfach seit März 1933 in Schutzhaft; im KZ Breitenau vom 14.7.1933 bis 20.9.1933 inhaftiert. Er starb im August 1989. Konrad Hellwig aus Kassel, geb. am 2.1.1909 in Rothwesten/Kr. Kassel, Dreher, aus politischen Gründen (kommunistischer Funktionär) im KZ Breitenau vom 8.8.1933 bis 19.10.1933 inhaftiert; anschließend Untersuchungsge- fängnis Kassel; Verurteilung durch OLG Kassel (10.11.1933) wegen »Vor- bereitung zum Hochverrat« zu einemjahr und sechs Monaten Gefängnis; Strafanstalt Hameln (bis 7.5.1934); anschließend KZ Papenburg (bis 25.1.1935); Strafbataillon 999 (4.2.1943-8.5.1945). Er lebte nach 1945 in Kassel und starb dort am 11.5.1957. 244 Friedrich Henning aus Hanau, gebe am 7.5.1904 in Hanau, Arbeiter, aus politi- schen Gründen (KPD, Kampfbund gegen Faschismus) im KZ Breitenau vom 30.9.1933 bis 11.12.1933 inhaftiert. Er lebte nach dem Krieg in Hanau und starb dort am 8.4.1989. Wilhelm Hens aus Hanau, gebe am 27.5.1900 in Metz, Schuhmacher, seit 1932 Stadtverordneter in Hanau (KPD); aus politischen Gründen Schutzhaft (März bis April 1933); im KZ Breitenau vom 23.12.1933 bis 3.1.1934 und vom 9.1.1934 bis 12.3.1934 inhaftiert; anschließend Polizeigefängnis Kas- sel; Verurteilung durch OLG Kassel (25.5.1934) wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« zu zweijahren und vier Monaten Gefängnis; Strafanstal- ten Hameln und Celle. Hugo Herber aus Kassel, gebe am 8.9.1899 im Schwarzwald/Kr. Gotha, Fabrik- arbeiter, aus politischen Gründen (angeblich für die verbotene KPD tätig) im KZ Breitenau vom 16.6.1933 bis 8.8.1933 inhaftiert. Friedrich Herbordt aus Kassel, gebe am 20.11.1899 in Kassel, Reklame-Maler, aus politischen Gründen (für die verbotene KPD tätig) im KZ Breitenau vom 24.10.1933 bis 20.11.1933; Verurteilung durch OLG Kassel (17.2.1934) wegen Beteiligung an der Herstellung der KPD-Zeitschrift »Der Kämpfer« zu vier Monate Gefängnis; Verurteilung durch OLG (7.12.1937) Kassel wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« zu drei Jahren Gefängnis; Strafgefängnis Wolfenbüttel (bis 7.12.1940); Persönlicher Schutzhaftgefangener (bis 31.1.1944) des Höheren SS- und Polizeiführers Josias Erbprinz zu Waldeck und Pyrmont. Nach dem Krieg als Kultur-Re- dakteur (Hessische Nachrichten) in Kassel. Buchveräffentlichungen. Er starb am 8.5.1958 in Kassel. Adam Herchenhan aus Fulda, gebe am 4.5.1900 in Theobaldshof/Kr. Gersfeld, Schmied, aus politischen Gründen (Mitglied der SPD Fulda) im KZ Breitenau vom 14.7.1933 bis 14.8.1933 inhaftiert. Paul Hermann aus Großauheim, gebe am 10.10.1886 in Eisleben, Schlosser, im KZ Breitenau vom 23.9.1933 bis 9.3.1934 (Grund bzw. Anlaß der Inhaf- tierung unbekannt). Karl Herrmann aus Kassel, gebe am 9.3.1882 in Eilenburg, Bezirkssekretär der SPD, wandte sich im März 1933 an den kommiss. Regierungspräsidenten in Kassel mit einer Beschwerde über Terror-Akte der Nationalsozialisten in Großalmerode; aus politischen Gründen in Schutzhaft (ab 18.4.1933); anschließend im KZ Breitenau vom 16.6.1933 bis 28.7.1933; im Rahmen der Verhaftungen der »Aktion Gewitter« KZ Sachsenhausen (22.8.- 20.9.1944); nach 1945 Landrat des Kreises Kassel. Richard Herrmann aus Oberkaufungen/Kr. Kassel, gebe am 20.5.1896 in Lebu- sa/Kr. Frankfurt 0., Schreiner, aus politischen Gründen (angeblich für die 245 verbotene KPD tätig) im KZ Breitenau vom 14.8.1933 bis 27.9.1933 inhaf- tiert. Wilhelm Herz aus Nordshausen, gebe am 15.8.1911 in Nordshausen/Kr. Kassel, Klempner, im KZ Breitenau vom 8.8.1933 bis 29.9.1933 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). Karl Hess aus Schmalkalden, gebe am 21.6.1897 in Schmalkalden, Schmied, aus politischen Gründen (er »verteilte im Oktober 1933 erneut kommunisti- sche Druckschriften«) im KZ Breitenau vom 9.9.1933 bis 21.10.1933 inhaftiert. Jakob Hildebrand aus Harleshausen/Kr. Kassel, gebe am 19.1.1903 in Kassel, Schlosser, aus politischen Gründen (angeblich »KPD-Funktionär«) im KZ Breitenau vom 16.6.1933 bis 19.7.1933 inhaftiert; anschl. Polizeigefängnis Kassel (bis September 1933). Fritz Hildebrandt aus Kassel, gebe am 16.6.1895 in Herbsleben/Kr. Gotha, Dekorateur, aus politischen Gründen (kommunistischer Funktionär) im Mai 1933 verhaftet; zuerst im Karlshospital in Kassel, dann im KZ Breite- nau vom 19.6.1933 bis 18.10.1933 inhaftiert; Verurteilung durch OLe; Kassel (16.7.1937) wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« zu drei Jahren Zuchthaus; Zuchthaus Kassel-Wehlheiden (bis 16.4.1940). Er lebte nach 1950 in Wiesbaden, wo er am 16.2.1974 starb. Otto von Hillibrand aus Hanau, gebe am 3.3.1903 in Hamm, Kaufmann, aus politischen Gründen (angeblich für die verbotene KPD tätig) im KZ Breitenau vom 23.12.1933 bis 4.1.1934 inhaftiert. Justus Hochrath aus Uschlag/Kr. Hann.Münden, gebe am 23.2.1915 in Uschlag/Kr. Hann. Münden, Installateur, aus politischen Gründen (Funk- tionär des KJVD) verhaftet; im KZ Breitenau vom 24.10.1933 bis 6.2.1934,Verurteilung durch OLG Kassel im Kasseler KJVD-Prozeß (23.3.1934) zu einem Jahr Gefängnis; Strafanstalt Kassel-Wehlheiden (bis 28.12.1934). Peter Höchst aus Lütersheim/Kr. d. Twiste, gebe am 25.2.1878 in Ahlbach/Kreis d. Twiste, Landwirt, SPD, Mißhandlungen durch SA-Angehärige im Juli 1933; im KZ Breitenau vom 28.7.1933 bis 9.8.1933 und vom 11.8.1933 bis 5.9.1933 inhaftiert; mehrere Vernehmungen und Inhaftierungen bis zum Freispruch (20.10.1933) durch das Sondergericht Kassel. Er lebte nach 1945 in Ehringen/Kr. Wolfbagen. Karl Hörle aus Hanau, gebe am 24.2.1896 in Winkels [heute Oberlahnkreis1, Maurer, aus politischen Gründen (als KPD-Funktionär im Dezember 1933 verhaftet) im KZ Breitenau vom 19.1.1934 bis 12.3.1934, an- schließend im Polizeigefängnis Kassel, inKZ und Straflagern (bis Mai 1935) inhaftiert und schweren Mißhandlungen ausgesetzt. 246 Wilhelm Hofacker aus Hanau, gebe am 5.11.1891 in Langenselbold/Kr. Hanau, Arbeiter, aus politischen Gründen (angeblich KPD, Rote Hilfe) im KZ Breitenau vom 23.9.1933 bis 16.10.1933 inhaftiert, anschließend KZ Neu- sustrum. Am 1.9.1939 erneut Schutzhaft und KZ Sachsenhausen, wo er am 15.4.1940 ums Leben kam. Johann Hofmann aus Wendershausen/Kr. Fulda, gebe am 17.8.1905 in Wen- dershausen/Kr. Fulda, Arbeiter, aus politischen Gründen (wegen Nachfra- ge nach Lohnerhöhung) im KZ Breitenau vom 15.10.1933 bis 19.11.1933 inhaftiert. Martin Hofmann aus Crumbach/Kr. Kassel, gebe am 21.2.1879 in Crumbach/Kr. Kassel, Zimmermann, SPD, Mitglied des Kreisausschusses im Landkreis Kassel, aus politischen Gründen als Angestellter beim Kreisausschuß Kassel entlassen (1.4.1933), im KZ Breitenau vom 29.6.1933 bis 13.9.1933inhaftiert. Emil Hohmann aus Fulda, gebe am 8.11.1896 in Niederbieber/Kr. Fulda, Ange- stellter, aus politischen Gründen (als KPD-Funktionär verhaftet; angeb- lich Unterbezirksleiter der KPD in Fulda) seit 2.3.1933 in Schutzhaft und vom 14.7.1933 bis 27.9.1933 im KZ Breitenau inhaftiert. Karl Hohmann aus Melsungen, gebe am 29.9.1875 in Kassel, Weber, aus politi- schen Gründen (wegen angeblicher Beleidigung Hitlers [während einer Hitler-Rede im Radio auf einem Erntedankfest soll er geäußert haben: »Macht doch das Radio aus! Was spricht denn da für ein Polacke!«]) im KZ Breitenau vom 7.10.1933-22.12.1933 inhaftiert; soll anschließend in der SA-Haftstätte in der Walkemühle eingesperrt gewesen sein. Mathäus Hohmann aus Hanau, gebe am 1.10.1892 in Hanau, Heizer, KPD und Internationale Arbeiterhilfe, aus politischen Gründen im KZ Breitenau vom 16.9.1933 bis 24.10.1933 inhaftiert; 1935 erneut verhaftet und Verfah- ren vor dem OLG Kassel; nach Freispruch (7.6.1935) Schutzhaft und KZ Lichtenburg (bis August 1937). August Hornschu aus Niederelsungen/Kr. Wolfhagen, gebe am 21.7.1896 in Niederelsungen/Kr. Wolfhagen, Schwellenhauer, aus politischen Grün- den (KPD) Schutzhaft seit 6.3.1933; im KZ Breitenau vom 16.6.1933 bis 19.7.1933, Polizeigefängnis Kassel, KZ Esterwegen (Dezember 1934 bis August 1934), weil er angeblich mehrfach den .Deutschcn Gruß. verwei- gert habe; erneute Inhaftierung (1937) wegen Abhörens ausländischer Sender. Einstellung eines Hochverratsverfahrens mangels Beweises vom Amtsgericht Kassel. August Hornschuh lebte nach dem Krieg in Niederel- sungen und starb dort am 15.8.1965. Gustav Hübner aus Hanau, gebe am 30.7.1912 in Hanau, Maurer, im KZ Breitenau vom 19.9.1933 bis 11.12.1933 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). 247 Heinrich Humburg aus Völkershausen/Kr. Eschwege, gebe am 18. 11. 1889 in Hundeshagen/Kr. Worbis, Gastwirt, vermutlich als Kommunist verhaftet; im KZ Breitenau vom 19.7.1933 bis 1.9.1933 inhaftiert. Georg Iffert aus Grifte/Kr. Melsungen, gebe am 22.8.1889 in Wollrode/Kr. Melsungen, Putzer, im April 1933 aus politischen Gründen verhaftet; im KZ Breitenau vom 12.7.1933 bis 28.7.1933, »aufgrund seiner schweren Verletzungen, die er sich während seiner Haftzeit zugezogen hatte, erfolgte seine vorzeitige Freilassung«. Heinrich Iffert aus Kassel, gebe am 31.5.1902 in Obervellmar/Kr. Kassel, Kauf- mann, im KZ Breitenau vom 11.9.1933 bis 10.10.1933 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). Edmund Iwanski aus Hanau, gebe am 19.10.1912 in Thorn, Arbeiter, aus politischen Gründen (»wegen Verdachts kommunistischer Umtriebc«) verhaftet; im KZ Breitenau vom 23.9.1933 bis 8.11.1933, anschließend KZ Sonnenburg und KZ Esterwegen. Er lebte 1976 in Mühlheim/Kr. Ruhr. Wilhelm Jakob aus Langenselbold, gebe am 18.8.1886 in Langenselbold/Kr. Hanau, Steindrucker, aus politischen Gründen (»K.P.D.«) im KZ Breiten- au vom 23.9.1933 bis 2.3.1934 inhaftiert Er lebte 1951 in Langenselbold. Johannes J. aus Illnhausen, gebe am 6.2.1909 in Hintersteinau/Kr. Schlüchtern, Arbeiter, im KZ Breitenau vom 4.10.1933 bis 30.10.1933 als »SA-Mann« inhaftiert. Paul Joerg aus Witzenhausen, gebe am 30.3.1886 in Mainz, Arbeiter, führender Kommunist in Witzenhausen, Mitglied der Stadtverordnetenversammlung und des Kreistags Witzenhausen (1924-1932); aus politischen Gründen seit 27.2.1933 Schutzhaft, im KZ Breitenau vom 24.6.1933 bis 16.10.1933 inhaf- tiert, anschließend KZ Esterwegen, Bärgermoor und Neusustrum (bis Juni 1934), Beziehungen zu Ernst Lohagen und dem »Freundeskreis Kurt Finken- stein« in Kassel; Verhaftung (23.7.1935), Untersuchungshaft (bis 1.7. 1937),Verurteilung durch 0 LG Kassel (1.7.1937) wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« zu sechs Jahren Zuchthaus; Zuchthaus Kassel-Wehlheiden (bis 2.8.1942); erneut Schutzhaft und Arbeitserziehungslager Breitenau (18.8. bis 2.10.1942); anschließend KZ Sachsenhausen bis zur Befreiung des Lagers (3.5.1945). Er lebte nach 1945 in Witzenhausen; Ankläger der Spruchkammer Witzenhausen (1946 ff). Er starb dort am 22.1.1961. August Jungermann aus Kassel, gebe am 14.9.1905 in Kassel, Bürogehilfe, im KZ Breitenau vom 1.9.1933 bis 28.9.1933 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). Abraham Katz aus Fulda, gebe am 31.7.1887 in Uttrichhausen/Kr. Schlüchtern, Geschäftsinhaber, aus antisemitischen Motiven im KZ Breitenau vom 9.9.1933 bis 10.10.1933 inhaftiert. 248 Kurt Katzenstein aus Kassel,geb. am 25.11.1911 in Witzenhausen, Kaufmann, als Kommunist verhaftet (antisemitische Motive nicht auszuschließen); im KZ Breitenau vom 8.8.1933 bis 10.11.1933, anschließend KZ Lichtenburg. Heinrich Kauck aus Hanau, geb. am 25.7.1904 in Hanau, Goldschmied, aus politischen Gründen (»war Leiter der Internationalen Arbeiterhilfe und wurde wiederholt kommunistischer Umtriebe beschuldigt«) im KZ Brei- tenau vom 23.9.1933 bis 24.10.1933, anschließend KZ Esterwegen (bis April 1934); erneute Verhaftung (1.9.1939) und Schutzhaft in verschiede- nen Gefängnissen und im KZ Sachsenhausen (bis 9.11.1940). Er starb in Hanau am 22.5.1986. Anton Kaufhold aus Hanau, geb. am 2.7.1897 in Hanau, Möbeltransporteur, aus politischen Gründen (angeblich KPD) im KZ Breitenau vom 23.9.1933 bis 24.10.1933, anschließend KZ Esterwegen; erneute Inhaftierung am 1.9.1939; KZ Sachsenhausen (bisjuli 1940). Er starb am 9.5.1952 in Hanau. August [johannes] Raufbold aus Hanau, geb. am 16.10.1904 in Hanau, Schlosser, aus politischen Gründen (»betätigte sich im Rot-Front-Kämp- ferbund: Geheime Zusammenkünfte in seiner Wohnung«) im KZ Brei- tenau vom 23.9.1933 bis 24.10.1933, anschließend in Schutzhaft (bis Ostern 1934); im Prozeß gegen Paul Joerg Verurteilung durch OLG Kassel (7.6.1935) wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« zu fünfJahren Zuchthaus. Wilhelm Kaufhold aus Kassel, geb. am 2.9.1898 in Kassel, Bauarbeiter; aus politischen Gründen ( angeblich »Anhänger der KPD bzw. Reichsbanner«, »Verdacht sich an den Unruhen am 18. 6. 19304 beteiligt zu haben«; im KZ Breitenau vom 26.8.1933 bis 16.3.1934 inhaftiert. Konrad Keim aus Großauheim, geb. am 3.2.1867 in Rechingen, Rentner; aus politischen Gründen (er soll Hitler »beleidigt« [ihn als »Zirkusdirektor« bezeichnet] haben) in Schutzhaft; Freispruch durch OLG Kassel (16.9. 1933); KZ Breitenau vom 16.9.1933 bis 15.10.1933 und vom 19.10.1933 bis 23.12.1933. Heinrich K aus Mauswinkel/Kr. Gelnhausen, geb. am 22.3.1911 in Mauswin- kel/Kr. Gelnhausen, Steinrichter, im KZ Breitenau vom 15.10.1933 bis 7.11.1933 als SA-Mann inhaftiert. 4 Am 18.6.1930 kam es in Kassel zu Straßenkämpfen zwischen NSDAP- und KPD-Angehörigen, nachdem die NSDAP demonstrativ politische Versammlungen in der .roten- Altstadt durchführen wollte, die von der republikanischen Polizei verboten bzw. aufgelöst wurden. Im Mittelpunkt standen die Auseinandersetzungen um das Versammlungslokal »Stadt Stockholm«, bei denen der NSDAP-Stadtverordnete Messerschmidt so schwer verwundet wurde, daß er am 23.7.1930 an den Folgen der Verletzung starb. Messerschmidt wurde zum Märtyrer und Helden der NS-Bewegung in Kassel und Kurhessen erklärt. Vgl. Wilhelm Frenz, Der Aufstieg des Nationalsozialismus in Kassel 1922bis 1933, in: Hessen unterm Hakenkreuz, a.a.O., 63 ff, hier: 70-73. 249 Karl K aus Kirchbracht/Kr. Gelnhausen, gebe am 29.1.1914 in Kirchbracht/Kr. Gelnhausen, Landwirt, im KZ Breitenau vom 4.10.1933 bis 30.10.1933 als SA-Mann inhaftiert. Heinrich Kepper aus Grebenstein, gebe am 10.7.1891 in Grebenstein/Kr. Hof- geismar, Bürogehilfe, im KZ Breitenau vom 9.2.1934 bis 16.3.1934 inhaf- tiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). Bruno Kermer aus Kassel, gebe am 19.9.1893 in Prinzenthal/Kr. Bromberg, Schlosser, aus politischen Gründen (angeblich KPD) im KZ Breitenau vom 31.7.1933 bis 21.8.1933; Verurteilung durch Sondergericht Kassel (22.8.1933) wegen »Heimtückc« zu zwei Jahren Gefängnis; Strafanstalten Hameln und Hannover (bis 27.7.1935). Heinrich Kestner aus Harmuthsachsen/Kr. Witzenhausen, gebe am 13.6.1886 in Harmuthsachsen/Kr. Witzenhausen, Arbeiter, aus politischen Gründen (als lokaler Funktionär der KPD inhaftiert) im KZ Breitenau vom 1.9.1933 bis 22.12.1933 inhaftiert; Untersuchungshaftanstalt Kassel wegen Vor- wurf der >Wehrkraftzersetzung< (6.3.1944-23.8.1944) und Einstellung des Verfahrens »mangels Beweises«, Er starb am 4.8.1949 während eines Kur- aufenthalts in Bad Wildungen. Heinrich Klar aus Breuna/Kr. Wolfhagen, gebe am 24.9.1904 Breuna/Kr. Wolfhagen, Arbeiter, aus politischen Gründen (Sohn eines »aktivcn SPD- Manns«) im KZ Breitenau vom 12.7.1933 bis 28.7.1933. August Kleinfelder aus Bad Orb/Kr, Gelnhausen, gebe am 12.11.1907 in Kassel/ Kr. Gelnhausen, Händler, aus politischen Gründen (angeblich Anhänger der KPD) seit dem 26. März 1933 in Schutzhaft, verschiedene Strafanstal- ten; im KZ Breitenau vom 15.10.1933 bis 22.12.1933 inhaftiert, im Rah- men der Weihnachtsamnestie entlassen; 1940 Organisation Todt; Zwangs- verpflichtung bei der Dynamit Nobel (Munitionsfabrik) in Stadtallendorf (ab 1940). Er starb am 1.6.1962. Heinrich Kleinschmidt aus Ellingerode/Kr. Witzenhausen, gebe am 14.1.1906 in Laudenbach/Kr. Witzenhausen, Arbeiter, aus politischen Gründen (an- geblich Anhänger der KPD) Schutzhaft seit dem 27. März 1933; im KZ Breitenau vorn 24.6.1933 bis 16.10.1933 inhaftiert, anschließend KZ Bör- germoor (bis 31.3.1934). Leo Klug aus Flieden/Kr. Fulda, gebe am 12.11.1906 in Barmen, Arbeiter, aus politischen Gründen (ADGB, angeblich KPD) im KZ Breitenau vom 29.6.1933 bis 27.9.1933 inhaftiert. Otto Knauf aus Kassel, gebe am 14.8.1900 in Kassel, Arbeiter, aus politischen Gründen (angeblich KPD, IAH) Schutzhaft seit dem 8.4.1933; im KZ Breitenau vom 1.9.1933 bis 16.10.1933, anschließend in Schutzhaft (bis 15.4.1934) in Nebenlagern des KZ Esterwegen. 250 Louis Knippschild aus Kassel, geb. am 19.5.1891 in Kassel, Heizer, aus politi- schen Gründen (»als Marxist an den Verfolgungen gegen die SA und NSDAP in der Altsstadt' beteiligt gewesen« [nat.soz. Polizeivorwurfvom März 1934]) im KZ Breitenau vom 1.9.1933 bis 17.3.1934 inhaftiert. Gustav Knocke aus Karlshafen/Kr. Hofgeismar, geb. am 20.5.1903 in Oster- wald/Kr. Hameln, Arbeiter, aus politischen Gründen (angeblich »KPD«) im KZ Breitenau vom 16.6.1933 bis 5.8.1933 inhaftiert. Philipp Knögel aus Kassel, geb. am 3.1.1872 in Nastätten/Kr. St. Goarshausen, Schneidermeister, aus politischen Gründen (KJVD) im KZ Breitenau vom 24.10.1933 bis 6.2.1934 inhaftiert; Verurteilung durch OLG Kassel (23.3.1934) wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« im Kasseler KJVD- Prozeß zu einem Jahr und sechs Monaten Gefängnis. August Koch (HeIsa) aus Helsa, geb. am 20.4.1912 in Helsa/Kr. Kassel, Arbeiter, im KZ Breitenau vom 19.9.1933 bis 30.10.1933 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). August Koch (Kassel) aus Kassel, geb. am 7.9.1906 in Kassel, Fahrbursche, aus politischen Gründen (angeblich KPD) im KZ Breitenau vom 22.12.1933 bis 26.1.1934 inhaftiert. Georg Koch aus Martinhagen/Kr. Wolfhagen, geb. am 3.11.1914 in Martinha- gen/Kr. Wolfhagen, Arbeiter, aus politischen Gründen (angeblich KPD) im KZ Breitenau vom 1.7.1933 bis 14.8.1933 inhaftiert. Jean Koch aus Langenselbold/Kr. Hanau; geb. am 14.5.1889 in Mittelsheim, Arbeiter, aus politischen Gründen (wegen »beschimpfender Äußerungen der Reichsregierung«) im KZ Breitenau vom 16.9.1933 bis 20.9.1933, vom 23.9.1933 bis 30.10.1933 und vom 1.11.1933 bis 5.12.1933 inhaftiert. Er lebte nach 1947 in Langenselbold. Wilhelm Koch 11 aus Calden/Kr. Hofgeismar, geb. am 17.7.1880 in Calden/Kr. Hofgeismar, Schneidermeister, aus politischen Gründen (angeblich KPD; wegen »Beleidigung des Obersten SA-Führers«) im KZ Breitenau vom 1.8.1933 bis 27.8.1933 inhaftiert; Verurteilung durch Sondergericht Kassel (28.8.1933) wegen »Vergehens gegen das Heimtückegesetz« zu einemJahr und sechs Monaten Gefängnis; Arbeitserziehungslager Breitenau (26.8.- 10.9.1941), weil er Schneiderarbeiten für Juden gefertigt hatte. Christian Köhler aus Grebenstein, geb. am 4.3.1883 in Grebenstein/Kr. Hof- geismar, Invalide, im KZ Breitenau vom 5.8.1933 bis 11.9.1933 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt); Verurteilung durch Sondergericht Kassel (12.9.1933) wegen »Heimtücke« zu einem Jahr Ge- fängnis; Gefängnis Freiendiez (bis September 1934). 5 Siehe Fußnote 4. 251 Erwin Köhler s. Erwin *Cohn Fritz Köhler aus Ravolzhausen/Kr. Hanau, gebe am 22.9.1895 in Ravolzhau- sen/Kr. Hanau, Kaufmann, im KZ Breitenau vom 30.9.1933 bis 2.3.1934 (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). Ludwig Köhler aus Frankfurt/M., gebe am 7.12.1901 in Frankfurt/Main, Fuhr- mann, aus politischen Gründen (angeblich KPD) Schutzhaft und KZ seit dem 13. Juli 1933; im KZ Breitenau vom 28.10.1933 bis 7.11.1933 inhaf- tiert; Verurteilung durch OLG Kassel (14./17.5.1935) wegen »Vorberei- tung zum Hochverrat« zu einem]ahr und sechs Monaten Gefängnis. Christian König (11) aus Niederschleidern/Kreis des Eisenbergs, gebe am 19.6.1868 in Niederschleiden/Kreis des Eisenbergs, Klempner, im KZ Breitenau vom 8.8.1933 bis 1.9.1933 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). Franz Kohl aus Kassel, gebe am 26.5.1905 in Altona, Bankbeamter, im KZ Breitenau vom 26.8.1933 bis 15.10.1933 und vom 19.10.1933 bis 22.12.1933 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). Wilhelm Kohl aus Hanau, gebe am 7.11.1888 in Hanau, Silberschmied, aus politischen Gründen (angeblich Anhänger der KPD; »war Leiter des Kreis- Erwerbslosenausschusses«) im KZ Breitenau vom 23.9.1933 bis 8.11.1933 inhaftiert; erneut 1935 in Schutzhaft genommen. Philipp Kohn aus Fulda, gebe am 24.6.1873 in Mohr (Schieswig-Hoistein), C;e- schäftsinhaber, aus antisemitischem Motiv (alsJude verfolgt) im KZ Breiten- au vom 9.9.1933 bis 11.9.1933 und vom 16.9.1933 bis 10.10.1933 inhaftiert. Daniel Kolb aus Rückingen/Kr. Hanau, gebe am 29.1.1898 in Trebus (Branden- burg), Kraftfahrer, aus politischen Gründen (angeblich aktives KPD-Mit- glied) im KZ Breitenau vom 23.9.1933 bis 17.11.1933 inhaftiert; anschließend KZ Lichtenburg; er sollte anläßlich der Weihnachtsamnestie 1933 entlassen werden. Karl Kraft (I), aus Oberelsungen/Kr. Wolfhagen; gebe arn 10.11.1915 in Oberel- sungen/Kr. Wolfhagen, Zimmermann, im KZ Breitenau vom 11.9.1933 bis 7.10.1933 (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). Karl (Carl) Kraft (11) aus Nieste/Kr. Kassel; gebe am 18.9.1874 in Nieste/Kr. Kassel, Landwirt, führender SPD-Politiker, Bürgermeister in Nieste (bis zu seiner gewaltsamen Amtsenthebung durch die Nazis), Mitglied des preuß. Landtags für den Wahlkreis 19 (seit 1925); aus politischen Gründen im KZ Breitenau vom 29.6.1933 bis 28.7.1933; erneute Festnahme im Rahmen der »Aktion Gewitter« (22.8.1944); Zuchthaus Wehlheiden, KZ Sachsenhausen (bis 17. 10.1944); nach dem Krieg wieder Bürgermeister in Nieste und Kreistagsabgeordneter (SPD) im Landkreis Kassel. Er starb am 25.6.1952. 252 Friedrich (Fritz) Kramer aus Kassel, geb. am 13.4.1886 in Homberg, Gastwirt, aus politischen Gründen (als Kommunist) inhaftiert, im Polizeigefängnis Kassel schwer mißhandelt und in Untersuchungshaft (ab 23.11.1933); Freispruch durch OLG Kassel (17.2.1934) vom Hochverratsvorwurf »mangels Beweises«; im KZ Breitenau vom 22.2.1934 bis 12.3.1934 inhaf- tiert; weitere Verhaftungen und Gefängnisaufenthalte (1936-1937). Georg Kramm aus Guxhagen/Kr. Melsungen, geb. am 28.1.1903 in Kassel, Bäcker, aus politischen Gründen (politischer Führer der KPD-Ortsgruppe Guxhagen) im KZ Breitenau vom 29.6.1933 bis 13.9.1933 inhaftiert; er kehrte aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft nach Guxhagen zurück (September 1945). GustavKramm aus Grebenstein/Kr. Hofgeismar, geb. am 9.10.1905 in Greben- stein/Kr. Hofgeismar, Arbeiter, im KZ Breitenau vom 5.8.1933 bis 7.10.1933 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). Ludwig Krause aus Kassel, geb. am 7.8.1900 in Niedenstein/Kr. Fritzlar-Hom- berg, Schlosser, aus politischen Gründen (KPD, Roter Frontkämpfer- bund) am 1.3.1933 verhaftet, Polizeigefängnis Kassel; im KZ Breitenau vom 28.7.1933 bis 5.9.1933 und vom 15.9.1933 bis 22.12.1933 inhaftiert; Verurteilung durch OLG Kassel (15.2.1935) wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« zu einem Jahr und zehn Monaten Gefängnis. Heinrich Krebs aus Kassel, geb. am 8.9.1872 in Heckershausen/Kr. Kassel, Maurer, aus politischen Gründen (wegen kritischer Äußerungen über den Obersten SA-Führer Ernst Röhm) in den Kasseler .Bürgersälen, mißhan- delt und im KZ Breitenau vom 15.9.1933 bis 18.9.1933 inhaftiert. Wilhelm Kreitz aus Kassel, geb. am 29.11.1882 in Geismar/Kr. Göttingen, Schriftsetzer, SPD, Schriftleiter (seit 1907) des »Kasseler Volksblatts« (SPD) und deren leitender Redakteur (1933), Stadtverordneter in Kassel; gegen ihn wurden von NSDAP-Funktionären mehrere Prozesse ange- strengt; aus politischen Gründen Schutzhaft am 10. Juni 1933; im KZ Breitenau vom 29.6.1933 bis 5.8.1933 inhaftiert. Mitglied der Stadtverord- netenversammlung (1946-1952). Er starb am 8.4.1965 in Kassel. Clemens Krenz aus Gertenbach/Kr. Witzenhausen, geb. am 20.11.1901 in Helbra/Kr. Seekreis Mansfeld, Reisender, im KZ Breitenau vom 24.6.1933 bis 28.9.1933 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). Heinrich Kress aus Enkheim/Kr. Hanau, geb. am 18.9.1906 in Enkheim/Kr. Hanau, Weißbinder, im KZ Breitenau vom 23.9.1933 bis 23.12.1933 inhaf- tiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). Wolf [Wilhelm Johann?]Kreutzer aus Obcrissigheim/Kr. Hanau, geb. am 5.1.1899 in Oberissigheim/Kr. Hanau, Arbeiter, KPD-Gemeindevertreter, 253 seit Ende März 1933 in Schutzhaft, aus politischen Gründen im KZ Breitenau vom 30.9.1933 bis 23.12.1933 inhaftiert. Georg Kroll aus Immenhausen/Kr. Hofgeismar, geb. am 21.1.1911 in Im- menhausen/Kr. Hofgeismar, Schuhmacher, aus politischen Gründen (wegen angeblicher Betätigung für die illegale KPD) inhaftiert; im KZ Breitenau vom 5.8.1933 bis 27.9.1933; Anklage wegen »Vorbcreitung zum Hochverrat« (22.6.1934); Verurteilung durch OLG Kassel wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« zu einem Jahr und drei Monaten Ge- fängnis; Strafanstalt Kassel, Hameln, Wesermünde [heute: Bremcrha- ven] (bis Juli 1935). Konrad Krüger aus Gelnhausen, geb. am 24.8.1898 in Graudenz, Dachdecker, aus politischen Gründen (»Haupträdelsführer der KPD bzw. des Reichs- banners und sehr gehässiger und verbissener Gegner der nat.soz. Erhe- bung«) Schutzhaft im Strafgefängnis Frankfurt-Preungesheim (März bis August 1933); im KZ Breitenau vom 8.8.1933 bis 10.11.1933 inhaftiert, anschließend wahrscheinlich KZ Esterwegen (bis April 1934). Er lebte 1950 in Gelnhausen. Später verzog er nach Singen. Otto Krüger aus Bad Sooden-Allendorf, geb. am 11.12.1907 in Heringen/Kr. Hersfeld, Schmied, aus politischen Gründen (wegen angeblich »tätli- eher Angriffe gegen NSDAP-Mitglieder«) verhaftet; im KZ Breitcnau vom 13.9.1933 bis 30.9.1933 und vom 30.10.1933 bis 22.12.1933 inhaf- tiert. Heinrich Krug aus Großenritte/Kr. Kassel, geb. am 24.3.1916 in Großenritte/Kr. Kassel, Maurer, aus politischen Gründen (KJVD) im KZ Breitenau vom 7.10.1933 bis 20.10.1933 und vom 27.10.1933 bis 16.3.1934; Verurteilung durch OLG Kassel im Kasseler KJVD-Prozeß (23.3.1934) zu acht Monaten Gefängnis; Strafanstalt Halle/Saale. Karl Küllmer aus Reichensachsen/Kr. Eschwege, geb. am 22.5.1900 in Rci- chensachsen/Kr. Eschwege, Schlosser, führender Kommunist in Eschwege; MdR (1933); aus politischen Gründen seit 1.3.1933 in Schutzhaft, KZ Sonnenburg (März bis September 1933); im KZ Brei- tenau vom 24.10.1933 bis 17.11.1933 inhaftiert; Verurteilung durch OLG Kassel (22./24.11.1934) wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« zu einem Jahr Gefängnis; Strafanstalt Kassel-Wehlheidcn (bis 23.11.1935). Er starb am 4.1.1977 in Eschwege. (Zu seiner Person mehr S.189 ff). Johann Kuprian aus Hanau, geb. am 2.11.1899 in Hütten, Packer, aus politi- schen Gründen (angeblich KPD) im KZ Breitenau vom 16.9.1933 bis 8.11.1933, anschließend KZ Sonnenburg (wahrscheinlich bis 28.3.1934). Er lebte nach 1945 in Hanau, wo er am 18.2.1968 starb. 254 Felix Lang aus Wien, gebe am 22.7.1892 in Wien, Koch, im KZ Breitenau vom 12.10.1933 bis 19.10.1933 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). Karl Lange aus Kassel, gebe am 26.11.1905 in Kassel, Kaufmann, im KZ Breiten- au vom 21.11.1933 bis 24.12.1933 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaf- tierung unbekannt). Justus Langenau aus Kassel, gebe am 27.2.1888 in Kassel, Kaufmann, im KZ Breitenau vom 18.8.1933 bis 7.9.1933 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). Alwin Lapp aus Dörnigheim/Kr. Hanau, gebe am 5.9.1905 in Dörnigheim/Kr. Hanau, Schreiner, aus politischen Gründen (angeblich KPD, RGO, Kampfbund gegen den Faschismus) im KZ Breitenau vom 30.9.1933 bis 22.12.1933; erneute Inhaftierung (Februar 1935); Verurteilung durch OLG Kassel (7.6.1935) im Verfahren gegen PaulJoerg u.a. wegen »Vorbe- reitung zum Hochverrat« zu einem Jahr und zwei Monaten Gefängnis; Strafanstalt Freiendiez (bis April 1936). Nach dem Krieg Bürgermeister in Dörnigheim. Er starb am 23.8.1950 in Dieburg. Paul Lehmann aus Trockenerfurth/Kr. Borken, gebe am 20.8.1906 in Benn- dorf/Mansfelder Seekreis, Bergbaustudent, seit Dezember 1933 in Schutz- haft in Borken und Kassel (Karlshospital) aus politischen Gründen (weil er sich öffentlich gegen die »Gewaltmethodcn« der NSDAP ausgesprochen hatte) im KZ Breitenau vom 1.2.1934 bis 12.3.1934 inhaftiert. Jakob Leister aus Nied/Kr, Frankfurt a.M., gebe am 26.7.1897 in Sülzbach/Kr. Heilbronn, Kranführer, aus politischen Gründen (angeblich KPD) mehrfach seit Juni 1933 inhaftiert; im KZ Breitenau vom 28.10.1933 bis 7.11.1933; anschließend wahrscheinlich KZ Sonnenburg (bis April 1934). Walter Leng aus Kassel, gebe am 7.2.1907 in Portz-Urbach/Kr. Mülheim a. Rh., Kaufmann, aus politischen Gründen (Wiederaufbau der verbotenen KPD) im KZ Breitenau vom 19.10.1933 bis 20.10.1933 inhaftiert; Freispruch durch OLG Kassel (17.2.1934) mangels Beweises); erneut im KZ Breiten- au (vom 2.3.1934 bis 16.3.1934). Er lebte 1981 in Kassel. Wilhelm Lenz aus Schlüchtern, gebe am 13.02.1901 in Aßlar-Klein-Altenstäd- ten, Arbeiter, aus politischen Gründen (angeblich KPD) im KZ Breitenau vom 20.10.1933 bis 8.12.1933 inhaftiert. Heinrich Lesch, aus Homberg, gebe am 30.11.1901 in WernswigiKr. Fritzlar- Homberg, Bergmann, SPD, Eiserne Front; wegen kritischer Äußerungen (»es gehe ihm zur Zeit noch schlechter als vor der Machtübernahmc«) im KZ Breitenau vom 8.8.1933 bis 30.8.1933, -Hcimtückcc-Vcrfahrcn einge- stellt (September 1933). 255 AdolfLevy aus Karlshafen, gebe am 20.9.1907 in Langenau, Metzger, aus antise- mitischen Motiven (alsJude verfolgt) im KZ Breitenau vom 19.6.1933 bis 29.6.1933 inhaftiert. Er starb am 14.2.1956 in East Roseville/Australia. Dr. Michael Lewinsohn aus Steinau/Kr. Schlüchtern, gebe am 21.3.1904 in PskowlUdSSR, Chemiker, im KZ Breitenau vom 22.6.1933 bis 11.9.1933 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). Otto Lilienfeld aus Rückingen/Kr. Hanau; gebe am 27.3.1907 in Rückingen/Kr. Hanau, Kaufmann, aus antisemitischen Motiven im KZ Breitenau vom 30.9.1933 bis 17.11.1933 inhaftiert, anschließend KZ Lichtenburg; erneute Festnahme im November 1938; KZ Buchenwald (bis 31.12.1938); illegale Flucht nach Belgien; Verhaftung und Abschiebung nach Frankreich; Lager Gurs, Lager »Les Milles«, Sammellager Drancy; KZ Auschwitz, wo er am 19.9.1942 ums Leben kam. Kurt Lindner aus Fulda, gebe am 17.11.1901 in Gels (Regierungsbezirk Bres- lau), Schreinermeister, aus politischen Gründen (als Sozialdemokrat) im KZ Breitenau vom 14.7.1933 bis 14.8.1933 inhaftiert. Peter Linz aus Bruchköbel/Kr. Hanau, gebe am 20.11.1881 in Bruchköbel/Kr. Hanau, Maurer, aus politischen Gründen (angeblich Anhänger der KPD) im KZ Breitenau vom 16.9.1933 bis 23.12.1933 inhaftiert. Heinrich Lipphardt aus Niederkaufungen/Kr. Kassel, gebe am 19.8.1906 in Niederzwehren/Kr. Kassel, Schreiner, aus politischen Gründen (»rühriger Anhänger des Kommunismus«) im KZ Breitenau vom 12.7.1933 bis 14.8.1933 und vom 21.8.1933 bis 27.9.1933, anschließend Polizeigefängnis Kassel (bis 7.11.1933). Er lebte nach 1947 in Heiligenrode/Kr. Kassel. Er starb 1997 in Heiligenrode. Wilhelm Lissmann aus Hanau, gebe am 23.12.1901 Langendiebach/Kr. Hanau, Arbeiter, als Kommunist verhaftet; im KZ Breitenau vom 23.12.1933 bis 4.1.1934 und vom 9.1.1934 bis 16.1.1934; er soll im KZ Breitenau schwer mißhandelt worden sein. Otto Literski aus Hanau, gebe am 27.10.1901 in Hannover, Transportarbeiter, im KZ Breitenau vom 23.12.1933 bis 3.1.1934 und vom 9.1.1934 bis 16.1.1934 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). Benjamin Loewenberg aus Wächtersbach/Kr. Gelnhausen, gebe am 21.2.1909 in WächtersbachiKr. Gelnhausen, Kaufmann, aus politischen Gründen (»Haupträdelsführer der KPD bzw. des Reichsbanners und sehr gehässiger und verbissener Gegner der nat.soz. Erhebung«) und aus antisemitischen Motiven im KZ Breitenau vom 8.8.1933 bis 10.11.1933 inhaftiert. Georg Lörper aus Kassel, gebeam 23.12.1909 in Kassel, Monteur, aus politischen Gründen (KPD, RFB, Kampfbund gegen den Faschismus,) verhaftet; im August 1933 dem SS-Pionier-Sturm ausgeliefert und im »Wasser- 256 sporthaus« schwer mißhandelt; im KZ Breitenau vom 1.9.1933 bis 29.9. 1933 inhaftiert, anschließend Polizeigefängnis Kassel (bis 21.12.1933); erneute Verhaftung (April 1936);Verurteilung durch OLG Kassel (14.7. 1936) wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« zu einem Jahr und sechs Monaten Gefängnis; Strafgefangenen-Moorlager Ahlen-Falkenberg; er- neute Schutzhaft (1939) und Verurteilung (im Jahre 1941 wegen angebli- cher Teilnahme an einem Sprengstoffattentat gegen das »Kasselcr Volksblatt« imJahre 1931) zu drei Jahren Zuchthaus; Zuchthaus Wehlhei- den (bis Oktober 1942); anschließend Stratbataillon 999. Ernst Lohagen aus Kassel, geb. am 12.5.1897 in Elberfeld, Parteiangestellter, seit dem 15. Mai 1933 in Schutzhaft im Polizeigefängnis Kassel; von 1924/25 bis etwa 1931 der führende Kopfder Kommunistischen Partei im Bezirk Hessen-Waldeck; MdR (1930-1932); Mitglied des Kommu- nallandtags; Mitte 1931 als Funktionär in Kassel abgesetzt; im KZ Brei- tenau vom 16.6.1933 bis 16.10.1933 inhaftiert, von dort KZ Papenburg; erneute Verhaftung (23.7.1935) (»führend an dem Neuautbau der KPD beteiligt«); Verurteilung durch Volksgerichtshof (19.1.1938) zu 15Jahren Zuchthaus. In der SBZ/DDR zahlreiche hohe Ämter und Funktionen, z.B. 1946-1952 Mitglied des Parteivorstands bzw. ZK der SED; 1952 wegen »Unterdrückung der Kritik, parteischädigendem Verhalten« aus dem ZK ausgeschlossen und »Arbeiterveteran«. Er starb am 2.11.1971. Seine Frau Paula Lohagen, Kommunistin und in gleicher Weise politisch wie er gegen den Nationalsozialismus im Untergrund tätig, wurde ebenso hart verfolgt. Im Sommer 1935 wurde sie gemeinsam mit ihm verhaftet und zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt; Strafanstalt Ziegenhain; KZ Ravensbrück; KZ Auschwitz, wo sie (1944) umkam. Friedrich Loose aus Niederelsungen/Kr. Wolfhagen, geb. am 23.2.1909 in Nie- derelsungen/Kr. Wolfhagen, Schneider, aus politischen Gründen (angeb- lich KPD) im KZ Breitenau vom 16.6.1933 bis 19.7.1933 inhaftiert; erneute Verhaftung und Verurteilung durch OLG Kassel (20.7.1937) we- gen »Vorbereitung zum Hochverrat« zu einem Jahr und neun Monaten Gefängnis. Er lebte nach 1945 in Niederelsungen. Wilhelm Lukan aus Harleshausen [heute Kassel], geb. am 16.3.1889 in Zie- renbergiKr. Wolfhagen, Sozialdemokrat; Bürgermeister [in Harleshau- sen] a.D., da aus polit. Gründen am 24.3.1933 -beurlaubt. und am 12.10.1933 entlassen, im KZ Breitenau vom 29.6.1933 bis 3.10.1933 inhaftiert. Johann Mangasser aus Ludwigshafen, geb. am 28.12.1910 in Algringen/Algran- ge (Frankreich), Polsterer, im KZ Breitenau vom 16.9.1933 bis 23.12.1933 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). 257 Wilhelm Marquardt aus Kassel, gebe am 8.4.1901 in Lennep, Invalide, aus politischen Gründen (angeblich KPD) im KZ Breitenau vom 11.8.1933 bis 8.9.1933 inhaftiert. Hans M. aus Bad Wildungen, gebe am 27.7.1901 in Wolfsanger/Kr. Kassel, Buchhalter, im KZ Breitenau vom 1.11.1933 bis 28.11.1933 als SA-Mann inhaftiert. Paul Masch aus Wellen/Kr. d. Eder, gebe am 11.10.1904 in Freienwalde/Kr. Barnim, Stellmacher, Schutzhaft seit Mai 1933; OLG Kassel sprach ihn im Untersu- chungsverfahren wegen Beteiligung an Brandstiftung mangels Beweises frei (19.7.1933); im KZ Breitenau vom 31.7.1933 bis 27.9.1933 inhaftiert. Alfred Matthes aus Kassel, gebeam 12.2.1891 in RechenbachNogtl., Geschäfts- führer, Gauleiter Hessen-Nassau des Zentralverbandes der Arbeitsinvali- den, aus politischen Gründen (Sozialdemokrat) im KZ Breitenau vom 5.7.1933 bis 28.7.1933 inhaftiert; KZ Sachsenhausen (22.S.-26.9.1944) im Rahmen der »Aktion Gewitter«, zum Volkssturm verpflichtet; in Polen vermißt. Ernst Matzak aus Kassel, gebeam 22.4.1909 in Biskupitz/Kr. Hindenburg, Koch, aus politischen Gründen (Mitglied des KJVD) in Schutzhaft im Polizeige- fängnis Kassel (Mai 1933); anschließend im KZ Breitenau vorn 19.7.1933 bis 13.9.1933 inhaftiert. Paul Melcher aus Kassel, gebe am 21.1.1899 in Kassel, Elektromonteur, aus politischen Gründen (KPD, RGO) seit April 1933 mehrfach in Schutzhaft; im KZ Breitenau vom 1.7.1933 bis 28.9.1933 inhaftiert. Er lebte nach 1945 in Kassel. Heinrich Merle aus Kassel, gebe am 17.7.1907 in Dusseldorf Arbeiter, führender Kommunist in Kassel (Kampfbund gegen den Faschismus), aus politischen Gründen im KZ Breitenau vom 16.6.1933 bis 12.10.1933 inhaftiert; Un- tersuchungshaft (seit 18.10.1933); Verurteilung durch Schwurgericht Kas- sel (wegen seiner angeblichen Beteiligung an einem Todesfall aus dem Jahre 1931) zu drei Jahren Gefängnis (20.4.1934); Strafanstalt Hameln und Straflager Emsland (bis Dezember 1937); anschließend KZ Buchenwald; KZ Lublin-Majdanek, KZ Auschwitz und KZ Mauthausen; von dort KZ Melk/Donau und KZ Ebensee; seit Mai 1945 vermißt; er wurde später für tot erklärt. Franz Merten aus Vallendar/Kr. Koblenz; gebe am 21.10.1911 in Vallcn- dar/Thongrube, Landwirt, aus politischen Gründen (angeblich KPD) im KZ Breitenau vom 9.9.1933 bis 16.10.1933 inhaftiert. Fritz Messerschmidt aus Wilhelmshausen, gebe am 18.10.1909 in Wilhelms- hausen/Kr. Kassel, Arbeiter, im KZ Breiterrau vom 1.7.1933 bis 14.S.1933 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). 258 Wilhelm Metz aus Homberg, gebe am 15.5.1912 in Gombeth/Kr. Fritzlar-Hom- berg, Gespannführer, im KZ Breitenau vom 14.1.1934 bis 16.1.1934 inhaf- tiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). josefMeyer aus Hanau, gebe am 21.9.1912 in Hanau, Arbeiter, im KZ Breitenau vom 23.12.1933 bis 2.1.1934 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftie- rung unbekannt). Karl Meyer aus Hanau, gebe am 10.9.1911 in Hanau, Arbeiter, im KZ Breitenau vom 23.12.1933 bis 2.1.1934 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftie- rung unbekannt). Louis Meyer aus Korbach/Kr.d.Eisenbergs, gebe am 18.2.1880 in Hildesheim, Volksschullehrer und Kantor, als Sozialdemokrat undJude verfolgt; im KZ Breitenau vom 1.7.1933 bis 28.9.1933 inhaftiert; Deportation in das KZ Dachau (1937), KZ Buchenwald (September 1938 - Juni 1939); Emigrati- on nach Palästina. Sein Sohn [Hermann?] wurde später deportiert und gilt als verschollen. Otto Miedl aus Hanau und Rückingen, gebe am 7.12.1895 in Passau, Arbeiter, in Schutzhaft aus politischen Gründen (KPD, Kampfbund gegen Faschis- mus); Freispruch im Verfahren wegen »Vorbercitung zum Hochverrat« (26. 8.1933); im KZ Breitenau vom 1.9.1933 bis 8.11.1933 inhaftiert, anschließend KZ Sonnenburg (bis 23.12.1933). Arthur Mielke aus Bad Wildungen, gebe am 26.2.1891 in BischofswerdaiKr. Schlochau, Melker, seit dem 28.3.1933 aus politischen Gründen in Schutzhaft; wegen »wiederholter Agitation für die KPD« im KZ Brei- tenau vom 19.7.1933 bis 10.11.1933, anschließend KZ Sonnenburg (bis 23.12.1933). Hans Minkler aus Altenritte, gebe am 27.3.1910 in Altenritte/Kr. Kassel, Maler, seit Frühjahr 1933 in Schutzhaft aus politischen Gründen (wegen »kom- munistischer Betätigung«; Kandidat einer KPD-Liste für die Gemeinde- wahlen); im KZ Breitenau vom 19.6.1933 bis 13.9.1933 inhaftiert. Er lebte nach 1945 in Altenritte/Kr. Kassel. Karl Mittelstädt aus Großauheim/Kr. Hanau, gebe am 1.12.1880 in Barth/Kr, Franzburg, Former, aus politischen Gründen (KPD) seit dem 23.3.1933 in Schutzhaft; im KZ Breitenau vom 23.9.1933 bis 17.3.1934; erneutes poli- tisches Verfahren wegen kritischer Äußerungen zur Wehrmacht (1941), das vom Volksgerichtshof an das OLG Kassel verwiesen wurde. Er starb am 9.5.1960 in Großauheim. Eduard Möller (Fritzlar), aus Fritzlar, gebe am 15.1.1899 in Fritzlar, Elektro- monteur, im KZ Breitenau vom 23.10.1933 bis 6.12.1933 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). 259 Eduard Möller (Schmalkalden), aus Schmalkalden, geb. am 1.8.1884 in Schmal- kalden, Schmied, im KZ Breitenau vom 9.9.1933 bis 21.10.1933 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). Johannes Möller aus Hersfeld, geb. am 30.3.1898 in Hersfeld, Rohrleger, aus politischen Gründen (angeblich Anhänger der KPD) im KZ Breitenau vom 23.9.1933 bis 22.12.1933 inhaftiert. Konrad Mönch aus Ziegenhain, geb. am 22.11.1913 in Ziegenhain, Schmied, im KZ Breitenau vom 19.9.1933 bis 1.11.1933 und vom 10.11.1933 bis 25.11.1933 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). Adam Mösinger aus Gelnhausen, geb. am 11.11.1906 in Frankfurt/Main, Schmied, aus politischen Gründen (KPD, Internationale Arbeiterhilfe) in Schutzhaft seit dem 2.4.1933; im KZ Breitenau vom 8.8.1933 bis 10.11.1933 inhaftiert, anschließend KZ Sonnenburg und KZ Esterwegen (bis April 1934); am 1.9.1939 erneut verhaftet; KZ Sachsenhausen; Stra- feinheit Dirlewanger (7.11.1944-19.4.1945). Er lebte 1951 in Gelnhausen. Max Mohaupt aus Korbach, geb. am 15.10.1909 in Posen, Arbeiter, aus politi- schen Gründen (angeblich »KPD-Funktionär«) im KZ Sonnenburg, an- schließend im KZ Breitenau vom 21.9.1933 bis 10.11.1933, dann im KZ Esterwegen (bis November 1934) inhaftiert. Johann Mohr aus Gersfeld/Kr, Fulda, geb. am 1.6.1883 in HettenhausenlKr. Fulda, Landwirt, im KZ Breitenau vom 29.6.1933 bis 14.7.1933 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). Hans Mühlbauer aus Enkheim, geb. am 12.9.1910 in Enkheim/Kr. Hanau, Autoschlosser, aus politischen Gründen (Anhänger der KPD) im KZ Breitenau vom 23.9.1933 bis 23.12.1933 inhaftiert. Karl Mühlberger aus Kassel, geb. am 7.2.1897 in Heidenheim, Kaufmann, aus politischen Gründen (wegen abfälliger Bemerkungen über den preußi- schen Ministerpräsidenten H. Gäring) im KZ Breitenau vom 7.10.1933 bis 22.12.1933 inhaftiert. Adolf Müller aus Hanau, geb. am 12.8.1896 in Hanau, Weißbinder, hatte als Stadtverordneter auf der Liste der KPD kandidiert, politischer Führer der KPD in Hanau; mehrere Inhaftierungen seit dem 5.3.1933; im KZ Breitenau vom 23.9.1933 bis 8.11.1933 inhaftiert, anschließend KZ Sonnenburgund KZ Esterwegen (bis 29.3.1934); am 1.9.1939 erneute Inhaftierung; KZ Sachsen- hausen (bisjuli 1943); KZ Dachau (bis 14.10.1944). Arthur Müller aus Hanau, geb. am 25.2.1914 in Hanau, Schleifer, im KZ Breitenau vom 16.9.1933 bis 8.11.1933 und vom 10.11.1933 bis 11.12.1933 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). Hans Müller aus Witzenhausen, geb. am 27.1.1894 in Wolfsanger/Kr. Kassel, Schlosser, KPD-Stadtverordneter in Witzenhausen, aus politischen Grün- 260 den (KPD-Funktionär) seit 25.3.1933 in Schutzhaft; im KZ Breitenau vom 24.6.1933 bis 20.9.1933 inhaftiert. Heinrich Müller aus Oberkaufungen/Kr. Kassel, gebe am 3.10.1907 in Oberkau- fungen/Kr. Kassel, Weißbinder, aus politischen Gründen (wegen Verwei- gerung des »Arbcitsdicnstcs«) im KZ Breitenau vom 14.8.1933 bis 27.9.1933 inhaftiert.Er starb 1973 in Hessisch Lichtenau. Walter Müller aus Kassel, gebe am 25.1.1912 in Kassel, Bäckerlehrling, im KZ Breitenau vom 12.7.1933 bis 25.8.1933 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). Willi Müller aus Kassel, gebe am 6.8.1900 in Spolldorf, Reisender, aus politischen Gründen (angeblich Anhänger der KPD) im KZ Breitenau vom 15.9.1933 bis 22.12.1933 inhaftiert. Hugo M. aus Mauswinkel/Kr, Gelnhausen, gebe am 27.9.1912 in Haspe/Kr. Hagen, Arbeiter, im KZ Breitenau vom 4.10.1933 bis 30.10.1933 als SA- Mann inhaftiert. Karl Nagel aus Kassel, gebe am 22.12.1883 in Kassel, Arbeiter, aus politischen Gründen (»hat öfter durch Äußerungen (Rot-Front-Rufe] die Nat. Reg. verächtlich gemacht«) im KZ Breitenau vom 26.8.1933 bis 16.3.1934 inhaf- tiert. Heinrich Nehrke aus Kassel, gebe am 8.6.1910 in Kassel, Arbeiter, im KZ Breitenau vom 21.8.1933 bis 27.9.1933 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). Friedrich Neidhardt aus Hanau, gebe am 29.9.1899 in Langenselbold/Kr. Ha- nau, Arbeiter, aus politischen Gründen (»war an Überfällen auf SA-Leute beteiligt«) im KZ Breitenau vom 30.9.1933 bis 8.11.1933 inhaftiert, an- schließend KZ Sonnenburg, KZ Esterwegen (bis 30.9.1934). Johann Neidhardt aus Hanau, gebe am 16.5.1875 in Langenselbold/Kr. Hanau, Zimmermann, aus politischen Gründen (Funktionär der KPD) im KZ Breitenau vom 23.12.1933 bis 5.1.1934 und vom 9.1.1934 bis 12.3.1934 inhaftiert, anschließend Polizeigefängnis Kassel; Verurteilung durch OLG Kassel (25.5.1934) wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« zu einem Jahr und drei Monaten Gefängnis; Strafanstalt Hameln u.a. (bis 1.11.1935). Richard Nestler aus Ochshausen/Kr. Kassel, gebe am 22.9.1881 in Talheim, Obermelker, im KZ Breitenau vom 22.6.1933 bis 13.9.1933 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). Er starb am 26.7.1966 in Lohfelden/Kr. Kassel. Georg Neumann aus Kassel, gebe am 27.1.1896 in Kassel, Schlosser, aus politi- schen Gründen (kommunistischer Funktionär) im KZ Breitenau vom 8.8.1933 bis 19.10.1933 inhaftiert, Verurteilung durch OLG Kassel (10.11.1933) wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« zu zwei Jahren und 261 sechs Monaten Zuchthaus; Zuchthaus Kassel-Wehlheiden und Strafge- fangenenlager Börgerrnoor; anschließend KZ Lichtenburg, KZ Sachsen- hausen (20.1.1936 bis 20.4.1939). Friedrich NeuseI aus Hohenkirchen/Kr. Hofgeismar, gebe am 11.12.1900 in Ho- henkirchen/Kr. Hofgeismar, Schlosser, im KZ Breitenau vom 21.8.1933 bis 28.9.1933 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). Heinrich Niedling aus Kassel, gebe am 12.10.1898 in Marburg, Kellner, aus politischen Gründen (wegen Streikaufrufund Angriffen gegen Behörden) im KZ Breitenau vom 16.8.1933 bis 29.9.1933 inhaftiert. Adam Nix aus Gelnhausen, gebe am 7.1.1907 in Frankfurt/Main, Arbeiter, aus politischen Gründen (»Haupträdelsführer der KPD bzw. des Reichsban- ners und sehr gehässiger und verbissener Gegner der nat.soz. Erhebung«) am 22.3.1933 in Schutzhaft genommen; im KZ Breitenau vom 8.8.1933 bis 17.11.1933 inhaftiert, anschließend KZ Lichtenburg, KZ Esterwegen (bis August 1934). Ernst N. aus Kassel, gebe am 20.5.1900 in Wickenrode/Kr. Witzenhausen, Bäcker, im KZ Breitenau vom 16.10.1933 bis 7.11.1933 als SA-Mann inhaftiert. Georg Nolte aus Immenhausen/Kr. Hofgeismar, gebe am 2.11.1909 in Immen- hausen/Kr. Hofgeismar, Arbeiter, im KZ Breitenau vom 5.8.1933 bis 27.9.1933 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). Julius Oppenheim aus Kassel, gebe am 26.1.1885 in Kassel, Kaufmann, aus antisemitischen Motiven im KZ Breitenau vom 1.11.1933 bis 30.11.1933 inhaftiert. JosefOtt aus Wachenbuchen/Kr. Hanau, gebe am 24.2.1886 in Seligenstadt/Kr, Offenbach, Lagerhalter beim Bezirkskonsumverein Hanau; diese Stelle verlor er aus politischen Gründen (31.8.1933), im KZ Breitenau vom 30.9.1933 bis 22.12.1933 inhaftiert. Kurt Otto aus Philippsthal/Kr. Hersfeld, gebe am 21.11.1910 in Gohlis, Abituri- ent, aus politischen Gründen (»wegen systematischer Verhetzung der Be- völkerung und Verbreitung unwahrer Behauptungen«) im KZ Breitenau vom 29.12.1933 bis 17.3.1934 inhaftiert. Nach 1945 amtierte er in Philippsthal als Bürgermeister. Ludwig Pappenheim aus Schmalkalden, gebe am 17.3.1887 in Eschwege, ver- antwortlicher Redakteur der »Volksstimme« (SPD), Stadtrat, Mitglied des Kommunal- und Provinziallandtags sowie stellv. Landrat des Kr. Herr- schaft Schmalkalden, aus politischen und antisemitischen Motiven im KZ Breitenau vom 24.7.1933 bis 16.10.1933, anschließend KZ Börgermoor und Neusustrum, dort wurde er (angeblich bei einem Fluchtversuch) am 4. Januar 1934 ermordet. (Näheres zu seiner Person S.191 ff.). 262 Heinrich Parthesius aus Grüscn/Kr. Frankenberg, geb. am 1.12.1901 in Grü- sen/Kr. Frankenberg, Schreiner, aus politischen Gründen (als Sozialdemo- krat) im KZ Breitenau vom 29.6.1933 bis 28.7./3.8.1933 inhaftiert. (Näheres zu seiner Person vgl. 203 f.). Erich Pechmann aus Kassel, geb. am 5.6.1900 in Berlin, Fotograf seit 2.3.1933 in Schutzhaft aus politischen Gründen (Kandidat für die Stadtverordne- tenliste der KPD 1933), Freispruch (17.2.1934) durch OLG Kassel vom Vorwurf der »Vorbereitung zum Hochverrat« »mangels Beweises«; im KZ Breitenau vom 22.2.1934 bis 16.3.1934, anschließend Illegalität in Berlin und Amsterdam. Ernst Pehlke aus Steinau/Kr. Schlüchtern, geb. am 28.12.1901 in Arnolds- dorf/Neisse, Arbeiter, aus politischen Gründen (Mitglied im »Internatio- nalen Sozialistischen Kampfbund«), im KZ Breitenau vom 20.10.1933 bis 10.11.1933 inhaftiert, anschließend KZ Sonnenburg; Entlassung war für Weihnachten 1933 vorgesehen. Johannes Pertgen aus Enkheim/Kr. Hanau, geb. am 8.1.1908 in Enkheim/Kr. Hanau, Kernmacher, aus politischen Gründen (Verdacht, »Druckschriften und Flugblätter kommunistischen Inhalts verbreitet zu haben«) im KZ Breitenau vom 23.9.1933 bis 27.10.1933 und vom 28.10.1933 bis 23.12. 1933 inhaftiert. Paul Pertgen aus Enkheim/Kr. Hanau, geb. am 6.7.1910 in Enkheim/Kr. Hanau, Bruder von Johannes Pertgen (s.o.), Weißbinder, aus politischen Gründen (KPD) im KZ Breitenau vom 16.9.1933 bis 28.10.1933, anschließend Untersuchungsgefängnis Kassel; Verurteilung durch OLG Kassel (17. 11.1933) wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« zu einem Jahr und sechs Monaten Gefängnis; Strafanstalt Hameln, Strafgefangenenlager Papen- burg (bis 1.3.1935); Strafbataillon 999 (1.12. 1942 bis 28.12.1944), Kriegs- gefangenschaft. Eduard Peter aus Oberrodenbach/Kr. Hanau, geb. am 5.2.1898 in Oberroden- bach/Kr. Hanau, Arbeiter, im KZ Breitenau vom 23.12.1933 bis 3.1.1934 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). RudolfPeters aus Heckershausen/Kr. Kassel, geb. am 12.11.1895 in Zetschdorf Schlosser, Wohnungsdurchsuchung, aus politischen Gründen (KPD) Schutzhaft, Untersuchungshaft, Freispruch mangels Beweises durch OLG Kassel (17.2.1934), Fortsetzung der Polizeihaft, im KZ Breitenau vom 2.3.1934 bis 16.3.1934 inhaftiert. Wilhelm Pfannkuch aus Heiligenrode/Kr. Kassel, geb. am 24.12.1881 in Heili- genrode/Kr. Kassel, Bürgermeister in Heiligenrode (bis zu seiner Abset- zung durch die Nazis im März 1933), aus politischen Gründen (SPD) Schutzhaft (seit 14.6.1933), Polizeigefängnis Kassel, im KZ Breitenau vom 263 29.6.1933 bis 3.10.1933 inhaftiert; erneute Festnahme im Rahmen der »Aktion Gewitter« (22.8.1944), KZ Sachsenhausen (bis 5.10.1944). Er lebte nach 1945 in Heiligenrode. Justus Pfeffermann aus Immenhausen/Kr. Hofgeismar, geb. am 5.11.1906 in Immenhausen/Kr. Hofgeismar, Schlosser, aus politischen Gründen (poli- tischer Leiter der KPD Immenhausen) Schutzhaft (März, August 1933) und im KZ Breitenau vom 5.8.1933 bis 27.9.1933 inhaftiert, Untersu- chungshaft (nachw. z.B. im Juni 1934); Verurteilung durch OLG Kassel (21.9.1934) wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« zu zwei Jahren Ge- fängnis; Strafanstalt Hameln, Straflager Verden/Aller. Er starb am 25.5.1946 in Immenhausen. Karl P. aus Kirchbracht, geb. am 4.1.1912 in Kirchbracht/Kr. Gelnhausen, Arbeiter, im KZ Breitenau vom 4.10.1933 bis 30.10.1933 als SA-Mann inhaftiert. Wilhelm Pfromm aus Kassel, geb. am 6.10.1905 in Sandershausen/Kr. Kassel, Heizer, aus politischen Gründen (Verdacht, am Wiederaufbau der illegalen KPD beteiligt zu sein) seit Oktober in Schutzhaft und Untersuchungshaft; Freispruch durch OLG Kassel (17.2.1934) »mangels Beweises«; im KZ Breitenau vom 22.2.1934 bis 16.3.1934 inhaftiert; erneute Inhaftierung (Februar 1936) und Verurteilung durch OLG Kassel (7.8.1936) wegen »Vorbercitung zum Hochverrat« (er soll Kontakte zu einem KPD-Führer hergestellt und »Propagandarnaterial« geliefert haben) zu sieben Jahren und sechs Monaten Zuchthaus verurteilt; Strafanstalt Kassel-Wehlheiden, Strafanstalt Bochum; dort kam er am 12.11.1942 ums Leben. Paul Pickel aus Frankenberg, geb. am 6.11.1898 in Offenhausen (Mittelfranken), Müller, aus politischen Gründen (KPD, Roter Frontkämpferbund) im KZ Breitenau vom 29.6.1933 bis 20.9.1933 inhaftiert; erneute Inhaftierung 1937; Verurteilung durch OLG Kassel (17.8.1936) zu vier Jahren Zuchthaus wegen »Vorbereitung zum Hochverrat«; Zuchthaus Kassel-Wehlheiden, Mün- sterIWestfalen; Provinzial-Heilanstalt Eichelborn/Westfalen; Landesheilan- stalt Kloster Haina (bis Mai 1945); P. Pickel starb bei einem Verkehrsunfall im Jahr 1960. (Näheres zu seiner Person im Kapitel IX). Heinrich Pierson aus Oberzwehren/Kr. Kassel, geb. am 10.6.1883 in Ober- zwehren/Kr. Kassel, Lagerverwalter, Mitglied des Gemeinderats Ober- zwehren und Kreisdeputierter im Landkreis Kassel, aus politischen Gründen (Sozialdemokrat) im KZ Breitenau vom 29.6.1933 bis 1.9.1933 inhaftiert. Mitglied der Stadtverordnetenversammlung Kassel (Mai-Au- gust 1946), ehrenamtlicher Stadtrat und Magistratsmitglied (1946). Er starb am 1.12.1955 in Kassel. Karl Pilger aus Breuna/Kr. Wolfhagen, geb. am 24,4.1909 in Breuna/Kr. Wolfha- gen, Maurer, aus politischen Gründen (wegen öffentlichen Singens der 264 »Internationalen«) im KZ Breitenau vom 12.7.1933 bis 8.8.1933 inhaftiert. Er lebt in Breuna. Franz Pisulla aus Fritzlar, gebe am 21.2.1886 in Smolnitz/Gleiwitz, Lok.-Führer a.D., aus politischen Gründen (KPD) im KZ Breitenau vom 24.7.1933 bis 16.10.1933 inhaftiert; anschließend KZ Bärgermoor (bis 23.12.1933); Ver- urteilung durch Sondergericht Kassel (19.8.1936) wegen »Heimtücke« zu neun Monaten Gefängnis; Gefängnis Hanau (bis 10.10.1937), anschlies- send KZ Lichtenburg, KZ Buchenwald (bis 2. Mai 1941) . Heinrich Plitzer aus Kassel,gebe am 29.12.1907 in Kassel,Arbeiter, aus politischen Gründen (»Verdacht sich an Ausschreitungen gegen SA-Männer beteiligt zu haben«) im KZ Breitenau vom 1.9.1933bis 17.3.1934 inhaftiert. Philipp Pohlmann aus Hanau, gebe am 23.6.1907 in Hanau, Etuimacher, aus politischen Gründen (»wegen Verdachts kommunistischer Umtriebe«) im KZ Breitenau vom 25.1.1934 bis 17.3.1934 inhaftiert. Fritz Precht aus Ihringshausen/Kr. Kassel, gebe am 2.1.1883 in Lindau, Ange- stellter, SPD, Mitglied des Kreistags und Kreisausschusses Kassel-Land vor 1933, Mitglied des Provinziallandtags, Bürodirektor im Landratsamt Kas- sel, aus politischen Gründen im KZ Breitenau vom 5.7.1933 bis 28.7.1933; Mitglied der ersten Bundesversammlung (1949); Mitglied der Verfassung- beratenden Landesversammlung Hessen (1945) und des Hessischen Land- tags (1946-1951). Er starb am 9.1.1951 in Kassel. Karl Preiss aus Hanau, gebe am 23.5.1906 in Hanau, Dreher, aus politischen Gründen (wegen des Verdachts der »Vorbereitung zum Hochverrat« und »Verbreitung hochverräterischer Schriften«; angeblich Anhänger der KPD) im KZ Breitenau vom 9.9.1933 bis 11.12.1933 inhaftiert. Karl-August Quer aus Kassel, gebe am 21.4.1891 in EltmannshauseniKr. Eschwege, Lehrer, aus politischen Gründen (Sozialdemokrat und Gaufüh- rer des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold), im KZ Breitenau vom 16.6.1933 bis 29.6.1933 inhaftiert; Quer war bis 1944 Verfolgungsmaßnah- men ausgesetzt (Entlassung aus dem Schuldienst im März 1933, Kriegs- dienstverpflichtung in einer Munitionsfabrik, Mißhandlungen, ständige Hausdurchsuchungen und Gestapohaft, Einberufung zum Volkssturm). Russische Kriegsgefangenschaft. Er starb am 10.Juli 1962. Jakob Raabe aus Oberkaufungen, gebe am 24.4.1897 in OberkaufungeniKr. Kassel, Weber, aus politischen Gründen (KPD) im KZ Breitenau vom 14.8.1933 bis 11.9.1933 inhaftiert; Verurteilung durch OLG Kassel (12.1.1935) wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« und Vergehen gegen das Sprengstoffgesetz zu einem Jahr und sechs Monaten Gefängnis; Straf- anstalten Hameln und Hildesheim (bis Juli 1936). Er lebte nach 1947 in Oberkaufungen. Er starb dort am 11.5.1959. 265 Friedrich Rack aus Gelnhausen, gebe am 7.6.1906 in Niedermülbach, Friseur, aus politischen Gründen (angeblich »KPD-Funktionär«) im KZ Breitenau vom 8.8.1933 bis 22.12.1933 inhaftiert. RudolfRech aus Hanau, gebeam 24.3.1907 in Hanau, Händler, im KZ Breitenau vom 23.12.1933 bis 3.1.1934 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftie- rung unbekannt). Willi Rech aus Hanau, gebe am 16.6.1910 in Hanau, Händler, im KZ Breitenau vom 23.12.1933 bis 3.1.1934 und vom 9.1.1934 bis 12.2.1934 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). Leopold Reichardt aus Melsungen, gebe am 26.11.1902 in Kassel, Arbeiter, im KZ Breitenau vom 1.7.1933 bis 16.8.1933 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). Georg Reiff aus Hofgeismar, gebe am 13.5.1882 in Lamerden/Kr. Hofgeismar, Steueroberwachtmeister, aus politischen Gründen (Sozialdemokrat) im KZ Breitenau vom 21.8.1933 bis 10.10.1933 inhaftiert; aus politischen Gründen vom Finanzamt Hofgeismar entlassen und weiteren Verfol- gungsmaßnahmen ausgesetzt; Verhaftung im Rahmen der »Aktion Gewit- ter« (22.8.1944), KZ Sachsenhausen, KZ Oranienburg (bis November 1944). Er lebte nach dem Krieg in Hofgeismar. Peter Reinicke aus Treysa/Kr. Ziegenhain, gebe am 13.3.1912 in Kellersberg, Arbeiter, im KZ Breitenau vom 20.2.1934 bis 23.2.1934 und vom 27.2.1934 bis 17.3.1934 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). Erich Reischert aus Kassel, gebeam 16.9.1904 in Kassel, Arbeiter, aus politischen Gründen (wegen »KPD-Propaganda am Arbeitsplatz«) im KZ Breitenau vom 21.9.1933 bis 12.10.1933 inhaftiert. Konrad Reis aus Eiterhagen/Kr. Kassel, gebe am 1.3.1885 in Eiterhagen/Kr. Kassel, Bezirksleiter im Zentralverband der Steinarbeiter, Gewerkschaftssekretär [ADGB] , aus politischen Gründen (angeblich wegen »Vergehen gegen die Verordnung zum Schutz von Volk und Staat«) in Schutzhaft (19.4.1933) im Karlshospital Kassel und im KZ Breitenau vom 1.7.1933 bis 8.8.1933. Heinz R. aus Kassel, gebe am 26.5.1909 in Kassel, [keine Angaben zum Beruf], im KZ Breitenau vom 16.10.1933 bis 7.11.1933 als SA-Mann inhaftiert. Gustav Rennert aus Gelnhausen; gebeam 11.3.1888 in Gelnhausen, Lagerhalter, aus politischen Gründen (politischer Führer der KPD im Landkreis Geln- hausen; Landtagskandidat 1932) seit 4. März 1933 in Schutzhaft; Frei- spruch durch OLG Kassel (Ende Mai 1933) vom Vorwurf der »Vorbe- reitung zum Hochverrat«; erneute Schutzhaft, Polizeigefängnis Preunges- heim; im KZ Breitenau vom 8.8.1933 bis 17.11.1933 inhaftiert; Polizeige- fängnis Hanau (Dezember 1933 bis Februar 1934); im Rahmen der »Aktion Gewitter« KZ Dachau (27.8.-8.9.1944). 266 Heinrich Reusswig aus Hanau, gebe am 20.1.1900 in Niederrodenbach/Kr. Hanau, Gastwirt, aus politischen Gründen (im Rahmen einer Gestapoak- tion gegen Angehörige der KPD und SPD am 18. Dezember 1933 festge- nommen) im KZ Breitenau vom 23.12.1933 bis 15.1.1934 und vom 19.1.1934 bis 22.1.1934 inhaftiert; anschließend Polizeigefängnis Kassel (bis 15. April 1934). Wilhelm Reusswig aus Hanau, gebe am 9.4.1874 in Niederrodenbach/Kr. Ha- nau, Diamantschleifer, aus politischen Gründen (wegen »Verdachts kom- munistischer Umtriebe«) im KZ Breitenau vom 23.12.1933 bis 9.1.1934 und vom 23.1.1934 bis 17.3.1934 inhaftiert. August Reuter aus Guxhagen/Kr. Melsungen, gebe am 27.3.1903 in Guxha- gen/Kr. Melsungen, Arbeiter, aus politischen Gründen (als Sozialdemo- krat und wegen »Beleidigung des Führcrs«) im KZ Breitenau vom 29.6.1933 bis 13.9.1933 inhaftiert. Karl Richter (Berlepsch) aus Berlepsch-Ellerode/Kr. Witzenhausen, gebe am 4.4.1885 in Mücheln/Kr. Querfurt, Arbeiter, seit 24. April 1933 in Schutzhaft wegen »Beleidigung des Führers«; aus politischen Gründen (angeblich An- hänger der KPD) im KZ Breitenau vom 24.6.1933 bis 28.9.1933 inhaftiert; Verurteilung durch OLG Kassel (28.6.1938) wegen »Heimtücke« zu einem Jahr Gefängnis (angeblich abfällige Äußerungen zur Eingliederung Öster- reichs ins Deutsche Reich); Strafanstalt Kassel-Wehlheiden (bis April 1939). Karl Richter (Grebenstein), aus Grebenstein, gebe am 1.1.1904 in Greben- stein/Kr. Hofgeismar, Kesselschmied, im KZ Breitenau vom 5.8.1933 bis 10.10.1933, inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). Ludwig Richter aus Hanau, gebe am 22.3.1914 in Hanau, Kupferschmied, im KZ Breitenau vom 30.9.1933 bis 8.11.1933 und vom 10.11.1933 bis 11.12.1933, (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). Rudolf Riebling aus Großauheim/Kr. Hanau, gebe am 18.11.1891 in Frank- furt/Main, Dreher, aus politischen Gründen (Sozialdemokrat) in Schutz- haft (31.8.1933); im KZ Breitenau vom 16.9.1933 bis 12.10.1933 und vom 13.10.1933 bis 13.11.1933 inhaftiert; Freispruch durch Sondergericht Kas- sel (13.11.1933) im Verfahren wegen »Heimtücke«(1933). Willi Risch aus Kassel, gebe am 15.3.1900 in Kassel, Schlosser, aus politischen Gründen (angeblich Funktionär der KPD) im März 1933 in Schutzhaft genommen; im KZ Breitenau vom 16.6.1933 bis 16.10.1933 inhaftiert, anschließend KZ Börgermoor; weitere Verfolgungsmaßnahmen und In- haftierungen (1936 und 1937). Karl Ritter aus Harleshausen/Kr. Kassel, gebe am 15.3.1899 in Kassel, Schlosser, aus politischen Gründen (Sozialdemokrat) im KZ Breitenau vom 29.6. 1933 bis 16.8.1933 inhaftiert. Mitglied der Stadtverordnetenversammlung 267 (Mai-August 1946); Bezirksvors. SPD Harleshausen (seit 1947). Er starb am 9.5.1981 in Kassel. Hans Röhrig aus Wellerode/Kr. Kassel, gebe am 28.11.1906 in Crumbach/Kr. Kassel, Steinrichter, aus politischen Gründen (KPD, Kampfbund gegen den Faschismus) im KZ Breitenau vom 15.10.1933 bis 16.11.1933 inhaf- tiert; erneute Festnahme im Oktober 1936 und Verurteilung durch OLG Kassel (24.8.1937) wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« zu zwei Jahren und sechs Monaten Zuchthaus; Strafanstalt Kassel-Wehlheiden; an- schließend KZ Sachsenhausen; seit August 1940 KZ Auschwitz (dort als Kapo tätig); Entlassung und Zwangsrekrutierung zur Strafeinheit Dirle- wanger (August 1944). Er starb am 29.12.1970 in Kassel. Willi Röse aus Herbelhausen/Kr. Frankenberg, gebe am 6.3.1903 in Herbel- hausen/Kr. Frankenberg, Schlosser, aus politischen Gründen (wegen des Verdachts, »auchjetzt noch für die KPD zu arbeiten«) seit 5.3.1933 in Schutzhaft und im KZ Breitenau vom 13.9.1933 bis 10.11.1933 inhaftiert; anschließend KZ Sonnenburg, KZ Esterwegen (bis Anfang April 1933). Jakob Röser aus Hanau, gebe am 7.6.1899 in Hanau, Arbeiter, im KZ Breitenau vom 1.9.1933 bis 8.11.1933 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). Justus Rommel aus Kassel, gebe am 24.5.1899 in Borken/Kr. Fritzlar-Homberg, Arbeiter, aus politischen Gründen (»politische Reibereien mit SS- und SA-Männern herbeigeführt«) im KZ Breitenau vom 6.3.1934 bis 16.3.1934 inhaftiert; Einweisung in das Arbeitshaus Breitenau (4.2.1938). Wilhelm Ross aus Hanau, gebe am 8.4.1882 in Heimchen, Händler, aus politi- schen Gründen (angeblich Anhänger der KPD) im KZ Breitenau vom 16.9.1933 bis 19.10.1933 inhaftiert. Georg Rudolf aus Frankfurt/M., gebe am 10.10.1892 in Schloßborn, Sattler, aus politischen Gründen (KPD) seit 15. März 1933 in Schutzhaft; im KZ Breitenau vom 28.10.1933 bis 7.11.1933 inhaftiert; anschließend KZ Son- nenburg (bis 23.12.1933). Er starb am 23.12.1982 in Frankfurt/M. Willi Rudolph aus Obervellmar/Kr. Kassel, gebe am 1.5.1907 in Obervellmar/Kr. Kassel, Maurer, im KZ Breitenau vom 28.7.1933 bis 8.9.1933 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). Er starb am 11.1.1978. Konrad Rüdiger aus Bottendorf/Kr. Frankenberg; gebe am 10.4.1896 in Botten- dort/Kr. Frankenberg, Arbeiter, Vors. SPD in Bottendorf aus politischen Gründen (als Sozialdemokrat, Mitglied des Reichsbanners Schwarz-Rot- Gold und der Eisernen Front) von Polizei und SS am 24. Juni 1933 inhaftiert; Gerichtsgefängnis Frankenberg; im KZ Breitenau vom 29.6. 1933 bis 28.7.1933. Er starb am 10.1.1961 in Bottendorf. 268 Franz Rüfer aus Hanau, geb. am 2.8.1897 in Hanau, Arbeiter, aus politischen Gründen (»war an Überfällen auf SA-Leute beteiligt; war Leiter der Roten Hilfe«) im KZ Breitenau vom 23.9.1933 bis 24.10.1933 inhaftiert, an- schließend KZ Esterwegen (bis 28.3.1934);Verurteilung durch Sondergericht Kassel(20.10.1937)wegen Beleidigung zu vier Monaten Gefängnis (er soll alle NSDAP-Leute als »Feiglingeund Schwindler« bezeichnet haben). AdolfRügheimer aus Kassel, geb. am 6.11.1897 in Kassel, Schlosser, aus politi- schen Gründen (KPD, Roter Frontkämpferbund) im KZ Breitenau vom 16.6.1933 bis 16.10.1933 inhaftiert, anschließend KZ Bärgermoor; Verur- teilung durch OLG Kassel (15.2.1935) wegen »Vorbereitung zum Hoch- verrat« zu einem Jahr und drei Monaten Gefängnis; weitere Festnahmen und Inhaftierungen; KZ Buchenwald (1.9.1939 bis 22.7.1940). Nach 1945 lebte er in Kassel. Er starb am 19. Oktober 1967 in Kassel. Friedrich Rühl aus Niedervellmar/Kr. Kassel, geb.am 24.11.1904 in Speele/Kr. Hann. Münden, Kaufmann, im KZ Breitenau vom 1.9.1933 bis 8.9.1933 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). Andreas Ruhl aus Kassel, geb. am 20.12.1907 in Kassel, Schlosser, aus politischen Gründen (KPD, RGO, Eiserne Front) seit 19. März 1933 in Schutzhaft; im KZ Breitenau vom 16.6.1933 bis 14.8.1933; erneute Inhaftierung im Januar 1936; Verurteilung durch OLG Kassel (8.1.1937) wegen »Vorberei- tung zum Hochverrat« zu einer Zuchthausstrafe von fünfJahren; Zucht- haus Kassel-Wehlheiden (bis 23.1.1941); erneute Schutzhaft und Einweisung in KZ Sachsenhausen (32.1.1941-2.5.1945). Wilhelm Rumpf aus Breuna/Kr. Wolfhagen, geb. am 13.4.1909 in Breuna/Kr. Wolfhagen, Maurer, im KZ Breitenau vom 12.7.1933 bis 14.8.1933 inhaf- tiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). Hans Ruth aus NiederrodenbachiKr. Hanau, geb. am 9.4.1914 in Niederroden- bach/Kr. Hanau, Diamantschleifer; aus politischen Gründen (KPD) im KZ Breitenau vom 30.9.1933 bis 23.12.1933 inhaftiert. Er lebte 1951 in Niederrodenbach. Konrad Ruth aus Rüdigheim/Kr. Hanau, geb. am 29.3.1886 in Hüttengesäß/Kr. Hanau, Schreiner, aus politischen Gründen (KPD, Rote Hilfe) im KZ Breitenau vom 30.9.1933 bis 17.11.1933 inhaftiert, anschließend KZ Lich- tenburg (bis 24.12.1934); Verurteilung durch OLG Kassel (7.6.1935) we- gen »Vorbereitung zum Hochverrat« zu drei Jahren Zuchthaus; Zucht- häuser Ziegenhain und Butzbach (bis Februar 1938). Er starb am 29.9.1953 in Hanau. Peter Saalfeld aus Kassel, geb. am 10.10.1907 in Kassel, Kaufmann; aus politi- schen Gründen (angeblich Anhänger der KPD; »soll sich in beleidigender Form über die NSDAP geäußert haben«) im KZ Breitenau vom 21.8.1933 269 bis 28.9.1933 inhaftiert; weitere Inhaftierungen; Ermittlungsverfahren we- gen »komunistischer Mundpropaganda« durch Oberstaatsanwaltschaft Kassel (Februar 1939). Eduard Saft aus Witzenhausen, geb. am 2.2.1901 in Witzenhausen, Schlosser, im KZ Breitenau vom 31.7.1933 bis 27.9.1933 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). Willi Salzmann aus Gelnhausen, geb. am 19.3.1893 in Gelnhausen, Kupfer- schmied, aus politischen Gründen (»Haupträdelsführer der KPD bzw. des Reichsbanners und sehr gehässiger und verbissener Gegner der nat.soz. Erhebung«) im KZ Breitenau vom 31.7.1933 bis 10.11.1933 inhaftiert, anschließend KZ Papenburg; KZ Esterwegen (bis 4.4.1934). Hermann Samer aus Bergen/Kr. Hanau; geb. am 24.7.1904 in Enkheim/Kr. Ha- nau, Dreher, aus politischen Gründen (als Anhänger der KPD) im KZ Brei- tenau vom 16.9.1933 bis 24.10.1933 inhaftiert, anschließend wahrscheinlich KZ Esterwegen (dort sollte er am 22./23.12.1933 entlassen werden). Willi Schadler aus Breslau, geb. am 23.4.1910 in Neiße/Kr. Oppeln, Sattler, aus politischen Gründen ("staatsfeindliche Aktivitäten nach dem 21.3.1933"; angeblich KPD) im KZ Breitenau vom 1.9.1933 bis 28.9.1933 inhaftiert. Johann Schadt aus Langenselbold/Kr. Hanau; geb. am 11.9.1901 in Langensel- bold/Kr. Hanau, Arbeiter, im KZ Breitenau vom 23.9.1933 bis 24.10.1933 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). Ernst Schädler aus Frielendorf/Kr. Ziegenhain, geb. am 8.11.1905 in Podel- zig/Kr. Lebus, Zimmerer, aus politischen Gründen (als führender kom- munistischer Funktionär [Unterbezirksleiter] im Landkreis Ziegenhain) seit 27.3.1933 in Schutzhaft; im KZ Breitenau vom 19.6.1933 bis 16.10.1933 inhaftiert, anschließend KZ Esterwegen (16.10.1933-1.9. 1934); erneute Schutzhaft und Untersuchungshaft (27.1.-3.11.1936); Verurtei- lung durch OLG Kassel (3.11.1936) wegen »Vorbereitung zum Hochver- rat« zu fünf Jahren Zuchthaus; Strafanstalt Vcchta (bis 27.1.1941); KZ Sachsenhausen (bis 10.11.1944); Strafeinheit Dirlewanger; sowjetische Kriegsgefangenschaft (Dezember 1944); nach Rückkehr aus Gefangen- schaft (August 1946) lebte er in Prielendorf wo er am 4.12.1955 starb. August Schäfer aus Ochshausen/Kr. Kassel;geb. am 9.1.1898 in Friedrichsthal/Kr. Hofgeismar, Gespannführer, aus politischen Gründen (vermutl. als Sozialde- mokrat) im KZ Breitenau vom 22.6.1933 bis 13.9.1933 inhaftiert. Georg Schäfer aus Kassel, geb. am 8.11.1905 in Kassel, Arbeiter, im KZ Breiten- au vom 7.11.1933 bis 8.12.1933 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftie- rung unbekannt). Wilhelm Schäfer aus Langenselbold/Kr. Hanau; geb. am 4.4.1902 in Langensel- bold/Kr. Hanau, Weißbinder, aus politischen Gründen (als kommunisti- 270 scher Funktionär und Gemeindevertreter) seit dem 3.3.1933 in Schutz- haft; im KZ Breitenau vom 30.9.1933 bis 2.3.1934 inhaftiert; weitere Inhaftierungen und Verfolgungsmaßnahmen (1937,1938,1939,1944). Anton Schaeffer aus Kassel, geb. am 27.5.1898 in Koblenz, Kaufmann, aus politischen Gründen (1928 aus der NSDAP wegen kritischer Äußerungen über Hitler ausgeschlossen [»Parteischädling«J); im KZ Breitenau vom 5.7.1933 bis 27.9.1933 inhaftiert. Zahlreiche Inhaftierungen (1933-1945). Er starb am 16.11.1960 in Kassel. Wilhelm Schellhase aus Rhörda/Kr, Eschwege, geb. am 15.7.1892 in Röhrda/Kr. Eschwege, Kaufmann, Konsumgenossenschaft, aus politischen Gründen (»Funktionär der SPD«) im KZ Breitenau vom 18.8.1933 bis 17.11.1933 inhaftiert. Georg S. aus Hersfeld, geb. am 18.5.1897 in Ziegenhain, Bankbeamter, im KZ Breitenau vom 21.10.1933 bis 21.11.1933 als SA-Mann inhaftiert. Franz Schiftner aus GrafenbachlÖsterreich, geb. am 8.10.1905 in Seeben- stein/Österreich, Schreiner, im KZ Breitenau vom 12.10.1933 bis 19.10. 1933 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). Siegfried Schild aus Korbach, geb. am 28.7.1891 in Eimelrod, Händler, aus antisemitischen Motiven verfolgt, angeblich »Überfall und Bedrohung eines SS-Mannes«; im KZ Breitenau vom 6.2.1934 bis 16.3.1934 inhaf- tiert; Deportation von Kassel in das Ghetto Riga; seitdem gilt er als verschollen. Karl Schimpfaus Gelnhausen, geb. am 9.9.1903 in Frankfurt/Main, Schreiner, aus politischen Gründen (»Haupträdelsführer der KPD bzw. des Reichsbanners und sehr gehässige und verbissene Gegner der nat.soz. Erhebung«) im KZ Breitenau vom 8.8.1933 bis 17.11.1933.Er lebte 1949 in Miltenberg. Ernst Schippel aus Witzenhausen, geb. am 29.5.1900 in Helbra/Mannsfelder Seenkreis, Korbmacher, aus politischen Gründen (angeblich Anhänger der KPD) im KZ Breitenau vom 24.6.1933 bis 8.9.1933 inhaftiert. Gustav Schlereth aus Marbach/Kr. Fulda, geb. am 5.11.1891 in Fulda, Zimmer- mann, aus politischen Gründen (wegen Nachfrage nach Erhöhung des Lohnes) im KZ Breitenau vom 15.10.1933 bis 30.11.1933 inhaftiert. Friedrich Schmalenberg aus Horas/Kr. Fulda, geb. am 1.12.1897 in Oberel- fringhausen/Kr. Hörde, Schuhmacher, aus politischen Gründen (KPD, Rote Hilfe) im KZ Breitenau vom 30.11.1933 bis 16.3.1934 inhaftiert; Verurteilung durch OLG Kassel (14.3.1935) wegen »Vorbercitung zum Hochverrat« zu einem Jahr Gefängnis. Er starb am 14.1.1975 in Fulda. Johannes Schmalstieg aus Kassel, geb. am 26.9.1906 in Linden, Arbeiter, aus politischen Gründen (»Staatsfeindliche Äußerungen gegen die Regierung«; KPD) im KZ Breitenau vom 16.11.1933 bis 16.3.1934 inhaftiert. 271 Bruno Schmidt aus Hanau, gebe am 7.10.1899 in Parsken, Schlosser, aus politi- schen Gründen (Verdacht auf kommunistische Betätigung) im KZ Brei- tenau vom 30.9.1933 bis 8.11.1933 inhaftiert; anschließend KZ Sonnen- burg (bis 6.3.1934). Franz Schmidt aus Hanau, gebe am 9.4.1907 in Hanau, Dreher, aus politischen Gründen (»war Leiter des früheren Freidenkerverbandes«) im KZ Breiten- au vom 7.10.1933 bis 8.11.1933 inhaftiert. Friedrich Schmidt aus Hanau, gebe am 19.7.1900 in Klein Steinheim/Kr. Ha- nau, Arbeiter, aus politischen Gründen (Kampfbund gegen den Faschis- mus, KPD) im KZ Breitenau vom 23.9.1933 bis 24.10.1933 inhaftiert, anschließend KZ Esterwegen (bis 26.5.1934). Gustav Schmidt aus Marburg, gebe am 29.6.1899 in Kirchhain/Kr. Marburg, Anstreicher, aus politischen Gründen (»KPD-Funktionär; Vorstandsmit- glied Ortsgruppe Marburg KPD«) im KZ Breitenau vom 26.8.1933 bis 23.12.1933 inhaftiert. Heinrich Schmidt aus Bad Wildungen, gebeam 11.12.1897 in Gießen, Arbeiter, aus politischen Gründen (wegen Abhörens des »Moskau-[Radio] Sen- ders«) im KZ Breitenau vom 15.10.1933 bis 10.11.1933 inhaftiert, an- schließend vermutlich in ein anderes Lager (KZ Esterwegen bis 29. 9.1934); weitere Verfolgungs- und Inhaftierungsmaßnahmen. Er starb am 11.1.1942 in der Landesheilanstalt Weilmünster. Hermann Schmidt aus Crumbach/Kr. Kassel; gebe am 4.8.1907 in Crum- bach/Kr. Kassel, Stellmacher, aus politischen Gründen (Anhänger der KPD) im KZ Breitenau vom 8.8.1933 bis 9.8.1933 inhaftiert; anschließend Untersuchungshaftanstalt Kassel (bis 5.5.1934). Er starb am 1.11.1937 in Lohfelden/Kr. Kassel. Willi Schmidt aus Hanau, gebe am 17.4.1911 in Hanau, Hilfsarbeiter, aus politi- schen Gründen (wegen »Verdachts kommunistischer Umtricbe«) im KZ Breitenau vom 23.1.1934 bis 17.3.1934 inhaftiert. Heinrich Schmied aus Langendiebach/Kr. Hanau, gebe am 28.7.1901 in Gun- damsried/Bayern, Bierbrauer, aus politischen Gründen (RGO, KPD) im KZ Breitenau vom 23.9.1933 bis 24.10.1933 inhaftiert, anschließend KZ Esterwegen (bis 22.12.1933); erneute Schutzhaft imJuli 1941 und Verur- teilung durch OLG Kassel (22.11.1941) wegen »Vorbercitung zum Hoch- verrat« zu sechs Jahren Zuchthaus; Zuchthaus Kassel-Wehlheiden, wo er verstarb (12.2.1944). Arno Schminke aus Kassel, gebe am 22.5.1908 in Kassel, Schlosser, aus politi- schen Gründen (KPD) in Schutzhaft seit 15. August 1933; schwere Mißhandlungen im Wassersportheim in Kassel durch SS; im KZ Breitenau vom 1.9.1933 bis 29.9.1933 inhaftiert, anschließend Polizeigefängnis Kas- 272 sel (bis 21.12.1933); Desertion (Februar 1945); Inhaftierung und Verurtei- lung zu vier Jahren Zuchthaus (wegen seiner Kriegsverwundung wurde von der Todesstrafe abgesehen). Heinrich Schneider aus Schlüchtern; geb. am 8.6.1909 in Schlüchtern, Schrei- ner, aus politischen Gründen (illegales Flugschriftenmaterial der KPD ausgeliefert) im KZ Breitenau vom 20.10.1933 bis 10.11.1933 inhaftiert, anschließend KZ Sonnenburg, wo er am 22./23.12.1933 entlassen werden sollte. Heinrich Schneider aus Marburg, geb. am 27.4.1892 in Steinbach, Arbeiter, aus politischen Gründen (Vorstand der KPD und der Roten Hilfe Marburg) seit dem 27.3.1933 in Schutzhaft; im KZ Breitenau vom 11.8.1933 bis 5.1.1934 inhaftiert. Er lebte 1953 in Marburg. Karl Schönewald aus Hanau, geb. am 12.12.1899 in Melsungen, Weber, aus politischen Gründen (Anhänger der KPD) Schutzhaft (16.12.1933) und Mißhandlungen durch SS in der Kaserne am Paradeplatz in Hanau; im KZ Breitenau vom 23.12.1933 bis 11.1.1934 (möglicherweise bis März 1933) inhaftiert; anschließend Polizeigefängnis Kassel (bis Mai 1934). Ludwig Schöning aus Niederelsungen/Kr. Wolfhagen, geb. am 2.12.1910 in Niederelsungen/Kr.Wolfhagen, Pflasterer, aus politischen Gründen (KPD) im KZ Breitenau vom 12.7.1933 bis 14.8.1933 inhaftiert; Verurtei- lung durch OLG Kassel (20.7.1937) wegen »Vorbereitung zum Hochver- rat« (Abhörens des »Senders Moskau«) zu einem Jahr und drei Monaten Gefängnis. Er gilt seit dem 11.3.1945 (im Osten) als vermißt. Hans Schramm aus Witzenhausen, geb. am 1.4.1907 in Witzenhausen, Arbeiter, aus politischen Gründen (als kommunistischer Funktionär; Unterbezirks- leiter KPD Witzenhausen) am 27.3.1933 in Schutzhaft genommen; im KZ Breitenau vom 24.6.1933 bis 16.10.1933 inhaftiert, anschließend KZ Bör- germoor, KZ Esterwegen (bis 1.9.1934). Verurteilung durch OLG Kassel (7.5.1937) wegen »Vorbercitung zum Hochverrat« zu vier Jahren Zucht- haus; Zuchthaus Kassel-Wehlheiden; KZ Sachsenhausen (bis zur Befrei- ung durch die Allierten). Er lebte nach 1945 in Witzenhausen. Er starb dort im Dezember 1978. August Schreiber aus Tann (Rhön)/Kr. Fulda, geb. am 28.11.1897 in Tann (Rhön)/Kr. Fulda, Kaufmann, aus politischen Gründen (wegen Anfrage nach Erhöhung des Lohns) im KZ Breitenau vom 15.10.1933 bis 22.12.1933 inhaftiert. Wilhelm Schreiber aus Harleshausen/Kr. Kassel, geb. am 18.12.1890 in Harles- hausen/Kr. Kassel, Fräser, aus politischen Gründen (alsAnhänger der KPD und wegen einer kritischen Äußerung gegenüber dem NSDAP-Ortsgrup- penleiter) im KZ Breitenau vom 29.6.1933 bis 13.9.1933 inhaftiert. 273 August Schülbe aus Kassel, gebe am 13.4.1889 in Oberhone/Kr. Eschwege, Arbeiter, aus politischen Gründen (Funktionär der KPD) in Schutzhaft seit 7.6.1933 und im KZ Breitenau vom 1.8.1933 bis 16.10.1933 inhaftiert, anschließend KZ Neusustrum (bis 23.12.1933); verschiedene Haftstätten und Untersuchungsgefängnisse (24.12.1933-8.8.1935) ; Verurteilung durch Volksgerichtshof (27.6.1935) zu neun Jahren Zuchthaus wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« und Vergehen gegen das Sprengstoffge- setz; Zuchthaus Kassel-Wehlheiden; Strafgefangenenlager Aschendorfer Moor; Zuchthaus Kassel-Wehlheiden (9.8.1935 bis 12./18.3.1944). Er war fast elfJahre ununterbrochen in Haft gewesen. Er starb am 1.11.1983 in Kaufungen/Kr. Kassel. Ferdinand Schultheis aus Hanau, gebe am 19.2.1911 in Hanau, Spengler, aus politischen Gründen (wegen angeblicher Betätigung für die illegale KPD) im KZ Breitenau vom 23.12.1933 bis 9.1.1934 inhaftiert. Hans Schulz aus Berlin, gebe am 23.5.1912 in Berlin, Arbeiter, im KZ Breitenau vom 19.9.1933 bis 8.1.1934 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt), anschließend KZ Papenburg (vermutlich bis 31.3.1934). Wilhelm Schwarz aus Langenselbold, gebe am 16.11.1894 in Langenselbold/Kr. Hanau, Arbeiter, aus politischen Gründen (Kampfbund gegen den Fa- schismus, Vorsitzender des KPD-nahen Ortsausschusses für Erwerbslose) im KZ Breitenau vom 30.9.1933 bis 9.10.1933 und vom 13.10.1933 bis 23.12.1933 inhaftiert. AdolfSee aus Kassel, gebe am 20.5.1890 in FelsbergiKr. Melsungen, Schreiner, aus politischen Gründen (angeblich »politische Reibereien mit SS- und SA-Männern hcrbeigeführt«) im KZ Breitenau VOID 13.3.1934 bis 17.3. 1934 inhaftiert. August Segmüller aus Kassel, gebe am 27.1.1892 in Worms, Schlosser, im KZ Breitenau vom 1.9.1933 bis 27.9.1933 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). Reinhard Seihel aus Bischofsheim/Kr. Hanau, gebe am 13.3.1874 in Bischofs- heim/Kr. Hanau, Arbeiter, aus politischen Gründen (wegen angeblicher tätlicher Angriffe gegen NSDAP-Mitglieder) im KZ Breitenau vom 16.9.1933 bis 22.12.1933 inhaftiert. Karl [Friedrich?]Sei[c]kel aus Hanau, gebe am 26.10.1903 in Hanau, Arbeiter, aus politischen Gründen (angeblich »an Überfällen auf SA-Leute betei- ligt«) im KZ Breitenau vom 30.9.1933 bis 8.11.1933 inhaftiert. Heinrich Seitz aus Kassel, gebe am 1.6.1897 in Obervorschütz/Kr. Fritzlar- Homberg, Schlosser, aus politischen Gründen (Roter Frontkämpfer- bund seit 1925; am Aufbau der illegalen KPD beteiligt) im KZ Breitenau vom 1.7.1933 bis 19.7.1933 inhaftiert; erneute Festnahme 274 (1.2.1935) undVerurteilungdurch OLG Kassel (5.4.1935)wegen»Vorbe- reitung zum Hochverrat« zu drei Jahren Zuchthaus; Zuchthaus Kassel- Wehlheiden; anschließend erneute Schutzhaft und Untersuchungs- haft sowieErmittlungsverfahren. Er lebte nach 1946 in Kassel. Dort starb er am 23.5.1960. Adam SeIbert aus Kassel, geb. am 16.5.1893 in Gemünden/Kr. Frankenberg, Obersekretär, sozialdemokratischer Politiker; Ortsvors. SPD Nieder- zwehren; Mitglied des Kommunal-, des Provinziallandtags und des Landesausschusses; Mitglied des Kreistags für den Landkreis Kassel; Beigeordneter der Gemeinde Niederzwehren; aus politischen Gründen im KZ Breitenau vom 29.6.1933 bis 28.7.1933 inhaftiert. Im Dezember 1933 Entlassung als Beamter auf Lebenszeit aus dem Dienst der Ge- meinde Niederzwehren (Gesetz zur Wiederherstellung des Berufs- beamtenturns). Nach 1945 lebte er in Kassel. Er starb dort am 17.5.1965. Karl Seng aus Dörnigheim/Kr. Hanau, geb. am 3.3.1914 in Dörnigheim/Kr. Hanau, Schreiner, aus politischen Gründen (KPD, Kampfbund gegen Faschismus) im KZ Breitenau vom 30.9.1933 bis 3.2.1934 inhaftiert; er- neute Verhaftung (Februar 1935) und Verurteilung durch OLG Kassel (7. 6.1935) wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« zu zwei Jahren und sechs Monaten Zuchthaus; Zuchthaus Kassel-Wehlheiden (bis 8.8.1937); an- schließend erneute Schutzhaft und KZ Buchenwald (bis 29.1.1941); Straf- bataillon 999 (1942-1945). Nach 1945 lebte er in Dörnigheim. Er starb dort am 5.2.1966. Ludwig Sennhenn aus Wickenrode/Kr. Witzenhausen, geb. am 10.12.1907 in Wickenrode/Kr. Witzenhausen, Schlosser, aus politischen Gründen (we- gen öffentlicher antinazistischer Äußerungen) in Schutzhaft genommen und im KZ Breitenau vom 24.7.1933 bis 13.9.1933 inhaftiert. Gustav Siebert aus Kassel, geb. am 29.11.1896 in Kassel, Händler, aus politi- schen Gründen (xim Verdacht, sich in der KPD betätigt zu haben«) im KZ Breitenau vom 26.8.1933 bis 16.3.1934 inhaftiert. Heinrich Siebert aus Kassel, geb. am 22.11.1897 in Ulfen/Kr. Rotenburg, Schuhmacher, aus politischen Gründen (Betriebsrat, Eiserne Front, Sozi- aldemokrat) im KZ Breitenau vom 29.6.1933 bis 14.8.1933 inhaftiert; anschließend zahlreiche Vernehmungen und Durchsuchungen. Nach 1945 Bürgermeister in Burghasungen und Stadtverordneter (SPD) in Kassel (1949-1956). Er starb am 12.Juni 1971 in Kassel. Johannes Siegfahrt aus Frankfurt/M., geb. am 2.3.1872 in Lingenfeld/Kr. Ger- mersheim, Arbeiter, aus politischen Gründen (»Politische Umtriebe und Beschimpfung der Regierung«) im KZ Breitenau vom 21.10.1933 bis 275 17.11.1933 inhaftiert, anschließend KZ Lichtenburg (vermutlich bis 28.3.1934). Heinrich S. aus Mauswinkel/Kr. Gelnhausen, geb. am 10.3.1913 in Mauswin- kel/Kr. Gelnhausen, Landwirt, im KZ Breitenau vom 15.10.1933 bis 7.11.1933 als SA-Mann inhaftiert. Adam Sinsel aus Hanau, geb. am 26.3.1907 in Klein Steinheim/Kr. Hanau, Arbeiter, aus politischen Gründen (»im Verdacht, an der Herstellung staatsfeindlicher Flugblätter beteiligt zu sein«) im KZ Breitenau vom 23.12.1933 bis 11.1.1934 inhaftiert. Bernhard Sinsel aus Hanau, geb. am 27.8.1911 in Hanau, Arbeiter, im KZ Breitenau vom 23.12.1933 bis 11.1.1934 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). Konrad Sonntag aus Qucntel/Kr. Witzenhausen, geb. am 22.1.1891 in Span- genberg/Kr. Melsungen, Arbeiter, aus politischen Gründen (»Be- schimpfung unseres Führers und Reichskanzlers«) im KZ Breitenau vom 8.8.1933 bis 13.9.1933; Verurteilung durch Sondergericht Kassel (14.9.1933) zu acht Monaten Gefängnis ; Strafanstalt Frankfurt-Preun- gesheim (bis 13.5.1934); Entlassung aus politischen Gründen aus dem DAG-Werk Hessisch Lichtenau (7.1.1937). Er lebte nach dem Krieg in Quentel, wo er am 20.8.1973 starb. Karl Spahn aus Hanau, geb. am 11.4.1908 in Hanau, Händler, aus politischen Gründen (bei einer polizeilichen »Sonderaktion« gegen Kommunisten festgenommen und schwer mißhandelt); im KZ Breitenau vorn 9.1.1934 bis 12.1.1934 inhaftiert. Er lebte nach dem Krieg in Hanau. Eduard Specht aus Hanau, geb. am 15.5.1872 in Hanau, Metallschleifer, vom Hochverratsvorwurf durch das Kasseler Sondergericht »mangels Bewei- ses« freigesprochen (26.8.1933); anschließend aus politischen Gründen im KZ Breitenau vom 1.9.1933 bis 19.10.1933 inhaftiert. Er lebte nach dem Krieg in Hanau. Er starb dort am 7.9.1949. Ernst Spicker aus Langenselbold/Kr. Hanau, geb. am 7.2.1904 in Langensel- bold/Kr. Hanau, Schlosser, im KZ Breitenau vom 30.9.1933 bis 17.11.1933 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). Max Spier aus Zwesten/Kr. Fritzlar-Homberg, geb. am 24.3.1897 in Zwesten/Kr. Fritzlar-Homberg, Metzger, aus antisemitischen Motiven (er habe »ge- schächtet«) im KZ Breitenau vom 19.1.1934 bis 16.3.1934 inhaftiert; an- schließend Verurteilung zu zwei Monaten Gefängnis; Gerichtsgefängnis Marburg; Emigration nach New York (USA) am 31. März 1938. Walter Spillner aus Kassel, geb. am 27.3.1909 in Hann. Münden, Bäcker, aus politischen Gründen (Kampfbund gegen den Faschismus, KPD-Funktionär) im KZ Breitenau vom 8.8.1933 bis 19.10.1933; Verurteilung durch OLe; 276 Kassel wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« zu einem Jahr und sechs Monaten Gefängnis; Zuchthaus Kassel-Wehlheiden; weitere Vernehmun- gen und Inhaftierungen, Ermittlungen des Oberreichsanwalts (Berlin). Reinhold Stehl aus Niederzwehren, gebe am 9.12.1892 in Kassel, Brunnenbauer, aus politischen Gründen (er habe sich »abfällig über die Regierung der natio- nalen Erhebung» geäußert) im KZ Breitenau vom 11.8.1933 bis 14.8.1933 und vom 16.8.1933 bis 30.8.1933; anschließend Verurteilung durch Sonder- gericht Kassel wegen »Heimtücke« zu zwei Jahren Gefängnis; Strafanstalt Hameln; erneute Untersuchungshaft (12.9.1939) und Verurteilung durch Sondergericht Kassel (31.1. 1940) wegen »Heimtücke« (»böswillig gehässige Äußerungen über den Führer«) zu drei Jahren Gefängnis; StrafanstaltWolfen- büttel; Arbeitserziehungslager Breitenau (21.3. bis 10.5.1943); zum »Meckerer Bautrupp« in Lublin; schwere Mißhandlungen durch SS, Krankenhaus; Lager Dobrowitza; Entlassung (September 1944). Er lebte nach dem Krieg in Kassel; hier starb er am 18. März 1968. Sally Stern aus Niederurff/Kr. Fritzlar-Homberg, gebe am 12.1.1879 in Nie- derurff/Kr. Fritzlar-Homberg, Metzger, aus antisemitischen Motiven (er soll »geschächtet« haben) im KZ Breitenau vom 19.1.1934 bis 14.3.1934 inhaftiert; Emigration mit Ehefrau Selma und Tochter Lilly in die USA. Er starb in N ew York am 22. Juli 1967. Willi Stern aus Zimmersrode/Kr. Fritzlar-Homberg, gebeam 3.4.1883 in Zimmers- rode/Kr. Fritzlar-Homberg, Metzger, aus antisemitischen Motiven (er soll »geschächtet« haben) im KZ Breitenau vom 19.1.1934 bis 14.3.1934 inhaftiert. Wilhelm Störmer aus Wellen/Kr. der Eder, gebe am 6.10.1893 in Helsum/Kr. Geldern, Brunnenarbeiter, aus politischen Gründen (als »nachträgliche Sühne für einen Überfall aufdenjetzigen [SA]Standartenführer Sautter«) im KZ Breitenau vom 23.1.1934 bis 19.2.1934, anschließend KZ Papen- burg (bis 1.5.1934). Er lebte nach dem Krieg in Wellen. Otto Stolze aus Hofgeismar, gebe am 24.4.1898 in Hofgeismar, Kaufmann, aus politischen Gründen (soll Anhänger der KPD gewesen sein) im KZ Brei- tenau vom 28.7.1933 bis 1.2.1934 und vom 2.2.1934 bis 16.3.1934 inhaf- tiert. Wilhelm Stone[r] aus Neumorschen/Kr. Melsungen, gebe am 4.10.1907 in Neustadt/Kr. Marburg, Schneider, aus politischen Gründen (soll KPD- Funktionär gewesen sein) im KZ Breitenau vom 9.9.1933 bis 16.10. 1933 inhaftiert, anschließend (Papenburg?) KZ (bis wahrscheinlich April 1934). Willi Strauch aus Kassel, gebe am 26.7.1877 in Hesserode, Schlosser, aus politi- schen Gründen (soll Anhänger der KPD gewesen sein) im KZ Breitenau vom 15.9.1933 bis 22.12.1933 inhaftiert. 277 Johannes Thalheimer aus Langenselbold/Kr. Hanau, geb. am 5.8.1913 in Lan- genselbold/Kr. Hanau, Pflasterer, aus politischen Gründen im KZ Breiten- au vom 23.9.1933 bis 12.10.1933 inhaftiert. Helmut Thiele aus Kassel, geb. am 6.5.1915 in Brandenburg, Handl.-Gehilfe, aus politischen Gründen (Reorganisation des illegalen KJVD in Kassel und Umgebung) im KZ Breitenau vom 8.12.1933 bis 6.2.1934; Untersu- chungshaft; Verurteilung durch OLG Kassel (23.3.1934) zu zwei Jahren Gefängnis; Strafgefängnis Halle/Saale; KZ Lichtenburg (bis 14.10.1936). Er lebte nach dem Krieg in Frankfurt a.M. August Thöne aus Kassel, geb. am 26.6.1909 in Grebenstein/Kr. Hofgeismar, Arbeiter, aus politischen Gründen (Mitglied der KPD-Bezirksleitung bis Anfang 1933) im KZ Breitenau vom 1.8.1933 bis 8.8.1933 inhaftiert; Verurteilung durch OLG (19.8.1933) Kassel wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« zu drei Jahren Zuchthaus. Georg Thomas aus Petersberg/Kr. Hersfeld, geb. am 9.12.1901 in PetersbergiKr. Hersfeld, Elektromonteur, aus politischen Gründen (wegen »kommuni- stischer Umtriebe«) im KZ Breitenau vom 23.9.1933 bis 22.12.1933 inhaf- tiert; mehrere Vernehmungen und kurzzeitige Inhaftierungen. Er lebte nach dem Krieg in Petersberg. Er starb dort am 7. 7.1960. Richard Tölle aus Hann. Münden, geb. am 25.7.1899 in Hann. Münden, Schiffer, aus politischen Gründen (Mitglied der Bezirksleitung der KPD in Kassel) im KZ Breitenau vom 31.7.1933 bis 27.9.1933 inhaftiert; weitere Inhaftierungen und Ermittlungen 1939 (wegen seiner Tätigkeit im Roten Frontkämpferbund im Jahre 1931). Konrad Trebing aus Kassel, geb. am 16.12.1883 in Kassel,Arbeiter, aus politischen Gründen (soll »politische Reibereien mit SS- und SA-Männern herbeige- führt« haben) im KZ Breitenau vom 25.1.1934 bis 16.3.1934 inhaftiert. Heinrich Treibert aus Fritzlar, geb. am 31.3.1898 in Treysa/Kr. Ziegenhain, Landrat a.D., aus politischen Gründen (Sozialdemokrat, galt »nach wie vor als ein die öffentliche Ruhe und Sicherheit gefährdender Marxist«) in Schutzhaft genommen, zuerst im Karlshof b. Wabern, dann im KZ Breitenau vom 14.7.1933 bis 28.7.1933 inhaftiert. (Näheres zu seiner Person im Kapitel 9). Wilhelm Tripp aus Steinau/Kr. Schlüchtern, geb. am 5.10.1896 in Essen, Schrei- nermeister, aus politischen Gründen (angeblich politischer Führer der KPD-Ortsgruppe Steinau) im KZ Breitenau vom 20.10.1933 bis 10.11.1933, anschließend KZ Sonnenburg (geplant bis 22./23.12. 1933). Er lebte nach 1945 in Steinau. Hans Umbach aus Weimar/Kr. Kassel, geb. am 22.3.1915 in Weinlar/Kr. Kassel, Steinmetz, aus politischen Gründen (für den verbotenen KJVD tätig) im 278 KZ Breitenau vom 24.10.1933 bis 29.11.1933 und vom 30.11.1933 bis 6.2.1934 inhaftiert. Karl V. aus Spangenberg-Dörnbach/Kr. Melsungen, geb. am 19.2.1903 in Rem- scheid, Arbeiter, aus politischen Gründen (Verdacht der Tätigkeit für die verbotene KPD) im KZ Breitenau vom 5.7.1933 bis 20.9.1933 inhaftiert. Ernst Vestner aus Hanau, geb. am 21.7.1902 in Kreuzlingen/Schweiz, Bäcker, im KZ Breitenau vom 23.12.1933 bis 11.1.1934 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). Hermann Völker aus Schmalkalden, geb. am 7.5.1883 in Schmalkalden, Schmied, aus politischen Gründen (Sozialdemokrat, Stadtverordneter und Stadtrat; galt bei den Verfolgungsbehörden als »wilder Marxist«, der bei einem Überfall auf den SA-Mann Gerhard Müller beteiligt war, bei dem dieser mißhandelt und zusammengeschlagen worden sein soll) im KZ Breitenau vom 8.8.1933 bis 21.10.1933 inhaftiert. Karl Vogel aus Arolsen, geb. am 28.6.1905 in Barop/Kr, Hörde, Maurer, aus politischen Gründen (wegen angeblich »staatsfeindlicher Reden« auf dem Festplatz des Sängerbundes festgenommen) und im KZ Breitenau vom 22.6.1933 bis 5.8.1933 inhaftiert. Fritz Wagner aus Kassel, geb. am 12.2.1895 in Salzungen/Kr. Meiningen, Ge- werkschaftssekretär, aus politischen Gründen (Sozialdemokrat) im KZ Breitenau vom 29.6.1933 bis 14.8.1933 inhaftiert. Karl Wagner aus Hanau, geb. am 30.11.1901 in Großauheim/Kr. Hanau, Arbei- ter, im KZ Breitenau vom 16.9.1933 bis 24.10.1933 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). RudolfWagner aus Kassel, geb. am 27.9.1901 in Kassel, Kellner, aus politischen Gründen (soll »politische Reibereien mit SS- und SA-Männern herbeige- führt« haben) im KZ Breitenau vom 6.3.1934 bis 16.3.1934. Willi Walberg aus Kassel, geb. am 2.7.1899 in Kassel, Arbeiter, aus politischen Gründen (»führender KPD-Funktionär in Kassel«) in Schutzhaft genom- men (28.5.1933) und im KZ Breitenau vom 1.7.1933 bis 16.10.1933 inhaf- tiert; anschließend KZ Papenburg (bis 1.5.1934); erneute Verhaftung (25.1.1936) und Schutzhaft, Untersuchungshaft (bis 10.8.1937); Verurtei- lung durch OLG Kassel (10.8.1937) zu sechs Jahren Zuchthaus; Zucht- haus Kassel-Wehlheiden (bis 8./10.5.1942); anschließend KZ Sachsen- hausen (bis 2.5.1945). Er lebte ab 1946 in Kassel. Er starb dort am 7.3.1988. Wilhelm Waldeck aus Immenhausen/Kr. Hofgeismar, geb. am 13.6.1911 in Immenhausen/Kr. Hofgeismar, Maurer, aus politischen Gründen (Ver- dacht der Fortsetzung der Tätigkeit für die verbotene KPD) im KZ Brei- tenau vom 5.8.1933 bis 27.9.1933 inhaftiert; erneute Verhaftung (26.7.1934) und Verurteilung durch OLG Kassel wegen »Vorbereitung 279 zum Hochverrat« (21.9.1934) zu einem]ahr und drei Monaten Gefängnis; Strafanstalt Hameln (bis 27.10.1935). Karl Walter aus Hanau, geb. am 27.2.1915 in Dorndorf Polsterer, aus politi- schen Gründen (»wegen Verdachts kommunistischer Umtriebe«) im KZ Breitenau vom 19.1. bis 17.3.1934 inhaftiert. Ewald Wand aus Kassel, geb. am 10.10.1898 in Breitenworbis/Kr. Worbis, Labo- rant, aus politischen Gründen (Verdacht der Tätigkeit für die verbotene KPD) im KZ Breitenau vom 16.6.1933 bis 19.7.1933 inhaftiert; erneute Inhaftierung (25.1.1936); Verurteilung durch OLG Kassel wegen »Vorbe- reitung zum Hochverrat« (2.10.1936) zu zwei]ahren und sechs Monaten Zuchthaus; Zuchthaus Wehlheiden (bis 2.12.1938); anschließend Schutz- haft Polizeigefängnis Kassel; KZ Sachsenhausen (bis 6.9.1944). Er lebte nach 1945 in Kassel. Er starb am 8.4.1966 in Lohfelden/Kr. Kassel. August Weber aus Wickenrode/Kr. Witzenhausen, geb. am 24.5.1890 in Wicken- rodel Witzenhausen, Bergmann, im KZ Breitenau vom 29.6.1933 bis 25.8.1933 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). Karl Weber aus Hanau, geb. am 16.10.1913 in Hanau, Weißbinder, aus politi- schen Gründen (»wegen Verdachts kommunistischer Umtriebe«) am 18.12.1933 in Schutzhaft genommen; im Hanauer Polizeigefängnis von SS-Angehärigen mißhandelt; im KZ Breitenau vom 12.1.1934 bis 17.3.1934 inhaftiert. Er lebte nach 1945 in Langenselbold. LudwigWeber aus Netze/Kreis der Eder, geb. am 23.10.1901 in Netze/Kreis der Eder, Arbeiter, aus politischen Gründen (»weil er seine illegale kommuni- stische Betätigung nicht einstellte«) im März/April und im]uni 1933 in Schutzhaft genommen; im KZ Breitenau vom 19.7.1933 bis 10.11.1933 inhaftiert; anschließend KZ Sonnenburg, KZ Papenburg (bis 16.8.1934). Otto Weber aus Kassel, geb. am 18.5.1905 in Köln, Zahntechniker, aus politi- schen Gründen (Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, Sozialdemokrat; an- geblich »an tätlichen Auseinandersetzungen mit NSDAP-Mitgliedern« beteiligt) im KZ Breitenau vom 21.8.1933 bis 16.10.1933 inhaftiert; an- schließend KZ Börgermoor (bis 24.12.1933); erneute Verhaftungen und Schutzhaft (September bis Dezember 1939;]uni/]uli 1944). Er lebte nach dem Krieg in Grebenstein. Er starb dort am 6. Mai 1984. Heinrich Wegmann aus Hanau, geb. am 17.6.1880 in Hanau, Tapezierer, aus politischen Gründen (angeblich »Spitzenfunktionär der KPD«) im KZ Breitenau vom 30.9.1933 bis 8.11.1933 inhaftiert; anschließend KZ Son- nenburg (bis 28.3.1934); erneute Verhaftung (Februar 1935) und Verurtei- lung durch OLG Kassel (7.6.1935) wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« zu einem Jahr und sechs Monaten Gefängnis; Strafanstalt Kassel-Wehl- heiden (bis 4.8.1936); anschließend Schutzhaft und KZ Lichtenburg, an- 280 schließend KZ Buchenwald (bis 12.1.1940). Er lebte nach dem Krieg in Rückingen und Hanau. Dort starb er am 1.10.1960. Alfred Wehle aus Berlin, geb. am 6.4.1898 in Berlin, Tischler, aus politischen Gründen (Verdacht, eine verbotene kommunistische Sportorganisation wiederbegründet zu haben) im KZ Breitenau vom 12.7.1933 bis 5.8.1933; Ermittlungen durch Generalstaatsanwalt Kassel (17.2.1938). Fritz Wehnhardt aus Niederzwehren/Kr. Kassel, geb. am 29.7.1903 in Kassel, Installateur, aus politischen Gründen (Verdacht der Tätigkeit für die ver- botene KPD) im KZ Breitenau vom 19.6. bis 13.9.1933 inhaftiert; Unter- suchungshaft (1934/1935); Verurteilung durch OLG Kassel (8./12.1.1935) wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« zu einem Jahr Gefängnis; Strafba- taillon 999 (4.2.1943 bis 9.5.1945). PeterWeidenbach aus Langcnselbold/Kr. Hanau, geb. am 13.1.1884 in Langen- selbold/Kr, Hanau, Hausierer, aus politischen Gründen (er hatte mehrere Plakate mit der Aufschrift »Nieder mit Hitler« angebracht) in Schutzhaft genommen und im KZ Breitenau vom 7.10.1933 bis 23.12.1933 inhaftiert. AdolfWeider aus Kassel, geb. am 9.8.1899 in Kassel, Schlosser, aus politischen Gründen (»Betätigung als Marxist. Hat sich öfter an Ausschreitungen gegen SA-Männer beteiligt.«) im KZ Breitenau vom 26.8.1934 bis 17.3.1934 inhaftiert. Norbert Weil aus SchenklengsfeldlHersfeld, geb. am 25.1.1904 in Schenklengs- feld/Kr. Hersfeld, Kaufmann, aus politischen Gründen und antisemiti- schen Motiven (SPD, Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, »marxistisch eingestellt«; »Der Jude Weil«) am 12.5.1933 in Schutzhaft genommen; schwerste Mißhandlungen, Mordversuche und Scheinhinrichtungen durch 55-Angehörige; Festnahme im Juni 1933; im KZ Breitenau vom 24.7.1933 bis 15.9.1933 inhaftiert, im Dezember 1933 emigrierte er nach Palästina. Er starb am 2. März 1987 in Haifa. Paul Weise aus Kassel, geb. am 7.8.1915 in Kassel, Bäcker, im KZ Breitenau vom 21.8.1933 bis 27.9.1933 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). Georg Weiß aus Kassel, geb. am 2.10.1909 in Kassel, Arbeiter, aus politischen Gründen (SPD, Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold) im KZ Breitenau vom 12.7.1933 bis 9.8.1933 inhaftiert. Karl Weiss aus Hanau, geb. am 21.2.1893 in Suhl, Maler, im KZ Breitenau vom 23.12.1933 bis 11.1.1934 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). Justus Wendel aus Wellerode/Kr. Kassel, geb. am 3.6.1898 in Wellerode/Kr. Kassel, Steinrichter, im KZ Breitenau vom 15.10.1933 bis 16.11.1933 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). 281 Heinrich Wenig aus Hanau, geb. am 19.12.1906 in Düsseldorf Schleifer, im KZ Breitenau vom 16.9.1933 bis 11.12.1933 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). Friedrich Wenzel aus Michelsrombach/Kr. Hünfeld, geb. am 29.8.1912 in Michelsrombach/Kr. Hünfeld, Zimmermann, aus politischen Gründen (wegen angeblich tätlicher Übergriffe gegen Mitglieder der SS und SA) im KZ Breitenau vom 30.9.1933 bis 7.11.1933 und vom 8.12.1933 bis 22.12.1933 inhaftiert. Gustav Werkmeister aus Bad Sooden-Allendorf, geb. am 3.1.1906 in Göttin- gen, Arbeiter, aus politischen Gründen (angeblich Tätigkeit für die verbotene KPD) im KZ Breitenau vom 16.6.1933 bis 8.1.1934 inhaf- tiert. Konrad Westphal aus Hanau, geb. am 29.10.1877 in Oberissigheim/Kr. Hanau, Dienstmann, im KZ Breitenau vom 7.10.1933 bis 8.11.1933 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). Hermann Weymann aus Breuna/Kr. Wolfhagen, geb. am 16.2.1911 in Breu- na/Kr. Wolfhagen, Maurer, aus politischen Gründen (Tätigkeit für die verbotene KPD) im KZ Breitenau vom 12.7.1933 bis 14.8.1933 inhaftiert; erneute Verhaftung (15.4.1937) und Verurteilung durch OLG Kassel (13. 7.1937) wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« zu zwei Jahren Zuchthaus; Zuchthaus Kassel-Wehlheiden (bis 15.4.1939); Strafbataillon 999 (1.11.1942 bis 8.5.1945). Nach Kriegsgefangenschaft lebte er in Breuna. Er starb am 22.6.1983. Christian Wicke aus Elgershausen/Kr. Kassel, geb. am 22.2.1905 in Elgershau- sen/Kr. Kassel, Invalide, aus politischen Gründen (Tätigkeit für die verbo- tene KPD) im KZ Breitenau vom 19.6.1933 bis 13.9.1933; Verurteilung durch Amtsgericht Kassel wegen Vergehens gegen die Verordnung zum »Schutze des deutschen Volkes« zu zwei Monaten Gefängnis; Gefängnis Kassel-Wehlheiden. Er lebte nach dem Krieg in Kassel. Er starb dort am 12.12.1982. Xaver Wiedmann aus Frankfurt/M., geb. am 14.1.1910 in Frankfurt/Main, Former, aus politischen Gründen (Tätigkeit für die verbotene KPD) inhaf- tiert, vom Schöffengericht Frankfurt a.M. »mangels Beweises« freigespro- chen; anschließend im KZ Breitenau vom 28.10.1933 bis 7.11.1933 inhaftiert; anschließend KZ Sonnenburg (bis 23.12.1933). Heinrich W. aus Kirchbracht/Gelnhausen, geb. am 1.9.1914 in Mauswinkel/Kr. Gelnhausen, Schneider, im KZ Breitenau vom 4.10.1933 bis 30.10.1933 als SA-Mann inhaftiert. Friedrich Wörner aus Langendiebach/Kr. Hanau, geb. am 27.8.1897 in Langendie- bach, Silberschmied, aus politischen Gründen (angeblich Unterbezirksleiter 282 der KPD Hanau) im KZ Breitenau vom 23.9.1933 bis 24.10.1933 inhaf- tiert; anschließend KZ Esterwegen (wahrscheinlich bis 22.12.1933); er- neute Inhaftierung (18.2.1935) und Verurteilung durch OLG Kassel (Juni 1935) wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« zu einem Jahr und drei Monaten Gefängnis; Strafanstalt Frankfurt-Preungesheim; im Rahmen der »Aktion Gewitter« KZ Dachau (22.8.bis 22.10.1944). Seit 1950 lebte er im Landkreis Hanau. Er starb am 5.5.1990 in Rodenbach/Kr. Hanau. Philipp Wörner aus Bruchköbel/Kr. Hanau, geb. am 20.4.1900 in Langensel- bold/Kr, Hanau, Schleifer, aus politischen Gründen (Vorsitzender der KPD Bruchköbel) im KZ Breitenau vom 16.9.1933 bis 24.10.1933 inhaf- tiert; anschließend KZ Esterwegen (bis 8.4.1934). Er lebte nach dem Krieg in Bruchköbel. Dort verstarb er am 15.10.1966. Fritz Wolf aus Niederzwehren/Kr. Kassel, geb. am 11.9.1912 in Niederkaufun- gen/Kr. Kassel, Bäcker, aus politischen Gründen (Sozialdemokrat) im KZ Breitenau vom 12.7.1933 bis 5.8.1933 inhaftiert. Bernhard Wonhöfer aus Bochum, geb. am 14.5.1910 in Schüren/Kr. Hörde, Arbeiter, im KZ Breitenau vom 21.11.1933 bis 11.12.1933 inhaftiert (Grund bzw. Anlaß der Inhaftierung unbekannt). Wilhelm Zanger aus Kassel, geb. am 1.5.1899 in Allendorf/Kr. Witzenhausen, Arbeiter, aus politischen Gründen (Roter Frontkämpferbund, KPD) im KZ Breitenau vom 16.6.1933 bis 12.7.1933 inhaftiert; zunächst vom OLG Kassel »mangels Beweises« freigesprochen (15.2.1935); erneut verhaftet (Februar 1936) und beschuldigt, sich »am Neuaufbau der freien Gewerk- schaften« beteiligt zu haben; Verurteilung durch OLG Kassel (19.6.1936) zu fünfJahren Zuchthaus; Zuchthaus Kassel-Wehlheiden (bis 26.2.1941); anschließend Schutzhaft und Einlieferung in das Arbeitserziehungslager Breitenau (28.3.1941). Heinrich Zell aus Hanau, geb. am 9.11.1901 in Niederroden, Schmied, aus politischen Gründen (Verdacht der Tätigkeit für die verbotene KPD) im KZ Breitenau vom 9.9.1933 bis 24.10.1933 inhaftiert; anschließend KZ Esterwegen (bis 22.12.1933). Heinrich Ziegler aus HomberglEfze, geb. am 22.12.1883, Dachdecker, aus politischen Gründen (»wegen Beleidigung von SS- und SA-Angehörigen«) im KZ Breitenau vom 8.8.1933 bis 11.8.1933 inhaftiert; Verurteilung durch Schöffengericht Marburg wegen »Beleidigung in zwei Fällen« zu zehn Monaten Gefängnis. Er lebte nach dem Krieg in HomberglEfze. Renatus Z. aus Kassel, geb. am 3.11.1911 in Bautzen, Automechaniker, im KZ Breitenau vom 4.10.1933 bis 17.11.1933 als SA-Mann inhaftiert. Karl Ziegner aus Kassel, geb. am 24.4.1908 in Kassel, Bauschlosser, aus politi- schen Gründen (Roter Frontkämpferbund, Kampfbund gegen den Fa- 283 schismus) im KZ Breitenau vom 16.6.1933 bis 14.8.1933 inhaftiert; Verur- teilung durch OLG Kassel (15.2.1935) wegen »Vorbereitung zum Hoch- verrat« zu zwei Jahren Gefängnis; Strafgefängnis Hameln und Brual-Rhede (bis 15.4.1937); Stratbataillon 999 (seit 1.12.1942); englische Kriegsgefangenschaft; er lebte nach dem Krieg in Kassel. Hugo Zien aus Remscheid-Lennep, geb. am 18.6.1914 in Vogelsmühle, Arbeiter, aus politischen Gründen (»kommunistische Umtriebe«) im KZ Breitenau vom 21.8.1933 bis 11.9.1933 und vom 24.10.1933 bis 10.11.1933 inhaftiert. Wilhelm Zien aus Remscheid-Lennep, geb. am 29.12.1910 in Hügerswagen, Arbeiter, aus politischen Gründen (»kommunistische Umtriebe«) im KZ Breitenau vom 21.8.1933 bis 11.9.1933 und vom 24.10.1933 bis 10.11.1933 inhaftiert. Otto Zieres aus Hanau, geb. am 14.2.1891 in Langenselbold/Kr. Hanau, Schlos- ser, aus politischen Gründen (Tätigkeit für die verbotene KPD, Verdacht der Teilnahme an einem Bombenanschlag auf den Hanauer Oberbürger- meister) seit Ende März 1933 im Schutzhaft; im KZ Breitenau vom 5.8.1933 bis 16.10.1933 inhaftiert; anschließend KZ Bärgermoor (bis 23.12.1933); KZ Sachsenhausen (1.9.1939 bis 9.11.1940). Er starb am 28.5.1976 in Hanau. Adolf Zufall aus Kassel, geb. am 25.8.1904 in Kassel, Schlosser, aus politi- schen Gründen (angeblich Anhänger der verbotenen KPD) im KZ Breitenau vom 16.6.1933 bis 28.7.1933 und vom 21.11.1933 bis 22.12.1933 inhaftiert. 284 Quellen- und Literaturverzeichnis I. U ngedruckte Quellen Archivdes Landeswohlfahrtsverbandes Hessen} Kassel Landarmen- und Korrektionsanstalt Breitenau 1874-1949 (1976): Bestand 1. N r. 112, Band 1. Bestand 2. Nr. 60. Jahresberichte der Landesarbeitsanstalt Breitenau. Bestand 2. Nr . 376. Personalakte Heinrich Klimmer, Anstaltsdirektor. Bestand 2. Nr. 521. Personalakte Joseph Schrötter, Anstaltsvorsteher. Bestand 2. Nr. 7630. Aufnahmebuch für Häftlinge während Bestehens des Konzentrationslagers 1933-1934. Bestand 2. Nr. 7631. Einrichtung und Auflösung des KZ Breitenau für politi- sche Häftlinge 1933-1934. Bestand 2. Nr. 7633. Aufnahmebuch Breitenau für Schutzhäftlinge, Altershei- minsassen, Korrigenden, Häuslinge u.a. 1895-1945. Bestand 2. Nr. 9735. Allgemeines. Bestand 2. N r. 9741. Aufnahme, Verpflegung und Entlassung von Anstaltsin- sassen, Bestellung von unterschiedlichen Waren usf Bestand 2. Nr. 9794. Breitenau 1 B 1. Jahresbericht der Landespflegeanstalt und des Altenheims zu Breitenau für das Rechnungsjahr 1933. Hessisches Staatsarchiv Marburg 165/3878. Der Regierungspräsident (RP) in Kassel. Sonder-Akten betreffend Verrechnung der Kosten für Schutzhaftgefangene. Band I (1933). 165/3886. RP Kassel. Sonder-Akten betreffend die Kommunistische Partei Deutschlands. K.P.D. Die kommunistische Bewegung. Band 1. 165/3886. RP Kassel betr. die KPD im Jahre 1933. Band 2. 165/3965. RP Kassel. Ereignismeldungen der Staatspolizeistelle Kassel und monatliche Lageberichte derselben. Band 11. 1935. 165/3982. RP Kassel. Betr. Störung der Öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Band 10. März bisJuli 1933; Band 11.August 1933 - Oktober 1933; Band 12. Oktober 1933 bis Februar 1934; Band 13. Vom März 1934 bis August 1934. 165/6985. Waffenfunde bei ehr. Knöchel, KPD, und Genossen in Kassel, 1931-1933 180 Wolfhagen 2329. Durchführung der Verordnung zum Schutz von Volk und Staat vom 28.2.1933; Maßnahmen gegen marxistische u.a. Organisa- tionen; Schutzhaft [...]. 1933-1939. 180 Hersfeld 9408. Mdl an die RP u. den PP Berlin vom 29.5.1933 betr. Vernehmung in polizeilichem Gewahrsam befindlicher Personen durch Angehörige der SA und SS. 285 180 Hersfeld 9411. Organisation der politischen Polizei. 1933-1938. 180 Melsungen 3729. Betr. Landerziehungsheim Walkemühle 1932-1937. Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden Dokumentation des biographisch aufgebauten Forschungsprojektes zu Ver- folgung und Widerstand in Hessen. Spruchkammerakten. Staatsanwaltschaft Kassel Geschichtlich wertvolle Akten. Urteil der Strafkammer 111 des Landgerichts Kasselgegen August A. vom 5.Juni 1951 wegen Körperverletzung im Amte. HessischesJustizministerium Wiesbaden Regierungspräsidium Kassel/Darmstadt. Akten zur Entschädigung und Wiedergutmachung. Stadtarchiv Kassel Best. A.5.55 (Betreuungsstelle). Bundesarchiv Abt. 111. Außenstelle Berlin-Zehlendoif (ehemals Berlin Document Center) Rasse- und Siedlungshauptamt. Personalbögen. NSDAP-Kartei. Pfarramt Guxhagen Akten der Pfarrei Breitenau im Kirchenkreis Melsungen. JVA Kassel[-WehlheidenJ Archiv Tagesbericht des Polizeigefängnisses in Kassel vom 30.3. - 16.6.1933. Akte Schutzhaftgefangene. Privatsammlung Kurt Pappenheim. Schmalkalden Nachlaß Ludwig Pappenheim. Gemeindearchiv Oberkaufungen XVIII,l. Archiv Gedenkstätte Breitenau Gespräche mit Zeitzeugen, Aufzeichnungen und nachgelassene Dokumente: Notiz über ein Gespräch mit Frau MarthaBeyJuJenger in Kassel (1981). Beiz, Willi: Politische Lebensgeschichte. Persönliche Aufzeichnungen 1979/1980. 286 Notiz über ein Gespräch mit Wilhelm und Frau Schäfer (Schwiegersohn bzw. Tochter von F. Bente) in Holzhausen (1987). Notiz über ein Gespräch mit Marcin Blaszczak (1981) in Asbach/Kreis Bad Hersfeld. Notiz über ein Gespräch mit Bernhard Boczkowski in Kassel (1981). Notiz über ein Gespräch mit Heinrich Bolte (Sohn von Georg Bolte) In Lohfelden (1987). Notiz über ein Gespräch mit Ernst Ehmer in Kassel (1982). Notiz über ein Gespräch mit Friedrich Eisenacher in Kassel (1987). Notiz über ein Gespräch mit Frau Käte Funkenstein [über Kurt Finkenstein ] in Kassel (1982). Notiz über ein Gespräch mit RudolfFreidhoj' in Kassel (1980). Notiz über ein Gespräch mit Otto Haferburg in Kassel (1981). Notiz über ein Gespräch mit Franz Heil in der Gedenkstätte Breitenau (1987). Notiz über ein Gespräch mit Frau Martha Herbordt in Kassel (1982). Notiz über ein Gespräch mitJustus Hochrath in Kassel (1982). Notiz über ein Telefongespräch mit Erwin Köhler aus Kassel (1991). Notiz über ein Gespräch mit Karl Kramm (Sohn von Georg Kramm) In Guxhagen (1983). Küllmer, Karl: Nachgelassene Dokumente. Notiz über ein Gespräch mit Walter Leng und Frau Leng in Kassel (1981). Notiz über ein Gespräch mit Friedrich Loose in Nieder-Elsungen (1984). Notiz über ein Gespräch mit Hans Minkler in Altenritte (1980). Notiz über ein Gespräch mit KurtPappenheim in Schmalkalden (1985). Gedächtnisprotokoll von Willi Hierdes über die eintägige Festnahme von Fritz Raabe in Breitenau. Aufgezeichnet am 1.8.1995 und schriftlich mit- geteilt an Vf von Herrn Karl Cöster, Breuna. Notiz über ein Gespräch mit Heinrich Rüffer in Kassel (1995). Notiz über ein Gespräch mitJosefMüller (Schwiegersohn von August Schäfer) in Lohfelden (1987). Notiz über ein Gespräch mit Frau Wagner (Tochter von Heinrich Siebert) in Kassel (1982). Notiz über ein Gespräch mit Helmut Vaugt (dem Sohn von Karl Vaugt) in der Gedenkstätte Breitenau (1993). Notiz über ein Gespräch mit Hermann Weymann in Kassel (1981). Notiz über ein Gespräch mit Frau Dora Zimmermann in Kassel (1981). Korrespondenzen: Schriftliche Mitteilung von Dr. med. F. Achler, Neuental-Zimmersrode (1989). Schriftliche Mitteilung von Frau Bambey, Kulturbeauftragte der Gemeinde Frielendorf (1995). 287 Stellungnahme von Frau OStR Brigitte Boesch, Dipl.-Ökotrophologin (1996). SchriftlicheMitteilungen von Heinz Brandt, Stadtarchivarin Frankenberg (1995). Schriftliche Auskunft von Barbara Distel, Leiterin der KZ-Gedenkstätte Dachau (1995,1996). Schriftliche Mitteilung des Landeskirchlichen Archivs der Evangelischen Kir- che von Kurhessen-Waldeck (1997). Schriftliche Mitteilung des Stadtarchivs Gelnhausen (1997). Schriftliche Mitteilung von Johannes Grötecke, Bad Wildungen (1992). Schreiben des HHStA Wiesbaden (Dr. Eiler) (1992). Schriftliche Mitteilung von Frau Höppner (1995). Schriftliche Mitteilungvon Frau Dr. Renate Hoer, GDCh Frankfurt a.M. (1997). Schriftliche Mitteilung von Herrn Manfred Hülsebruch, Stadtarchiv Bad Wildungen (1997). Schriftliche Mitteilung von Heinrich Kleinschmidt, Hessisch Lichtenau (1989). Schriftliche Mitteilungen von Kurt Pappenheim, Schmalkalden (1995). Schriftliche Mitteilungen der Familie Treibert, Schwalmstadt (1991, 1995). Dokumentationen Richter, Gunnar: Ton-Dia-Reihe »Der Umgang mit der nationalsozialisti- schen Zeit - Eine lokale Studie über ein Verbrechen der Endphase des Zweiten Weltkriegs. Methoden des Recherchicrens« (Staatsexamensarbeit Gesamthochschule Kassel 1981). Schutzhaftgefangene des Konzentrationslagers Breitenau 1933/1934. Namen, Geburtsdaten, Geburtsorte, Wohnorte, Berufe, Haftzeiten. Alphabetisch und nach Kreisen zusammengestellt von Dietfrid Krause-Vilmar. Kassel 1987. Schutzhaftgefangene des Konzentrationslagers Breitenau 1933/1934. Eine quellenorientierte Dokumentation. 4 Bände. Kassel 1997. Universität Kassel GHK: Inforrnationsstelle Nationalsozialismus in Nordhessen Sammlung Georg Merle. 11Gedruckte Quellen Amtsblatt der Regierung zu Kassel 1933. Bericht über die Ergebnisse der Verwaltung des Bezirksverbandes des Regie- rungsbezirks Kassel 1932-1936; hier: Bericht über das Jahr 1933. Bericht von Christian Wicke über seine Haftzeit in Breitenau. In: Ulrich Schneider (Hg): Hessen vor 50 Jahren. Frankfurt a.M. 1983,74 ff. 288 Klein, Thomas (Hg.): Die Lageberichte der Geheimen Staatspolizei über die Provinz Hessen-N assau 1933-1936. Mit ergänzenden Materialien heraus- gegeben, eingeleitet und erläutert von Thomas Klein. (=Veröffentli- chungen aus den Archiven preußischer Kulturbesitz, Band 22/1 und 22/11) Köln - Wien 1986. Klein, Thomas (Hg.): Der Regierungsbezirk Kassel 1933 - 1936. Die Berichte des Regierungspräsidenten und der Landräte. Herausgegeben und einge- leitet von Thomas Klein. Zwei Teile. (=Quellen und Forschungen zur hessischen Geschichte. Herausgegeben von der Historischen Kommission Darmstadt und der Historischen Kommission für Hessen, 64) Darmstadt und Marburg 1985. Ministerial-Blatt für die Preußische innere Verwaltung. Herausgegeben vom Preußischen Ministerium des Innern. Berlin. Teil I (Allgemeine Polizei-, Kommunal-, Wohlfahrts- usw. Angelegenheiten) 94 (1933). Reichsgesetzblatt I (1933). Verhandlungen des Kommunallandtags für den Regierungsbezirk Kassel am 5. April 1933. 111 Literatur vor 1945 Arbeiter Illustrierte Zeitung 15. Jg., Nr. 27 vom 1.7.1936. »Berlin ruft zur Olyrnpiade«, Braunbuch über Reichstagsbrand und Hitlerterror. Faksimile-Nachdruck der Originalausgabe von 1933. Frankfurt a.M. 1978. Gemeindelexikon für die Provinz Hessen-Nassau. AufGrund der Materialien der Volkszählung vom 2. Dezember 1895 und anderer amtlicher Quellen bearbeitet vom Königlichen statistischen Bureau. Berlin 1897. Die Geschichte der Kurhessischen SA. Herausgegeben von der SA-Standarte 47 (Kassel). Schriftleitung: SA-Truppführer Karl Poppe. [2. Auflage] Kas- sei 1935. Geschichte der Jüdischen Gemeinde Kassel - unter Berücksichtigung der Hessen-Kasseler Gesamtjudenheit. Hgg. von der Israelitischen Gemeinde Kassel. Band I. Kassel 1931 [Verfasser: R. Hallo und J. Dalberg]. Handbuch für den Gau Kurhessen der NSDAP. Im Auftrag der Gauleitung Kurhessen bearbeitet vom Gaupresseamt. Kassel 1934. Handbuch für den Preußischen Landtag. Ausgabe für die 4. Wahlperiode (von 1932 an). Berlin (Juni) 1932. Handbuch für den Preußischen Landtag. Ausgabe für die 5. Wahlperiode (von 1933 an). Herausgegeben von E. Kienast. Berlin (Anfang Mai) 1933. Hersfelder Zeitung (1933). Hessische Post (1945). Hessische Volkswacht 4 (1933) - 5 (1934). 289 Kasseler Neueste Nachrichten 23 (1933). Kasseler Post 51 (1933),52 (1934). Konzentrationslager. Ein Appell an das Gewissen der Welt. Ein Buch der Greuel. Die Opfer klagen an. Dachau - Brandenburg - Papenburg - Königstein - Lichtenburg - Colditz - Sachsenburg - Moringen - Hohn- stein - Reichenbach - Sonnenburg. Karlsbad 1934. Kurhessische Landeszeitung 5 (1934). Landau, G.: Beschreibung des Kurfürstentums Hessen. Cassel 1842. Melsunger Tageblatt 5 (1933). Meyers Lexikon. 8. Aufl. Leipzig 1939, Band 6. Meyers Orts- und Verkehrs-Lexikon. Leipzig und Wien 51912. Pappenheim, Ludwig: Die Sozialdemokratie im Kasseler Kommunallandtag und im Kreistag des Kreises Herrschaft Schmalkalden. 0.0. 0']. Rudolph, H. : Vollständigstes geographisch-topographisch-statistisches Orts- lexikon von Deutschland [...] Zürich 1868. Sperlings Zeitschriften- und Zeitungs-Adreßbuch. Handbuch der deutschen Presse. Die wichtigsten deutschen Zeitschriften und politischen Zeitun- gen Deutschlands, Österreichs und des Auslands. 57. Ausgabe. Leipzig 1931 und 59. Ausgabe. Leipzig 1935. Volksstimme. Organ für die werktätige Bevölkerung West-Thüringens. Schmalkalder Tageblatt. 32. Jg. (1919); später: Organ der Sozialdemokrati- sehen Partei. Schmalkalder Tageblatt. Amtsblatt der Kreiskommunal- verwaltung und der Städtischen Behörden. 15 Jg. (1933). Redaktion: Ludwig Pappenheim. IV Literatur nach 1945 (Auswahl) Abel, Karl-Dietrich: Presselenkung im NS-Staat. Eine Studie zur Geschichte der Publizistik in der nationalsozialistischen Zeit. Berlin 1968 Anatomie des SS-Staates. Hgg. von Hans Buchheim, Martin Broszat, Hans- AdolfJacobsen und Helmut Krausnick. 2 Bände. München 1967. Arbeitsgemeinschaft Spurensicherung des Kommunalen Jugendbildungswer- kes der Kreisstadt Korbach: Judenverfolgung in Korbach. Eine Dokumen- tation. Korbach 1989. Archiv der Stadt Kassel (Hg.): Kasseler Stadtverordnete der I. bis X. Wahlpe- riode (1946-1985). Lebensdaten. Zusammengestellt von Peter Heckwolf und Karl Neubauer unter Leitung von Frank-Roland Klaube [als Ms. vervielfältigt]. Kassel 1990. Arnsberg, Paul: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn. Band 1. Frankfurt a.M. 1971. Artzt, Heinz: Mörder in Uniform. Organisationen, die zu Vollstreckern natio- nalsozialistischer Verbrechen wurden. München 1979. 290 Ayaß, Wolfgang: Das Arbeitshaus Breitenau. Bettler, Landstreicher, Prostitu- ierte, Zuhälter und Fürsorgeempfänger in der Korrektions- und Landarmenanstalt Breitenau. Kassel 1992. Ayaß, Wolfgang: »Asoziale« im Nationalsozialismus. Stuttgart 1995. Ayaß, Wolfgang: Die Landesarbeitsanstalt und das Landesfürsorgeheim Brei- tenau, in: Richter, Breitenau, 21-49. Barthel, Karl: Die Welt ohne Erbarmen. Bilder und Skizzen aus dem K.Z. Greiffenverlag: Rudolstadt 1946. Beier, Gerhard: Arbeiterbewegung in Hessen. Zur Geschichte der hessischen Arbeiterbewegung durch einhundertfünfzigjahre (1834-1984). Frankfurt 1984. Belz, Willi: Soldat gegen Hitler. Ein Antikriegsbuch. Köln 1987. Belz, Willi: Die Standhaften. Über den Widerstand in Kassel 1933-1945. Ludwigsburg 1960. 2. Auflage Kassel 1978. Biereigel, Hans: Mit der S-Bahn in die Hölle. Wahrheiten und Lügen über das erste Nazi-KZ. Berlin 1994. Bracher/Sauer/Schulz: Die nationalsozialistische Machtergreifung. Band I (K.D. Bracher: Stufen der Machtergreifung) [zuerst 1960] Frankfurt- Berlin-Wien 1974. Bramsted, Ernest K.: Goebbels und die nationalsozialistische Propaganda. Frankfurt a.M. 1971. Broszat, Martin: Politische Denunziationen in der NS-Zeit: Aus Forschungs- erfahrungen im Staatsarchiv München. In: Archivalische Zeitschrift 73 (1977),221-238. Chronik der Gemeinde Nieste. Herausgegeben zum 1. Dorf- und Heimatfest 1972. Nachdruck der handgeschriebenen »Chronik der Gemeinde Nie- ste«. Kassel 1972. Deutsche Parlamentsdebatten. Band 11: 1919-1933. Hgg. von DetlefJunker. Hamburg 1971. Die Geschichte der jüdischen Gemeinde Korbach. Herausgegeben von der Kreisstadt Korbach - Stadtarchiv -. Korbach 1993. Dillmann,]./ Krause-Vilmar,D./ Richter,G.: Mauern des Schweigens durch- brechen. Die Gedenkstätte Breitenau (=Nationalsozialismus in Nordhes- sen. Schriften zur regionalen Zeitgeschichte, 9) Kassel 1986. »Doch die Freiheit, die kommt wieder!« NS-Gegner im württembergischen Schutzhaftlager DIrn 1933-1935. Stuttgart 1994. Döhn, Lothar: Presse und Nationalsozialismus in Kassel, in: Volksgemein- schaft und Volksfeinde. 11, 58 - 95. Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte. Hgg. von Ernst Rudolf Huber. Band 1. Deutsche Verfassungsdokumente 1803-1850. Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 31978. 291 Drobisch, Klaus/ Wieland, Günther: System der NS-Konzentrationslager 1933-1939. Berlin 1993. Drobisch, Klaus: Hinter der Torinschrift -Arbcit macht freie Häftlingsarbeit, wirtschaftliche Nutzung und Finanzierung der Konzentrationslager 1933 bis 1939. In: Hermann Kaienburg (Hg.): Konzentationslager und deutsche Wirtschaft 1939-1945. Opladen 1996,17-27. Drobisch, Klaus: Zeitgenössische Berichte über Nazikonzentrationslager 1933-1939. In: Jahrbuch für Geschichte 26 (1982),103-133. Erinnern an Breitenau 1933-1945. Eine Ausstellung historischer Dokumente. Herausgegeben von der Gesamthochschule Kassel. Fachbereich Erzie- hungswissenschaft/Humanwissenschaften. Projektgruppe Breitenau. U. Deuker, D. Krause-Vilmar, H. Mehner, R. NoBe, W. Prinz, G. Richter, W. Tiegel. Kassel 41984. Evangelisches Pfarramt Guxhagen-Breitenau (Hg.): Kloster Breitenau. Mel- sungen o.J. Feldner, Claus und Wieden, Peter: Harleshausen wie es früher war. Photogra- phien und Geschichten. Gudensberg-Gleichen 1984. Fischer-Defoy, Christine: Arbeiterwiderstand in der Provinz. Arbeiterbewe- gung und Faschismus in Kassel und Nordhessen 1933-1945. Eine Fallstu- die. Berlin 1982. Flämig, Gerhard: Hanau im Dritten Reich. Band 11 (1933-1945). Verfolgung und Widerstand. Hanau 1987. Form, Wolfgang und Engelke, Rolf: »Hochverrat« - »Heimtücke« - »Wehr- kraftzersetzung«. Zur politischen Strafjustiz in Hessen. In: Knigge- Tesche, Renate und Ullrich, Axel (Hg.), Verfolgung und Widerstand in Hessen. Frankfurt a.M. 1996, 26-43. Frei, Norbert und Schmitz, Johannes: Journalismus im Dritten Reich, Mün- chen 1989. Fremde im eigenen Land. Beiträge zur Kultur- und Sozialgeschichte der Juden in den Kreisen Hofgeismar, Kassel,Wolfhagen und in der Stadt Kassel. Heraus- gegeben von Helmut Burmeister und Michael Dorhs. Hofgeismar 1985. Frenz, Wilhelm: Der Aufstieg des Nationalsozialismus in Kassel 1922 bis 1933. In: Werner Wolf! Antonio Peter (Hg.): Als es mit der Freiheit zu Ende ging. Studien zur Machtergreifung der NSDAP in Hessen. Wiesba- den 1990, S. 21-64. Fricke, Dieter u.a. (Hg.): Die bürgerlichen Parteien in Deutschland. Hand- buch der Geschichte der bürgerlichen Parteien und anderer bürgerlicher Interessenorganisationen. Vom Vormärz bis zum Jahre 1945. 2 Bände Leipzig 1968. Garbe, Detlef (Hg.): Die vergessenen KZs? Gedenkstätten für die Opfer des NS-Terrors in der Bundesrepublik. Bornheirn-Merten 1983. 292 Gedenkbuch. Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialisti- schen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945. Bearbeitet vom Bun- desarchiv Koblenz und dem ISD Arolsen. 2 Bände Koblenz 1986. Gellately, Robert : Gestapo und Terror. Perspektiven aufdie Sozialgeschichte des nationalsozialistischen Herrschaftssystems. In: -Sicherhei« und >Wohl- fahrt<. Polizei, Gesellschaft und Herrschaft im 19. und 20. Jahrhundert. Hrgg. von AlfLüdtke. Frankfurt a.M. 1992,371-392 . Giebeler, Karl/ Lutz, Thomas/ Lechner, Silvester (Hg.): Die frühen Konzen- trationslager in Deutschland. Austausch zum Forschungsstand und zur pädagogischen Praxis in Gedenkstätten. (= Protokolldienst 12/96 der Evangelischen Akademie Bad Boll). Bad Boll 1996. Graf: Christoph: Politische Polizei zwischen Demokratie und Diktatur. Die Entwicklung der preußischen Politischen Polizei vom Staatsschutzorgan der Weimarer Republik zum Geheimen Staatspolizeiamt des Dritten Rei- ches. Berlin 1983 (=Einzelveröffentlichungen der Historischen Kommis- sion zu Berlin, Band 36). Grünewald, Paul: KZ Osthofen. Material zur Geschichte eines fast vergesse- nen Konzentrationslagers. Frankfurt a.M. 1979. Grünewald, Paul: Das KZ Osthofen. In: Eike Hennig (Hg.): Hessen unterm Hakenkreuz. Studien zur Durchsetzung der NSDAP in Hessen. Frankfurt 1983, 503 ff. Gutachten des Instituts für Zeitgeschichte. München 1958. Hagemann, Jürgen: Die Presselenkung im Dritten Reich. Bonn 1970. HaIe, Oron ].: Presse in der Zwangsjacke 1933-1945. Düsseldorf1965. Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstands und der Verfol- gung 1933-1945. Hrsg. vom Studienkreis Deutscher Widerstand. Band 1/1. Hessen 1. Regierungsbezirk Darmstadt. Autorinnen: Ursula Krause- Schmitt, Jutta von Freyberg. (Neuausgabe) Frankfurt a.M. 1995. Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstands und der Verfol- gung 1933-1945. Hgg. vom Studienkreis Deutscher Widerstand. Band 1/2. Hessen 11. Regierungsbezirke Gießen und Kassel. Autorinnen: Ursula Krause-Schmitt, Jutta von Freyberg, Friedrich Wehe. Frankfurt a.M. 1996. Heimatkalender Kreis Kassel, herausgegeben vom Lehrer-Arbeitskreis für Heimatkunde 3 (1952) [Nachrufauf Landrat Karl Herrmann], 95. Hein, Martin: Das Jahr 1933 in der Evangelischen Landeskirche in Hessen- KasseI. In: Jahrbuch der Hessischen Kirchengeschichtlichen Vereinigung 44 (1993), 155-166. Hein, Martin (Hg.): Kirche im Widerspruch. Die Rundbriefe des Bruderbun- des Kurhesssicher Pfarrer und der Bekennenden Kirche Kurhessen-Wal- deck 1933-1935. Darmstadt 1996. Hessen unterm Hakenkreuz. Studien zur Durchsetzung der NSDAP in Hes- sen. Hgg. von Eike Hennig u.a. Frankfurt a.M. 1983. 293 Hessische Nachrichten, Kassel. Hett, Ulrike und Tuchel, Johannes: Die Reaktionen des NS-Staates auf den Umsturzversuch vom 20. Juli 1944. In: Steinbach,PeterlTuchel,Johannes (Hg.), Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Bonn 1994,377-390. Historisches Ortslexikon für Kurhessen. Bearbeitet von Heinrich Reimer. Marburg 1974 [Neudruck der 1. Ausgabe Marburg 1926]. Hofmann, Susanne: In Memoriam - Marcin Blaszczak. In: Rundbrief 10 des Vereins zur Förderung der Gedenkstätte und des Archivs Breitenau. Kassel 1991,3-5. Honikel, Karl: Verfolgung, Verteibung und Vernichtung 1933-1945. Der Untergang der jüdischen Gemeinde Schenklengsfeld. In: Geschichte der Jüdischen Gemeinde Schenklengsfeld. Schenklengsfeld 1988, S. 201-250, hier: S.221-223 (Der Fall Norbert Weil). Ibach, Karl: Kemna. Wuppertaler Konzentrationslager 1933-1934. 3. Auflage Wuppertal 1981 [zuerst 1948 u.d.T. Kemna. Wuppertaler Lager der S.A.1933]. Jenner, Harald: Konzentrationslager Kuhlen 1933. Rickling 1988. Kaienburg, Hermann (Hg.): Konzentrationslager und deutsche Wirtschaft 1939-1945. Opladen 1996. Kammler, Jörg: Ich habe die Metzelei satt und laufe über ... Kasseler Soldaten zwischen Verweigerung und Widerstand (1939-1945). Eine Doku- mentation. 2. verb. Aufl. Kassel 1985. Kammler, Jörg: Nationalsozialistische Machtergreifung und Gestapo - am Beispiel der Staatspolizeistelle für den Regierungsbezirk Kassel. In: Hessen unterm Hakenkreuz, 506-535. Kammler, Jörg: Widerstand und Verfolgung - illegaleArbeiterbewegung, soziali- stische Solidargemeinschaft und das Verhältnis der Arbeiterschaft zum NS- Regime. In: Volksgemeinschaft und Volksfeinde, Band 2, 325-387. Kieserling, Manfred: Faschisierung und gesellschaftlicher Wandel. Mikro- analyse eines nordhessischen Kreises 1928 - 1935. Wiesbaden 1991. Kindt, Walter (Hg.): Die deutsche Jugendbewegung 1920 bis 1933. Die bün- dische Zeit. Quellenschrift [=Dokumentation der Jugendbewegung 111]. Düsseldorf, Köln 1974. Klein, Thomas (Hg): Leitende Beamte der allgemeinen Verwaltung in der preußischen Provinz Hessen-Nassau und in Waldeck 1867-1945 (=Quel- len und Forschungen zur hessischen Geschichte. Herausgegeben von der Historischen Kommission Darmstadt und der Historischen Kommission für Hessen, 70). Darmstadt und Marburg 1988. Klein, Thomas: Zur Geschichte der Kasseler Eingemeindungen. In: Hess. Jahrb. fLandesgeschichte 36 (1986),317-349. Klein, Thomas (Bearb.): Grundriß zur deutschen Verwaltungsgeschichte 1815-1945. Reihe A: Preußen. Band 11. Marburg 1979. 294 Knigge- Tesche, Renate und Ullrich, Axel (Hg.): Verfolgung und Widerstand in Hessen. Frankfurt a.M. 1996. Konzentrationslager Dachau 1933-1945. Katalog. 6. Autlage 0.0. 1978. Kosthorst, Erich und Walter, Bernd: Konzentrations- und Strafgefangenen- lager im Dritten Reich. Beispiel Emsland. Band 1. Düsseldorf 1983. Krause-Vilmar, Dietfrid: Hitlers Machtergreifung in der Stadt Kassel. In: Volksgemeinschaft und Volksfeinde Band 2, 13-36. Krause-Vilmar, Dietfrid: Das Konzentrationslager Breitenau in Guxhagen bei Kassel 1933/34. In: Werner WolflAntonio Peter (Hg.): Als es mit der Freiheit zu Ende ging. Studien zur Machtergreifung der NSDAP in Hes- sen. Wiesbaden 1990, 211 - 233. Krenkel, Eva-Maria und Nürnberger, Dieter u.a.: Lebensskizzen kriegsgefan- gener und zwangsverptlichteter Ausländer im Raum Fritzlar-Ziegenhain 1940-1943 (=Nationalsozialismus in Nordhessen, Heft 6). Kassel 1985. Kropat, Wolf-Arno: Kristallnacht in Hessen. Das Judenpogrom vom Novem- ber 1938. Eine Dokumentation. Wiesbaden 1988. Kühnl, Reinhard: Formen bürgerlicher Herrschaft. Liberalismus. Faschismus. Hamburg 1971. Kurhessische und waldeckische Zeitungen bis 1945 in Mikroform. Verfilmte Zeitungsbestände in der Universitätsbibliothek Marburg, der Gesamt- hoch- schulbibliothek Kasselund der Landesbibliothek Fulda. Ein Katalog(= Schrif- ten der Universitätsbibliothek Marburg, Bd. 60; Hessische Forschungen zur geschichtlichen Landes- und Volkskunde, Bd. 24). Marburg und Kassel 1992. KZ Moringen. Männerlager, Frauenlager, ]ugendschutzlager. Eine Doku- mentation. Herausgegeben von der Gesellschaft für jüdisch-christliche Zusammenarbeit Göttingen e.V. und dem Evangel.-Iutherischen Pfarramt Göttingen 0']. [1983]. Lechner, Silvester: Das KZ Oberer Kuhberg und die NS-Zeit in der Region Ulm/Neu-Dlm. Stuttgart 1988. Lee van Dovski [i.e. H. Lewandowski]: Eros der Gegenwart. Quasi ein 111. Band von »Genie und Eros«, Neuer Pfeil-Verlag. Genf 1952, S. 94 - 108 [Biographische Skizze Kurt Finkensteins]. Lengemann, Jochen: Das Hessen-Parlament 1946-1986. Biographisches Handbuch des Beratenden Landesausschusses, der Verfassungberatenden Landesversammlung Groß-Hessens und des Hessischen Landtags 1.-11. Wahlperiode. Hgg. vom Präsidenten des Hessischen Landtags. Frankfurt a.M.1986. Löber, Ralf: Das Benediktinerkloster Breitenau. In: Richter, Gunnar(Hg): Breitenau. Zur Geschichte eines nationalsozialistischen Konzentrations- und Arbeitserziehungslagers. Kassel 1993, 16-20. M.d.R. Die Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik in der Zeit des Nationalsozialismus. Politische Verfolgung, Emigration und Ausbürge- 295 rung 1933-1945. Eine biographische Dokumentation. Bearbeitet von Ka- tharina Lübbe und Martin Schumacher. Düsseldorf 1991. Mann, Frank-Matthias: Über das Verschwinden der Jüdischen Gemeinde Guxhagen. In: Rundbrief 10 des Vereins zur Förderung der Gedenkstätte und des Archivs Breitenau. Kassel 1991, 12-17. Mann, Frank-Matthias: Liste der als Juden verfolgten Häftlinge Breitenaus 1933 - 1945. In: Rundbrief 9 des Vereins zur Förderung der Gedenkstätte und des Archivs Breitenau. Kassel 1991,20-33. Matzerath, Horst: Nationalsozialismus und kommunale Selbstverwaltung. Stuttgart 1970. Morsch, Günter (Hg.): Konzentrationslager Oranienburg. (= Schriftenreihe der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten Nr. 3) Berlin 1994. Müller, Karlheinz: Preußischer Adler und Hessischer Löwe. Hundert Jahre Wiesbadener Regierung 1866-1966. Dokumente der Zeit aus den Akten. Wiesbaden 1966. Namen und Schicksale der Juden Kassels 1933-1945. Ein Gedenkbuch. Her- ausgegeben vom Magistrat der Stadt Kassel. Bearbeitet von Wolfgang Prinz und Beate Kleinert. Kassel 1986. Noll, Christof: Kloster Breitenau. In: Zeitschrift für Hessische Geschichte und Landeskunde 92 (1987),27-41. NS-Presseanweisungen der Vorkriegszeit. Edition und Dokumentation. Band 1: 1933. München-NewYork-London-Paris 1984. Ortner, Helmut: Roland Freisler - Mörder im Dienst Hitlers. Göttingen 1995. Perk, Willy: Hölle im Moor. Zur Geschichte der Emslandlager 1933-1945. Frankfurt a.M. 1979. Pingel, Falk: Häftlinge unter SS-Herrschaft. Widerstand, Selbstbehauptung und Vernichtung in NS-Konzentrationslagern. Hamburg 1978. Prinz, Wolfgang: Die Judenverfolgung in Kassel. In: Volksgemeinschaft und Volksfeinde, Band 2, 144-222. Quellen zu Widerstand und Verfolgung unter der NS-Diktatur in hessischen Archiven. Übersicht über die Bestände in Archiven und Dokumentations- stellen. Bearb. v. Herbert Bauch, Volker Eichler, Ulrich Eisenbach, Rolf Engelke und Wolfgang Form. Wiesbaden 1995. Richardi, Hans-Günther: Schule der Gewalt. Die Anfange des Konzentra- tionslagers Dachau 1933-1934. Ein dokumentarischer Bericht. München 1983. Richter, Gunnar: Recherchen zur Ermordung von sechs polnischen Gefange- nen von Breitenau in Herzhausen bei Vöhl. In: Rundbrief des Förderver- eins Breitenau Nr. 16. Kassel 1997, 47-57. 296 Richter, Gunnar (Hg): Breitenau. Zur Geschichte eines nationalsozialisti- schen Konzentrations- und Arbeitserziehungslagers. Mit Beiträgen von Wolfgang Ayaß, Ralf Löber und G. Richter. Kassel 1993. Schilde, Kurt/Tuchel, Johannes: Columbia-Haus. Berliner Konzentrationsla- ger 1933-1936. Berlin 1990. Schön, Eberhart: Die Entstehung des Nationalsozialismus in Hessen. Meisen- heim am Glan 1972. (=Mannheimer Sozialwissenschaftliche Studien. Hgg. v. Hans Albert, Martin Irle u.a., Band 7). Schröder, Wilhelm Heinz: Sozialdemokratische Parlamentarier in den deut- schen Reichs- und Landtagen 1867-1933. Biographien - Chronik - Wahl- dokumentation. Ein Handbuch. (=Handbücher zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, hrsg. von RudolfMorsey, Gerhard A. Ritter und Klaus Tenfelde, Band 7) Düsseldorf 1995. Schüler,Justus: Schulrat des Kreises Hofgeismar. In: Schulrat Heinrich Grupe 80 Jahre. Ein Leben für die Schule. Hrsg. v. der Volkshochschule des Kreises Hofgeismar e.V. Verbindung mit dem Kreislehrerverein. Melsun- gen 1958, 64 ff Schwarz, Gudrun: Die nationalsozialistischen Lager. Überarb. Ausgabe Frankfurt a.M. 1996. Schwarz, Max :MdR. Biographisches Handbuch der Reichstage. Hannover 1965 Segev, Tom: Die Soldaten des Bösen. Zur Geschichte der KZ-Kommandan- ten. Aus dem Amerikanischen. Reinbek 1992. Slenczka, Hans: Die evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck in den Jahren 1933 bis 1945. Göttingen 1977. So begann es 1933. Naziterror und erster Widerstand in Hanau Stadt und Land. (=Hanauer Hefte, 2). Hrg. v. d. VVN - Kreis Main-Kinzigo.O. 0.]. Sonn, Naftali Herbert und Berge, Otto: Schicksalswege der Juden in Fulda und Umgebung. Fulda 1984. Sonn, Naftali Herbert: Geschichtliche Wahrheit und Verantwortung - Schick- sale der Juden in der Epoche der nationalsozialistischen Herrschaft, beson- ders in der Stadt Fulda. In: Fuldaer Geschichtsblätter 54 (1978), Nr. 5. Sösemann, Bernd und Schulz, Michael: Nationalsozialismus und Propaganda. Das Konzentrationslager Oranienburg in der Anfangsphase totalitärer Herrschaft. In: Günter Morsch (Hg.): Konzentrationslager Oranienburg. Berlin 1994, 78-94. Stokes, Lawrence D.: Das Eutiner Schutzhaftlager. Zur Geschichte des -wil- den- Konzentrationslagers Eutin. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 27 (1979), S. 570-625. Suhr, Elke: Konzentrationslager - Justizgefangenenlager - Kriegsgefangenen- lager im Emsland 1933-1945. In: Verfolgung - Ausbeutung - Vernichtung. Die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Häftlinge in deutschen Konzen- 297 trationslagern 1933- 1945. Hrsg. von Ludwig Eiber. Hannover 1985, 66- 89. Suhr, Elke u. Boldt, Werner : Lager im Emsland 1933-1945. Geschichte und Gedenken. Oldenburg 1985. Tappe, Joachim: Die Geschichte der Arbeiterbewegung in Witzenhausen. Herausgegeben zum Anlaß des 100-jährigen Bestehens des SPD-Ortsver- eins Witzenhausen. Witzenhausen 1984. TucheI, Johannes: Konzentrationslager. Organisationsgeschichte und Funk- tion der »Inspektion der Konzentrationslager« 1934 - 1938. Boppard 1991. Übel, Rolf Das Landauer Schutzhaftlager (März bis Juli 1933). In: Heimat- Jahrbuch des Landkreises Südliche Weinstraße 11 (1989),47-50. Verzeichnis der Haftstätten unter dem Reichsführer-SS (1933-1945). Kon- zentrationslager und deren Außenkommandos, sowie andere Haftstätten unter dem Reichsführer-SS in Deutschland und deutsch besetzten Gebie- ten. Herausgegeben vom ISO. Arolsen 1979. Vötterle, Karl: Haus unterm Stern. Ein Verleger erzählt. Kassel 1969. Volksgemeinschaft und Volksfeinde. Herausgegeben von Järg Kammler und Dietfrid Krause-Vilmar. Band 1: Eine Dokumentation. Band 2: Studien. Kassel 1984 und 1987. Weber, Hermann: Die Wandlung des deutschen Kommunismus. Band 2 Frankfurt 1969. Wer war Wer in der DDR? Ein biographisches Handbuch. Herausgegeben von Bernd-Rainer Barth u. a. Frankfurt a.M. 1995. »... werden in Kürze anderweit untergebracht ....« Das Schicksal der Fuldaer Juden im Nationalsozialismus. Eine Dokumentation. Herausgegeben von Gerhard Renner, Joachim Schulz und RudolfZibuschka. Fulda 1990. Wieden, Peter und Feldner, Claus: Niederzwehren wie es früher war. Ein Bilder- und Lesebuch. Gudensberg-Gleichen 1986. Wiegand, Werner: Sozialdemokraten in Immenhausen. Ein Beitrag zur Ge- schichte der Arbeiterbewegung. Teil 2. Immenhausen 1990. Wieland, Lothar: Die Konzentrationslager Langlütjen 11 und Ochtumsand. Bremerhaven 1992. Wi ttfogeI, Karl August: Staatliches Konzentrationslager VII. Eine Erziehungs- anstalt im Dritten Reich. Roman. Mit einem Nachwort von Joachim Radkau. Bremen 1991. Wollenberg, Jörg: Vom Auswandererlager zum KZ. Zur Geschichte des Bre- mer Konzentrationslagers Mißler. In: Zwangsarbeit, Rüstung, Widerstand 1931-1945. Beiträge zur Sozialgeschichte Bremens, Heft 5. Hgg. v. Wiltrud Drechsel, Heide Gerstenborger. Christian Marzahn. Bremen 1982, 85- 150. 100 Jahre Jugendheim Karlshof 1886-1986. Eine Chronik. Zusammengestellt von Ernst Bässe. Kassel 1986. 298 Die folgenden Staatsexamensarbeiten der Universität Gesamthochschule Kassel sind in der Bibliothek der Universität ausleihbar: Gruska, Ellen/Nentwig, Monika: Kurt Finkenstein. Ein Leben für die Befrei- ung der Menschheit (1893-1944) (bei D. Krause-Vilmar) 1984. Meier, Sigrun: Roland Freisler - Materialien zu einer politischen Biographie. Staatsexamensarbeit Gesamthochschule Kassel (bei Prof Dr. Kammler) 1976. Relke, Jürgen: Justiz als politische Verfolgung. Rechtsprechung des Landge- richts und des Sondergerichts Kassel bei »Heimtücke«-Vergehen und in »Rassenschande«- Fällen 1933 - 1945 - unter besonderer Berücksichtigung des »Rassenschandeprozcsses« gegen Werner Holländer. Staatsexamens- arbeit Gesamthochschule Kassel (bei Prof Dr. J. Kammler) 1983. Richter, Gunnar: Der Umgang mit der nationalsozialistischen Zeit - Eine lokale Studie über ein Verbrechen der Endphase des Zweiten Weltkriegs. Methoden des Recherchierens. Staatsexamensarbeit Gesamthochschule Kassel (bei D. Krause-Vilmar) 1981. Bildnachweise Bei den Abbildungen ist in der Regel der Nachweis in der jeweiligen Legende aufgeführt. Im folgenden werden einige bislang nicht aufgeführte Nachweise nachgetragen: Seite I: Kurt Finkenstein, Karl Küllmer (Archiv Gedenkstätte Breitenau); Paul Pickel (Stadtarchiv Frankenberg); Friedrich Herbordt (von privater Seite). Seite11: Von privater Seite. Seite 111: Fritz Precht, Heinrich Treibert, Karl-August Quer (von privater Seite); Karl Herrmann [Heimatkalender Kreis Kassel 3 (1952),95]. SeiteIV: Von privater Seite. Seite V: Karl Ritter, Adam und Elisabeth SeIbert (von privater Seite); Rudolf Freidhof (Die Volksvertretung - Handbuch des Deutschen Bundestags. Stuttgart 1949,365). Seite VI: Von privater Seite. Seite VII: Von privater Seite. Seite VIII: Die Postkarte entdeckte Gunnar Richter (Gedenkstätte Breitenau) im Jahre 1997 aufeinem Kasseler Flohmarkt. - Das Bild von der Verhaftung Valentin Gabeis (von privater Seite). 299 Abkürzungen A.A.- Antifaschistische Aktion BDC- Berlin Document Center Bgmstr- Bürgermeister HHStA Wbdn- Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden HN- Hessische Nachrichten HNA- Hessischel Niedersächsische Allgemeine HStA Mbg- Hessisches Staatsarchiv MarburgiLahn IAH - Internationale Arbeiterhilfe ISK- Internationaler Sozialistischer Kampfbund ]VA - ] ustizvollzugsanstalt KJVD- Kommunistischer ]ugendverband Deutschlands KPD- Kommunistische Partei Deutschlands KZ - Konzentrationslager LG - Landgericht LKPA- Landeskriminalpolizeiamt (Sitz in Berlin) LR- Der Landrat in ... LWV Hessen- Landeswohlfahrtsverband Hessen (Sitz in Kassel) MdI- Der Innenminister MdL- Mitglied des Landtags MdR- Mitglied des Reichstags OLG- Oberlandesgericht OP- Der Oberpräsident (der preußischen Provinz Hessen-Nassau; Sitz in Kassel) pp Kassel - Der Polizeipräsident in Kassel pr- preußisch/elr RA- Rechtsanwalt RdErl.- Runderlaß RegBez. - Regierungsbezirk RGBI- Reichsgesetzblatt RFB- Roter Frontkämpferbund RGO- Revolutionäre Gewerkschafts-Opposition RHD- Rote Hilfe Deutschland RP (Kassel) - Der Regierungspräsident (in Kassel) SPD- Sozialdemokratische Partei Deutschlands StA Kassel - Stadtarchiv Kassel 300 Sacherklärungen Aktion Gewitter Die sogenannte »Aktion Gewitter« war eine groß angelegte Verhaftungsaktion im Rahmen des Staatsterrors nach dem 20. Juli 1944. Über 6000 ehemalige Man- datsträger und Abgeordnete aus SPD, KPD, Zentrum und Bayerischer Volkspar- tei - die Gestapo hatte bereits 1935 mit der Anlage einer Kartei von Personen begonnen, die »im Falle außerordentlicher Ereignisse« sofort verhaftet werden sollten - verschwanden in Gefängnissen und Konzentrationslagern. Vgl.: Ulrike Hett/Johannes Tuchei: Die Reaktionen des NS-Staates aufden Umsturzversuch vom 20. Juli 1944, in: Peter Steinbach/Johannes Tuchel (Hg.) Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Bonn 1994, 377-390, hier 382 ( Antifaschistische Aktion (A.A.) Die »Antifaschistische Aktion« war ein im Mai 1932 von der KPD unternomme- ner Versuch, die Basis gegen den Nationalsozialismus, den »Kampf gegen den Faschismus« (z.B. durch Einheitsausschüsse, Mieterausschüsse, Erwerbslosen- ausschüsse, Bauernkomitees u.a.) zu verbreitern. Tatsächlich jedoch konnte diese Verbreiterung (allein schon wegen des Sozialfaschismus-Vorwurfs gegen die SPD) nicht gelingen; die A.A. blieb auf Kundgebungen und Aufrufe des kommunistischen Lagers beschränkt. Eiserne Front Die »Eiserne Front« (Drei parallel niederstoßende Pfeile als Zeichen) wurde am 16.12.1931 von SPD, Gewerkschaften und Arbeitersportvereinen gegen den zu- nehmenden Terror von rechts gegründet. Ihre erste Bewährungsprobe beim Preußenschlag (imjuli 1932) bestand sie nicht; sie war überhaupt der Skrupello- sigkeit der Nazibewegung nicht gewachsen. Nach der Zerschlagung der freien Gewerkschaften im Mai 1933 zerfiel der am 7.3.1933 verbotene Verband. Freidenker Liberale Bewegung der Aufklärungszeit, die den frei von religiösen und kirch- lichen Dogmen Denkenden meint. In der internationalen sozialistischen Arbei- terbewegung kam es seit Beginn des 20. Jahrhunderts zu einer -prolctarischcn. Freidenkerbewegung (in Deutschland zum .Bund proletarischer Freidenker.), die besonders in der Zeit der Weimarer Republik bei Anhängern sozialistischer und anarchistischer Parteien und Gruppen starken Zuspruch fand. Nicht zu- letzt ging es dabei auch um die Rolle von Kirche und Religion im öffentlichen Schulwesen. 301 sHeimtüclees Bereits am 21. März sorgte Hitler für eine Verordnung, die für oppositionelle Meinungsäußerungen hohe Strafen androhte. Es handelte sich um die -Vcrordnung des Reichspräsidenten zur Abwehr heimtückischer Angriffe gegen die Regierung der nationalen Erhebung. Vom 21. März 1933< [RGBI I (1933),135]. Der § 3 war einer der Willkür und der Denunziation Tür und Tor öffnenden -Rechts-bestirnmungen des Hitler-Staates; er blieb bis zum Ende 1945 in Kraft und lautete: »Wer vorsätzlich eine unwahre oder gröblich entstellte Behauptung tatsächlicher Art aufstellt oder verbreitet, die geeignet ist, das Wohl des Reichs oder eines Landes oder das Ansehen der Reichsregierung oder einer Landesregierung oder der hinter diesen Regierungen stehenden Parteien oder Verbände schwer zu schädigen, wird [...] mit Gefängnis bis zu zwei Jahren [...] bestrafi.« Im Dezember 1934 wurde diese Verordnung in ein Gesetz überführt und verschärft. Begleitet war die .Heimtückcc-Verordnung durch die Bildung von Sondergerichten. Internationale Arbeiterhilfe (IAH) Die »Intemationale Arbeiterhilfe« war eine von der Kommunistischen Internatio- nalen begründete Organisation, die 1921 einem Aufruf Lenins an die »Werktäti- gen der Industricländer« folgend für Hilfe angesichts der Hungerkatastrophe in der Sowjetunion sorgen sollte. Später ging es um Hilfe bei Naturkatastrophen, Wirtschaftskrisen und Massenstreiks. Internationaler Sozialistischer Kampj-Bund (ISK) Von dem Gättinger Philosophen Leonard Nelson im Jahre 1925 gegründete Vereinigung überwiegend von der sozialdemokratischen Linken kommender Sozialisten, die mit der Politik der SPD-Parteiführung unzufrieden waren. Der ISK war pädagogisch (z.T. -lebensreformerisch.) engagiert (z.B. Minna Specht und das Landerziehungsheim Walkemühle bei Melsungen) und seine Anhänger spielten bei den bildungspolitischen Nachkriegsplanungen in der Londoner Emi- gration eine bedeutende Rolle. Vgl. Klär, Karl-Heinz: Zwei Nelson-Bünde: In- ternationaler Jugend-Bund (IJB) und Internationaler Sozialistischer Kampf- Bund (ISK) im Licht neuer Quellen. In: IWK 18 (1982),310-360. Kampjbund gegen den Faschismus Der -Kampfbund gegen den Faschismus. trat an die Stelle des im Jahre 1929 verbotenen -Roten Frontkampferbundes- (RFB). Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold Das »Rcichsbanner Schwarz-Rot-Gold« wurde am 22.2.1924 in Magdeburg von führenden Funktionären der SPD zum Schutz der parlamentarischen Weimarer 302 Republik gegründet. Anfang der 30er Jahre gehörten ihm ca. eine Million Mit- glieder an, überwiegend Sozialdemokraten,jedoch auch Mitglieder des Zentrums und der Deutschen Staatspartei. Revolutionäre Gewerkschafts-Opposition (RGO) Die »Revolutionäre Gewerkschafts-Opposition« war eine Ende der 20erJahre von Kommunisten in den freien Gewerkschaften gebildete radikale Gegenbewegung zur sozialdemokratischen Gewerkschaftspolitik mit der Tendenz zur Umwand- lung in eine eigene Mitgliederorganisation (»Rote Einheitsverbände«). RoteHilfe Die »Rote Hilfe Deutschland« (RHD) wurde am 1.10.1924 von der KPD gegrün- det (1. Vors. Wilhelm Pieck; ab 1925 Clara Zetkin), um von der Justiz (»bürgerli- che Klassenjustiz«) Verfolgten materielle, juristische und moralische Unter- stützung zukommen zu lassen. In der Tat war die Justiz im Weimarer Staat auf dem rechten Auge blind, wie die zeitgenössischen (z.B. von Erich Gumbel, Otto Kirchheimer und Erich Fränkel) und spätere Untersuchungen (z.B. von Elisabeth und Heinrich Hannover) deutlich belegen. Die RHD wurde z.B. von Albert Einstein, Käthe Kollwitz, Kurt Tucholsky, Heinrich Zille u.a. unterstützt. Roter Frontkämpftrbund (RFB) Am 31. Mai 1924 in Halle auf Beschluß des Zentralkomitees der Kommunisti- chen Partei Deutschlands als Wehrverband gegründet; in ihm waren vor allem ehemalige Soldaten des Weltkriegs zusammengefaßt. Der RFB hatte etwa 150000 Mitglieder. Er wurde imJahre 1929 verboten. Strajbataillone Als Reaktion auf die hohen und steigenden militärischen Verluste der deutschen Armeen zwang die NS-Führung nicht nur Strafgefangene, sondern auch verur- teilte politische Gegner des Regimes als >Wehrunwürdige< in sogenannte -Bewäh- rungseinheiten<. Seit Oktober 1942 wurden -Strafbataillone. (als erstes das Strafbataillon 999) aufgestellt. Zahlreiche -Politische: wurden in diese besonders rücksichtslos und schikanös geführten Einheiten einberufen. Vgl.Jörg Kammler: Kasseler Soldaten zwischen Verweigerung und Widerstand. In: Knigge-Tesche, Renate/ Ulrich, Axel (Hg.): Widerstand und Verfolgung in Hessen. Wiesbaden 1996, 525-537 (hier 533 f). 303 Register Personen Abel, Christian 228 Bente, Friedrich 131,230 Abel, Theo 228 Berberich, Heinrich 231 Abramowicz, Alfred 80,83(, Berndt, Heinrich 231 184f(,228 Besser, Rudolf 231 Abramowicz, Minna 184( Bettinghausen, Johann 90(,172(, Adam, Alfred 228 208,231 Albrecht, Johannes 228 Bienert, Richard (Landr.) 60f(,81 Alter, Georg 228 Bitsch, Heinrich 231 Andre, Hugo 228 Bläsing, Wilhelm 231 Arend, Joseph 67,71, Blechschmidt, [...] 192 222,228 Blum, Karl 231 Arend, Hermann 31,228 Blumhof Leopold 209 Armbruster, Oswald 167,228 Boczkowski, Bernhard 80,88,232 Arnold, Emil 228 Boczkowski, Georg 80,88,232 Aschenbrenner, Konrad 229 Boczkowski, Leon 88 Bachus, Karl 229 Boerner, Christoph 109,232 Bader, Ernst 229 Bolte, Georg 80,232 Baer, Ella 91 Borges, Fritz 79,232 Barthel, Karl 51 Bork, Wilhelm 232 Bauer, Hermann 229 Borkowski, Eduard 232 Bauer, Wilhelm 28,49, Born, Eugen 233 53,229 Börner, Christoph 32,232 Baum, Max 185 Brandt, Fritz 58,91,233 Bechmann, Fritz 86,229 Brandt, Georg 67,73,233 Bechmann, Heinrich 86 Braun,Otto 233 Becke, Paul 229 Braunholz, Karl 50 Becker, Albert 70,229 Breitscheid, Rudolf 140 Becker, Fritz 229 Breuer, Johannes Claus 111 Becker, Johannes 230 Briehle, Friedrich 233 Beinhauer, Eugen 83 Buchheister, Heinrich 233 Beinhauer, Heinrich 230 Buchheister, Karl 233 Beißwenger, Otto 222,230 Buck,Johannes 233 BeIz, Konrad 31,71,133, Bulle, Jakob 233 222,230 Bürger, Oskar 233 Beiz, Willi 31,136,139, Bust, Bertholt 233 219,223, 225,230 Carli, Umberto 234 Bender, Karl 230 Charlepska, Albert 234 304 Clobes, Heinrich Cohn, August Cohn, Erwin Conrad, Hugo Cramer, Hermann Dalberg, ]ulius Descher, Willi Deubel, Christian Diels, Rudolf Dithmar, Theodor Ditter, Karl Döbel, [...] Dollinger, Karl Döring, Heinrich Döring, [...] (55) Ebert, Georg Ebert, Ludwig Eckhardt, Heinrich Ehmer, Ernst Ehrhardt, Friedrich Ehrlich, Wilhelm Eifhart, Egon Eigenbrod, Karl Eisenacher, Friedrich Eisenacher, Walter Elm, Wilhelm Engel, Fritz Engelbert, Kurt Engelhardt, Heinrich Erd, Heinrich Erd,]osef Ernst, Willi Faust (Polizeiobersekr.) Freisler, Oswald Freisler, Roland Faust, Emil 200 Fell, Hermann 167, 237 Fiederlein, Wilhelm 237 Fiege, Ernst 28,237 Fiege, Fritz 237 Fingerhut, Karl 237 Fink, Georg 69,238 Finkenstein, Kurt 21,49,52,74, 80f, 130f, 187ff, 190,208,238 Fischer, [...] (MdI) 169,177 Fischer, Paul 238 Fissler,]ohann 238 Fleck, Adolf 238 Fleischmann, Wilhelm 238 Frank, 5iegfried 172, 238 Freidhof, Rudolf 50,67, 115, 118,130,239 186 29,51,68f, 86,96,114,186 Freund, Adolf 58,67, 70f, 239 Frielingsdorf Kurt 239 Fuhrmann, August 223,239 Füller, Georg Wilhelm 70, 239 Funck, Freiherr von (Landr.) 56, 82,91 Gablentz, AdolfFrhr. v. (Landr.) 88 Gall, Friedrich 239 Gasche, Wilhelm 240 Gauggel, Karl 240 Gausmann, Heinrich 240 Gebe, Otto 67, 240 Geiler, Oskar 172, 240 Geiling,]osef 240 Gemmeke, Heinrich 240 Genuit,]ohannes 240 Gerbig, August 240 Gerlach, Friedrich 240 Gerland, Karl 113 Gerwig, August 73 234 81 80f, 134,234 70,234 88,136,234 80, 85f, 186f, 234 Daluege, Kurt 152-155 Debus, Adolf 234 Debus, Friedrich 235 Deichmann, Philipp (Landr.) 28, 143,190 235 235 140, 167 128 235 31 235 235 156 235 235 67,87, 167, 175,236 124,236 236 236 236 236 49,52,236 49,52,236 70,167,236 237 80ff, 237 237 237 237 237 17,117 305 88,244 149,244 244 201 70,245 67,172,245 70,245 95 67,74,245 245 245 245 49[,67, 110,135,245 85,246 246 Hauptreif johannes 49,54,244 Heeb, Heinrich 67,140,172,244 Heeg, August Heil, Franz Hellwig, Konrad Henning, August Henning, Friedrich Hens, Wilhelm Herber, Hugo Herbers, Hein Herbordt, Friedrich Herchenhan, Adam Hermann, Paul Herrmann, Richard Herrmann, Karl Hildebrandt, Fritz Hillibrand, Otto von Himmelreich, Hermann Himmler, Heinrich Heydrich, Reinhard Hierdes, Willi Hierl, Constantin Hildebrand, Jakob Hindenbur&Paulvon Hitler, Adolf Herz, Wilhelm Hess, Karl Hessen, Philipp Landgrafvon (Oberpräsident) 68,76, 183ff., 194 25 143 66 28,49, 53,246 226,246 246 46,55 25,145, 155, 169 27 22,32,62[, 76,79,114 Hochrath, Justus 124, 134,246 Höchst, Peter 91, 132, 199f., 246 Hofacker, Wilhelm 247 Hofmann, Johann 79,247 Hofmann, Martin 62,69,247 Hohenstein, Dr. Adolf 81,95 Gerwig, Heinrich 73 Glänzer, Arthur 79,241 Goldschmidt (Oberelsungen) 54 Goldschmidt, L. 85 Göring, Hermann 28,33,45,47, 55,125,146,164[,167,172,183 Görlitz, Friedrich 241 Görner, Georg 241 Götte, Erich 241 Götze, Nikolaus 241 Grau, Valentin 241 Grauert, Ludwig 26, 33, 35 Grebe, Heinrich 241 Grebestein, Gustav 66, 108, 167,242 66,108,167,242 242 208,242 201 32 192 242 218 242 51,95 123, 134 243 243 243 89,109,243 243 243 186 56, 75f., 193ff., 198,202 243 244 56f.,206 244 244 Grebestein, Karl Grede, Heinrich Greiling, Martin Grunow, Dr. Erich Grupe, Heinrich Grzesinski, Albert Haake,Otto Haarberg, [...] Haas, Gustav Haas, August Haferburg, Otto Häfner, Heinrich Häfner, Peter Hahn, Georg Hahn, Josef Halbschmidt, Johann Halbschmidt, Wilhelm Hallo, Dr. Rudolf Hamann, Ludwig Hansmann, Johannes Harlinghausen, Ernst Hartenbach, Oskar Hartmann, Fritz Hartmann, Philipp 306 Knögel, Philipp 70, 251 Koch, August 251 Koch, Friedrich Wilhelm 208,251 Koch, Georg 251 Koch, Jean 79,251 Koch, Karl 156f Köhler, Christian 251 Köhler, Erwin siehe Cohn, Erwin Köhler, Fritz 252 Köhler, Ludwig 252 König, Christian 252 Kohl, Franz 252 Kohl, Wilhelm 252 Kohn, Philipp 80, 84f., 109, 252 Kolb, Daniel 252 Krack, Hugo 91 Kraft, Karl (I) 252 Kraft, Karl (11) 67,69-73, 110,203,252 Kragelius, Justus 29 Kramer, Friedrich (Fritz) 70,253 Kramm, Georg 21, 116,253 Kramm, Gustav 253 Kramm, Karl 21 Krause, Ludwig 253 Krebs, Heinrich 77,253 Kreitz, Wilhelm 67,253 Krenz, Clemens 253 Kress, Heinrich 253 Kreutzer, Wolf 253 Kroll, Georg 254 Kröning, Wilhelm 29f., 42, 111 Krüger, Konrad 172, 254 Krüger, Otto 254 Krug, Heinrich 254 Küllmer, Karl (I) 190 Küllmer, Karl (11) 28, 67, 70, 142f, 172, 189ff, 254 Kuprian, Johann 254 Lang, Felix 254 Hohmann, Emil Hohmann, Karl Hohmann, Mathäus Hollstein, Hans Hörle, Karl Hornschu, August Hugo, Kurt von Hübner, Gustav Homburg, [...] Humburg, Heinrich Hütteroth, Dr. Ferdinand Iffert, Georg Iffert, Heinrich Iwanski, Edmund Jakob, Wilhelm Joerg, Paul 67,247 247 247 118, 128ff., 151 67,172 49,55,247 40,116 247 33 248 164, 183 248 248 248 248 28,67, 172f, 175,208,248 Jungermann, August 248 Katz, Abraham 80, 84f, 109, 248 Katz, Benni 209 Katz, Daniel 209 Katz,Josef 209 Katz, Lenor 209 Katzenstein, Kurt 249 Kauck, Heinrich 249 Kaufhold, Anton 249 Kaufhold, August Johannes 249 Kaufhold. Wilhelm 249 Keim, Konrad 249 Kepper, Heinrich 250 Kermer, Bruno 250 Kestner, Heinrich 250 Klar, Heinrich 250 Kleinfelder, August 250 Kleinschmidt, Heinrich 202, 250 Klimmer, Heinrich 17 Klug,Leo 167,250 Knau~ Otto 250 Knippschild, Louis 251 Knocke, Gustav 251 307 Mangasser, Johann Manns, August Marquardt, Wilhelm Martin, Dr. [...] Masch, Paul Matthes, Alfred Matzak, Ernst Mayr, Max Meinhof Ulrike Melcher, Paul Merle, Heinrich Merten, Franz Messerschmidt, Fritz Metz, Wilhelm Meyer,Josef Meyer, Karl Meyer, Louis Miedl,Otto Mielke, Arthur Minkler, Hans 86 258 30 165,258 258 258 216 219 258 67,258 258 258 259 259 259 58,67,80,259 259 259 30f, 40, 135(,259 Mittelstädt, Kar! 259 Mohaupt, Max 67,172,260 Mohr, Johann 260 Möller, Bruno 206f Möller, Eduard (Fritzlar) 259 Möller, Eduard (Schmalkalden) 260 Möller, ]ohannes Georg 60,260 Monbart, Konrad von 20, 28f, 34f, 40f, 45-49, 57f, 60, 71ff, 76, 82, 90,132,152, 154,163-167, 169f, 176f, 184f, 194, 198,203,207 Mönch, Konrad 260 Mäsinger, Adam 260 Mühlbauer, Hans 260 Mühlberger, Karl 260 Müller, Adolf 70, 260 Müller, Arthur 260 Müller, Hans 224,260 Müller, Heinrich 261 254 254 196 254 68 255 255 33,109,255 29, 56f, 69, 71f(, 77, 89 255 255 47,80, 82,90,256 188 80(,256 83 80,256 58, 155 256 256 89,132,256 256 256 81 80f, 172, 256 49, 51f, 67, 123, 167, 172, 174f,257 51 49, 54f, 62,222,257 54 46,54 31,256 56 66 69, 71f, 89,203,257 257 Lenz, Wilhelm Lesch, Heinrich Levy, Adolf Lange, Karl Langenau, J ustus Lahmeyer, Gustav Lapp, Alwin Lehmann, Dr. [Hans?](ISK) Lehmann, Paul Leister, Jakob Leng, Walter Lengemann, Fritz Lohagen, Ernst Lewandowski, Herbert Lewinsohn, Dr. Michael Lieberg, Walter Lilienfeld, Otto Lindenborn, Dr. Walter Lindner, Kurt Linz, Peter Lipphardt, Heinrich Lissmann, Wilhelm Literski, Otto Loeb,Julius Loewenberg, Benjamin Lohagen, Paula Loose, Friedrich [Fritz] Loose, Heinrich Loose, Wilhelm Lörper, Georg Löser, Friedrich Ludendorff Erich Lukan, Wilhelm 308 Preiss, Karl Quer, Karl-August 45ff, 50, 53, 55f, 62,91, 95f[,99-102, 108f[, 112, 114[,117[,122,125,129[, 146,152-155, 163ff, 167, 170, 176-180,183,185,198,207 Pfeffermann, Justus 264 Pfemfert, Franz 187 Pfromm, Wilhelm 264 Pickel, Paul 204f, 264 Pierson, Heinrich 69, 264 Pilger, Karl 264 Pisulla, Franz 265 Plaut, Dr. Max 85,96,186 Plitzer, Heinrich 265 Pohlmann, Philipp 265 Precht, Fritz 70,72, 203, 224,265 88,265 49[,67,74, 106,265 Raabe, Fritz 141, 143, 182 Raabe,]akob 265 Rabe von Pappenheim, Gottfried (Landeshauptmann) 13ff, 17, 19, 21,36,40,45[,55,96, 116,122,177,194 266 266 266 266 197 266 222,266 266 266 67,266 70f, 266 267 267 79,267 Rack, Friedrich Rech, Rudolf Rech, Willi Reichardt, Leopold Recknagel, Otto Reif~ Georg Reis, Konrad Reinicke, Peter Reischert, Erich Reis, Konrad Rennert, Gustav Reusswig, Heinrich Reusswig, Wilhelm Reuter, August Müller, Walter 261 Müller, Willi 261 Nagel, Karl 261 Nehrke, Heinrich 261 Neidhardt, Friedrich 261 Neidhardt,]ohann 172,261 Nelson, Leonard 32 Nestler, Richard 131,261 Neumann, Georg 70,261 Neusel, Friedrich 262 Niedling, Heinrich 262 Nix, Adam 172, 262 Nolte, Georg 262 Norwig, Marta 75 Opländer, [...] (55) 156 Oppenheim,]ulius 80[,262 Oppenheim, Paul 81 Ostwald, Dr. med. Friedrich 118 Ott, loser 262 Otto, Kurt 262 Papen, Franz von 95 Pappenheim, Frieda 198[,202 Pappenheim, Ludwig 45,51,67[, 70, 72f, 75f, 80f, 86,116, 136,138,167,191-203,224,262 Parthesius, Heinrich 67, 203f, 263 Pechmann, Erich 263 Pehlke,Ernst 68,263 Pertgen, Johannes 263 Pertgen, Paul 263 Peter, Eduard 263 Peters, Rudolf 263 Pfannkuch, Wilhelm 67,69[,72, 110,203,224,263 Pfeffer von Salomon, Franz Felix 25 Pfeffer, Fritz von (Polizei- präsident und Leiter der Gestapostelle Kassel) 12f, 20, 22, 24-27, 29, 34ff, 40f, 309 Schäfer, Wilhelm Scheidemann, Philipp Schellhase, Wilhelm Schiftner, Franz Schild, Siegfried Schimpf Karl Schippel, Ernst Schlereth, Gustav Schmalenberg, Friedrich Schmalstieg, Johannes Schmidt, Bruno Schmidt, Franz Schmidt, Friedrich Schmidt, Gustav Schmidt, Heinrich Schmidt, Hermann Schmidt, Willi Schmied, Heinrich Schminke, Arno Schneider, Heinrich Schönewald, Karl Schöning, Ludwig Schramm, Hans 70,269 86,95 271 271 67,80,85, 172,271 172,271 28,67,271 79,271 271 271 272 86,272 272 272 172,272 272 272 272 31,57,272 273 273 273 28,67,167, 172,273 Schreiber, August 79,273 Schreiber, Wilhelm 69, 225, 273 Schrötter,]oseph 14-17,45 Schubert, EmiI(Landr.) 192 Schubert, [...] (Polizeirat) 40 SchüIbe, August 67,172-175,274 Schultheis, Ferdinand 274 Schulz, Hans 274 Schwarz, Wilhelm 274 See, Adolf 274 Segmüller, August 274 Seibel, Reinhard 274 Seickel, Karl 274 Seitz, Heinrich 274 SeIbert, Adam 67,69,71,203,275 Richter, Karl (Grebenstein) Richter, Karl (Berlepsch) Richter, Ludwig Riebling, Rudolf Risch, Willi Ritter, Karl Röhm, Ernst Röhrig, Hans Röse, Willi Röser, Jakob Rommel, Justus Rosenfeld, Kurt Ross, Wilhelm Rudolf, Georg Rudolph, Willi Rüdiger, Konrad Rüfer, Franz Rüffer, Heinrich Rügheimer, Adolf Rügheimer, Marie Rühl, Friedrich Ruhl, Andreas Rumpf Wilhelm Ruth, Hans Ruth, Konrad Ruzika, [...] Saalfeld, Peter Saft, Eduard Salzmann, Willi Samer, Hermann Sautter, Hans Schadler, Willi Schadt, Johann Schädler, Ernst 267 267 267 267 267 67,69,267 25, 77 268 268 268 208,268 192 268 268 268 268 269 132f., 141, 146, 148, 150(, 159 67,175,269 137 269 49, 52f., 140, 225,269 269 269 269 75 85,269 270 270 270 86 270 270 18,67,71,74(, 167,172(,175,270 Schaeffer, Anton 87,271 Schäfer, August 131,270 Schäfer, Georg 270 310 278 56,70f., 205f(,278 191 278 32 97 278 279 279 77,279 279 279 279 67,167,172, 174,202,279 279 280 280 280 280 172,280 199,280 280 281 172,174, 281 281 281 80(,281 29,114,196,207 281 281 281 190 281 282 282 49,55,282 187f Trebing, Konrad Treibert, Heinrich Trinder, Wilhelm Tripp, Wilhelm Trost, Hermann Ulrich, [...] von U mbach, Hans Vestner, Ernst Vogel, Karl Völker, Hermann Wagner, Fritz Wagner, Karl Wagner, Rudolf Walberg, Willi Waldeck, Wilhelm Walter, Karl Wand, Ewald Weber, August Weber, Karl Weber, Ludwig Weber,Otto Wegmann, Heinrich Wehle, Alfred Wehnhardt, Friedrich Weidenbach, Peter Weider, Adolf Weil, Norbert Weinrich, Karl Weise, Paul Weiß, Georg Weiss, Karl Wels,Otto Wendel, Justus Wenig, Heinrich Wenzel, Friedrich Werkmeister, Gustav Westhoff, Käte 85 114 275 275 275 67,275 275 276 276 50 276 276 276 32 209 209 276 80,82,276 276 114 77,208,277 29 141 110f 80,82,277 80,82,277 67,172 88 88,277 172,277 277 117f 129( 278 140 278 60,278 67,278 70f,278 42 Selig, A.[...] Sempf Rudolf Seng, Karl Sennhenn, Ludwig Siebert, Gustav Siebert, Heinrich Siegfahrt, Johannes Sinsel, Adam Sinsel, Bernhard Sollmann, Wilhelm Sonntag, Konrad Spahn, Karl Specht, Eduard Specht, Minna Speier, ] onas Speier, Max Spicker, Ernst Spier, Max Spillner, Walter Sprenger,]akob Stehl, Reinhold Steimer, Dr.jur. Paul Steinacker, [...] Stern, Dr. med. Stern, Sally Stern, Willi Stolze, Otto Stoner, Eduard Stoner, Wilhelm Störmer, Wilhelm Strauch, Willi Stroop, Dr. med. Franz Sumpf Grete Thalheimer, Johannes Thälmann, Ernst Thiele, Helmut Thomas, Georg Thöne, August Tölle, Richard Traute (Polizeihauptmann) 311 Westphal, Konrad Weymann, Hermann 282 123, 132, 136,141,282 Wicke, Christian 116, 133,223,282 Wiedmann, Xaver 282 Wittfogel, Karl August 112 Wittrock, Christian 86 Wittrock, Karl 86 Wolf: Max 82 Wörner, Friedrich 70, 282 Wörner, Philipp 283 Wolf, Fritz Wonhöfer, Bernhard Zanger, Wilhelm Zell, Heinrich Ziegler, Heinrich Ziegner, Karl Zien, Hugo Zien, Wilhelm Zieres, Otto Zinn, Georg-August Zufall, Adolf 283 283 208,283 88,283 283 283 284 284 284 50,86 284 Orte Städte, Landkreise und Gemeinden, ausgenommen Breitenau, Guxhagen und Kassel, und Orte von Konzentrationslagern (z.B. Buchenwald bei Weimar, Kem- na bei Wuppertal) sind berücksichtigt. Staaten, Länder und geographische Be- zeichnungen (z.B. Fuldaberg) sind nicht aufgenommen. Aus dem Anhang wurden die Wohnorte (nicht die Geburtsorte) aufgenommen. Bochum Bottendorf Braunshausen Brauweiler Breitenbach Bremen 110, 114, 140f(, 153(, 156, 160, 164,185(,191,212,228, 242,274,281 BerliniColumbiahaus (KZ) 23, 69(, 145 Besse 205 Binsförth 209 Bischofsheim 274 Bärgermoor (KZ) 22(,26, 167, 175,183,198(,202(,223, 228,235,237,248,250, 262,264,267,269, 273,280,284 264,283 268 144 12 69,238 23, 145 Bad Orb Bad Reinhardsquelle Bad Sooden-Allendorf Altenritte 30(, 259 Altenstädt 242 Arolsen 199, 279 Arolsen (Landkr. der Twiste) 58, 63 Auschwitz (KZ) 52, 188,212, 238, 256f(, 268 250 84, 184( 49,55, 254,282 Bad Wildungen 67, 71, 84, 153, 184,222,228,250,258(,272 Bad Wildungen (Landkr. d. Ede~ 63( Bebra 9, 99f( Benninghausen 12 Bergen 64,270 Berlepsch-Ellerode 267 Berlin 12,40, 45, 55, 64, 69, 83, 312 Darmstadt Dennhausen Diekershausen Därnberg Dörnigheim Draney (KZ) Dresden Ebensee (KZ) Ebersehütz Eiterhagen Eigershausen Ellenberg Ellingerode Ernslandlager Enkheirn Erfurt Errnsehwerd Esehwege Fulda (Landkr.) Geisrnar Gelnhausen Brernerhaven 23,254 Breslau 64, 188, 270 Breslau-Dürrgoy (KZ) 22 Breuna 141, 143, 182, 250,264,269,282 Bruehkäbel 256,283 Buehenwald (KZ) 51, 134, 156f[, 160,209,212,216,223, 234,236,238,241,244,256, 258[,264,269,275 Büehenwerra 9,153 Büdingen 19 Budweis 150 Burghaun 131 Butzbaeh 235f., 269 Calden 251 Celle 245 Coswig (Strafgefangenenlager) 233 Crurnbaeh 32,247,272 Daehau (KZ) 22f., 73, 92, 134f., 160,212,234,238, 259f, 266, 283 221,235 235 67 241 255,275 256 156 258 228 62,68,266 282 9 250 siehe Papenburg 253,260,263 235 28, 111,237, 66,99[, 108, 167,189-192,242 Esehwege (Landkr.) 28,63f. Esterwegen (KZ) 22f., 26, 112, 119,122, 167, 175, 183, 229ff., 233f., 237f., 240ff., 244,247-250, 254, 260ff.,268ff., 272f., 283 Eutin (KZ) 23, 93 Feehenheirn 19 Flieden 70, 167,228,236[,250 Flossenbürg (KZ) 52, 212, 236 Frankenberg 99, 203f[, 237, 241,264,268 Frankenberg (Landkr.) 19, 63f., 203 Frankfurt a.M. 114, 156,225, 234ff.,240f.,252,268,275,282 Freiendiez 235, 251 Frielendorf 67,74[,270 Fritzlar 56,71,99,206,214, 237,259,264,278 Fritzlar-Hornberg (Landkr.) 19,56, 63[,82,205 Frommershausen 32 Fuhlsbüttel (KZ) 22 Fulda 63,67,84, 99ff, 109, 229,237, 240[, 244f., 247[,252,256 63[ 206 70, 101,254,260, 262, 266, 270[ Gelnhausen (Landkr.) 12, 63f., 142 Gernünden 203 Gersfeld 85, 260 Gertenbaeh 236, 253 Gießen 156 Goslar 233 Göttingen 32,91,222 GrafenbaehlÖ. 271 Grebenau 218 Grebenstein 240, 250ff, 267, 278 313 Hamm Hanau Herbeihausen Hersfeld Hanau (Landkr.) Hann. Münden Grifte Großalmerode Großauheim Hersfeld (Landkr.) Herzhausen Hettenhausen HeubergIBaden (KZ) Hildesheim Hofgeismar Horas Hünfeld (Landkr.) Ihringshausen Illnhausen Immenhausen Karlsbad Karlshafen Kaufungen Kirchbracht Kislau (KZ) Kleinsee lheim Köln Korbach 260,271 63[ 214 70,239 22 265 32[,67,99, 132, 142,228,231,266,277 Hofgeismar (Landkr.) 19, 63f. Hohenkirchen 262 Holzhausen 230 HomberglEfze 58,71,99, 101, 206,255,259,283 271 63 32,72,203,264 248 32, 254, 262, 264,279 150 47,82,90,251,256 33 250,264,282 22 235 12,50,184,191 58,67, 85,232, 259f.,271 Korbach (Landkr. d. Eisen- bergs) 58, 63[ Körle 209 Kuhlen (KZ) 23 Langendiebach 70, 235, 272, 282 Langenselbold 19, 70, 79, 230, 240,242[,248,251,270, 274,276,278,281 Langlütjen (KZ) 23, 145 Leipzig 188, 202 Lichtenburg (KZ) 22, 26, 31, 34, 165,167,169, 176, 183, 188, Großenritte Grünberg Grüsen Grüsselbach Gudensberg Gurs (KZ) Habel Haina Halle Hamburg Hameln Heinebach Helmarshausen Helsa-Wickenrode 248 241,245 70, 229, 234, 245, 249,259,267 254 155 67,203f.,263 89,109,243 99, 206, 228f. 256 79 13,205,222,243 229f., 254, 278 191 54, 77,230, 233f., 244f., 250, 254,258,261, 263ff., 277, 280, 284 205 12,63,67,70,87,101, 228, 230f., 233f., 236-239, 242,244-249,252,254,256, 259ff., 264, 266-269, 272ff., 276, 279-284 56, 63ff., 91 53,57,67, 244,278 Hannover 201,250 Harleshausen 28,49, 53f., 67, 69,71,90,147,182,203, 231,233,246,257,267,273 Harmuthsachsen 250 Heckershausen 33, 109,244,263 Heiligenrode 32,67, 69f., 72,110,203,263 209 242 67,73, 233,251 268 60ff., 81,233, 314 NewYork Nied Niederelsungen Nieste Oberrodenbach Obervellmar Nordshausen Oberaula Oberelsungen Oberissigheim Oberkaufungen Oberzwehren Ochshausen Ochtumsand (KZ) Offenhausen Oranienburg (KZ) Niederschleidern 252 Niederurff 82, 277 Niedervellmar 32, 269 Niederzwehren 28, 32, 49, 53, 69,71,77,174,203,226, 229,243,275,281,283 67, 69, 72(, 110, 203,252 53,246 223 54,252 253 32, 81, 105,234, 245,261 265 263 19,32,109, 232,268 53,69,264 232,261 270 23, 145 204 22f,92, 142,266 Osnabrück 200 Osnabrück (KZ) siehe Papenburg Osthofen (KZ) 22, 25, 92 P~crbmn 32 Papenburg (KZ) 51, 91f., 110, 163, 165, 167, 173-176, 198f.,201, 244,258,263,270,274,277,280 Petersberg 60, 278 Philippstal 262 Potsdam 66 Quentel 62,276 Ravensbrück(KZ) 212,257 Ravolzhausen 252 Reichensachsen 28,67, 70, 142f., 189ff., 294 Remscheid-Lennep 239, 284 Rennersdorf 234 230(,234,241,244,247, 249,252,262,264,269,278,280 Lichterfelde-West (KZ) 174 Lindau 72 Lublin-Majdanek (KZ) 258, 277 Ludwigshafen 64, 257 Lütersheim 91,200, 246 Marbach 271 Marburg 63, 101, 155, 228, 240, 272( Marburg (Landkr.) 63 Martinhagen 251 Mauswinkel 249,261,276 Mauthausen (KZ) 212,258 Meiningen 77 Melk (KZ) 258 Melsungen 9,21(,31,93,99, 209,218(,240,242,247,266 Melsungen (Landkr.) 19,63(,171 Merkers 160, 162 Me~ausen 13 Merzhausen 205 Metz 188 Michelsrombach 282 Missler (KZ) 145 Moorlager siehe Papenburg Moringen (KZ) 12,22, 91, 188 Natzweiler-Struthof (KZ) 212,239 Netze 79,241,280 Neuengamme (KZ) 212 Neumorschen 88,209,277 Neusustrum (KZ) 23, 26, 173f(, 198-201,203,235(,241,243, 247f., 262, 274 110( 255 49, 54(, 222, 247,257,273 Niederkaufungen 32, 89, 229, 256 Niederrodenbach 231,269 315 Spangenberg Stalingrad Steinau Stadtallendorf Straßburg Suhl Tann(Rhön) Theresienstadt (KZ) Torgau Treysa Trockenerfurth Ulm-Kuhberg (KZ) U nterbernhards Uschlag Vallendar Vechta Verden (Straflager) Völkershausen Vollmarshausen Wabern Wachenbuchen Wächtersbach Waldau Waldeck Weilmünster Weimar/lCassel Weimar/Thüringen Wellen Wellerode Wendershausen Wenigenhasungen Wernswig Westerbork (KZ) Wettesingen Wickenrode Rhoden 91,233 Rhörda 271 Riga 209,271 Rockensüß 50 Rährenfurth 209 Rotenburg a.d.F. 99,209 Rückingen 252, 256 Rüdigheim 269 Saarbrücken 228 Sachsenberg 237 Sachsenhausen (KZ) 52[,73, 160, 173[,212,223,233,236[, 239, 241[, 245, 247ff, 252, 260,262,264, 266, 268f[, 273, 279f, 284 Sandershausen 32 Schenklengsfeld 81,281 Schlüchtern 70,101,255,273 Schlüchtern (Landkr.) 12, 19,63,82 Schmalkalden 51, 67f, 72, 76f, 101,191-199,201[,229,238, 246,260,262,279 Schmalkalden (Landkr.) 19,56, 63,197 Schreiberhau 187 Sielen 228 Sobibor(KZ) 85,187,234 Sonnenburg (KZ) 22, 26, 34, 142[,165,167,169,176,183, 190[,230,233,235,238-242, 248, 254[, 259f[, 263, 268, 272[,278,280,282 279 211 68, 81[, 236, 256,263,278 250 187 192, 195f 273 316 85 235 99,205,266 255 22f 79 246 258 173,270 264 248 238 31, 206f, 278 262 81,238,256 53,231 183,236 272 233,278 212 165,258,277 238,268,281 247 90,231 58,70,239 85,187,234 83 159,233,235, 275,280 Wien 255 Wiesbaden 114 Wilhelmshausen 57,238,258 Willingen 129 Witzenhausen 28, 67,73[,99, 173,224,235,248,260,270[,273 Witzenhausen (Landkr.) 63[ Wolfhagen 99, 101,222 Wolfuagen (Landkr.) 63f Wolfsanger 32, 53 Wolfenbüttel 245, 277 Worms Wrexen Wuppertal-Barmenl Kemna (KZ) Ziegenhain Dank 25 91 22, 145 85,101,235(, 257,260,269 Ziegenhain (Landkr.) 63,75,207 Zierenberg 99,241 Zimmersrode 82, 277 Züllichau-Schwiebus (Landkr.) 28 Zwesten 82, 276 Zahlreichen ehemals als .Schutzhaftgefangcncn. in Breitenau unschuldig einge- sperrten Menschen und ihren Angehörigen danke ich für die vielfältigen Hilfen, die sie mir gegeben haben. Stellvertretend für alle nenne ich Willi Belz, Bernhard Boczkowski, Friedrich Eisenacher, Rudolf Freidhof, Otto Haferburg, Friedrich Loose, Walter Leng, Hans Minkler, Willi Walberg, Hermann Weymann, den Sohn von Georg Bolte, die Tochter von Friedrich Bente, die Frau von Kurt Finkenstein, die Frau und den Sohn von Georg Kroll, den Sohn von Kurt Pappenheim und die Tochter von Karl Ritter, mit denen allen ich gesprochen habe. Einige von ihnen haben uns Aufzeichnungen, Dokumente und Fotos aus der Zeit 1933/1934 übersandt; auch dafür danken wir sehr. Dem Landeswohlfahrtsverband Hessen, der Rechtsnachfolger des Kommu- nalen Bezirksverbandes Hessen geworden ist, möchten wir dafür danken, daß er der Universität Gesamthochschule Kassel die Akten zu wissenschaftlicher Bearbeitung zur Verfügung gestellt hat. Zahlreiche Archive, besonders das Hes- sische Hauptstaatsarchiv in Wiesbaden (Dr. Volker Eichler als Leiter des Projekts >Widerstand und Verfolgung in Hessen.), das Archiv des Landeswohlfahrtsver- bandes Hessen in Kassel, das Hessische Staatsarchiv in Marburg und das Stadtar- chiv Kassel haben meine Forschungen unterstützt. Gunnar Richter (Gedenkstätte Breitenau), Heinz Brandt (vormals Stadtarchiv Frankenberg), Michael Dorhs (Regionalmuseum Hofgeismar) und Monika Kö- berich danken wir für zusätzliche Recherchen, Frank-Roland Klaube (Stadtarchiv Kassel), Dr. Bodo Ritscher (Gedenkstätte Buchenwald-Weimar) für ihre Unter- stützung. Ich kann nicht alle nennen, die durch eine Auskunft oder eine Mitteilung das Zustandeskommen dieser Arbeit gefördert haben; im Quellenverzeichnis sind sie namentlich aufgeführt. 317 Ich danke all denen herzlich, die das Manuskript auf seinem langem Weg hilfreich, kritisch und anregend begleitet haben, besonders Wolfgang Ayaß, Jörg Kammler, Thomas Klein, Gunnar Richter, Florian Tennstedt und Irmtraud Krause-Vilmar. Für Anregungen und Hinweise danke ich ferner Bernt Armbru- ster, Frau Bambey, Guido Falkner, Johannes Grötecke, Eike Hennig, Dieter Haist, Maili Hochhuth, Manfred Hülsebruch, Hartfrid Krause, Winfried Mogge und BerndJoachim Zimmer. Elisabeth Krause-Vilmar danke ich für ihre Hilfe bei der Datenerfassung. Mein Dank gilt auch der Hessischen Staatskanzlei, die die Drucklegung des Buches förderte, und dem Schüren Verlag, der bei der Herstellung kooperativ und fachkundig auf Qualität achtete. Kassel, im September 1997 318 Dieifrid Krause-Vilmar