Von den Markenteilungen bis zum Emscher Landschaftspark: Freiraumverluste und Frei- raumschutz im Ruhrgebiet Common - Property - Institutionen als Lösungsansatz ? Dissertation zur Erlangung des akade- mischen Grades eines Doktors der Ingenieurwissenschaften (Dr.-Ing.) im Fachbereich Architektur / Stadtplanung / Landschaftsplanung der Universität Kassel vorgelegt von Dipl.-Ing. Ulrich Häpke Kassel, im August 2009 Tag der Disputation: 25. März 2010 Inhaltsverzeichnis 2 Dank Prof. Dr. Maria Spitthöver und Prof. Dr. Onno Poppinga danke ich für ihre Geduld, für ihre weiterführenden Fragen und kritischen Anmerkungen sowie für ihre Zweifel an meinem Untersuchungsansatz. Prof. Dr. Onno Poppinga möchte ich für seine vielfältigen Anregungen zu den agrarpoliti- schen Passagen in der vorliegenden Arbeit besonders danken. Ganz herzlich danke ich meinen persönlichen und telefonischen Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartnern sowie allen Kolleginnen und Kollegen, die meine Emails und Briefe beantwortet haben, für die wertvollen Informationen und Einschätzungen, die sie mir gegeben haben. Inhaltsverzeichnis 3 Inhaltsverzeichnis 1. Freiraumverluste im Ruhrgebiet 9 2. Tragik der Allmende oder Common-Property-Lösungen ? 13 2.1. Was ist Freiraum ? 13 2.1.1. Freiraum im weiteren Sinne 14 2.1.2. Freiraum im engeren Sinne 15 2.1.3. Die Freiraumdefinition in der vorliegenden Arbeit 16 2.2. Freiraum als Koppelprodukt der Bodennutzung 17 2.3. Freiraum als öffentliches Gut 18 2.4. Freiraumverluste als "Tragedy of the Commons" 19 2.5. Marktmechanismen durchsetzen oder kompensieren ? 21 2.6. Common-Property-Institutionen als 'dritter' Weg ? 23 a. Materiell-stoffliche Aspekte: Funktionen 24 b. Soziale Aspekte: Nutzer, Entscheidungsträger und Kontrolleure 25 c. Rechtliche Aspekte: Regelwerk 25 2.7. Vorgehensweise 25 3. Verdrängte Landwirtschaft 26 3.1. Flächenverluste und der Wandel landwirtschaftlicher Strukturen im Ruhrgebiet 26 3.1.1. Scheinbare Flächenzuwächse und Markenteilungen 27 a. Marken und ihre Strukturen 28 b. Markenteilungen 34 c. Markenteilungen und Siedlungstätigkeit 40 d. Markenteilungen und ihre Bedeutung für die Landwirtschaft 43 3.1.2. Landwirtschaftliche Bodenverkäufe und Flächenverluste bis zum Ersten Weltkrieg 45 3.1.3. Kriegswirtschaft und die Marktordnungen der Weimarer Republik 48 a. Flächenverluste 48 b. Von der Kriegswirtschaft zu den Marktordnungen 48 c. Zugriff auf landwirtschaftliche Flächen 50 d. Zwischenresümee 51 3.1.4. Nationalsozialistische Zwangswirtschaft 52 a. Flächenverluste und Betriebsaufgaben 52 b. Von den Marktordnungen zur Zwangswirtschaft 52 c. Zugriff auf landwirtschaftliche Flächen 53 d. Zwischenresümee 54 3.1.5. "Strukturwandel" bis zum Ende der 1980er Jahre 54 a. Bodenreform 54 b. Flächenverluste 55 c. Grundstücksverkehrsgesetz 57 d. Blickwechsel 58 Inhaltsverzeichnis 4 e. Regionalplanung und Städtebau 58 f. Landschaftsplanung 59 g. Landesplanung 61 h. Staatliche Agrarpolitik 62 i. Landwirtschaftlicher "Strukturwandel" im Ruhrgebiet 65 j. Zwischenresümee 67 3.1.6. Neue agrarpolitische Ansätze und weitere Flächenverluste 68 a. Reform der europäischen Agrarpolitik 68 b. Neue Agrarpolitik im Ruhrgebiet 70 c. Landwirtschaftlicher Strukturwandel im Ruhrgebiet seit 1990 75 d. Flächenverluste 77 3.2. Funktionen der landwirtschaftlichen Flächen 78 3.2.1. Produktive Funktion 78 3.2.2. Soziale Funktion 79 3.2.3. Städtebauliche Funktion 79 3.2.4. Erholungsfunktion 80 3.2.5. Ästhetische Funktion 81 3.2.6. Ökologische Funktionen 82 3.2.7. Pädagogische Funktion 84 3.2.8. Politisch-berufliche Funktion 84 3.3. Nutzer und Entscheidungsträger 85 3.4. Regelwerk und Instrumente 86 3.4.1. Ordnungspolitische Aspekte 88 3.4.2. Leistungspolitische Aspekte 87 3.4.3. Organisatorische Aspekte 87 3.5. Ergebnisse 898 4. Wald und Forst 93 4.1. Waldentwicklung im Ruhrgebiet und Forstpolitik seit 93 dem 19. Jahrhundert 4.1.1. Waldverluste bis zum Ersten Weltkrieg 95 a. Forstpolitische Liberalisierung 95 b. Erste Ansätze zu einer staatlichen Walderhaltung 97 c. Zivilgesellschaftliche Initiativen 99 4.1.2. Waldschutz im Ruhrgebiet während der Weimarer Republik 100 a. Waldbauvereine 101 b. Baumschutzgesetz 101 c. Waldschutzpolitik des Siedlungsverbandes 104 4.1.3. Nationalsozialistische Waldzerstörung 106 4.1.4. Erfolgloser Waldschutz während der Wiederaufbauphase 108 a. Neue zivilgesellschaftliche Initiativen 108 b. Waldschutzgesetz 1950 108 c. Waldverluste im Ruhrgebiet 110 4.1.5. Waldzunahme nach der Wiederaufbauphase 112 a. Holzhandel und Holzpreise 112 b. Wohlfahrtswirkungen, Waldsterben und Klimawandel 113 c. Landesforstgesetz und Bundeswaldgesetz 113 d. Förderung der Forstwirtschaft 115 e. Bundesnaturschutzgesetz und Landesplanung 116 f. Forstwirtschaftlicher Strukturwandel im Ruhrgebiet 117 g. Befragung von Waldeigentümern im Ruhrgebiet 119 h. Industrielles und adeliges Waldeigentum im Ruhrgebiet 120 Inhaltsverzeichnis 5 i. Forstbetriebsgemeinschaften im Ruhrgebiet 121 j. Kommunales Waldeigentum im Ruhrgebiet 122 k. Gründe für den Waldzuwachs 125 4.2. Funktionen der Waldflächen 126 4.2.1. Produktive und ökonomische Funktionen 128 4.2.2. Ökologische Schutzfunktionen 129 4.2.3. Erholungsfunktion 130 4.2.4. Städtebaulich-planerische Funktionen 130 a. Flächenreserve 131 b. Ökologischer Ausgleich 131 c. Residualfunktion 131 4.2.5. Pädagogische Funktion 131 4.2.6. Kulturell-ästhetische Funktion 132 4.2.7. Politisch-berufliche Funktion 132 4.3. Nutzer und Entscheidungsträger 133 4.4. Regelwerk und Instrumente 134 4.4.1. Ordnungspolitische Aspekte 134 4.4.2. Leistungspolitische Aspekte 135 4.4.3. Organisatorische Aspekte 136 a. Neue Forstbetriebe 136 b. Forstwirtschaftliche Zusammenschlüsse 137 c. Forstverwaltung 138 d. Zivilgesellschaftliche Organisationen 139 4.5. Ergebnisse 139 5. Öffentliche Parks und Gärten 144 5.1. Von den Volksgärten bis zu den Revierparks im Ruhrgebiet 144 5.1.1. Kloster-, Adels- und Bürgergärten 144 5.1.2. Stadtparks, Volks- und Stadtgärten 146 a. Stadtgarten Essen 146 b. Stadtpark Bochum 147 c. Stadtgartenbewegung 151 5.1.3. Volksparks 155 5.1.4. Revierparks 157 5.1.5. Gartenschauen 159 5.2. Funktionen der öffentlichen Parkanlagen 161 5.2.1. Reproduktive Funktionen 162 5.2.2. Städtebauliche Funktionen 164 5.2.3. Politisch-symbolische Funktionen 165 5.2.4. Politisch-berufliche Funktionen 167 5.3. Nutzer und Entscheidungsträger 167 5.3.1. Kommunale Trägerschaft 168 5.3.2. Gemischte Trägerschaften 169 5.3.3. Bürgerschaftliche Beteiligung 169 5.4. Regelwerk und Instrumente 171 5.4.1. Ordnungspolitische Aspekte 172 5.4.2. Leistungspolitische Aspekte 172 5.4.3. Organisatorische Aspekte 173 5.5. Ergebnisse 174 Inhaltsverzeichnis 6 6. Kleingärten und ihre Vereine 176 6.1. Wurzeln und historische Entwicklung 176 6.1.1. Ursprung der Schrebergärten und ihrer Vereine 176 6.1.2. Vermeintliche Vorläufer 177 6.1.3. Arbeitergärten 179 6.1.4. Selbstorganisation 180 6.1.5. Staatliche Regelungen und Wettbewerbe 181 6.2. Kleingärten im Ruhrgebiet 184 6.2.1. Bürger- und Armengärten 184 6.2.2. Arbeitersiedlungen und Hausgärten 185 6.2.3. Industrielle und kommunale Pachtgärten und Grabeland 186 6.2.4. Schrebergärten und Kleingärten im Revier 187 6.3. Funktionen der Kleingärten 192 6.3.1. Produktiv: Anbau von Lebensmitteln 193 6.3.2. Reproduktiv: Ausgleich und Erholung 195 6.3.3. Pädagogisch: Spielen und Naturerfahrungen sammeln 197 6.3.4. Sozial: Kompensation, Integration und Widerstand 197 6.3.5. Städtebaulich und ökologisch: Freiraumschutz und Flächenrecycling 200 6.3.6. Politische und berufliche Funktionen 202 6.3.7. Zwischenresümee 202 6.4. Nutzer und Entscheidungsträger 202 6.5. Regelwerk und Instrumente der Kleingartenpolitik 205 6.5.1. Ordnungspolitische Aspekte 205 6.5.2. Leistungspolitische Aspekte 206 6.5.3. Organisatorische Aspekte 207 6.5.4. Zwischenresümee 208 6.6. Ergebnisse 209 7. Der Regionalverband Ruhr, seine Vorgänger und die Verbandsgrünflächen 211 7.1. Die Anfänge des Siedlungsverbandes und seine weitere Entwicklung 211 7.1.1. Robert Schmidt und der General-Siedelungsplan 213 7.1.2. Friedrich Strehlow und der Zweckverband 216 7.1.3. Schmidt und Strehlow - Gemeinsamkeiten und Unterschiede 218 7.1.4. Exkurs: Martin Wagner und das sanitäre Grün 219 7.1.5. Hans Luther und die Verbandsgründung 221 7.1.6. Zwischenresümee: Vom Nationalpark zum Siedlungsverband 224 7.1.7. Skizze der weiteren Verbandsentwicklung 225 7.2. Verbandsgrünflächen und ihre quantitative Entwicklung 227 7.3. Funktionen der Verbandsgrünflächen 230 7.3.1. Erholungsfunktion 231 7.3.2. Naturschutzfunktion 233 7.3.3. Klimafunktionen 234 7.3.4. Produktive Funktionen 234 7.3.5. Bodenschutz und Wasserhaushalt 235 7.3.6. Trenn- und Gliederungsfunktion 235 7.3.7. Flächenreserve 235 7.3.8. Beruflich-politische Funktion 236 7.3.9. Funktionen - Zwischenresümee 236 Inhaltsverzeichnis 7 7.4. Nutzer und Entscheidungsträger 236 7.4.1. Zuständige Gremien 237 7.4.2. Wahl und Zusammensetzung der Gremien 237 7.4.3. Kommunale und unternehmerische Bindungen der Gremienmitglieder 240 7.4.4. Entscheidungsstrukturen - Zwischenresümee 242 7.5. Regelwerk und Instrumente 243 7.5.1. Ordnungspolitische Aspekte 243 a. Verbandsgrünflächen und ihre Wirkung 243 b. Fluchtlinien- und Bebauungspläne 244 c. Träger öffentlicher Belange 246 7.5.2. Leistungspolitische Aspekte 247 7.5.3. Organisatorische Aspekte 250 7.5.4. Zwischenresümee 253 7.6. Ergebnisse 254 8. Begrünungsaktion Ruhrgebiet und Emscher Landschaftspark 257 8.1. Entwicklung des industriebedingten Ödlandes 257 8.1.1. Bergehalden 259 a. Umfang des Bergematerials 260 b. Kegelhalden und Haldenbrände 260 c. Tafelberge und Großhalden 261 d. Anzahl der Bergehalden 262 e. Ökologische Probleme 263 8.1.2. Bergsenkungen und das Emschersystem 264 8.1.3. Brachflächen und Deindustrialisierung 265 8.1.4. Mülldeponien 266 8.1.5. Altlasten und Verdachtsflächen 267 8.2. Begrünungsaktionen und der Wiederaufbau von Landschaft 269 8.2.1. Bepflanzung von Bahndämmen 270 8.2.2. Begrünungsaktion Ruhrkohlenbezirk und Haldenbegrünung 271 8.2.3. Begrünung und Grunderwerb 273 8.2.4. Renaturierung des Emschersystems 274 8.2.5. Wiederaufbau von Landschaft durch die Internationale Bauausstellung Emscher Park 274 a. Industriell geprägte Landschaftsparks 276 b. Wilde Industriewälder oder Bracheparks 277 c. Halden, Deponien, Landmarken 278 d. Stadtparks in der Industrielandschaft 280 e. Arbeiten im Park 280 f. Parks der vorindustriellen Kulturlandschaft 281 8.2.6. Masterplan Emscher Landschaftspark 2010 statt Nationalpark der Industriekultur 282 8.3. Funktionen der neuen Freiflächen 283 8.3.1. Ästhetische Funktionen 283 a. Verschönerung der Stadtlandschaft 283 b. Kritik der Vor- und Enttäuschungen 284 c. Authentizitätsfiktionen 285 d. Neue Lösungen 286 8.3.2. Entsorgungs- und Camouflage-Funktion 287 8.3.3. Emissions- und Immissionsschutz 291 8.3.4. Flächenrecycling und Downcycling 292 Inhaltsverzeichnis 8 8.3.5. Freizeit- und Erholungsfunktion 292 8.4. Nutzer und Entscheidungsträger 293 8.5. Regelwerk und Instrumente 296 8.5.1. Ordnungspolitische Aspekte 296 8.5.2. Leistungspolitische Aspekte 298 8.5.3. Organisatorische Aspekte 298 8.6. Ergebnisse 300 9. Zusammenfassung: Freiraumschutz durch Common-Property-Institutionen? 303 9.1. Commons - Problem oder Lösungsansatz ? 304 9.2. Freiraumverluste und ihre Gegenbewegungen im Ruhrgebiet von 1822 bis 2008 305 9.3. Freiraumfunktionen im Ruhrgebiet 308 9.4. Der Einfluss der Nutzer auf freiraum-bezogene Entscheidungen 310 9.5. Gefährdete und gesicherte Freiräume 312 10. Tabellenverzeichnis 315 11. Abkürzungsverzeichnis 317 12. Literatur 319 12.1. Bücher und Aufsätze 319 12.2. Statistiken 341 12.3. Gesetze und andere Rechtsvorschriften 342 12.4. Schreiben und Emails 345 12.5. Gespräche 347 12.6. Internetadressen 347 Erklärung 349 1. Freiraumverluste im Ruhrgebiet 9 1. Freiraumverluste im Ruhrgebiet "... hundert Jahre lang ließ man, ohne sich die geringsten Gedanken darüber zu machen, Staub und Ruß auf ihn herabregnen, machte die Landschaft, in der er lebte, zur Büßerlandschaft, ließ Dämpfe auf ihn los, knebelte ihm das Klima, raubte ihm jährlich einen ganzen Monat Sonne; man schuf 'Industrielandschaft', doch dieser Begriff, der so nüchtern klingt, ist nur eine romantische Verbrämung der Tatsache, daß die Industrie hier die Landschaft getötet hat, ohne eine neue zu bilden",1 schimpfte Heinrich Böll Ende der 1950er Jahre. Drei Jahrzehnte später wollte die Internationale Bauausstellung Emscher-Park (IBA) mit dem "Wiederaufbau von Landschaft" beginnen.2 Die jetzt im Ruhrgebiet noch vorhandenen Freiraumreste bezeichnete Karl Ganser, Chef der IBA- Planungsgesellschaft, als "Un-Landschaft", "denn die noch nicht besiedelten Flächen sind vielfältig zerrissen, zerteilt, durch Barrieren verstellt und durch Abgrabungen und Aufschüttungen topographisch überformt." 3 Um diesen Problemen abzuhelfen, versprach die IBA Emscher-Park bei ihrer Gründung im Jahr 1989: "Der Freiraum wird nicht mehr nur gegen Inanspruchnahme durch Bebauung ver- teidigt, sondern spürbar vermehrt." 4 Wenige Jahre später haben die IBA-Planungsgesellschaft und der dama- lige Kommunalverband Ruhrgebiet die Gründung von "Emscher Parkver- einen" angekündigt, um den Emscher-Landschaftspark stärker in der Ge- sellschaft zu verankern: "Der Emscher Landschaftspark braucht Parkvereine! ... Bis 1999 sollen möglichst viele solcher Ansätze ganz unterschiedlicher Form die Grundstruktur eines 'Netz- werks der Parkvereine' bilden." 5 Tatsächlich konnten auf Zechen- und Industriebrachen neue Freiräume entstehen, während die Parkvereine wieder vergessen wurden und die Freiflächen im Ruhrgebiet per Saldo weiter geschrumpft sind - wie seit zweihundert Jahren. In den Jahren 1822 bis 1835 fand die erste preußische "Katastralabschät- zung" zur Vereinheitlichung der Grundbesteuerung und zwischen 1861 und 1863 die erste Erhebung zur Bodenbenutzung statt. Daraus hat Friedhelm Meier die ältesten Daten für das Kern-Ruhrgebiet zusammengefasst.6 Seit 1 Böll, Heinrich, und Chargesheimer (1958): Im Ruhrgebiet, Frankfurt am Main, S.24 2 MSWV - Minister für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr des Landes Nordrhein Westfalen (Hg.) (1989): Internationale Bauausstellung Emscher-Park. Werkstatt für die Zukunft alter Industriegebiete. Memorandum zu Inhalt und Organisation, Düssel- dorf, S.35 f 3 Ganser, Karl (1993): Kunst in der Emscher Landschaft?, in: Stadtbauwelt 117 (1993), Berlin, S.606 f 4 MSWV (1989), S.36 5 Kommunalverband Ruhrgebiet und IBA Emscher Park (1995): Perspektive Emscher Landschaftspark. Positionspapier vom 20.12.1995, in: Schwarze-Rodrian, Michael (1996): Parkbericht. Emscher Landschaftspark, Essen, S.159-166, hier: S.165 6 Meier, Friedhelm (1961): Die Änderung der Bodennutzung und des Grundeigentums im Ruhrgebiet von 1820 bis 1955. Forschungen zur deutschen Landeskunde, Band 131, Bad Godesberg, S.17 und S.24. Das Kern-Ruhrgebiet umfasst ungefähr folgende 16 Stadtkreise (in den Grenzen von 1954): Duisburg, Mülheim, Essen, Wattenscheid, Bochum, Witten, Dortmund, Ober- 1. Freiraumverluste im Ruhrgebiet 10 1878 finden in unregelmäßigen zeitlichen Abständen Boden- nutzungserhebungen statt, deren Resultate amtlicherseits veröffentlicht werden. Änderungen in den kommunalen Grenzen und in den Nutzungs- kategorien sowie unterschiedliche räumliche Zuordnungen sind verant- wortlich dafür, dass exakte Zeitreihen über das Wachstum der Siedlungs- flächen nicht aufgestellt werden können.7 Trotzdem ist die Tendenz, die aus Tabelle 1.1. hervorgeht, eindeutig: Der Anteil der Bau- und Verkehrs- flächen ist im Kern-Ruhrgebiet seit dem Zeitraum 1822/35 von harmlosen 3,6 Prozent auf inzwischen fast die Hälfte der Gesamtfläche angewachsen. Grün- und Freiflächen sind entsprechend geschrumpft. Als Hans Klose, der spätere Verfasser des Reichsnaturschutzgesetzes, als Schüler in den 1890er Jahren mit seinem Vater, dem Schalker Amtmann, jeden Mittag einen Spaziergang unternehmen musste, sah er bereits "den Horizont unseres mittäglichen Weges enger werden. Häuserreihen drangen feldeinwärts; dreistöckige Einzelhäuser mit häßlichen Brandgiebeln wuchsen un- vermittelt empor; ... Abzugskanäle durchfurchten das ebene Gelände. Die schma- len Feldsteige verbreiterten sich zu schwarzen Aschenwegen ... Und allmählich, als wir die Kinderschuhe schon ausgezogen hatten, kam auch uns die Ahnung von der furchtbaren Tragik, die auf einer dem Untergang geweihten Landschaft ruht." 8 hausen, Bottrop, Gladbeck, Gelsenkirchen, Wanne-Eickel, Herne, Recklinghausen, Castrop-Rauxel und Lünen sowie die Landkreise Dinslaken und Recklinghausen. Durch Ein- und Ausgemeindungen sind die kommunalen Grenzen in den Zeiten vorher und nachher erheblich verändert worden. 7 Vor 1979 wurden Wirtschaftsflächen zum Teil nach dem "Betriebsprinzip" erfasst, nach dem die Flächen eines Betriebes in der Gemeinde ausgewiesen werden, in der der Betrieb seinen Sitz hat, auch wenn die Flächen in einer anderen Gemeinde liegen. Seit 1979 werden Katasterflächen erfasst und in der Gemeinde ausgewiesen, in der sie liegen (Belegenheitsprinzip). Die letzte große kommunale Neugliederung fand Mitte der 1970er Jahre statt. Dabei wurden der Kreis Dinslaken aufgelöst, mehrere, bis dahin kreisfreie Städte "einge- kreist" und alle verbliebenen Kommunen vergrößert. Um eine möglichst große Vergleichbarkeit zu erreichen, habe ich bereits ab 1938 den Kreis Dinslaken aus dem Kern-Ruhrgebiet ausgeklammert. Seit 1978 werden folgende Städte und Kreise zum Kern-Ruhrgebiet gezählt: Duisburg, Mülheim, Essen, Bochum, Dortmund, Oberhausen, Bottrop, Gelsenkirchen, Herne und der Kreis Recklinghausen (in ihren heutigen Grenzen). Zum gesamten rechtsrheinischen Revier zähle ich zusätzlich zum Kern-Ruhrgebiet auch den Kreis Unna und die Stadt Hamm sowie den Ennepe-Ruhr-Kreis und die Stadt Hagen. 8 Klose, Hans (1919): Das westfälische Industriegebiet und die Erhaltung der Natur, Berlin, S.6 f. Schalke ist inzwischen ein Stadtteil von Gelsenkirchen. 1. Freiraumverluste im Ruhrgebiet 11 Tabelle 1.1. Entwicklung der Bau- und Verkehrsflächen im Kern-Ruhrgebiet 1822-2008 Jahr Gesamt- fläche (ha) Baufläche (ha) Verkehrs- fläche (ha) zusammen (ha) Anteil (in %) 1822/35 205.881 2.284 5.108 7.392 3,6 1861/63 207.003 5.691 8.066 13.575 6,6 1883 224.568 8.276 10.995 19.271 8,6 1893 210.699 9.035 10.846 19.881 9,4 1900 211.014 12.520 12.146 24.666 11,7 1913 211.209 18.796 18.342 37.138 17,6 1927 212.903 23.407 14.799 38.206 17,9 1938 203.030 29.696 16.655 46.351 22,8 1950 204.473 35.578 16.964 52.542 25,7 1960 203.567 43.991 19.578 63.569 31,2 1970 208.233 49.989 23.833 73.822 35,5 1981 205.366 61.302 22.700 84.002 40,9 1993 205.414 65.357 25.205 90.562 44,1 2005 205.456 67.380 25.514 92.894 45,2 2008 205.463 67.575 25.716 93.291 45,4 Anmerkungen: In den Quellen tragen die Bauflächen jeweils folgende Bezeichnungen: 1822/35 und 1861/63: bebaut; 1883-1927: Haus- und Hofräume; 1938-1970: Ge- bäude- und Hofflächen, Industriegelände bzw. -flächen; ab 1979: Gebäude und (un- tergeordnete) Freiflächen sowie Betriebsflächen; die Verkehrsflächen werden folgendermaßen bezeichnet: 1822/35 und 1865: Wege und Gewässer, 1883: Wegeland, Gewässer u.a., 1893: Wegeland, Gewässer, Park- anlagen u.a.; 1900: Wegeland, Friedhöfe, Gewässer u.a.; 1913: Wegeland, Friedhöfe, öffentliche Parkanlagen, Gewässer u.a.; 1927-1960: Wegeland und bzw. einschl. Eisenbahnen; 1970: Straßen, Wegeland und Eisenbahnen; ab 1979: Verkehrsfläche Quellen: siehe Fußnote9 9 1822/35 und 1861/63: Meier, Friedhelm (1961): Die Änderung der Bodennutzung und des Grundeigentums im Ruhrgebiet von 1820 bis 1955. Forschungen zur deutschen Landeskunde, Band 131, Bad Godesberg, Tabellen II und III (o.S.); 1883: Preußische Statistik (1884), Bd. LXXXI, hg. vom Königlichen statistischen Bureau in Berlin, Berlin; 1893: Preußische Statistik (1894), Bd. 133, hg. vom Königlichen statistischen Bureau in Berlin, Berlin; 1900: Preußische Statistik (1902), Bd. 168, hg. vom Königlichen statistischen Bureau in Berlin, Berlin; 1913: Preußische Statistik (1918), Bd. 246, hg. vom Königlichen statistischen Bureau in Berlin, Berlin; 1927: Preußische Statistik (1928), Bd. 291, hg. vom Preußischen Statistischen Lan- desamt, Berlin; 1938: Statistik des deutschen Reiches (1939), Bd. 536, hg. vom Statistischen Reichsamt, Berlin; 1950: Statistisches Landesamt NRW (1951a): Statistisches Jahrbuch Nordrhein- Westfalen 1950/51, Düsseldorf, S.76-79; 1960: Statistisches Landesamt NRW (1961): Die Landwirtschaft in Nordrhein-West- falen 1960, Beiträge zur Statistik des Landes Nordrhein-Westfalen, Heft 137, Düssel- dorf; 1970: Statistisches Landesamt NRW (1971): Die Landwirtschaft in Nordrhein-West- falen 1970, Beiträge zur Statistik des Landes Nordrhein-Westfalen, Heft 273, Düssel- dorf; 1981: LDS NRW (1982a): Bodenflächen in Nordrhein-Westfalen 1981 nach Nut- zungsarten der Vermessungsverwaltung. Ergebnisse der Flächenerhebung 1981, Statistische Berichte C I 9 - 4 j/81, Düsseldorf; 1993: LDS NRW (1993): Bodenflächen in Nordrhein-Westfalen 1993 nach Nutzungs- arten der Vermessungsverwaltung. Ergebnisse der Flächenerhebung 1993, Statisti- sche Berichte C I 9 - 4j/93; 2005: LDS NRW (2005): Bodenflächen in Nordrhein-Westfalen nach Nutzungsarten der Vermessungsverwaltung. Ergebnisse der Flächenerhebung 2005, Kennziffer A V - 4j/05, Düsseldorf; 2008: LDS NRW (2008a): Bodenflächen in Nordrhein-Westfalen nach Art der tatsäch- lichen Nutzung. Ergebnisse der Flächenerhebung am 31. Dezember 2007, Düsseldorf 1. Freiraumverluste im Ruhrgebiet 12 Bis heute werden die Möglichkeiten, sich im Grünen zu erholen und Kinder spielen zu lassen, ständig eingeschränkt, und die Wege ins Grüne werden von Jahr zu Jahr länger. Nicht zu übersehen sind die stadtökologischen Wirkungen. Weniger Grün kann die städtisch aufgeheizte Luft kaum noch abkühlen und auch weniger Stäube aus ihr herausfiltern, weniger Grün kann entsprechend weniger Wasser speichern und so den Abfluss starker Niederschläge kaum abmildern. Die fortschreitenden Freiraumverluste wirken sich nachteilig auf die Erholungsmöglichkeiten der Bevölkerung, auf das Lokalklima, den regionalen Wasserhaushalt sowie auf die Lebens- räume von Tieren und Pflanzen aus, um nur einige Beispiele zu nennen. Diese Probleme haben inzwischen sogar der deutsche Bundestag und die Bundesregierung erkannt. Im Jahr 1997 hat die Bundestags-Enquete- Kommission "Schutz des Menschen und der Umwelt" zunächst eine "Ver- langsamung der Umwandlung von unbebauten Flächen in Siedlungs- und Verkehrsflächen" gefordert, und zwar bis zum Jahr 2010 auf 10 Prozent der seinerzeitigen Umwandlungsrate. Die Abgeordneten forderten also bis 2010 eine Reduktion des Freiraumverbrauchs auf 12 Hektar pro Tag, wäh- rend sich die Bundesregierung mit dem Umweltziel 30 Hektar pro Tag bis 2020 begnügt, das auch in die nationale Nachhaltigkeitsstrategie über- nommen wurde.10 Im Ruhrgebiet hat sich bereits in den 1860er Jahren die erste Gegenbe- wegung gegen den Freiraumschwund entwickelt und zunächst den Aufbau von Volksgärten und Stadtparks im Ruhrgebiet erreicht. Die späteren Volksparks, Gartenschauen, ja sogar der Emscher Landschaftspark stehen in dieser Tradition. Auch die Kleingartenbewegung erreichte noch im 19. Jahrhundert das Ruhrgebiet. In den 1920er Jahren wurde mit den Ver- bandsgrünflächen sogar ein für das Ruhrgebiet spezifisches Schutzin- strument eingeführt. Zugleich begann der neu gegründete Siedlungsver- band Ruhrkohlenbezirk (SVR) mit seinen Anstrengungen zum Wiederauf- bau und Ausbau von Wäldern, während die landwirtschaftlich genutzten Flächen ständig zurückgingen. Diese relativen Erfolge und Misserfolge der Freiraumpolitik im Ruhrgebiet werde ich im folgenden genauer untersuchen.11 10 Enquete-Kommission "Schutz des Menschen und der Umwelt" des 13. Deutschen Bundestages (1998): Konzept Nachhaltigkeit. Vom Leitbild zur Umsetzung. Abschlußbericht, Zur Sache 4/98, Bonn, S.238; Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (1998): Mit dem Entwurf eines umweltpolitischen Schwerpunktprogrammes neue Etappe in der Um- weltpolitik eingeleitet, Pressemitteilung 25/98 vom 28.4.98, Bonn; Bundesregierung (2002): Perspektiven für Deutschland. Unsere Strategie für eine nachhaltige Entwicklung, Berlin, S.71 11 Vorläufige Zwischenergebnisse wurden in zwei Artikeln veröffentlicht: Häpke, Ulrich (2007): Verbandsgrünflächen und öffentliche Parkanlagen im Ruhrge- biet - Freiraumschutz durch Common-Property-Institutionen?, in: Westfälische For- schungen 57 (2007), S.173-199; Häpke, Ulrich (2008): Revitalisierung von Brachflächen im Ruhrgebiet durch "Common Property Rights"?, in: local land & soil news no.26/27 II/08, Dezember 2008, S.24-26 2. Tragik der Allmende oder Common-Property-Lösungen ? 13 2. Tragik der Allmende oder Common-Property- Lösungen ? Eine Analyse der Freiraumpolitik muss ausgehen von der Problematik des Freiraumbegriffes und von den wesentlichen Merkmalen, die den Freiraum charakterisieren. Zu diesen Merkmalen gehört, dass Freiräume zumeist von mehreren Menschen gleichzeitig genutzt werden und daher einen ho- hen "Öffentlichkeitsgrad" haben. Vor diesem Hintergrund entstanden zwei gegensätzliche Thesen, um Freiraumverluste zu erklären und um die Be- dingungen für einen erfolgreichen Ressourcenschutz aufzuzeigen: zum einen die These von der "Tragedy of the Commons", der auf der anderen Seite der Common-Property-Ansatz gegenübersteht. Vereinfacht gesagt, sieht die eine These im gemeinschaftlichen Eigentum die Ursache, die andere hingegen den Ansatz zur Lösung ökologischer Probleme. Beide Thesen werde ich im folgenden genauer erläutern, um daraus die Unter- suchungsfragen und die weitere Vorgehensweise zu entwickeln. 2.1. Was ist Freiraum ? Noch bevor Martin Wagner im Jahr 1915 mit seiner Dissertation über "Das Sanitäre Grün der Städte" einen "Beitrag zur Freiflächentheorie" verfasst hat,12 hat Werner Hegemann in seinem Katalog über die Städtebau- Ausstellungen in Berlin und Düsseldorf den Begriff "Freiflächen" genannt. Es ist eine Vielzahl von Schmuck- und Sportplätzen, von Erholungsparks bis zu städtischen Wäldern, die Hegemann unter dieser Überschrift beschrieb.13 Martin Wagner ist der erste, der eine systematische Betrachtung der "Frei- flächen" leistet. Unmissverständlich stand für Wagner "die 'freie Fläche' im Gegensatze zu dem verbauten Stadtkörper",14 zu den Bauflächen. Freiflächen waren für Wagner ein Sammelbegriff, zu dem insbesondere "Sport- und Spielplätze..., Pachtgärten, Volksparkanlagen und dem Wanderbe- dürfnisse dienende... Wälder und Wiesen" gehören.15 Ähnlich sah es auch Philipp A. Rappaport, 1. Beigeordneter und späterer Verbandsdirektor des Siedlungsverbandes Ruhrkohlenbezirk, der im Jahr 1930 das Thema "Freiflächen" für das "Handwörterbuch des Wohnungswesens" bearbeitet hat: "Zur Begriffsbestimmung sei davon ausgegangen, daß das Gebiet einer nach neu- zeitlichen Grundsätzen entwickelten Stadt sich in Wohnflächen, Industrieflächen, Verkehrsflächen und Freiflächen aufteilt. Freiflächen können daher sowohl künst- lich geschaffene Grünanlagen, wie auch landwirtschaftlich oder forstwirtschaftlich genutzte Flächen sein." 12 Wagner, Martin (1915): Das Sanitäre Grün der Städte. Ein Beitrag zur Freiflächen- theorie, Diss. Berlin 13 Hegemann, Werner (1913): Der Städtebau nach den Ergebnissen der Allgemeinen Städtebau-Ausstellung in Berlin nebst einem Anhang: Die Internationale Städtebau- Ausstellung in Düsseldorf. Zweiter Teil Verkehrswesen - Freiflächen, Berlin, S.337-395 14 Wagner (1915), S.1 15 Wagner (1915), S.3 2. Tragik der Allmende oder Common-Property-Lösungen ? 14 Im einzelnen nannte Rappaport dann insbesondere "Spiel- und Sportplätze, Grünplätze, Grünstreifen, Volks- und Kleingärten, Park- anlagen einschl. aller Erholungs- und Volksparks, Friedhöfe, schließlich größere Stadtwaldanlagen, Stadtauen u. dgl." 16 Für Wagner und Rappaport sind Freiflächen ein Synonym für sämtliche Arten von weitgehend öffentlich zugänglichen Grünflächen. Obwohl viele AutorInnen es ähnlich sehen, gibt es auch Arbeiten mit einem engeren sowie mit einem weiteren Verständnis von Freiraum.17 2.1.1. Freiraum im weiteren Sinne Manche AutorInnen berücksichtigen auch private und halböffentliche Grünflächen sowie "steinerne" Flächen. So bezieht Maria Spitthöver in ihre Untersuchung über Freiraumansprüche und Freiraumbedarf neben den öffentlichen Grünflächen auch privat nutz- bare Freiräume wie Hausgärten und Grundstücksfreiflächen im Ge- schosswohnungsbau ein.18 Trotzdem werde ich diese Flächenarten im folgenden ausklammern. Hausgärten werden von ihren Besitzern gegen- über anderen weitgehend abgeschirmt. Ähnlich wie Vorgärten werden sie zur Vereinfachung der Pflege immer häufiger versiegelt, z.B. gepflastert, in Stellplätze für Kraftfahrzeuge umgewandelt, mit Garagen oder Carports überbaut.19 Die halböffentlichen Grundstücksfreiflächen im Geschosswoh- nungsbau dienen ebenfalls als Stellplatzreservefläche und können nur selten zur Erholung genutzt werden: "Das sog. Abstandsgrün in Wohnsiedlungen ist also insofern klar definiert, als es arbeitsähnliche Tätigkeiten definitv zulässt ...", "... aber sich nichtstuender Weise, also 'einfach so', im Wohnumfeld aufzuhalten, gilt als irgendwie problematisch. Man fürchtet, in der Nachbarschaft als Faulenzer, Arbeitsloser oder Nichtsnutz eingestuft zu werden." 20 Aus gutem Grund werden diese Flächen bei den Bodennutzungserhebun- gen der statistischen Landesämter nicht gesondert erfasst, weil sie als Abstandsflächen dem Zweck der Bebauung untergeordnet sind und daher zur Kategorie der "Gebäude- und Freiflächen" gehören.21 16 Rappaport, Philipp A. (1930): Freiflächen, in: Albrecht, Gerhard, Albert Gut, Wilhelm Lübbert, Emil Weber, Otto Wölz und Bruno Schwan (Hg.) (1930): Handwörterbuch des Wohnungswesens, Jena, S.255-262 17 mit weiteren Hinweisen: Hoyer, Rolf (1987): Funktionswandel innerstädtischer grünbestimmter Freiräume in deutschen Großstädten, Paderborn, S.31 ff; Singer, Christian (1995): Stadtökologisch wertvolle Freiflächen in Nordrhein-Westfa- len. ILS-Schriften 96, Dortmund, S.159 ff 18 Spitthöver, Maria (1982): Freiraumansprüche und Freiraumbedarf. Zum Einfluß von Freiraumversorgung und Schichtzugehörigkeit auf die Anspruchshaltungen an in- nerstätischen Freiraum, München, S.88 ff, S.86 ff, S.91 ff 19 Diese Entwicklung ist in der Ackerstraße, in der ich wohne, sehr gut zu beobachten: Von Jahr zu Jahr werden weitere Vorgärten mit Platten belegt oder gepflastert, Gara- gen werden errichtet und ihre Zufahrten versiegelt. 20 Tessin, Wulf (2004): Freiraum und Verhalten. Soziologische Aspekte der Nutzung und Planung städtischer Freiräume. Eine Einführung, Wiesbaden, S.36 21 "Gebäude- und Freifläche: Flächen mit Gebäuden und baulichen Anlagen sowie unbe- baute Flächen (Freiflächen), die Zwecken der Gebäude untergeordnet sind. Zu den unbebauten Flächen zählen Vorgärten, Hausgärten, Spielplätze, Stellplätze und an- dere Flächen, es sei denn, daß sie wegen eigenständiger Verwendung nach ihrer tat- sächlichen Nutzung auszuweisen sind. Anmerkung: Die unbebauten Flächen gelten gewöhnlich als der Bebauung untergeordnet, wenn sie das 10fache der bebauten Flä- che nicht überschreiten. Flächen bis zu 0,2 ha gelten bei obiger Nutzung als der Be- bauung untergeordnet." 2. Tragik der Allmende oder Common-Property-Lösungen ? 15 Andere AutorInnen berücksichtigen auch "steinerne" Flächen wie Fußgän- gerzonen und Bürgersteige,22 obwohl ihr ökologischer und erholungs-rele- vanter Wert außerordentlich gering ist. Maria Spitthöver geht ebenfalls auf Straßen und Plätze ein, allerdings mit dem Ziel einer besseren Durchgrü- nung.23 Ebenso Werkmeister und Heimer im ersten "Freiraumentwick- lungsplan", der für eine Stadt im Ruhrgebiet, und zwar für Dortmund im Jahr 1979 erstellt wurde. Zurecht sehen sie in der Durchgrünung nur einen notdürftigen Ersatz: "Wo aber Grünflächen und Gärten fehlen, ist es besonders wichtig, dem Bedürfnis nach grüner Wohnumgebung durch die Anlage von durchgrünten Straßen, Wegen und Plätzen Rechnung zu tragen. Wo keine aureichenden Möglichkeiten zum Spazierengehen oder Verweilen in wohnungsnahen Grünflächen bestehen oder geschaffen werden können, ist es besonders wichtig, diese Möglichkeiten auf Straßen, Wegen, Plätzen und Höfen anzubieten." 24 Auch wenn Bäume in einer Straße die Lebensbedingungen der Anwohne- rInnen positiv beeinflussen, will ich im folgenden baumbestandene Straßen nicht als Freiflächen einstufen, weil die verkehrliche Nutzung nach wie vor die Dominante ist. 2.1.2. Freiraum im engeren Sinne Im Jahr 1984 prägte der Minister für Landes- und Stadtentwicklung des Landes Nordrhein-Westfalen eine engere Begriffsbestimmung. Danach "können unter dem Begriff 'Freiraum' die Nutzungen zusammengefaßt werden, die nicht Siedlungszwecken dienen (landwirtschaftliche Fläche, Waldfläche, Wasser- fläche, Moor, Heide, Unland)." 25 Diese Definition, die aus der landes- und regionalplanerischen Sicht heraus entstanden ist, klammert insbesondere Gartenland und Parkanlagen aus. Gerade für die städtische Freiraumpolitik ist eine solche Abgrenzung wenig hilfreich.26 Zu eng ist auch die Umschreibung durch Lynch, demzufolge Freiraum "frei zum Betreten oder zur Benutzung, unversperrt, unbeschränkt, zugänglich, verfügbar, ungeschützt, ausgedehnt, offen, unbestimmt, unklar, frei, empfänglich ..." ist.27 Es wird nur wenige Parzellen geben, die diese Kriterien in ihrer Summe erfüllen, während der real existierende Freiraum allenfalls einzelne Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik Nordrhein-Westfalen (LDS NRW), Henseler (1996): Schreiben vom 29.1.1996, Zeichen 341.311321, Anlage: Begriffsbe- stimmungen. Bodenflächen in NRW nach Nutzungsarten der Vermessungsverwaltung, S.37 22 Hoyer (1987), S.31 ff 23 Spitthöver (1982), S.214 ff 24 Werkmeister, H.F., und M. Heimer (1979): Freiraumentwicklungsplan Dortmund. Gutachten im Auftrage des SVR, Hildesheim und Bochum, S.99 25 Minister für Landes- und Stadtentwicklung des Landes Nordrhein-Westfalen (1984a): Freiraumbericht. MLS informiert 1/84, Düsseldorf, S.15 26 Demgegenüber definiert Wierling Freiflächen "als Differenz zwischen der gesamten Wirtschaftsfläche und der von Industrie, Dienstleistungsgewerbe, Wohnungsbau und öffentlichen Einrichtungen beanspruchten Fläche"; Wierling, Ludger (1968): Landwirtschaft im städtisch-industriellen Ballungsraum. Un- tersucht am Beispiel des rheinisch-westfälischen Industriegebietes, Köln und Opladen, S.36 27 zitiert nach Hoyer (1987), S.32 2. Tragik der Allmende oder Common-Property-Lösungen ? 16 dieser Merkmale aufweist. Letztlich gilt nach wie vor die Aussage von Rappaport: "Der Begriff der Freiflächen ... ist ungeklärt."28 2.1.3. Die Freiraumdefinition in der vorliegenden Arbeit Trotzdem bleibe ich im folgenden bei den Bezeichnungen Freiraum und Freiflächen. Ihre definitorische Unschärfe entspricht auch ihrem histori- schen Wandel. Dabei gilt grundsätzlich, dass Freiräume frei sind von Ver- siegelungen durch bauliche Anlagen, frei von Produkten des Hoch- und des Tiefbaues. Damit hört die Freiheit dieser Flächen aber auch schon auf: - Sie sind ganz und gar nicht frei von Bewuchs; man könnte sie daher auch als Grünflächen bezeichnen, wie z.B. die Verbandsgrünflächen im Ruhrgebiet. Häufig wird das Wort Grünflächen allerdings mit öf- fentlichen Grünanlagen verbunden. Kaum jemand denkt dabei an land- und forstwirtschaftliche Nutzflächen. Auch das Baurecht klammert die Land- und Forstwirtschaft aus den Grünflächen aus.29 Daher ist der Begriff Grünflächen weniger gut geeignet als der offene Begriff der Freiflächen.30 Dafür, dass der Begriff Freiraum als Legitimation für den baulichen Zugriff auf Flächen missbraucht wurde, habe ich keine Anhaltspunkte gefunden. Die Interessen am Bau von neuen Wohnun- gen, Geschäftshäusern, industriellen und gewerblichen Einrichtungen sowie von neuen Verkehrsanlagen sind gesellschaftlich derart domi- nant, dass sie auf begriffliche Rechtfertigungen verzichten. - Freiräume sind ganz und gar nicht frei in dem Sinne, dass sie nieman- dem gehören. Vielmehr haben sie wie alle anderen Flächen ebenfalls ihre Eigentümer, ihre Besitzer und ihre staatlichen Regelungen. Die Struktur dieser Bindungen, ihr historischer Wandel und ihr Beitrag zum Freiraumschutz sind Gegenstand der folgenden Untersuchung. - Schließlich sind Freiräume auch nicht frei von Nutzungen und Funktio- nen. Welche Funktionen und Nutzungen in Freiräumen miteinander verknüpft sind, genauer: von ihren NutzerInnen wahrgenommen und für wichtig gehalten wurden, hat sich im Laufe der letzten anderthalb Jahrhunderte immer wieder verändert.31 Inwieweit diese Funktionen, Nutzungen und ihr historischer Wandel zum Freiraumschutz beigetra- gen haben, ist eine spannende Frage, die allgemein nicht beantwortet werden kann und der ich konkret im weiteren Verlauf nachgehen werde. Beispiele für Nutzungen sind die Land- und Forstwirtschaft 28 Rappaport (1930), S.255; auch Singer (1995), S.24, referiert mehrere aktuelle Definitionsversuche, um zu dem gleichen Ergebnis zu kommen, dass sie "keine widerspruchsfreie Zusammenfassung aller Freiflächenmerkmale zulassen"; so auch Hoyer (1987), S.46: "Eine endgültige und allgemein verbindliche Füllung des Begriffes existiert - wenn überhaupt möglich - noch nicht." 29 Singer (1995), S.160, mit Verweis auf Kloepfer, Michael (1990): Freiraumschutz durch Planung, in: Hoppe, W., und W. Appold (Hg.) (1990): Umweltschutz in der Raumplanung. Beiträge zum Siedlungs- und zum Wohnungswesen und zur Raum- planung 133, Münster, S.88-115 30 Trotzdem verwende ich das Wort Grünflächen als Synonym, um eine allzu große sprachliche Eintönigkeit zu vermeiden. 31 Eine umfassende und nahezu zeitlose Freiraumdefinition, die daher dem historischen Wandel nicht gerecht wird, haben Bochnig und Selle aufgestellt, indem sie die ökolo- gische, ökonomische und soziale Funktion des Freiraums in elf Merkmale und weitere Unterpunkte untergliedert haben: Bochnig, Stefan, und Klaus Selle (1992a): Aufgaben, Ziele und Wege der Freiraum- politik in den Städten, in: Bochnig, Stefan, und Klaus Selle (Hg.) (1992b): Freiräume für die Stadt, Wiesbaden und Berlin, S.41-60, hier: S.48; ähnlich Hoyer (1987), S.42 f 2. Tragik der Allmende oder Common-Property-Lösungen ? 17 sowie die gärtnerische Nutzung, Beispiele für Funktionen sind die ökologischen und ästhetischen Wirkungen. - Freiflächen sind weitgehend öffentlich zugänglich. Dies gilt sicherlich für öffentliche Grün- und Parkanlagen, auch wenn das Betreten von Beeten und Rasenflächen verboten ist. Ähnlich sollten auch agrarische Nutzflächen nicht betreten werden, während die landwirtschaftlichen Wirtschaftswege für Spaziergänger und Fahrradfahrer offen sind - bei entsprechender Rücksichtnahme auf die agrarische Wirt- schaftstätigkeit. Auch jeder einzelne Kleingarten ist eine private Frei- fläche. Sie sind allerdings zu Kleingartenanlagen zusammenge- schlossen, die auch als "Kleingartenparks"32 bezeichnet werden kön- nen und für BesucherInnen offen stehen. Für Wälder ist ein allgemei- nes Betretungsrecht seit 1969 sogar gesetzlich festgelegt. Wie sich im folgenden zeigen wird, gibt es verschiedene Typen von Frei- räumen, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten von den jeweiligen Politikern und von der Bevölkerung für wichtig gehalten, geschützt oder erweitert werden: öffentliche Grünanlagen, Kleingärten, Wälder, begrünte Brachflä- chen und die Verbandsgrünflächen des früheren Siedlungsverbandes Ruhrkohlenbezirk, dem heutigen Regionalverband Ruhr, wohingegen die landwirtschaftlich genutzten Flächen während des gesamten Prozesses aus dem Ruhrgebiet verdrängt werden. 2.2. Freiraum als Koppelprodukt der Bodennutzung Freiraum zu sein, ist eine Eigenschaft, die viele, ganz unterschiedlich ge- nutzte Flächen gemeinsam haben. Infolgedessen kann man Freiräume durchaus als Neben-, Kuppel- oder Koppelprodukt33 von "grünen" Nutzun- gen ansehen. Wenn die Landwirtschaft beispielsweise Getreide produziert, dann erzeugt sie als Koppelprodukt einen agrarisch geprägten Freiraum. Die Forstwirtschaft produziert Holz und als Koppelprodukt den Freiraumtyp Wald. Aus diesem Blickwinkel resultiert eine verbreitete Interpretation von Frei- raumverlusten. Danach werden Freiräume verbraucht, wenn eine "grüne" Nutzung durch eine andere, bauliche Nutzung ersetzt wird, wenn z.B. die land- oder forstwirtschaftliche Nutzung einer Fläche durch die Wohn- oder Gewerbenutzung verdrängt wird. Eine solche Umnutzung hat selbstver- ständlich Gründe, die einen Erklärungsansatz für Freiraumverluste bilden. Möglichst allgemein formuliert, liegen diese Gründe darin, dass der Bo- deneigentümer seine Erwartungen oder Ziele durch die neue Flächennut- 32 Borcke, Wulf-Dietrich von (1964): Landespflege im Ruhrgebiet aus der Sicht der Lan- desplanung insbesondere der Regionalplanung, Diss. Hannover, S.159 33 zum Begriff Koppelprodukt: Hofmeister, Sabine (1989): Stoff- und Energiebilanzen. Zur Eignung des physischen Bilanz-Prinzips als Konzeption der Umweltplanung. Landschaftsentwicklung und Umweltforschung. Schriftenreihe des Fachbereichs Landschaftsentwicklung der TU Berlin, Nr.58, Berlin, S.7 ff; Balz, Matthias, und Rüdiger Meimberg (1987): Funktionen und Leistungen der Land- und Forstwirtschaft über die Nahrungsmittel- und Rohstoffproduktion hinaus - Pilot- studie. ifo-Studien zur Agrarwirtschaft, 26, München, S.16-19; 1974 bezeichnete Arnold Ebert, der damalige Staatssekretär im Ministerium für Er- nährung, Landwirtschaft und Forsten des Landes Nordrhein-Westfalen, "Natur, Land- schaft, Freizeit usw." als "Nebenprodukte" der landwirtschaftlichen Bodennutzung: Ebert, Arnold (1974): Zum Funktionswandel des Bodens, in: MELF - Minister für Er- nährung, Landwirtschaft und Forsten des Landes Nordrhein-Westfalen (Hg.) (1974): Land- und Forstwirtschaft in einem Industrieland. Aufgaben und Leistungen in Nord- rhein-Westfalen, Düsseldorf, S.57-60, hier: S.58 2. Tragik der Allmende oder Common-Property-Lösungen ? 18 zung besser erreichen kann als durch die bisherige Nutzung mit dem Frei- raum als Koppelprodukt. Um den Freiraum zu erhalten, müsste in diesem gedanklichen Kontext - entweder der Grundeigentümer zu einer freiraum-freundlichen Korrek- tur seiner Ziele oder Nutzenerwartungen bewegt werden, - oder es müsste dafür gesorgt werden, dass der Nutzen der freiraum- konformen Bodennutzung für den Grundeigentümer ständig größer ist als der einer Umnutzung. Wenn man aber bedenkt, dass beispielsweise im Kreis Unna der Kaufwert von Bauland mehr als das Zwanzigfache des Kaufwertes von landwirt- schaftlichen Flächen erreicht,34 dann werden die privaten Eigentümer von landwirtschaftlichen Flächen nur unter besonderen Umständen auf diesen Wertzuwachs verzichten, sobald die kommunale Planung und interessierte Investoren die Verwandlung von Agrar- in Bauland ermöglichen. Auf der anderen Seite ist es kaum vorstellbar, dass die Erträge der landwirtschaft- lichen Bodennutzung so weit angehoben werden können, dass eine bauli- che Nutzung ökonomisch uninteressant wird. Dies ist besonders brisant, weil die landwirtschaftlichen Flächen am stärksten von der Umwandlung in Siedlungsfläche betroffen sind und weil die Hälfte der Agrarflächen im Ruhrgebiet inzwischen nicht-landwirtschaft- lichen Eigentümern gehört. Während viele Landwirte an der Erhaltung ihres Hofes interessiert sind, auch wenn es vielleicht profitablere Nut- zungsalternativen gibt, werden nicht-landwirtschaftliche Eigentümer eher auf ihre Erträge als auf freiraum-konforme Nutzungen achten. Daher er- scheint mir der oben skizzierte Ansatz zum Freiraumschutz als recht chan- cenlos, so dass ich diesen Gedankengang auch nicht weiter ausführen will.35 2.3. Freiraum als öffentliches Gut Es gibt noch eine andere Sichtweise. Danach trägt der Freiraum Merkmale eines öffentlichen Gutes. Öffentliche Güter im engeren Sinne zeichnen sich im Gegensatz zu privaten Gütern theoretisch dadurch aus, - dass niemand von ihrem Konsum ausgeschlossen werden kann und - dass sich die KonsumentInnen in ihrem Konsum gegenseitig nicht beeinträchtigen: die so genannte Nicht-Rivalität von Nutzungen.36 34 Häpke, Ulrich, und Anke Schekahn (1998): Der Kreis Unna - am Ballungsrand des Ruhrgebietes, in: Fink-Keßler, Andrea, Ulrich Häpke, Onno Poppinga, Anke Schekahn und Gerda Weber (1998): Regionale Lösungen für regionale Probleme. Vorschläge zur Landesagrarpolitik entwickelt an zwei Kreisen in Nordrhein-Westfalen, Arbeitsbe- richte des Fachbereichs Stadtplanung/Landschaftsplanung der Universität Gesamt- hochschule Kassel, Heft A 132, Kassel, S.111 f 35 Kujath hat untersucht, unter welchen sozio-ökonomischen Bedingungen Wohnungs- bestände erhalten oder abgerissen und durch Neubauten ersetzt werden. In Anleh- nung daran ließe sich auch die Umnutzung von der Land- und Forstwirtschaft zum Wohn- oder Gewerbegebiet genauer betrachten: Kujath, Hans Joachim (1986): Regeneration der Stadt. Ökonomie und Politik des Wandels im Wohnungsbestand, Stadt-Planung-Geschichte Band 7, Hamburg 36 Frey, Bruno S. (1972): Umweltökonomie, Göttingen, S.49; ausdrücklich bezogen auf Freiflächen: Gailing, Ludger (2005): Regionalparks. Grundlagen und Instrumente der Freiraum- politik in Verdichtungsräumen, Dortmunder Beiträge zur Raumplanung 121, Dortmund, S.36 f; Meurer, Petra (2001): Instrumente für eine nachhaltige Entwicklung von Flächennut- zungen, Frankfurt am Main, Berlin, Bern u.a., S.44 (zugleich: Diss. Kassel 2000) 2. Tragik der Allmende oder Common-Property-Lösungen ? 19 Öffentlichen Charakter haben natürlich nicht die produktiven, wirtschaftli- chen Leistungen der Freiräume, wie z.B. Gras, Getreide oder Holz, die privat geerntet werden, wohl aber die ökologischen, ästhetischen, der Er- holung dienenden und weitere "positive externe" Effekte des Freiraums.37 Diese Wirkungen kommen nicht nur den jeweiligen Grundeigentümern, sondern auch allen anderen Menschen zugute, die den Freiraum als öf- fentliches Gut nutzen. So werden in den nordrhein-westfälischen Landeswaldberichten 1996 und 2002 "die Umwelt- und Infrastrukturleistungen des Waldes als kollektive oder öffentliche Güter ... (wie z.B. Lärmschutz, Erholung)" bezeichnet. Vor allem "die Erholung im Wald" gilt als "immaterielles Wirt- schaftsgut", das für alle Besucher gleichermaßen kostenfrei ist.38 Dabei muss die idealtypische, theoretische Definition allerdings einge- schränkt werden. Nahezu alle 'öffentlichen Güter', z.B. die Luft, das Klima oder die Meere, weisen bei genauerem Hinsehen immer Nutzungsgrenzen, deren Überschreitung Schäden verursacht, und Zugangshemmnisse für Nutzungsinteressenten auf. Bei zweckwidriger Nutzung und jenseits der Schwellenwerte tritt durchaus eine Beeinträchtigung der Nutzung ein. Daher sollte man wie der Wirtschaftswissenschaftler Holger Bonus eher von Gütern mit unterschiedlichen "Öffentlichkeitsgraden" sprechen.39 Güter mit einem hohen Öffentlichkeitsgrad zeichnen sich im allgemeinen durch eine große Zahl von Nutzern aus, durch niedrige Zugangsschwellen und eine relativ hohe Nutzungstoleranz, bevor Schäden eintreten. 2.4. Freiraumverluste als "Tragedy of the Commons" Aus dieser Sicht heraus ergibt sich ein zweiter Erklärungsansatz für Frei- raumverluste. Dass öffentliche Güter durch Über- oder falsche Nutzung geschädigt oder gar verbraucht werden, zeigt sich deutlich an der Meeresverschmutzung und am anthropogenen Treibhauseffekt.40 Dieses Problem wird in der Um- weltökonomie und Umweltsoziologie zum Teil als "Free-Rider"-Problem 37 Gailing (2005), S.36 f; Meurer, Petra (2000): Flächennutzungsentwicklung: Nachhaltigkeit und ökonomische Sichtweise, in: Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung des Landes Nord- rhein-Westfalen (ILS) (Hg.) (2000): Zukunftsgestaltung durch nachhaltige Regional- entwicklung, ILS-Schriften 157, Dortmund, S.21-26, hier: S.23 38 Landesregierung Nordrhein-Westfalen (1996): Bericht der Landesregierung über Lage und Entwicklung der Forstwirtschaft (Landeswaldbericht 1996), Landtag Nordrhein- Westfalen, Drucksache 12/1576, Düsseldorf, S.14 f; Landesregierung Nordrhein-Westfalen (2003): Bericht der Landesregierung über Lage und Entwicklung der Forstwirtschaft (Landeswaldbericht 2002), Landtag Nordrhein- Westfalen. Vorlage 13/2253, S.133 39 Bonus spricht davon, dass Güter unterschiedliche "Öffentlichkeitsgrade" aufweisen können. Diese wiederum sind abhängig vom Umfang - positiver, aber auch negativer - "externer Effekte" und von dem Ausmaß, in dem Dritte "sich subjektiv involviert füh- len", d.h. betroffen oder Nutznießer sind: Bonus, Holger (1980): Öffentliche Güter und der Öffentlichkeitsgrad von Gütern, in: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft (ZgS), Band 136 (1980), S.50-81, hier: S.51, S.56, S.58 40 Der neu eingeführte Emissionshandel mit Treibhausgasen bedeutet, dass bestimmte Luftverschmutzungsrechte von Staats wegen in eine privat verfügbare Ware umge- wandelt werden. Auf diese Weise wird das öffentliche Gut Luft portionsweise privati- siert. 2. Tragik der Allmende oder Common-Property-Lösungen ? 20 (Trittbrett-, Schwarzfahrer) diskutiert, während Hardin 1968 in den USA hierfür die These von der "Tragedy of the Commons", also der "Tragödie der Allmende" geprägt hat.41 Auch wenn Hardins These als neu erschien, wurde die gleiche Position schon mehr als hundert Jahre zuvor von Johann Nepomuk von Schwerz und auch später wieder von verschiedenen Autoren vertreten.42 Erst Mitte der 1990er Jahre erreichte die Diskussion dieser These den deutschsprachigen Raum und schlug sich in mehreren Veröffentlichungen nieder, z.B. im Sonderheft "Umweltsoziologie" der "Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie". Sie wurde sogar im "Städtebaulichen Bericht: Nachhaltige Stadtentwicklung" von der Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung ihrer Strategieentwicklung zugrunde- gelegt.43 Hardins Annahmen waren eine für alle offene Weide und "rationale" Tier- halter. Jeder dieser Tierhalter werde sich früher oder später ausrechnen, dass sein individueller Nutzen um einen bestimmten Betrag, den Hardin +1 nennt, steigt, wenn er ein weiteres Tier auf die Weide schickt. Zugleich entstehe zwar ein Schaden durch die Überbeanspruchung der Weide, den Hardin als -1 bezeichnet, der aber von allen Weidenutzern gemeinsam getragen werde. Daher müsse jeder einzelne Tierhalter nur einen Bruchteil des Schadens von -1 übernehmen. Infolgedessen sei es für den individu- ellen Tierhalter rational, seine Herde zunächst um ein Tier aufzustocken - um dann immer wieder noch ein weiteres Tier hinzuzunehmen. Da alle 41 Hardin, Garrett (1968): The Tragedy of the Commons, in: Science 162 (1968), S.1243- 1248, online in: (9.07.07), vgl. auch: "Picture a pasture open to all. ... As a rational being, each herdsman seeks to maxi- mize his gain. Explicitly or implicitly, more or less consciously, he asks, 'What is the utility to me of adding one more animal to my herd ?' This utility has one negative and one positive component. 1. The positive component is a function of the inrement of one animal. Since the herdsman receives all the proceeds from the sale of the additional animal, the positive utility is nearly +1. 2. The negative component is a function of the additional overgrazing created by one more animal. Since, however, the effects of overgrazing are shared by all the herds- men, the negative utility for any particular decision-making herdsman ist only a fraction of -1. Adding together the component partial utilities, the rational herdsman concludes that the only sensible course for him to pursue ist to add another animal to his herd. And another ... But this is the conclusion reached by each and every rational herdsman sharing a commons. Therein is the tragedy. Each man is locked into a system that compels him to increase his herd without limit - in a world that is limited. Ruin is the destination toward which all men rush, each pursuing his own best interest in a society that believes in the freedom of the commons. Freedom in a commons brings ruin to all." 42 Schwerz, Johann Nepomuk von (1836): Beschreibung der Landwirthschaft in Westfa- len und Rheinpreussen. Erster Theil, Stuttgart (Faksimiledruck Münster o.J.), S.148: "Jeder zur Hut Berechtigte sucht den Andern durch die Mehrzahl, die er auftreibt, zu übervortheilen, und so haben beide nichts." Helmig, August (1932): Der Wald und seine Erhaltung im rheinisch-westfälischen In- dustriegebiet, Leipzig, S.65: "Es ist eine im Gemeinschaftsleben immer wiederkeh- rende Erscheinung, daß die Teilhaber am gemeinsamen Objekt ihres Rechtes bei Nachlassen oder Versagen des Kontrollorgans den eigenen Vorteil aus dem Rechte zu vergrößern bestrebt sind, eine Erscheinung, die im Eigennutz des Menschen be- gründet liegt." 43 Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung (BfLR) (1996): Städte- baulicher Bericht. Nachhaltige Stadtentwicklung. Herausforderungen an einen res- sourcenschonenden und umweltverträglichen Städtebau, Deutscher Bundestag, Drucksache 13/5490, Bonn, S.14 ff; Diekmann, Andreas, und Carlo C. Jaeger (Hg.) (1996): Umweltsoziologie, Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie (KZfSS), Sonderheft 36, Opladen 2. Tragik der Allmende oder Common-Property-Lösungen ? 21 Tierhalter sich - angeblich rationalerweise - so verhalten, komme es zur Übernutzung der Allmende als öffentliches Gut. Ihr Ruin könne - so Hardin - nur durch ihre Privatisierung verhindert werden. Denn nach der Privatisie- rung werden Nutzen und Schaden gleichermaßen individuell zugerechnet. Damit überträgt Hardin die idealtypische marktwirtschaftliche Konkurrenz auf die Prozesse, die bei einer gemeinschaftlichen Nutzung einer be- grenzten Ressource ablaufen. Diese Übertragung ist insofern nicht plausi- bel, weil selbst der Vorreiter der Übernutzung mit einem gewissen zeitli- chen Verzug44 keinen Vorteil mehr aus seinem Vorpreschen ziehen kann und seine Tiere genauso wie alle anderen unter dem Futtermangel zu lei- den haben. Für jeden rationalen Tierhalter ist dieser Effekt voraussehbar. Er würde nur dann ausbleiben, wenn allenfalls ein Teil der Halter - angeb- lich rational - zusätzliche Tiere auf die Weide triebe, während ein anderer - demnach irrationaler - Teil auf diesen Versuch zur Nutzenmaximierung verzichten würde. Vielleicht ist es ja genau umgekehrt: während die rationalen Viehhalter im Wissen um die Folgen einer Übernutzung sich von vornherein gar nicht um eine private Nutzenmaximierung zu Lasten der Allgemeinheit bemühen, sind es nur die kurzsichtigen Akteure, die um des augenblicklichen Vorteils willen auch den perspektivischen Ruin ihrer Ressource in Kauf nehmen. Beispiele hierfür sind der anthropogene Treibhauseffekt, die Meeresverschmutzung oder die Probleme der Überfischung. Hardins These ist nach wie vor in der Diskussion. Immerhin geht es um den natur- und umweltpolitisch wichtigen Widerspruch zwischen der Ei- genschaft einer Ressource als öffentliches Gut einerseits und ihrer Inan- spruchnahme durch eine Vielzahl von Einzelnutzern auf der anderen Seite. Hardins These ist ein - vielleicht nur in der obigen Umkehrung plausibler - Erklärungsansatz dafür, dass öffentliche (Umwelt-) Güter, von vielen individuell genutzt, häufig übernutzt werden. 2.5. Marktmechanismen durchsetzen oder kompensieren ? Eine wichtige Grundlage für dieses Erklärungsmodell ist die Idee der ratio- nalen Wahl, des "Rational Choice" als Prinzip des individuellen Handelns. Danach orientiert sich der Einzelne bei seinem Handeln an seinen indivi- duellen Zielen oder Nutzenerwartungen. Viele Autoren glauben, dass es für den Einzelnen "rational" ist, eine öffentliche Ressource so weit wie nur irgend möglich auszunutzen, wenn die dabei verursachten Schäden von der Allgemeinheit getragen und auf viele Schultern verteilt werden. Für diesen Widerspruch scheint es nur zwei Lösungsansätze zu geben, näm- lich 44 Das Beispiel der gemeinschaftlich genutzten Weide ist zu simpel. Die realen Probleme resultieren aus der Dauer des zeitlichen und der Dimension des räumlichen Verzuges zwischen Ursachen und Wirkungen. Beim Treibhauseffekt beträgt der Zeitabstand mehrere Jahrzehnte, wenn nicht sogar ein bis zwei Jahrhunderte. Die ersten gravie- renden Folgen treffen Afrika und Asien vermutlich früher und härter als Nordamerika und Europa. 2. Tragik der Allmende oder Common-Property-Lösungen ? 22 "Regierungseingriffe, um das Versagen von Marktmechanismen zu kompensieren, und Privatisierung, um das Funktionieren von Marktmechanismen wiederherzu- stellen", 45 damit nicht nur der Nutzen, sondern auch der Schaden individuell verbucht werden muss, soweit dies überhaupt möglich ist. Genau diese beiden Lö- sungsansätze finden sich wieder in aktuellen Gutachten zur Freiraumsi- cherung, die - planungs- und ordnungsrechtliche Handlungsansätze, - steuer- und abgabenpolitische Instrumente sowie - spezielle Privatisierungsmaßnahmen umfassen. Auch wenn es hier nicht möglich ist, einen vollständigen Über- blick über die diskutierten Instrumente zu geben, sollen einige der wich- tigsten Ansätze wenigstens beispielhaft genannt werden.46 Als planerisches und ordnungsrechtliches Instrument ist insbesondere eine Stärkung überlokaler Kompetenzen in der Diskussion, um die kommunalen Planungsspielräume wirksamer als bisher einzuschränken, z.B. durch eindeutige, quantifizierte Obergrenzen für die Flächeninanspruchnahme, die nicht überschritten werden dürfen und die in Regional- oder Landesplänen festgelegt werden.47 Im Bereich der Steuern und Abgaben werden neben der Streichung von Subventionen, die die Flächeninanspruchnahme fördern, eine Veränderung der Grundsteuer und der Grunderwerbssteuer z.B. in eine Flächen- nutzungssteuer oder eine Versiegelungsabgabe diskutiert. Hinzu kommt die Überlegung, vergleichbar mit dem Emissionshandel für Treibhausgase, handelbare Flächennutzungsrechte einzuführen, die von den Kommunen entweder zur Ausweisung von neuen Baugebieten genutzt oder an andere Kommunen verkauft werden können. Auch wenn die handelbaren Flächennutzungsrechte eine instrumentelle Innovation bedeuten würden, bewegen sich alle Vorschläge in dem oben von McCay und Jentoft abgesteckten Rahmen, entweder das Versagen von Marktmechanismen durch behördliche Eingriffe zu kompensieren oder Marktmechanismen durch Privatisierungsmaßnahmen in Gang zu bringen. 45 McCay, Bonnie, und Svein Jentoft (1996): Unvertrautes Gelände: Gemeineigentum unter der sozialwissenschaftlichen Lupe, in: Diekmann und Jaeger (Hg.) (1996), S.273 f 46 den bisher umfassendsten Überblick gibt: Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (18. Ausschuss) (2007): Bericht gemäß § 56a der Geschäftsordnung. Technikfolgenabschätzung (TA). TA-Projekt: Reduzierung der Flächeninanspruchnahme - Ziele, Maßnahmen, Wirkun- gen, Deutscher Bundestag. Drucksache 16/4500 vom 2.3.2007, Berlin; vgl. auch: Engelhardt, Claudia (2004): Flächenverbrauch in NRW, Landtags-Informa- tion 13/1083, hg. vom Parlamentarischen Beratungs- und Gutachterdienst des Land- tags NRW, Düsseldorf; ausführlich zu einzelnen Instrumenten: Meurer (2001); Bizer, Kilian, Dieter Ewringmann, Eckhard Bergmann, Fabian Dosch, Klaus Einig und Gerard Hutter (1998): Mögliche Maßnahmen, Instrumente und Wirkungen einer Steu- erung der Verkehrs- und Siedlungsflächennutzung, Berlin, Heidelberg; weitere aktuelle Veröffentlichungen zum Thema sind z.B.: Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung des Landes Nordrhein-Westfalen (ILS) (Hg.) (2002): Siedlungs- und Freiraumentwicklung in Nordrhein-Westfalen. Künftig ein Nullsummenspiel ?, Dortmund; Schekahn, Anke, und Hubert Grundler (2004): Nachhaltige Freiraumsicherung und -entwicklung in Verdichtungsräumen, Naturschutz und Biologische Vielfalt. Heft 5, hg. vom Bundesamt für Naturschutz, Bonn-Bad Godesberg 47 vgl. im folgenden Kapitel 3.1.5.e., f. und g. 2. Tragik der Allmende oder Common-Property-Lösungen ? 23 2.6. Common-Property-Institutionen als 'dritter' Weg ? Demgegenüber haben empirische Untersuchungen zur gemeinschaftlichen Ressourcennutzung, vor allem in der Fischerei- und Weidewirtschaft, und weitergehende theoretische Überlegungen gezeigt, dass die private Nutzenmaximierung zu Lasten der Allgemeinheit nicht nur nicht sinnvoll, sondern auch im Sinne des Rational-Choice-Ansatzes nicht "rational" ist. Dabei haben sich inzwischen nicht nur Juristen und Historiker, sondern auch VertreterInnen der "Neuen Politischen Ökonomie" kritisch mit der "Tragedy of the Commons" auseinandergesetzt und den Common-Pro- perty-Ansatz entwickelt. Sie vertreten die These, dass Umweltressourcen durch Kooperationen bzw. als Common-Property-Institutionen genutzt und zugleich gesichert werden können.48 Selbstverständlich ist es mit dem gemeinschaftlichen Besitz einer Ressource durch ihre Nutzer nicht getan. Dies haben vor allem Elinor Ostrom als Politikwissenschaftlerin an der Indiana University in den USA und ihre MitarbeiterInnen deutlich gemacht. Sie haben eine Vielzahl von Fallstudien ausgewertet und dabei acht notwendige Bedingungen herausgearbeitet, unter denen Common-Property-Institutionen im Res- sourcenschutz erfolgreich funktionieren und institutionell stabil bleiben.49 Diese acht Bedingungen lauten folgendermaßen: 1. Eindeutig definierte Grenzen: Sowohl die Ressource als auch der Kreis der Nutzer bzw. Teilnehmer sind eindeutig begrenzt. 2. Ausgewogenheit zwischen Erträgen und Kosten: In konkreten Nutzungsregeln, die den lokalen Gegebenheiten, d.h. der Verfügbar- keit von Arbeitskraft, Material und Finanzmitteln gerecht werden müs- sen, wird der Ertrag festgelegt, den ein Nutzer aus der Ressource ziehen darf, sowie der Reproduktionsaufwand, den er leisten muss. Dabei verfügen die Nutzer im allgemeinen über ein langfristiges Be- sitz- bzw. Nutzungsrecht an der Ressource. 3. Kollektive Entscheidungen: Die (meisten) Nutzer wirken an den Ent- scheidungen über die Nutzungsregeln mit. 4. Kontrolle, Überwachung: Der Zustand der Ressource und das Nutzer- verhalten wird von den Nutzern selbst oder von Personen überwacht, die allen Nutzern verantwortlich sind. 5. Gestaffelte Sanktionen: Die Sanktionen für entdeckte Regelverstöße sind je nach Schwere gestaffelt und werden entweder durch die ande- ren Nutzer oder durch ihre Beauftragten verhängt. 6. Mechanismen zur Konliktlösung: Konflikte innerhalb der Nutzergruppe werden schnell und durch eigene, kostengünstige Verfahren gelöst, so dass keine externen Gerichte angerufen werden müssen. 7. Externe Akzeptanz: Das Recht der Nutzer zur Selbstorganisation wird auch von externen Autoritäten wie der Regierung anerkannt. 48 McCay und Jentoft (1996), S.272-291; Frey, Bruno S., und Iris Bohnet (1996): Tragik der Allmende. Einsicht, Perversion und Überwindung, in: Diekmann und Jaeger (Hg.) (1996), S.292-307; Mosler, Hans-Joachim, und Heinz Gutscher (1996): Kooperation durch Selbstver- pflichtung im Allmende-Dilemma, in: Diekmann und Jaeger (Hg.) (1996), S.308-323. 49 Eine der jüngsten Veröffentlichungen ist: Anderies, John M., Marco A. Janssen und Elinor Ostrom (2004): A Framework to Analyze the Robustness of Social-ecological Systems from an Institutional Perspective, in: Ecology and Society 9 (1), 2004, 18, online in: (9.07.07). Unter existiert eine digitale Bibliothek zu Gemeinschaftsgütern bzw. zu Common-Pool-Ressourcen und Common-Property-Institutionen. 2. Tragik der Allmende oder Common-Property-Lösungen ? 24 8. Überschaubarkeit: In größeren Systemen gibt es überschaubare Untereinheiten. Wie der Darmstädter Wirtschaftswissenschaftler Hummel herausgearbeitet und in aller Kürze zusammengefasst hat, werden diese Merkmale von an- deren Autoren bestätigt und ergänzt:50 - So sind Common-Property-Institutionen um so stabiler, je wichtiger die betreffende Ressource für die Produktion oder für das Einkommen ihrer Nutzer ist. - Dies gilt auch, je näher Nutzungsort und Wohnort beeinander liegen. - Dabei wird die Stabilität durch lokale Entscheidungsstrukturen begünstigt, die nicht nur für die gemeinschaftlich genutzte Ressource, sondern auch in anderen Zusammenhängen funktionieren. - Mit wachsendem Kenntnisstand der Nutzer über die Eigenschaften der Ressource (z.B. Belastbarkeit, Nutzungsgrenzen) steigen die Aussichten auf ihre dauerhafte Erhaltung.51 Unter diesen Bedingungen liegt es durchaus im subjektiven Interesse der Beteiligten, von Umweltressourcen als Güter mit einem hohen Öffentlich- keitsgrad im Rahmen kooperativer Strukturen zu erhalten. Insofern ist diese Erhaltung auch einzelwirtschaftlich "rational". Solche gemeinschaftli- chen Eigentums- und Nutzungsformen können "the criterion of sustainabi- lity" erfüllen und darüber hinaus "eine geradezu bemerkenswerte Stabilität aufweisen, die mehrere Jahrhunderte überdauern kann".52 Die verschiedenen Merkmale stabiler Common-Property-Institutionen möchte ich zu drei Gruppen von Kriterien zusammenfassen: materiell- stofflich, sozial und rechtlich. a. Materiell-stoffliche Aspekte: Funktionen In materieller oder stofflicher Hinsicht kommt es darauf an, dass die Nutzer die Leistungen und die Grenzen ihrer Ressource kennen, und zwar sowohl ihre räumliche Abgrenzung als auch ihre Nutzungskapazität: welche Funk- tionen die Ressource erfüllen kann und welche nicht, wie weit sie belastet werden kann, ohne zerstört zu werden. Hierzu gehört auch der Reproduk- tionsaufwand, den die Nutzer leisten müssen, um die Nutzbarkeit ihrer Ressource zu erhalten (z.B. nach der Holzernte neue Bäume pflanzen). Unklare Grenzen (ver-) führen zur Übernutzung. b. Soziale Aspekte: Nutzer, Entscheidungsträger und Kontrolleure Aus sozialer Sicht kommt es darauf an, dass die Gruppe der Nutzer klar definiert ist und soweit wie möglich mit der Gruppe der Entscheidungsträ- 50 Hummel, Matthias E. (1998): Die Ökonomie der Nutzung von Biodiversität - Überblick und Ansatzpunkte für die Konfliktforschung, in: Hummel, Matthias E., Jürgen Scheffran und Hans-Reiner Simon (Hg.) (1998): Konfliktfeld Biodiversität, IANUS- Arbeitsbericht 2/98, Darmstadt, S.13 ff, online in: (20.11.2002, inzwischen online nicht mehr verfügbar) 51 Wade, R. (1987): The Management of Common-Property Resources: Finding a Cooperative Solution, in: World Bank Research Observer 2, S.219-234, nach: Hummel (1998), Abschnitt 4.3 52 Hummel (1998), S.18 2. Tragik der Allmende oder Common-Property-Lösungen ? 25 ger und der Kontrolleure übereinstimmt. Besonders wichtig ist dabei das Interesse der Beteiligten an der dauerhaften Nutzung und damit auch an der Erhaltung der Ressource. Je größer dieses Interesse und je mehr Interessen auf die Erhaltung der Ressource gerichtet sind bzw. werden können, desto stabiler ist die Common-Property-Institution. c. Rechtliche Aspekte: Regelwerk Auf der rechtlichen Ebene müssen die Entscheidungsträger die oben ge- nannten Nutzungsgrenzen und Erhaltungspflichten, Kontrollen und ange- messene Sanktionen sowie Verfahren zur Entscheidungsfindung und ins- besondere zur Konfliktlösung in einem Regelwerk festlegen. Dabei ist die Akzeptanz durch außenstehende und übergeordnete Institutionen als Rahmenbedingung sehr wichtig, zumindest aber eine Regelung, wie die Ressource gegenüber Gefährdungen von außen gesichert werden kann. 2.7. Vorgehensweise Nachdem sich diese Kriterien insbesondere für die Fischerei, die Waldbe- wirtschaftung und die gemeinschaftliche Weidenutzung praktisch und analytisch bewährt haben, stellt sich nun die Frage, ob sie auch für Frei- flächen gelten. Natürlich lässt sich die Frage, ob Freiflächen in Zukunft durch den Aufbau von Common-Property-Institutionen geschützt werden können, heute nicht sicher beantworten. Wohl aber kann ermittelt werden, ob Freiflächen bisher bereits Merkmale von stabilen Common-Property-Institutionen aufweisen und inwieweit diese Merkmale mit der - relativ und zeitweise - erfolgreichen Sicherung von Freiflächen korrespondieren. Ausgangspunkt hierfür sind die Nutzungen, denen die Freiflächen dienen. Dabei sind die folgenden Flächennutzungsarten zu unterscheiden: - landwirtschaftliche Flächen, - forstwirtschaftliche Flächen bzw. Wälder, - öffentliche Parkanlagen, - Schreber- und Kleingärten, - industrielle Brachflächen. Zu fragen ist nun nach den Funktionen dieser Freiraumtypen, nach ihren Nutzern, Entscheidungsträgern und Kontrolleuren und nach den rechtlichen Aspekten, die dem Schutz dieser Freiräume, insbesondere durch die Lösung von Nutzungskonflikten dienen. In diesem Sinne werde ich für die verschiedenen Freiraumtypen die wich- tigsten Stufen ihrer Entwicklung und der Freiraumpolitik im Ruhrgebiet von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Emscher Landschaftspark nach- zeichnen, der von der Internationalen Bauausstellung Emscher Park ge- gründet wurde. Dabei werde ich die "Verbandsgrünflächen" gesondert berücksichtigen, da sie große Teile der genannten Freiraumtypen umfas- sen und eine Besonderheit des Ruhrgebietes sind. 3. Verdrängte Landwirtschaft 26 3. Verdrängte Landwirtschaft Die Freiraumverluste im Ruhrgebiet haben mit der Industrialisierung zwar nicht begonnen, sie wurden aber erheblich beschleunigt und schon bald als Problem wahrgenommen. Ursache war das zügige Wachstum in der Industrie, im Bergbau sowie im Wohnungs- und Städtebau. Die jeweiligen Unternehmer haben Industriebetriebe errichten und darin produzieren, Schachtanlagen abteufen und Kohle fördern sowie Wohnungen bauen lassen.53 Dies alles auf Grundstücken, die vorher land- oder forstwirtschaftlich und häufig auch gemeinschaftlich als Marken oder Gemeinheiten genutzt wur- den. Die betroffenen Flächen wurden in Siedlungsflächen umgewandelt, die Landwirtschaft hat Flächen verloren - ein Prozess, der bis heute an- dauert. Vor dem Hintergrund der Frage, warum die agrarischen Flächen nicht besser gesichert wurden, sollen im folgenden diese Flächenverluste, die landwirtschaftlichen Veränderungen und die Bedeutung der verbliebe- nen Agrarflächen als Freiraum beschrieben werden. 3.1. Flächenverluste und der Wandel landwirtschaftlicher Strukturen im Ruhrgebiet Bei den ersten Erhebungen der Bodennutzung zwischen 1822 und 1835 wurden noch mehr als drei Viertel aller Flächen im Kern-Ruhrgebiet land- wirtschaftlich genutzt. Heute ist es nur wenig mehr als ein Viertel. Im ge- samten rechtsrheinischen Revier einschließlich seiner südlichen und östli- chen Randzonen steht nur noch ein gutes Drittel in landwirtschaftlicher Nutzung. In diesem bis heute ununterbrochenen Rückgang der landwirtschaftlichen Flächen (Tabelle 3.1.) lassen sich sechs Phasen unterscheiden: - scheinbare landwirtschaftliche Flächenzuwächse und die Teilung von Marken und Gemeinheiten bis in die 1880er Jahre hinein, - landwirtschaftliche Bodenverkäufe bis zum Ersten Weltkrieg, - Kriegswirtschaft und die Marktordnungen der Weimarer Republik, - die nationalsozialistische Zwangswirtschaft, - der "Strukturwandel" vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis zu den 1990er Jahren, - neue agrarpolitische Ansätze und fortgesetzte Flächenverluste. 53 zu Einzelheiten siehe: Wiel, Paul (1970): Wirtschaftsgeschichte des Ruhrgebietes. Tatsachen und Zahlen, hg. vom Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk, Essen 3. Verdrängte Landwirtschaft 27 Tabelle 3.1. Entwicklung der landwirtschaftlichen Flächen im Ruhrgebiet seit 1822 Jahr Kern-Ruhrgebiet Rechtsrheinisches Ruhrgebiet Fläche Landwirtschaftsfläche Fläche Landwirtschaftsfläche ha ha % ha ha % 1822/35 205.881 128.131 62,2 - - - 1861/63 207.003 138.180 66,8 - - - 1861/63 224.965 144.377 64,2 - - - 1878 225.058 162.114 72,0 312.024 219.381 70,3 1883 224.568 162.400 72,3 311.541 220.576 70,8 1893 210.699 141.190 67,0 311.669 208.266 66,8 1900 211.014 136.280 64,6 312.006 203.258 65,1 1913 211.209 125.894 59,6 312.323 191.374 61,3 1927 212.903 120.801 56,7 310.962 183.280 58,9 1938 203.030 104.950 51,7 321.106 179.900 56,0 1950 204.473 103.684 50,7 321.387 176.069 54,8 1960 203.567 93.605 46,0 320.239 163.203 51,0 1970 208.233 77.806 37,4 322.031 139.816 43,4 1981 205.366 73.097 35,6 339.032 143.142 42,2 1989 205.399 65.821 32,0 339.115 132.177 39,0 2001 205.439 59.950 29,2 339.192 123.151 36,3 2008 205.463 56.434 27,5 339.222 118.354 34,9 Anmerkungen: Die landwirtschaftlichen Flächen umfassten 1822/35 Acker, Gärten, Wiesen und Weiden; 1861/63: Acker und Gärten, Wiesen und - nach Meiers Re- cherchen - gute Weiden; 1878: Acker- und Gartenländereien (Gärten über 1 Morgen), Wiesen und Weiden; 1883: Acker- und Gartenländereien, Wiesen, Weiden und Hu- tungen, auch Oed- und Unland; 1893-1900: Acker- und Gartenländereien, Wiesen, Weiden und Hutungen; 1913: Acker- und Gartenländereien, Wiesen, Viehweiden und Hutungen; 1927-1965: Landwirtschaftliche Nutzfläche; 1970-1978: landwirtschaftlich genutzte Fläche; ab 1979: Landwirtschaftsfläche 1822/35 und 1861/63, erster Wert: Kreis Recklinghausen nur teilweise Quellen: siehe Fußnote54 3.1.1. Scheinbare Flächenzuwächse und Markenteilungen Bis in die 1880er Jahre hinein sieht es so aus, als ob die Landwirtschaft im Ruhrgebiet Flächengewinne erzielen könnte. Der Anteil der Wiesen und Weiden, des Acker- und Gartenlandes ist von 62 Prozent auf fast drei Viertel des Ruhrgebietes gestiegen, obwohl sich die Bau- und Verkehrs- flächen in derselben Zeit bereits verdoppelt haben. Wichtigste Ursache hierfür war die Aufteilung des so genannten Öd- und Unlandes. Dieses Öd- und Unland umfasste zwischen 1822 und 1835 im Kern-Ruhr- gebiet noch 27.745 Hektar und war bis in die 1860er Jahre bereits auf 54 1822/35 und 1861/63: Meier, Friedhelm (1961), Tabellen II und III (o.S.); 1878: Preußische Statistik (1879), Bd. LIII, hg. vom Königlichen statistischen Bureau in Berlin, Berlin; 1883: Preußische Statistik (1884), Bd. LXXXI; 1893: Preußische Statistik (1894), Bd. 133; 1900: Preußische Statistik (1902), Bd. 168; 1913: Preußische Statistik (1918), Bd. 246; 1927: Preußische Statistik (1928), Bd. 291; 1938: Statistik des deutschen Reiches (1939), Bd. 536; 1950: Statistisches Landesamt Nordrhein-Westfalen (1951a), S.76-79; 1960: Statistisches Landesamt Nordrhein-Westfalen (1961); 1970: Statistisches Landesamt Nordrhein-Westfalen (1971); 1981: LDS NRW (1982a); 1989: LDS NRW (1990); 2001: LDS NRW (2001a); 2008: LDS NRW (2008a) und eigene Berechnungen 3. Verdrängte Landwirtschaft 28 16.651 Hektar zurückgegangen. 1878 gab es nur noch 199 Hektar Öd- und Unland. 1883 wurde diese Flächenkategorie gar nicht mehr gesondert ausgewiesen. Es handelte sich dabei um häufig verheidete Flächen, die als Marken und Gemeinheiten der gemeinschaftlichen Weide- und Holznutzung dienten. Mit den Marken- und Gemeinheitsteilungen wurden diese Flächen aufge- teilt, privatisiert und entweder bebaut, in Acker, Wiesen oder Weiden um- gewandelt oder aufgeforstet.55 Diese Teilungen waren ein Element der Agrarreformen. Die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts war die Zeit der Bauernbefreiung. Mit der napoleoni- schen Herrschaft über das Rheinland und Westfalen hatte die endgültige Abschaffung grundherrschaftlicher Rechte begonnen. Nach etlichen Ge- setzen, Dekreten und Gerichtsurteilen sowie zwischenzeitlichen Kriegen wurde dieser Prozess im Jahr 1850, nunmehr unter preußischer Herrschaft abgeschlossen.56 Allerdings waren die gemeinschaftlich genutzten Marken und Gemeinhei- ten Mitte des 19. Jahrhunderts im Ruhrgebiet noch nicht vollständig auf- geteilt. Da ihre Teilung und Privatisierung politisch umstritten waren, aber eine große Bedeutung für die Agrar- und Siedlungsentwicklung hatten und da ihre Strukturen noch heute als ursächlich für Ressoucenzerstörungen kritisiert werden, sollen sie im folgenden genauer beschrieben werden. Im Anschluss daran werden die Markenteilungen und ihre Auswirkungen auf die Agrar- und Siedlungsentwicklung dargestellt. a. Marken und ihre Strukturen Allmenden wie Marken oder Gemeinheiten sind Flächen, die gemein- schaftlich, vor allem als Viehweide und zur Holzgewinnung genutzt wurden. Die Nutzergemeinschaften verfügten über besondere Selbstverwal- tungsstrukturen. Sie umfassten die Bürger einer Stadt oder die Bauern eines oder mehrerer Dörfer, häufig auch den Grundherren ihrer Gegend.57 Zur Entstehung der Marken Die Entstehungsgeschichte der Marken war politisch lange umstritten. Die dabei verfochtenen ideologischen Positionen haben die Markgenossen- 55 Meier (1961), insbesondere S.26 f. Zusammen genommen ist die landwirtschaftliche Fläche im Kern-Ruhrgebiet von 155.876 Hektar oder 75,7 Prozent (1822/35) auf 154.831 Hektar oder 74,8 Prozent (1861/63) und in dem um den nördlichen Teil des Kreises Recklinghausen erweiterten Kern-Ruhrgebiet von 166.861 Hektar oder 74,2 Prozent (1861/63) auf 162.313 Hektar oder 72,1 Prozent (1878) gesunken. 56 ausführlicher: Klöpfer, E. (1909): Geschichte der Landwirtschaft der Mark im 19. Jahrhundert, in: Meister, Aloys (Hg.) (1909): Die Grafschaft Mark. Festschrift zum Gedächtnis der 300jährigen Vereinigung mit Brandenburg-Preußen, Dortmund, S.351- 398, hier: S.368-375 57 Brakensiek, Stefan (1991): Agrarreform und ländliche Gesellschaft. Die Privatisierung der Marken in Nordwestdeutschland 1750-1850, Paderborn, S.2 f, unterscheidet zwischen Marken und Gemeinheiten: "Befanden sich die gemeinschaftlichen Flächen in genossenschaftlichem Besitz, so nannte man sie Marken. Solche Markgenossenschaften mit komplexen Selbstverwal- tungsorganen herrschten besonders in den geistlichen Wahlfürstentümern Westfalens vor. ... In den weltlichen Territorien überwogen dagegen Gemeinheiten, an denen in der Regel Rittergutsbesitzer oder Landesherr(n) Eigentumsrechte geltend machten, deren Nutzung jedoch überwiegend den bäuerlichen Anrainern zustand." Diese Unterscheidung scheint vor allem idealtypische Bedeutung zu haben. Die in mehreren Fallstudien untersuchten Markgenossenschaften im Ruhrgebiet stellten eher Mischformen dar; vgl. Fußnote 72 3. Verdrängte Landwirtschaft 29 schaften als gesellschaftliche Kooperationen in Misskredit gebracht, bevor sich in der historischen Forschung eine nüchterne Interpretation durchset- zen konnte, die überdies dem Common-Property-Ansatz sehr nahe kommt. Als erste haben die Rechtshistoriker Maurer und Gierke gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Markengeschichte aufgearbeitet. Ihnen zufolge haben die Germanen die Markgenossenschaften gegründet, als sie nach den Völkerwanderungen sesshaft wurden.58 Diese These wurde von Friedrich Engels als Beleg einer "urwüchsigen kommunistischen Gesellschaft" aufgegriffen.59 Erst durch die "fortwähren- den innern und äußern Kriege" und den "Raub fast des gesamten Bau- ernlandes ... durch Adel und Geistlichkeit" seien diese Strukturen im Laufe der Zeit zerstört worden.60 Inzwischen seien in Deutschland zwar wieder freie Bauern entstanden, doch habe der landwirtschaftliche Kleinbetrieb bereits angefangen, sich "zu einer veralteten, nicht mehr lebensfähigen Betriebsweise" zu entwickeln. Als Ausweg propagierte Engels "eine Wie- dergeburt der Mark", so "daß diese den kleinbäuerlichen Genossen nicht nur alle Vorteile des Großbetriebs und der Anwendung der landwirtschaftlichen Maschinerie zuwendet, sondern ihnen auch die Mittel bietet, neben dem Ackerbau Großindustrie mit Dampf- oder Was- serkraft zu betreiben, und zwar für Rechnung nicht von Kapitalisten, sondern für Rechnung der Genossenschaft." 61 Damit schlug Engels den Bogen von der Markgenossenschaft als ver- meintlich urkommunistischer Regelung bis zur ihrer modernisierten Wie- derbelebung in dem von ihm angestrebten Sozialismus. Demgegenüber behauptete der Autor Heinz Vöpel in seiner 1934 abge- schlossenen Dissertation den germanisch-völkischen Charakter der Mar- ken und Markgenossenschaften. Vöpel zufolge kannte "der germanische Bauer nicht die schrankenlose Ich-Freiheit der Einzelpersönlich- keit, die die römischen Besitzverhältnisse bestimmte".62 Stattdessen galten angeblich ein "alte(r) germanische(r) Volkssozialismus" und der Grundsatz "Gemeinnutz geht vor Eigennutz", die Vöpel zur Pro- paganda für den Nationalsozialismus nutzt und dem "schnöden Profitgeist einer liberalistischen Welt" entgegensetzt.63 Karl Rübel, Anfang des 20. Jahrhunderts der Chef des Dortmunder Stadt- archivs, führte die Markgenossenschaften auf "fränkischen Einfluß" 58 Gierke, Otto von (1868-1913): Das deutsche Genossenschaftsrecht, 4 Bde., Berlin (Reprint Graz 1954); Maurer, Georg Ludwig von (1854): Einleitung zur Geschichte der Mark-, Hof-, Dorf- und Stadtverfassung und der öffentlichen Gewalt, 1.Aufl., München; 2.Aufl., Wien 1896 (Reprint Aalen 1966); Maurer, Georg Ludwig von (1856): Geschichte der Markenverfassung in Deutschland, Erlangen (Reprint Aalen 1962) 59 Engels, Friedrich (1888/1890): Anmerkung zur englischen Ausgabe von 1888 und zur deutschen Ausgabe von 1890, in: Marx, Karl, und Friedrich Engels (1848 ff): Manifest der Kommunistischen Partei, in: Marx, Karl, und Friedrich Engels (1982): Ausgewählte Schriften in zwei Bänden, Band I (29.Auflage), Berlin (DDR), S.25-57, hier: S.26, Fußnote **; ähnlich: Engels, Friedrich (1882 ff): Die Mark, in: Marx, Karl, und Friedrich Engels (1974): Werke, Band 19 (5.Auflage), Berlin (DDR), S.315-330 60 Engels (1882 ff), S.324 61 Engels (1882 ff), S.329 f 62 Vöpel, Heinz (1934): Die Herdecker Mark. Ein Beitrag zur Geschichte des westfäli- schen Bauernstandes, in: Jahrbuch des Vereins für Orts- und Heimatkunde in der Grafschaft Mark, verbunden mit dem Märkischen Museum zu Witten an der Ruhr, 48.Jg. (1934), S.1-119, hier: S.13 63 Vöpel (1934), S.92 3. Verdrängte Landwirtschaft 30 zurück.64 Rübel zufolge waren die gemeinschaftlich genutzten Marken von Kaiser Karl dem Großen eingerichtet worden, dem unglaublich viele ge- sellschaftliche und technische Neuerungen zugeschrieben werden, dessen Existenz der Historiker Heribert Illig jedoch mit durchaus plausiblen Argumenten anzweifelt.65 Diese ideologischen Darstellungen sind in der historischen Forschung längst durch nüchterne Analysen ersetzt worden. Dem Historiker Stefan Brakensiek zufolge wurde die Ernüchterung der Wissenschaftler Anfang des 20. Jahrhunderts durch Heinrich Schotte eingeleitet, bevor Karl-Sieg- fried Bader den nach wie vor gültigen Forschungsstand erreichte.66 Beide vertreten ähnliche Thesen wie Josef Lappe, der bedeutendste Regional- historiker für die vorindustriellen Entwicklungen im östlichen Ruhrgebiet und seiner Umgebung.67 Zu den wichtigsten Ergebnissen gehört, dass die Marken "jüngere Rechtsformen" sind und sich in Deutschland erst im späten Mittelalter ent- wickelt haben.68 Vorher, so Schotte, sei die Mark noch "völlig herrenlos" gewesen, "da jeder Volks- und Dorfgenosse ohne weiteres das Recht hatte, sie in den Be- reich seiner Nutznießung zu ziehen und Weide-, Holzungs-, Rodungs-, Jagd- und Fischereirechte darin auszuüben." 69 Mit wachsender Bevölkerung und zunehmender Nutzung drohten diese Wald- und Weideflächen Schaden zu nehmen. Deshalb mussten, so Bader, "die einzelnen Nutzungsbefugnisse und die Nutzungsdichte begrenzt werden: man muß Sorge dafür tragen, daß die Substanz erhalten bleibt und daß jeder Genosse ... den ihm zugewiesenen Nutzungsanteil nicht zum Schaden der Gesamtheit aus- dehnt." 70 Entsprechende Regelungen wurden schließlich durch die jeweilige Gemeinschaft der Nutzer, die Markgenossenschaft getroffen. Sie bestimmte, so Schotte, "daß zur Vermeidung von Streitigkeiten die Ausübung dieser Nutzungen durch die einzelnen Höfe und Dörfer auf eine bestimmte Zone beschränkt und die Anzahl der Nutznießer rechtlich fixiert wurde." 71 Die vielfache individuelle Nutzung der herrenlosen Weide- und Gehölzflä- chen drohte also bei wachsender Bevölkerung zu ihrer Zerstörung zu füh- ren und wurde daher zum Gegenstand neuer gesellschaftlicher Regelun- gen. So war die Abgrenzung von gemeinen Marken und die Bildung von Markgenossenschaften nicht etwa die Ursache dafür, dass Wälder, Wei- 64 Rübel, Karl (1907): Die Dortmunder Reichsleute, in: Beiträge zur Geschichte Dort- munds und der Grafschaft Mark, Band XV (1907), Dortmund, S.XI 65 Illig, Heribert (1999): Das erfundene Mittelalter, München (3.Auflage); Illig, Heribert (1999): Wer hat an der Uhr gedreht, München 66 Brakensiek (1991), S.2 f; Schotte, Heinrich (1908): Studien zur Geschichte der westfälischen Mark und Mark- genossenschaft mit besonderer Berücksichtigung des Münsterlandes. Münstersche Beiträge zur Geschichtsforschung, Neue Folge XVII, Münster; Bader, Karl-Siegfried (1962): Dorfgenossenschaft und Dorfgemeinde, Köln und Graz 67 Haag, Elisabeth (1989): Josef Lappe. Der dreifache Dr. - Kommunalpolitiker - Studien- rat - Historiker, hg. vom Stadtarchiv der Stadt Lünen, Lünen; auf Josef Lappe komme ich später zurück 68 Dopsch, Alfons (1933): Die freien Marken in Deutschland, Baden (Neudruck Aalen 1968), S.96; Bader (1962), S.120, S.126 69 Schotte (1908), S.1 70 Bader (1962), S.429, siehe auch: S.123, S.126 71 Schotte (1908), S.2 3. Verdrängte Landwirtschaft 31 den und ihre Böden übernutzt wurden. Vielmehr waren Marken und Mark- genossenschaften gerade eine gesellschaftliche Antwort auf Übernut- zungsprobleme und ein Versuch, die Nutzung und Erhaltung von Res- sourcen miteinander in Einklang zu bringen. Funktionen der Marken und Nutzungsgrenzen Diese Regelungen, ihr Zweck und ihre Durchsetzung sollen nun am Bei- spiel der Stadt Hamm im östlichen Ruhrgebiet für das 17. und 18. Jahr- hundert anschaulicher gemacht werden.72 So lagen vor den Mauern der Stadt nicht nur private Acker- und Garten- parzellen. Hinzu kam die "gemeine Weide, die von den Bürgern gemein- sam mit ihren Herden betrieben wurde". Auch die privaten Parzellen mussten nach der Ernte für das Weidevieh geöffnet werden. Allerdings war die Weidenutzung insgesamt begrenzt. Weil - so Lappe - die Weiden für die Milcherzeugung benötigt wurden, durften nur "melke" und "güste" Rinder, aber keine Tiere zum Fettweiden ausgetrieben werden. Die Schweinehude war in Hamm "auf die schlechteren Teile der Stadtweide" beschränkt, während die Schafherden der Bürger in der Vegetationszeit zur Hälfte "ins Paderbornische gehen" mussten und nur im Winter - wenn "sonst keine Tiere ausgetrieben wurden" - die Feldmark nutzen konnten. Die Pferde kamen nachts nach draußen, weil das Stallfutter nicht aus- reichte.73 Darüber hinaus mussten die Bürger bestimmte Bedingungen, Gebote und Verbote einhalten: "Niemand sollte fremdes Vieh gegen Entschädigung annehmen und als eigenes mitgehen lassen, weil er sich dadurch auf Kosten seiner Mitbürger bereichert hätte." 74 Außerdem waren die Markennutzer verpflichtet, ihre Tiere einem städti- schen Hirten zu übergeben, unter anderem "weil durch das Alleinhüten, das meist durch Kinder geschah, leicht Schaden in der Feldmark angerichtet wurde" 75 und das Vieh in die Äcker und Gärten eindringen konnte. Individuell war die Aufsicht über die Tiere damals nicht zu bewältigen. Daher mussten die Tierhalter eine Nutzergemeinschaft bilden und gemeinsam einen Hirten für die Herden einstellen, die ihrerseits alle Tiere aller Bürger umfassen mussten. Jacobs erläutert: "Ein gemeinsamer Auftrieb des Viehes birgt, um nur ein Beispiel zu nennen, eine Kostenersparnis in sich, insonderheit für Einfriedigungen und Hirten". 76 72 im folgenden stütze ich mich vor allem auf die Untersuchung von Josef Lappe. Andere Städte und Dörfer verfügten im Detail über andere Nutzungsregeln; die Struktur der Regulierung war aber die gleiche: Lappe, Josef (1926): Hamm im Mittelalter und in der Neuzeit, in: Magistrat der Stadt Hamm (Westf.) (Hg.) (1926): 700 Jahre Stadt Hamm (Westf.). Festschrift zur Erinne- rung an das 700jährige Bestehen der Stadt, Hamm (Westf.), S.69-73; weitere Beispiele: Schwerter, Karl (1924): Die Weniger Mark, Albringhausen; Haferkamp, Hanns (1934): Die Walsum-Sterkrader Großmark, Diss. Münster, Bottrop; Vöpel (1934) hat eine ausführliche Beschreibung der Herdecker Mark vorgelegt, die aber von seiner völkisch-nationalistischen Propaganda durchzogen ist; weitere Beschreibungen von Marken finden sich in den verschiedenen lokalge- schichtlichen Zeitschriften 73 Lappe (1926), S.73-76; in anderen Marken spielte die Schweinemast, in wieder ande- ren die Schafweide die entscheidende Rolle 74 Lappe (1926), S.75 75 Lappe (1926), S.74 f 3. Verdrängte Landwirtschaft 32 Schließlich wurden die Marken noch zur Jagd und die Gewässer zur Fi- scherei genutzt, während die Holzgewinnung in Hamm keine Rolle spielte, weil in seiner Umgebung seit langem ein großer Waldmangel herrschte.77 Daher wurden auch "Beschädigungen der Telgen, d.h. der jungen Bäume, scharf bestraft". Ebenso war es in Hamm "verboten, Gras in der Heide zu schneiden, Erde daraus zu graben, um das dürre Ackerland damit zu düngen, oder Plaggen (Törfe) zu hauen, um sie aufzuschichten und später zur Düngung auf die Ackerfelder zu fahren." 78 Selbstverständlich war auch "Diebstahl an der gemeinen Mark", d.h. die heimliche Privatisierung von Markengrund nicht erlaubt.79 In diesen Nutzungsregeln drücken sich also die konkreten landwirtschaftli- chen Funktionen der gemeinen Mark aus.80 Sie waren ein Ansatz, um die Übernutzung der Feldmark durch an die Belastbarkeit der Ressource an- gepasste Ge- und Verbote zu verhindern und ihre langfristige Nutzbarkeit sicherzustellen. Dies war notwendig, weil es damals keine Alternative zur gemeinschaftlichen Beweidung der Marken gab. Immerhin waren sich die Beteiligten über die Grenzen der Nutzung weitgehend im Klaren. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde noch die Hälfte aller Flächen in Westfalen nach solchen Regeln gemeinschaftlich genutzt.81 Nutzer und Entscheidungsträger Soziale Träger der Marken und Gemeinheiten waren - in Hamm - die städ- tischen Bürger. Sie waren die gemeinschaftlichen Eigentümer, hatten die Nutzungsrechte und die Entscheidungskompetenz über die Mark: "Sämtliche Weiden und Weiderechte waren Eigentum der gesamten Bürger- schaft".82 Allerdings machten die Inhaber des Bürgerrechtes nach Einschätzung verschiedener Autoren in Hamm allenfalls 20-25 Prozent der Bevölkerung aus.83 Bürger mussten den Bürgereid geschworen und ein Bürgergeld bezahlt haben, das ein gewisses Vermögen voraussetzte, und durften auch nur bestimmte Berufe ausüben.84 Grundsätzlich waren daher 76 Jacobs, Franz (1930): Die Flurbereinigung in Westfalen. Eine Darstellung der Gemeinheitsteilungs- und Zusammenlegungs-Gesetzgebung und ihrer Auswirkung daselbst (Wirtschaftsleben mit besonderer Berücksichtigung Bayerns CXV., hg. von Georg von Schanz), Leipzig, S.62 77 Lappe (1926), S.76-79; in anderen Gegenden war die Holzgewinnung sehr wichtig 78 Lappe (1926), S.100 f; in anderen Marken war das Plaggenstechen zulässig 79 Lappe (1926), S.101 80 Teile der städtischen Feldmarken, Acker- und Gartenländereien unmittelbar vor den Stadtmauern hatten zudem eine militärische Bedeutung als Schussfeld, das von jegli- cher Bebauung frei gehalten werden musste; siehe: Bauer, J. (1996): Entwicklung städtischer Freiflächensysteme als integraler Bestandteil des Städtebaus, 1850-1930. Beiträge zur räumlichen Planung. Schriftenreihe des Fachbereichs Landschaftsarchi- tektur und Umweltentwicklung der Universität Hannover, Heft 45, Hannover, S.47, S.56, S.127, S.154, S.212 81 Jacobs (1930), S.63 82 Lappe (1926), S.74; woanders waren es die Bauern eines Dorfes oder mehrerer Dör- fer, die zusammen eine Markgenossenschaft bildeten 83 Kewer, Ludolf (1976): Aus der Rechtsgeschichte der Stadt Hamm in der märkisch- klevischen Zeit 1226-1609, in: Zink, Herbert (Hg.) (1976): 750 Jahre Stadt Hamm, Hamm, S.161-201, hier: S.182; Vormbaum, Thomas (1976): Autonomie, Zentralismus und Selbstverwaltung. Die westfälische Kommunalverfassung und ihre Anwendung in Hamm vom Ausgang der altpreußischen Zeit bis zur Einführung der Revidierten Städteordnung (1700-1835), in: Zink (Hg.) (1976), S.255-294, hier: S.257 84 Lappe (1926), S.85; Kewer (1976), S.166; Vornbaum (1976), S.257 3. Verdrängte Landwirtschaft 33 "die Nichtbürger vom Genuß der gemeinen Marken ausgeschlossen".85 Dieser Grundsatz wurde durch die Mithude, ein Ansatz zu einem sozialen Ausgleich, gemildert. Wie Lappe schreibt, war "eine Existenz ohne Markennutzung in früheren Jahrhunderten kaum möglich, und so wurde denn den Einwohnern in der Stadt, die nicht ins Bürgerrecht aufgenom- men werden konnten, ... die Mithude gestattet, aber nur gegen eine Entschädigung an die Stadt." 86 Mit dem Nutzungsrecht waren die Entscheidungsbefugnisse verbunden. Lappe betont, dass neben den Einwohnern ohne Bürgerrecht auch der Rat der Stadt und die Bürgermeister keine Entscheidungen in Hudeange- legenheiten treffen durften. Entscheidungsbefugt war die Bürgerschaft, die sich - grundsätzlich einmal jährlich - zur so genannten "Morgensprache" versammelte. Ihre Vertreter und damit diejenigen, die die "Weideherrschaft" praktisch ausübten, waren die "Richtleute", die zugleich die Vorsteher der anerkannten Zünfte der Bäcker, Schmiede, Wüllner, Fleischhauer, Schuster und Schneider wa- ren.87 Als "Ackerbürger" waren sie zudem landwirtschaftlich tätig und hat- ten als Hauptnutzer der Mark das größte Interesse an ihrer Erhaltung. Allerdings standen sie hin und wieder im Konflikt zu den "Erbgenossen", die im Stadtrat das Sagen hatten. Erbgenossen waren zunächst die Ritter, die die gräfliche Burg bei der Stadt zu verteidigen hatten, sowie wohlha- bende Bürger, insbesondere Kaufleute, die in früheren Zeiten in der Stadt ein Grundstück als erbliches Eigentum erworben hatten. Nachdem im Mit- telalter nur die Erbgenossen die Macht in der Stadt innehatten, mussten sie nach und nach die wirtschaftlich erstarkenden, in Zünften zusammen- geschlossenen Handwerker an der Macht beteiligen. Wieviele Sitze im Stadtrat die Erbgenossen an die Zünfte abtreten mussten, war immer wie- der umstritten, bis der Landesherr im 18. Jahrhundert die kommunale Selbstverwaltung abschaffte.88 Zuvor war es durchaus vorgekommen, dass Stadtrat und Magistrat Ent- scheidungen zu Lasten der Feldmark getroffen haben, die von den Richt- leuten korrigiert wurden. Als die Kämmerer im Jahr 1652 zum Beispiel "die Winterschafhude in der Nordenfeldmark an zwei Bürger verpachtet (hatten) ..., machten die Bürgermeister auf eine Beschwerde der Richtleute den Vertrag rückgängig".89 Kontrollen und Sanktionen Immer wieder wurden Verstöße gegen die Nutzungsregeln in zeitgenössi- schen Dokumenten festgehalten. Diese Verstöße erwecken heute den Eindruck, als sei das Regelwerk nur ausnahmsweise beachtet worden und seine Missachtung üblich gewesen. Demgegenüber zeigte Lappe an meh- reren Beispielen, wie der Markenfrevel erfolgreich geahndet wurde:90 - So wurden Ende des 17. und Anfang des 18. Jahrhunderts die städti- schen Schäfer mehrmals bestraft, weil sie die Tiere ohne Erlaubnis auf 85 Lappe (1926), S.75, vgl. auch S.86 86 Lappe (1926), S.75, vgl. auch S.86 87 Lappe (1926), S.92 ff, S.102 ff, S.62. Diese Beschreibungen Lappes beziehen sich auf das 17. Jahrhundert. - Es gab weitere Zünfte, die aber weder im Rat noch unter den Richtleuten vertreten waren. 88 Lappe (1926), S.86 ff 89 Lappe (1926), S.102 90 die folgenden Beispiele sind beschrieben in: Lappe (1926), S.100-103 3. Verdrängte Landwirtschaft 34 verbotenen Weidegründen und sogar auf privaten Ackerflächen hatten weiden lassen. - Im Jahr 1719 hatte ein Bürger einen jungen Baum, eine sogenannte Telge gefällt und musste zur Strafe "7 Tonnen Keut (Bier) zahlen und fünf junge Telgen wieder anpflanzen." - Um Parzellen aus der Mark ihren Grundstücken zuzuschlagen, haben manche Grundbesitzer ihre Zäune, Wälle oder Gräben verlegt. Solche Zuschläge wurden von den Genossen wieder rückgängig gemacht, indem sie "die neuen Zäune und Hecken niedergehauen oder wegge- rissen und die Wälle wieder eingeebnet" haben. - Widerrechtlich weidende Tiere wurden beschlagnahmt und den Eigen- tümern erst zurückgegeben, wenn diese den Schaden an der Mark, die Unterhaltskosten und das Strafgeld bezahlt haben. Andernfalls wurden die Tiere verkauft oder sogar geschlachtet. Die Kontrolle der Markennutzung kannte mehrere Stufen:91 - Während der Weidezeit mussten die "Schenken", die jüngsten Mitglie- der der Zünfte, die Weiden inspizieren, nicht nur tagsüber, sondern auch nachts. - Wenn Verstöße zu ahnden waren, haben die Richtleute die Schenken begleitet. - "Von Zeit zu Zeit wurden auch ganze Herden zusammengetrieben und gezählt," um unberechtigt weidende Tiere zu finden. - Einmal im Jahr wurde das gesamte Weiderevier von etwa dreißig Ratsherren und Bürgern in Augenschein genommen, um Grenzver- schiebungen aufzudecken und zu korrigieren. Diese Berichte von Lappe deuten daraufhin, dass die Kontrollen und Sanktionen den Hudefrevel in einem für die dauerhafte Markennutzung verträglichen Rahmen gehalten haben. b. Markenteilungen Trotzdem setzten Mitte des 18. Jahrhunderts die Markenteilungen ein. Ihre Grundlagen waren die landesherrlichen Interessen und die damalige Ero- sion der Markenverfassungen. Kritische Einwände und ziviler Ungehorsam haben den Teilungsprozess allerdings verlangsamt. Erosion der Markenverfassungen Zahllose Kriege und andere militärische Aktionen haben die Markenver- fassungen untergraben. So sahen es neben dem bereits zitierten Friedrich Engels auch andere Autoren.92 Salomon zufolge hatte der Dreißigjährige Krieg den gemeinschaftlich genutzten Marken, vor allem ihren Wäldern "vollends den Todesstoß" gegeben, bevor der Siebenjährige Krieg 1756- 1763 erneut "dem Lande tiefe Wunden geschlagen" hat. Nicht zu verges- sen die napoleonischen Kriege und die französische Besatzung zu Beginn des 19. Jahrhunderts.93 91 für die folgenden Beispiele: Lappe (1926), S.101-103 92 z.B.: Helmig, August (1932): Der Wald und seine Erhaltung im rheinisch-westfälischen Industriegebiet, Leipzig, S.65. Zum einen verweist Helmig auf die kriegsbedingte "Lockerung der Disziplin und der wirtschaftlichen Ordnung" und zum anderen auf die Kriegsfolgen: "Der Wald mag durch die Kriege selbst weniger stark in Mitleidenschaft gezogen worden sein, größer war der Schaden den sie an Haus und Hof hinterließen und den das Holz wieder gut zu machen hatte." 93 Salomon, Max Pfeffer von (1912): Die Königliche Generalkommission zu Münster, in: Kerckering zur Borg, Engelbert Freiherr von (Hg.) (1912): Beiträge zur Geschichte des 3. Verdrängte Landwirtschaft 35 In diesen Zeiten wurde die Markenaufsicht vernachlässigt, widerrechtliche Nutzungen, wie die private Aneignung von Markengrund oder Übergriffe aus Nachbarorten, konnten nicht geahndet werden. Überdies waren es die Soldaten selbst, nicht nur die feindlichen Truppen, sondern auch die des eigenen Landesherrn, die in den Marken weidendes Vieh raubten.94 Hinzu kamen die kriegsbedingten Schulden der Stadt, die diese durch den Ver- kauf von Markengrund abzutragen versuchte, was nicht immer freiwillig geschah.95 So berichtet Lappe, dass die Stadt Hamm seit dem 30-jährigen Krieg mit ihren Steuern an den Landesherrn des öfteren in Verzug geriet. Um die Abgaben einzutreiben, schickten die preußischen Könige immer wieder Truppen in die Stadt, die sich bei den Hammer Bürgern einquar- tierten. Schließlich setzte Friedrich Wilhelm I. einen Magistrat aus königli- chen Beamten ein, wandelte die Kommunalverwaltung in eine königliche Behörde um und schaffte in mehreren Schritten - gegen Aktionen des zivilen Ungehorsams von seiten der Bürger - auch die Markenselbstver- waltung ab.96 Die Folge war der Niedergang der Marken. Ein Beispiel für eine gemein- schaftliche Form der Bodennutzung, die auch im Ruhrgebiet verbreitet war, beschrieb der Agrarwissenschaftler Johann Nepomuk von Schwerz, der ab 1816 - also kurz nach den napoleonischen Kriegen und dem Ende der französischen Besatzung - im Auftrag des preußischen Innenministers zwei Jahre lang durch das Rheinland und Westfalen gereist war, um die landwirtschaftlichen Verhältnisse zu untersuchen.97 Geradezu satirisch führte er aus: "Man treibt das Vieh auf, mehr, um es nicht hungern zu sehen, als seinen Hunger zu stillen. Indessen entblößt sich der Boden, oder deckt sich mit Disteln, Moos und allen erdenklichen Unkräutern. Selbst der von dem Vieh verlorne Dung kann ihm nicht frommen. Von Kraut und Gras nicht geschützt, dörret ihn die brennende Sonne, verwäscht ihn der Regen, zerstören ihn Vögel und Insekten, verweht ihn der Wind. Verschlossen wie eine Tenne liegt ihrerseits des Bodens Krume, auf welche kein Einfluß der Atmosphäre günstig einwirkt. Das Ganze gleicht einer Oede, worauf kaum ein Insekt mehr Nahrung findet. Siehst Du irgendwo, geliebter landwirthschaftlicher Leser, eine große ebene Fläche, auf der sich die Abtheilungen einer ehemaligen Feldbestellung noch abzeichnen; siehst Du diesen kostbaren Boden nackt wie Deine Hand vor Dir, oder mit einigem Unkraute, oder höchstens mit einigen einzelnen Grasstämmchen bewachsen; erblickst Du darauf einige traurige Kühe kraftlos hin und her schwanken, so denkst Du gewiß, daß die ehe- maligen Anbauer dieser Gegend von einer Seuche weggerafft worden, oder daß diese Ebene dem gräulichen Mars zum Schlacht- und Würgfelde gedient habe. Das denkst Du, allein Du irrest. Das, was Du vor Dir hast, ist eine westfälische Vöhde !" 98 Dabei ging Schwerz nicht auf die Folgen der napoleonischen Kriege und Heerzüge ein, sondern unterstellte den Beteiligten einen kurzsichtigen Egoismus: westfälischen Bauernstandes, Berlin (Faksimiledruck Münster 1988), S.364; Schotte, Heinrich (1912): Die rechtliche und wirtschaftliche Entwicklung des westfäli- schen Bauernstandes bis zum Jahre 1815, in: Kerckering zur Borg (1912), S.3-106, hier: S.48; ähnlich: Jacobs (1930), S.10; Meier (1961), S.26 f 94 Lappe (1926), S.100-106, S.134 95 Lappe (1926), S.132 ff; Jacobs (1930), S.11 96 Lappe (1926), S.144 ff 97 Schwerz, Johann Nepomuk von (1836): Beschreibung der Landwirthschaft in Westfa- len und Rheinpreussen. Erster Theil, Stuttgart (Faksimiledruck Münster o.J.), S.III; 1818 gründete Schwerz die staatliche landwirtschaftliche Lehranstalt in Hohenheim, online in: (23.06.2009) 98 Schwerz (1836), S.24 f 3. Verdrängte Landwirtschaft 36 "Jeder zur Hut Berechtigte sucht den Andern durch die Mehrzahl, die er auftreibt, zu übervortheilen, und so haben beide nichts." 99 Solche Behauptungen bildeten nach Recherche von Brakensiek seit der Mitte des 18. Jahrhunderts einen "hegemonialen Diskurs", demzufolge alles "gemeinschaftliche Grundeigentum schädlich" war.100 Der 'hegemoniale Diskurs' - Argumente für die Markenteilung Die herrschende Meinung war die Meinung der Herrschenden: Spätestens seit 1750 forderte der Preußenkönig Friedrich II., der für größere Teile des heutigen Ruhrgebietes zugleich Landesherr war, "die Aufhebung der schädlichen Gemeinheiten", weil ihm - so referiert Stadelmann - "nichts mehr am Herzen liege, als das Glück seiner Unterthanen".101 Friedrich II. argumentierte mit der persönlichen "Freiheit in Anwendung seiner Zeit und seines Terrains" und mit dem privaten Nutzen, den die Bauern - ähnlich wie in England102 - aus den Separationen ziehen könnten, wenn jeder Bauer "seinen angewiesenen besonderen District hat, er solchen einzäunen, oder doch sonst viel besser cultiviren und nutzen kann, als wenn die gemeine Hüthung schlechterdings der Natur überlassen und die gemeinschaftliche Verbesserung hintangesetzet wird." 103 Dahinter stand das landesherrliche Interesse an der Ansiedlung neuer Untertanen, indem "dergleichen bisherige gemeinschaftliche und Koppelweyden aufgehoben und dahin geändert würden, dass jedem Bauer und dergleichen derer Ämter Dorfschaft ein gewisser District darin, so viel er nemlich à proportion seines Pferde- und Vieh- Standes zu haben nöthig hat, angewiesen werde, weil fast nicht zu zweifeln, dass dadurch an vielen Orten ein considerables bey denen Weyden und Koppel-Huthen menagiret und zu Acker auch Wiesen vor neu anzusetzende Unterthanen cultivable gemachet werden können würde." 104 Daher mussten sich die preußischen Beamten seit 1765 von Amts wegen für Separationen einsetzen.105 Bereits 1763 hatte Maximilian Friedrich, Erzbischof von Köln und Bischof von Münster eine "Verordnung über die Teilbarkeit der Marken und Gemeinheiten" erlassen, die auch in den nörd- lichen Teilen des Ruhrgebietes gültig war. Im Münsterland waren die Tei- lungen ebenso nicht nur wegen der angeblichen "Unwirtschaftlichkeit und Kulturschädlichkeit des gemeinschaftlichen Besitzes" geplant. Vielmehr sollten die Separationen gerade nach dem Siebenjährigen Krieg "zur Schuldentilgung der Gemeinden ... beitragen", und zwar durch den Verkauf 99 Schwerz (1836), S.148 100 Brakensiek (1991), S.11 101 Stadelmann, Rudolph (1882): Preussens Könige in ihrer Thätigkeit für die Landeskul- tur. Zweiter Theil. Friedrich der Grosse. (Publicationen aus den k. preussischen Staatsarchiven. Elfter Band), Leipzig, S.90 f 102 Bericht der Minister v. Hagen und v. Derschau an das General-Direktorium vom 24. December 1769, in: Stadelmann (1882), S.368 103 Circular-Ordre an sämmtliche Kriegs- und Domainen-Kammern vom 16. September 1765, zitiert nach: Stadelmann (1882), S.344; inzwischen wird diese "Eudämonologie", d.h. dass sich der Landesherr bei seinem Regierungshandeln auf das Glück seiner Untertanen beruft, als "Verschleierungs- ideologie" kritisiert, "die das Wohl der Untertanen vorgebe und das Interesse der staatl. Machthaber meine": Krabbe, Wolfgang R. (1978): Das Verhältnis von Staat, Gesellschaft und Gemeinde und die unterschiedliche Einschätzung der industriellen Zukunft. Der Fall des Dort- munder Bebauungsplans von 1858, in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark, Band 71 (1978), Dortmund, S.163-198, hier: S.167 und Fußnote 7 mit weiteren Verweisen 104 An das General-Direktorium vom 13. März 1850, zit. n. Stadelmann (1882), S.292 105 Stadelmann (1882), S.84 f; Jacobs (1930), S.13 3. Verdrängte Landwirtschaft 37 von Flächen "zur Ansetzung von Neubauern".106 Nach Jacobs lag der Erfolg des Bischofs in der "Abteilung" und im "Abverkauf" etlicher Marken- grundstücke, so dass - nach Brakensiek - zwischen 1763 und 1769 auf etwa 30.000 Morgen zahlreiche Neubauernstellen entstanden.107 So liefen die Separationen letztlich darauf hinaus, dass ein Teil der Marken- und Gemeinheitsflächen dem jeweiligen Landes- oder Grundherren zugeteilt wurde und dann an "neu anzusetzende Unterthanen" vergeben werden konnte, z.B. um Friedrichs II. Macht und Preußens wirtschaftliche Basis für seine Kriege zu vergrößern. Demgegenüber standen Bauern, Ackerbürgern und anderen Markennut- zern nach den Teilungen weniger Nutzflächen zur Verfügung als vorher. Um diese Einbußen auszugleichen, blieb ihnen nur, Flächen hinzuzukaufen und aus ihren Böden höhere Erträge herauszuholen. Nicht umsonst forderte Friedrich II., dass sich seine Untertanen "zu mehrern Fleiss und Arbeitsamkeit gewöhnen (müssen); hieran fehlet es aber ... noch sehr".108 Exkurs: Ökonomischer Egoismus und das Freiraumproblem bei Adam Smith Theoretisch untermauert wurde die ökonomische Liberalisierung und Pri- vatisierung durch die damals entstehende politisch-ökonomische Wissen- schaft. Als ihr bis heute bedeutender Begründer hat Adam Smith den Eigennutz als das zentrale Handlungsmotiv angesehen, dabei aber auch einige Risiken aufgezeigt. Wegen ihrer Bedeutung bis in die heutige Zeit hinein sollen einige Elemente aus Smiths Argumentation hier skizziert werden. Er stützt sich auf zwei plausible Annahmen, und zwar auf - einen allgemein-menschlichen Egoismus und - eine ebenso allgemeine Hilfsbedürftigkeit. So sei jeder Mensch "bestrebt, sich das Leben so angenehm und bequem zu machen, wie er nur kann",109 und habe den Wunsch, seine Lebensbedingungen immer weiter zu verbessern.110 Zugleich aber "ist der Mensch ständig und in hohem Maße auf die Mitarbeit und Hilfe anderer angewiesen".111 Aus der Verknüpfung dieser beiden Seiten versucht Smith, wirtschaftliches Handeln zu erklären. Dabei kommt er zu der Ansicht, dass ein Mensch die benötigte Hilfe wohl kaum "durch das Wohlwollen der Mitmenschen erhalten wird. Er wird sein Ziel wahr- scheinlich viel eher erreichen, wenn er deren Eigenliebe zu seinen Gunsten zu nutzen versteht, indem er ihnen zeigt, daß es in ihrem eigenen Interesse liegt, das für ihn zu tun, was er von ihnen wünscht. ... Nicht vom Wohlwollen des Metzgers, Brauers und Bäckers erwarten wir das, was wir zum Essen brauchen, sondern davon, daß sie ihre eigenen Interessen wahrnehmen. Wir wenden uns nicht an ihre Menschen-, sondern an ihre Eigenliebe, und wir erwähnen nicht die eigenen Bedürfnisse, sondern sprechen von ihrem Vorteil." 112 Aber Smith sieht auch einige Risiken: Die Balance zwischen Egoismus und Hilfsbedürftigkeit ist ständig gefährdet. Zu den Gefahren gehören nicht nur 106 Jacobs (1930), S.10 f; vgl. auch: Brakensiek (1991), S.337 107 Jacobs (1930), S.11 f; Brakensiek (1991), S.338 108 An den Minister v. Derschau vom 14. April 1775, zit. n. Stadelmann (1882), S.406 109 Smith, Adam (1974): Der Wohlstand der Nationen. Eine Untersuchung seiner Natur und seiner Ursachen (1789), aus dem Englischen von Horst Claus Recktenwald, München, S.646 110 Smith (1974), S.282 111 Smith (1974), S.16 112 Smith (1974), S.17 3. Verdrängte Landwirtschaft 38 militärische Übergriffe von außen und die geradezu üblichen Verbrechen im Inneren. Hinzu kommen neue Risiken, die aus dem ökonomischen System selbst hervorgehen. So neigen Ökonomen zur "Verschwörung", zu Preisabsprachen, Kartell- und Monopolbildung: "Geschäftsleute des gleichen Gewerbes kommen selten, selbst zu Festen und zur Zerstreuung, zusammen, ohne daß das Gespräch in einer Verschwörung gegen die Öffentlichkeit endet oder irgendein Plan ausgeheckt wird, wie man die Preise erhöhen kann." 113 Andere Probleme entstehen dadurch, dass sich die Geschäftsleute aus bestimmten Handlungsfeldern heraushalten. So seien öffentliche "Anlagen und Einrichtungen aufzubauen und zu unterhalten, die, obwohl sie für ein großes Gemeinwesen höchst nützlich sind, ihrer ganzen Natur nach niemals einen Ertrag abwerfen, der hoch genug für eine oder mehrere Privatpersonen sein könnte, um die anfallenden Kosten zu decken, weshalb man von ihnen nicht er- warten kann, daß sie diese Aufgabe übernehmen." 114 Aus diesen Risiken und Problemen leitet Smith für den Staat und die Regierung komplementäre Aufgaben ab.115 Bemerkenswert ist, dass Smith schon damals Grün- und Freiflächen - weil unwirtschaftlich - als eine königliche bzw. staatliche Angelegenheit ansieht: "In einer großen Monarchie, die eine hohe Entwicklungsstufe erreicht hat, sollte, wie es scheint, die Krone ... solche Ländereien besitzen, die dem Vergnügen und der Prachtentfaltung dienen, wie Parks, Gärten, öffentliche Spazierwege, Besit- zungen also, die überall nur als Quelle für Kosten, nicht aber für Einkommen be- trachtet werden." 116 Argumentative und praktische Kritik Auch die Kritiker der Markenteilungen befürchteten, dass verschiedene agrarische Leistungen einzelwirtschaftlich nicht mehr angeboten werden. So wird davor gewarnt, dass Landwirte ihre neuen Freiheiten missbrau- chen könnten: "Nicht wenige träge Wirthe würden, wenn nicht mehr an die bisherige Ordnung gebunden, ihren Acker weder zur rechten Zeit noch gehörig bestellen".117 Die größte Sorge aber war, dass "die Aufhebung der Gemeinde-Hutungen ... weniger Futter für das Vieh, und daraus Verminderung des Viehstandes zur Folge haben" 118 werde. Darunter würden vor allem die landlosen und landarmen Einwohner leiden, die ohne die gemeinschaftlichen Weiden keine Nutztiere halten konnten. Die Verarmung der Kleinbauern wäre die Folge. Hinzu kam die Furcht vor einem allgemeinen Holzmangel, weil absehbar war, dass etliche mit Gehölzen bestandene Marken nach der Separation in Äcker oder Wie- sen umgewandelt und für die Holzerzeugung nicht mehr zur Verfügung stehen würden.119 Manche Kritiker übten auch praktische Kritik, entweder durch Missachtung der Separationen oder durch Proteste. 113 Smith (1974), S.112 114 Smith (1974), S.612 115 Smith (1974), S.582 116 Smith (1974), S.702 117 Stadelmann (1882), S.87 118 Stadelmann (1882), S.87 f; vgl. auch: Brakensiek (1991), S.46-74 119 Jacobs (1930), S.15, S.58 f, S.63 3. Verdrängte Landwirtschaft 39 So sind umfangreiche Teilungen bereits im 18. Jahrhundert erfolgt. Die ersten Teilungen fanden im "Vest Recklinghausen" statt und betrafen die Esseler Loh und Teile der Recklinghäuser Mark (1765), die Kirchheller Mark (1768), den Vorderbruch (1775) und die Polsumer Mark (1779).120 Auch in der Umgebung von Hamm waren im 18. Jahrhundert schon "min- destens 48 (meist kleinere) Heiden, Brüche, Vöhden und Waldemeien unter die Berechtigten aufgeteilt" worden.121 Wie Brakensiek berichtet, seien in der Grafschaft Mark122 im 18. Jahrhun- dert bereits 128 Holzmarken und 129 Gemeinheiten privatisiert worden, denen nur noch 60 ungeteilte Gemeinheiten gegenübergestanden hätten. Trotzdem seien nach 1821 noch 317 Teilungsverfahren abgeschlossen worden. Diese Widersprüche bedeuten, dass ein großer Teil dieser Flä- chen im 18. Jahrhundert zwar geteilt, anschließend aber von den Bauern wieder gemeinschaftlich genutzt worden ist, bevor sie erneut separiert wurden.123 Ähnlich berichtet Bausch von der zunächst folgenlosen Teilung der weit- gehend bewaldeten Mark in Lütgendortmund. Von 1771 bis 1835 waren erst acht Prozent der Fläche in Acker- und Wiesenland umgewandelt und zwei Gebäude errichtet worden. Mit dem verstärkten industriellen Wachs- tum seit den 1870er Jahren wurde allerdings "in weiten Teilen ... der Wald schnell abgeholzt und besiedelt".124 Offenbar haben viele Bauern die ersten Separationen schlichtweg ignoriert und sind nach Abschluss der Verfahren wieder zur gemeinschaftlichen Nutzung zurückgekehrt, bis sich mit der Industrialisierung sämtliche Rah- menbedingungen geändert haben. Hinzu kam der bäuerliche und unterbäuerliche Widerstand. So war die Separation der Bochumer "Vöde" bereits seit dem ausgehenden 18. Jahr- hundert diskutiert, 1821 von Ackerberechtigten beantragt worden125 und seit 1843 im Gange. Am 15. August 1848 hat der Teilungskommissar die Teilung der kleinen und der großen Vöde angekündigt. Doch am folgenden Tag zogen Bochumer Einwohner, mit Handwerkzeug und Ackergeräten bewaffnet, zum Deputierten der Grundbesitzer und zur Vöde, wo sie die gerade angefahrenen Grenzsteine zerschlugen - die Bochumer "Vöde- revolution".126 Am Anfang der 1870er Jahre stockte die Teilung der Vöde erneut, weil mehrere hudeberechtigte Bürger, darunter M. Fiege, einen Prozess gegen die Stadt führten. Im März 1873 allerdings wurde der Tei- lungsrezess unterzeichnet und Anfang 1876 wurde die Aufteilung der Vöde rechtskräftig, nachdem alle Kläger auf eine Berufung verzichtet hatten.127 120 Jacobs (1930), S.11 f 121 Brakensiek (1991), S.373 122 Zur Grafschaft Mark gehörten im wesentlichen Hamm als Residenzstadt, der Kreis Unna, Teile des Ennepe-Ruhr-Kreises, Bochum, Castrop-Rauxel und Teile des märki- schen Sauerlandes. 123 Brakensiek (1991), S.357-360 124 Bausch, Hermann Josef (1998): Gelegenheiten zum Naturgenuß, zu unschuldigen Erholungen, zur Annäherung der verschiedenen Stände und zur Milderung des Klas- senkampfes ... Zur Entstehung der Volksgärten im Landkreis Dortmund, in: Kastorff- Viehmann, Renate (Hg.) (1998b): Die grüne Stadt, Essen, S.149-173, hier: S.151 125 Schmidt, Erika (1988): Der Bochumer Stadtpark und sein städtebauliches Umfeld im 19. Jahrhundert. Ein Beitrag zur Revision von Werturteilen über den typischen deut- schen Stadtpark des 19. Jahrhunderts, Diss. Hannover, S.274 126 Neumann, Enno (1993): Friedrich von Schell und sein Denkmal in Bochum, Bochum, S.76 127 Schmidt (1988), S.297 f, S.302, S.290 Fußnote 1121, S.291 f, S.276; ob der Kläger mit dem Brauereibesitzer - "Unser Bier braut Moritz Fiege" - verwandt oder identisch war, ist mir nicht bekannt. 3. Verdrängte Landwirtschaft 40 Markenteilungen im zeitlichen Ablauf Wie Jacobs ermittelt hat, wurde in Westfalen "zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch die Hälfte des Areals von der Allmende gebildet".128 Tabelle 3.2. Abgeschlossene Teilungen in westfälischen Kreisen seit 1822 1822- 1831 1832- 1841 1842- 1851 1852- 1861 1862- 1871 1872- 1881 1882- 1891 Sum- me Recklinghausen 28 32 19 18 11 6 2 116 Hamm / Unna 22 22 4 11 1 - - 60 Dortmund 41 23 7 4 5 1 - 81 Bochum 14 7 3 2 2 - - 28 Hagen 4 6 1 3 1 - - 15 zusammen 109 90 34 38 20 7 2 300 Anteil in % 36 30 11 13 7 2 1 100 Quelle: Brakensiek (1991), S.454; eigene Berechnungen Somit wurden die meisten Marken im Vest Recklinghausen und in der Grafschaft Mark erst privatisiert, nachdem sie durch den Wiener Kongress von 1815 in die preußische Provinz Westfalen eingegliedert worden waren. (Tabelle 3.2.) Das letzte Drittel wurde erst aufgelöst, als in den 1840er Jahren der Flächenbedarf für die Gewinnung von Bodenschätzen, für die Industrie und den Wohnungsbau deutlich zu wachsen begann.129 Daher stellt sich die Frage, welche Auswirkungen die Markenteilungen auf die Siedlungstätigkeit und auf die Landwirtschaft hatten. c. Markenteilungen und Siedlungstätigkeit Wie der Dortmunder Stadtrat August de Weldige-Cremer untersucht hat, haben erst die Markenteilungen die verstärkte Siedlungstätigkeit ermög- licht.130 Dortmund war eine "Ackerstadt", in deren Süden "der Grund und Boden von Alters her im Privatbesitz (war). Hier lagen die Felder der Ackerbürger im buntesten Gemenge. Die einzelnen Felder zogen sich entweder der Länge nach die Anhöhe hinan oder sie folgten an den Hängen den Höhenlinien, so wie die Bearbeitung des Bodens dies ergeben hatte. Aber so wie der Pflug ging, hatte man in Erb- und Auseinandersetzungsfällen auch offenbar geteilt und es waren allmählich lange schmale Streifen Landes entstanden, die zudem zum größten Teil mit einer Wegeservitut zu Gunsten eines oder mehrerer Nach- bargrundstücke, die keine eigene Zugänglichkeit hatten, belastet waren." 131 128 Jacobs (1930), S.63 129 Brakensiek (1991), S.357-360, S.366-371, vgl. auch: Brakensiek (1991), S.373 f 130 de Weldige-Cremer (1903): Die Entwicklung der Bebauung Dortmunds und die Vor- teile der Grundstücksumlegung für städtische Strassennetze, in: Die Grundstücks- umlegung in Stadtfeldmarken und in der Südostfeldmark Dortmund, Dortmund, S.3- 11; ergänzt durch: Walz, Manfred (1989): Die Nordstadt aus der Vogelschau: Grundei- gentum, Industrie und Stadtplanung, in: Ebert, Ralf (Red.) (1989): Nordstadtbilder. Stadterneuerung und künstlerische Medien, Essen, S.81-104, hier: S.81 f 131 de Weldige-Cremer (1903), S.4; so auch Beckmann, Fritz (1926): Der Bauer im Zeitalter des Kapitalismus, in: Schmollers Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deut- schen Reiche, 50.Jg. II. Halbband, München und Leipzig, S.33-62, hier: S.49: "Wäh- rend die ältesten Schläge beim Dorf selbst heillose Gemengelage haben, sind diese (die Gemeinheiten - U.H.) sofort schachbrettartig aufgeteilt worden und gern die Musterstellen der Dorfflur geworden." 3. Verdrängte Landwirtschaft 41 Diese Grundstückszuschnitte, Eigentumsverhältnisse und Belastungen beeinträchtigten die landwirtschaftliche Produktivität, aber auch die Bau- und Siedlungstätigkeit. Da die Dortmunder Einwohnerzahl stark zuge- nommen hatte, würde - so de Weldige-Cremer - "sich die Baulust doch sicherlich auch des weit gesunderen Baulandes im Süden stärker bemächtigt haben, wenn hier nicht die eigenartigen Besitzverhältnisse sich der Aufschließung hindernd in den Weg gestellt hätten".132 Infolgedessen "war das rund 650 Morgen große Gebiet der südöstlichen Feldmark mit seinen eigenartigen Besitzverhältnissen der Bebauung so gut wie verschlossen." 133 Ganz anders entwickelte sich der Dortmunder Norden.134 Bis in die 1830er Jahre gab es außerhalb der Stadtmauern nur rund 30 Wohnhäuser mit 170 Menschen.135 Aber wenig später begann Dortmunds Entwicklung zur Industriestadt, "die besonders dem 'Norden' zugute kam. ... Die Lage der ersten Eisenbahn (Köln- Mindener) war für Aufschlüsse nach dem Norden günstig und das flache Terrain bot der Anlage von Fabriken keine Schwierigkeiten. Aber ein wenig beachteter Umstand ist für die wirtschaftliche Entwickelung des Nordens und der Stadt Dortmund überhaupt von großer Bedeutung gewesen. Es ist dies die zeitige Regulierung der Eigentumsverhältnisse im Norden durch Aufteilung des Gemeinschaftsbesitzes." 136 Zunächst verwies de Weldige-Cremer auf die Verhältnisse vor der Teilung und vor der Industrialisierung: "In dem nördlichen flachen Teile des Stadtgebietes war wenig Privatbesitz Einzel- ner. Die drei dort von Alters her bestehenden Bauerschaften: die Borg-, Oester- und Westerbauerschaft waren zu je einem Teil Eigentümer der von Wasserläufen durchzogenen feuchten Weiden und Holzungen, der Teiche und Bleichen. Dieses Bauerschaftseigentum wurde in den fünfziger Jahren aufgeteilt." 137 Warum Industrieansiedlung und Wohnungsbau gerade durch diese Teilung begünstigt wurden, erklärte de Weldige-Cremer wie folgt: "Es ist nicht anzunehmen, daß die Interessengemeinschaften von dem gemein- schaftlichen Besitze abverkauft hätten. Jetzt aber nach stattgehabter Separation 132 de Weldige-Cremer (1903), S.5 133 de Weldige-Cremer (1903), S.8 134 vgl. Krabbe (1978), S.183; Arnecke (1886): Die Arbeiterwohnungsfrage in Dortmund, in: Die Wohnungsnoth der ärmeren Klassen in deutschen Großstädten und Vorschläge zu deren Abhülfe. Zweiter Band. Schriften des Vereins für Socialpolitik XXXI (1886), Leipzig, S.157-186, hier: S.161; Koszyk, Kurt (1971): Dortmunder Kommunalpolitik während der Gründerjahre, in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark, Band 67 (1971), S.73- 103, hier: S.92; Löher, Hans-Joachim (1984): Zum Wohnungsbau in Dortmund von 1850-1900, in: Museum für Kunst und Kulturgeschichte der Stadt Dortmund (Hg.) (1984): Dortmund 11.8.1899. Der Kaiser kommt zur Hafeneinweihung, Museumshandbuch Teil 3, Dort- mund, S.187-197 135 Walz (1989), S.85; Kastorff-Viehmann, Renate (1989): Die Geschichte der Nordstadt als Wohnstadt, in: Ebert (1989), S.104-124, hier: S.107 136 de Weldige-Cremer (1903), S.3 137 de Weldige-Cremer (1903), S.3; vgl. auch: Krabbe (1978), S.183; nach Rübel (1907), S.80, war die Stadt Dortmund seit dem Mittelalter in drei Bezirke aufgeteilt: "Die Westerbauerschaft umfaßte in der Stadt die Insassen des Südwes- tens, die Osterbauerschaft die des Südostens, die Burgbauerschaft wesentlich den Teil vom Markte aus nach Norden ..." Diese Bauerschaften verfügten in jeweils einem eigenen Teil des Dortmunder Forstes über die Weiderechte (S.77). Bei der Teilung waren die Hausbesitzer in diesen drei Bezirken die Berechtigten. Dabei handelte es sich jeweils um rund 220-240 Interessenten (S.171 ff). 3. Verdrängte Landwirtschaft 42 waren große und abgerundete Flächen in Privatbesitz und konnten leicht für Fab- rikanlagen und jegliche Bauzwecke ausgenutzt werden, denn die Wirtschaftswege, die im Anschluß an die vorhandenen alten Land- und Kommunalstraßen ausge- wiesen waren, boten den Grundstücken auch eine gute Zugänglichkeit. So ebnete die im landwirtschaftlichen Interesse erfolgte Separation den Weg für die industrielle Entwickelung und die nunmehr kräftig einsetzende Bebauung des nördlichen Stadtteils, aber sie prägte dem neuen Stadtteil auch dauernd ihren Stempel auf. Die Bebauung wurde einförmig, schachbrettartig. Die nach landwirt- schaftlichen Grundsätzen ausgewiesenen Pläne wurden die Baublocks, die gradli- nigen Wirtschaftswege wurden die Straßen." 138 Auch andere siedlungsgeografische Untersuchungen zeigen, dass die neue Bautätigkeit im Ruhrgebiet schwerpunktmäßig auf geteilten Marken stattfand. So waren nach Heese139 die Veränderungen in der Bodennut- zung im Raum Bochum und Herne "vornehmlich durch die Aufteilung der Gemeinheitsgründe bedingt." Mit der Bevölkerungszunahme waren in dieser Gegend nicht etwa die bestehenden Städte und Dörfer gewachsen, "nicht die altbesiedelten Gebiete, sondern jene, die bislang siedlungsfeindlich waren, vor allem Emscherbruch und Drewer-Frentroper Mark." Dabei boten die aufgeteilten Gemeinheiten mit niedrigen Bodenpreisen eine Grundlage sowohl für neue Bauernstellen als auch für die weitere Industrialisierung und für großzügig angelegte Werkssiedlungen.140 Krupinski nennt als Beispiel die Bochumer Zechensiedlung "Alte Kaserne", die 1863 vom Bergbau in der "Werner Heide" errichtet worden ist.141 Viele weitere Werkssiedlungen liegen in einer zuvor geteilten Mark oder Heide und tragen entsprechende Namen wie z.B. "Dahlhauser Heide" oder "Welheimer Mark". Diese Verknüpfung zwischen Markenteilung und Bautätigkeit ist auch für Oberhausen beschrieben, wo für die Lipperheide südlich des Oberhause- ner Bahnhofs ein Stadterweiterungsplan aufgestellt wurde. Voraussetzung für seine Umsetzung war die Gemeinheitsteilung, das einzige Verfahren, in dem über den Bodenwert, über das Straßenland, das von den Kommunen einbehalten wurde, und über Entschädigungen für Eigentümer, die Flächeneinbußen hinnehmen mussten, im Zusammenhang entschieden werden konnte.142 Zusammenfassend können also zwei Bedingungen genannt werden, die ab Mitte des 19. Jahrhunderts die beschleunigte Siedlungsentwicklung ermöglichten und erst durch die Separationen erreicht wurden: - ein für die Bebauung geeigneter Zuschnitt der Parzellen und - die private Eigentümerschaft am Boden, die den Privateigentümer zum alleinigen Entscheidungsträger über die Bodennutzung machte und den Verkauf von Parzellen an Investoren ermöglichte. 138 de Weldige-Cremer (1903), S.3 139 für das Folgende: Heese, Maria (1941): Der Landschaftswandel im mittleren Ruhrindustriegebiet seit 1820, Münster, S.44 f 140 Heese (1941), S.61, S.45 141 Krupinski, Hans-Dieter (1980): Der Einfluß planungsrechtlicher Vorschriften, Pro- gramme und Pläne auf die Stadtplanung und Siedlungsentwicklung im Ruhrgebiet von 1876 bis 1974 - untersucht am Beispiel der Stadt Bochum. Schriftenreihe Landes- und Stadtentwicklungsforschung des Landes Nordrhein-Westfalen. Materialien Band 4.026, Dortmund, S.133 142 Kastorff-Viehmann, Renate (1983): Frühe Stadtbaupläne in Ruhrort und Duisburg. Der Weg zur öffentlich-rechtlichen Planung im Ruhrgebiet, in: Fehl, Gerhard, und Juan Rodriguez-Lopes (Hg.) (1983): Stadterweiterungen 1800-1875. Von den Anfängen des modernen Städtebaues in Deutschland, Hamburg, S.185-203, hier: S.199 3. Verdrängte Landwirtschaft 43 Zusammen mit der Abschaffung der grundherrschaftlichen Privilegien mündete die - sich über einen längeren Zeitraum hinziehende - Auflösung der Marken und Gemeinheiten in die Privatisierung von Grund und Boden und verwandelte ihn, d.h. das Recht zu seiner Nutzung in eine frei ver- käufliche Ware. Zurückblickend schrieb Beckmann: "Der zum Eigentum erklärte Boden kann verkauft werden, und schlagartig setzt ein starker Bodenverkehr ein, den Boden zum erstenmal in Geld umrechnend. Zwar gab es auch früher schon Privateigentum am Boden, aber der Umsatz war doch eine Seltenheit, eine Ausnahme; jetzt wird er zur Norm und Selbstverständlichkeit." 143 Natürlich kamen weitere Faktoren hinzu: der Flächenbedarf des Bergbaus, der Industrie und des Wohnungsbaus und die Tatsache, dass es keine wirksamen Regelungen zur Sicherung von landwirtschaftlich und anders genutzten Freiflächen gab. Das Resultat war der seit der Gründerzeit be- schleunigte Freiraumschwund. Das heißt zugleich, dass gerade die Priva- tisierung des Freiraums die Übernutzung dieses öffentlichen Gutes er- leichtert hat, während die ungeteilten Marken, aber auch die seit langem privaten, jedoch ungünstig geschnittenen Ackerparzellen die Bautätigkeit behinderten. d. Markenteilungen und ihre Bedeutung für die Landwirtschaft Für die Landwirtschaft bedeuteten die Markenteilungen, dass bisher ge- meinschaftlich genutzte Flächen auf einzelne Privateigentümer aufgeteilt wurden. Hierzu gehörten auch die in der Statistik als Öd- und Unland be- zeichneten, ertragsschwächeren Ländereien. Da ein Teil dieser Flächen mit Fabriken und Wohnhäusern bebaut und in Straßen umgewandelt wurde, verringerten sich im Kern-Ruhrgebiet die landwirtschaftlich ge- nutzten Flächen - von 1822/35 bis 1861/63 um über 1.000 Hektar und - von 1861/63 bis 1878 um mehr 4.500 Hektar.144 Das andere frühere Öd- und Unland wurde nach der Teilung von ihren neuen Privateigentümern durch intensivere Bearbeitung in Ackerflächen, Wiesen oder ertragreicheres Weideland umgewandelt. Daher konnten diese Agrarflächen im Ruhrgebiet bis in die 1880er Jahre hinein zuneh- men.145 So berichtet Avereck über den alten Landkreis Duisburg, der das gesamte westliche Ruhrgebiet von Essen bis zum Rhein umfasste, dass hier die privaten Agrarflächen zwischen 1835 und 1878 von 39.321 auf 45.753 Hektar oder um 16 Prozent gewachsen sind.146 Für den Kreis Recklinghausen berichtet Glander, dass allein zwischen 1821 und 1841 insgesamt 72.450 Morgen Gemeinschaftsgründe geteilt und in Privatbesitz überführt wurden. Die spannfähigen Bauerngüter konnten ihren Besitz zwischen 1832 und 1859 von 150.000 Morgen auf über 180.000 Morgen vergrößern.147 Allerdings trug die Gemeinheitsteilung auch 143 Beckmann (1926), S.47 144 siehe Fußnote 55 145 Tabelle 3.1. 146 Avereck, W. (1913): Die Landwirtschaft unter dem Einflusse von Bergbau und Indus- trie im Rheinischen Ruhrkohlengebiete. Volkswirtschaftliche und wirtschaftsge- schichtliche Abhandlungen, III. Folge Heft 1, Leipzig, S.56 147 Glander, Herwig (1956): Untersuchungen über die wirtschaftliche Entwicklung und steuerliche Bewertung der Landwirtschaft des Kreises Recklinghausen. Ein Beitrag zu Problem "Landwirtschaft in Industrienähe", Diss. Hohenheim, S.35 ff 3. Verdrängte Landwirtschaft 44 "zur Vergrößerung des adeligen Landbesitzes bei. In Buer vergrößerte sich die Fläche in den Jahren 1826-1867 von 927 ha auf 1912,37 ha. Im Kreis Reckling- hausen wuchs der Großgrundbesitz von 1837-1851 von 6695 ha auf 7843 ha." 148 In beiden Kommunen hat der Adel rund 1.000 Hektar hinzu bekommen, wodurch der Adelsbesitz in Buer sogar mehr als verdoppelt wurde. Zum einen, weil viele Adlige selbst den Markgenossenschaften angehörten und bei den Separationen entsprechende Flächenzuteilungen erhielten. Zum anderen, weil die Bauern für die "Bauernbefreiung" hohe Ablösesummen an die früheren Grundherren zahlen mussten, daher hochverschuldet und zu Landverkäufen gezwungen waren.149 Trotzdem vergrößerte sich die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe. So gab es 1826 im Vest Recklinghausen, dem damals neben dem heutigen Kreis Recklinghausen auch Teile der heutigen Städte Gelsenkirchen und Oberhausen angehörten, noch 3.758 bäuerliche Betriebe. Bis zum Jahr 1858 hat sich ihre Zahl etwa verdoppelt, wobei sich die Zahl der Klein- und Kleinstbetriebe sogar vervierfacht hatte.150 Während die Bauern ehemaliges Gemeinschaftsland hinzu bekamen, haben auch viele Kötter und Heuerlinge, Berg- und Industriearbeiter ein Stückchen Land erworben, wenigstens aber gepachtet, um es selbst zu bewirtschafteten. Ein Prozess, der vielleicht den späten Start der Klein- gartenbewegung im Ruhrgebiet erklärt. Allerdings hatten die neuen Verhältnisse auch Schattenseiten: So mussten die Höfe geldliche Einkünfte erzielen, nicht nur um ihre Ablöseschulden abzutragen, sondern auch für ihre Steuerzahlungen an den preußischen Staat. Dies zwang die Bauern dazu, zunehmend ihre Erzeugnisse zu verkaufen und sich dabei an der Nachfrage der nicht-landwirtschaftlichen Bevölkerung zu orientieren.151 Diese Nachfrage hatte mit dem Wachstum der Industrie und der Bevölke- rung ebenfalls zugenommen. Nachdem der Hellweg früher Getreide ins Bergische Land exportiert hatte, konnte er seit 1840 den Brotgetreidebe- darf von Bochum und Dortmund nicht mehr decken. Kurze Zeit später reichte auch die Milcherzeugung nicht mehr aus. Der regionsinterne Obst- und Gemüsebau war ebenfalls unzureichend.152 Daher haben die Bauern im mittleren und östlichen Ruhrgebiet den Acker- bau ausgedehnt, um Getreide, zunehmend aber auch Kartoffeln und Fut- termittel anzubauen.153 Zugleich nahm die Tierhaltung deutlich zu, vor allem beim Milchvieh. In Stadtnähe bildete sich die Abmelkwirtschaft her- 148 Breilmann, Annemarie (1949): Die sozialen Wirkungen der Industrialisierung auf die landwirtschaftliche Bevölkerung im Emschergebiet, in: Vestisches Jahrbuch, 51.Band (1949), S.5-44, hier: S.15 149 Breilmann (1949), S.13 f; Beckmann (1926), S.43 f; vgl. Winkelmann (1883): Die gegenwärtigen bäuerlichen Verhältnisse in der Provinz Westfalen, in: Bäuerliche Zustände in Deutschland. Zweiter Band. Schriften des Ver- eins für Socialpolitik XXIII, Leipzig, S.1-24, hier: S.9 150 Feldhues, Karl (1929): Die sozialökonomische Lage der vestischen Bauern im 18. Jahrhundert, in: Vestische Zeitschrift. Zeitschrift der Vereine für Orts- und Heimat- kunde im Veste Recklinghausen, 36.Band (1929), S.113-206, hier: S.161 ff; Glander (1956), S.64 151 Beckmann (1926), S.43-50; Winkelmann (1883), S.10 und Anhang, S.23 f 152 Heinrichs, Werner (1938): Die Entwicklung der landwirtschaftlichen Betriebsverhält- nisse in dem westlichen Teil des Hellweggebietes unter dem Einfluss der Großindus- trie, Diss. Bonn, S.47; Meier (1961), S.79 f 153 Henhsen, Heinz-Hugo (1955): Der Strukturwandel der Landwirtschaft des Ruhrgebie- tes seit 1880, Diss. Köln, S.24-27; Meier (1961), S.79 3. Verdrängte Landwirtschaft 45 aus. Ihre Betreiber kauften frisch abgekalbte Kühe, die sie im Stall hielten, molken und bei nachlassender Milchleistung schlachten ließen. Gewach- sen ist auch die Tierhaltung außerhalb der Landwirtschaft. Immer mehr Arbeitspferde wurden im Bergbau, in der Industrie und von Fuhrunterneh- mern eingesetzt. Viele Berg- und Industriearbeiter, die etwas Land bewirt- schafteten, mästeten ein oder sogar mehrere Schweine pro Jahr oder hielten eine Ziege, die "Kuh des Bergmanns".154 Obwohl es schon im 19. Jahrhundert unter den Landwirten 'Modernisie- rungsverlierer' gab, die mit der neuen Geldwirtschaft und mit dem Verfü- gungsrecht über ihr Grundeigentum nicht zurecht kamen,155 scheint die Industrialisierung des Ruhrgebietes der Landwirtschaft im großen und ganzen bis in die 1880er Jahre hinein mehr Vor- als Nachteile gebracht zu haben. 3.1.2. Landwirtschaftliche Bodenverkäufe und Flächenverluste bis zum Ersten Weltkrieg Nach der Periode von 1850 bis 1875, die nach Avereck "die beste Zeit (war) ..., welche die deutsche Landwirtschaft je erlebt hat",156 begann der bis heute anhaltende Rückgang der Wiesen, Weiden und Ackerflächen sowie der bäuerlichen Betriebe im Ruhrgebiet. Im rechtsrheinischen Revier einschließlich seiner Ballungsränder sank die Agrarfläche bis 1913 von über 220.000 Hektar auf rund 190.000 Hektar, ihr Anteil an der Gesamt- fläche der Region fiel von 71 auf 61 Prozent.157 Industrie und Kommunen übten eine umfangreiche Flächennachfrage aus. Breilmann zufolge sollte man "annehmen, daß nun ein Kampf um den Boden eingesetzt hätte ... Zum Kampf kam es aber nicht. Die Industrie führte eine Waffe, vor der die Bauern die ihre kampflos streckten: Es war die hohe Bewertung des Bodens durch die Zechen. In keinem Falle sind Enteignungen vorgekommen. Das Bauernland wurde im ganzen Gebiet nicht nur ohne Widerstand, vielmehr bereitwillig zur Verfügung gestellt." 158 Die Preise, die Bergbau und Industrie zahlten, lagen deutlich über den landwirtschaftlichen Bodenpreisen. Wie Altkemper ermittelt hat, waren die Kaufpreise im stark industrialisierten Süden des Kreises Recklinghausen um 1900 mehr als sechsmal so hoch wie die dortigen Ertragswerte, die er aus den Pachtpreisen errechnet hat. In der Kreismitte, wo die Industrie noch expandieren konnte, waren die Bodenpreise viermal so hoch. Sogar in den erst ansatzweise industrialisierten nördlichen Gemeinden erreichten die Kaufpreise das Dreifache der dortigen Ertragswerte. Auch in Essen hat der Bodenpreis "den Ertragswert um das 2-4fache über(troffen)".159 'Verkaufsfördernde Argumente' waren die Bergsenkungen. Sie ließen entweder das Grundwasser absinken oder führten zur Vernässung des 154 Avereck (1913), S.65-73; Heinrichs (1938), S.48 f; Henhsen (1955), S.29; Meier (1961), S.80 155 Beckmann (1926), S.43-50 156 Avereck (1913), S.22 157 Tabelle 3.1. Im Kern-Ruhrgebiet nahm die Agrarfläche von 162.000 auf 126.000 Hek- tar ab. In diesem Zeitraum ist aber auch die Gesamtfläche aufgrund von Ein-, Aus- und Umgemeindungen um 13.000 Hektar gesunken. 158 Breilmann (1949), S.18 159 Altkemper, Joh. (1905): Die Landwirtschaft der Kreise Recklinghausen und Gelsenkir- chen unter dem Einflusse der Industrie, Diss. Bonn, S.96-104; Avereck (1913), S.26; vgl. Linneweber, Gisbert (1909): Die Landwirtschaft in den Kreisen Dortmund und Hörde unter dem Einflusse der Industrie, Stuttgart, S.41-51 3. Verdrängte Landwirtschaft 46 Bodens. Die Emscher und ihre Zuflüsse, die als Vorfluter dienten, verloren ihr natürliches Gefälle und überschwemmten die umliegenden Flächen mit Schlamm und Unrat. An Gebäuden traten Bergschäden auf. Hinzu kamen Schädigungen durch Flugasche, Kohlenstaub und Ruß. Obst und Gemüse, die Wiesen und Weiden für die Tiere, aber auch das Getreide litten unter den Verschmutzungen und Schädigungen, z.B. durch schweflige Säuren. Hinzu kam ein Mangel an Arbeitskräften, von denen viele eine Arbeit im Bergbau oder in der Industrie gegenüber der Landwirtschaft vorzogen.160 Zur gleichen Zeit verfielen die Preise auf den Getreidemärkten. Nachdem sie bis in die 1870er Jahre hinein gestiegen waren, gerieten sie - aufgrund verbesserter Transportbedingungen - unter den Druck von Getreideim- porten aus Amerika, Russland und Rumänien, wo die Produktionskosten niedriger lagen. Die Getreidezölle von 1879 konnten den Preisverfall nicht aufhalten. Dies gelang erst mit den Zolltarifen von 1902.161 Daher herrschte damals ein ausgeprägter Pessimismus. Avereck "sieht, wie ein Bauernhof nach dem anderen vom Großkapital aufgesogen wird," und fürchtet, "daß die Landwirtschaft hier auf einem verlorenen Posten steht", dass man in Kürze "einen eigentlichen Bauernstand des rheinischen Ruhrkohlengebietes nur noch vom Hörensagen kennt." 162 Noch pessimistischer erwartete Altkemper, dass die "Industrie ... in Kürze dem letzten selbständigen landwirtschaftlichen Betriebe den Todesstoss geben wird." 163 Unter den Landwirten verbreitete sich die Bereitschaft zu verkaufen: "Viele werden die willkommene Gelegenheit mit Freuden zum Verkauf benutzen und dadurch imstande sein, Schuldsummen abzutragen oder den Betrieb intensiver zu gestalten." 164 Allerdings bedeutete der Verkauf nicht immer einen Flächenverlust. Da die Unternehmen und Kommunen 'vorbeugende' Bodenkäufe betrieben und z.B. von Bergsenkungen bedrohte Flächen erwarben, konnten sie solche Grundstücke wieder verpachten und von ihren Pächtern den Verzicht auf die Entschädigung von Bergschäden verlangen.165 Daher nahmen die Pachtflächen zu, die sich allein von 1882 bis 1895 im Kreis Recklinghausen auf 27 Prozent der Gesamtwirtschaftsfläche fast verdoppelt haben. Im stark industrialisierten Kreis Gelsenkirchen umfasste das Pachtland bereits über 40 Prozent. Im Kreis Recklinghausen arbeiteten 160 Altkemper (1905), S.39-65, S.99 f; Avereck (1913), S.74-79, S.82-85; Linneweber (1909), S.7-10, S.16 f, S.49, S.116-151; Meier (1961), S.60 161 Avereck (1913), S.20 ff; Henhsen (1955), S.45-47, S.50 ff; Beckmann (1926), S.52; Linneweber (1909), S.82; Beckmann, Fritz (1929): Die weltwirtschaftlichen Beziehungen der Landwirtschaft des westfälischen Industriegebietes, Leipzig, S.14 ff; Frank, Claudia (1988): Der "Reichsnährstand" und seine Ursprünge. Struktur, Funk- tion und ideologische Konzeption, Diss. Hamburg, S.2-10 162 Avereck (1913), S.87 163 Altkemper (1905), S.24 164 Linneweber (1909), S.50, vgl. S.8 f; ähnlich Altkemper (1905), S.93 und S.105: "Nur zu leicht werden Landwirte durch die hohen Bodenpreise bewogen, ihre Besitzungen zu verkaufen"; Avereck (1913), S.85 f: "Der landwirtschaftliche Besitzer, der sich in der glücklichen Lage befindet, seinen Grund und Boden verkaufen zu können, steht sich dann in der Regel sehr glänzend, weil er im Besitze des Zinsgenusses ein höheres und mühelose- res Einkommen hat, als er es durch Bewirtschaftung des Bodens zu erzielen vermag." 165 z.B. Avereck (1913), S.25 f, S.85; Linneweber (1909), S.8 f, S.47 f 3. Verdrängte Landwirtschaft 47 fast drei Viertel, im Kreis Gelsenkirchen fast 90 Prozent der Betriebe ganz oder teilweise auf gepachtetem Land.166 Nach Altkemper wurden in noch nicht so dicht besiedelten Gegenden ganze Bauernhöfe an ihre Verkäufer zurückverpachtet, während in den Industriezentren die erworbenen Güter "in Parzellen zerschlagen und an Industriearbeiter verpachtet" wurden. An dem Geschäft der parzellenwei- sen Verpachtung haben sich die Landwirte aber auch selbst beteiligt.167 Dabei haben sich unterschiedliche Formen herausgebildet, z.B. "Feldgär- ten", die von den Arbeiterfamilien eigenverantwortlich bewirtschaftet wur- den. Andere Parzellen wurden von den Landwirten mit Kartoffeln oder Futterrüben bestellt und erst im Herbst an Industriearbeiter verpachtet, die nur noch ernten mussten. Auch Zwischenformen waren verbreitet.168 Die Vorteile für die Landwirte: "die hohen Parzellenpachtpreise sichern dem Landwirt eine weit bessere Einnahme, als eine eigene Bestellung des Landes ihm bringen würde," und entlasteten ihn von der Arbeit.169 Aufgrund dieser Pachtgeschäfte ist die Zahl der Parzellenbetriebe weiter gestiegen. So gab es 1907 im Landkreis Dortmund 20.000, in Hörde über 13.000, im Kreis Recklinghausen fast 26.000 und im westlichen Ruhrgebiet noch 42.000 Klein- und Kleinstbetriebe unter 2 Hektar. Ihnen standen im Landkreis Dortmund nur noch 1.000, in Hörde 680, im Kreis Reckling- hausen 3.000 und im westlichen Ruhrgebiet 2.300 bäuerliche Betriebe ab 2 Hektar gegenüber. Deren Zahl war seit den 1880er Jahren im gesamten Ruhrgebiet rückläufig.170 Der heute noch festzustellende Rückgang der bäuerlichen Betriebe hatte begonnen. Davon waren auch fast alle Bodennutzungsarten betroffen, nur die Flächen für Hackfrüchte und Futterpflanzen blieben nahezu konstant, weil ein großer Kartoffelbedarf bestand und die Tierhaltung zunahm. Allerdings ist die Abmelkwirtschaft zugunsten einer wieder stärkeren Nachzucht zurück- gegangen, weil die Einkaufspreise für milchgebende Kühe gestiegen waren und weil Milch inzwischen auch aus größeren Entfernungen ins Ruhrgebiet transportiert werden konnte.171 Zugleich haben die Landwirte ihre Erträge gesteigert: In 20 bis 25 Jahren stiegen die Getreide- und Kartoffelerträge pro Hektar um 20 bis über 80 Prozent. Grundlage hierfür waren durch Züchtung verbesserte Sorten172 sowie eine stärkere organische und künstliche Düngung. Hierzu gehörten neben Stallmist und Jauche auch die städtische "Latrine", außerdem Guano, Thomasschlacke, Chilisalpeter, schwefelsaures Ammoniak, Su- perphosphat sowie Kalk und Kali. Zum Einsatz kamen auch die ersten 166 Altkemper (1905), S.82-91 167 Breilmann (1949), S.19, S.23, S.33; Avereck (1913), S.36; Altkemper (1905), S.116 f 168 Linneweber (1909), S.44; Avereck (1913), S.59; Altkemper (1905), S.117 169 Altkemper (1905), S.88 170 Linneweber (1909), S.67; Glander (1956), S.87; Henhsen (1955), Tabelle 3a, S.VI-XI; Brunn, Alois (1930): Die Meliorationen im Landkreise Recklinghausen und ihre be- triebswirtschaftliche Bedeutung, Diss. Bonn, S.7 171 Henhsen (1955), S.96 ff, S.102 ff, S.109 f, S.120-141; Linneweber (1909), S.61 ff, S.73-81; Glander (1956), S.95 ff, S.98-101; Avereck (1913), S.56 f, S.64-74; Altkem- per (1905), S.136 ff, S.166-190 172 Avereck (1913), S.64; Altkemper (1905), S.164 f; Altkemper (1905), S.152, nennt als Kartoffelsorten: "rote Rauschalen, Magnum bonum und Paulsens Juli", Avereck (1913), S.63, nennt als "Roggenvarietäten ... Petkuser-, Schlanstädter-, Probsteier- und Zeeländer-Roggen. Neben dem Landweizen finden wir Square-head- und Probsteier-Weizen. Von den Hafersorten nehmen Beseler II, Lentewitzer- und Schlanstädter-Hafer die erste Stelle ein." 3. Verdrängte Landwirtschaft 48 Landmaschinen, um den Mangel an Arbeitskräften auszugleichen.173 Während die Agrarflächen und die Zahl der bäuerlichen Betriebe zurück- gingen, ist der Einsatz "von sachlichen Hilfsmitteln als Kapital" deutlich gestiegen.174 3.1.3. Kriegswirtschaft und die Marktordnungen der Weimarer Republik Mit dem Ersten Weltkrieg begann eine neuartige, geradezu planwirtschaft- liche staatliche Agrarpolitik, auf die während der Weimarer Republik die ersten Marktordnungen folgten. a. Flächenverluste Wie sich die landwirtschaftlichen Flächen bis zum Ende der Weimarer Republik entwickelt haben, lässt sich nicht genau sagen, da die Boden- nutzung zwischen den beiden Weltkriegen nur in den Jahren 1927 und 1938 erfasst wurde. In diesem Zeitfenster ist der Anteil der landwirtschaft- lichen Flächen - im rechtsrheinischen Ruhrgebiet von zunächst 61 Prozent (1913) über 59 Prozent (1927) auf 56 Prozent (1938) und - im Kern-Ruhrgebiet von 60 Prozent (1913) auf 57 Prozent (1927) und nur noch knapp 52 Prozent (1938)175 gesunken. Demgegenüber hat die Zahl der Parzellenbetriebe weiter zuge- nommen, z.B. im Kreis Recklinghausen zwischen 1907 und 1933 von 26.000 auf 40.000.176 Für diese Zeit weist Breilmann darauf hin, dass die Neigung der Bauern, Grund und Boden zu verkaufen, gesunken war. Vor allem während der Inflation, die immerhin sämtliche Hypothekenbelastungen auflöste, waren Grundstücksverkäufe völlig uninteressant.177 Zudem hatten sich schon während des Ersten Weltkrieges die Vorteile des landwirtschaftlichen Be- sitzes gezeigt, als die Landwirte sich noch selbst versorgen konnten und vom "Schleichhandel" profitierten. Damals ergriff der Staat zwei Gegen- maßnahmen: - eine immer umfassendere Zwangswirtschaft, die auch die spätere Agrarpolitik noch geprägt hat, und - einen vereinfachten Zugriff anderweitiger Nutzungen auf land- wirtschaftliche Flächen. b. Von der Kriegswirtschaft zu den Marktordnungen Als im Ersten Weltkrieg ein Mangel an Lebensmitteln ausbrach, konnte ihre Verteilung nicht mehr den Marktmechanismen überlassen bleiben. Allerdings wurde die behördliche Nahrungsmittelverteilung von Landwirten, 173 Altkemper (1905), S.157-165; Avereck (1913), S.64, S.61 f; Henhsen (1955), S.94, S.88 f 174 Beckmann (1926), S.53 f 175 Tabelle 3.1. Da zwischenzeitlich umfangreiche kommunale Gebietsänderungen einge- treten sind, sind absolute Flächenangaben nicht aussagekräftig 176 Glander (1956), S.87 und S.113 177 Breilmann (1949), S.23 f; Beckmann (1926), S.43 f; Jesinghaus, Hugo (1926): Die Landwirtschaft des rheinisch-westfälischen Industrie- gebietes unter Einwirkung des Krieges und der Nachkriegszeit, Diss. Berlin, S.60 3. Verdrängte Landwirtschaft 49 Händlern und vermögenden Verbrauchern umgehend unterlaufen. So mussten sich die Inhaber von "Milchkarten" mit dem begnügen, was übrig war, nachdem die Milchbauern zunächst ihre zahlungskräftigen alten Kun- den beliefert hatten. Behördliche Kommissionäre, die die Fleischerzeugung überwachen sollten, haben etliche Tiere 'unter der Hand' verkauft.178 Daher behauptet Jesinghaus: "Gerade für die Landwirtschaft des Industriegebietes erreichte der Schleichhandel bald sehr große Bedeutung." 179 Während die Zwangswirtschaft immer weiter ausgebaut, Preise festgesetzt und die Landwirte zur Ablieferung von Fleisch und Brotgetreide verpflichtet wurden, setzte - nach Jesinghaus - in der Landwirtschaft ein "Uebergang zur Bedarfswirtschaft", zur Produktion für den Eigenbedarf ein. Zugleich nahmen Felddiebstähle zu.180 Für die Städte war die Milchversorgung ein besonderes Problem. Daher wurden Futtermittel verteilt, Milchsammelstellen eingerichtet und die Landwirte zur Milchablieferung verpflichtet. Die Ställe wurden kontrolliert, Schlachtverbote ausgesprochen und die Buttermaschinen in den bäuerli- chen Haushalten versiegelt. Die Städte Dortmund und Mülheim richteten eigene Milchviehställe ein. Mülheim kaufte 267 Kühe, von denen sie einen Teil an Landwirte verpachtete und die anderen im städtischen Stall zur Milcherzeugung nutzte. Im Frühjahr 1918 erwarb die Stadt sogar die Mol- kerei im entfernten Isselburg, um die Belieferung mit Milch zu sichern.181 Nach Kriegsende traten neue Probleme auf. Durch die Besetzung des Rheinlandes war Mülheim von seinen linksrheinischen Lieferanten abge- schnitten. Der zuständige Regierungspräsident verpflichtete Molkereien in anderen Regionen zur Belieferung des Ruhrgebiets. Da aufgrund des Versailler Friedensvertrages Kühe und Bullen an Frankreich und Belgien abgetreten werden mussten, kaufte die Stadt neues Milchvieh aus Bayern.182 Zwischenzeitlich hatten mehrere Städte kommunale Milchversorgungsge- sellschaften gegründet, an denen sich auch der Handel und die Landwirt- schaft beteiligten. Diese Gesellschaften schlossen sich 1919 zu einem regionalen Verband zusammen, der Milchhöfe, also Molkereien errichtet hat, um die Milch aus der Region und den Zuliefergebieten haltbar zu ma- chen und weiterzuverarbeiten, um die Milchqualität zu kontrollieren sowie um Großhändler und Konsumanstalten mit den benötigten Milchmengen zu beliefern. Für den Ausbau von Molkereien sowie um die Milch für Be- dürftige zu verbilligen, gab es zudem Fördermittel von der Reichsregie- rung.183 Da aber 178 Jesinghaus (1926), S.32-34, siehe auch: S.15-18; detailreich beschreibt Jesinghaus den Auf- und Ausbau der Zwangswirtschaft während des Ersten Weltkrieges und die ersten Entwicklungen in der Nachkriegszeit; ähnlich: Stelter, Heinrich (1956): Die Stellung der deutschen Siedlungspolitik im Rahmen der allgemeinen Agrarpolitik zwischen den beiden Weltkriegen. Untersu- chung der amtlichen Politik und der Haltung der deutschen Parteien, Münster; im folgenden kann ich nur versuchen, auf die wichtigsten Aspekte hinzuweisen. 179 Jesinghaus (1926), S.51; ähnlich: Frank (1988), S.12 f 180 Jesinghaus (1926), S.42-50 181 Jesinghaus (1926), S.19-31, S.31-33; Frank (1988), S.12; Menzenbach, Josef (1940): Vom Industriebauernhof zur Kleinsiedlung. Entwicklungs- tendenzen im Kreise Mülheim-Ruhr, Diss. Bonn, S.20-27 182 Menzenbach (1940), S.27 f; Jesinghaus (1926), S.63 183 Jesinghaus (1926), S.63; Henhsen (1955), S.142 f; Menzenbach (1940), S.27 f 3. Verdrängte Landwirtschaft 50 "die Zwangswirtschaft Korruption und Betrügereien in einem solchen Maße aus- löste, daß die Regierung nicht mehr in der Lage war, sie durchzusetzen," wurde sie 1920 grundsätzlich aufgegeben. Allerdings wurde die Getreide- bewirtschaftung erst 1923 vollständig aufgehoben,184 während es für die Milch bei der staatlichen Preisfestsetzung und bei der Ablieferungspflicht blieb. Während der Inflation begannen die Landwirte, um ihre täglichen Einnahmen zu verbessern, ihre Milcherzeugung zu steigern.185 Nach der Währungsreform kamen holländische und dänische Milchprodukte auf den Markt. Da die importierten Erzeugnisse günstiger waren, wurde die inlän- dische Produktion soweit auf Frischmilch umgestellt, dass es 1926 zu einer Überlieferung und Absatzstockung kam, zumal die Industrielöhne noch unter dem Vorkriegsniveau lagen.186 Ebenfalls nach der Währungsreform sanken die Getreidepreise aufgrund von Getreideimporten.187 Erneut machte sich Pessimismus breit: "Der Krieg hatte die Entwicklung zur Auflösung der landwirtschaftlichen Betriebe unterbrochen, doch nach der Stabilisierung setzte diese Tendenz mit erneuter und verstärkter Kraft ein, und sie zu hemmen wird unmöglich sein".188 Diese Entwicklung "zwingt uns zu der Erkenntnis, daß hier ein Berufsstand auf verlorenem Posten steht".189 Die 1925 wieder eingeführten Importzölle konnten die Preise nicht stabili- sieren, die Weltwirtschaftskrise, die 1928 begonnen hatte, und die seit 1931 ansteigende Arbeitslosigkeit verschärften die Probleme. Um die Krise zu überwinden, entwickelte die Weimarer Republik umfangreiche marktpolitische Instrumente, zu denen flexible Zölle, ein Zuckermonopol, ein Vermahlungs- und Beimischungszwang für Getreide, eine Marktord- nung für Getreide und Zwangseingriffe zur Ordnung der gesamten Milch- wirtschaft gehörten, die Proteste hervorriefen und bis zum Ende der Wei- marer Republik die Agrarkrise nicht mehr lösen konnten.190 c. Zugriff auf landwirtschaftliche Flächen Besondere Regelungen gab es für den Zugriff auf die landwirtschaftlichen Flächen. Der Historiker Heinz Reif weist daraufhin, dass in Preußen bereits seit 1874 landwirtschaftliche Flächen enteignet werden konnten, wenn es für den Bergbau notwendig war. Darüber haben Vertreter der westfälischen Landwirtschaft zwar geklagt, doch im allgemeinen haben sehr hohe Geld- zahlungen den Bauern die Abgabe des Landes erleichtert. Ungünstiger sei die Lage der Landwirtschaft nach dem Ersten Weltkrieg gewesen, als neue Enteignungsrechte eingeführt wurden.191 184 Stelter (1956), S.29-32 185 Jesinghaus (1926), S.62 und S.74 f 186 Jesinghaus (1926), S.71 f; Heinrichs (1938), S112 f; Henhsen (1955), S.53, S.141 f, S.131; Glander (1956), S.116; Frank (1988), S.40 f; Stelter (1956), S.86 187 Stelter (1956), S.54 f 188 Jesinghaus (1926), S.76 189 Spelberg, Heinrich (1923): Der Einfluß der industriellen Entwickelung auf die Land- wirtschaft des Rheinisch-Westfäl. Industriegebietes unter besonderer Berücksichti- gung der Kreise Bochum und Gelsenkirchen. Auszug, Diss. Gießen (Schlusssatz) 190 Stelter (1956), S.55-57, S.64, S.87-90, S.96-108; Frank (1988), S.38-46; Kluge, Ulrich (1989a): Vierzig Jahre Agrarpolitik in der Bundesrepublik Deutschland. Band 1, Hamburg und Berlin, S.26 ff 191 Reif, Heinz (1990): Landwirtschaft im industriellen Ballungsraum, in: Köllmann, Wolf- gang, Hermann Korte, Dietmar Petzina und Wolfhard Weber (Hg.) (1990): Das Ruhr- 3. Verdrängte Landwirtschaft 51 Hierzu gehörte vor allem die Verordnung zur Behebung der dringendsten Wohnungsnot vom 15. Januar 1919, die den Kommunen eine Enteignung von Land für den Kleinwohnungsbau ermöglichte. Inwieweit sie im Ruhr- gebiet angewandt wurde, ist aber nicht bekannt.192 Jesinghaus führte auch den Schutz der Parzellenpächter auf die seiner Meinung nach "feindselige Einstellung der unteren Verwaltungsbehörden gegenüber den Landwirten zurück". Denn mit der Einführung der Demo- kratie in Preußen war - so Jesinghaus - "die Arbeiterschaft ... zur Herr- schaft" gekommen, während die größeren landwirtschaftlichen Grundei- gentümer mit der Abschaffung des kommunalen Drei-Klassen-Wahlrechts ihre bevorzugte Stellung in den Kommunalparlamenten verloren hatten.193 Allerdings hatte schon die kaiserliche Regierung noch während des Ersten Weltkrieges durch mehrere Bundesratsverordnungen alle unbebauten Grundstücke zur landwirtschaftlichen oder (klein-) gärtnerischen Nutzung herangezogen. Den aufgrund der hohen Nachfrage drohenden Anstieg der Pachtpreise verhinderte die Regierung durch die Festsetzung von Höchstpreisen und stoppte die darauf folgende "Massenkündigung von Pachtverträgen" durch eine Verordnung zum Kündigungsschutz. Dieser Schutz für die Parzellenpächter wurde durch die Kleingarten- und Klein- pachtlandverordnung vom 31. Juli 1919 fortgeschrieben.194 Infolgedessen konnten die Verpächter der Parzellen nur die Vorkriegspachtpreise erzielen und nicht die höchstmögliche Rendite. Eine Regelung, mit der - wie Jesinghaus berichtete - die betroffenen Landwirte äußerst unzufrieden waren.195 d. Zwischenresümee Seit dem Ersten Weltkrieg war die Lage der Landwirtschaft im Ruhrgebiet schwierig. Während des Krieges wurden die Preise behördlich festgesetzt und die Landwirte zur Ablieferung ihrer Produkte verpflichtet. Die wenig später einsetzende Inflation löste zwar ihre Hypothekenbelastungen auf, machte aber auch jeden Grundstücksverkauf finanziell völlig uninteressant. Immerhin konnten die Landwirte sich und ihre Familien versorgen und bei Bedarf am Schwarzhandel teilnehmen. Nach der Währungsreform jedoch verfielen die Erzeugerpreise unter dem Druck von Agrarimporten und ökonomischen Krisen. Frischmilch ließ sich teilweise nicht absetzen. Dagegen entwickelte die Weimarer Republik eine komplexe Agrarpolitik, die die Probleme aber nicht mehr lösen konnte. Dass die landwirtschaftlichen Flächenverluste sich unvermindert forsetzten, ist daher nicht erstaunlich. gebiet im Industriezeitalter. Geschichte und Entwicklung. Band 1, Düsseldorf, S.337- 393, hier: S.347 192 RGBl. I 1919, S.1968; Jesinghaus (1926), S.59; Reif (1990), S.348; Jesinghaus und Reif machen keine Angaben zur Anzahl der davon betroffenen Land- wirte und Flächen, in den anderen ausgewerteten Untersuchungen über die Land- wirtschaft im Ruhrgebiet wird diese Möglichkeit zur Enteignung landwirtschaftlicher Flächen gar nicht erwähnt. 193 Jesinghaus (1926), S.54 f 194 RGBl. S.1371; siehe Kapitel 6 195 Jesinghaus (1926), S.55-57; Reif (1990), S.348; beide Autoren machen keine Anga- ben über Art und Umfang der landwirtschaftlichen Betroffenheit, andere Autoren er- wähnen die Kleingarten- und Kleinpachtlandverordnung überhaupt nicht als Problem. 3. Verdrängte Landwirtschaft 52 3.1.4. Nationalsozialistische Zwangswirtschaft Das NS-Regime knüpfte an die Marktordnungen aus der Weimarer Repu- blik an und baute sie bereits während der Kriegsvorbereitungen zu einer Zwangswirtschaft aus. In dieser Zeit mussten die meisten Parzellenbe- triebe aufgeben, während die bäuerlichen Betriebe sich halten konnten. a. Flächenverluste und Betriebsaufgaben Aus statistischen Gründen ist es nicht möglich, die Auswirkungen des Na- tionalsozialismus auf die landwirtschaftliche Flächenentwicklung zu bestimmen. Die Bodennutzungserhebungen fanden nicht 1933 und 1945 statt, sondern 1927, 1938 und 1950. Demnach traten die größten Flä- chenverluste zwischen 1927 und 1938 ein, während sich im Zweiten Welt- krieg und in den ersten Nachkriegsjahren nur noch wenig veränderte. So sank der Anteil der landwirtschaftlichen Flächen - im Kern-Ruhrgebiet von 57 Prozent (1927) auf 52 Prozent (1938) und ging danach bis 1950 nur noch auf knapp 51 Prozent zurück; - im rechtsrheinischen Ruhrgebiet von 59 Prozent (1927) auf 56 Prozent (1938) und verringerte sich danach bis 1950 nur noch auf knapp 55 Prozent.196 Auch die Zahl der Betriebe nahm ab. Betroffen waren aber fast nur Klein- und Kleinstbetriebe, deren Zahl seit Mitte der 1920er Jahre im Kern-Ruhr- gebiet von 12.000 auf 8.000 gesunken ist. Die Geldwertstabilität nach der Währungsreform von 1923, die Vollbeschäftigung und die steigenden Löhne während der Aufrüstung und schließlich der Zweite Weltkrieg, der Kriegsdienst und die Kriegszerstörungen haben viele Parzellenpächter zur Aufgabe bewogen. Demgegenüber ist die Zahl der bäuerlichen Betriebe ab 2 Hektar mit etwa 13.000 bis 1949 im Kern-Ruhrgebiet weitgehend konstant geblieben.197 b. Von den Marktordnungen zur Zwangswirtschaft Wie Stelter198 herausgearbeitet hat, ging es der nationalsozialistischen Agrarpolitik zunächst um die Verbesserung der landwirtschaftlichen Ein- kommensverhältnisse, bevor die Steigerung der Produktion den Vorrang erhielt. So wurden Maßnahmen zur teilweisen Entschuldung der Betriebe ergriffen, die in Deutschland insgesamt von rund 150.000 Landwirten (fast 5 Prozent aller Betriebe) in Anspruch genommen wurden. Hinzu kam eine Erweiterung der Marktordnungen. So wurden fünf so genannte "Reichs- stellen" als "Einfuhrschleusen" eingerichtet. Diese Reichsstellen vergaben Übernahmescheine, die dazu berechtigten, Importprodukte zu verkaufen. Voraussetzung hierfür war ein inländischer Bedarf nach diesen Produkten 196 Tabelle 3.1. Da zwischenzeitlich umfangreiche kommunale Gebietsänderungen ein- getreten sind, sind absolute Flächenangaben nicht aussagekräftig. Wie die Rück- gänge innerhalb der Zeitspanne von 1927 bis 1938 verteilt waren, ist unbekannt. 197 Henhsen (1955), S.62 f; nach Glander (1956), S.113, sank im Stadt- und Landkreis Recklinghausen die Zahl der Betriebe unter 0,5 Hektar zwischen 1933 und 1949 von 40.118 auf nur noch 148, während alle anderen Betriebe mit 4.338 bzw. 4.143 nahezu konstant geblieben sind; nach Henhsen (1955), Tab. 3a, sank im Kern-Ruhrgebiet die Zahl der Betriebe mit 0,5 bis 2 Hektar zwischen 1925 und 1949 von fast 12.000 auf nur noch 8.000, wobei noch kleinere Betriebe nicht mehr erfasst wurden, während die bäuerlichen Betriebe mit Zahlen von 12.615 (1925), 13.121 (1939) und 12.767 (1949) nahezu konstant geblie- ben sind. 198 die Angaben in diesem Unterkapitel beruhen vor allem auf: Stelter (1956), S.141-159 3. Verdrängte Landwirtschaft 53 und die Zahlung eines Übernahmebetrages, wodurch der Produktpreis an den Inlandspreis angeglichen wurde. Wichtigstes Intrument der Marktordnungen war der "Reichsnährstand". Alle Produzenten und Verarbeiter von Futter- und Nahrungsmitteln wurden zwangsweise in ihm zusammengefasst. Zu seinen Untergliederungen ge- hörte auch der Milchwirtschaftsverband, dessen "Außenstelle Industriege- biet" die Milchverteilung im Ruhrgebiet regelte.199 Zugleich wurden Mindest- und Höchstpreise für landwirtschaftliche Produkte eingeführt. Hinzu kam eine "Mengenpolitik", die den Landwirten für die verschiedenen Er- zeugnisse Kontingente vorgab, die sie abzuliefern hatten, sowie Erzeu- gungs- und Absatzgebiete festlegte.200 Allerdings war den Landwirten - zu ihrem Ärger - die Direktvermarktung verboten.201 Seit 1936 jedoch ging es nur noch um das Ziel der "Nahrungsfreiheit", der Autarkie im Bereich der Ernährung, als Teil der Kriegsvorbereitungen, die durch die "Erzeugungsschlacht" erreicht werden sollte. Doch trotz Verboten und Zwangsmaßnahmen wanderten Landarbeiter in die Rüstungsindustrie ab und litt die Landwirtschaft unter einem Mangel an Arbeitskräften. Trotz Preissenkungen für Düngemittel sowie einem Preis- und Lohnstopp verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage der Landwirtschaft.202 Die Folge war: "Der Schwarzhandel blühte ... partiell wieder auf." 203 Während des Zweiten Weltkrieges wurde mit der sofortigen Lebensmittelrationierung eine vollständige Zwangswirtschaft eingeführt, die erst einige Jahre nach Kriegsende aufgegeben wurde.204 c. Zugriff auf landwirtschaftliche Flächen Nachdem in der Weimarer Republik für den Bau von Kleinwohnungen die Enteignung von landwirtschaftlichen Flächen ermöglicht worden war, ver- tritt der Historiker Heinz Reif für die Zeit des Nationalsozialismus die ver- breitete These: "Keine Erlösung, aber doch eine gewisse Entlastung von diesen bedrückenden Erfahrungen schien demgegenüber der Nationalsozialismus zu bieten, der mit dem Reichserbhofgesetz von 1933 zumindest die mittleren und größeren Bauern (Höfe über 7,5 ha LNF) aus diesem teils freien, teils von staatlicher Intervention bedrohten Bodenmarkt heraushob".205 Wie Grundmann allerdings herausgearbeitet hat, war das Gegenteil der Fall. Auf der einen Seite führte der Schutz der "Erbhöfe" z.B. vor Zwangs- versteigerungen dazu, dass sie keine Kredite für notwendige Investitionen 199 Stelter (1956), S.147 ff; Frank (1988), S.182 ff; Menzenbach (1940), S.29-31 200 Stelter (1956), S.150-154; Frank (1988), S.181, S.188-193, S.210; Grundmann, Friedrich (1979): Agrarpolitik im Dritten Reich. Anspruch und Wirklichkeit des Reichserbhofgesetzes, Hamburg, S.106, S.112, S.114; Kluge (1989a), S.34, S.36 201 Frank (1988), S.198; auf S.192 und S.262 weist Frank daraufhin, dass die Betriebe ihre über die abzuliefernden Kontingente hinausgehende Erzeugung frei verkaufen durften 202 Stelter (1956), S.155-162; Grundmann (1979), S.101 sowie Anmerkungen 370 und 371 auf S.194; Kluge (1989a), S.30 203 Kluge (1989a), S.34; siehe auch: Frank (1988), S.191 f; S.254, S.263-267; vgl. Schneider, Ulrich (1996): "Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral" (Berthold Brecht) - Kolportierte Vorurteile der Nachkriegszeit, in: arbeitsergebnisse, Schriftenreihe der Arbeitsgemeinschaft Ländliche Entwicklung am Fachbereich Stadt- planung/Landschaftsplanung der Gesamthochschule Kassel, Heft 33, März 1996, S.15-21 204 Frank (1988), S.192, S.257; Kluge (1989a), S.37-39, S.43-47 205 Reif (1990), S.348 3. Verdrängte Landwirtschaft 54 bekamen, aber auf der anderen Seite mussten die Anerbengerichte jede Genehmigung erteilen, "wenn Erbhofland für militärische Zwecke, zum Bau von Straßen und Autobahnen oder zu anderen öffentlichen Zwecken benötigt wurde." 206 d. Zwischenresümee Während des Nationalsozialismus wurden die bisherigen Marktordnungen zu einer vollständigen Zwangswirtschaft ausgebaut. Wichtigste Instrumente waren der Reichsnährstand, in dem alle Produzenten und Verarbeiter von Nahrungsmitteln zwangsweise zusammengeschlossen wurden, staatlich festgesetzte Preise und Löhne sowie vorgegebene Kontingente für verschiedene Erzeugnisse, die die Landwirte abliefern mussten. Hinzu kam der Entzug von Arbeitskräften durch die Einberufung von Landwirten zum Kriegsdienst und die Abwanderung von Landarbeitern in die Rüs- tungsindustrie, die steigende Löhne zahlte. Nicht zu vergessen: die zerstö- rerischen Kriegseinwirkungen. Trotz dieser Probleme ist im Ruhrgebiet in dieser Zeit nur die Zahl der Parzellenbetriebe gesunken, die im Nebenerwerb bewirtschaftet wurden, während die Zahl der bäuerlichen Betriebe sich gehalten hat. Das deutet daraufhin, dass die Möglichkeiten von der Selbstversorgung bis zum Schwarzhandel, die der landwirtschaftliche Besitz bot, nach wie vor attrak- tiver waren als jede Lohnarbeit. Und obwohl das Reichserbhofgesetz eine nur scheinbare landwirtschaftliche Sicherheit erzeugte, in Wirklichkeit aber die Bereitstellung von Agrarflächen für Straßen, militärische und andere öffentliche Zwecke erleichterte, hat die Landwirtschaft im Ruhrgebiet wäh- rend des Zweiten Weltkrieges und in den ersten Nachkriegsjahren kaum Flächen an andere Nutzungsarten verloren - für die Bau- und Siedlungstä- tigkeit fehlten die nötigen Ressourcen. Größere Flächenverluste waren hingegen in den letzten Jahren der Weimarer Republik und während der nationalsozialistischen Kriegsvorbereitungen zu verzeichnen. 3.1.5. "Strukturwandel" bis zum Ende der 1980er Jahre Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus und dem Ende des Zweiten Weltkriegs stand zunächst eine umfassende Bodenreform auf der Tages- ordnung. Der anschließende, tiefgreifende "Strukturwandel", der die Anzahl der Klein- und Kleinstbetriebe, der bäuerlichen Betriebe sowie der Tierhalter schrumpfen, aber die durchschnittliche Größe der verbliebenen Betriebe sowie die Agrarproduktion wachsen ließ, ging einher mit weiteren, umfangreichen landwirtschaftlichen Flächenverlusten. a. Bodenreform Nachdem in der sowjetischen Besatzungszone eine einschneidende Bo- denreform bereits vollzogen und in der amerikanischen und französischen Zone die Eigentumsverhältnisse, wenn auch nur in geringem Umfang, ebenfalls korrigiert worden waren, hat die britische Militärregierung Anfang September 1947 ebenfalls eine Verordnung zur Bodenreform beschlos- sen.207 Zwei Aspekte, die in der Verordnung genannt werden, waren dafür maßgeblich: 206 Grundmann (1979), S.77 207 Verordnung Nr.103: Bodenreform, in: Military Government Gazette Germany, British Zone of Control, Nr.21 (1947), S.595, online in: Zentrales Verzeichnis Digitalisierter 3. Verdrängte Landwirtschaft 55 "(a) den politischen und wirtschaftlichen Einfluß des Großgrundbesitzes durch Festsetzung der höchst zulässigen Größe des in einer Hand befindlichen Grund und Bodens zu verringern, und (b) einem größeren Teil der Bevölkerung Ansiedlung auf dem Land und landwirt- schaftliche Betätigung zu ermöglichen". Hintergrund war zum einen, dass der Nationalsozialismus nicht nur von Vertretern der Schwerindustrie und anderer Großunternehmen, sondern auch von vielen adligen Großgrundbesitzern unterstützt worden war. Zum anderen war seit Kriegsende eine große Zahl von Menschen nach West- deutschland geflüchtet, die häufig in der Landwirtschaft gearbeitet hatten und sich im Westen ansiedeln wollten. Die britische Militärregierung wollte jedes Grundeigentum auf höchstens 150 Hektar oder einen Wert von 200.000 Reichsmark begrenzen. Darüber hinausgehende Flächen sollten enteignet werden, in Landeseigentum übergehen und "zur Ansiedlung und landwirtschaftlichen Nutzung zur Verfügung" gestellt werden. Die Durchführungsbestimmungen zu dieser Verordnung sollten von den Ländern beschlossen werden, allerdings durfte dabei "die landwirtschaftliche Erzeugung ... unter keinen Umständen beeinträchtigt werden", da in Deutschland, aber auch in Großbritannien ein gewaltiger Mangel an Nahrungsmitteln herrschte. Die Beratungen in der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen, im Landtag und mit der britischen Militärregierung dauerten, bis der Landtag am 4.11.1948 ein entsprechendes Gesetz verabschiedete. Da es jedoch in einigen Punkten von der Verordnung Nr.103 abwich, wurde es von der Militärregierung wenige Wochen später abgelehnt. Im April 1949 wurden mit einem neuen Gesetz die britischen Vorgeben erfüllt. Da etliche Groß- grundbesitzer zwischenzeitlich ihr Grundeigentum unter Familienmitglie- dern aufgeteilt hatten, gingen die Bodenreformvorschriften weitgehend ins Leere und stießen seit Mai 1949 noch dazu auf die Eigentumsgarantie im neuen Grundgesetz für die Bundesrepublik. Die Eigentumsverhältnisse blieben daher "so gut wie unverändert".208 b. Flächenverluste In der anschließenden Zeit des weiteren Wiederaufbaus, des Wirtschafts- wunders, der nachfolgenden Wirtschaftskrisen und des Strukturwandels setzten sich auch die landwirtschaftlichen Flächenverluste im Ruhrgebiet fort. So sank der Anteil der Agrarflächen von 1950 bis 1989 - im rechtsrheinischen Ruhrgebiet von 55 auf 39 Prozent und - im Kern-Ruhrgebiet sogar von 51 Prozent auf weniger als ein Drittel. Das war ein Verlust von fast 40.000 Hektar.209 Drucke ; Verordnung Nr.189: Änderung der Verordnung Nr.103 der Militärregierung (Bodenre- form), in: Military Government Gazette Germany, British Zone of Control, Nr.28 (1949), S.1097. online in: Zentrales Verzeichnis Digitalisierter Drucke ; zur Bodenreform in Westdeutschland nach dem Zweiten Weltkrieg: Trittel, Günter J. (1975): Die Bodenreform in der Britischen Zone 1945-1949, Stuttgart; Hügen, Ludwig (1991): Das Gesetz "für die Wolfsschlucht". Bodenreformpolitik in Nordrhein-Westfalen 1945-1949, Essen 208 Trittel (1973), S.119-122, S.129-134 209 Tabelle 3.1. 3. Verdrängte Landwirtschaft 56 Noch Anfang der 1950er Jahre hatte Dr. Karl August Wegener, Ministe- rialdirektor und späterer Staatssekretär im NRW-Landwirtschaftsministe- rium,210 geklagt: "Wer offenen Auges durch unser Land fährt, ... stellt mit Bedauern fest, wie ein blühender Bauernhof nach dem anderen verschwindet." Aufgrund der Kriegszerstörungen und weil Städte, Ortschaften sowie die Industrie sich immer weiter ausdehnten, "ergeben sich bedauerlicherweise Verluste der land- und forstwirtschaftlichen Nutzfläche, die trotz Kenntnis der Nachteile und Gefahren für die Versorgung der Bevölkerung ständig zunehmen." 211 Ähnliche Klagen wurden immer wieder erhoben. So hat Diplomlandwirt Alfred Pilz aus Recklinghausen in seiner Dissertation den um 1900 be- gonnenen Aufbau der "Gewerkschaft Auguste Viktoria" in Marl und die in den 1950er Jahren geplante Errichtung der "Großschachtanlage Wulfen" untersucht und dabei "erheblich nachteilige Auswirkungen auf die ländliche Struktur" festgestellt.212 Für "Auguste Viktoria", die für ihre betrieblichen Anlagen und für Werkswohnungen fast 500 Hektar in Anspruch genommen hatte, wurden mindestens 17 landwirtschaftliche Betriebe aufgegeben und mindestens fünf Betriebe ausgesiedelt. Wieviele Betriebe Teilflächen verloren haben, ließ sich nicht mehr ermitteln.213 Die Schachtanlage Wulfen hatte einen betrieblichen Flächenbedarf von 168 Hektar und betraf fast 50 Landwirte. Für Werkswohnungen wurden 400 Hektar benötigt, deren landwirtschaftliche Folgen noch offen waren.214 Ende der 1950er Jahre musste auch Diplomlandwirt Ernst Fr.-W. Gerdes aus Bochum in seiner Dissertation einräumen, "daß sich die Landwirtschaft dem Bodenanspruch der Industrie und der Städte nicht entziehen kann." 215 Die Ursachen sah Gerdes "in der zunehmenden Besiedlung des Raumes." Dabei kritisierte er die "Konkurrenz der Oberstadtdirektoren" und ihr "Stre- ben zur Großstadt", die zu einer "großzügige(n) verstreute(n) Flächenaus- weisung", zu einem überzogenen Flächenbedarf für betriebliche Anlagen und Werkswohnungen sowie zu einer umfangreichen städtischen und in- dustriellen Bodenvorratspolitik führte, während viele Trümmergrundstücke und Baulücken unbebaut geblieben sind.216 Bis Anfang der 1960er Jahre hatten die landwirtschaftlichen Flächenver- luste weiter zugenommen. Resignierend räumte Regierungsdirektor Carl Kuhlewind ein, dass "dem zunehmenden Verlust an der bodengebundenen 210 Scheerer, Werner (1970): Im Strom der Zeit. Werden und Wirken des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten des Landes Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, S.194 f 211 Wegener, (Karl August) (1953): Das Problem der Bodenverluste in Nordrhein-Westfa- len, in: MELF - Minister für Ernährung, Land- und Forstwirtschaft des Landes Nord- rhein-Westfalen (Hg.) (1953): Unser täglich Brot. Aufgaben und Leistungen der Er- nährungs-, Land- und Forstwirtschaft in Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, S.73-75 212 Pilz, Alfred (1958): Die Gewerkschaft Auguste Viktoria in Marl und das Schachtbau- projekt der Bergwerksgesellschaft Matthias Stinnes A.G. in Wulfen Landkreis Reck- linghausen und ihre Wirkungen auf die umliegende Landwirtschaft. Ein Beitrag zum Problem "Landwirtschaft in Industrienähe", Diss. Bonn, S.87, S.91, S.171 213 Pilz (1958), S.87, S.58-60 214 Pilz (1958), S.72-78, S.87 215 Gerdes, Ernst Fr.-W. (1959): Die Auswirkung der städtischen und industriellen Expan- sion auf die Betriebsgrößen- und Grundbesitzverhältnisse der Landwirtschaft des rheinisch-westfälischen Industriegebietes nach 1950 und die Tendenzen der weiteren Entwicklung. Eine raumplanerische Studie, Diss. Bonn, S.116 216 Gerdes (1959), S.27, S.95, S.98 f, S.105 3. Verdrängte Landwirtschaft 57 Fruchtbarkeit nicht gewehrt werden" könne. "Ohne Landinanspruchnahme ist die Ausdehnung von Industrie, Siedlungsräumen und Verkehrswegen nicht möglich." Allerdings wirkt es unfreiwillig ironisch, wenn er die absolute Obergrenze für den Flächenverbrauch benennt: "Wir erkennen jedoch mit ernster Besorgnis schon eine Grenzlinie: Nach spätes- tens 500 Jahren [?! - U.H.] etwa wäre theoretisch kein freies Land mehr verfügbar, wenn die Landinanspruchnahme wie bisher fortgesetzt wird." 217 Demgegenüber wies Alfred Gobien aus Essen auf die Aktualität des Problems hin: Allein in den 1960er Jahren verringerte sich die landwirt- schaftliche Nutzfläche im Ruhrgebiet jährlich um 2.000 Hektar. Besonders bedeutsam waren die Flächenverluste für neue Straßen, vor allem für neue Autobahnen sowie für den Wohnungsbau. Auch der Waldbestand und öffentliche Parkanlagen waren zu Lasten der Landwirtschaft gewachsen. Umgerechnet ging "an jedem zweiten Tag die Betriebsfläche eines Hofes verloren." 218 c. Grundstücksverkehrsgesetz Immerhin verabschiedete der deutsche Bundestag im Sommer 1961 - nach zehn Jahre langen Beratungen - das "Grundstücksverkehrsgesetz", vollständig: "Gesetz über Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur und zur Sicherung land- und forstwirtschaftlcher Betriebe".219 Durch das Grundstücksverkehrsgesetz wurde das "Kontrollratsgesetz Nr.45" aufge- hoben, das seinerseits das Reichserbhofgesetz aufgehoben sowie land- und forstwirtschaftliche Grundstücksgeschäfte einem Genehmigungsvor- behalt unterworfen hat, der durch das Grundstücksverkehrsgesetz konkre- tisiert wurde.220 Ludger Wierling, späterer Mitarbeiter in der Planungsabteilung des SVR, berichtete, dass das Grundstücksverkehrsgesetz "bisweilen ... als ein geeignetes Instrument zur Erhaltung landwirtschaftlicher Flä- chen angesehen" wird.221 Dies gilt aber nur, solange eine beabsichtigte Siedlungstätigkeit planungsrechtlich noch nicht abgesichert ist. Sobald jedoch ein verbindli- cher Bauleitplan vorliegt, entfällt jeder Genehmigungsvorbehalt. Die Ge- nehmigung für die Veräußerung von land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken "ist nicht notwendig", wenn die betreffenden Grundstücke im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes für andere Nutzungen vorge- sehen sind (§ 4 Nr.4 GrdstVG).222 Für die Sicherung landwirtschaftlicher 217 Kuhlewind, Carl (1962): Erhaltung und Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit, in: MELF (Hg.) (1962): Das Grüne Buch von Nordrhein-Westfalen. Aufgaben, Leistungen und Probleme der Ernährung, Land-, Wasser- und Forstwirtschaft, Düsseldorf, S.94 f 218 Gobien, Alfred (1968): Die Landwirtschaft im Ruhrgebiet, Diss. Innsbruck, S.105 f, S.89-91 219 vom 28.7.1961, BGBl. I S.1091; inzwischen: "Grundstücksverkehrsgesetz in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 7810-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 108 des Gesetzes vom 17. Dezember 2008 (BGBl. I S.2586) geändert worden ist" 220 Kontrollratsgesetz Nr.45. Aufhebung der Erbhofgesetze und Einführung neuer Bestim- mungen über land- und forstwirtschaftliche Grundstücke vom 25. Februar 1947, Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland, S.256, online in: (30.6.09) 221 Wierling, Ludger (1968): Landwirtschaft im städtisch-industriellen Ballungsraum. Untersucht am Beispiel des rheinisch-westfälischen Industriegebietes, Köln und Opladen, S.39 222 § 4 Nr.4 GrdstVG; Nies, Volkmar (1991): Boden- und Erbrecht in der Landwirtschaft, St. Augustin, S.19. Nur wenn die Betriebs- oder Wirtschaftsstelle eines landwirtschaftlichen Betriebes 3. Verdrängte Landwirtschaft 58 Flächen wird daher schon von Wierling "die Wirksamkeit dieses Gesetzes in Frage gestellt".223 d. Blickwechsel Darüber hinaus sah Wierling das Problem nicht mehr darin, "daß bei an- haltender städtischer und industrieller Expansion die Landwirtschaft in diesen Räumen eine weitere Reduktion erfährt." 224 Problematisch war für ihn nur, dass "mit dem Rückgang der landwirtschaftlichen Nutzfläche ... eine Reduktion der von der Gesellschaftspolitik als schutzwürdig anerkannten Grünflächen einher(geht)". Dieser Prozess müsse "von der Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik als ihren sozialen Zielvorstellungen zuwiderlaufend erachtet" 225 und daher korrigiert werden. Damit hat Wierling einen deutlichen Blickwechsel vollzo- gen und die seitdem vorherrschende Sichtweise formuliert: Nicht der Ver- lust landwirtschaftlicher Flächen gilt als Problem, sondern nur der Verlust schutzwürdiger Grünflächen, die allerdings durchaus landwirtschaftlich genutzt sein können. Die daraus von Politik und Verwaltung gezogenen Konsequenzen lagen in vier Handlungsfeldern: - in der Regionalplanung und im Städtebau, - in der Landschaftsplanung, - in der Landesplanung und - in der staatlichen Agrarpolitik. e. Regionalplanung und Städtebau Nur Gobien forderte für die Agrarflächen "eine rechtliche Sicherung und entsprechend langfristige Flächennutzungspläne".226 Seiner Ansicht nach hing "die Zukunft der Landwirtschaft im Ruhrgebiet ... entscheidend davon ab..., inwie- weit die landwirtschaftlichen Flächen vor andersweitiger Inanspruchnahme ge- schützt werden“. 227 Große Hoffnungen setzte er auf den Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk, der 1966 seinen ersten Gebietsentwicklungsplan verabschiedet hat, der auch landwirtschaftliche Vorranggebiete vorsah.228 Die trotzdem andauernden landwirtschaftlichen Flächenverluste dürften allerdings seine Hoffnungen enttäuscht haben und zeigen, dass sich dieses Planungsin- strument für den Schutz landwirtschaftlicher Flächen nicht bewährt hat. Genauso sieht es aktuell der Bundestagsausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung. Er weist darauf hin, dass in der Bauleitplanung die ökologischen Belange immer wieder zurückgestellt werden können, und erklärt weiter: oder andere landwirtschaftliche Grundstücke im Bebauungsplan ausgewiesen sind und veräußert werden sollen, tritt der Genehmigungsvorbehalt wieder ein. Wenn al- lerdings zur Hofstelle gar keine landwirtschaftlichen Nutzflächen gehören, entfällt auch der Genehmigungsvorbehalt wieder, weil nicht mehr befürchtet werden muss, dass durch die Veräußerung ein landwirtschaftlicher Betrieb geschädigt wird. 223 Wierling (1968), S.39 224 Wierling (1968), S.9, S.19, S.34 ff 225 Wierling (1968), S.23 226 Gobien (1968), S.91 f 227 Gobien (1968), S.150 228 Gobien (1968), S.153 f; SVR - Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk (1970a): Gebietsentwicklungsplan 1966, Köln, S.59-62 3. Verdrängte Landwirtschaft 59 "Die Aufstellung von Raumordnungs- und Regionalplänen hat sich daher bisher nicht als ein besonders wirksames Instrument zur Begrenzung der Flächeninan- spruchnahme erwiesen." 229 Zu einem negativen Urteil über raumbezogene Planungen kam auch Wier- ling. Zwar dürfe "die Nutzung des Raumes nicht nur dem Marktmechanis- mus überlassen werden", sondern bedürfe einer "übergeordneten Steue- rung". Allerdings stellte er bei seiner Analyse der Rolle der Landwirtschaft im Planungsrecht fest, dass die "nichtlandwirtschaftlichen ... Interessen eher als die landwirtschaftlichen Berücksichtigung finden", weshalb die Landwirtschaft im Ruhrgebiet weiterhin Flächen verlieren werde.230 Trotz- dem forderte Wierling nicht etwa eine stärkere Rücksichtnahme der räum- lichen Planung auf die Landwirtschaft, sondern erklärte, es könne "nicht Aufgabe der Planung sein, im rheinisch-westfälischen Industriegebiet alle bisher noch land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen zu erhalten." 231 Das Ziel, "wegen der positiven gesellschaftspolitischen Effekte die Land- wirtschaft in städtisch-industriellen Ballungsräumen zu erhalten",232 redu- zierte Wierling auf die Agrarflächen, die für die Siedlungsentwicklung nicht benötigt werden. Indem er die verbleibenden Agrarflächen aus dem prog- nostizierten Bedarf an Siedlungsflächen errechnet hat,233 erklärte er die Landwirtschaft im Ruhrgebiet zu einer bloßen Restkategorie. f. Landschaftsplanung In den 1970er Jahren waren die Freiraumverluste ein wichtiger Grund für neue Gesetze zum Landschaftsschutz, die sich auch auf die landwirt- schaftlichen Flächen auswirkten. So erläuterte der SPD-Abgeordnete Dr. Bergmann am 18. Dezember 1973, als der Entwurf für das NRW-Land- schaftsgesetz in den Landtag eingebracht wurde: "Wenn Sie sich vor Augen führen, daß in der Bundesrepublik täglich 120 ha Land- schaft unter Asphalt und Beton verschwinden, stellen Sie fest, daß im Jahr rund 45000 ha praktisch dem Moloch Bebauung, Verkehr und Wirtschaft geopfert wer- den. Rund 10 Prozent der Gesamtfläche der Bundesrepublik sind überbaut; hier im Industrieland Nordrhein-Westfalen sind es sogar 14 Prozent, und im eigentlichen Kernstück unseres Landes, im Ruhrgebiet, sind es fast 40 Prozent. Hier ist also unschwer erkennbar, daß bei dem Verbrauch unserer Landschaft mit äußerster Sparsamkeit umgegangen werden muß." 234 Neben der Landschaftsplanung führte das NRW-Landschaftsgesetz auch das Verursacherprinzip in den Landschaftsschutz ein und verpflichtete den "Verursacher, geeignete Maßnahmen zur Verhütung, Behebung oder zum Aus- gleich der Schäden, Verunstaltungen oder Behinderungen zu treffen." 235 229 Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (18. Ausschuss) (2007): Bericht gemäß § 56a der Geschäftsordnung. Technikfolgenabschätzung (TA). TA-Projekt: Reduzierung der Flächeninanspruchnahme - Ziele, Maßnahmen, Wirkun- gen, Deutscher Bundestag. Drucksache 16/4500 vom 2.3.2007, Berlin, S.46 f 230 Wierling (1968), S.132-136, S.9, S.19, S.34 ff 231 Wierling (1968), S.137 232 Wierling (1968), S.148 233 Wierling (1968), S.137 ff 234 Bergmann, Dr. (1973), in: Landtag Nordrhein-Westfalen (1970/1975): Stenographi- scher Bericht. 7. Wahlperiode 1970/1975, Düsseldorf, hier: 90. Sitzung am 18. Dezember 1973, S.3584 235 Landesregierung Nordrhein-Westfalen (1973): Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung des Naturhaushalts und zur Entwicklung der Landschaft (Landschaftsgesetz), Landtag Nordrhein-Westfalen, Drucksache 7/3263 vom 20.11.73, Düsseldorf, S.6; § 2 Abs.2 - Gesetz zur Sicherung des Naturhaushalts und zur Entwicklung der Land- schaft (Landschaftsgesetz - LG). Vom 18. Februar 1975, GV.NW 1975, S.190 3. Verdrängte Landwirtschaft 60 Das Bundesnaturschutzgesetz von 1976 wandelte das Verursacherprinzip in die Eingriffs-Ausgleichs-Regelung um, die inzwischen auch Bestandteil der Bauleitplanung ist. Die schädlichen Eingriffe in Natur und Landschaft wurden definiert und auf eine Reihe von Tatbeständen eingeschränkt, die "auszugleichen" oder durch eine "Ersatzmaßnahme" zu kompensieren sind.236 Dabei müssen die Eingriffe und ihre Kompensation nicht gleichartig, son- dern nur gleichwertig sein. Wer also eine Abfalldeponie aufschüttet, muss nicht woanders eine gleichgroße Müllkippe abtragen. Wer Boden versie- gelt, muss nicht woanders eine gleich große Fläche entsiegeln, sondern kann stattdessen vielleicht einige Bäume pflanzen. Daher stellt sich die Frage, wann Eingriffe und Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen "gleich- wertig" sind. Hierfür ließen die Naturschutzbehörden in den Bundesländern formalisierte Bewertungsverfahren entwickeln, in Hessen ein so genanntes "Biotopwertverfahren" und in Nordrhein-Westfalen die "Bewer- tungsgrundlagen", die in den 1990er Jahren weiterentwickelt und von den Kommunen verschiedentlich variiert wurden. Diese Verfahren sollten mög- lichst einfach die Schwere der auszugleichenden ökologischen Schäden und passende Kompensationsmaßnahmen aufzeigen.237 Tabelle 3.3. Bewertung von Biotoptypen nach ihrem Alter Biotoptyp Punkte je Flächeneinheit (Hektar) Bestand Neu- anlage nach 25 Jahren als Kom- pensation Acker, intensiv (Mais, Hackfrucht) 1 1 1 1 Acker (Korn, Leguminosen), Nutzgärten, junge Ziergärten 2 2 2 2 Wirtschaftsgrünland, intensiv 3 3 3 3 Wirtschaftsgrünland, extensiv, Acker- brache 4 3 4 3 / 4 nitrophile Gras- und Hochstaudenflur, ältere Ziergärten 5 3 5 4 Wirtschaftsgrünland mit Gehölzgruppen, Ruderalflora 6 3 6 4 / 5 Feuchtwiesen, Halbtrockenrasen, Se- getalflora (flächig) 7 3 7 5 Nasswiesen, Trockenrasen, Heideflä- chen, offene Gebüschflur, sehr alte Ziergärten, Parks, alte Friedhöfe 8 3 7 5 naturnahe Wälder, offene Gebüschflur mit Baumgruppen, naturnahe Gewässer 9 3 7 5 natürliche Wälder, Moore, natürliche Gewässer (amphibisch, aquatisch) 10 3 7 5 Quelle: Adam, Nohl und Valentin (1986), S.296 (leicht verändert) 236 Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz - BNatSchG) vom 20. Dezember 1976, BGBl. I S.3574, ber. 1977, S.650; Gesetz zur Sicherung des Naturhaushalts und zur Entwicklung der Landschaft (Land- schaftsgesetz - LG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. Juni 1980, GV.NW. S.374, §§ 4-6 237 Häpke, Ulrich (1997b): Tricks und Tücken der Landschaftsbewertung, in: arbeitser- gebnisse. Schriftenreihe der Arbeitsgemeinschaft Ländliche Entwicklung am Fachbe- reich Stadtplanung/Landschaftsplanung der Gesamthochschule Kassel, Heft 37, März 1997, S.5-14; Adam, K., W.Nohl und W.Valentin (1986): Bewertungsgrundlagen für Kompensati- onsmaßnahmen bei Eingriffen in die Landschaft, Düsseldorf 3. Verdrängte Landwirtschaft 61 Gemeinsames Merkmal dieser Verfahren ist die niedrige Bewertung der landwirtschaftlichen Flächen. Ein Acker erhält danach nur ein bis zwei Punkte, während einer Industriebrache mit Ruderalflora sechs Punkte zu- geschrieben werden. Der Bau einer Straße auf einer Ackerfläche, auf der Speisekartoffeln angebaut werden, gilt daher als geringerer Eingriff, als wenn die gleiche Straße über eine Industriebrache geführt würde. (Tabelle 3.3.) So führt z.B. die Zerstörung einer zehn Hektar großen Kartoffelanbaufläche durch den Bau einer Autobahn zunächst zu zehn Minuspunkten, wenn die Autobahnfläche mit null Punkten bewertet wird. Die Aufforstung (5 Punkte je Hektar) eines anderen Kartoffelackers (1 Punkt je Hektar) führt zu einer ökologischen Verbesserung um 4 Punkte je Hektar. Infolgedessen muss diese Aufforstung 2,5 Hektar umfassen, um den ökologischen Schaden auszugleichen.238 Die Eingriffs-Ausgleichs-Regelung trägt also nicht zum Schutz der Landwirtschaftsflächen bei, sondern dazu, dass sowohl für den eigentlichen Eingriff als auch für seine Kompensation niedrig bewertetes Ackerland in Anspruch genommen und der landwirtschaftlichen Nutzung entzogen wird.239 Auch der neu eingeführte Landschaftsplan, der von den Kreisen und kreisfreien Städten als Satzung beschlossen werden muss, kann die Agrarflächen nicht vor einer Überplanung sichern. Wie der SPD-Land- tagsabgeordnete Dunkel erläuterte, beschränkt sich der Landschaftsplan auf den planerischen Außenbereich der Kommunen. Dabei "sind die Flächennutzungspläne der Gemeinden zu berücksichtigen. ... Haben sich Darstellungen und Festsetzungen der Bauleitplanung in wesentlichem Umfang geändert, dann muß auch ein bereits bestehender Landschaftsplan geändert werden." 240 g. Landesplanung Knapp zehn Jahre später bemühte sich Christoph Zöpel, NRW-Minister für Landes- und Stadtentwicklung, unter Hinweis auf den weiterhin "unge- bremste(n) Freiraumverbrauch" um einen endlich "wirksame(n) Schutz".241 Da die "in den Städten und Gemeinden unseres Landes gewachsene allgemeine Über- zeugung, daß der Freiraum stärker als bisher geschützt werden müsse, ... eine weitere stetige Flächeninanspruchnahme nicht verhindert" 242 hat, versuchte Zöpel, mithilfe der Landesplanung den Freiraumverbrauch zu erschweren. Insbesondere sollte für die 238 vgl. auch: Häpke, Ulrich (1991b): Öko-Bluff in Papenburg. Mercedes-Teststrecke, in: Kommune 9.Jg., Nr.9, September 1991, S.30-31 239 Sogar die Bundesregierung räumt ein: "Ökologische Ausgleichsflächen müssen im Zusammenhang mit der Ausweisung von Bau- und Gewerbegebieten sowie Ver- kehrsflächen bereitgestellt werden und führen zu einem weiteren Verlust land- und forstwirtschaftlicher Flächen." Bundesregierung (2004): Ernährungs- und agrarpoliti- scher Bericht 2004 der Bundesregierung, Deutscher Bundestag, Drucksache 15/2457, Bonn, S.15 240 Dunkel (1975), in: Landtag Nordrhein-Westfalen (1970/1975): Stenographischer Be- richt. 7. Wahlperiode 1970/1975, Düsseldorf, hier: 121. Sitzung am 23. Januar 1975, S.5105 241 Zöpel, Christoph (1984): Vorwort, in: Minister für Landes- und Stadtentwicklung des Landes Nordrhein-Westfalen (1984b): Landesentwicklungsplan III. Umweltschutz durch Sicherung von natürlichen Lebensgrundlagen. Entwurf, Düsseldorf, o.S. 242 Landesentwicklungsplan III. Umweltschutz durch Sicherung von natürlichen Lebens- grundlagen (Freiraum, Natur und Landschaft, Wald, Wasser, Erholung) (LEP III '87), Bek. d. Ministers für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft vom 15.9.1987, MBl. NW. S.1676, hier: S.1680 (Punkt A 3) 3. Verdrängte Landwirtschaft 62 "Inanspruchnahme einer Fläche im Freiraum für Siedlungszwecke ... eine nicht mehr baulich genutzte Siedlungsfläche dem Freiraum zugeführt oder in eine in- nerstädtische Grün- oder Sport- und Erholungsfläche umgewidmet und umgestal- tet" 243 werden. Diese Ausgleichsverpflichtung gilt allerdings nicht für Freiflächen im Sinne der Bodennutzungsstatistik, sondern für den Freiraum im Sinne der Landes- und Gebietsentwicklungsplanung, der außerhalb der großzü- gig abgegrenzten Siedlungsbereiche liegt. Zugleich bedeutet diese Regelung eine Diskriminierung landwirtschaftlicher Flächen im Freiraum, die - wenn sie bebaut und umgenutzt werden - nicht durch Schaffung neuer landwirtschaftlicher Flächen, sondern "nur" durch Grün-, Sport- oder Erholungsflächen ersetzt werden müssen. Das berühmteste Beispiel für die Anwendung dieser landesplanerischen Aus- gleichsverpflichtung ist der Landschaftspark Duisburg-Nord. Nachdem die Stadt Duisburg in der landwirtschaftlich genutzten Rheinaue neue Gewer- begebiete, frei von Altlasten und störenden Fabrikruinen, ausgewiesen hatte, erklärte sie die brachliegenden Industrieflächen des Thyssenkon- zerns mit mehreren stillgelegten Betriebsstätten, vor allem einer Schacht- anlage, einer Kokerei, einem Hochofenwerk und Gießereien, zum neuen Freiraum.244 Im Zuge der Internationalen Bauausstellung Emscher Park wurde diese Industriebrache in den "Landschaftspark Duisburg-Nord" um- gestaltet, der Altlasten, umgenutzte industrielle Bauwerke, Bahntrassen, Werksstraßen und Ruderalvegetation umfasst. h. Staatliche Agrarpolitik Auch die staatliche Agrarpolitik hat die landwirtschaftlichen Flächen nicht vor Umnutzung geschützt. Stattdessen ging es ihr um "agrarstrukturelle... Anpassungsmaßnahmen", um die "Effizienz" der Landwirtschaft zu stei- gern.245 So vertrat Dr. Karl August Wegener aus dem NRW-Landwirt- schaftsministerium schon Anfang der 1950er Jahre, es ließen sich "die Verluste in der landwirtschaftlichen Erzeugung, die durch den Ausfall von Nutzflächen entstehen, ... nur mindern durch Erhöhung der Hektarerträge",246 also durch eine höhere landwirtschaftliche Produktivität. Ähnlich sahen es auch die anderen Autoren, die die landwirtschaftlichen Flächenverluste im Ruhrgebiet betrachtet haben.247 243 Minister für Landes- und Stadtentwicklung des Landes Nordrhein-Westfalen (1984b), Punkt B.1.14 und B.1.15, S.5 244 Forßmann, Jörg (1991): Landschaftspark Duisburg-Nord, in: Garten + Landschaft, 101.Jg. (1991), Heft 10, S.20-24 245 Wierling (1968), S.149 246 Wegener (1953), S.73-75; außerdem hält Wegener Umlegungen, Wirtschaftsberatung und Meliorationen für nö- tig, die aber ebenfalls zur Erhöhung der Hektarerträge beitragen sollen, während die Neulandgewinnung nur noch eine untergeordnete Rolle spielt 247 Pilz (1958), S.87, S.91, S.171: Nach Einschätzung von Pilz sollte es das Bestreben der Landwirtschaft sein, "sich von der industriellen Expansion nicht überrennen zu lassen, sondern sich dieser unaufhaltsamen Entwicklung soweit wie möglich anzu- passen", wobei mit dem Begriff Anpassung nichts anderes gemeint war als der so genannte Strukturwandel, die Mechanisierung, Spezialisierung und der Konzentrati- onsprozess innerhalb der Landwirtschaft. Vgl.: Heereman von Zuydtwyck, Constantin Freiherr, und Emil Solke (1974): Der Bei- trag der berufsständischen Organisationen im Anpassungsprozess der Landwirtschaft, in: MELF - Minister für Ernährung, Land- und Forstwirtschaft des Landes Nordrhein- Westfalen (Hg.) (1974): Land- und Forstwirtschaft in einem Industrieland. Aufgaben und Leistungen in Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, S.15-19; Bewerunge, Karl (1974): Der Beitrag der landwirtschaftlichen Selbstverwaltung im 3. Verdrängte Landwirtschaft 63 Tatsächlich hat sich die Agrarpolitik der neuen Bundesrepublik für eine solche Entwicklung eingesetzt. Heinrich Lübke, der zweite Agrarminister in Nordrhein-Westfalen und in der Bundesrepublik, hatte das Motto, "daß das sicherste Brot im eigenen Lande wächst". Zu seinen Zielen gehörten die Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion, die Erhöhung ihrer Pro- duktivität, die Senkung der Agrarimporte und die Stabilisierung des Le- bensmittelmarktes, um die Versorgung der Verbraucher zu sichern und den Landwirten einen rentablen Absatz zu ermöglichen. Diese Ziele bilden den Kern des Landwirtschaftsgesetzes von 1955, das nach wie vor gültig ist.248 Mehrere Gesetze zur Marktordnung, die Elemente der früheren Kriegswirt- schaft fortführten, sollten diese Ziele erreichen.249 Weiterhin waren Einfuhr- und Vorratsstellen zur Marktstabilisierung tätig, die als so genannte "Einfuhrschleusen" dienten, um den Inlandsmarkt vor Importen zu niedri- gen Weltmarktpreisen zu schützen. Außerdem haben sie Angebotsüber- schüsse im Inland aufgekauft, um Marktschwankungen auszugleichen, ein bestimmtes Preisniveau im Inland zu halten und deutsche Produkte zu niedrigen, subventionierten Preisen zu exportieren.250 Grundsätzlich wurde dieses System von der 1957 gegründeten Europäi- schen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) für ihre Agrarmarktordnungen übernommen, die in den Jahren seit 1962 in Kraft getreten sind und von den Mitgliedsstaaten umgesetzt wurden.251 Diese Marktordnungen setzten allerdings auf der Ebene des Großhandels und der Nahrungsmittelindustrie an. Die Stützungskäufe beeinflussten unmittelbar nur deren Preise, nicht aber die Erzeugerpreise. Daher kam der geringste Teil dieser Preisstützungen bei den Landwirten an, der größte Teil "versickerte" und förderte die Großstrukturen im Handel und in der Verarbeitung.252 Zu dieser Markt- und Preispolitik kam die Strukturpolitik hinzu: Darlehen und Zuschüsse insbesondere zu Investitionen in Maschinen, technische Einrichtungen und Geräte, in Wirtschaftsgebäude wie Ställe und Scheunen sowie in Wohngebäude. Gefördert wurden darüber hinaus wasser- wirtschaftliche und kulturbautechnische Maßnahmen, Flurbereinigung und freiwilliger Landtausch sowie die Dorferneuerung. Ebenso wurden Maß- Anpassungsprozess der Landwirtschaft, in: MELF (Hg.) (1974), S.21-25; in dem gleichen Sinne forderte Gerdes (1959), S.105, S.119, dass "dem von der Ex- pansion unberührten Teil der Landwirtschaft die Möglichkeit zur Anpassung der Be- triebsgrößenstruktur und der Grundbesitzverhältnisse an den technischen Fortschritt nicht versagt bleibt." 248 Lübke, Heinrich (1953): Der Weg einer verantwortungsbewußten Agrarpolitik, in: MELF (Hg.) (1953), S.13-19; Kluge (1989a), S.109; Landwirtschaftsgesetz vom 5.9.1955, BGBl. I S. 565 249 Getreidegesetz vom 24.11.1951, BGBl. I S.900; Zuckergesetz vom 5.1.1951, BGBl. I S.47; Milch- und Fettgesetz vom 28.2.1951, BGBl. I S. 135 Vieh- und Fleischgesetz vom 25.4.1951, BGBl. I S.272; Gesetz über gesetzliche Handelsklassen für Erzeugnisse der Landwirtschaft und Fischerei vom 17.12.1951, BGBl. I S.970 250 Lübke (1953), S.16 f; Kluge (1989a), S.119 ff; Hrubesch, Peter (1987): 30 Jahre EG-Agrarmarktsystem. Enstehungsgeschichte - Funktionsweise - Ergebnisse, in: Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochen- zeitung Das Parlament, B 18/87, S.34-47 251 Hrubesch (1987), S.35 ff; Kluge (1989a), S.238 f, S.329 ff 252 Poppinga, Onno (1981): Neue Programme zur Reform der Agrarpolitik der Europäi- schen Gemeinschaft, in: Leviathan. Zeitschrift für Sozialwissenschaft, 9. Jg., Heft 2/1981, S.284-307, hier: S.296-298; Thomas, Frieder, und Rudolf Vögel (1993): Gute Argumente: Ökologische Landwirt- schaft, München (2.Auflage), S.76-85 3. Verdrängte Landwirtschaft 64 nahmen zur Vermarktung gefördert, von der Gründung von Erzeugerge- meinschaften bis zum Aufbau von Lagerkapazitäten und Verarbeitungs- unternehmen, z.B. für Kartoffeln. Diese Maßnahmen dienten zunächst nur dem betrieblichen Wachstum und der Einkommensverbesserung, bis ab 1984 auch Maßnahmen zur Einkommenssicherung gefördert wurden.253 Den dritten politischen Schwerpunkt bildete die Agrarsozialpolitik, die die Einbindung der Landwirte in die Sozialversicherungen verbesserte, aber - z.B. über die Landabgaberente - auch das Ausscheiden von Landwirten förderte.254 Ziele dieser Fördermaßnahmen waren insbesondere die Rationalisierung der landwirtschaftlichen Produktion, die Investitions- und Wachstumsförde- rung für die wachstumsfähigen Betriebe sowie Anreize zur Betriebsaufgabe für alle anderen Landwirte.255 Tabelle 3.4. Landwirtschaftliche Betriebe im Ruhrgebiet in den Jahren 1949 - 1990 nach ihrer Flächenausstattung (Hektar) Jahr Betriebe mit einer Fläche von ... ha insg. unter 2 2 - 5 5 - 10 10 - 20 20 - 50 50 u.m. Kern-Ruhrgebiet 1949 10.792 4.959 1.914 1.330 1.374 1.123 86 1960 7.765 3.202 1.166 1.657 1.266 1.156 90 1970 5.796 2.387 701 515 986 1.099 124 1980 2.857 408 430 312 590 948 163 1990 2.258 310 302 262 387 734 198 Rechtsrheinisches Ruhrgebiet 1949 20.339 8.978 3.854 2.768 2.792 1.784 157 1960 15.647 6.540 2.464 3.471 2.715 1.910 160 1970 11.860 4.740 1.575 1.078 2.064 1.863 215 1980 6.316 1.029 981 700 1.264 1.951 343 1990 5.063 808 802 575 864 1.498 451 Anmerkungen: 1949 und 1960: ab 0,5 ha Gesamtfläche und 0,01 ha landwirtschaftli- che Fläche; 1970: ab 0,01 ha; 1980, 1990: ab 1 ha Quellen: siehe Fußnote256 253 siehe z.B. Bundesregierung (1985): Rahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe "Verbes- serung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" für den Zeitraum 1985 bis 1988, Deutscher Bundestag, Drucksache 10/3297 vom 7.5.85; für die 1950er bis 1970er Jahre: Ackermann (1953): Kreditprobleme der Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft in Nordrhein-Westfalen, in: MELF (Hg.) (1953), S.29-34; Harter, Karl (1962): Finanzielle Leistungen des Landes, in: MELF (Hg.) (1962), S.23- 32; MELF (Hg.) (1974); siehe auch: Kluge (1989a) und Kluge, Ulrich (1989b): Vierzig Jahre Agrarpolitik in der Bundesrepublik Deutschland. Band 2, Hamburg und Berlin 254 siehe z.B. Bundesregierung (1986): Agrarbericht 1986. Agrar- und ernährungspoliti- scher Bericht der Bundesregierung, Bonn, S.88 ff 255 Poppinga (1981), S.285, S.303 256 Statistisches Landesamt Nordrhein-Westfalen (1951b): Landwirtschaftliche Betriebs- zählung 1949. Beiträge zur Statistik des Landes Nordrhein-Westfalen, Heft 7, Düssel- dorf, S.66-73; Statistisches Landesamt Nordrhein-Westfalen (1964): Statistisches Jahrbuch Nord- rhein-Westfalen 1964, Düsseldorf, S.116-119; Statistisches Landesamt Nordrhein-Westfalen (1971), S.34-37; LDS NRW (1982b): Die Landwirtschaft in Nordrhein-Westfalen 1980. Beiträge zur Statistik des Landes Nordrhein-Westfalen, Heft 447, Düsseldorf, S.56-59; LDS NRW (1992): Die Landwirtschaft in Nordrhein-Westfalen 1990. Beiträge zur Sta- tistik des Landes Nordrhein-Westfalen, Heft 674, Düsseldorf, S.66-68 3. Verdrängte Landwirtschaft 65 i. Landwirtschaftlicher "Strukturwandel" im Ruhrgebiet Dementsprechend ist auch im Ruhrgebiet ein tiefgreifender Strukturwandel abgelaufen. Während die landwirtschaftlichen Flächen zwischen 1950 und 1993 im rechtsrheinischen Ruhrgebiet um 27 Prozent und im Kern-Ruhr- gebiet um 38 Prozent zurückgegangen sind, ist die Zahl der Betriebe sogar um drei Viertel gesunken. Betroffen waren nicht nur die Klein- und Kleinstbetriebe, sondern alle Größenklassen unter 50 Hektar. (Tabelle 3.4.) In den 1960er und 1970er Jahren führten diese Hofaufgaben sogar zum Brachfallen landwirtschaftlicher Flächen. Diese Sozialbrache umfasste 1968 im Kreis Recklinghausen 376 Hektar und im Ennepe-Ruhr-Kreis 585 Hektar.257 Demgegenüber hat sich die Zahl der Betriebe mit einer Fläche von mindestens 50 Hektar von 1949 bis 1990 im Kern-Ruhrgebiet mehr als verdoppelt (+130 Prozent) und im gesamten rechtsrheinischen Ruhrgebiet fast verdreifacht. Zugleich sind die Erträge beträchtlich gestiegen. Dies gilt vor allem für Getreide, das im Ruhrgebiet die wichtigste Ackerfrucht ist. So haben sich die durchschnittlichen Körnererträge zwischen 1950 und 1990 verdoppelt, von 26 dz/ha auf 54 dz/ha. Im selben Zeitraum haben die nordrhein-west- fälischen Kartoffelerträge um rund 70 Prozent zugenommen, von 240 auf 410 dz/ha.258 Der Zuwachs der Hektarerträge ist also deutlich höher ausgefallen als die Flächenverluste. Daher ist die Getreide- und Kartoffel- produktion der Ruhrgebietslandwirtschaft seit 1950 sogar noch gewach- sen.259 Ähnlich verlief die Entwicklung der Tierhaltung. (Tabelle 3.5.) Während die Zahl der Tierhalter gesunken ist, war die Entwicklung der Tierbestände uneinheitlich. Obwohl 80 bis 90 Prozent der traditionell bäuerlichen Rinder und Milchviehhalter260 seit 1950 aufgegeben haben, ist die Zahl der Rinder im Kern-Ruhrgebiet bzw. im rechtsrheinischen Revier bis 1990 um 5.000 bzw. 15.000 Tiere gewachsen. Dabei ist vor allem die Zahl der Mastrinder gestiegen, so dass sich die regionale Erzeugung von Rindfleisch ungefähr verdoppelt hat. Zugleich ist die Zahl der Milchkühe deutlich zurückgegan- gen. Da aber die durchschnittliche Milchleistung je Kuh um fast 50 Prozent ge- stiegen ist, ist die Milcherzeugung im westfälischen Ruhrgebiet nur um ein Viertel gesunken. Im westfälischen Teil des Kern-Ruhrgebietes betrug der 257 Riemann, F., W.Heidtmann, H.Scharpf, E.Bierhals und W.Siems (1971): Sozialbrache in Nordrhein-Westfalen. Umfang, Ursachen, Folgerungen. Landesentwicklung. Schriftenreihe des Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen, Heft 31, Düsseldorf, S.17 258 Für die Jahre 1950, 1960 und 1980 konnten die Getreideerträge für das Ruhrgebiet ermittelt werden. Sie lagen geringfügig unter dem NRW-Durchschnitt. Für 1990 wurde der NRW-Durchschnitt zugrundegelegt. Statistisches Landesamt Nordrhein-Westfalen (1951c): Landwirtschaftsstatistik 1950. Beiträge zur Statistik des Landes Nordrhein-Westfalen, Heft 11, Düsseldorf, S.10 f, S.18 f; Statistisches Landesamt Nordrhein-Westfalen (1961), S.30 f, S.38 f; LDS NRW (1982b), S.88-90, S.94-96; LDS NRW (1992), S.112-115, S.117 259 Da die Größe der Kartoffel- und Getreideanbauflächen im Ruhrgebiet für 1990 nicht veröffentlicht ist, ist eine genauere Aussage nicht möglich. 260 Im Jahr 1949 gab es im Kern-Ruhrgebiet 7.744 bäuerliche Rinderhalter mit insgesamt 47.259 Rindern, darunter waren 7.273 bäuerliche Milchviehbetriebe mit 28.952 Milch- kühen. Im rechtsrheinischen Ruhrgebiet gab es 15.334 bäuerliche Rinderhalter mit 94.863 Rindern, darunter 14.398 bäuerliche Milchviehbetriebe mit 54.562 Milchkühen. Der größte Teil der in Tabelle 3.5. für das Jahr 1950 aufgeführten Rinder und Milch- kühe stand also in bäuerlichen Betrieben. Statistisches Landesamt Nordrhein-Westfalen (1951b), S.142-149 3. Verdrängte Landwirtschaft 66 Rückgang der Milchproduktion sogar nur 7 Prozent, obwohl ein Drittel des Milchviehs abgeschafft worden war. Angaben über den rheinischen Teil des Reviers sind leider nicht möglich. Tabelle 3.5. Tierhalter, Viehbestände und Milcherzeugung im Ruhrgebiet 1950 und 1990 Merkmal Kern-Ruhrgebiet Rechtsrh. Ruhrgebiet 1950 1990 1950 1990 Betriebe insgesamt 10.792 2.258 20.339 5.063 Schweine Halter 43.793 1.709 62.967 3.514 Tiere 116.967 210.626 183.674 368.920 Tiere je Halter 2,7 123,2 2,9 105,0 Zuchtsauen Halter (1.510) 806 (2.643) 1.525 Tiere 8.103 17.528 12.861 32.670 Tiere je Halter (10,1) 21,7 (8,9) 21,4 Rinder Halter 7.205 1.093 14.490 2.639 Tiere 46.584 52.241 94.609 109.987 Tiere je Halter 6,5 47,8 6,5 41,7 Milchkühe Halter (1.951) 564 (4.275) 1.379 Tiere 31.756 10.937 60.304 25.905 Tiere je Halter (10,7) 19,4 (10,1) 18,8 Milch- insgesamt (t) 94.090 87.769 176.854 126.644 erzeugung je Kuh ... und Jahr (kg) 3.547 5.174 3.548 5.108 und Tag (kg) 9,7 14,2 9,7 14,0 Pferde Halter 7.513 960 12.535 1.808 Tiere 18.147 8.863 30.028 14.055 Tiere je Halter 2,4 9,2 2,4 7,8 Schafe Halter 11.508 419 17.213 1.041 Tiere 21.024 15.762 33.269 26.395 Tiere je Halter 1,8 37,6 1,9 25,4 Hühner Halter (96.551) 943 (126.159) 2.037 Tiere 2.291.233 534.703 2.830.735 993.808 Tiere je Halter (13,7) 567,0 (15,0) 487,9 Anmerkungen und Quellen: Fußnote261 und Fußnote262 Die Zahl der Schweinehalter im Ruhrgebiet war 1950 noch drei- bis viermal so groß wie die der landwirtschaftlichen Betriebe,263 weil viele 261 Zuchtsauen und Milchkühe: in Klammern gesetzte Angaben über Halter und Tiere je Halter für das Jahr 1970 statt 1950; Pferde: nach Einschätzung von Onno Poppinga im wesentlichen Pferde in landwirt- schaftlichen Betrieben, während die anderen Pferde nur unvollständig erfasst werden; Hühner: in Klammern gesetzte Angaben über Halter und Tiere je Halter für das Jahr 1960 statt 1950; Statistisches Landesamt Nordrhein-Westfalen (1951c), S.96-107, S.86-93; Statisti- sches Landesamt Nordrhein-Westfalen (1961), S.72-85; Statistisches Landesamt Nordrhein-Westfalen (1971), S.94-109; LDS NRW (1982b), S.134-149; LDS NRW (1992), S.164-179 262 Milcherzeugung - Jahresdurchschnittswerte nur für das westfälische Kern-Ruhrgebiet und das westfälische Ruhrgebiet, weil Angaben über die Milcherzeugung seit 1970 nur noch bezogen auf die Einzugsbereiche der Kreisstellen der Landwirtschaftskammer veröffentlicht werden. Da die rheinischen Ruhrgebietsstädte nicht mehr gesondert ausgewiesen, sondern mit dem Bergischen Land zusammengefasst werden, wird ihre Milcherzeugung in der Tabelle 3.5. nicht berücksichtigt. Statistisches Landesamt Nordrhein-Westfalen (1951c), S.116-118; Statistisches Lan- desamt Nordrhein-Westfalen (1961), S.96-98; Statistisches Landesamt Nordrhein- Westfalen (1971), S.94-109; LDS NRW (1982b), S.192-195; LDS NRW (1992), S.206- 209 263 Im Jahr 1949 gab es im Kern-Ruhrgebiet 8.539 bäuerliche Schweinehalter mit 42.878 Schweinen; im gesamten rechtsrheinischen Ruhrgebiet waren es 16.296 bäuerliche Schweinehalter mit 74.920 Schweinen. Noch nicht einmal die Hälfte der in Tabelle 3.5. 3. Verdrängte Landwirtschaft 67 Arbeiterhaushalte ein Schwein gemästet haben. Da sie ihre Schweinemast mit verbesserten Einkommensverhältnissen aufgegeben haben, ist die Zahl der Schweinehalter seit 1950 um rund 95 Prozent gesunken. Zugleich haben die Landwirte ihre Schweinehaltung ausgedehnt, so dass 1990 im Ruhrgebiet doppelt so viele Schweine gehalten wurden wie 1950. Trotz rückläufiger Landwirtschaft hat sich die regionale Produktion von Schweinefleisch verdoppelt. Auch für die Zuchtsauen gilt: obwohl die Zahl der traditionell bäuerlichen Schweinezüchter drastisch geschrumpft ist, hat sich der Sauenbestand im Ruhrgebiet von 1950 bis 1990 mehr als verdoppelt.264 Mit der Verbreitung von Kraftfahrzeugen und landwirtschaftlichen Schlep- pern ist die Zahl der Pferde und der Pferdehalter bis 1970 um rund drei Viertel zurückgegangen. Weil aber das Freizeitreiten im Ruhrgebiet immer beliebter geworden ist, sind die Pferdebestände seitdem wieder gewach- sen.265 Bis in die 1960er Jahre hinein standen etliche Schafe als Fleisch- und Milcherzeuger in städtischen Hausgärten,266 wurden aber mit verbesserten Arbeitnehmereinkommen nach und nach abgeschafft. Seit den 1980er Jahren werden sie vermehrt in der Landschaftspflege, z.B. der Emscher- deiche, eingesetzt, was sich im seitdem wieder gewachsenen Gesamtbe- stand sowie in durchschnittlich gestiegenen Herdengrößen niederschlägt. Nur die Hühnerhaltung hat sich im Ruhrgebiet insgesamt rückläufig entwi- ckelt. Ganz überwiegend lag sie in den Händen der städtischen Bevölke- rung,267 ist inzwischen aber bedeutungslos geworden, ohne dass die land- wirtschaftliche oder gewerbliche Hühnerhaltung merklich wachsen konnte. Gegenüber 1950 sind die Hühnerbestände um zwei Millionen Tiere und die Halter um 99 Prozent zurückgegangen. j. Zwischenresümee In einem erstaunlichen Ausmaß ist die Zielvorgabe aus dem Jahr 1953 von Karl August Wegener aus dem NRW-Ernährungsministerium sogar im für das Jahr 1950 aufgeführten Schweine stand also in bäuerlichen Betrieben; Statistisches Landesamt Nordrhein-Westfalen (1951b), S.142-149 264 Auch die Schweinezucht liegt traditionell in bäuerlichen Händen. 1949 gab es 3.462 bäuerliche Schweinezüchter mit 7.135 Sauen im Kern-Ruhrgebiet sowie 5.844 land- wirtschaftliche Sauenhalter mit 11.168 Zuchtsauen. Der größte Teil der in Tabelle 3.5. für das Jahr 1950 aufgeführten Zuchtsauen steht also in bäuerlichen Betrieben. Statistisches Landesamt Nordrhein-Westfalen (1951b), S.142-149 265 Im Jahr 1949 gab es im Kern-Ruhrgebiet 5.661 bäuerliche Pferdehalter mit insgesamt 16.683 Pferden, im rechtsrheinischen Ruhrgebiet waren es 10.406 bäuerliche Pferde- halter mit 29.133 Pferden. Der größte Teil der in Tabelle 3.5. für das Jahr 1950 auf- geführten Pferde steht also in bäuerlichen Betrieben. Statistisches Landesamt Nordrhein-Westfalen (1951b), S.142-149. Bis 1960 sank die Zahl der Pferde im Kern-Ruhrgebiet auf 6.875, bis 1970 auf 5.161 Pferde und ist seitdem wieder gestiegen. Im gesamten rechtsrheinischen Revier san- ken die Pferdebestände bis 1960 auf 11.349 und bis 1970 auf 7.846 Tiere. Statistisches Landesamt NRW (1961), S.72-85; Statistisches Landesamt NRW (1971), S.94-109 266 Die Zahl der bäuerlichen Schafhalter lag 1949 im Kern-Ruhrgebiet bei 5.238, im rechtsrheinischen Ruhrgebiet bei 10.636. Sie verfügten über 14.662 bzw. 27.851 Schafe, d.h. über zwei Drittel bis drei Viertel aller Schafe im Revier. Statistisches Landesamt Nordrhein-Westfalen (1951b), S.142-149 267 Im Jahr 1949 gab es im Kern-Ruhrgebiet 9.809 landwirtschaftliche Betriebe mit insge- samt 102.641 Hühnern, im rechtsrheinischen Ruhrgebiet waren es 18.584 bäuerliche Hühnerhalter mit 184.746 Hühnern. Nur ein kleiner Teil der in Tabelle 3.5. für das Jahr 1950 aufgeführten Hühner stand also in bäuerlichen Betrieben. Statistisches Landesamt Nordrhein-Westfalen (1951b), S.142-149 3. Verdrängte Landwirtschaft 68 Ruhrgebiet erfüllt worden, nämlich "die Verluste in der landwirtschaftlichen Erzeugung, die durch den Ausfall von Nutzflächen entstehen, ... durch Erhöhung der Hektarerträge" zu mindern.268 So sind im Kern-Ruhrgebiet bzw. im rechtsrheinischen Ruhrgebiet ein- schließlich der Randkreise die landwirtschaftlichen Flächen von 1950 bis Anfang der 1990er Jahre um 38 bzw. 27 Prozent zurückgegangen. Ein Prozess, der von Politik und Verwaltung, aber auch von den Agrarwissen- schaftlern, die sich mit dem Ruhrgebiet befasst haben, nicht in Frage ge- stellt wurde.269 Städtebau und Regionalplanung haben keine Instrumente zum Schutz landwirtschaftlicher Flächen bereitgestellt, sondern berück- sichtigten vornehmlich nicht-landwirtschaftliche Interessen. Auch die Landschafts- und Landesplanung haben die Umnutzung der Landwirt- schaftsflächen nicht aufgehalten. Zugleich hat die staatliche Agrarpolitik die Rationalisierung der Produktion, das Ausscheiden kleinerer Betriebe sowie das Wachstum der größeren gefördert und gefordert. Außerdem kam die agrarpolitische Preisstützung weniger den Landwirten als vielmehr dem Handel und dem Nahrungsmittelgewerbe zugute. Daher ist die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe im Ruhrgebiet um drei Viertel gesunken und die der Tierhalter sogar um 80 bis 99 Prozent. Die verbliebenen Betriebe sind erheblich gewachsen. Ihre durchschnittliche Flächenausstattung hat sich verdreifacht, und auch die durchschnittlichen Tierbestände sind größer geworden. Zugleich wurden die Ernteerträge und die Milchleistung der Kühe gesteigert. Infolgedessen ist die regionale Milchproduktion 1990 nur geringfügig kleiner als 1950, während die Getreide- und Kartoffelerzeugung im Ruhrgebiet bis 1990 höchstwahr- scheinlich noch gestiegen ist und die Erzeugung an Rind- und Schweine- fleisch sich sogar verdoppelt hat. Als Produktionszweig für die Erzeugung von Nahrungsmitteln hat die Landwirtschaft im Ruhrgebiet daher nicht an Bedeutung verloren. 3.1.6. Neue agrarpolitische Ansätze und weitere Flächenverluste Die 1990er Jahre brachten wichtige Veränderungen für die Landwirtschaft: einen Systemwechsel in der europäischen Agrarpolitik und neue agrarpoli- tische Ansätze im Ruhrgebiet. Zu fragen ist, wie sie sich auf die Flächen- verluste und das Höfesterben auswirkten. a. Reform der europäischen Agrarpolitik Nach Kluge gab es in der Bundesrepublik schon 1954 einen "Überhang an Milch und Milchprodukten". 1965 war bereits die Rede von einem "Zucker- berg" und einem "Butterberg". Bis Anfang der 1980er Jahre sind Weizen, Gerste, Zucker, Wein und Geflügel als europäische "Problemprodukte" hinzugekommen.270 Dabei waren - wie Onno Poppinga gezeigt hat - diese Überschüsse selbst gar kein Problem, da sie für den Export zur Verfügung standen. Das Problem waren die Kosten für ihren staatlichen Aufkauf, die zwischenzeit- 268 Wegener (1953), S.73-75 269 die einzige Ausnahme war Gobien (1968), S.91 f, S.150, S.153 f 270 Kluge (1989a), S.175, S.386 f; Kluge (1989b), S.58, S.142, S.256 3. Verdrängte Landwirtschaft 69 liche Lagerung und für die Subventionierung, damit sie zu Weltmarktprei- sen exportiert werden konnten.271 Seit Mitte der 1980er Jahre versuchte die Europäische Gemeinschaft mit Nachdruck, diese Kosten einzudämmen, d.h. die Produktionsmengen zu begrenzen und die Inlandspreise zu senken. Die erste einschneidende Maßnahme war die Milchquotenregelung, die jedem Erzeuger eine be- stimmte Milchmenge zu produzieren erlaubte. Für Milchlieferungen ober- halb ihrer Quote mussten die Landwirte eine Abgabe, also eine Art Strafe zahlen, die ihre Erträge aus der Milcherzeugung verschlechterten.272 Wenige Jahre später wurde die freiwillige Flächenstilllegung eingeführt, indem den Landwirten für stillgelegtes Ackerland flächenbezogene Prä- mien angeboten wurden. Hinzu kamen Fördermittel für Landwirte, die ihre Produktion aufgaben.273 Das Jahr 1992 brachte eine grundsätzliche "Wende" in der EG-Agrarpolitik. Die bisherige Marktpreisstützung durch Interventionskäufe wurde ein- geschränkt. Der Stützpreis für Getreide und der Interventionspreis für Rindfleisch wurden deutlich gesenkt, während die Landwirte als Ausgleich für die Erlösrückgänge Bullen- und Mutterkuhprämien sowie auf die Raps- und Getreideanbaufläche bezogene Preisausgleichszahlungen erhielten. Hinzu kamen die verbindliche Flächenstilllegung, für die Stilllegungsprä- mien gezahlt wurden, und als "flankierende Maßnahmen" die Förderung für eine "Extensivierung" der Produktion, für die Umstellung auf ökologischen Landbau, für Aufforstungen und für den Vorruhestand. Seitdem werden die landwirtschaftlichen Einkommen nur noch zum Teil durch die Erzeugerpreise und die Menge der betrieblichen Erzeugnisse, zum ande- ren Teil - je nach der Größe der Ackerflächen und der Anzahl der Rinder - durch direkte Transferzahlungen bestimmt.274 Die "Agenda 2000", beschlossen von den EG-Regierungschefs, brachte weitere Senkungen der Stütz- und Interventionspreise, während die Tier- prämien und die flächenbezogenen Preisausgleichszahlungen angehoben wurden.275 Die Luxemburger Beschlüsse von 2003 setzten die grundsätzliche Wende fort.276 Zunächst wurde die Milch in das neue Konzept eingebunden: Ihre Interventionspreise wurden gesenkt, und die Landwirte erhielten zum Aus- gleich Milchprämien als Direktzahlungen. Seit 2005 werden die "Entkopp- lung" und die "Cross-Compliance-Regelungen" eingeführt. Im Zuge der Entkopplung werden in mehreren Schritten die Preisausgleichszahlungen, 271 Poppinga (1981), insb. S.284-296 272 Bundesregierung (1986), S.66-69; die Milchquotenregelung im einzelnen zu beschreiben, würde hier zu weit führen 273 Bundesregierung (1989): Agrarbericht 1989. Agrar- und ernährungspolitischer Bericht der Bundesregierung, Bonn, S.71 ff; auch diese Regelungen können hier nicht genauer dargestellt werden 274 hinzu kamen etliche Maßnahmen mit geringerer finanzieller Bedeutung; Bundesregierung (1993): Agrarbericht 1993. Agrar- und ernährungspolitischer Bericht der Bundesregierung, Deutscher Bundestag, Drucksache 12/4257 vom 4.2.93, Bonn, S.100-116, S.149 f; Bundesregierung (1997): Agrarbericht 1997. Agrar- und ernährungspolitischer Bericht der Bundesregierung, Deutscher Bundestag, Drucksache 13/6868 vom 5.2.97, Bonn, S.81; zur Kritik: Poppinga, Onno (1993): Der Anteil der Ökologiediskussion an einer un- tauglichen Reform, in: Agrarbündnis e.V. (Hg.) (1993): Landwirtschaft 1993. Der kriti- sche Agrarbericht, Rheda-Wiedenbrück, S.103-108 275 Bundesregierung (2000): Agrarbericht 2000. Agrar- und ernährungspolitischer Bericht der Bundesregierung, Deutscher Bundestag, Drucksache 14/2672, Bonn, S.8 276 Bundesregierung (2004), S.89 3. Verdrängte Landwirtschaft 70 Stilllegungs-, Tier- und Milchprämien zu einer allgemeinen Flächenprämie zusammengefasst, bis im Jahr 2013 in jedem Bundesland einheitliche Prämien je Hektar landwirtschaftlicher Fläche gezahlt werden sollen, die in NRW voraussichtlich 347 Euro je Hektar ausmachen sollen. Durch die Cross-Compliance-Regelungen werden die Direktzahlungen an ökologi- sche Auflagen gebunden, so dass Verstöße gegen das Umwelt-, Futter- und Lebensmittelrecht, die bisher bereits als Ordnungswidrigkeit geahndet, nun auch durch die Kürzung der Direktzahlungen bestraft werden können. Hinzu kommen Fördermittel für Agrarumwelt- und Tierschutzmaßnahmen, für ländliche Räume, die Agrarsozialpolitk mit ihrer Ausstiegsförderung sowie für betriebliche und überbetriebliche Investitionen.277 In Zukunft wird das landwirtschaftliche Einkommen teilweise von der Größe des Grundbesitzes und der Flächenprämie und teilweise von den zu drastisch gesunkenen Preisen verkauften betrieblichen Agrarerzeugnissen abhängen. b. Neue Agrarpolitik im Ruhrgebiet Seit den 1980er Jahren entwickelten verschiedene "Akteure" im Ruhrgebiet eigenständige agrarpolitische Aktivitäten. Bei diesen Akteuren handelte es sich um - Landwirte, Landfrauen und landwirtschaftliche Verbände, - Natur- und Umweltschützer, - Kommunen, - die Internationale Bauausstellung EmscherPark (1989-1999), - die Projekt Ruhr GmbH, - die "Solidargemeinschaft zur Förderung der Stadt-Land-Beziehungen im östlichen Ruhrgebiet e.V." als Trägerverein für die Umsetzung des Regionen-aktiv-Programmes in der "Modellregion Östliches Ruhrge- biet", zu der der Kreis Unna sowie die Städte Dortmund und Hamm, Einzelpersonen, Unternehmen und Verbände aus den Bereichen der Land- und Ernährungswirtschaft, der Energieversorgung, des Natur-, Umwelt- und Tierschutzes sowie des Verbraucherschutzes gehör- ten.278 Bei diesen Aktivitäten haben sich unterschiedliche Typen von Projekten herauskristallisiert. Neue Markenprodukte und Produktmarken Das Vorbild war eine kleine Gruppe von Landfrauen und Landwirten, die in den 1980er Jahren im Kreis Unna und in der Stadt Hamm ihre Betriebe auf ökologischen Anbau umgestellt und eine neue Art von Qualitätsprodukten, nämlich Bio-Lebensmittel, erzeugt haben. 277 Bundesregierung (2005): Agrarpolitischer Bericht 2005 der Bundesregierung, Deut- scher Bundestag, Drucksache 15/4801, Bonn, S.65-68; Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (2004): Meilensteine der Agrarpolitik. Umsetzung der europäischen Agrarreform in Deutsch- land, Berlin 278 Das Programm "Regionen aktiv - Land gestaltet Zukunft" wurde im Jahr 2001 vom Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft konzipiert. Es startete mit einem zweistufigen Wettbewerb, in dem bundesweit 18 "Modellregio- nen" ausgewählt wurden, denen bis zum Jahr 2007 jeweils etwa 3 Mio. Euro zur För- derung von Projekten zur Verfügung gestellt wurden. 3. Verdrängte Landwirtschaft 71 Daraus entstand die Idee, auch Agrarprodukte aus Naturschutzgebieten als Qualitätsprodukte zu vermarkten. So ließ der Kreis Unna eine Studie über "Naturschutzmilch" erarbeiten, die aber nicht umgesetzt wurde.279 Erfolgreich war das Apfelsaftprojekt der "Naturförderungsgesellschaft für den Kreis Unna e.V." (NFG). Um die Streuobstwiesen zu erhalten, hat die NFG die im Kreis geernteten Äpfel aufgekauft und daraus Saft pressen lassen, der seit 1992 verkauft wird. 2002 kam sogar ein Apfelkorn hinzu.280 Seit 2005 produziert der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) einen Dortmunder Apfel- und Birnensaft aus Streuobst. Ebenfalls erfolgreich war die Verknüpfung der Fleischerzeugung mit einem strengen Tierschutz. Im Jahr 1988 wurde "Neuland", der bundesweit tätige "Verein für tiergerechte und umweltverträgliche Nutztierhaltung" gegründet, dem sich im östlichen Ruhrgebiet mehrere Landwirte angeschlossen haben. Ihre Rinder und Schweine werden auf einem Schlachthof in der Region geschlachtet und zumeist über den Neuland-Zerlegebetrieb in Bergkamen vermarktet.281 Wiederaufbau von Bauernhöfen Die Wiederbelebung alter Bauernhöfe begann in Recklinghausen, wo ein Lehrer den Resthof eines ausgesiedelten Agrarbetriebes kaufte und zu einem "Schulbauern- und Naturschutzhof" ausbaute. Anfang der 1990er Jahre nahm er mit einem kleinen Tierbestand seine Arbeit auf. Einen ähnlichen Charakter hat der vierhundert Jahre alte Ingenhammshof in Duisburg am Rande des früheren Thyssen-Hochofenwerkes, der zeit- weise auch die werkseigenen Geschäfte mit Lebensmitteln versorgt hatte. Im Rahmen der Internationalen Bauausstellung EmscherPark wurde er 1993 von der Arbeiterwohlfahrt Duisburg zum Lehr- und Lernbauernhof umgestaltet. 13 Hektar Nutzfläche und ein kleiner Tierbestand werden ökologisch bewirtschaftet. Inzwischen ist er Teil des "Landschaftsparks Duisburg-Nord", der ansonsten rund 200 Hektar industrieller Brachflächen umfasst. Im Unterschied hierzu ist der Schultenhof in Dortmund-Renninghausen ein vollwertiger landwirtschaftlicher Betrieb, der ebenfalls ökologisch bewirt- schaftet wird und zugleich der Behindertenarbeit dient. Seit 2001 gehört 279 Poppinga, Onno, und Götz Schmidt (o.J. - 1986): Die zwei Wege landwirtschaftlicher Reformen: umweltverträgliche Produktion in bäuerlichen Betrieben oder Ausgleichs- politik, Bauernblatt Extra, Rottenburg, S.56-58; Häpke, Ulrich (1988): Konflikte zwischen Landwirtschaft und Naturschutz in der Lip- peniederung zwischen Bergkamen und Werne - Das Modellprojekt "Naturschutzmilch" als Lösungsweg, hg. von der Naturförderungsgesellschaft für den Kreis Unna e.V., Castrop-Rauxel; Häpke, Ulrich (1991a): Das Projekt "Naturschutzmilch" - Vorschläge der Arbeitsge- meinschaft bäuerliche Landwirtschaft für die Lippeauen im Kreis Unna, in: Riewen- herm, Sabine, und Helmut Lieth (Hg.) (1991): Ökologie und Naturschutz im Agrarraum (Osnabrück 1989). Verhandlungen der Gesellschaft für Ökologie, Band XIX/III, Osnabrück, S.503-509 280 Manz, Birgit (2000): Äpfel aus der Region - was man alles daraus machen kann, in: Naturreport 2001. Jahrbuch der Naturförderungsgesellschaft für den Kreis Unna e.V., Ausgabe 5, Bergkamen, S.28-33; Manz, Birgit (2003): Apfelkorn bereichert das Apfelprojekt der NFG, in: Naturreport 2003. Jahrbuch der Naturförderungsgesellschaft für den Kreis Unna e.V., Ausgabe 7, Bergkamen, S.127 281 Gödde, Hugo (2004): NEULAND lässt seit 15 Jahren die Sau raus, in: Naturreport 2004. Jahrbuch der Naturförderungsgesellschaft für den Kreis Unna e.V., Ausgabe 8, Bergkamen, S.45-48; Häpke, Ulrich (1995): NEULAND auf dem Prüfstand, in: Unabhängige Bauernstimme, Nr.173, November 1995, S.8 f 3. Verdrängte Landwirtschaft 72 der Schultenhof der Dortmunder Arbeiterwohlfahrt. Angeschlossen sind ein Hofladen, ein Cafe und Restaurant. Umweltpädagogische Aktionen werden ebenfalls angeboten. Eine ähnliche Einrichtung, allerdings mit einer Gärtnerei, ist auf Gut Königsmühle in Dortmund-Mengede im Entstehen.282 Neue Verarbeitungsbetriebe Während ein Teil der Agrarerzeugnisse unmittelbar verkaufsfähig ist, müs- sen andere Produkte zunächst verarbeitet werden. Hierfür wurde 1999 - im Rahmen der Internationalen Bauausstellung EmscherPark - auf der Ökologiestation in Bergkamen der Neuland-Fleischzerlegebetrieb eröffnet. Die auf einem regionalen Schlachthof geschlachteten Neuland-Tiere wer- den hier zerlegt, geräuchert, verwurstet und von hier aus zu Metzgern, Großküchen und Hofläden transportiert. 2007 wurde dieser Betrieb, geför- dert durch Regionen-aktiv, um eine Abteilung für Bio-Fleisch erweitert.283 Ein im Mai 2000 eröffneter Kartoffelschälbetrieb für umweltschonend an- gebaute Kartoffeln konnte sich zwischen dem ökologischen und dem kon- ventionellen Marktsegment allerdings nicht behaupten.284 Darüber hinaus betreiben verschiedene Landwirte selbst die Weiterverar- beitung ihrer Urprodukte, z.B. die Hofkäserei Wellie in Fröndenberg,285 der Milchhof Mühlhausen in Unna mit seiner Pasteurisierungs- und Abfüllan- lage oder der Biobetrieb Liedmann in Dortmund, der seine Kartoffeln in handliche Papiertüten verpackt. Neue Verkaufseinrichtungen Das Einkaufen auf dem Bauernhof und die Auslieferungsfahrten von Landwirten durch die städtischen Wohngebiete haben im Ruhrgebiet eine lange Tradition. Allein im Kreis Unna gibt es etwa 60 Hofläden.286 Ihre Gesamtzahl im Ruhrgebiet ist unbekannt. Zusätzliche Absatzwege zu finden, ist nicht leicht. Während zusammen mit dem Kartoffelschälbetrieb auch ein Lieferservice aufgeben musste, ist es im Rahmen des Regionen-aktiv-Programmes immerhin gelungen, die "Abokiste", einen langjährigen Lieferservice für Bioprodukte in Dortmund, mit Unterstützung durch die Stadt und eine Beschäftigungsgesellschaft aus der Insolvenz zu holen.287 282 siehe: , , und (22.4.09) 283 Gödde, Hugo (1999): Zerlegebetrieb eröffnet - "Zukunft braucht Herkunft", in: Naturre- port 2000. Jahrbuch der Naturförderungsgesellschaft für den Kreis Unna e.V., Aus- gabe 4, Bergkamen, S.110-114; Gödde, Hugo (2008): Biofleischvermarktung - zweifellos eine Chance für die Region, in: Naturreport 2008. Jahrbuch der Naturförderungsgesellschaft für den Kreis Unna e.V., Ausgabe 12, Bergkamen, S.140-142 284 Sänger, Ralf (2000): Regionale Projekte der Ökologiestation - eine Chronik, in: Natur- report 2001. Jahrbuch der Naturförderungsgesellschaft für den Kreis Unna e.V., Aus- gabe 5, Bergkamen, S.36 f; Häpke, Ulrich (2005): Eine bunte Vielfalt: mit Fritz Eckenga, Fußball und Photovoltaik, in: Naturreport 2005. Jahrbuch der Naturförderungsgesellschaft für den Kreis Unna e.V., Ausgabe 9, Bergkamen, S.69-74, hier: S.72 285 Glück, Corinna (2000): Der gesunde Käse mit dem gewissen Etwas, in: Naturreport 2001. Jahrbuch der Naturförderungsgesellschaft für den Kreis Unna e.V., Ausgabe 5, Bergkamen, S.14-16 286 Häpke, Ulrich, und Ralf Sänger (2001): Regionale Produkte. Lebensmittel aus dem Kreis Unna, hg. vom Umweltzentrum Westfalen GmbH und vom Kommunalverband Ruhrgebiet, Bergkamen und Essen, S.13 287 Häpke (2005), S.72 3. Verdrängte Landwirtschaft 73 Eine nicht alltägliche Vermarktungseinrichtung ist der Milch-Kühldispenser, den die Fröndenberger Förderschule angeschafft hat, gefördert durch die örtliche Sparkasse und Regionen-aktiv. Seitdem können ihre Schülerinnen und Schülern immer einen Becher frische Milch beim gemeinsamen Schulfrühstück trinken. Als Milchlieferant konnte der nahegelegene Milch- hof Mühlhausen gewonnen werden, der auch Krankenhäuser und Alten- heime versorgt.288 Erneuerbare Energien Immer mehr Landwirte werden im Nebenberuf - mit entsprechenden Ne- beneinkünften - Energiewirte. Sie betreiben Windräder, Biogasanlagen oder haben Photovoltaik-Zellen auf ihren Scheunendächern installiert. Die Wertschöpfungskette vom Rapsanbau bis zum Rapsöl, das in einer Ham- mer Ölmühle gepresst wird und dann umgerüstete Schlepper hiesiger Landwirte antreibt, steckt allerdings noch in den Anfängen. Auch der Bau von überbetrieblichen Biogaskraftwerken stößt noch auf standörtliche Probleme.289 Neue Dienstleistungen Eine wachsende Zahl von Landwirten und Landfrauen sind in neuen länd- lichen Dienstleistungen tätig. Hierzu gehören die Veranstaltung von Kin- dergeburtstagsfeiern auf Bauernhöfen, der Partyservice sowie die Pen- sionspferdehaltung. Hinzu kommen Arbeiten in der Landschaftspflege, wie Hecken schneiden, Naturschutzflächen mähen, die von den Kommunen in Auftrag gegeben werden. Ihr Umfang hängt allerdings von den - unsiche- ren - Fördermöglichkeiten ab.290 Dienstleistungen für Land-Art-Projekte, also für zeitlich begrenzte künstle- rische Installationen in der Landschaft, spielten bisher nur im Rahmen der Internationalen Bauausstellung EmscherPark eine Rolle. Am Mechtenberg im Städtedreieck Bochum, Essen und Gelsenkirchen hat ein Landwirt in einzelnen Jahren nach künstlerischen Vorgaben unterschiedlich blühende Pflanzen eingesät oder Pflugfurchen über das Gelände gezogen. Nachdem die Flächen zwischenzeitlich wieder landwirtschaftlich genutzt worden sind, ist für 2009 und 2010 ein neues Land-Art-Projekt in Vorbereitung.291 Flächensicherung Landwirtschaftliche Flächen zu sichern, versuchte das Dortmunder Regio- nen-aktiv-Projekt "Ökokonto und Landwirtschaft". Dabei wurden umweltge- rechte landwirtschaftliche Produktionsverfahren herausgearbeitet, die als Kompensation für Eingriffe in Natur und Landschaft anerkannt werden. Infolgedessen wird die Landwirtschaft in Dortmund keine weiteren Flächen für Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen wie Aufforstungen verlieren. 288 Häpke, Ulrich (2004): Neue Projekte für Landwirtschaft, Natur und Verbraucherschutz, in: Naturreport 2004. Jahrbuch der Naturförderungsgesellschaft für den Kreis Unna e.V., Ausgabe 8, Bergkamen, S.49-52, hier: S.50 289 Büscher, Heinz-Wilhelm (2008): Alternative Energie - erneuerbare Energie?, in: Naturreport 2008. Jahrbuch der Naturförderungsgesellschaft für den Kreis Unna e.V., Ausgabe 12, Bergkamen, S.42-44 290 Driesch, Peter (2007): "Bauern pflegen Landschaft" - Ungewisse Zukunft für ein erfolgreiches Projekt, in: Solidargemeinschaft zur Förderung der Stadt-Land-Bezie- hungen im östlichen Ruhrgebiet e.V. (Hg.) (2007): Land gestaltet Zukunft. Modellre- gion Östliches Ruhrgebiet. Bilanz und Perspektiven, Unna, S.112-114 291 Fachgebiet Städtebau, Stadtgestaltung und Bauleitplanung, Fakultät Raumplanung, TU Dortmund (Hg.) (2008): Internationale Bauausstellung Emscher Park. Die Projekte 10 Jahre danach, Essen, S.26 f 3. Verdrängte Landwirtschaft 74 Stattdessen werden die betroffenen Agrarflächen dauerhaft als Kompen- sationsflächen gesichert und dürfen auf absehbare Zeit nicht umgenutzt werden. Den beteiligten Landwirten werden ihre bisher nur kurzfristigen Pachtverträge auf mindestens fünf Jahre verlängert. Der Erfolg dieses Projektes bleibt abzuwarten.292 Marketing- und Public-relations-Projekte Bei den meisten Projekten der Kommunen, aber auch im Rahmen des Regionen-aktiv-Prozesses handelt es sich um Marketing- und Public-rela- tions-Aktionen. Hierzu gehören verschiedene Tagungen, Bauernmärkte und Kulturveranstaltungen sowie Broschüren wie Einkaufsführer, Reit- und Radwanderführer.293 Auch das Projekt "Lernort Bauernhof", das den Be- such von Schulklassen auf Bauernhöfen ermöglicht, dient den "public re- lations" der regionalen Landwirtschaft. Es spricht die Pädagogen und El- tern an sowie die Kinder selbst als KundInnen von morgen.294 Masterplan für den Emscher Landschaftspark 2010 Nachdem die Internationale Bauausstellung EmscherPark bereits drei Projekte zur Landwirtschaft umgesetzt hatte, versuchte der "Masterplan Emscher Landschaftspark 2010", entwickelt von der landeseigenen Projekt Ruhr GmbH, neue Perspektiven für die "Urbane Landwirtschaft" zu entwickeln. Da sie nach wie vor einen großen Teil der Freiräume im Ruhrgebiet aus- macht, sah der Masterplan in der Landwirtschaft ein "konstitutives Element des regionalen Parksystems". Die bisher übliche, auch für fast alle IBA- Projekte gültige Trennung, bei der ein Park von der öffentlichen Hand an- gelegt und unterhalten wird, während die Agrarflächen der Primärproduk- tion dienen, lasse sich auf den Emscher Landschaftspark nicht mehr an- wenden. So sei die Umwandlung der Landwirtschaftsflächen in Parkanla- gen viel zu kostspielig.295 Der Masterplan vertrat daher ein "Integrationsmodell", in dem "Primärpro- duktion und Park" verbunden sind. In der ökonomischen Nutzung der Frei- flächen und in den privaten Ökonomien, die diese Nutzung ausüben, sah der Masterplan einen "zweiten Motor" für die Parkentwicklung.296 Der Mas- 292 Stadt Dortmund. Umweltamt (Hg.) (2004): Masterplan Umwelt. Landwirtschaft und Naturschutz, Dortmund; enthält die Vorträge, die auf der Fachtagung "Landwirtschaft und Naturschutz in Dortmund" am 15. und 16.Dezember 2004 gehalten wurden 293 zum Beispiel: Agrarpolitik für die Regionen - Veranstaltungen des Umweltzentrums Westfalen in Bergkamen am 11.6.1996 und am 12.11.1996, Landwirtschaftskongress der Stadt Dortmund am 10. und 11.6.1999, Fachtagung "Landwirtschaft und Naturschutz in Dortmund" am 15. und 16.12.2004; Häpke und Sänger (2001); Umweltzentrum Westfalen GmbH (Hg.) (2005a): Bauernhoferlebnis Lippetal-Hellweg. Heimische Kulturlandschaft erradeln, bearbeitet von Dr. Janine Teuppenhayn und Anke Schneider, Bergkamen; Amt für Agrarordnung Soest (Hg.) und Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen - Kreisstelle Ruhr-Lippe (2005): Bauernhoferlebnis Ruhrtal. Einen natürlich schönen Tag erleben ..., bearbeitet von Dagmar Schlaberg, Heidrun Gerwin-Wegener und Jutta Sucker, Unna; Umweltzentrum Westfalen GmbH (Hg.) (2005b): Regionaler Wanderreitführer Östli- ches Ruhrgebiet, bearbeitet von Nina Windisch, Anna Musinszki und Anke Schneider, Bergkamen 294 Büker, Heinz-Georg, und Sigrid Döhrendahl (2007): Das Projekt "Lernort Bauernhof" - Lernen mit allen Sinnen, in: Solidargemeinschaft (2007), S.102-104 295 Projekt Ruhr GmbH (Hg.) (2005): Masterplan Emscher Landschaftspark 2010, Essen, S.209 und S.218 296 Projekt Ruhr GmbH (Hg.) (2005), S.218 f 3. Verdrängte Landwirtschaft 75 terplan warnte davor, in der Ruhrgebietslandwirtschaft ein "Auslaufmodell" zu sehen. Stattdessen sei sie eine "vitale Kraft". Sie sei auch kein "ländli- ches Relikt", keine "ländliche Gegenwelt zur steinernen Stadt", sondern ein "städtisches Element", eben eine "urbane" Landwirtschaft.297 Park und Landwirtschaft zusammen betreiben Primär- und Tertiärproduk- tion, ökonomische Landnutzung und soziale Daseinsvorsorge. Dabei liege der Nutzen für den Park darin, dass ein großer Teil der Parkflächen durch die Landwirtschaft "en passant" hergestellt werde, dass eine bestimmte Infrastruktur, vor allem Wege, zur Verfügung stünden, dass Landschafts- bilder produziert würden, die allerdings bewusst gemacht werden müssten, und dass Nahrungs- und Genussmittel erzeugt werden, die die regionale Identität stärken könnten. Im Gegenzug eröffne der Park der Landwirt- schaft neue Entwicklungsoptionen, insbesondere unter den Stichworten Direktvermarktung, Dienstleistungs- und Freizeitorientierung.298 Zur weiteren Konkretisierung und Projektentwicklung sah der Masterplan eine Lenkungsgruppe vor, die aber nicht mehr eingerichtet wurde, weil die Projekt Ruhr GmbH nach der Ablösung der rot-grünen durch eine schwarz- gelbe Landesregierung aufgelöst wurde. Zwischenresümee Zugegeben, die Beispiele für eine neue, lokale bis regionale Agrarpolitik im Ruhrgebiet beziehen sich zumeist auf den Kreis Unna und sein Umfeld. Es kommt hinzu, dass die Zahl der Projekte immer noch überschaubar ist. Immerhin gibt es Streuobst-Apfelsaft, Bio-Bauern und Neuland-Metzger, landwirtschaftliche Energiewirte, neue Dienstleistungen, den Lernort Bau- ernhof und andere Public-Relations-Aktivitäten inzwischen in fast allen Teilen des Ruhrgebietes. Dass hierdurch in einem spürbaren Maße land- wirtschaftliche Flächen gegen eine Umnutzung gesichert werden, ist aber nicht zu erwarten. c. Landwirtschaftlicher Strukturwandel im Ruhrgebiet seit 1990 Währenddessen hat sich der landwirtschaftliche Strukturwandel weiter fortgesetzt und zu substantiellen Verlusten geführt. So ist die Zahl der Betriebe im Kern-Ruhrgebiet seit 1990 um mehr als ein Viertel, im gesam- ten rechtsrheinischen Ruhrgebiet um ein knappes Drittel gesunken. Be- troffen sind alle Betriebsgrößenklassen, nur die Zahl der Betriebe mit 50 Hektar und mehr hat sich im Kern-Ruhrgebiet gehalten, während sie im gesamten rechtsrheinischen Revier sogar noch gestiegen ist. (Tabelle 3.6.) Die Tierhaltung im Ruhrgebiet lässt sich aufgrund der vom zuständigen Landesamt veröffentlichten Daten nur für die Zeit von 1990 bis 2003 nachvollziehen. (Tabelle 3.7.)299 Dabei zeigt sich, dass die Zahl der Tierhalter stärker gesunken ist als die Gesamtzahl der Agrarbetriebe. Während zwischen 1990 und 2003 rund 15 bis 23 Prozent aller landwirt- schaftlichen Betriebe im Ruhrgebiet aufgeben mussten, haben sogar 26 bis 76 Prozent aller Tierhalter ihre Nutztierhaltung aufgegeben. Immer mehr Landwirte im Ruhrgebiet wirtschaften viehlos. Demgegenüber ist die 297 Projekt Ruhr GmbH (Hg.) (2005), S.218 f 298 Projekt Ruhr GmbH (Hg.) (2005), S.218 f und S.223 299 Während das Landesamt die Zahl der Tierhalter vollständig veröffentlicht hat, ist die Zahl der Tiere für Städte mit einer niedrigen Zahl von Tierhaltern des öfteren nicht ausgewiesen. In diesen Fällen habe ich die Zahl der örtlichen Tiere anhand der durchschnittlichen Herdengrößen geschätzt. 3. Verdrängte Landwirtschaft 76 Entwicklung bei den Tierbeständen weniger krass ausgefallen. Die Verän- derungen lagen zwischen +11 und -70 Prozent. Tabelle 3.6. Landwirtschaftliche Betriebe im von 1990 bis 2007 nach ihrer Flächenausstattung (Hektar) Jahr Betriebe mit einer Fläche von ... ha insg. unter 2 2 - 5 5 - 10 10 - 20 20 - 50 50 u.m. Kern-Ruhrgebiet 1990 2.258 310 302 262 387 734 198 1997 1.998 283 324 229 272 591 267 2001 1.791 204 294 191 285 526 291 2007 1.672 182 304 186 269 439 292 Rechtsrheinisches Ruhrgebiet 1990 5.063 808 802 575 864 1.498 451 1997 4.361 745 752 487 605 1.139 591 2001 3.642 337 676 416 591 983 639 2007 3.407 282 703 408 544 813 657 Anmerkungen: 1990 und 1997: ab 1 ha; 2001 und 2007: unter 2 ha mit einer be- stimmten Mindesterzeugung Quellen: siehe Fußnote300 Einen deutlichen Rückgang verzeichnet die Rinder- und Milchviehhaltung. Sowohl die Zahl der Tiere als auch die der Halter ist seitdem drastisch gesunken. Inzwischen hat nur noch jeder dritte Landwirt Rinder, wenig mehr als 10 Prozent der Bauern halten Milchkühe. Trotzdem ist die Milch- erzeugung im westfälischen Kern-Ruhrgebiet wieder gestiegen und im westfälischen Ruhrgebiet insgesamt nahezu konstant geblieben. Die Schweinezucht im Ruhrgebiet hat ihren Höhepunkt überschritten, doch die Gesamtzahl der Schweine und vor allem die Mast hat sich im rechts- rheinischen Revier noch behaupten können. Die regionale Schwein- fleischerzeugung ist also konstant geblieben, wird allerdings nur noch von einem Viertel der Landwirte betrieben. Die Pferdebestände haben im rechtsrheinischen Ruhrgebiet, vor allem in seinen Ballungsrandkreisen weiter zugenommen. Das Reiten als Freizeit- beschäftigung wird auch im Ruhrgebiet immer beliebter. Dass zugleich die Zahl der Pferdehalter gesunken ist, deutet auf eine wachsende Professio- nalisierung hin. Ansonsten ist auch die Schafhaltung wieder rückläufig und die geringe Bedeutung der Hühnerhaltung weiter gesunken. 300 LDS NRW (1992), S.66-68; LDS NRW (1999a): Landwirtschaft in Nordrhein-Westfalen 1997. Beiträge zur Statistik des Landes Nordrhein-Westfalen, Heft 814, Düsseldorf, S.54-58; LDS NRW (2002): Größenstruktur der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe in Nordrhein-Westfalen 2001, Düsseldorf, S.16-20; LDS NRW (2008b): Größenstruktur der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe in Nordrhein-Westfalen 2007, Düsseldorf, S.16-23 3. Verdrängte Landwirtschaft 77 Tabelle 3.7. Tierhalter, Viehbestände und Milcherzeugung im Ruhrgebiet in den Jahren 1990 und 2003 Merkmal Kern-Ruhrgebiet Rechtsrh. Ruhrgebiet 1990 2003 1990 2003 Betriebe insgesamt 2.258 1.910 5.063 3.894 Schweine Halter 1.709 498 3.514 977 Tiere 210.626 182.400 368.920 360.868 Tiere je Halter 123,2 366,3 105,0 369,4 Zuchtsauen Halter 806 190 1.525 363 Tiere 17.528 12.277 32.670 26.953 Tiere je Halter 21,7 64,6 21,4 74,3 Rinder Halter 1.093 589 2.639 3.894 Tiere 52.241 40.930 109.987 79.964 Tiere je Halter 47,8 69,5 41,7 58,1 Milchkühe Halter 564 211 1.379 511 Tiere 10.937 9.072 25.905 19.189 Tiere je Halter 19,4 43,0 18,8 37,6 Milch- insgesamt (t) 87.769 92.334 126.644 123.627 erzeugung je Kuh ... und Jahr (kg) 5.174 7.194 5.108 6.771 und Tag (kg) 14,2 19,7 14,0 18,6 Pferde Halter 960 676 1.808 1.338 Tiere 8.863 8.546 14.055 15.559 Tiere je Halter 9,2 12,6 7,8 11,6 Schafe Halter 419 164 1.041 378 Tiere 15.762 10.736 26.395 18.703 Tiere je Halter 37,6 65,5 25,4 49,5 Hühner Halter 943 386 2.037 825 Tiere 534.703 162.354 993.808 476.968 Tiere je Halter 567,0 420,6 487,9 578,1 Anmerkungen und Quellen: siehe Fußnote301 d. Flächenverluste Unabhängig von den neuen agrarpolitischen Initiativen haben sich die landwirtschaftlichen Flächenverluste fortgesetzt. Von 1989 bis 2008 sind - im Kern-Ruhrgebiet mehr als 9.000 Hektar und - im rechtsrheinischen Ruhrgebiet fast 14.000 Hektar landwirtschaftlicher Flächen umgenutzt worden. Allerdings fallen diese Flächenverluste mit 14 bzw. 10 Prozent im Vergleich zum Höfesterben im Umfang von 26 bzw. 33 Prozent deutlich niedriger aus, weil das Höfester- ben vor allem kleinere Betriebe erfasst und weil - per Saldo - ein Teil der bei den Hofaufgaben freigesetzten Flächen in der Landwirtschaft verbleibt und von aufstockenden Betrieben übernommen wird. Dabei ist die Umwandlung von Agrarflächen in Bauland finanziell nach wie vor äußerst lukrativ. So lagen im Kreis Unna in den 1990er Jahren die Preise für landwirtschaftliche Flächen bei etwa 5 DM/qm bis 6,50 DM/qm. Demgegenüber erreichten die Baulandpreise im Durchschnitt 150 DM/qm, also das 20- bis 30-fache der landwirtschaftlichen Kaufpreise. Dieser Wertzuwachs kommt den Eigentümern der umgewandelten landwirtschaft- 301 Milcherzeugung - Jahresdurchschnittswerte nur für das westfälische Kern-Ruhrgebiet und das westfälische Ruhrgebiet; Pferde: vermutlich nur Pferde in landwirtschaftlichen Betrieben; LDS NRW (1992), S.164-179, S.206-209; LDS NRW (2006): Landwirtschaft in Nordrhein-Westfalen 2003, Düsseldorf, S.142- 157, S.198-199 3. Verdrängte Landwirtschaft 78 lichen Flächen zugute. Dabei handelt es sich nur zum Teil um aktive Landwirte, während - aufgrund des hohen Pachtflächenanteils - ungefähr die Hälfte der Grundeigentümer Bergbau-Altgesellschaften, Industrieun- ternehmen, Kirchen sowie ehemalige Landwirte sind.302 3.2. Funktionen der landwirtschaftlichen Flächen Nach diesem historischen Überblick stellt sich die Frage, warum die land- wirtschaftlichen Flächen nicht wirkungsvoller verteidigt worden sind. Des- halb ist im folgenden zu prüfen, welche Funktionen sie erfüllen und wie wichtig sie für die Gesellschaft sind, bevor die Entscheidungsstrukturen und die Instrumente zur Lösung von Nutzungskonflikten betrachtet werden. Der Begriff "Funktion" hat nicht nur eine einzige, sondern eine Bandbreite von Bedeutungen. So ist unter Funktion dem Duden zufolge nicht nur eine "Tätigkeit" oder "Verrichtung" zu verstehen. Es geht auch um die "Oblie- genheit", also darum, dass etwas einen bestimmten Zweck erfüllt, sowie um die "Dienstleistung" und "Wirksamkeit" eines Gegenstandes, also um die Effekte, die erzielt werden können.303 In diesem Sinne sollen im folgenden die wichtigsten Funktionen der land- wirtschaftlichen Flächen skizziert werden. In den anschließenden Kapiteln geht es um die Nutzer, die Entscheidungsträger und ihre Interessen an den landwirtschaftlichen Flächen, bevor das Regelwerk zur Flächensicherung betrachtet wird. 3.2.1. Produktive Funktion Die älteste und wichtigste Funktion der Landwirtschaft ist die Produktion von Lebensmitteln. In vorindustriellen Zeiten kam es darauf an, die Ange- hörigen des eigenen Hofes zu versorgen und die Abgaben für den Grund- herren zu erwirtschaften. Mit der Umwandlung von Natural- in Geldabga- ben und erst recht für die im Zuge der Bauernbefreiung zu zahlenden Ab- lösesummen sowie für die neuen Steuern wurde es im 19. Jahrhundert immer wichtiger, Agrarerzeugnisse an die wachsende nicht-landwirtschaft- liche Bevölkerung zu verkaufen. Seit den 1840er Jahren reicht die regionale Produktion allerdings nicht mehr aus, um die Ruhrgebietsbevölkerung zu ernähren. Mitte der 1990er Jahre ergab eine Bestandsaufnahme für den Kreis Unna, dass zwar die Hälfte der Weizenproduktion ausgeführt werden kann. Aber von allen an- deren im Kreisgebiet verzehrten Nahrungsmitteln müssen - rechnerisch - fast 90 Prozent der Milch und Milcherzeugnisse, mehr als 80 Prozent des Gemüses, fast 60 Prozent der Kartoffeln und fast die Hälfte des Fleisches sowie der Eier und Eierprodukte aus anderen Gegenden bezogen wer- den.304 Spätestens seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts ist auch im 302 Häpke, Ulrich, und Anke Schekahn (1998): Der Kreis Unna - am Ballungsrand des Ruhrgebietes, in: Fink-Keßler, Andrea, Ulrich Häpke, Onno Poppinga, Anke Schekahn und Gerda Weber (1998): Regionale Lösungen für regionale Probleme. Vorschläge zur Landesagrarpolitik entwickelt an zwei Kreisen in Nordrhein-Westfalen. Arbeitsbe- richte des Fachbereichs Stadtplanung/Landschaftsplanung der Universität Gesamt- hochschule Kassel, Heft A 132, Kassel, S.105-133, hier: S.111 f 303 Dudenredaktion (Hg.) (1966): Fremdwörterbuch. Der Große Duden, Band 5, Mann- heim, S.235 304 Häpke, Ulrich (1997a): Produktion, Verarbeitung, Vermarktung und Verbrauch land- wirtschaftlicher Erzeugnisse im Kreis Unna, in: Bub, Michael (1997): Agrarpolitik für die Regionen - eine Dokumentation, Bergkamen, S.12 ff 3. Verdrängte Landwirtschaft 79 nationalen Rahmen eine Selbstversorgung nicht mehr möglich. Notwendig wurden Agrarimporte und landwirtschaftliche Produktivitätssteigerungen. Durch die Zufuhr von betriebsfremden Futtermitteln und Düngemitteln so- wie durch den Einsatz von Pestiziden werden die Flächenerträge ständig gesteigert. Auch im Ruhrgebiet werden heute auf einer kleineren Fläche mehr Lebensmittel in Gestalt von Milch, Fleisch, Getreide und Kartoffeln produziert als z.B. vor fünfzig Jahren. Seit den 1960er Jahren führen diese Produktivitätszuwächse allerdings zu Angebotsüberhängen. Infolgedessen sind in den 1960er und 1970er Jah- ren - wenn Landwirte ihren Beruf und ihre Flächennutzung aufgaben - immer wieder landwirtschaftliche Flächen ungenutzt als Sozialbrachen liegen geblieben, wovon 1968 im Kreis Recklinghausen 376 Hektar und im Ennepe-Ruhr-Kreis 585 Hektar betroffen waren.305 Von den 1990er Jahren bis 2007 waren Landwirte von seiten der Agrarpolitik sogar dazu ver- pflichtet, Flächen stillzulegen, wofür sie immerhin Fördermittel bekamen. Das bedeutet, dass für die Ernährung der Bevölkerung unter den heutigen Bedingungen ein Teil der landwirtschaftlichen Flächen verzichtbar wäre. 3.2.2. Soziale Funktion Als soziale Funktion der Landwirtschaft im Ruhrgebiet kann man ansehen, dass 23.000 Menschen im Wirtschaftsbereich Land- und Forstwirtschaft sowie Fischerei erwerbstätig sind und Einkünfte für ihren Lebensunterhalt erzielen. Hierzu gehören 5.000 selbstständige Betriebsinhaber. Berück- sichtigt man die vor- und nachgelagerten Wirtschaftsbereiche, dann sind weitere fast 80.000 Arbeitsplätze von der Ruhrgebietslandwirtschaft abhängig. Allerdings ist im Ruhrgebiet die Zahl der Erwerbstätigen im Wirtschaftsbe- reich Land- und Forstwirtschaft seit 1970 um ein Drittel zurückgegangen, nachdem ihr absolut höchster Stand mit 99.000 Personen in den 1930er Jahren schon längst überwunden war. Derzeit sind nur noch 1,1 Prozent der Erwerbstätigen im Wirtschaftsbereich Land- und Forstwirtschaft ein- schließlich Fischerei tätig, nachdem es in den 1880er Jahren noch über 16 Prozent waren.306 Insofern verliert die Beschäftigungsfunktion ständig an Bedeutung. 3.2.3. Städtebauliche Funktion Für den Städtebau erfüllen die landwirtschaftlichen Flächen zwei scheinbar gegensätzliche Funktionen. Die eine liegt darin, dass die Agrarflächen seit mehr als hundert Jahren als Baulandreserve dienen. Die andere ist die Kompensationsfunktion, die vor rund dreißig Jahren eingeführt wurde. Häufig werden landwirtschaftliche Flächen herangezogen, um ökologische 305 Riemann, Heidtmann, Scharpf, Bierhals und Siems (1971), S.17 306 einschließlich des linksrheinischen Kreises Wesel; Wiel (1970), S.89-91; RVR - Regionalverband Ruhr (2008): Entwicklung der Erwerbstätigen nach Wirt- schaftsbereichen seit 1970, (17.5.2009); Bundesregierung (2003): Ernährungs- und agrarpolitischer Bericht 2003 der Bundes- regierung, Deutscher Bundestag, Drucksache 15/405, Bonn, S.20; danach hatten im Jahr 2000 in der Bundesrepublik die vorgelagerten Wirtschaftsbereiche 120.000 Er- werbstätige, die nachgelagerten Wirtschaftsbereiche 2.937.400 Erwerbstätige und die Landwirtschaft 924.000 Erwerbstätige. Auf jeden Erwerbstätigen in der Landwirtschaft kommen also 3,3 Erwerbstätige in den vor- und nachgelagerten Wirtschaftsbereichen. Seitdem machen die Agrarberichte hierzu keine Angaben mehr. 3. Verdrängte Landwirtschaft 80 Ausgleichsmaßnahmen vorzunehmen, die als naturschutzrechtliche Kom- pensation für - im allgemeinen bauliche - Eingriffe in Natur und Landschaft erforderlich sind. Beide Funktionen führen zur Verdrängung der Landwirt- schaft, und beide Funktionen ermöglichen die weitere Siedlungstätigkeit. Nur in Dortmund ist inzwischen eine Änderung eingetreten, da die Kom- pensationsfunktion jetzt eine Ökologisierung und Sicherung der Landwirt- schaft ermöglicht. 3.2.4. Erholungsfunktion Die Erholungsfunktion der Agrarflächen im Ruhrgebiet ist seit einem Jahr- hundert ein Thema wissenschaftlicher Untersuchungen. Bevor er auf den Felddiebstahl und "die Rohheit der schulentlassenen Jugend" zu sprechen kommt, berichtet Gisbert Linneweber aus Dortmund-Aplerbeck: "Wer will es der Bevölkerung verargen, wenn sie in ihrer freien Zeit hinausströmt aufs Land, um in Gottes freier Natur neue Lebenskraft für die Alltagsarbeit zu schöpfen. Die gelben Wogen des Kornfeldes und das saftige Grün der Wiesen mit den bunten Farbenflecken der Blumen erfreuen Herz und Sinne und lassen den Wunsch rege werden, diese Freude durch ein sichtbares Zeichen noch lange fest- zuhalten. Die blaue Kornblume, der rote Mohn, oder die gelbe Dotterblume, die dem Spaziergänger entgegenleuchten, werden gepflückt und zu einem Strauss verbunden, ohne zu beachten, dass es sich nur um eine Augenblicksfreude han- delt. Die Feldblumen in der Hand verwelken rasch und werden dann achtlos bei- seite geworfen. Noch viel weniger wird aber der Schaden bedacht, der dem Land- wirt durch Niedertreten des Korns oder des Grases verursacht wird." 307 Nicht viel anders klingen die heutigen Klagen: "Ob Hundeklo (vornehm ausgedrückt) oder Müllplatz (die Dichte der weggeworfe- nen Hamburgerverpackungen korreliert mit der Entfernung, die man autofahrend zurücklegen muss, um den Inhalt zu verspeisen) oder Hunderennstrecke, der nächste Acker ist gerade recht." 308 Auch Wierling sah, dass die landwirtschaftlichen Flächen im Ballungsraum der Erholung dienen müssen, dass aber zwischen der Erholungsnutzung und einer rationell betriebenen Landwirtschaft ein Konflikt besteht. Dabei geht es nicht nur um das Landschaftsbild, also um ästhetische Aspekte, sondern um konkrete Schäden. So meint Wierling, dass die Landwirte "von den Erholungssuchenden indirekt enteignet werden. Kraftfahrzeuge werden an Feld- und Wiesenrändern abgestellt; Wiesen und Weiden dienen als Spiel- und Campingplätze. Dazu kommen die von den Besuchern verursachten Flur- und Ernteschäden, die Beschädigungen von Maschinen und Geräten sowie die Ver- kehrsbehinderungen. Für das Vieh besteht allzu leicht die Gefahr, daß es mit dem Futter die von den Erholungssuchenden hinterlassenen Fremdkörper aufnimmt." 309 Insofern wird die Erholungsfunktion der landwirtschaftlichen Flächen von der Landwirtschaft eher unfreiwillig erfüllt, zumal es keine Regelung zur Entschädigung der betroffenen Landwirten gibt. Wierling schlägt allerdings keinen Schadensausgleich vor, sondern eine Trennung von Landwirtschaft und Erholung: die Anlage von separaten Park- und Campingplätzen, Spielplätzen und -wiesen, die Führung von Wegen, so dass sie "nicht unmittelbar an Äckern vorbeiführen" sowie "ge- nügend breite, eingezäumte Trennstreifen", um das Weidevieh zu schüt- 307 Linneweber (1909), S.151 f 308 Ostendorff, Ulrike (2000): Landwirtschaft im Freizeitpark?, in: Agrarbündnis e.V. (Hg.) (2000): Landwirtschaft 2000. Der kritische Agrarbericht, Kassel, Rheda-Wiedenbrück und Bramsche, S.22-24 309 Wierling (1968), S.142 3. Verdrängte Landwirtschaft 81 zen.310 So dass die Landwirtschaft nur noch eine Kulisse für die Erholung bildet. 3.2.5. Ästhetische Funktion Schon vor hundert Jahren hatte Linneweber auf die ästhetischen Effekte der zeitgenössischen Landwirtschaft im Ruhrgebiet hingewiesen, auf die gelben Wogen des Kornfeldes, das saftige Grün der Wiesen und die bunten Farbflecken der Blumen: blaue Kornblume, roter Mohn und gelbe Dotterblume. Die Landwirtschaft war Gestalterin der Landschaft. Seit den 1960er Jahren wird ihr Einfluss auf das Landschaftsbild allerdings kritisch gesehen. Wierling zufolge stehen die Anforderungen an Erho- lungsgebiete "den Erfordernissen einer rationell betriebenen Landbewirt- schaftung vielfach diametral entgegen". So zeigten verschiedene Untersu- chungen, "daß der dauernde Szenenwechsel für ein Erholungsgebiet unerläßlich ist". Dabei sind die meisten Erholungsuchenden "randorientiert" und vornehmlich dort anzutreffen, "wo sich zwei verschiedene 'Landschaftselemente', z.B. Wiese-Wald, Wiese-Was- ser, Wald-Wasser usw., berührten." Demgegenüber sei die Landwirtschaft beim Ackerbau "aus Rationalisie- rungsgründen auf eine großflächige Wirtschaftsweise angewiesen", die "zwangsläufig eine gewisse Nüchternheit in die Landschaft" bringe. Auch bei der Flurbereinigung könne die "Monotonie des Landschaftsbildes zwar ein wenig gemildert, jedoch nicht völlig beseitigt werden." 311 Diese Einschätzung dürfte heute nur auf landwirtschaftlich spezialisierte Gegenden, z.B. mit umfangreichem Mais- oder Zuckerrübenanbau zutref- fen. Demgegenüber hat die Landwirtschaft im Ruhrgebiet, im Gemenge mit Siedlungsflächen gar keine Chance, eine großflächige Monotonie her- auszubilden. Hinzu kommen Agrarumwelt- und Kulturlandschaftspro- gramme sowie die "Renaturierung" von früher verrohrten und kanalisierten Gewässern, die zur Belebung des Landschaftsbildes beitragen. Trotzdem ist das Landschaftsbild im Ruhrgebiet, soweit es agrarisch ge- prägt ist, nicht mit dem "romantisch-verklärten Landschaftideal" vergleich- bar,312 das in Urlaubsgebieten gesucht wird. Zur Konfliktlösung schlug Wierling bereits 1968 eine "Modifikation" des ästhetischen Leitbildes vor. Danach sollten sich die Planungsträger "von dem herkömmlichen Landschaftsbild mit dem dauernden Szenenwechsel entfernen und auch der 'monotonen' Landschaft einen Erholungswert beimessen." 313 Nichts anderes empfiehlt im Jahr 2006 der Masterplan für den Emscher Landschaftspark. Er verweist auf die IBA Emscher Park, die am Beispiel von Industriebrachen und Industrieruinen gezeigt hat, "dass profane, genutzte Orte eine parkartige, eine einmalige Ästhetik entfalten können, wenn sie entsprechend gestaltet und medial inszeniert werden. In gleicher Weise ist es möglich, neue Orte zwischen Gewächshäusern und Getreidesilos, zwischen Spargelfeld und Maisacker zu entdecken".314 310 Wierling (1968), S.143 311 Wierling (1968), S.141 f 312 Projekt Ruhr GmbH (Hg.) (2005), S.218 313 Wierling (1968), S.144 314 Projekt Ruhr GmbH (Hg.) (2005), S.218 3. Verdrängte Landwirtschaft 82 Als ersten Versuch hierzu kann man die Land-Art-Aktionen am Mechten- berg ansehen, die zum erstenmal im Rahmen der IBA Emscher Park stattfanden und erneut für 2009 und 2010 geplant sind. 3.2.6. Ökologische Funktionen Seit den 1880er Jahren wird die Landwirtschaft wegen ihrer ökologischen Wirkungen kritisiert. Damals beklagte Ernst Rudorff, der Begründer des Heimatschutzes, die Ausräumung der Landschaft im heutigen Nieder- sachsen zugunsten der Agrarproduktion. Einige Jahre später urteilte Kurt Floericke, der den "Verein Naturschutzpark" gegründet hat, in aller Schärfe: "Der Todfeind der Kreatur ist und bleibt eben unsere moderne Land- und Forstwirt- schaft, die keinem Lebewesen mehr eine ungestörte Zufluchtstätte gönnen will, sondern jeden Zollbreit Boden auf das Intensivste ausnützen möchte." 315 In den 1920er Jahren wurden problematische Nebenwirkungen des Indus- triedüngereinsatzes deutlich, die den Anstoß zur Entwicklung der biolo- gisch-dynamischen Landwirtschaft gaben, aus der wiederum der orga- nisch-biologische Landbau hervorging. Anfang der 1960er Jahre geriet mit "Silent Spring" von Rachel Carson der Pestizideinsatz in die öffentliche Kritik.316 1985 gab der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) in einem Son- dergutachten einen - einseitigen - Überblick über die "Umweltprobleme der Landwirtschaft". Darin nennt der SRU den Verlust von Biotopen und den Artenrückgang, die Gefährdung des Grundwassers durch Nitrat und Pesti- zide, Bodenerorion, Bodenverdichtung und die stoffliche Belastung der Böden durch Pestizide und Düngemittel, die Beeinträchtigung von Ober- flächengewässern, die Luftbelastung durch Gülle, Abdrift von Pestiziden, Staub, Abgase und Lärm sowie Schadstoffrückstände in Lebensmitteln.317 Seitdem haben sich einige Schwerpunkte verschoben. Die jüngeren Agrarberichte der Bundesregierung problematisieren die landwirtschaftli- chen Emissionen von Ammoniak sowie der Treibhausgase Methan, N2O und CO2. Hinzu kommen Gewässerbelastungen durch den Stickstoffüber- schuss in den Böden sowie mit Phosphaten und Pestiziden, Bodenbelas- tungen mit Schwermetallen und organischen Schadstoffen sowie Pestizid- rückstände in Lebensmitteln.318 315 Floericke, Kurt (1909): Umschau über die Naturschutzbewegung, in: Naturschutz- und Naturparke, Heft 93 (1979), S.6; Häpke, Ulrich, und Jörg Haafke (2001): Vom "Todfeind der Kreatur" zum Spielball naturschützerischer Forderungen. Zum Verhältnis von Naturschutz und Landwirtschaft und zu einigen Besonderheiten im Ruhrgebiet, in: Ditt, Karl, Rita Gudermann und Norwich Rüße (Hg.) (2001): Agrarmodernisierung und ökologische Folgen. Westfalen vom 18. bis zum 20. Jahrhundert. Forschungen zur Regionalgeschichte, Band 40, Paderborn u.a., S.569-601, hier: S.573-578 316 Farkas, Reinhard (1998): Alternative Landwirtschaft / Biologischer Landbau, in: Kerbs, Diethart, und Jürgen Reulecke (Hg.) (1998): Handbuch der deutschen Reform- bewegungen 1880-1933, Wuppertal, S.301-313; Carson, Rachel (1963): Der stumme Frühling, München 317 Rat von Sachverständigen für Umweltfragen (1985): Umweltprobleme der Landwirt- schaft. Sondergutachten vom März 1985, Deutscher Bundestag, Drucksache 10/3613 vom 3.7.85, Bonn, S.296 f. Der SRU ist 1971 vom Bundesinnenminister eingerichtet worden. 318 Bundesregierung (2006): Agrarpolitischer Bericht 2006 der Bundesregierung, Deut- scher Bundestag, Drucksache 16/640, Bonn, S.50-53; Bundesregierung (2005), S.8, S.48 f; Bundesregierung (2004), S.12 f, S.66-68 3. Verdrängte Landwirtschaft 83 Im großen und ganzen wurden diese Ergebnisse von der "Arbeitsgemein- schaft bäuerliche Landwirtschaft e.V." sowie von MitarbeiterInnen der "Ar- beitsgemeinschaft Ländliche Entwicklung" an der Gesamthochschule Kas- sel nicht in Frage gestellt.319 Wohl aber weisen 'die Kasseler' immer wieder auf Unterschiede innerhalb der Landwirtschaft hin, vor allem darauf, dass nicht nur die ökologischen, sondern auch die kleineren und die bäuerlichen Betriebe umweltverträglicher arbeiten.320 Befremdlich ist aber, dass sich die Diskussion nur um die Umweltbelas- tungen dreht, während positive ökologische Effekte der Landwirtschaft kein Thema sind. Zwar wird häufig darauf hingewiesen, dass das derzeitige Bild, die Biotop- und Artenausstattung der Landschaft durch die Landwirtschaft bewirkt worden ist. Doch angesichts der prekären Lage, in der viele Arten, Biotope und Umweltmedien stecken, ist ein derart allge- meiner Hinweis nicht überzeugend. Balz und Meimberg haben für die sechs Umweltmedien Boden, Wasser, Luft, Klima, Arten und Landschaft eine umfangreiche Liste potenzieller ökologischer Effekte der Landwirtschaft aufgestellt. Wenn man einige ruhrgebietsspezifische Aspekte ergänzt, kommen für die landwirtschaftli- chen Betriebe im Ruhrgebiet die folgenden positiven ökologischen Leis- tungen in Frage:321 - Erhaltung und Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit, - Schutz des Bodens vor Erosion, - Schutz des Bodens vor Versiegelung, - Schutz des Bodens vor Schadstoffeinträgen, - Erhaltung und Erhöhung der Wasserspeicherfähigkeit des Bodens, - Schutz von Grundwasser und Oberflächengewässern vor Schad- stoffen, - Verhindern von luftbelastenden Emissionen, - Reduktion von Treibhausgasen, - Verbesserung des städtischen Mikroklimas durch Produktion von Kaltluft, - Windschutz, - Erhaltung und Förderung der Arten- und Biotopvielfalt. Allerdings ist es nicht möglich, der Landwirtschaft als ganzer bestimmte positive ökologische Leistungen zuzuschreiben, weil 319 z.B.: Brink, Antje, und Monika Baumgartner (1989): Wachstumslandwirtschaft und Umweltzerstörung, Band I, Rheda-Wiedenbrück; Poppinga, Onno, Götz Schmidt, Adi Springhard u.a (1990): Wachstumslandwirtschaft und Umweltzerstörung, Band II, Rheda-Wiedenbrück; Thomas und Vögel (1993); Thomas, Frieder, Katrin Denzel und Marc Grawitschky (2008): Gute Argumente: Ökologische Landwirtschaft (Aktualisierung), hg. von der Gregor Louisoder Umwelt- stiftung, Brienner Str. 46, München 320 z.B.: Poppinga, Onno (1989/2009): Groß- oder Kleinbetrieb: Wer ist umweltverträgli- cher?, in: Autorenkollektiv (Hg.) (2009): Gegenwind aus Ostfriesland. Bäuerliche Landwirtschaft und Agrarpolitik. Ein Buch von und für Onno Poppinga, Hamm, S.118- 123; vgl. mit widersprüchlichen Ergebnissen: Bendixen, Ernst Otto, und Hermann Clausen (1984): Umweltrelevanz der Agrarstruktur. Eine explorative Studie zum Umweltver- halten von Landwirten in Abhängigkeit von agrarstrukturellen Verhältnissen, ASG- Materialsammlung Nr. 168, Göttingen 321 in Anlehnung an: Balz, Matthias, und Rüdiger Meimberg (1987): Funktionen und Leis- tungen der Land- und Forstwirtschaft über die Nahrungsmittel- und Rohstoffproduktion hinaus - Pilotstudie, ifo-Studien zur Agrarwirtschaft 26, München, S.27-34; die Effekte im Umweltbereich Landschaft beziehen sich überwiegend auf das Landschaftsbild, also auf ästhetische Aspekte 3. Verdrängte Landwirtschaft 84 "prinzipiell die Möglichkeit sowohl eines negativen Effektes als auch eines positiven Effektes gegeben ist ... (Daraus) läßt sich folgern, daß die Annahme, jede land- und forstwirtschaftliche Tätigkeit sei a priori und aus sich heraus eine besondere Leistung oder von besonderem gesellschaftlichem Nutzen, nicht gerechtfertigt ist. Denn je nachdem, wie der Umgang mit den natürlichen Produktionsgrundlagen gestaltet wird und welche Ergebnisse damit erzielt werden, ergibt sich entweder eine Leistung (oder keine) oder ein Schaden (oder keiner)." 322 Notwendig sind also konkrete Untersuchungen, wie sie bisher nur für den ökologischen Landbau erstellt worden sind.323 Daher kann man der Ruhrgebietslandwirtschaft insgesamt nur den Schutz des Bodens vor Ver- siegelung und die daraus folgende Versickerung von Niederschlagswasser als ökologisch positive Wirkung zuschreiben. Zudem sind alle landwirt- schaftlichen Flächen nächtliche Kaltluftentstehungsgebiete, die zur Ab- kühlung der aufgeheizten städtischen Baugebiete und damit zur Verbes- serung des städtischen Mikroklimas beitragen. Die ökologischen Betriebe dürften den größten Teil der aufgeführten Funktionen erfüllen, haben im Ruhrgebiet allerdings nur einen geringen Flächenanteil. Ansonsten erfüllen natürlich alle Betriebe in den - flächen- mäßig kleinen - Wasserschutzzonen rund um Wassergewinnungsanlagen die Funktion des Grundwasserschutzes, genauso wie Betriebe, die die - wenigen - Flächen in Naturschutzgebieten bewirtschaften, zur Erhaltung und Förderung der Arten- und Biotopvielfalt beitragen. Hinzu kommen künftig die Betriebe, die aufgrund der neuen Eingriffs-Ausgleichs-Regelung in Dortmund ökologische Verbesserungen umsetzen und so die Aus- gleichsfunktion erfüllen werden. Für die Flächen außerhalb dieser Schutzgebiete müssten erst einmal kon- krete Funktionsanalysen erarbeitet werden, damit die ökologischen Wir- kungen der Landwirtschaft aufgezeigt werden können. 3.2.7. Pädagogische Funktion Pädagogische Funktionen erfüllen nicht nur die speziellen Schul-, Lern- und Lehrbauernhöfe, wie die in Recklinghausen und Duisburg. Hinzu kommen alle Landwirte, die sich am Projekt "Lernort Bauernhof" beteiligen und Schulklassen einen Besuch auf einem Bauernhof ermöglichen. Damit sind die pädagogischen Leistungen der Landwirtschaft aber noch nicht erschöpft. Ein Teil der Landwirte bietet Praktikumsplätze für Schüle- rInnen und StudentInnen und darüber hinaus auch noch reguläre Ausbil- dungsplätze, ein Angebot, das leider viel zu wenig genutzt wird.324 3.2.8. Politisch-berufliche Funktion Nicht nur die eigentliche landwirtschaftliche Arbeit, sondern auch das Engagement für die Landwirtschaft kann politische und berufliche Per- spektiven eröffnen. So gibt es eine Vielzahl von Behörden, zu deren Auf- 322 Balz und Meimberg (1987), S.22 f 323 z.B.: Heß, Jürgen, Annette Piorr und Knut Schmidtke (1992): Grundwasserschonende Landbewirtschaftung durch Ökologischen Landbau?, Veröffentlichungen des Instituts für Wasserforschung GmbH und der Dortmunder Stadtwerke AG Nr.45, Dortmund, S.49: hier weisen die AutorInnen auf "eine hohe Zielkonformität zwischen Wasser- wirtschaft und Ökologischem Landbau" hin 324 Häpke, Ulrich (2003): Noch ist manche Lehrstelle frei ..., in: Naturreport 2003. Jahr- buch der Naturförderungsgesellschaft für den Kreis Unna e.V., Ausgabe 7, Bergka- men, S.131 f 3. Verdrängte Landwirtschaft 85 gaben die Unterstützung von landwirtschaftlichen Betrieben gehört. Meh- rere Verbände vertreten landwirtschaftliche Belange gegenüber Politik, Verwaltung und Öffentlichkeit. Schließlich gibt es landwirtschaftliche Ex- perten auch in den politischen Parteien und in den Parlamenten. Darunter gibt es allerdings keine einzige Stelle, die sich ohne Vorbehalte für die Erhaltung landwirtschaftlicher Flächen einsetzen würde. Am wei- testen geht hierbei noch die Landwirtschaftskammer, insbesondere die Bezirksstelle für Agrarstruktur Ruhrgebiet in Unna, die sich in Stellung- nahmen zu kommunalen Bauleitplänen immerhin grundsätzlich gegen die Überplanung landwirtschaftlicher Flächen ausspricht, um dann für die be- troffenen Landwirte Ersatzflächen zu fordern. 3.3. Nutzer und Entscheidungsträger Ausgehend von den Funktionen der landwirtschaftlichen Flächen im Ruhr- gebiet sollen zunächst ihre Nutzer betrachtet werden. Der Kreis derer, die landwirtschaftliche Flächen nutzen, ist recht breit. Zu allererst gehören natürlich die Landwirte und ihre MitarbeiterInnen, ihre Praktikanten und Auszubildenden zu den Nutzern. Indirekt sind auch die KonsumentInnen der auf diesen Flächen produzier- ten Lebensmittel eine Nutzergruppe. Dies wird konkret, wenn sie ihre Nah- rungsmittel beim direktvermarktenden Landwirt gekauft haben und die Flächen kennen, auf denen ihre Lebensmittel erzeugt wurden. Die meisten Verbraucher wissen allerdings nicht, von welchen Agrarflächen ihre Nah- rungsmittel stammen. Sie können sich daher bestenfalls in einer abstrakten Weise als Agrarflächennutzer fühlen. Erholungsuchende, die zwischen Agrarflächen spazierengehen, radfahren, joggen, walken usw., sind unmittelbare Nutzer. Hinzu kommen Umwelt- und Naturfreunde, die sich mit Tieren und Pflanzen, mit Biotopen oder Landschaftsbildern beschäftigen. Indirekte Nutzer sind schließlich auch die MitarbeiterInnen in den Behörden und Verbänden, die sich verwaltend und beratend mit den Agrarflächen beschäftigen. Diesen Nutzern stehen die Entscheidungsträger gegenüber. Entscheidungsträger für das, was auf und mit den landwirtschaftlichen Flächen geschieht, sind zu allererst die Landwirte als Betriebsinhaber. Allerdings sind sie in ihrer Entscheidungskompetenz erheblich einge- schränkt. Zumeist müssen sie mit ihren Entscheidungen im Rahmen der landwirtschaftlichen Nutzung bleiben, häufig dürfen sie auch ihr Grünland nicht umbrechen. Außerdem sind sie verpflichtet, einen Teil ihrer Flächen mit Getreide zu bestellen, wenn sie auf ihre Transferzahlungen nicht ver- zichten möchten. Für diese Einschränkungen der landwirtschaftlichen Entscheidungsfreiheit verantwortlich sind der Agrarministerrat in der EU sowie die europäischen und deutschen Behörden, die die Ratsentscheidungen in Verordnungen umsetzen. Immer wieder versuchen Lobbyisten aus Industrie und Verbän- den mit Erfolg, diese Entscheidungsträger zu beeinflussen. Wenn allerdings ein Landwirt eine landwirtschaftliche Fläche in eine Wohn- oder Gewerbebaufläche umwandeln möchte, so ist dies erst möglich, wenn das zuständige Kommunalparlament einen entsprechenden Bauleitplan aufgestellt hat. Eine solche kommunalpolitische Entscheidung löst für die 3. Verdrängte Landwirtschaft 86 betroffene Fläche eine gewaltige Bodenpreissteigerung aus, der sich kaum jemand entziehen kann, wenn ein Investor ein entsprechendes Kaufangebot macht. Auch die Umwandlung einer landwirtschaftlichen Fläche in ein Baugrund- stück für Gemeinbedarfseinrichtungen oder in eine Straße setzt eine kommunal-, landes- oder bundespolitische Entscheidung voraus. In diesem Fall geht vom Bodenpreis kein Anreiz zum Flächenverkauf aus. Es gibt etliche, aber ungezählte Landwirte, die sich gegen solche übergeordneten Entscheidungen rechtlich zur Wehr setzen. Im ungünstigsten Fall wird die Planung gerichtlich bestätigt, wobei ein Landwirt seine Fläche sogar durch Enteignung verlieren kann. Das bedeutet, dass von den unmittelbaren Nutzern der landwirtschaftlichen Flächen nur der Betriebsinhaber Entscheidungen über seine Flächen treffen kann, wobei ihm ein fester, enger Rahmen vorgegeben ist. Alle anderen unmittelbaren (Erholungs-) Nutzer können Entscheidungen über die landwirtschaftlichen Flächen nur sehr indirekt, z.B. als Wähler des Kommunalparlaments, beeinflussen. Demgegenüber haben die Entschei- dungsträger in den Parlamenten und Behörden auf lokaler, Landes- und Bundesebene, zumeist keinen konkreten Bezug zur Agrar- und Erho- lungsnutzung auf den von ihren Entscheidungen betroffenen Agrarflächen. 3.4. Regelwerk und Instrumente Im folgenden geht es um die Frage nach dem Regelwerk und nach den Instrumenten, um Nutzungskonflikte zwischen der Landwirtschaft und an- derweitigen Nutzungsinteressen zu lösen. Dabei sind drei Aspekte zu un- terscheiden: - ordnungspolitische, - leistungspolitische und - organisatorische Aspekte. Bei der Ordnungspolitik geht es, vereinfacht gesagt, um Ge- und Verbote zur Bodennutzung. Mit der Leistungspolitik werden finanzielle Anreize ausgeübt, z.B. durch direkte Zuschüsse, steuerliche Vergünstigungen, aber auch durch Abgaben oder andere finanzielle Belastungen. Unter Or- ganisationspolitik ist z.B. der Aufbau organisatorischer Strukturen zu ver- stehen.325 3.4.1. Ordnungspolitische Aspekte Das theoretisch wichtigste ordnungspolitische Instrument zur Sicherung landwirtschaftlicher Flächen ist die kommunale, insbesondere die verbind- liche Bauleitplanung. Durch die entsprechenden Festsetzungen kann eine Kommune die landwirtschaftlichen Flächen auf ihrem Gebiet vor einer Umnutzung weitgehend sichern. Allerdings hatte Wierling schon 1968 auf- gezeigt, dass in den Verfahren zur Aufstellung von Bauleitplänen die 325 zu ordnungspolitischen und leistungspolitischen Ansätzen: Kühne-Büning, Lidwina (1994): Strategien, Instrumente und Ansätze wohnungspolitischer Interventionen, in: Kühne-Büning, Lidwina, und Jürgen H.B. Heuer (Hg.) (1994): Grundlagen der Woh- nungs- und Immobilienwirtschaft, Frankfurt am Main und Hamburg, S.220 ff; vor dem Hintergrund der Neuen Politischen Ökonomie müssen institutionelle oder or- ganisatorische Ansätze ebenfalls berücksichtigt werden 3. Verdrängte Landwirtschaft 87 landwirtschaftlichen Interessen nur eine untergeordnete Rolle spielen, während Bau- und Siedlungsinteressen das Übergewicht haben. Inzwischen hat auch der Bundestagsausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung herausgearbeitet, dass der unzureichende Freiraumschutz "nicht auf das Fehlen effizienter planerischer Instrumente zurückzuführen (ist), sondern auf den mangelnden politischen Willen der Akteure, diese anzuwenden." 326 Die Ursache hierfür sieht der Ausschuss in der kommunalen Konkurrenz um Einwohner, Arbeitsplätze, Steuereinnahmen u.a.m. Das zweite ordnungspolitische Instrument ist der Genehmigungsvorbehalt für die Veräußerung von land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken nach dem Grundstücksverkehrsgesetz, der aber entfällt, wenn land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke in einem Bebauungsplan liegen und darin für anderweitige Nutzungen vorgesehen sind. Das dritte ordnungspolitische Instrument ist die Eingriffs-Ausgleichs- Regelung. In den meisten Fällen ist dieses Instrument nicht geeignet, landwirtschaftliche Flächen zu sichern. Wenn sogar Industriebrachen mit Ruderalvegetation aus 'naturschutzfachlicher' Sicht einen höheren ökolo- gischen Wert haben als z.B. ein Kartoffelacker, dann werden die Bautätig- keit und die Kompensationsmaßnahmen vornehmlich auf Agrarflächen gelenkt. Das neue Dortmunder Bewertungsverfahren lässt allerdings eine Kompensation in Gestalt von ökologischen Verbesserungen auf landwirt- schaftlichen Flächen zu, die dadurch als Ausgleichsflächen auf absehbare Zeit vor Umnutzungen geschützt sind. 3.4.2. Leistungspolitische Aspekte Es gibt eine Reihe von finanziellen Fördermaßnahmen und Steuererleich- terungen für die Landwirtschaft. Diese direkten und indirekten Subventio- nen sollen eine ausreichende landwirtschaftliche Produktion sichern und zum Einkommen der landwirtschaftlichen Betriebe und Erwerbstätigen beitragen. Sie haben aber nicht zum Ziel, die landwirtschaftlichen Flächen vor dem Zugriff anderer Nutzungen zu sichern. Stattdessen tragen diese Subventionen zum weiteren Strukturwandel und daher auch zur weiter steigenden Produktivität in der Landwirtschaft bei. Trotz dieser Subventio- nen, zu denen in NRW zukünftig vor allem eine einheitliche Flächenprämie von 347 Euro je Hektar gehören soll,327 ist eine Umwandlung in Bauland immer noch deutlich lukrativer. 3.4.3. Organisatorische Aspekte Es gibt zwar mehrere landwirtschaftliche Organisationen, vor allem den Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband (WLV), der zum Deut- schen Bauernverband gehört, die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Land- wirtschaft (AbL) als Agraropposition, die Landwirtschaftskammer, die zum Teil Agrarverwaltung, zum Teil landwirtschaftliche Selbstverwaltung ist, und weitere, kleinere Organisationen. Eine organisatorische Struktur, die auf 326 Ausschuss (2007), S.8 und S.125 327 Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (2004), S.123: Die einheitliche Flächenprämie soll ab 2013 gelten. 3. Verdrängte Landwirtschaft 88 den Schutz landwirtschaftlicher Flächen vor Umwandlung ausgerichtet ist, gibt es allerdings nicht. 3.5. Ergebnisse Als die Bodennutzung zwischen 1822 und 1835 zum erstenmal quantitativ erhoben wurde, wurden noch drei Viertel des Ruhrgebietes landwirtschaft- lich genutzt. Inzwischen erfüllen im rechtsrheinischen Ruhrgebiet nur noch ein Drittel und im Kern-Ruhrgebiet nur noch ein Viertel des Bodens agrari- sche Zwecke. Von fast 156.000 Hektar sind im Kernraum 100.000 Hektar umgenutzt worden. Dieser Prozess der Flächenverluste wurde begleitet von einem tiefgreifen- den landwirtschaftlichen Strukturwandel und einem Wandel in der Agrar- politik. Diese Entwicklung durchlief sechs zeitliche Abschnitte: - scheinbare landwirtschaftliche Flächenzuwächse und die Teilung von Marken und Gemeinheiten bis in die 1880er Jahre hinein, - landwirtschaftliche Bodenverkäufe bis zum Ersten Weltkrieg, - Kriegswirtschaft und die Marktordnungen der Weimarer Republik, - nationalsozialistische Zwangswirtschaft, - der "Strukturwandel" vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis zu den 1990er Jahren, - neue agrarpolitische Ansätze und fortgesetzte Flächenverluste. Die erste Phase dauerte bis etwa 1880 und bescherte der Landwirtschaft Flächenverluste von 5.000-6.000 Hektar. Wichtiger als dieses quantitative Ergebnis waren die strukturellen Veränderungen. Bis Mitte des 19. Jahr- hunderts war die "Bauernbefreiung" abgeschlossen. Die persönlichen Verpflichtungen der Bauern gegenüber ihren früheren Grundherren waren aufgehoben, das privat bewirtschaftete Acker- und Gartenland war in das private Eigentum der Bauern übergegangen. Hierfür hatten die Bauern hohe Ablösungszahlungen und hohe Schulden auf sich nehmen müssen. Trotzdem war ein großer Teil des Landes noch nicht privatisiert, sondern wurde - seit Jahrhunderten - als gemeine Mark gemeinschaftlich genutzt, überwiegend als Weide oder Gehölz. Diese Marken behinderten die wei- tere Siedlungstätigkeit. Hatten sich ihre Nutzer im späten Mittelalter doch gerade zu dem Zweck zusammengeschlossen, dass sie eine ungeregelte private, ressourcen-zerstörende (Über-) Nutzung ihrer Flächen verhindern wollten. Demgegenüber hatten die Landesherren spätestens seit dem 18. Jahr- hundert ein großes Interesse an der Vermehrung der Bauernstellen, um die Wirtschaftskraft und die Bevölkerungszahl ihres Landes zu vergrößern. Sie versuchten daher, die Markenteilung voranzutreiben, die aber erst im 19. Jahrhundert in Schwung und schließlich auch zum Abschluss gekommen ist. Diese Markenteilungen hatten mehrere Effekte: - viele Landwirte konnten durch die Zuteilung von Markengrund ihr privates Grundeigentum und ihren Betrieb vergrößern; - eine große Zahl von Klein- und Kleinstbetrieben, darunter früher un- selbstständige Kötter und Heuerlinge sowie Nebenerwerbsstellen von Industrie- und Bergarbeitern, entstanden; - beide Prozesse erscheinen statistisch als Rückgang von Öd- und Un- land. Dabei handelte es sich um häufig verheidete Flächen, die der - gemeinschaftlichen - Weide- und Holznutzung dienten. Ihr früher um- 3. Verdrängte Landwirtschaft 89 fangreicherer Baumbestand ist den vielen militärischen Auseinander- setzungen vom Dreißigjährigen Krieg bis zu den napoleonischen Krie- gen zum Opfer gefallen. Darüber hinaus bildete die Parzellierung und Privatisierung großer Flächen im Ruhrgebiet die Voraussetzung für Stadterweiterungen, Industriean- siedlungen und den Bau von Werkssiedlungen. Dabei haben die schon seit längerem privaten Acker- und Gartenflächen aufgrund ihrer Kleinteiligkeit und ihrer Belastung mit Wegerechten die damalige Siedlungstätigkeit genauso behindert wie die noch ungeteilten Marken. In der zweiten Phase, die von den 1880er Jahren bis zum Ersten Weltkrieg reichte, verlor die Landwirtschaft - bezogen auf das gesamte rechts- rheinische Ruhrgebiet - eine Fläche von 30.000 Hektar zugunsten von Bau- und Verkehrsflächen sowie von neuem, industriebedingtem Öd- und Unland. Während Industrie und Bergbau ein Mehrfaches der landwirt- schaftlichen Bodenpreise zahlten, um an die benötigten Flächen und einen gewissen Bodenvorrat zu kommen, litten weite Teile der Landwirtschaft unter dem - durch Importe ausgelösten - Preisverfall auf den Ge- treidemärkten. Der bis heute andauernde Rückgang der bäuerlichen Be- triebe begann, während die Zahl der im Nebenerwerb bewirtschafteten Parzellenbetriebe sowie die häufig außerlandwirtschaftlich, von Arbeiter- familien gehaltenen Tierbestände noch zunahmen. Die dritte Phase war geprägt durch den Ersten Weltkrieg, die zeitweilige Besetzung des Rheinlandes und des Ruhrgebietes, die Inflation und Wäh- rungsreform sowie die Weltwirtschaftskrise. Während des Krieges wurden die Nahrungsmittelpreise behördlich festgesetzt und die Landwirte zur Ab- lieferung ihrer Produkte verpflichtet. Immerhin konnten die Landwirte sich und ihre Familien versorgen und bei Bedarf am Schwarzhandel teilnehmen. Deshalb haben sich auch viele Arbeiterfamilien um etwas Pachtland bemüht. Für den Bau von Kleinwohnungen konnten der Landwirtschaft Flächen durch Enteignung entzogen werden, während die Inflation jeden Grundstücksverkauf finanziell völlig uninteressant machte, aber auch die Hypothekenbelastungen der Landwirte reduzierte. Nach der Währungsre- form verfielen die Erzeugerpreise unter dem Druck von Agrarimporten und ökonomischen Krisen. Frischmilch ließ sich teilweise nicht absetzen. Dass die landwirtschaftlichen Flächenverluste sich unvermindert fortsetzten, ist daher nicht erstaunlich. Während des Nationalsozialismus wurden die bisherigen Marktordnungen zu einer vollständigen Zwangswirtschaft ausgebaut. Wichtigste Instrumente waren der Reichsnährstand, in dem alle Produzenten und Verarbeiter von Nahrungsmitteln zwangsweise zusammengeschlossen wurden, staatlich festgesetzte Preise und Löhne sowie vorgegebene Kontingente für verschiedene Erzeugnisse, die die Landwirte abliefern mussten. Hinzu kam der Entzug von Arbeitskräften durch die Einberufung von Landwirten zum Kriegsdienst und durch die Abwanderung von Landarbeitern in die Rüstungsindustrie, die steigende Löhne zahlte. Nicht zu vergessen: die zerstörerischen Kriegseinwirkungen. Trotz dieser Probleme ist im Ruhrgebiet in dieser Zeit nur die Zahl der Parzellenbetriebe gesunken, die im Nebenerwerb bewirtschaftet wurden, während die Zahl der bäuerlichen Betriebe weitgehend konstant geblieben ist. Das deutet daraufhin, dass die Möglichkeiten von der Selbstversorgung bis zum Schwarzhandel, die der landwirtschaftliche Besitz bot, nach wie vor attraktiver waren als jede Lohnarbeit. Und obwohl das Reichserbhofgesetz eine nur scheinbare landwirtschaftliche Sicherheit erzeugte, in Wirklichkeit 3. Verdrängte Landwirtschaft 90 aber die Bereitstellung von Agrarflächen für Straßen, militärische und andere öffentliche Zwecke erleichterte, hat die Landwirtschaft im Ruhrgebiet während des Zweiten Weltkrieges und in den ersten Nach- kriegsjahren kaum Flächen an andere Nutzungsarten verloren - für die Bau- und Siedlungstätigkeit fehlten die nötigen Ressourcen. Größere Flä- chenverluste von insgesamt 15.000 Hektar waren hingegen in den letzten Jahren der Weimarer Republik und während der nationalsozialistischen Kriegsvorbereitung zu verzeichnen. Nach dem Zweiten Weltkrieg begann, nicht nur auf Trümmergrundstücken, der so genannte Wiederaufbau, der in das Wirtschaftswunder überging und nach der Wirtschaftskrise Ende der 1960er Jahre von einem indus- triellen und räumlichen Strukturwandel abgelöst wurde. Damit verbunden war ein beträchtlicher Flächenbedarf, so dass die Landwirtschaft bis 1989 mit 44.000 Hektar ein Viertel ihrer Nutzflächen eingebüßt hat. Von Politik und Verwaltung, aber auch von den Agrarwissenschaftlern, die sich mit dem Ruhrgebiet befasst haben, wurde dieser Prozess nicht in Frage gestellt. Städtebau und Regionalplanung haben keine Instrumente zum Schutz landwirtschaftlicher Flächen angeboten, sondern die nicht- landwirtschaftlichen Bauinteressen bevorzugt. Auch die Landschafts- und Landesplanung haben die Umnutzung der landwirtschaftlichen Flächen nicht aufgehalten. Stattdessen hat die staatliche Agrarpolitik die Rationali- sierung der Produktion, die Steigerung der Produktivität, das Ausscheiden kleinerer Betriebe sowie das Wachstum der größeren gefördert und gefor- dert. Auch die agrarpolitische Preisstützung kam vor allem dem Handel und dem Nahrungsmittelgewerbe zugute und nur zu einem kleinen Teil bei den Landwirten an. Dementsprechend ist im Ruhrgebiet die Zahl der landwirtschaftlichen Be- triebe um drei Viertel gesunken und die der Tierhalter sogar um 80 bis 99 Prozent. Die verbliebenen Betriebe sind erheblich gewachsen. Ihre durch- schnittliche Flächenausstattung hat sich verdreifacht, und auch die Tierbe- stände sind, abgesehen von den Milchkühen, größer geworden. Zugleich wurden die Hektarerträge und die Milchleistung der Kühe gesteigert, so dass die regionale Milchproduktion nur geringfügig niedriger ist als 1950, während die Getreide- und Kartoffelerzeugung im Ruhrgebiet bis 1990 noch gestiegen ist und die Erzeugung von Rind- und Schweinefleisch sich sogar verdoppelt hat. Somit hat sich die Zielvorgabe von Wegener, Ministerialdirektor im NRW- Ernährungsministerium, aus dem Jahr 1953 im Ruhrgebiet weitgehend erfüllt, dass nämlich die Verluste in der Agrarproduktion, die durch die Flä- chenverluste entstehen, durch höhere Hektarerträge ausgeglichen werden sollten. Die fünfte und noch laufende Entwicklungsphase beginnt mit einer "Wende", womit nicht nur der Beitritt der DDR zur Bundesrepublik gemeint ist, sondern auch ein Systemwechsel in der europäischen Agrarpolitik. Die bisherige Politik der Preisstützung, die allerdings nicht bei den Erzeuger-, sondern bei den Großhandelspreisen angesetzt hatte, wird zwar nicht auf- gegeben, wohl aber werden die Interventionspreise drastisch gesenkt und den Landwirten flächen- oder tierbezogene Prämien als Ausgleich für ihren Erlösrückgang gezahlt. Der Prozess der Preissenkungen, die Agrarexporte möglichst ohne spezielle Exportsubventionen ermöglichen sollen, und der Prämienfestsetzungen verläuft in mehreren Schritten und soll 2013 mit der Definition von landeseinheitlichen, allgemeinen Flächenprämien zum Abschluss kommen. Überdies bietet die staatliche Agrarpolitik Fördermittel 3. Verdrängte Landwirtschaft 91 für einzel- und überbetriebliche Investitionen, für Umwelt- und Tierschutzmaßnahmen sowie für den Vorruhestand an. Hinzu kam bis 2007 die Verpflichtung, dass die Landwirte - gegen entsprechende Prä- mien - einen Teil ihrer Flächen stilllegen mussten. Bereits seit den 1980er Jahren bemühen sich etliche Landwirte und Land- frauen, Natur- und Umweltschützer, Kommunen und andere Akteure um eine Stärkung der regionalen Landwirtschaft durch Projekte wie - die Entwicklung und Umsetzung neuer Produktmarken und Markenprodukte, wie Bioprodukte, Fleisch aus tiergerechter Nutztier- haltung oder Apfelsaft von Streuobstwiesen, - die Wiederbelebung von Bauernhöfen als Schulbauernhof oder als Einrichtung für die Behindertenarbeit, - der Aufbau neuer, regionaler Verarbeitungsbetriebe, wie der Neuland- Zerlegebetrieb in Bergkamen, eine Hofkäserei, Pasteurisierungs- und Abfüllanlagen für Milch sowie Obstpressen, - Anlagen zur Gewinnung von erneuerbaren Energien, - das Angebot von neuen Dienstleistungen, wie Partyservice, Veran- staltung von Kindergeburtstagen, Pferdepension, Landschaftspflege u.a., - die Flächensicherung durch ein neues Bewertungsverfahren für die Eingriffs-Ausgleichs-Regelung und - etliche Marketing- und Public-Relations-Projekte zugunsten der regionalen Landwirtschaft. Trotz oder wegen der neuen agrarpolitischen Maßnahmen hat sich das Höfesterben im Ruhrgebiet nicht verlangsamt. Zwischen 1990 und 2007 ist die Zahl der Agrarbetriebe im Kern-Ruhrgebiet um ein Viertel, im rechts- rheinischen Revier einschließlich Ballungsrand um ein Drittel gesunken. Die Zahl der Tierhalter ging noch stärker zurück und seit 1990 sind auch die meisten Tierbestände kleiner geworden, während sich die Betriebe ab 50 Hektar um fast 50 Prozent vermehrt haben. Diese Wachstumsbetriebe haben aber nur einen Teil der Flächen übernommen, die beim Höfesterben freigegeben wurden, während die Landwirtschaft 14.000 Hektar oder 10 Prozent ihrer Flächen im Revier - per Saldo - an die weitere Siedlungs- entwicklung verloren hat. Soweit ein geraffter Überblick über die historische Entwicklung der land- wirtschaftlichen Flächenverluste im Ruhrgebiet, für die sich aus der Sicht des Common-Property-Ansatzes mehrere erklärende Thesen ergeben. Dies gilt zunächst für die Funktionen, die die Agrarflächen erfüllen: - Während die gemeinen Marken in vorindustriellen Zeiten für die Beweidung und häufig auch für die Holzversorgung unverzichtbar wa- ren, werden heutzutage etliche landwirtschaftliche Flächen für die Er- nährung der Bevölkerung aufgrund von Agrarimporten und steigenden Flächenerträgen unter den aktuellen Rahmenbedingungen überflüssig. - Immer noch haben die von den Landwirten pro Flächeneinheit erziel- ten Einkünfte ein derart niedriges Niveau, dass eine Umnutzung, z.B. ein Verkauf als Bauland im allgemeinen finanziell lukrativer ist als die Fortsetzung der Landwirtschaft. - Zwischen der Erholungsnutzung und der Landwirtschaft besteht ein Spannungsverhältnis. Erholungsuchende beeinträchtigen durch un- angemessenes Verhalten die Landwirtschaft, während sie sich wie- derum vor allem durch den Einsatz landwirtschaftlicher Maschinen, durch Pestizide und das Ausbringen von Gülle gestört fühlen. 3. Verdrängte Landwirtschaft 92 - Demgegenüber dürfte es über die landschafts-ästhetischen Wirkungen der Landwirtschaft im Ruhrgebiet keine Klagen geben, da die Agrarflächen nicht groß genug sind, um einen Eindruck von Monotonie zu erzeugen. Stattdessen bringt die Landwirtschaft Grünzüge und grüne Inseln in die ausgedehnten Siedlungsbereiche. Trotzdem ist die agrarische Ästhetik keine besondere Attraktion, außer im Rahmen von Land-Art-Aktionen. - Die ökologischen Wirkungen der Landwirtschaft sind umstritten. Uneingeschränkt positiv können im Ruhrgebiet nur die ökologischen Betriebe sowie die durch Auflagen geregelte Landwirtschaft in Natur- schutzgebieten und Wassergewinnungsbereichen bewertet werden. Ansonsten sind vor allem der Einsatz von synthetischen Pestiziden und die Güllewirtschaft ökologische Belastungen. Aufgrund fehlender konkreter Untersuchungen kann das Gros der Ruhrgebietslandwirt- schaft ökologisch nicht beurteilt werden. Sie leidet allerdings unter dem umweltpolitisch schlechten allgemeinen Image der Landwirt- schaft. Zu diesen funktionalen Unstimmigkeiten kommt hinzu, dass die landwirt- schaftlichen Interessenvertreter sich eher für das Einkommen der Betriebe, die Agrarpolitik sich für Produktivitätssteigerungen, aber niemand sich für den Flächenschutz einsetzt. Stattdessen werden beim Strukturwandel ständig Agrarflächen freigesetzt, die umgenutzt werden können. Die maßgeblichen Entscheidungen über Umnutzungen werden von den Kommunalparlamenten oder auf übergeordneten Ebenen getroffen. Diese Entscheidungsträger gehören bestenfalls zufällig zu denjenigen, die - als unmittelbare Nutzer - bedrohte landwirtschaftliche Flächen erhalten wollen. Demgegenüber haben Erholungsuchende, Natur- und Umweltfreunde so- wie die betroffenen Landwirte nur indirekt - vor allem als Wähler - Einfluss auf die politischen und behördlichen Entscheidungsträger, die überdies auch noch die Interessen anderer Wählergruppen beachten. Schließlich gibt es, abgesehen von der neuen Dortmunder Variante der Eingriffs-Ausgleichs-Regelung, kein Regelwerk, das im Fall von Nutzungs- konflikten einen wirksamen Schutz der landwirtschaftlichen Flächen errei- chen könnte. Die funktionalen Unstimmigkeiten, die Entscheidungsstrukturen, in die die unmittelbaren Nutzer nicht eingebunden sind, und die fehlenden Schutzin- strumente machen verständlich, warum die landwirtschaftlichen Flächen im Ruhrgebiet nur selten gegenüber anderen Nutzungsansprüchen verteidigt werden und es keinen spürbaren Widerstand gegen Flächenverluste gibt. 4. Wald und Forst 93 4. Wald und Forst Obwohl Dichter und Denker den Wald seit dem 18. Jahrhundert zu einem nationalen Symbol aufgebaut haben, waren die Wälder und Gehölze im Ruhrgebiet bis in die 1960er Jahre hinein von Flächenverlusten betroffen. Dieses Waldsterben war ein wichtiger Grund für die Einrichtung des Sied- lungsverbandes Ruhrkohlenbezirk und für ein besonderes Baumschutzge- setz, das 1922 in Kraft trat. Damit begann die Entwicklung von besonderen rechtlichen Regelungen und Förderprogrammen für die Erhaltung der Wälder. Zudem hatten sich einige Jahre zuvor die ersten zivilgesellschaftlichen Organisationen ge- gründet, die sich für den Wald und das Forstwesen einsetzen. Allerdings ist nicht ausgemacht, dass die Zuwächse, die die Waldflächen seit den 1970er Jahren wieder erzielen, wirklich diesen Bemühungen um den Schutz der Wälder zu verdanken sind. Den Waldverlusten und den neuer- lichen Zuwächsen werde ich im folgenden genauer nachgehen. 4.1. Waldentwicklung im Ruhrgebiet und Forstpolitik seit dem 19. Jahrhundert Im Jahr 1922 hat die "geodätische Abteilung der Gesellschaft für Wissen- schaft und Leben im rheinisch-westfälischen Industriegebiet" die Verände- rung des Waldbestandes im Ruhrgebiet untersucht, und zwar für die Jahre 1823, 1892 und 1922. Wie Sarnetzky berichtet, ist das heutige Ruhrgebiet im 18. Jahrhundert insgesamt noch sehr waldreich gewesen, bevor zu- nächst in den Kreisen am nördlichen Rand "weite Strecken von Wald in Heide- und Ödflächen oder aber zu Ackerland ... umgewandelt" worden sind. Wenige Jahrzehnte später wurden im Zuge der Industrialisie- rung im Inneren des Ruhrgebietes viele Wälder abgeholzt. Seit dem Jahr- hundertwechsel jedoch betrafen die Waldverluste alle Teile der Region.328 Tabelle 4.1. zeigt die Entwicklung der Waldflächen im Ruhrgebiet. Beson- ders zu beachten ist die Entwicklung des relativen Waldanteils, da sich in den absoluten Flächenangaben neben der realen Waldentwicklung auch die Gebietsänderungen durch mehrere kommunale Neugliederungen nie- derschlagen. Deutlich wird, dass die Waldverluste329 im Ruhrgebiet bis in die 1960er Jahre andauerten, als der Waldanteil von anfangs über 20 Prozent auf nur noch 14 bzw. 15 Prozent der Gesamtfläche gesunken war. Im selben Zeit- 328 Sarnetzky, Heinrich (1927): Die Veränderungen des Waldbestandes im rhein.-westf. Industriebezirk während der letzten 100 Jahre, in: Eckert, Max (Hg.) (1927): Düssel- dorfer geographische Vorträge und Erörterungen. Verhandlungen der geographischen Abteilung der 89. Tagung der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Ärzte in Düs- seldorf 20.-24. Sept. 1926. Erster Teil. Kartenwissenschaft und Wirtschaftslehre, Breslau, S.53-59, hier: S.54 f 329 Allerdings wird das Ausmaß der Waldverluste im 19. Jahrhundert durch die Tabelle 4.1. nur unvollständig wiedergegeben, da ein Teil des so genannten Ödlandes damals ebenfalls Wald- und Gehölzflächen umfasste, die zu Marken und Gemeinheiten ge- hörten. Da diese Flächen im allgemeinen auch der Weidenutzung dienten, wurden sie bereits im Kapitel über die Landwirtschaft berücksichtigt. 4. Wald und Forst 94 raum sind die landwirtschaftlichen Flächenanteile von knapp 76 auf 46 Prozent zurückgegangen. Während die Landwirtschaft seitdem weitere Flächen verloren hat, nehmen die Waldflächen im Ruhrgebiet wieder zu. Inzwischen haben sie einen Anteil von 17 bzw. 18 Prozent und damit eine Größenordnung wie in den 1920er Jahren erreicht. Tabelle 4.1. Entwicklung der Waldflächen im Ruhrgebiet seit 1822 Jahr Kern-Ruhrgebiet Rechtsrheinisches Ruhrgebiet Fläche Waldflächen Fläche Waldflächen ha ha % ha ha % 1822/35 205.881 42.613 20,7 - - - 1861/63 207.003 38.416 18,6 - - - 1861/63 224.965 42.419 18,9 - - - 1878 225.058 41.916 18,6 312.024 65.034 20,8 1883 224.568 42.897 19,1 311.541 65.971 21,2 1893 210.699 38.528 18,3 311.669 64.621 20,7 1900 211.014 38.868 18,4 312.006 64.664 20,7 1913 211.209 35.905 17,0 312.323 61.126 19,6 1927 212.903 33.674 15,8 310.962 57.130 18,4 1938 203.030 30.879 15,2 321.106 54.378 16,9 1950 204.473 30.376 14,9 321.387 52.159 16,2 1960 203.567 28.875 14,2 320.239 49.430 15,4 1970 208.233 34.209 16,4 322.031 54.738 17,0 1981 205.366 31.538 15,4 339.032 57.908 17,1 1989 205.399 32.138 15,6 339.115 58.974 17,4 2001 205.439 32.898 16,0 339.192 60.047 17,7 2008 205.463 34.185 16,6 339.222 61.711 18,2 Anmerkungen: In den genutzten Quellen tragen die Waldflächen jeweils folgende Bezeichnungen: 1822/35 und 1861/63: Forst; 1883-1938: Forsten und Holzungen; 1950-1970: Waldflächen, Forsten, Holzungen; ab 1979: Waldfläche 1822/35 und 1861/63, erster Wert: Kreis Recklinghausen nur teilweise Quellen: siehe Fußnote330 Die Entwicklung der Waldflächen und der Forstpolitik soll nun in fünf zeitli- chen Abschnitten genauer dargestellt werden: - Waldverluste bis zum Ersten Weltkrieg, - Waldschutz im Ruhrgebiet während der Weimarer Republik, - nationalsozialistische Waldzerstörung, - erfolgloser Waldschutz während der Wiederaufbauphase und 330 1822/35 und 1861/63: Meier, Friedhelm (1961), Tabellen II und III (o.S.); 1883: Preußische Statistik (1884), Bd. LXXXI; 1893: Preußische Statistik (1894), Bd. 133; 1900: Preußische Statistik (1902), Bd. 168; 1913: Preußische Statistik (1918), Bd. 246; 1927: Preußische Statistik (1928), Bd. 291; 1938: Statistik des deutschen Reiches (1939), Bd. 536; 1950: Statistisches Landesamt NRW (1951a), S.76-79; 1960: Statistisches Landesamt NRW (1961); 1970: Statistisches Landesamt NRW (1971); 1981: LDS NRW (1982a); 1989: LDS NRW (1990): Bodenflächen in Nordrhein-Westfalen 1989 nach Nutzungs- arten der Vermessungsverwaltung. Ergebnisse der Flächenerhebung 1989, Statisti- sche Berichte C I 9 - 4j/89, Düsseldorf; 2001: LDS NRW (2001a): Bodenflächen in Nordrhein-Westfalen nach Nutzungsarten der Vermessungsverwaltung. Ergebnisse der Flächenerhebung 2001, Kennziffer A V - 4j/01, Düsseldorf; 2008: LDS NRW (2008a) 4. Wald und Forst 95 - Waldzunahme nach der Wiederaufbauphase. 4.1.1. Waldverluste bis zum Ersten Weltkrieg Zur selben Zeit, als Dichter und Denker den Mythos vom deutschen Wald begründeten, wurden real existierende Wälder immer häufiger abgeholzt. Während "der" Wald in den literarischen Werken von Klopstock, Kleist bis zu den Grimm'schen Märchen zum nationalen Symbol heranwuchs,331 wurde die Waldfläche in den preußischen Provinzen ständig verkleinert. Bis zum Ersten Weltkrieg gingen im Kern-Ruhrgebiet mindestens 7.000 Hektar verloren, und der Waldanteil sank von zunächst 21 auf 17 Prozent. Zu den wichtigsten Ursachen gehörte nicht nur der wachsende Holzbedarf während der Industrialisierung. Hinzu kamen die vielen militärischen Aus- einandersetzungen und ihre Folgen, z.B. die beschädigten Häuser, für deren Wiederaufbau große Mengen Holz benötigt wurden.332 Weitere Faktoren waren der Holzbedarf des waldarmen Frankreich und die Nach- frage der holländischen Schiffsbauer, wobei gerade die Ruhr und die Lippe dem Holzexport gute Transportmöglichkeiten boten. a. Forstpolitische Liberalisierung Gleichzeitig verloren die Wälder im Zuge der preußischen Agrarreformen jeden gesellschaftlichen und landesherrlichen Schutz. Zunächst erlaubte das Stein'sche "Oktoberedikt" vom 9. Oktober 1807 allen Ständen den Erwerb von Grund und Boden, hielt den Boden aber noch in der Bindung an die bisherigen Nutzungen, bevor das Hardenberg'sche "Edikt zur Be- förderung der Land-Cultur" vom 14.9.1811 in Preußen die freie Verfügung der Grundeigentümer über ihren Grundbesitz und damit auch über ihre privaten Wälder ermöglichte. Dieses Landeskulturedikt bestimmte in § 4: "Die Einschränkungen, welche teils das Allgemeine Landrecht, teils die Provinzi- alforstordnungen in Ansehung der Benutzung der Privatwaldungen vorschreiben, hören gänzlich auf. Die Eigentümer können solche nach Gutbefinden benutzen oder sie auch parzellieren und urbar machen". 333 Zudem wollten die bedeutendsten preußischen Reformpolitiker, Freiherr vom Stein und Freiherr, später: Fürst von Hardenberg, auch die Staats- 331 Braun, Annette (2000): Wahrnehmung von Wald und Natur, Opladen, S.47-52; Küster, Hansjörg (1998): Geschichte des Waldes. Von der Urzeit bis zur Gegenwart, München, S.180 ff 332 "Der Wald mag durch die Kriege selbst weniger stark in Mitleidenschaft gezogen worden sein, größer war der Schaden den sie an Haus und Hof hinterließen und den das Holz wieder gut zu machen hatte." Helmig, August (1932): Der Wald und seine Erhaltung im rheinisch-westfälischen Industriegebiet, Leipzig, S.65, S.67 f 333 Gesetzsammlung 1811, S.300-311, zitiert nach: Hesmer, Herbert (1958): Wald und Forstwirtschaft in Nordrhein-Westfalen. Bedingtheiten-Geschichte-Zustand, Hannover, S.155; siehe auch: Hesmer (1958), S.89, S.463 f; Sybrecht, Georg (1965): Die private Forstbewirtschaftung nach dem Waldschutzge- setz von Nordrhein-Westfalen unter Ausklammerung der Fragen forstlichen Zusam- menschlusses, Diss. Köln, S.7 ff; vgl. Eckert, Jörn (1992): Der Kampf um die Fideikommisse in Deutschland. Studien zum Absterben eines Rechtsinstitutes, Frankfurt a.M. u.a., S.382 f; Selter, Bernward (2003): Agrar- und Forstreformen im Zeichen des Liberalismus, in: Schulte, Andreas (Hg.) (2003a): Wald in Nordrhein-Westfalen, Band 1, Münster, S.130-145, hier: S.137 f; nach Hasel, Karl (1974): Zur Geschichte der Forstgesetzgebung in Preußen, Frankfurt a. M., S.25-27, ist das Landeskulturedikt im Westen Preußens formell nie in Kraft ge- treten, wurde trotzdem aber angewandt. 4. Wald und Forst 96 forsten privatisieren, und zwar - so Hesmer - "aus Abneigung gegen die Staatswirtschaft und unter dem Drucke der Staatsverschuldung", die aus den Kriegen gegen Frankreich resultierte.334 Währenddessen entstanden bei den Markenteilungen im 18. und 19. Jahrhundert die seitdem vorherrschenden privaten Waldbestände und dabei auch "zahllose Klein- und Kleinstprivatwaldbesitze".335 Immer wieder wird berichtet, dass nach den Markenteilungen zahlreiche Wälder gerodet worden seien. So klagt der Oberforstbeamte der Grafschaft Mark, Freyherr von Hobe: "Auch sieht man wenige Bauern-, Städte- oder Markenholzungen mehr, worinnen man noch Baumstämme fände, sondern sogleich nachdem die Markenteilung geschehen war, haute jeder nach Belieben sein Oberholz weg, verkaufte es, um seine zerrütteten Umstände wieder etwas in Ordnung zu bringen und ließ den Wald öde liegen." 336 Hierfür waren sicherlich die anderen Elemente der preußischen Agrarre- form mitverantwortlich, insbesondere die Ablösung der früheren Arbeits- und Naturalleistungen an den Grundherren, für die die Bauern eine Abfin- dung leisten und sich zumeist hoch verschulden mussten. In Zeiten mit niedrigen Agrarpreisen war die Schuldenlast der (Wald-) Bauern besonders drückend.337 Diese Faktoren konnten zunächst am Nordrand des Ruhrgebietes, wo die Markenteilungen schon im 18. Jahrhundert begonnen hatten, ihre Wirkung entfalten, so dass diese Teilregion bereits um 1823 weitgehend waldarm war. Demgegenüber war das Gebiet zwischen Emscher und Ruhr, zwi- schen Rhein und Soester Kreisgrenze noch stärker bewaldet, weil die Em- scher mit ihrem geringen Gefälle für den Floßbetrieb und damit für den Holztransport völlig ungeeignet war. "Längs der Emscher befand sich 1823 von Henrichenburg bis Sterkrade ein fast ununterbrochener Zug von Waldungen".338 334 Hesmer (1958), S.128, S.426; Rubner, Heinrich (1967): Forstgeschichte im Zeitalter der industriellen Revolution, Berlin, S.113 335 Hesmer (1958), S.123 und S.153-156; im frühindustrialisierten Sauer- und Siegerland, dem Herzogtum Westfalen, waren Separationen seit dem 18. Jahrhundert verboten, und zwar durch Verordnungen des Kurfürsten von Köln aus den Jahren 1781 und 1785 und des Landgrafen Ludewig von Hessen-Darmstadt aus den Jahren 1805 und 1807; siehe: Hesmer (1958), S.137; vgl. Selter (2003), S.135 336 zitiert nach: Hesmer (1958), S.155, S.89, S.168 f; siehe auch: Hasel (1974), S.33 f, S.45; auch Theodor Freywald, Revierförster in Dortmund, weist darauf hin, "daß der Privat- waldbesitz allmählich verschwindet. Besonders scharf tritt dieses in jenen Gemeinden hervor, wo das Zusammenlegungsverfahren durchgeführt ist. So sind in den Gemein- den Huckarde, Eving, Holthausen und Kirchlinde nach beendigtem Verfahren durch- schnittlich in jeder Gemeinde 30-40 Morgen abgetrieben und gerodet worden ..." Freywald, Theodor (1920): Der Waldbesitz der Stadt Dortmund, Dortmund, S.23 ff 337 Beckmann, Fritz (1926): Der Bauer im Zeitalter des Kapitalismus, in: Schmollers Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reiche, 50. Jahrgang (1926), II. Halbband, S.33-62, hier: S.43-45; Teuteberg, Hans-Jürgen (1981): Der Einfluß der Agrarreformen auf die Betriebsorga- nisation und Produktion der bäuerlichen Wirtschaft Westfalens im 19. Jahrhundert, in: Blaich, Fritz (Hg.) (1981): Entwicklungsprobleme einer Region: Das Beispiel Rheinland und Westfalen im 19. Jahrhundert. Schriften des Vereins für Socialpolitik, Neue Folge Band 119, Berlin, S.167-276, hier: S.224-228 338 Sarnetzky (1927), S.55; Helmig (1932), S.68; insofern ist die Behauptung "Am Anfang war die Heide" gerade für die Emscherzone, den Planungsraum der Internationalen Bauausstellung Emscher Park, unzutreffend: Brüggemeier, Franz-Josef, Helga Sander und Silke Krispin (1992): Am Anfang war die 4. Wald und Forst 97 Danach jedoch kehrte sich die Entwicklung um. In den Kreisen am Nord- rand des Industriegebietes wurden bis zum Ende des 19. Jahrhunderts umfangreiche Flächen wieder aufgeforstet, was Sarnetzky auf den wach- senden Steinkohlenbergbau zurückführt, der große Mengen an Grubenholz brauchte und "eine gute Bezahlung für das Holz bei einem so nahen Absatzgebiete in Aussicht stellte." 339 Zugleich wurde im Zentrum der Region ein großer Teil der Wälder abge- holzt, um Platz zu schaffen für neue Industriebetriebe und neue Siedlun- gen, "so daß sich schon im Jahre 1892 das engere Industriegebiet durch eine direkte Waldleere auszeichnete", wobei auch von den Wäldern an der Emscher bis "1892 schon recht große Teile ein Opfer der industriellen Besiedlung geworden sind." 340 b. Erste Ansätze zu einer staatlichen Walderhaltung Diese Waldverdrängung konnte geschehen, obwohl Preußen inzwischen erste Ansätze zu einer Politik der Walderhaltung eingeleitet hatte. Dabei hatte die preußische Monarchie für die vier Arten des Waldeigentums je- weils eigene Regelungen getroffen und zwischen staatlichen (a), kommu- nalen (b), gemeinschaftlichen (c) und privaten (d) Wäldern differenziert: a. Zunächst wurde der Verkauf der Staatsforsten unter dem Einfluss von Forstfachleuten, der damaligen forstlichen Lobby, wieder eingeschränkt, nicht zuletzt nachdem "sich durch den Sieg über Napoleon und den Erwerb von Nordsachsen, Westfalen und der Rheinprovinz die Lage der preußischen Staatsfinanzen unvermutet rasch" gebessert hatte.341 b. Seit 1816 versuchte Preußen, die gemeindlichen Wälder zu schützen, und zwar durch die "Verordnung, die Verwaltung der den Gemeinden und öffentlichen Anstalten gehö- rigen Forsten in den Provinzen Sachsen, Westfalen, Kleve, Berg und Niederrhein betreffend vom 24. Dezember 1816".342 Dadurch erhielten die Gemeinden das volle Eigentum an ihren Wäldern und die Zuständigkeit für die Forstverwaltung. Zugleich wurden sie zur Erhaltung und nachhaltigen Bewirtschaftung ihrer Gemeindewälder ver- pflichtet und hierzu - grundsätzlich - einer staatlichen Aufsicht unterstellt. Heide. Vorindustrielle und industrielle Landschaftsentwicklung 1800-1914, hg. vom Kommunalverband Ruhrgebiet, Essen 339 Sarnetzky (1927), S.54-56; Helmig (1932), S.69 f; siehe auch: Waldbauernverband Nordrhein-Westfalen Kreisgruppe Recklinghausen (Hg.) (1957): Sterbende Wälder. Denkschrift über die besondere Lage der Forstwirt- schaft im Industriegebiet dargestellt am Kreise Recklinghausen (Westf.), Reckling- hausen, S.12 f; Offenberg, Klaus (1993/1994): Zustand des Waldes im Ruhrgebiet Anfang des 19. Jahrhunderts. Erläutert am Kreis Recklinghausen, in: Vestische Zeitschrift. Zeitschrift der Vereine für Orts- und Heimatkunde im Vest Recklinghausen, Band 92/93 (1993/ 1994), S.118-134 340 Sarnetzky (1927), S.55 341 Rubner (1967), S.113; siehe auch: Hesmer (1958), S.128, S.426 342 Heymer, Paul (1934): Die westfälische Waldwirtschaft seit Beginn des 19. Jahrhun- derts, Diss. Köln, Bottrop, S.26; Hasel (1974), S.49 4. Wald und Forst 98 Allerdings blieb diese Verordnung weitgehend wirkungslos, da sie zum einen bei den Gemeinden, die ihre kriegsbedingten Schulden abtragen wollten, auf Widerstand stieß, und da zum anderen das erforderliche staatliche Aufsichtspersonal nicht vorhanden war. Nicht durch die spätere Bekräftigung dieser Verordnung, sondern erst als - so Heymer - die west- fälischen Bezirksregierungen die Forstaufsicht auf- und ausbauten, ver- besserten sich die kommunalen Waldzustände. Demgegenüber war der Wald in den preußischen Städteordnungen überhaupt kein Thema.343 c. Für die gemeinschaftlichen Wälder galt seit dem Jahr 1821 die Gemeinheitsteilungsordnung, derzufolge "gemeinschaftliche Waldungen nur dann geteilt werden durften, wenn die einzelnen Anteile zur forstmäßigen Nutzung geeignet blieben oder vorteilhafter als Äcker oder Wiesen benutzt werden konnten". Diese Regelung und ihre Bekräftigung im Jahr 1850 konnten jedoch wei- tere Teilungen gerade zu Gunsten der agrarischen Nutzung und der Pro- duktion von Lebensmitteln für die wachsende Bevölkerung nicht verhin- dern.344 Vielmehr kamen die Separierungen, die bisher nur den nördlichen (Vest Recklinghausen) und östlichen Rand des Ruhrgebietes (Hamm und Hörde) erreicht hatten, durch die Gemeinheitsteilungsordnung erst richtig in Schwung.345 Demgegenüber kam das preußische Gesetz über die ge- meinschaftlichen Holzungen vom 14.3.1881, das die Teilung von noch bestehenden Markenwäldern (von wenigen Ausnahmen abgesehen) aus- drücklich verboten und eine ordnungsgemäße Bewirtschaftung gefordert hat, nach Ansicht von Selter für viele Wälder "zu spät", weil sie bereits geteilt und devastiert waren.346 d. Für die privaten Wälder wurde nach mehrjährigen Beratungen im Jahr 1875 das preußische Gesetz betr. Schutzwaldungen und Waldgenossen- schaften beschlossen, das in dem inzwischen umfangreichen Parzellen- waldbesitz eine geregelte Forstwirtschaft anregen sollte. Dieses Gesetz bildete die Grundlage für die "Ardeyer Waldgenossenschaft", die 1888 im Südosten des heutigen Ruhrgebietes gegründet wurde und in den 1950er Jahren noch 600 ha Wald umfasste. Darüber hinaus aber zeigte dieses Gesetz aufgrund seiner komplizierten Regelungen im Ruhrgebiet und weiten Teilen des Landes keine Auswirkungen.347 Zu dieser Zeit war allenfalls der adelige Großwaldbesitz durch so genannte Familienfideikommisse vor der Veräußerung und Zersplitterung geschützt.348 Fideikommisse waren Vermögen, die von ihrem Eigentümer, dem Stifter, durch seine Willenserklärung für unveräußerlich, unteilbar und unverschuldbar erklärt, an bestimmte Familien gebunden und einer Son- dererbfolge unterworfen wurden. Das jeweils zur Nachfolge berufene Fa- milienmitglied erbte nicht das Vermögen, sondern nur das Nutzungsrecht und die Pflicht, das Vermögen ungeschmälert zu erhalten.349 Trotz 343 Heymer (1934), S.27 f; Hasel (1974), S.48 ff; Selter (2003), S.138 f 344 Heymer (1934), S.31; Hesmer (1958), S.155; Hasel (1974), S.55 f; Selter (2003), S.138 345 Teuteberg (1981), S.212 f, S.222 f, S.228 f 346 Selter (2003), S.138 f; Hasel (1974), S.63-67 347 Heymer (1934), S.32; Hesmer (1958), S.435 f; Hasel (1974), S.71-83; Holtmeier, Ernst Ludwig (1965): Die forstlichen Zusammenschlüsse des nordrhein- westfälischen Waldschutzgesetzes, Diss. Köln, S.87; Selter, Bernward, und Hans-Jürgen Wegener (2003): Stationen der öffentlichen Ein- flussnahme auf Wald und Forstwesen, in Schulte (2003a), S.155-166, hier: S.161 348 Hesmer (1958), S.464 349 Eckert (1992), S.19 ff; Heß, Klaus (1990): Junker und bürgerliche Großgrundbesitzer im Kaiserreich. Land- 4. Wald und Forst 99 verschiedener politischer Bestrebungen, diese Fideikommisse als Be- nachteiligung der weichenden Erben, als Beeinträchtigung eines freien Bodenmarktes und als Ursache für die Entstehung von Latifundien abzu- schaffen, konnten sie sich in Preußen bis zum Ersten Weltkrieg noch ver- mehren. Infolgedessen lagen im Jahr 1895 in den drei Regierungsbezirken Düsseldorf, Arnsberg und Münster, zu denen das Ruhrgebiet gehörte, über 71.000 Hektar Wald oder rund 13 Prozent der gesamten Waldfläche in Fideikommissen. Bis 1912 ist die derart gebundene Waldfläche auf über 82.000 Hektar oder rund 15 Prozent gewachsen.350 Im Ruhrgebiet hatten Fideikommisse allerdings eine geringere Bedeutung: 1895 waren in Mül- heim, Essen und Ruhrort 1.650,8 Hektar (2,66 Prozent der Gesamtfläche) entsprechend gebunden, zu denen 228 Hektar Wald gehörten. Im Kreis Gelsenkirchen gab es 172,1 Hektar Holzlandfläche (2,21 Prozent der Ge- samtfläche), die im Jahr 1900 zum größten Teil zu einem Fideikommiss gehörten und nach Einschätzung von Altkemper andernfalls "längst ver- schwunden" wären.351 Nach dem Ersten Weltkrieg allerdings sind Anzahl und Umfang der Fidei- kommisse allmählich zurückgegangen. Den Anstoß hierzu hatte die Wei- marer Reichsverfassung vom 11. August 1919 gegeben, die in ihrem Art. 155 Abs.2 bestimmte: "Die Fideikommisse sind aufzulösen", was dann in den einzelnen Ländern allmählich auch geschah. Wie bereits gesagt, waren die ersten Ansätze zu einer Politik der Walder- haltung nicht ausreichend. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts konnte der Rückgang der Wald- und Baumbestände das gesamte Ruhrgebiet erfassen. Ursachen waren die weitere industrielle Expansion und das de- mografische Wachstum. Hinzu kam die Kriegswirtschaft, die viele Wälder im Revier ruinierte. Sarnetzky verweist auf den Holzbedarf des Bergbaus, der während des Krieges nicht mehr auf Importe zugreifen konnte, sowie auf "die Unmengen Holz ... zum Barackenbau als Unterkunftsraum für die Truppen, zum Ausbau der Schützengräben, zur Anfertigung von Munitions- und Verpa- ckungskisten für Lebensmittel, zur Herstellung von Holzkohlen für die Heizung der Unterstände in den vorderen Linien, zur Ausbesserung von Fahrzeugen usw." 352 c. Zivilgesellschaftliche Initiativen Die ständigen Waldverluste forderten die allmählich entstehende Zivilge- sellschaft heraus. Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts bildeten sich land- wirtschaftliche Vereinigungen, angefangen mit Lesegesellschaften in Hamm und Unna sowie mit einer Landeskulturgesellschaft in Arnsberg. Ihre Mitglieder waren hauptsächlich größere Grundbesitzer, vor allem aus dem Adel. Mitte des 19. Jahrhunderts schlossen sich diese und weitere Vereine zum "Landwirtschaftlichen Provinzialverein für Westfalen und Lippe" zusammen. 1833 hatte mit dem "Landwirtschaftlichen Verein für Rheinpreußen" eine ähnliche Entwicklung im Rheinland begonnen. Ab 1862 kam als politische und wirtschaftliche Interessenvertretung der (ka- wirtschaftlicher Großbetrieb, Großgrundbesitz und Familienfideikommiß in Preußen (1867/71 - 1914), Stuttgart, S.101 ff 350 Heß (1990), S.151; vgl. auch: Hesmer (1958), S.464; zur Kritik z.B.: Epstein, Hellmut (1928): Fideikommiss- und Anerbenrecht in ihren Einflüssen auf Organisationsformen und Erträge der Landwirtschaft, Diss. Berlin 351 Avereck (1903), S.35; Altkemper (1905), S.136-141; in Dortmund und in Hörde, wo der Wald im Jahr 1900 immerhin 14 bzw. 21 Prozent der Flächen innehatte, wurden nach Linneweber "größere Komplexe" - durch Fideikommiss gebunden - vor der Ver- nichtung durch die Industrie bewahrt: Linneweber (1909), S.63-65 352 Sarnetzky (1927), S.57-59 4. Wald und Forst 100 tholische) "Westfälische Bauernverein" hinzu, dem Ende des 19. Jahrhun- derts in stärker protestantischen Gegenden kleinere Gruppen des "Bundes der Landwirte" gegenübertraten, der sich östlich der Elbe gegründet hatte. Den örtlichen Verhältnissen entsprechend kümmerten sich diese Vereini- gungen auch um forstwirtschaftliche Fragen, zumal Land- und Forstwirt- schaft damals noch enger miteinander verbunden waren als heute.353 Um die Jahrhundertwende wurden die staatlicherseits finanziell geförderten Landwirtschaftskammern in Münster und in Bonn gegründet. Sie richteten eigene Forstausschüsse ein, in die sie auch externe Sachverständige beriefen, und verbesserten das Beratungsangebot für die privaten Waldbesitzer. 20 Königliche, Gemeinde- und Privatforstverwaltungsbeamte waren in Westfalen für die Kammer im Nebenamt als Forstberater tätig. Später haben die Kammern regionale Forstämter eingerichtet, die den privaten Waldbesitzern in allen forstlichen Angelegenheiten mit Rat und Tat zur Seite standen.354 Zugleich entstanden die ersten Verbände, die sich für die forstliche Ent- wicklung einsetzten: Zunächst der "Westfälische Forstverein" von 1873, dem schon 1875 der "Rheinische Forstverein" und 1883 der "Forstverein für Westfalen und Niederrhein" folgten. Während die Forstvereine wissen- schaftliche Ziele und die Verbreitung von Wissen verfolgten, waren die Aufforstungsvereine praktisch tätig. Klöpfer berichtet über Aufforstungs- vereine in Altena, Hagen, Iserlohn und Schwelm, gegründet zwischen 1890 und 1901, die mit Fördermitteln im südlichen Ruhrgebiet sowie in den angrenzenden Kreisen Aufforstungen organisierten. Die privaten Waldbesitzer schlossen sich zwischen 1899 und 1917 im heutigen Nord- rhein-Westfalen zu vier regionalen Waldbesitzerverbänden zusammen. Hinzu kamen seit 1891 mehrere Verbände von Förstern und Forstbeamten sowie in den Jahren 1909 und 1912 der "Verband der Land-, Wald- und Weinbergarbeiter und -Arbeiterinnen" und der christliche "Zentralverband der Forst-, Land- und Weinbergarbeiter Deutschland".355 Damit war ein breites Spektrum an zivilgesellschaftlichen Organisationen entstanden, die sich für ihre Mitglieder und damit auch für den Wald ein- setzten. 4.1.2. Waldschutz im Ruhrgebiet während der Weimarer Republik Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, der Novemberrevolution und der Gründung der Weimarer Republik wurden neue, gesellschaftliche und ge- setzgeberische Initiativen zum Waldschutz eingeleitet. 353 Klöpfer, E. (1909): Geschichte der Landwirtschaft der Mark im 19. Jahrhundert, in: Meister, Aloys (Hg.) (1909): Die Grafschaft Mark. Festschrift zum Gedächtnis der 300- jährigen Vereinigung mit Brandenburg-Preußen, Dortmund, S.351-398, hier: S.394 ff; Heymer (1934), S.34 f; Hesmer (1958), S.439 f, 443 f; Teuteberg (1981), S.210 f und Fußnote 95; Albers, Helene (1999): Die stille Revolution auf dem Lande. Landwirtschaft und Land- wirtschaftskammer in Westfalen-Lippe 1899.1999, Münster, online in: (25.7.08), S.1-4; Wegener, Hans-Jürgen (2003a): Strukturen und Aufgaben der Forstorganisation von 1800 bis 1945, in: Schulte (2003a), S.145-155, hier: S.152 f 354 Heymer (1934), S.35 f; Hesmer (1958), S.439 f 355 Klöpfer, E. (1909), S.392 f; Hesmer (1958), S.444, 460; Selter und Wegener (2003), S.165 f 4. Wald und Forst 101 a. Waldbauvereine Wie Heymer berichtet, schlug Forstrat Otto Baumgarten, der Leiter der Forstabteilung der Landwirtschaftskammer Westfalen, auf einer westfäli- schen Waldbesitzerversammlung 1919 die Gründung von Waldbauverei- nen vor. Fast fünfzig Vereine mit einer Waldfläche von 105.000 Hektar entstanden daraufhin allein in Westfalen. Die anderen preußischen Pro- vinzen folgten diesem Vorbild. Der ursprüngliche Zweck der Waldbauver- eine soll die politische Vertretung der Privatwaldbesitzer gewesen sein, als Reaktion auf den Entwurf für ein preußisches Forstkulturgesetz, das "starke Eingriffe in die Freiheit des privaten Waldbesitzes vorsah". Nach der Ablehnung dieses Gesetzentwurfes rückte die wirtschaftliche Seite der Waldbauvereine in den Vordergrund, die sich um die Weiterbildung der privaten Waldbesitzer und um Aufforstungsbeihilfen bemühten.356 b. Baumschutzgesetz Nach dem Scheitern des Forstkulturgesetzes wurde der Rückgang der Wälder ein zusätzliches Argument für die Gründung des Siedlungsver- bandes Ruhrkohlenbezirk (SVR) und für den Start einer besonderen, regi- onalen Walderhaltungspolitik im Ruhrgebiet. "Das ursprüngliche Grün der Natur, die Wälder, sind im wesentlichen vernichtet",357 klagte Robert Schmidt, der spätere SVR-Verbandsdirektor. Ebenso Fried- rich Strehlow, der nach seiner Feststellung "die Waldflächen nehmen mehr und mehr ab" von den Kommunen fordert: "Sie dürften sich keine Gelegenheit entgehen lassen, Waldflächen zu erwerben und sie der Allgemeinheit für alle Zeiten zu erhalten, sie dürfen aber vor allem nie die Hand dazu bieten zu der Niederlegung derselben durch Zulassung ihrer Bebau- ung." 358 Daher bezeichneten die Preußische Staatsregierung und der Minister für Volkswohlfahrt Stegerwald in ihrer Begründung zum Entwurf der Ver- bandsordnung für den SVR "die Erhaltung der Wälder und Grünanlagen im Industriegebiet" sowie "die Anlage geeigneter Grünflächen, Waldanlagen usw" als wichtige Aufgaben des neuen Verbandes.359 In der Landtagsdebatte beklagt der Abgeordnete Dr. Jordan von der Deutschen Demokratischen Partei: "Als ich vor 12 Jahren nach dem schönen Hamborn kam, beglückwünschte man mich und sagte: das ist eine schöne Gegend. Da haben wir erst vor kurzem schöne Ausflüge hingemacht. Da sind Wälder und Heiden, da lebt sich's. Ich kam hin, und es waren noch Wälder da. Ich habe mich auch über die Restwälder noch gefreut, man kann bescheiden sein. Von den Wäldern ist nichts mehr da. Da sind Kolonien, 356 Hocke, Fritz (1936): Die früheren Waldbauvereine in Preußen, Diss. Hann.-Münden, Hannover; Heymer (1934), S.36 f; Hesmer (1958), S.444 f, S.460; Hasel (1974), S.86-119; Wegener, Hans-Jürgen (2003a), S.153 357 Schmidt, Robert (1912): Denkschrift betreffend Grundsätze zur Aufstellung eines General-Siedelungsplanes für den Regierungsbezirk Düsseldorf (rechtsrheinisch), Essen, S.68 358 Strehlow, F(riedrich) (1911): Die Boden- und Wohnungsfrage des rheinisch-westfäli- schen Industriebezirkes, Diss. Münster, Essen, S.121 ff 359 Entwurf eines Gesetzes, betreffend Verbandsordnung für den Siedlungsverband Ruhr- kohlenbezirk, in: Sammlung der Drucksachen der verfassunggebenden Preußischen Landesversammlung. Tagung 1919/21, 6. Band (Berlin 1921), Drucksachen Nr. 1741 A und 1741 B, S.2661-2682, hier: S.2676; Stegerwald (1920), in: Sitzungsberichte der verfassunggebenden Preußischen Lan- desversammlung. Tagung 1919/21, 7. Band (Berlin 1921), 109. Sitzung am 31. Januar 1920, Sp.9004 4. Wald und Forst 102 große Werke, da sind Bahnhöfe, da sind auch mal Baumstümpfe. Die letzten noch leidlich netten Wäldchen hat man im Interesse der Sittlichkeit beseitigt." 360 Ähnlich der Abgeordnete Kahl der SPD: "Ich weiß, daß vor 20 bis 30 Jahren noch kleine Wälder im Industriegebiet vor- handen waren. Sie sind gänzlich verschwunden, und viel zu spät haben die Ge- meinden dann daran gedacht, daß sie Erholungsstätten schaffen müßten."361 Nachdem der SVR 1920 gegründet war, zeigte sich schon im ersten Ge- schäftsjahr, dass der Verband zwar manche Freiflächen, nicht aber ihren Bewuchs und daher auch keinen Wald schützen konnte. Deshalb hat der Verbandspräsident am 18.12.1920 eine Polizeiverordnung erlassen, um Abholzungen und Verwüstungen "bis zu einem gewissen Grade wenigs- tens" entgegentreten zu können. Zugleich hat der Verband ein "Nach- tragsgesetz zur Verbandsordnung" entworfen, mit dem seine Kompetenzen um die Walderhaltung erweitert werden sollten. Von der preußischen Regierung wurde es weitgehend übernommen,362 und am 5. Juli 1922 hat der Preußische Landtag schließlich das "Gesetz zur Erhaltung des Baumbestandes und Erhaltung und Freigabe von Ufer- wegen im Interesse der Volksgesundheit" beschlossen.363 Dieses Gesetz galt nicht nur für den SVR, sondern in allen "Großstädten oder in der Nähe von Großstädten, in der Nähe von Bade- oder Kur- orten oder in Industriegebieten". (§ 1 Abs.1) Im Ruhrgebiet konnte danach der Verbandsausschuss bestimmen,364 "welche Baumbestände und Grünflächen ... zu erhalten sind, und welche Uferwege ... zwecks Förderung des Wanderns dienen sollen." (§ 1 Abs.1) Nachdem der Verbandsdirektor die Kommunen zur Einreichung von Vor- schlägen aufgefordert hatte, hat der Verbandsausschuss im August und Oktober 1923 "in den Landkreisen 682 und in den Stadtkreisen 731 360 Jordan (1920), in: Sitzungsberichte der verfassunggebenden Preußischen Landesver- sammlung. Tagung 1919/21, 7. Band (Berlin 1921), 111. Sitzung am 3. Februar 1920, Sp.9258 361 Kahl (1920), in: Sitzungsberichte der verfassunggebenden Preußischen Landesver- sammlung. Tagung 1919/21, 7. Band (Berlin 1921), 111. Sitzung am 3. Februar 1920, Sp.9275 362 Entwurf eines Gesetzes, betreffend Erhaltung des Baumbestandes und Erhaltung und Schaffung von Uferwegen im Interesse der Volksgesundheit. Begründung, in: Samm- lung der Drucksachen des Preußischen Landtags. 1. Wahlperiode, 1. Tagung 1921, 3. Band (Berlin 1921), Drucksache Nr. 1510, S.1624-1629, hier: S.1626; SVR (1928a): Die Tätigkeit des Siedlungsverbandes Ruhrkohlenbezirk in den Jahren 1920-1927, Essen, S.4, S.8; Frantz (1930): Walderhaltung im Gebiete des Siedlungsverbandes Ruhrkohlenbezirk und die Bewilligung staatlicher Zuschüsse für diese Zwecke, in: Volkswohlfahrt 11 (1930), Sp.689-698, hier: Sp.690 f; Kempener, Otto (1931): Organisation, Aufgaben und wirtschaftliche Tätigkeit des Siedlungsverbandes Ruhrkohlenbezirk, Bottrop, S.94; Pflug, Wolfram (1970): Landespflege durch den Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk, in: SVR (1970b): Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk 1920-1970, Schriftenreihe Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk, Band 29, Essen, S.77-113, hier: S.85 363 Sitzungsberichte des Preußischen Landtags. 1. Wahlperiode, 1. Tagung 1921, 8. Band (Berlin 1922), 160. Sitzung am 5. Juli 1922, Sp.11616; Gesetz zur Erhaltung des Baumbestandes und Erhaltung und Freigabe von Uferwe- gen im Interesse der Volksgesundheit. Vom 29. Juli 1922, Preußische Gesetzsamm- lung 1922, S.213-217 (Nr. 12331); SVR (1928a), S.8; siehe auch: Frantz (1930), Sp.691: "Der Standpunkt der Waldbesitzer, insbesondere der Landwirtschaft und ihrer gesetz- lichen Vertretungen war scharf ablehnend. Hierbei waren aber wohl teilweise mehr grundsätzliche Erwägungen maßgeblich." 364 In Berlin war der Magistrat und für andere Großstädte oder Industriegebiete, Bade- oder Kurorte war der jeweilige Provinzialausschuss zuständig. 4. Wald und Forst 103 Baumschutzflächen" beschlossen.365 Seitdem waren Abholzungen auf den betreffenden Flächen genehmigungsbedürftig, außer auf forstwirtschaftli- chen Flächen, die nach einem genehmigten Forstwirtschaftsplan oder un- ter der Leitung von Behörden, Landwirtschaftskammern oder anerkannten Vereinen wie den Waldbauvereinen bewirtschaftet wurden. Dabei hat der Verbandspräsident die Genehmigung zur Abholzung im allgemeinen mit der Verpflichtung zur Wiederaufforstung verknüpft, so "daß nicht nur die Zahl der abgeholzten Bäume durch eine gleiche Anzahl ersetzt wird, sondern daß eine Fläche wieder aufgeforstet wird, die späterhin tatsächlich den abgeholzten Bestand zu ersetzen imstande ist." 366 Bis 1932 wurden fast 3.400 Anträge auf Abholzung oder Durchforstung genehmigt. Für 1.640 Hektar wurde die Verpflichtung zur Wiederauffors- tung ausgesprochen, während 640 Hektar landwirtschaftlich genutzt oder in Bauflächen umgewandelt werden konnten. Zwar ging mehr als ein Viertel der abgeholzten Fläche als Waldfläche dauerhaft verloren, fast drei Viertel hingegen konnten - grundsätzlich jedenfalls - erhalten werden.367 Zunächst war die Geltungsdauer des Baumschutzgesetzes auf 10 Jahre befristet (§ 4 Abs.3), sie wurde aber mehrfach verlängert, bis schließlich ein Teil der Regelungen durch das Landesforstgesetz von 1969 und we- nige Jahre später das gesamte Baumschutz- und Uferwegegesetz durch das nordrhein-westfälische Landschaftsgesetz von 1975 außer Kraft ge- setzt wurde.368 365 Frantz (1930), Sp.692; zum Schreiben an die Kommunen: Helmig (1932), S.84-86 366 zitiert nach: Helmig (1932), S.85 367 Eine Erfolgskontrolle gab es nicht. Aufgrund der anschließenden nationalsozialisti- schen Waldzerstörungen wären solche Bilanzen schon nach wenigen Jahren überholt gewesen. Eigene Berechnungen nach: SVR (1928a), S.13 f, 16, 19, 22, 26; SVR (1927a): Verwaltungsbericht des Siedlungsverbandes Ruhrkohlenbezirk für das Geschäftsjahr 1926, Essen, S.16; SVR (1928b): Verwaltungsbericht des Siedlungsverbandes Ruhrkohlenbezirk für 1927, Essen, S.18; SVR (1929): Verwaltungsbericht des Siedlungsverbandes Ruhrkohlenbezirk für das Kalenderjahr 1928, Essen, S.21; SVR (1930): Verwaltungsbericht des Siedlungsverbandes Ruhrkohlenbezirk für das Kalenderjahr 1929, Essen, S.21; SVR (1931): Verwaltungs-Bericht des Siedlungsverbandes Ruhrkohlenbezirk für das Kalenderjahr 1930, Essen, S.26; SVR (1932): Verwaltungs-Bericht des Siedlungsverbandes Ruhrkohlenbezirk für das Kalenderjahr 1931, Essen, S.20; SVR (1933): Verwaltungs-Bericht des Siedlungsverbandes Ruhrkohlenbezirk für das Kalenderjahr 1932, Essen, S.18; nach Helmig (1932), S.86, wurden bis 1930 insgesamt 2.829 Anträge zur Abholzung auf einer Fläche von 1.386 Hektar genehmigt, aber mit der Wiederaufforstung von nur 1.119 Hektar verbunden. Helmigs Angaben sind im Vergleich zu den SVR-Verwal- tungsberichten zu niedrig. 368 Gesetz zur dritten Änderung des Gesetzes zur Erhaltung des Baumbestandes und Erhaltung und Freigabe von Uferwegen im Interesse der Volksgesundheit vom 29. Juli 1922 (Gesetzsamml. S.213). Vom 7. April 1933, Preußische Gesetzsammlung 1933, S.99 (Nr. 13866); Gesetz zur vierten Änderung des Gesetzes zur Erhaltung des Baumbestandes und Erhaltung und Freigabe von Uferwegen im Interesse der Volksgesundheit vom 29. Juli 1922 (Gesetzsamml. S.213). Vom 9. Oktober 1934, Preußische Gesetzsammlung 1934, S.400; Gesetz zur fünften Änderung des Gesetzes zur Erhaltung des Baumbestandes und Erhaltung und Freigabe von Uferwegen im Interesse der Volksgesundheit vom 29. Juli 1922 (Gesetzsamml. S.213). Vom 21. September 1937, Preußische Gesetzsammlung 1937, S.89; Gesetz zur Änderung des § 4 des Preuß. Gesetzes zur Erhaltung des Baumbestandes und Erhaltung und Freigabe von Uferwegen im Interesse der Volksgesundheit vom 29. Juli 1922. Vom 1. Dezember 1949, GV. NW. S.301; 4. Wald und Forst 104 c. Waldschutzpolitik des Siedlungsverbandes Abholzungen bildeten aber nicht die einzige Gefahr für die Wälder im Ruhrgebiet. Hinzu kamen "Forstfrevel", z.B. von Waldbesuchern abgebro- chene Zweige und Äste, der Brennstoffmangel während der französischen Ruhrbesetzung von 1923 bis 1925 sowie Waldbrände, Bergsenkungen und Immissionen. Infolgedessen reichte ein Verbot von Abholzungen nicht aus. Der SVR entwickelte daher eine umfangreiche Waldschutzpolitik. Gegen den Forstfrevel und zur Verhütung von Waldbränden betrieb er Öffentlichkeitsarbeit durch Plakate, sogar durch einen Film und war insbe- sondere an den Schulen tätig. Er setzte sich für verstärkte Polizeistreifen ein, verstärkte den Forstschutz durch einen Feuerwachdienst und "ehren- amtliche Forst- und Flurhüter" und errichtete die ersten Feuerwachtürme. Darüber hinaus betrieb der Verband Forschungen zum Problem der Rauchschäden und richtete bereits 1922 die erste Pflanzschule in Hattin- gen und in den nächsten Jahren drei weitere Forstgärten in Herten, Berghofen und Essen ein, um rauchharte Hölzer aufzuziehen. Allerdings mussten die Baumschulen bereits Anfang der 1930er Jahre mit der sich verschlechternden Wirtschaftslage wieder geschlossen werden.369 Seit 1924 bot der Verband Aufforstungsprämien an: 1924/25 zunächst 20.000 Mark und in den Folgejahren bis zu 100.000 Mark, im ersten Jahr als Barzuschuss, danach als Pflanzmaterial. Bis 1932 wurden 22 Mio. Pflanzen und mehr als 70 Tonnen Pflanzensamen ausgegeben. Hierdurch konnten fast 3.000 Hektar - zusätzlich zu den Wiederaufforstungen nach genehmigten Kahlschlägen - aufgeforstet werden.370 Da trotz alledem "ein ständiger Waldschwund festgestellt werden mußte," stellte der Verband die Frage, "auf welche Weise sich die für die Volksgesundheit unentbehrlichen, aber privat- wirtschaftlich nicht mehr haltbaren Wälder im Innern des Bezirkes in die öffentliche Hand überführen lassen." 371 Der Verband rechnete mit Grunderwerbskosten in Höhe von "18 bis 20 Millionen Mark", von denen in den nächsten Jahren zumindest "eine Summe von 5 Millionen Mark flüssiggemacht" werden müsse. Nachdem zu Beginn des Jahrhunderts die Stadt Dortmund noch umfangreiche Wälder aufgekauft hatte und auch die Städte Gelsenkirchen, Buer und Horst auf dem Grundstücksmarkt sehr aktiv gewesen waren, könne "den Gemeinden des Verbandsgebietes ... zurzeit ein solches Opfer nicht allein zugemutet werden, da sie infolge der allgemeinen Arbeitslosigkeit besonders hohe Ausgaben auf dem Gebiete der Wohlfahrtspflege zu tragen haben. Deshalb muß ein staatlicher Zuschuß erbeten werden." 372 Die Verbandsversammlung hat daher am 28. Oktober 1924 einstimmig eine Entschließung verabschiedet und die Reichsregierung sowie die preußische Staatsregierung um "tatkräftige finanzielle Unterstützung" ge- Forstgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (Landesforstgesetz). Vom 29. Juli 1969, GV. NW. S.588, hier: § 81 Abs.2; Gesetz zur Sicherung des Naturhaushalts und zur Entwicklung der Landschaft (Land- schaftsgesetz - LG). Vom 18. Februar 1975, GV. NW. S.190, hier: § 69 Abs.1 Nr.4 369 SVR (1927b): Denkschrift über die Walderhaltung im Ruhrkohlenbezirk, Essen; SVR (1928a), S.11, S.14, S.16; SVR (1932), S.21, SVR (1933), S.19 370 SVR (1927b), S.11 f; SVR (1928a), S.16, 22, 26; SVR (1927a), S.17; SVR (1928b), S.18; SVR (1929), S.22; SVR (1930), S.21; SVR (1931), S.27; SVR (1932), S.21, SVR (1933), S.19 371 SVR (1928a), S.16 372 SVR (1927b), S.15 f; Freywald (1920); Hudde, Wilhelm (1929): Die Grundstückspolitik der Städte Gelsenkirchen, Buer und Horst, Diss. Bonn 4. Wald und Forst 105 beten. Eine entsprechende Petition vom 19. März 1925 sowie ein Antrag der meisten Parteien im Reichstag wurde von der Reichsregierung jedoch abgelehnt, weil "es sich um eine Landessache handele". Stattdessen hat der Reichfinanzminister den Ländern insgesamt 44 Millionen Mark für "Forstschäden der öffentlich-rechtlichen Körperschaften, insbesondere der Gemeinden und Gemeindeverbände" zur Verfügung gestellt, von denen allein Preußen 30 Millionen Mark erhalten hat. Ein Antrag an den Preußi- schen Landtag, die Walderhaltung im Ruhrgebiet finanziell zu unterstützen, hatte schließlich Erfolg.373 Der erste Staatszuschuss im Jahr 1925 in Höhe von 25.000 Reichsmark wurde "zur Anlage einer Pflanzenschule, welche die Gemeinden mit rauchhartem Pflanzmaterial unentgeltlich versorgt, verwendet". Dabei handelte es sich um den Forstgarten in "Essen an der Platte".374 Ab 1927 stellte der preußische Staat jährliche Zuschüsse in Höhe von zunächst 80.000 RM zur Verfügung, die bis 1931 auf 147.000 RM erhöht, dann aber wieder abgebaut wurden. Ursprünglich sollte hiermit die Zinsbelastung des Verbandes für eine geplante Anleihe von 2 Millionen Mark gesenkt werden. Infolge von Schwierigkeiten auf dem Geldmarkt kam die Anleihe nicht zustande. Daher flossen die staatlichen Zinszuschüsse nun unmittelbar an die Kommunen, um ihnen die Kreditaufnahme zur Finanzierung von Grundstückskäufen zu erleichtern. In einzelnen Jahren stellte der Verband noch einmal die gleichen Beträge zur Verfügung. Diese Mittel reichten aus, um zwei Drittel der kommunalen Zinsverpflichtungen zu decken.375 Welche Waldgrundstücke die Kommunen in den Jahren 1928 und 1929 erworben haben, zeigt Tabelle 4.2. 373 SVR (1927b), S.16 f 374 SVR (1928a), S.19, 22; Helmig (1932), S.106 375 Bei diesem Thema lassen sich Überschneidungen mit dem Kapitel über die Ver- bandsgrünflächen nicht vermeiden; SVR (1928a), S.22, 26; SVR (1927a), S.16; SVR (1928b), S.17; SVR (1930), S.19; SVR (1931), S.25; SVR (1932), S.19, SVR (1933), S.18; Frantz (1930), Sp.697; Helmig (1932), S.106, erweckt den Eindruck, als ob die 1927 von Preußen gewährten 200.000 RM auch in diesem Jahr ausgezahlt worden wären. Tatsächlich wurden sie auf drei Jahre verteilt, in Teilbeträgen von 80.000 RM und zweimal 60.000 RM 4. Wald und Forst 106 Tabelle 4.2. Kauf von Waldgrundstücken durch Kommunen im Ruhrgebiet und staatliche Zinszuschüsse in den Jahren 1928 und 1929 Kommune Kaufobjekt Fläche Zinszuschuss 1928 Stadt Bottrop Köllnischer Wald 100,00 ha 29.200 RM Stadt Herne Gysenberger Busch 100,50 ha 17.600 RM Stadt Hamm Heessener Wald 120,50 ha 12.000 RM Kreis Recklinghausen Horneburger Busch 6,25 ha 600 RM 1929 Stadt Dortmund Waldungen im Dorney 30,00 ha k.A. Stadt Wattenscheid Spelbergs Busch 6,25 ha k.A. Stadt Duisburg Haniel'sche Waldungen 208,25 ha 19.000 RM Stadt Blankenstein Gethmann'scher Park 6,75 ha 1.800 RM Gemeinde Neukirchen Waldfläche 10,00 ha k.A. Stadt Gelsenkirchen- Buer Westerholt'sche Waldungen (Pacht) 61,00 ha k.A. k.A.: keine Angabe Quellen: SVR (1929), S.19; SVR (1930), S.19; Helmig (1932), S.106376 So haben die Kommunen im Ruhrgebiet fast 600 Hektar Wald erworben und weitere Parzellen gepachtet. Aufgrund der wirtschaftlichen und wenig später auch der politischen Verhältnisse konnten die kommunalen Grund- stückskäufe in den Folgejahren nicht fortgesetzt werden.377 In dieser Zeit ist die Waldfläche im Ruhrgebiet weiter zurückgegangen. Zwischen 1913 und 1938 sank ihr Flächenanteil im Kern-Ruhrgebiet von 17,0 auf 15,2 Prozent und im gesamten rechtsrheinischen Revier von 19,6 auf 16,9 Prozent, was einem Flächenverlust um 7.000 Hektar entspricht. Allerdings sind in dieser Zahl noch die Verluste während des Ersten Welt- krieges und während der ersten Jahre des Nationalsozialismus enthal- ten.378 4.1.3. Nationalsozialistische Waldzerstörung Die Zeit des Nationalsozialismus brachte für den Forstbereich eine Vielzahl von organisatorischen Änderungen zur Durchsetzung von Führerprinzip, Gleichschaltung und Zentralisierung. Hierzu gehörten die Auflösung der Waldbauvereine379 und die Eingliederung der Landwirtschaftskammern mit der Betreuung der Privatforstwirtschaft in den Reichsnährstand. Noch 1933 wurde beim so genannten "Reichsbauernführer" Ricardo Walther Darré, zugleich Reichslandwirtschaftsminister, eine Reichsforstabteilung für den Privatwald eingerichtet. Den Landesbauernschaften wurden eigene Forstabteilungen, den Kreisbauernschaften Forstämter und den Ortsbauernschaften eigene Bezirksförster zugeordnet. Bis zum Beginn des 376 In den Verwaltungsberichten hat der SVR die Flächen in Morgen angegeben. Der Umrechnung habe ich - vereinfacht - das Verhältnis 1 Morgen = 0,25 Hektar zugrun- degelegt. Helmig (1932), S.106, nennt anstelle des Köllnischen Waldes den Bischofs Sundern. 377 SVR (1933), S.18; Helmig (1932), S.106 378 Tabelle 4.1. - Genauere Angaben sind leider nicht möglich, da die Bodennutzungserhebungen in diesem Zeitraum nur in den Jahren 1913, 1927 und 1938 stattgefunden haben. Außerdem gab es in dieser Zeit umfangreiche kommunale Neugliederungen, so dass die absoluten Angaben für die einzelnen Jahre nicht mit- einander vergleichbar sind. 379 Hocke (1936), S.1, S.15 4. Wald und Forst 107 Zweiten Weltkrieges war somit die Agrarverwaltung für die Beratung der Privatforsten, insbesondere der Waldbauern zuständig.380 In Konkurrenz zu Darré stand Göring.381 Der Staatswald, der bisher überwiegend den Ländern gehört hatte, wurde dem Reichsforstamt mit Göring als "Reichsforstmeister" unterstellt. Darunter standen Länderforst- verwaltungen, Regierungsforstämter für die jeweiligen Regierungsbezirke und dort wiederum mehrere Forstämter als unterste Instanzen. Kurz nach Kriegsbeginn erreichte Göring einen Machtzuwachs. Er erhielt die "Reichsstelle für Holz", die in Berlin am 5.9.1939 eingerichtet wurde. Ihr wurden auch die Forstämter des Reichsnährstandes unterstellt, die jetzt - so Wegener - für die "kriegsbedingte Regelung forst- und holzwirtschaftli- cher Fragen" zuständig waren, also für das geforderte Holzaufkommen sorgen mussten.382 Bereits ab 1934 lag das Holzeinschlagssoll im öffentlichen und ab 1937 im gesamten Wald bei 150 Prozent des Normaleinschlages.383 Tatsächlich erreichte der Holzeinschlag in Nordrhein-Westfalen von 1937 bis 1948 sogar einen Wert von 267 Prozent, also fast das Dreifache des normalen Hiebsatzes.384 Im Verlauf des Krieges wurden immer mehr Kriegsgefan- gene als Zwangsarbeiter in den Wäldern eingesetzt.385 Der SVR schätzte, dass die Waldfläche im gesamten Verbandsgebiet, die nach dem Ersten Weltkrieg noch 72.000 Hektar umfasste, nach dem Zweiten Weltkrieg nur noch 64.000 Hektar betrug.386 Ursachen waren vor allem die Kriegswirtschaft, die unmittelbaren Kriegseinwirkungen und die Mangelsituation nach Kriegsende. Darüber hinaus waren - Hesmer zufolge - während der so genannten nationalsozialistischen "Erzeugungsschlacht" auch im Ruhrgebiet weitere Waldflächen zur Umwandlung in Ackerland abgeholzt worden. So hatte der Verband bis 1937 die Abholzung von 6.671 Hektar genehmigt, von denen fast 3.000 Hektar "zur landwirtschaftlichen Nutzung freigegeben" waren.387 380 Wegener, Hans-Jürgen (2003b): Forst- und Holzwirtschaftspolitik zwischen 1933 und 1945, in: Schulte (2003a), S.166-176 381 Rubner, Heinrich (1985): Deutsche Forstgeschichte 1933-1945 - Forstwirtschaft, Jagd und Umwelt im NS-Staat, St. Katharinen, S.64-69 und an weiteren Stellen 382 Rubner (1985), S.68, 166-ff; Wegener (2003b), S.166-176; die noch weitergehende "Anordnung" vom 20.2.1941, derzufolge die Forstabteilung aus dem Reichsnährstand als Abteilung Privatforsten in das Reichsforstamt, also von Darré zu Göring wechseln musste und auf der untersten Ebene Einheitsforstämter gebildet werden sollten, konnte sich im heutigen Nordrhein-Westfalen nicht mehr auswirken. 383 Rubner (1985), S.93-95, S.184 f, S.125 ff, S.204; Wegener (2003b), S.166-176 384 Landesregierung Nordrhein-Westfalen (1949): Regierungsvorlage vom 21. November 1949. Gesetzentwurf zum Schutze des Waldes, Landtag Nordrhein-Westfalen. Druck- sache Nr.II-1376, S.1041-1044, hier: S.1042; ähnlich: Hesmer (1958), S.386 f 385 Rubner (1985), S.93-95, S.184 f, S.125 ff, S.204; Wegener (2003b), S.166-176 386 SVR (1958): Bericht über das Geschäftsjahr 1957, Essen, S.25; SVR (1959): Waldschutz und Landespflege im Ruhrgebiet, Essen, S.8 387 Lange, Albert (1938): Die Grünflächenpolitik des Siedlungsverbandes Ruhrkohlenbe- zirk, in: Raumforschung und Raumordnung, Band 2 (1938), Heft 4/5, S.196-199, hier: S.197; Hesmer (1958), S.116 4. Wald und Forst 108 4.1.4. Erfolgloser Waldschutz während der Wiederaufbauphase Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kam es in der Forstpolitik zu wichtigen Neuerungen, sowohl im Bereich des Forstrechtes als auch bei den forstpolitisch tätigen Verbänden. a. Neue zivilgesellschaftliche Initiativen Bereits 1946 begann - mit Unterstützung der britischen Militärregierung - der Aufbau des Waldbauernverbandes, dem sich neben vielen Privat- waldbesitzern auch zahlreiche Kommunalwaldbesitzer anschlossen, zur gemeinsamen Interessenvertretung.388 Zwei Jahre später schlug der Waldbauernverband den Privatwaldbesitzern vor, sich zu Waldwirt- schaftsgemeinschaften zusammenzuschließen, wie sie im Raum Arnsberg bereits erfolgreich tätig waren. Bis Anfang der 1950er Jahre waren mehr als 400 solcher Zusammenschlüsse in NRW entstanden.389 Zur gleichen Zeit bildete sich mit dem nordrhein-westfälischen Landesver- band der "Schutzgemeinschaft Deutscher Wald" (SDW) eine parteien- und berufe-übergreifende Organisation, an der sich vor allem Vertreter kom- munaler Verwaltungen, Politiker, Industrielle, Waldbesitzer und andere am Wald interessierte Privatpersonen, häufig Lehrer beteiligten. Ihr anfängli- ches Ziel war, eine drohende Waldverwüstung, nicht nur durch die Brenn- holz "organisierende" deutsche Bevölkerung, sondern auch durch die "Re- parationshiebe" der Alliierten zu verhindern.390 1948 wurde der Reichsnährstand formell aufgelöst, und Anfang 1949 wur- den die Landwirtschaftskammern wieder eingerichtet, verbunden mit der Aufgabe, den Privatwald zu fördern und zu betreuen.391 b. Waldschutzgesetz 1950 Wenig später wurden auch die neue Landesregierung von Nordrhein- Westfalen und der Landtag tätig. Bereits im Herbst 1949 war die Laufzeit des Baumschutzgesetzes auf 30 Jahre verlängert worden. Wenig später begannen die Beratungen, die am 1. März 1950 zur einstimmigen Verab- schiedung des Gesetzes zum Schutze des Waldes führten.392 Nachdem 388 Wegener, Hans-Jürgen (1997): 50 Jahre Waldbauernverband Nordrhein-Westfalen e.V. Ein Stück nordrhein-westfälischer Forstgeschichte (nach einem Vortrag anlässlich der Mitgliederversammlung des Waldbauernverbandes am 23. Mai 1997 in Werl), (24.7.08) 389 Mascher, Rudolf (1954): Die Zusammenschlüsse im kleinen Waldbesitz Nordwest- deutschlands, ihre rechtliche und forstbetriebliche Gestaltung. Dargelegt anhand von Beispielen vornehmlich aus Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, Bremen-Horn, S.29; vgl. Hesmer (1958), S.436-439 390 Wendzinski, Gerd (1999): An die Leistungen von 1946 anknüpfen. Gedanken zur Zukunft des Landesverbandes NRW, in: Schutzgemeinschaft Deutscher Wald Lan- desverband NRW e.V. (Hg.) (1999): 50 Jahre Schutzgemeinschaft Deutscher Wald Landesverband Nordrhein-Westfalen 1946-1996, Oberhausen, S.51-55; Hirsch, Hans H. (1999): Bündnis gegen die Verödung und Versteppung des Landes. Die Entstehung des Landesverbandes NRW der SDW, in Schutzgemeinschaft Deut- scher Wald Landesverband NRW e.V. (Hg.) (1999), S.23-29; Hirsch, S.26, räumt ein: "Hinter diesen Aktionen standen Idealisten, vielleicht auch Nationalisten, die in der Besatzung noch den Feind sahen, und die Besitzer der Wäl- der." 391 Hesmer (1958), S.441f; Wegener (2003b), S.176 392 Landtag Nordrhein-Westfalen (1947/1950): Stenographischer Bericht. 1. Wahlperiode 1947/1950, Düsseldorf, 122. Sitzung am 1. März 1950, S.4005-4012 4. Wald und Forst 109 das Kaiserreich und die preußische Monarchie, die Weimarer Republik und das nationalsozialistische Regime immer wieder an der Erarbeitung eines Forstkulturgesetzes gescheitert waren, hat Nordrhein-Westfalen ein Waldschutzgesetz vorgelegt, das in insgesamt elf Paragrafen - jeden Wald unter einen grundsätzlichen Schutz stellte, - den besonderen Schutz von Wäldern mit besonderen Wohlfahrtswir- kungen ermöglichte, - die grundsätzliche Pflicht zur Wiederaufforstung aussprach, - verbindliche behördliche Aufforderungen zur Ödlandaufforstung er- laubte, - behördliche Anordnungen zu produktionssteigernden Maßnahmen ermöglichte, zu denen nicht nur waldbauliche und betriebliche Maß- nahmen, sondern auch die Verpflichtung zum Zusammenschluss zu größeren Wirtschaftseinheiten gehören konnte.393 Das wichtigste Motiv für die Verabschiedung dieses Gesetzes lag in der wirtschaftlichen Bedeutung. So war das Waldschutzgesetz der Regie- rungsvorlage zufolge "angesichts des ständig wachsenden Mißverhältnisses zwischen dem Holzbedarf der deutschen Wirtschaft und der Holzerzeugung des deutschen Waldes bei sehr fraglichen Holzeinfuhrmöglichkeiten" notwendig geworden.394 Auch wenn der damalige Ernährungsminister Heinrich Lübke die wasserspeichernde Funktion der Wälder und ihre Be- deutung für die Wasserversorgung der Ruhrindustrie in den Vordergrund stellte, so wies auch er schließlich daraufhin, dass "wir im Lande und in Deutschland eine ganz außerordentlich schlechte Holzbilanz haben ... Holz ist zur Zeit der knappste Rohstoff und wird es auch eine lange Zeit bleiben, in Deutschland, in Europa und in der Welt." 395 Dieses Gesetz mit seinen Durchführungsbestimmungen bildete für fast zwei Jahrzehnte die Grundlage für die Forstpolitik in Nordrhein-Westfalen. Eckpfeiler waren die Anerkennung des Privateigentums und die Freiheit der Eigentümer, aber auch die Sozialpflichtigkeit des Eigentums. Ziel des Gesetzes war es, den Wald "vor Schaden (zu) bewahren und wirtschaftlich (zu) fördern. Mittel zur Verwirkli- chung dieses Zieles sollen sachkundige Beratung und Betreuung sein." (Präambel) Hinzu kamen finanzielle Unterstützungen vor allem für Wieder- und Öd- landaufforstungen. Abholzungen wurden unter besonderen Umständen genehmigungspflichtig, und darüber hinaus drohte das Waldschutzgesetz mit Anordnungen und behördlichen Ersatzvornahmen, wenn Waldbesitzer ihren Wald vernachlässigten.396 Zugleich griff das Waldschutzgesetz die Idee der Waldwirtschaftsgemein- schaften auf. Zwar können vor allem Kleinwaldbesitzer zwangsweise zu Forstverbänden oder Wirtschaftsgenossenschaften zusammengeschlos- sen werden, zunächst aber haben sie Gelegenheit, "auf freiwilliger Grundlage in angemessener Frist Zusammenschlüsse zu bilden, die die Gewähr für ausreichende Holzerzeugung und gute Waldpflege bieten." (§ 6 Abs.1) 393 Gesetz zum Schutze des Waldes. Vom 31. März 1950, GV. NW. S.63 f 394 Landesregierung (1949), S.1041 395 Lübke, Heinrich (1949), in: Landtag Nordrhein-Westfalen (1947/1950): Stenogra- phischer Bericht. 1. Wahlperiode 1947/1950, Düsseldorf, hier: 118. Sitzung am 15. Dezember 1949, S.3764-3767 396 Sybrecht (1965) 4. Wald und Forst 110 Die bevorzugte Zuteilung von Fördermitteln dürfte die "Neigung" der Pri- vatwaldeigentümer zum Zusammenschluss erhöht haben.397 Bis 1966 waren in Nordrhein-Westfalen 470 Waldwirtschaftsgemeinschaften mit 21.600 Mitgliedern und einer Fläche von 104.000 Hektar entstanden; das waren mehr als 10 Prozent der gesamten und fast 20 Prozent der privaten Waldfläche im Lande.398 Hintergrund dieser Politik war die Struktur des Waldbesitzes in Nordrhein- Westfalen: An der Gesamtwaldfläche von rund 800.000 Hektar im Jahr 1949 hatten - der Staatswald einen Anteil von 15 Prozent, - der Körperschaftswald 21 Prozent und - der Privatwald einen Anteil von 64 Prozent. Von den vorherrschenden Privatwäldern wiederum waren ein Zehntel klei- ner als 2 Hektar, zwei Zehntel 2 bis 10 Hektar groß und ein weiteres Zehntel 10 bis 20 Hektar groß.399 Da diese Flächen häufig noch in meh- rere, voneinander getrennte Parzellen unterteilt waren, stieß ihre selbst- ständige, nachhaltige Bewirtschaftung auf große Schwierigkeiten. Hinzu kam seit der Mitte der 1950er Jahre ein allmählicher Preisverfall, ausge- hend von 95 DM/fm auf nur noch 56 DM/fm im Jahr 1968, ein Preis, der sogar einen negativen Reinertrag bedeutete. Auch aus diesen Gründen machte der Holzeinschlag in Nordrhein-Westfalen im Privatwald Anfang der 1960er Jahre mit rund 2,8 fm/ha nur wenig mehr als die Hälfte des Holzeinschlages im Staatswald aus, so dass - wie häufig beklagt - ein gro- ßer Teil der Holzressourcen des Privatwaldes wirtschaftlich, d.h. für die Wertschöpfung des Landes völlig ungenutzt blieb und durch kostspielige Importe substituiert werden musste.400 Durch eine gemeinsame, zumindest abgestimmte Betriebsplanung im Rahmen von forstwirtschaftlichen Zusammenschlüssen sollten diese Probleme überwunden werden. c. Waldverluste im Ruhrgebiet Im Ruhrgebiet war der Waldzustand besonders schlimm. Nur 64.000 Hektar Wald, davon 51.000 Hektar Privatwald hatten den Zweiten Welt- krieg überstanden. Unter dem Titel "Sterbende Wälder" hat der Waldbau- ernverband Recklinghausen im Jahr 1957 eine "Denkschrift über die besondere Lage der Forstwirtschaft im Industriegebiet" herausgegeben - ein eindringlicher Aufruf zur Rettung der Wälder.401 Mit dem Waldschutzgesetz wurde der Siedlungsverband zur höheren Forstbehörde ernannt. Forstaufsicht und Förderung des Wiederaufbaus im 397 Hesmer (1958), S.437 398 Keimer, Werner (2003): Forstgesetzliche Regelungen, in: Schulte (Hg.) (2003a), S.289-296; nach Hasel, Karl (1971): Waldwirtschaft und Umwelt, Hamburg und Berlin, S.312, gab es 1968 in NRW 463 Waldwirtschaftsgemeinschaften mit 22.000 Mitgliedern und einer Fläche von 103.000 Hektar. 399 Landesregierung (1949), S.1042; Mascher (1954), S.16 400 Hasel (1971), S.105; S.92-94. Hasel gibt die Holzpreise im Staatswald von Baden- Württemberg an. Aufgrund der hohen Importabhängigkeit der BRD dürften die Holz- preise weitgehend durch die Importpreise bestimmt und daher in den verschiedenen Regionen ähnlich gelagert sein. Allerdings werden die Preise, die der Privatwald erzielen kann, aufgrund seiner geringeren Angebotsmengen niedriger ausfallen. 401 Waldbauernverband (Hg.) (1957), mit Unterstützung durch die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, den Landschaftsverband Westfalen-Lippe und den Regierungspräsi- denten in Münster 4. Wald und Forst 111 Privatwald gehörten somit weiterhin zu den Aufgaben des SVR, der bis in die 1960er Jahre hinein als Genehmigungsbehörde u.a. für die Umwand- lung von Wald in andere Nutzungsarten zuständig war.402 Während die Waldumwandlung 1957 "mehr als ausgeglichen werden" konnte, musste der Verband in den anderen Jahren - z.T. beschönigend - Verluste einräumen: "Meist konnte für die umzuwandelnde Waldfläche eine gleich große bisherige Nichtwaldfläche ersatzweise aufgeforstet werden." (1961) "Den Abgängen für Zwecke des Straßenbaus, der Energieversorgung, der Be- siedlung und der Landesverteidigung standen nur in seltenen Fällen Neuzugänge durch Erstaufforstung gegenüber. Eine gewisse Reduzierung der Gesamtwaldflä- che, die sich allerdings im Rahmen der allgemeinen Beanspruchung ländlichen Grundbesitzes hält, mußte deshalb in Kauf genommen werden." (1965) "Infolge der ständig steigenden Flächenbeanspruchung, insbesondere für Sand-, Kies- und Tonausbeutung, den Straßenbau u.a.m., überwiegt letztlich jedoch der Waldverlust." (1970) "Eingetretene Flächenverluste wurden dabei durch Verbesserungen des Waldzu- standes aufgewogen". (1975) 403 Darüber hinaus war der SVR auch für Kahlschlagsgenehmigungen zu- ständig. So hat er 1957 noch 184 Kahlschläge auf 160 Hektar genehmigt, die mit der Auflage der anschließenden Wiederaufforstung und mit der "Hinterlegung der mutmaßlichen Aufforstungskosten" verbunden waren.404 Diesen Kahlschlägen und Waldumwandlungen stehen die Aufforstungen gegenüber, die der SVR gefördert hat. Von 1949 bis 1957 sind "etwa 2500 ha Wald ... neu-, wiederaufgeforstet oder in gehörigen Zustand ge- bracht worden". Bis Ende 1974 kamen weitere 4.200 Hektar hinzu, für die der SVR über 4,3 Mio. DM an Fördermitteln eingesetzt hat, die jeweils 30-50 Prozent der Kosten ausmachten.405 Trotzdem ist die Waldfläche im Ruhrgebiet bis in die 1960er Jahre hinein per Saldo ständig zurückgegangen. Im Kern-Ruhrgebiet war der Tiefpunkt mit rund 29.000 Hektar Wald und einem Flächenanteil von 14 Prozent zu 402 SVR (1958), S.25; Sybrecht (1965), S.28 ff; die Angaben in den Tätigkeitsberichten sind sehr lückenhaft: SVR (1958), S.25: im Jahr 1957 waren es 63 Anträge auf Umwandlungen und 27 Genehmigungen mit 19 Hektar; SVR (1965): Tätigkeitsbericht 1961-1964, Essen, S.62: im Zeitraum 1961-1964 waren es 130 Fälle; SVR (1970c): Bericht 1965-1969. Schriftenreihe Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk, Band 33, Essen, S.28: im Zeitraum 1965-1969 waren es 319 Hektar 403 SVR (1958), S.25; SVR (1961): Tätigkeitsbericht 1958-1960, Essen, S.78; SVR (1965), S.62; SVR (1970c), S.28; SVR (1975a): Bericht 1970-1974. Schriftenreihe Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk, Band 57, Essen, S.57 404 SVR (1958), S.25; SVR (1961), S.78; SVR (1965), S.61; Ende 1957 waren 270.000 DM für noch nicht erfolgte Wiederaufforstungen hinterlegt, 1960 waren es 139.000 DM sowie 109.000 DM am Jahresende 1964. 405 Leider sind die Aussagen in den Jahresberichten nicht eindeutig, z.B.: Ob die der "Aufforstungskontrolle" unterliegenden (Wieder-) Aufforstungen in o.g. Zahlen ent- halten sind, war nicht zu klären. Dass in den o.g. Aufforstungsbilanzen auch Maß- nahmen der Begrünungsaktion enthalten sind, wird in den Jahresberichten des SVR nicht explizit ausgeschlossen. Über die "Begrünungsaktion Ruhrkohlenbezirk" wird im Kapitel 9 berichtet; SVR (1958), S.26; SVR (1961), S.79; SVR (1965), S.61 f; SVR (1970c), S.28; SVR (1975a), S.57 und S.59 4. Wald und Forst 112 Beginn der 1960er Jahre erreicht, im gesamten rechtsrheinischen Revier waren es 49.000 Hektar und 15 Prozent.406 4.1.5. Waldzunahme nach der Wiederaufbauphase Seit den 1950er Jahren haben sich die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen deutlich verändert. Bevor ich daher auf die Waldflä- chenentwicklung im Ruhrgebiet eingehe, will ich diese Rahmenbedingun- gen und die neuen gesetzlichen Regelungen skizzieren. a. Holzhandel und Holzpreise Wie die Landesregierung bereits 1950 festgestellt hatte, bestand ein "wachsende(s) Mißverhältnis zwischen dem Holzbedarf der deutschen Wirtschaft und der Holzerzeugung des deutschen Waldes".407 So hatte Nordrhein-Westfalen Anfang der 1950er Jahre einen jährlichen Bedarf nach 8,7 Mio. fm Nutzholz, dem aber nur ein Holzeinschlag von 1,9- 2,3 Mio. fm gegenüberstand.408 Doch während die Landesregierung von "sehr fraglichen Holzeinfuhrmöglichkeiten" ausging und Heinrich Lübke damals befürchtete, dass "die Einfuhren an Holz ... in Zukunft nicht mehr so leicht zu bekommen sein" 409 werden, entwickelte sich recht bald ein lebhaftes Import-Export-Geschäft. Schon 1960 wurden 40 Prozent des bundesdeutschen Holzumsatzes im- portiert und sogar 5 Prozent exportiert. Bis 1969 stieg der Importanteil auf mehr als die Hälfte und der Export auf fast 13 Prozent des Holzumsat- zes.410 Begünstigt wurde der Holzimport durch seit Jahren gesunkene Weltmarktpreise, die aber auch die Inlandspreise unter Druck setzten, während die Kosten laufend stiegen.411 Zu Recht stellte die Landesregie- rung 1968 - im Vergleich zu 1950 - daher fest: "Die entscheidende Veränderung liegt indessen darin, dass sich die wirtschaftliche Lage der Waldbesitzer wesentlich verschlechtert hat." 412 Auch wenn sich die Holzpreise im Anschluss an die Krise am Ende der 1960er Jahre eine Zeitlang positiver entwickelt haben, brachen sie seit den 1990er aufgrund von Sturmereignissen immer wieder ein, ohne sich danach wirklich zu erholen. Infolgedessen wird Rohholz in manchen Jahren im Überfluss angeboten und ist der Reinertrag sogar negativ. Es kommt hinzu, dass 90 Prozent aller Privatwaldeigentümer über weniger als 5 Hektar Wald verfügen und daher überhaupt kein nennenswertes Dauer- einkommen aus ihrer Waldwirtschaft erzielen können.413 406 Tabelle 4.1. 407 Landesregierung (1949), S.1041 408 Hesmer (1958), S.397 Fußnote 26 409 Landesregierung (1949), S.1041; Lübke (1949), S.3767 410 Hasel (1971), S.95; eig. Berechnungen 411 Hesmer (1958), S.396 f; Hasel (1971), S.105 412 Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen (1968): Entwurf eines Forstge- setzes für das Land Nordrhein-Westfalen (Landesforstgesetz) vom 11.6.1968, Land- tag Nordrhein-Westfalen. Drucksache Nr.6/772, Düsseldorf, S.41 413 Landesregierung Nordrhein-Westfalen (1981): Bericht der Landesregierung über Lage und Entwicklung der Forstwirtschaft, Landtag Nordrhein-Westfalen. Drucksache 9/630, Düsseldorf, S.8-10; Landesregierung Nordrhein-Westfalen (1986): Bericht der Landesregierung über Lage und Entwicklung der Forstwirtschaft (Landeswaldbericht 1986), Landtag Nordrhein- Westfalen. Drucksache 10/1090, Düsseldorf, S.15, S.19; Landesregierung Nordrhein-Westfalen (1991): Bericht der Landesregierung über Lage 4. Wald und Forst 113 b. Wohlfahrtswirkungen, Waldsterben und Klimawandel Während die Wälder an Wirtschaftlichkeit verloren haben, sind aus Sicht der sozial-liberalen Landesregierung, die 1966 die CDU/FDP-Regierung abgelöst hatte und die - zumindest in der öffentlichen Darstellung - für eine sozial-orientierte Reformpolitik stand, die Wohlfahrtswirkungen des Waldes für die gewachsene Bevölkerung und die industriellen Ballungsräume immer wichtiger geworden.414 Anfang der 1980er Jahre brach jedoch das "Waldsterben" aus, auf das die Landesregierung mit einem "Aktionsprogramm gegen das Waldsterben und Waldhilfsprogramm" reagiert hat. Wenige Jahre später kamen "neuar- tige Waldschäden", die "Komplexkrankheit Eichensterben", die "Hochla- generkrankung der Buche" und der "Treibhauseffekt" hinzu, nicht zu ver- gessen die verschiedenen Sturmschäden.415 War das Waldsterben ein wichtiger Grund für das Wachstum der Umweltbewegung und der grünen Partei, so sorgten diese, unterstützt von den Medien, für eine große, im Zeitablauf natürlich abnehmende öffentliche Aufmerksamkeit für die Forst- und Umweltpolitik und das Schicksal der Wälder. Vor allem im Zusammenhang mit dem Klimawandel wurden die Wälder auch von der internationalen Politik entdeckt. 1989 hat der Europäische Rat ein Forstliches Aktionsprogramm beschlossen, und 1992 waren Be- wirtschaftung, Schutz und Entwicklung der Wälder auf der Erde ein wichti- ges Thema auf der UNO-Konferenz in Rio de Janeiro. Etliche europäische und weltweite Konferenzen zu forstpolitischen Fragen folgten.416 c. Landesforstgesetz und Bundeswaldgesetz Vor diesem Hintergrund bekamen freizeit- und erholungspolitische Aspekte sowie der Umweltschutz ein wachsendes Gewicht in der Forstpolitik. Bereits mit dem Landesforstgesetz von 1969 wurden wichtige Neurege- lungen eingeführt: - ein allgemeines Betretungsrecht des Waldes für Fußgänger, allerdings nur "zum Zwecke der Erholung" und ausdrücklich "auf eigene Gefahr" - als Ausgleich gewährte das Land den Waldbesitzern eine Beihilfe zur Feuerversicherung, Unterstützung bei der Waldreinigung und einen und Entwicklung der Forstwirtschaft (Landeswaldbericht 1991), Landtag Nordrhein- Westfalen. Drucksache 11/2110, Düsseldorf, S.12-15; Landesregierung Nordrhein-Westfalen (1996): Bericht der Landesregierung über Lage und Entwicklung der Forstwirtschaft (Landeswaldbericht 1996), Landtag Nordrhein- Westfalen. Drucksache 12/1576, Düsseldorf, S.21-26; Landesregierung Nordrhein-Westfalen (2003): Bericht der Landesregierung über Lage und Entwicklung der Forstwirtschaft (Landeswaldbericht 2002), Landtag Nordrhein- Westfalen. Vorlage 13/2253, Düsseldorf, S.21-25; MUNLV - Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucher- schutz des Landes Nordrhein-Westfalen (2007a): Landeswaldbericht 2007. Bericht der Landesregierung zur Lage und Entwicklung der Forstwirtschaft (einschließlich forstbasierter Industrien) und über die zur Förderung der Forstwirtschaft erforderlichen Maßnahmen, Düsseldorf, S.20-22 414 Ministerpräsident (1968), S.41 415 Landesregierung (1986), S.28 ff; Landesregierung (1991), S.29-35; Landesregierung (1996), S.57-59; Landesregierung (2003), S.88-97; MUNLV (2007a), S.73-87; für weitere Baumschäden siehe: Niesar, Matthias, und Andreas Schulte (2003): Baumschäden und Baumschutz, in: Schulte, Andreas (Hg.) (2003b): Wald in Nordrhein-Westfalen, Band 2, Münster, S.617-640, sowie: Schulte, Andreas (2003c): Vom Rauchschaden zum Waldsterben, in: Schulte (2003b), S. 640-675 416 Landesregierung (1996), S.91-93 4. Wald und Forst 114 finanziellen Ausgleich bei sonstigen Schäden durch den Erholungsverkehr;417 - eine Erweiterung des Waldbegriffes, die Waldumwandlungen erschweren sollte: So ist Wald "jede mit Waldbäumen bestockte Flä- che" (§ 1 Abs.1), unabhängig davon, ob sie "zur Erzeugung von Holz dient oder dazu bestimmt ist",418 was bisher für die Waldeigenschaft entscheidend war; - dementsprechend wurden die Aufgaben der Forstwirtschaft funktional erweitert: Im Waldschutzgesetz 1950 stand der Wald als "Erzeuger des Rohstoffes Holz" noch an erster Stelle, gefolgt von verschiedenen Wohlfahrtswirkungen, wohingegen 1969 der "volkswirtschaftliche Nut- zen" erst im Anschluss an die Wohlfahrtswirkungen angesprochen wird. Die Holzerzeugung spielt im Landesforstgesetz also nicht mehr die zentrale Rolle.419 - Überdies wurde mit der Novellierung des Landesforstgesetzes im Jahr 1980 über die Waldumwandlung hinaus auch jede Erstaufforstung genehmigungspflichtig. Trotzdem enthält das Landesforstgesetz auch einige Ansätze, um die wirt- schaftliche Lage der Waldbesitzer zu verbessern: Maßnahmen, um die Beratung und Betreuung der Waldbesitzer zu optimieren und um die Effi- zienz der forstwirtschaftlichen Zusammenschlüsse der Waldbesitzer zu erhöhen. Durch diese Zusammenschlüsse sollten die Nachteile überwun- den werden, die die nachhaltige Bewirtschaftung von kleinen Privatwäldern erschweren: ihre geringe Flächengröße und die Gemengelage aus kleinen und kleinsten Parzellen unterschiedlicher Besitzer.420 Seitdem sind in Nordrhein-Westfalen mehrere Formen von forstwirtschaft- lichen Zusammenschlüssen möglich, von denen aber nur die Forstbe- triebsgemeinschaften (FBG) im Ruhrgebiet vorkommen. Auf Landesebene 417 Forstgesetz 1969, hier: § 3 "Betreten des Waldes" sowie § 7 "Waldbrandversicherung, Schadensbeseitigung". Selbstverständlich bleiben Teilflächen unter bestimmten Voraussetzungen (z.B. Schonungen oder Flächen, auf denen Holz eingeschlagen wird) weiterhin für Erho- lungsuchende gesperrt; siehe: §§ 4-6 Forstgesetz 1969 418 diese Definition ist enthalten in der Ersten Verordnung zur Durchführung des Geset- zes zum Schutz des Waldes (Waldschutzverordnung) vom 28. November 1950, GV.NW S.195; siehe: Sybrecht (1965), S.41 ff 419 Prämbel zum Waldschutzgesetz 1950; § 8 Forstgesetz 1969; Pielow, Ludger, unter Mitwirkung von Heinrich Hochhäuser (1971): Forstrecht in Nordrhein-Westfalen, Köln, S.17 f 420 Nur wenige Wochen später hat der Bundestag das "Gesetz über forstwirtschaftliche Zusammenschlüsse" verabschiedet, das die Regelungen des Landesforstgesetzes in einigen Punkten modifiziert hat. Dieses Zusammenschlussgesetz wurde 1975 nahezu wörtlich in das neue Bundeswaldgesetz übernommen, das ansonsten vor allem NRW- Regelungen auf das Bundesgebiet übertragen hat: Gesetz über forstwirtschaftliche Zusammenschlüsse vom 1. September 1969, BGBl. I S.1543; Gesetz zur Erhaltung des Waldes und zur Förderung der Forstwirtschaft (Bundes- waldgesetz). Vom 2. Mai 1975, BGBl. I S.1037; im Frühjahr 1980 wurde das Landesforstgesetz angepasst: Landesforstgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (Landesforstgesetz - LFoG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. April 1980, GV.NW S.546-557; seitdem gelten für die Wälder in Nordrhein-Westfalen eine Vielzahl von Bestimmun- gen aus dem Bundeswaldgesetz, die im Landesforstgesetz nicht mehr wiederholt werden, eine Reihe von landesspezifischen Konkretisierungen bundesweiter Rahmen- vorschriften und landeseigene Regelungen. Diese Art der Verknüpfung von zwei Ge- setzen ist recht unübersichtlich. Seit 1980 wurde das Bundeswaldgesetz nur in weni- gen, hier nicht bemerkenswerten Punkten geändert, während das Landesforstgesetz immerhin elf Änderungen ertragen musste. Immerhin blieben die wesentlichen, hier interessanten Regelungen unverändert. 4. Wald und Forst 115 haben sich inzwischen 37.900 Mitglieder mit über 320.000 Hektar Wald in 269 FBGs zusammengeschlossen, die damit die mit Abstand bedeutendste Form forstwirtschaftlicher Zusammenschlüsse darstellen.421 Dabei handelt es sich um freiwillige, privatrechtliche Zusammenschlüsse von Grundbesitzern mit dem Ziel, die Bewirtschaftung zu verbessern, z.B. durch Abstimmung von Betriebs- und Wirtschaftsplänen, durch gemein- schaftlichen Holzabsatz, Wegebau u.a.m. Die Anzahl und Größe der Forstbetriebsgemeinschaften sind bisher stetig gestiegen. d. Förderung der Forstwirtschaft Zu der Zunahme der forstwirtschaftlichen Zusammenschlüsse trägt auch ihre Bevorzugung bei der öffentlichen Förderung bei. Diese Förderung, die zunächst nur Landessache war, wurde Mitte der 1970er Jahre mit dem Bundeswaldgesetz und im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe zur Ver- besserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes auch zu einer Bun- desangelegenheit. Mit der europäischen Agrarreform im Jahr 1992 begann die Kofinanzierung durch die Europäische Union, die in Zukunft Mittel aus dem Europäischen Fonds für ländliche Entwicklung (ELER) zur Verfügung stellen wird.422 Dabei umfasst die Förderung zum einen die direkte Vergabe von Förder- mitteln und zum andern die "sachkundige Betreuung". Hierzu wiederum gehören "Rat und Anleitung" durch Informationsschriften, Vorträge u.ä. sowie die "tätige Mithilfe" in Gestalt der technischen Betriebsleitung, der Beförsterung oder der Holzverkaufshilfe. Während Rat und Anleitung kostenlos erteilt werden, müssen die Waldbesitzer, die die tätige Mithilfe in Anspruch nehmen, der Forstverwaltung grundsätzlich die Kosten erstatten, mit Ausnahme der forstwirtschaftlichen Zusammenschlüsse, denen mehr als 90 Prozent dieser Kosten erlassen werden.423 Die direkte Förderung bezieht sich vor allem auf Investitionen, zum Teil aber auch auf organisatorische Kosten. Gefördert werden - waldbauliche Maßnahmen: nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst die Wiederaufforstung der Kriegsschadensflächen, anschließend die Umwandlung von Niederwald in Hochwald und inzwischen neben Aufforstungen auch die Jungbestandspflege; - seit 1965 die "Walderhaltung im Immissionsgebiet", die Mitte der 1980er Jahre in eine Förderung von flankierenden Maßnahmen zur Eindämmung des Waldsterbens bzw. der "neuartigen Waldschäden" (ab 1991) umgewandelt wurde und insbesondere die Kalkung der Wälder umfasst; - forstlicher Wirtschaftswegebau; - die "Forsteinrichtung" bzw. mittelfristige Betriebsplanung; - Maschinen- und Geräteinvestitionen forstwirtschaftlicher Zusammen- schlüsse, zu denen im Verlauf der 1980er Jahre auch die Verwal- tungskosten hinzukamen, bevor diese Fördermaßnahme Mitte der 1990er Jahre in "Starthilfen für forstwirtschaftliche Zusammen- schlüsse" umgewandelt wurde; 421 MUNLV (2007a), S.100 f 422 nach Angaben in den Landeswaldberichten von 1981 bis 2007 423 Landesregierung (1981), S.19; MUNLV (2007a), S.168; inzwischen stößt diese Rege- lung auf wettbewerbsrechtliche Bedenken, so dass in Zukunft die forstwirtschaftlichen Zusammenschlüsse in NRW direkte Zuschüsse erhalten sollen, damit sie für die "tä- tige Mithilfe" anstelle des Landesforstbetriebes auch private Dienstleister engagieren können. 4. Wald und Forst 116 - die Beseitigung von Katastrophenschäden und -folgen, wozu z.B. auch die "Rationalisierung des Rundholzabsatzes" durch die Zwi- schenlagerung und Nasskonservierung von Rohholz gehört; - seit den 1990er Jahren der Einsatz von Rückepferden und - die Anlage von Sonderbiotopen im Wald. Hinzu kommen - als Ausgleich für die Einführung des allgemeinen Wald- betretungsrechtes - die Beteiligung des Landes an der Waldbrandversi- cherung, die im Jahr 2003 allerdings eingestellt wurde, und weitere öffent- liche Leistungen für Privatwälder, wie das Einsammeln von Abfällen, die Waldbrandverhütung und die Bereitstellung von ABM-Kräften.424 Zeitlich begrenzten Charakter hatte ein "Sonderprogramm zur Förderung des Ankaufs von Forstgrundstücken und aufforstungsfähigen Flächen durch die Gemeinden" im Rahmen des Ruhrprogrammes, wodurch von 1980 bis 1985 der Ankauf von 675 Hektar gefördert wurde.425 Ebenfalls zeitlich begrenzt war die Holzabsatzförderung von 1998 bis 2006, die u.a. der energetischen Holznutzung zu Gute gekommen war.426 Insgesamt ist die direkte Förderung des Privat- und Körperschaftswaldes in Nordrhein-Westfalen von 7 Mio. DM im Jahr 1981 auf über 42 Mio. DM im Jahr 1991 gestiegen, ein Zuwachs, der zum Teil auf die Diskussionen über das Waldsterben, zum Teil aber auch auf den Orkan Wiebke Anfang 1990 zurückzuführen ist. Danach allerdings wurde die direkte Förderung wieder drastisch reduziert und lag zuletzt bei knapp 6 Mio. Euro.427 e. Bundesnaturschutzgesetz und Landesplanung Zur Forstpolitik kommen die Bemühungen der Landesplanung und des Naturschutzes um die Erhaltung der Wälder. Ein Jahr nach dem Bundes- waldgesetz wurde das Bundesnaturschutzgesetz verabschiedet und die Verpflichtung zu Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen für Eingriffe in Natur und Landschaft eingeführt.428 Danach müssen Eingriffe in Natur und Landschaft zwar nicht gleichartig, wohl aber gleichwertig ausgeglichen werden. Um den ökologischen Wert der z.B. durch eine Baumaßnahme zerstörten Biotope und den Wert der durch eine Kompensationsmaßnahme produzierten Natur- und Land- schaftselemente zu ermitteln, werden standardisierte Bewertungsverfahren eingesetzt. In diesen Verfahren werden Natur und Landschaft in ver- schiedene Biotoptypen unterteilt, denen bestimmte Öko-Punkte je Hektar zugeschrieben werden. Dabei erhalten Wälder regelmäßig die höchsten Punktzahlen, Ackerflächen hingegen immer sehr niedrige Werte. Während für Eingriffe in Wälder mindestens flächengleiche Ersatzaufforstungen notwendig sind, kann die Bebauung einer gering bepunkteten Ackerfläche 424 nach Angaben in den Landeswaldberichten von 1981 bis 2007 425 Landesregierung (1981), S.21; Landesregierung (1986), S.35 426 MUNLV (2007a), S.104 f 427 nach Angaben in den Landeswaldberichten von 1981 bis 2007; rein rechnerisch wird also jeder Hektar Wald in NRW jährlich mit rund 7 Euro gefördert 428 durch das BNatSchG wurde auch die Anpassung des nordrhein-westfälischen Land- schaftsgesetzes erforderlich: Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz - BNatSchG) vom 20. Dezember 1976, BGBl. I S.3574, ber. 1977, S.650; Gesetz zur Sicherung des Naturhaushalts und zur Entwicklung der Landschaft (Land- schaftsgesetz - LG). Vom 18. Februar 1975, GV.NW. S.190; Gesetz zur Sicherung des Naturhaushalts und zur Entwicklung der Landschaft (Land- schaftsgesetz - LG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. Juni 1980, GV.NW. S.734 4. Wald und Forst 117 durch die Aufforstung einer kleineren Fläche ökologisch - vermeintlich - ausgeglichen werden. Die naturschutzrechtliche Ausgleichsregelung kann also den Freiflächenverlust nicht verhindern, trägt aber auf den verblei- benden Freiflächen zur Waldvermehrung bei.429 Auch auf der Ebene der Landesplanung wurden in den 1980er Jahren die Bemühungen zum Schutz der Wälder ausgeweitet. 1986 weist der Lan- deswaldbericht auf das landespolitische Ziel hin, dass Waldflächen erhal- ten bleiben sollen. Danach trat der Landesentwicklungsplan III in Kraft, der nicht nur eine schärfere Formulierung für das Schutzziel enthält, sondern für waldarme Gemeinden sogar die Waldvermehrung vorschreibt. Wirk- same Instrumente zur Durchsetzung dieser Ziele werden allerdings nicht angegeben. Im Landeswaldbericht 1996 setzt sich die rot-grüne Landes- regierung das Ziel einer landesweiten Waldvermehrung von derzeit 26 Prozent auf den Bundesdurchschnitt von 30 Prozent. Nachdem im Lan- deswaldbericht 2002 diese Ziele wiederholt wurden, sind sie nach dem Regierungswechsel im Landeswaldbericht 2007 kein Thema mehr.430 f. Forstwirtschaftlicher Strukturwandel im Ruhrgebiet Diese politischen Bemühungen um die Erhaltung und Vermehrung der Wälder seit den 1960er Jahren scheinen erfolgreich zu sein. Immerhin wurde die Waldfläche im Ruhrgebiet von 1960 bis 2008 deutlich vergrö- ßert: - im Kern-Ruhrgebiet von 28.875 auf 34.185 Hektar (16,6 Prozent), - im rechtsrheinischen Ruhrgebiet von 49.430 auf 61.711 Hektar (18,2 Prozent) und - im gesamten Ruhrgebiet von 55.193 auf 79.529 Hektar (17,9 Pro- zent).431 Diese Entwicklung ist in erster Linie auf die Aktivitäten des Regionalver- bandes Ruhr, seiner Vorläufer und der Ruhrgebietsstädte zurückzuführen. Auch industrielle Waldeigentümer haben teilweise dazu beigetragen, wäh- rend die kleinen Waldbesitzer auf dem Rückzug sind. Auch in der Forst- wirtschaft läuft ein Prozess des "Wachsen oder Weichen" ab. Diese Thesen lassen sich statistisch und durch eine eigene Befragung allerdings nur näherungsweise belegen. Das eine Problem liegt darin, dass die Mindestfläche, über die ein Forstbetrieb verfügen muss, um überhaupt statistisch gewürdigt zu werden, im Laufe der Jahre zweimal heraufgesetzt wurde. Das andere Problem liegt in den durch den Datenschutz bedingten 429 Häpke, Ulrich (1997b): Tricks und Tücken der Landschaftsbewertung, in: arbeitser- gebnisse. Schriftenreihe der Arbeitsgemeinschaft Ländliche Entwicklung am Fachbe- reich Stadtplanung/Landschaftsplanung der Gesamthochschule Kassel, Heft 37, März 1997, S.5-14; Schekahn, Anke, und Ulrich Häpke (1998): Handlungsfeld "Flächensicherung und 'Naturschutz durch Naturnutzung'" am Beispiel des Kreises Unna, in: Fink-Keßler, Andrea, Ulrich Häpke, Onno Poppinga, Anke Schekahn und Gerda Weber (1998): Regionale Lösungen für regionale Probleme. Vorschläge zur Landesagrarpolitik ent- wickelt an zwei Kreisen in Nordrhein-Westfalen. Arbeitsberichte des Fachbereichs Stadtplanung/Landschaftsplanung, Heft A 132, Kassel, S.135-162 430 Landesregierung (1986), S.40; Landesregierung (1991), S.52 f; Landesregierung (1996), S.83-85; Landesregierung (2003), S.127-129 431 Statistisches Landesamt Nordrhein-Westfalen (1961), S.2 f; LDS NRW (2008a); eigene Berechnungen. Der niederrheinische Kreis Geldern blieb in den Angaben für das gesamte Ruhrgebiet unberücksichtigt. Er wurde 1975 aufgelöst und schied zugleich aus dem SVR aus. 4. Wald und Forst 118 Lücken in den veröffentlichten Daten. Deshalb sind Vergleiche immer nur für bestimmte Zeitabschnitte und Teilräume möglich. - 1966 gab es noch 1.164 Forstbetriebe mit 37.538 Hektar Waldfläche (ab 0,01 Hektar) im gesamten Ruhrgebiet (aus Datenschutzgründen ohne Angaben für Herne, Lünen und Wattenscheid). Bis - 1971 ist ihre Zahl auf 1.101 Forstbetriebe, nun allerdings mit 39.549 Hektar Waldfläche gesunken (ebenfalls ab 0,01 Hektar und ebenfalls ohne Herne, Lünen und Wattenscheid). - Die Durchschnittsgröße der hier erfassten Forstbetriebe stieg von 32,2 auf 35,9 Hektar Wald.432 - 1981 gab es 807 Forstbetriebe mit 38.449 Hektar Wald (ab 1 Hektar) im Ruhrgebiet (jetzt ohne Duisburg, Oberhausen, Bottrop, Gelsenkir- chen, Bochum und Herne), deren Zahl bis - 1990 auf 731 Forstbetriebe mit 38.091 Hektar Wald gesunken ist (ebenfalls ab 1 Hektar und ebenfalls ohne Duisburg, Oberhausen, Bottrop, Gelsenkirchen, Bochum und Herne). - Die Durchschnittsgröße der hier erfassten Forstbetriebe stieg von 47,6 auf 52,1 Hektar Wald.433 Seit 1984 wird die Zahl der Forstbetriebe zusammen mit den landwirt- schaftlichen Betrieben mit Wald ausgewiesen. So gab es - 1984 zusammen 2.835 land- und forstwirtschaftliche Betriebe mit 53.380 Hektar Wald (ohne Bochum und Herne),deren Zahl bis - 1990 auf 2.575 Betriebe gesunken, deren Waldfläche aber auf 55.734 Hektar gestiegen ist (ebenfalls ohne Bochum und Herne). - Die Durchschnittsgröße der hier erfassten land- und forstwirtschaftli- chen Betriebe stieg von 18,8 auf 21,6 Hektar Wald.434 1999 wurde die untere Erfassungsgrenze für Forstbetriebe auf mindestens 10 Hektar Wald heraufgesetzt. Nun fand folgender Strukturwandel statt, - von 1999 mit 2.323 land- und forstwirtschaftlichen Betrieben und 59.009 Hektar Wald im gesamten Ruhrgebiet - bis 2005 auf 2.259 land- und forstwirtschaftliche Betriebe mit 64.748 Hektar Wald. - Die Durchschnittsgröße der hier erfassten land- und forstwirtschaftli- chen Betriebe stieg von 25,4 auf 28,7 Hektar Wald.435 432 Statistisches Landesamt Nordrhein-Westfalen (1967): Die Landwirtschaft in Nord- rhein-Westfalen 1966. Beiträge zur Statistik des Landes Nordrhein-Westfalen, Heft 230, Düsseldorf, S.42-45; Statistisches Landesamt Nordrhein-Westfalen (1972): Die Landwirtschaft in Nord- rhein-Westfalen 1971. Beiträge zur Statistik des Landes Nordrhein-Westfalen, Heft 296, Düsseldorf, S.38 f; eigene Berechnungen 433 zwischen 1971 und 1981 ist aus methodischen Gründen kein Vergleich möglich; LDS NRW (1982c): Die Landwirtschaft in Nordrhein-Westfalen 1981. Beiträge zur Statistik des Landes Nordrhein-Westfalen, Heft 481, Düsseldorf, S.66 f; LDS NRW (1992): Die Landwirtschaft in Nordrhein-Westfalen 1990. Beiträge zur Sta- tistik des Landes Nordrhein-Westfalen, Heft 674, Düsseldorf, S.74-79; eigene Berechnungen 434 LDS NRW (1986): Die Landwirtschaft in Nordrhein-Westfalen 1984. Beiträge zur Statistik des Landes Nordrhein-Westfalen, Heft 540, Düsseldorf, S.78-83; LDS NRW (1992), S.74-79; eigene Berechnungen 435 LDS NRW (2001b): Landwirtschaft in Nordrhein-Westfalen 1999, Düsseldorf, S.66-71; LDS NRW (2008c): Landwirtschaft in Nordrhein-Westfalen 2006, Düsseldorf, S.56-61; eigene Berechnungen 4. Wald und Forst 119 Trotz aller Lücken zeigen diese Daten, dass die Anzahl der Forstbetriebe und der landwirtschaftlichen Betriebe mit Wald rückläufig ist, während die durchschnittliche Betriebsgröße zunimmt. Dieses Wachstum der betrieblichen Waldflächen darf allerdings nicht mit einer tatsächlichen Waldzunahme verwechselt werden. Ein krasses Bei- spiel hierfür ist die Stadt Essen. In Essen gibt es rund 2.600 Hektar Wald, der zu fast zwei Dritteln im städtischen Eigentum steht. Darüber hinaus sind in Essen 9 Forstbetriebe ansässig mit einem Waldeigentum von zu- sammen 16.729 Hektar, das mehr als sechsmal so groß ist wie die ge- samten Waldflächen in Essen. Es können also nur wenige Waldflächen dieser Forstbetriebe in Essen liegen, während der überwiegende Teil außerhalb von Essen bewirtschaftet wird. Dabei dürfte es sich im wesentli- chen um "RVR Ruhr Grün" handeln, die "eigenbetriebsähnliche Einrich- tung", die für den Waldbesitz des Regionalverbandes im Umfang von mehr als 12.000 Hektar zuständig ist. g. Befragung von Waldeigentümern im Ruhrgebiet Um genauere Informationen zu bekommen, habe ich versucht, die wich- tigsten Waldbesitzer und Forstbetriebsgemeinschaften im Ruhrgebiet zu ermitteln. In einem Anschreiben habe ich ihnen eine Reihe von Fragen gestellt, insbesondere nach der Größe ihres Waldeigentums, nach den Veränderungen und ihren Ursachen. Ausdrücklich habe ich nach Zu- und Verkäufen, nach Waldumwandlungen, Aufforstungen und spontanen Wie- derbewaldungen gefragt, nach industriellen Brachflächen, Halden u.ä., nach bisher landwirtschaftlichen Flächen sowie nach der Bedeutung der Eingriffs-Ausgleichs-Regelung. Dabei war zu unterscheiden zwischen industriellen, adeligen, "kleinen" privaten und kommunalen Waldeigentümern. Im Jahr 1958 hat Hesmer eine Liste der großen Waldeigentümer in Nord- rhein-Westfalen veröffentlicht.436 Eine solche Liste könnte heute aus Datenschutzgründen nicht mehr aufgestellt werden. Für diese Waldei- gentümer, sofern sie im oder am Rande des Ruhrgebietes lagen, habe ich soweit möglich die aktuellen Adressen oder die Nachfolgeunternehmen ermittelt, in denen die Unternehmen des Jahres 1958 aufgegangen sind. Zudem habe ich noch bestehende Bergbaualtgesellschaften, ihre Nach- folger sowie Unternehmen aus der Eisen- und Stahlindustrie berücksichtigt. Daraufhin habe ich 18 Unternehmen und 5 gräfliche Forstverwaltungen angeschrieben. Zehn Antworten entsprechen einer Rücklaufquote von 43 Prozent. Hiervon waren drei Eigentümer ausdrücklich nicht zu näheren Angaben bereit, ein Unternehmen hat im Ruhrgebiet kein Waldeigentum mehr, während 7 Eigentümer bzw. Verwalter weiterführende Informationen zur Verfügung gestellt haben. Von dem Vertreter eines weiteren Unter- nehmens wurde mir darüber hinaus die Art und Weise des industriellen Umgangs mit Wald erläutert. Nach Angaben des Regionalforstamtes in Recklinghausen gibt es im Ruhrgebiet derzeit 15 Forstbetriebsgemeinschaften (FBG). Aus diesem Bereich habe ich aber nur drei inhaltliche Rückmeldungen (20 Prozent) und eine Entschuldigung wegen Zeitmangel erhalten, während einige andere Ansprechpartner nicht geantwortet haben, manche angeschriebenen 436 Heukamp, Bernhard (2003a): Die Forstverwaltungen, in: Schulte (2003a), S.297-309, hier: S.309 4. Wald und Forst 120 Adressen falsch waren und einige Adressen - mit vertretbarem Aufwand - nicht zu ermitteln waren. Schließlich wurden einschließlich des Regionalverbandes 37 kommunale Waldeigentümer angeschrieben, von denen 19 weiterführende Antworten (51 Prozent) kamen, während 18 Kommunen keine Informationen zu ihrem Waldbesitz mitteilten, vereinzelt aber über eine informative Internetseite verfügten. h. Industrielles und adeliges Waldeigentum im Ruhrgebiet 437 Nach wie vor gibt es im Ruhrgebiet ein umfangreiches, aber nicht quantifi- zierbares gräfliches Waldeigentum, das auf vorindustrielle Wurzeln zu- rückgeht. Leider habe ich nur wenige weiterführende Angaben erhalten, da es sich hierbei aus Sicht der Eigentümer "um betriebsinterne Informationen handelt, die wir nicht veröffentlicht wissen wollen". Industrieunternehmen haben ihr Waldeigentum erst dadurch erhalten, dass sie die für ihre Betriebsstandorte, die Wohnsitze der Firmeneigentümer und den Bau von Werkswohnungen benötigten Grundstücke käuflich erworben haben. Zum Beispiel verfügt Schloss Landsberg in Ratingen, wo August Thyssen gewohnt hat, über Wald in Breitscheid und Essen, heute Eigentum der August-Thyssen-Stiftung. Auch die Siedlung Margarethen- höhe in Essen, die für Arbeiter der Firma Krupp gebaut worden war, um- fasst einige Waldflächen.438 Weitere Waldflächen sind in das Eigentum von Unternehmen gekommen, wenn sie z.B. einen vollständigen landwirtschaftlichen Betrieb übernehmen mussten, um die benötigten Firmengrundstücke zu bekommen. Kleine Waldparzellen entstehen, wenn Betriebseinrichtungen, wie z.B. Umspannstationen, nur einen geringen Flächenbedarf haben und daneben Bäume stehen bleiben. Andere Grundstücke wurden erworben, um Schadenersatz für Berg- oder Immissionsschäden zu vermeiden. Beim Bergbau kam in früheren Zeiten auch das Interesse an Grubenholz hinzu. Nicht zuletzt haben viele Unternehmen eine umfangreiche Bodenvorrats- politik betrieben, zu denen auch Waldflächen gehörten, die erst bei Bedarf abgeholzt werden sollten. 437 die folgenden Informationen stützen sich auf: Arenberg Nordkirchen GmbH, Meppen, Frau Elke Frye , Email vom 10.6.08; August-Thyssen-Stiftung Schloss Landsberg, Essen (Kettwig), Herr Karl-Heinz Rau, Schreiben vom 25.6.08; Gräflich Nesselrodesche Verwaltung, Ruppichteroth-Herrnstein, Herr Kreysern, Schreiben vom 4.6.08; Graf von Merveldt'sche Forstverwaltung, Dorsten-Lembeck, Graf Merveldt, Schreiben vom 1.7.08; Hamborner Aktiengesellschaft, Duisburg, Frau Leppek, Schreiben vom 28.7.09; Klöckner-Werke AG, Dortmund, W.Möller, Schreiben vom 17.6.08; Montan-Grundstücksgesellschaft mbH, Essen, Frau Kristina Guntsch, Schreiben vom 27.6.08, sowie Telefongespräch mit Frau Kristina Guntsch am 1.7.08; Haus Vogelsang GmbH, Datteln, Herr Gösling, Bereichsleiter Forst, Telefongespräch am 1.7.08; RWE AG, Essen, Herr Becker, Telefongespräch am 1.7.08; ThyssenKrupp Real Estate GmbH, Essen, Herr Heinz Frenken , Email vom 13.6.08 438 Essen-Margarethenhöhe: Artikel in (4.6.09); Schloss Landsberg (Ratingen): Artikel in (4.6.09) 4. Wald und Forst 121 Dies dürften die wichtigsten Gründe sein, weshalb industrielle Unterneh- men zunächst zu temporären Waldeigentümern und manchmal im Laufe der Zeit im Nebenerwerb zu Forstbetrieben geworden sind. Manche Unternehmen haben nach der Aufgabe des Bergbaus ihre Flächen verkauft und sich aus dem Ruhrgebiet zurückgezogen. Andere Un- ternehmen halten an ihren Waldflächen fest, und zwar aus verschiedenen Gründen: Häufig wurde beim Kauf ein erhöhter Preis gezahlt, der zwar "in den Büchern steht", bei einem Verkauf aber nicht realisiert werden könnte und dann zu unerwünschten Verlusten führen würde. Waldflächen können für Unternehmen aber auch nützlich sein, wenn sie für Betriebseinrichtun- gen einen Sichtschutz bilden oder verhindern, dass die Wohnbebauung an den Betrieb heranrückt. Waldflächen können nach wie vor als Reser- veflächen oder bei anderweitigen Eingriffen in Natur und Landschaft als Kompensationsflächen dienen. Zumindest in der Vergangenheit bildeten Wälder auch firmeneigene Jagdreviere. Da die Unternehmen verpflichtet sind, ihre Waldflächen ordnungsgemäß zu bewirtschaften, nehmen sie nach Abholzungen natürlich auch wieder Aufforstungen vor. Hinzu kommen Aufforstungen aufgrund der Eingriffs- Ausgleichs-Regelung. Eine Ausnahme sind Halden, die in Absprache mit dem Regionalverband Ruhr bepflanzt und perspektivisch dem RVR über- tragen werden. Nicht mehr genutzte Betriebsstandorte bleiben teilweise der Sukzession überlassen, werden teilweise aber auch bepflanzt. Außerdem kann es auf kleineren, peripheren Standorten zu unbemerkten Wie- derbewaldungen kommen. So wurde in einem Unternehmen erst bei der Arbeit am Forsteinrichtungswerk deutlich, dass der Waldbesitz um mehr als 400 Hektar größer war als bis dahin geschätzt. i. Forstbetriebsgemeinschaften im Ruhrgebiet Im gesamten Ruhrgebiet gibt es nach Angaben des Regionalforstamtes in Recklinghausen derzeit 15 Forstbetriebsgemeinschaften (FBG). Zumeist sind sie aus den älteren Waldwirtschaftsgemeinschaften (WWG) hervor- gegangen. Dies gilt z.B. für die Waldwirtschaftsgemeinschaft Hattingen, die sich bereits 1970 in eine Forstbetriebsgemeinschaft umgewandelt und 1990 mit der Forstbetriebsgemeinschaft Sprockhövel zusammengeschlos- sen hat. Diese Forstbetriebsgemeinschaft Hattingen-Sprockhövel hat der- zeit 280 Mitglieder, darunter drei Kommunen, und eine Mitgliedsfläche von 2.160 Hektar Wald. Pro Jahr kommen ein bis drei Verkäufe vor, wobei die Käufer der Forstbetriebsgemeinschaft im allgemeinen beitreten. Probleme wie der Sturm Kyrill oder die steigende Verkehrssicherungspflicht führen dazu, dass sich weitere Waldbesitzer der Forstbetriebsgemeinschaft an- schließen, um ihre Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Infolgedessen ist im letzten Jahrzehnt die Mitgliedsfläche leicht gestiegen, während Waldumwandlungen und Aufforstungen kein Thema waren.439 Ein anderes Beispiel ist die Forstbetriebsgemeinschaft Ruhrtal, die sich 1983 aus drei Waldwirtschaftsgemeinschaften in Essen, Mülheim und Oberhausen gebildet hat. Diese Forstbetriebsgemeinschaft hat jetzt rund 150 Mitglieder mit einer Waldfläche von etwa 600 Hektar. Knapp zwei Drittel der Mitglieder sind Landwirte, von denen nur noch wenige selbst im Wald arbeiten. Ein Viertel der Mitglieder sind "Ausmärker", die ihre Wald- parzellen geerbt haben, häufig aber gar nicht mehr kennen. Das größte Mitglied ist die "August-Thyssen-Stiftung Schloss Landsberg", die das 439 Forstbetriebsgemeinschaft Hattingen-Sprockhövel, Herr Heinrich Korfmann, Schreiben vom Juni 2008 4. Wald und Forst 122 gleichnamige Schloss mit den dazugehörigen Ländereien umfasst und mit rund 130 Hektar Wald in der Forstbetriebsgemeinschaft vertreten ist. Auch in dieser Forstbetriebsgemeinschaft waren Waldverluste und Aufforstun- gen kein Thema.440 Die Forstbetriebsgemeinschaft Bottrop wurde erst 1997 gegründet, und zwar mit 16 Mitgliedern, darunter die beiden Kommunen Bottrop und Gladbeck. Seitdem sind drei Mitglieder wieder ausgetreten, während die Mitgliederzahl ingesamt auf 59 angestiegen ist. Damit verbunden ist die Mitgliedsfläche von 786 auf 1.091 Hektar Wald gewachsen. Ein wichtiges Thema für diese Forstbetriebsgemeinschaft ist der Abbau von Quarz-Kies. Das Abbau-Unternehmen verfügt über Berechtsame von knapp 240 Hektar und muss zunächst die entsprechenden Flächen erwerben, zumeist von Landwirten, bzw. gegen vorher anderweitig erworbene land- und forstwirtschaftliche Flächen tauschen. Für den Kiesabbau selbst muss das Unternehmen Ersatzaufforstungen leisten, sofern Wald gerodet wurde, und weitere Aufforstungen vornehmen als Ausgleich für den Eingriff in den Boden. Die Forstwirtschaft bildet zwar nicht das Kerngeschäft des Unter- nehmens, ist aber notwendig, da die neuen Waldflächen allenfalls mit Verzögerung verkauft werden können.441 j. Kommunales Waldeigentum im Ruhrgebiet Neben Landwirten und anderen Privatpersonen mit eher geringem Wald- eigentum sind es vor allem die Kommunen, die sich - manchmal nur mit Teilflächen - den Forstbetriebsgemeinschaften angeschlossen haben. Die 24 Kommunen, die auf meine Anfrage geantwortet haben oder im In- ternet entsprechende Angaben veröffentlicht haben,442 sind im Durchschnitt 440 Forstbetriebsgemeinschaft Ruhrtal und Waldbauernverband-Bezirksgruppe Ruhrgroß- städte, Herr Klaus Dominik, Geschäftsführer, Gespräch am 14.4.08 in Mülheim; siehe auch: (16.5.08) 441 Forstbetriebsgemeinschaft Bottrop, Herr Behrendt, Geschäftsführer, Telefongespräch am 3.7.08 442 die Angaben in diesem Kapitel beruhen auf den folgenden Quellen: - Bochum: Schutzgemeinschaft deutscher Wald - Kreisverband Bochum, Herr Lothar Kühnen, Geschäftsführer und Förster bei der Stadt Bochum, Telefongespräch Mitte Februar 2008; - Castrop-Rauxel: Stadt Castrop-Rauxel, Stadtgrün und Friedhofswesen, Herr Martin Wrede, Zeichen 67, Schreiben vom 26.5.08; - Dortmund: Stadt Dortmund, Herr Sebastian Vetter , Email vom 6.6.08, Anhang: Statistik-Waldfläche-12-070122.XLS, und Telefongespräch am 6.6.08; Schutzgemeinschaft deutscher Wald - Kreisverband Dortmund, Herr Gerd Wend- zinski, Vorsitzender, Schreiben vom 1.2.08 (mit Anlagen); aufforstung. DEW21 und Stadt Dortmund pflanzen neue Wälder, in: publik.de, Nr.01, Februar 2006, (2.7.08); Lage des Dortmunder Stadtwaldes ..., online in: (2.7.08); - Duisburg: Wald in Duisburg - Wald für Duisburg (mehrere Seiten) (2.7.08); - Essen: Grün und Gruga Essen, Herr Norbert Bösken , Email vom 28.5.09; - Gelsenkirchen: Gelsendienste, Herr Ulrich Schwarz, Zeichen: GD-TS-FB/Sch, Scheiben vom 23.06.2008; - Gladbeck: Zentraler Betriebshof Gladbeck, Herr Bernhard Schregel, Fachbereichs- leiter, Gespräch am 30.6.08 in Gladbeck; - Hagen: Forstamt der Stadt Hagen, Herr Horst Heicappel, Amtsleiter, Gespräch am 3.7.08 in Hagen; und (4.7.08); - Haltern: Stadt Haltern, Amt für Planung und Umwelt, Servicegruppe Freiraum- und Umweltplanung, Herr Dirk Wember , Email vom 3.6.08; - Hamm: Stadt Hamm, Umweltamt, Sachgebiete Jagd, Fischerei und Wald, Frau Ute 4. Wald und Forst 123 auf knapp 16 Prozent ihrer Katasterfläche bewaldet. Davon befindet sich ein gutes Drittel im städtischen Eigentum. Im einzelnen bieten die Kommunen allerdings ein unterschiedliches Bild. Die höchsten Waldanteile haben Haltern mit 44 Prozent am nördlichen Rand des Ruhrgebietes und Hagen mit 42 Prozent, das "Tor zum Sauer- land" im Südosten des Reviers. Auch die anderen Kommunen mit über- durchschnittlicher Bewaldung, nämlich Schwerte, Witten und Mülheim lie- gen im Süden an der Ruhr, am Rand zum Sauerland sowie zum Bergi- schen Land, während Werne an der Lippe am Rand zum Münsterland liegt. Aufgrund der sandigen Böden im Norden und des stark bewegten Geländes beiderseits der Ruhr im Süden stoßen die Landwirtschaft und teilweise auch die Siedlungstätigkeit auf weniger günstige Bedingungen, die vom Forst genutzt werden können. Unterschiedlich sind die kommunalen Anstrengungen zur Walderhaltung. So hat Dortmund bereits bei den Markenteilungen auf Waldzuteilungen geachtet, Anfang des 20. Jahrhunderts weitere Waldparzellen gekauft und 1927 das Gut Brünninghausen mit fast 500 Hektar Wald erworben. In den 1950er und 1970er Jahren hat die Stadt 750 Hektar hinzugekauft und seit den 1960er Jahren stetig landwirtschaftliche Flächen aufgeforstet, in den letzten Jahren finanziert durch die Dortmunder Energie und Wasser GmbH als so genannter Klimaschutzwald. Essen und Witten sind seit Anfang des 20. Jahrhunderts aktiv. Die Stadt Witten ist mit Erfolg bemüht, Waldflächen anzukaufen. 1963 besaß sie bereits fast 320 Hektar, die sie bis 1997 auf fast 720 Hektar vergrößern konnte. Die Stadt Essen beginnt noch während der industriellen Waldzer- störung mit ersten Aufforstungen im Essener Süden, beteiligt sich in den 1950er Jahren an der Aufforstung von Halden und Bahndämmen, bevor Ende der 1980er Jahre ein Aufforstungsprogramm im Essener Norden startet. Die Stadt Gelsenkirchen bemüht sich ebenfalls bereits seit langem sehr erfolgreich um eine Vermehrung ihres Waldeigentums, das von knapp 220 Hektar (1975) auf inzwischen mehr als 300 Hektar angewachsen ist. Wiedemann , Email vom 28.5.08; - Herne: Stadt Herne, Fachbereich Stadtgrün, Herr Bernhard Mockenhaupt, Gespräch am 2.6.08 in Herne; - Herten: Zentraler Betriebshof Herten, Bereich Grün, Bereichsleitung, Frau Elke Günther , Email vom 27.5.08; - Kamen: Stadt Kamen, Fachbereich Planung, Bauen, Umwelt, Herr Karsten Harrach , Email vom 27.5.08; - Lünen: Stadt Lünen, Herr Thomas Herkert , Email vom 4.6.08; siehe auch: Lünen. Städtischer Wald - Landesforstgesetz (2.7.08); - Mülheim: Stadt Mülheim an der Ruhr, Stabsstelle für nachhaltige Waldentwicklung und Oberförsterei, Frau Schäfer, Schreiben vom 27.5.08; Mülheimer Waldgeschichte (2.7.08); - Oberhausen: (2.7.08); - Recklinghausen: Kreis Recklinghausen, Fachdienst Immobilienangelegenheiten, Frau Ulrike Hoffmann , Email vom 24.6.08; - Schwerte: Stadt Schwerte, Herr Christoph Jendrusch , Email vom 10.6.08; - Unna: Kreis Unna, Herr Hörner, Schreiben vom 9.6.08; - Unna: Stadt Unna. Umweltamt, Herr Röttger, Telefongespräch am 6.11.08; - Waltrop: Stadt Waltrop, Stabsstelle Umweltschutz, Herr Kempkes, Schreiben vom 3.6.08; - Werne: Stadt Werne, Abt. 65 - Wirtschaftsförderung, Liegenschaften, Herr Franz- Josef Haselhoff , Email vom 28.5.08; - Witten: Regionalverband Ruhr, Herr Peter, Förster für Witten und Hagen, Gespräch am 10.6.08 in Witten; - Regionalverband Ruhr, RVR Ruhr Grün, Herr Werner Meemken, Zeichen: 10-0-1-0- 1571/08, Schreiben vom 13.6.08 4. Wald und Forst 124 Mülheim begann in den 1930er Jahren mit einer eigenen Forstpolitik, zu- nächst um den 370 Hektar großen Broich-Speldorfer Wald vor der weiteren Zersiedlung zu sichern. Durch weiteren Ankauf von Privatwäldern und Umwidmung von Parkflächen hat die Stadt inzwischen ein Waldeigentum von etwa 1.000 Hektar erreicht, so dass die städtischen Wälder mehr als 10 Prozent des Stadtgebietes bedecken. Bochum hat nach dem Zweiten Weltkrieg mit 150 Hektar eigenem Wald angefangen und durch umfangreiche Käufe, Aufforstungen und einige Anpachtungen einen Waldbesitz von ungefähr 1.000 Hektar erreicht. In Hagen mit seiner insgesamt umfangreichen Bewaldung bedeckt allein der alte, stadteigene Wald mehr als 10 Prozent des Stadtgebietes. Dieser Anteil könnte weiter wachsen, da beim städtischen Forstamt immer wieder Verkaufsangebote von Privatwaldbesitzern eingehen. Duisburg443 und Oberhausen verfügen über einige sehr alte Wälder, aber auch über Neu- zugänge durch Rekultivierungen, während Herne und Gladbeck insgesamt nur geringe Waldflächen haben, von denen die größten Teile in städti- schem Eigentum sind, z.T. begrünte Kippen und Halden, z.T. vom früheren Viterra-Wohnungsunternehmen abgetretene, nicht mehr bebaubare Reserveflächen. Der Ennepe-Ruhr-Kreis hingegen will seinen gesamten Wald perspektivisch an den RVR abtreten. Alles in allem verfügen allein die 21 Städte, die quantitative Angaben zu ihrem Waldbesitz gemacht haben, über ein Waldeigentum im Umfang von fast 13.000 Hektar. Der Wald in diesen Städten befindet sich damit zu 36 Prozent in städtischem Eigentum. (Tabelle 4.3.) Hinzu kommt der Waldbesitz des Regionalverbandes Ruhr, in dem die Ruhrgebietskommunen zusammengeschlossen sind. Obwohl der frühere SVR mit eigenem Grunderwerb erst im Jahre 1968 begonnen hat, verfügt er im Jahr 2007 bereits über 16.000 Hektar, von denen 12.200 Hektar Wald sind. Der RVR besitzt somit fast 16 Prozent aller Waldflächen im gesamten Ruhrgebiet. Das ist der höchste kommunale Eigentumsanteil am Wald, der im Ruhrge- biet seit der Industrialisierung erreicht wurde.444 443 Die Stadt Duisburg hat 1962 zum Zweck der Luftfilterung ein 300 Hektar großes Waldgelände am Stadtrand erworben. Hollweg, G. (1963): Probleme der Luftreinhaltung für die Stadt Montan-Duisburg, in: Das Gartenamt, 12.Jg. (1963), S.320; zitiert nach: Runge, Karsten (1990): Die Entwicklung der Landschaftsplanung in ihrer Konstituti- onsphase 1935 – 1973. Landschaftsentwicklung und Umweltforschung, Schriftenreihe des Fachbereichs Landschaftsentwicklung der TU Berlin, Nr.73, Berlin, S.165 444 1937 umfassten die Staats- und Gemeindeforsten eine Fläche von knapp 11.000 Hektar. Das war ein Anteil von 15 Prozent an der damaligen Gesamtwaldfläche von 73.104 Hektar. Lange (1938), S.197 4. Wald und Forst 125 Tabelle 4.3. Waldflächen und städtische Waldflächen in Ruhrgebietskommunen Kataster- Waldfläche städtische Waldfläche fläche ha ha %-Anteil an (1) ha %-Anteil an (2) %-Anteil an (1) (1) (2) (3) (4) (5) (6) Bochum 14.543 884 6,08 1.000 113,12 6,88 Castrop-Rauxel 5.167 789 15,27 95 12,04 1,84 Dortmund 28.037 2.847 10,15 2.379 83,56 8,49 Duisburg 23.281 1.951 8,38 1.300 66,63 5,58 Essen 21.038 2.598 12,35 1.650 63,51 7,84 Gelsenkirchen 10.486 771 7,35 302 39,17 2,88 Gladbeck 3.591 316 8,80 220 69,62 6,13 Hagen 16.036 6.729 41,96 1.750 26,01 10,91 Haltern 15.848 7.029 44,35 555 7,90 3,50 Hamm 22.624 1.807 7,99 229 12,67 1,01 Herne 5.141 215 4,18 170 79,07 3,31 Herten 3.732 530 14,20 10 1,89 0,27 Kamen 4.093 206 5,03 56 27,18 1,37 Lünen 5.919 724 12,23 169 23,34 2,86 Mülheim 9.129 1.574 17,24 1.000 63,53 10,95 Oberhausen 7.704 963 12,50 450 46,73 5,84 Schwerte 5.620 1.460 25,98 235 16,10 4,18 Unna, Stadt 8.853 406 4,59 110 27,09 1,24 Waltrop 4.699 592 12,60 24 4,05 0,51 Werne 7.608 1.264 16,61 221 17,48 2,90 Witten 7.237 1.591 21,98 717 45,07 9,91 21 Kommunen zus. 230.386 35.246 15,30 12.642 35,87 5,49 Anmerkungen: das Waldeigentum des Kreises Recklinghausen umfasst 24 ha und das des Kreises Unna 115 ha Quellen: Kataster- und Waldfläche nach Angaben des LDS NRW (2005); städtische Waldfläche nach Angaben der Kommunen k. Gründe für den Waldzuwachs Nachdem die befragten Industrievertreter die Aufforstung von Halden, die Wiederbewaldung von ungenutzten Betriebsflächen und die Aufforstung von landwirtschaftlichen Flächen als Kompensationsmaßnahme für Ein- griffe in Natur und Landschaft als Gründe für den Waldzuwachs genannt haben, stellt sich nun die Frage, auf welche Faktoren die kommunalen Vertreter hinweisen. Auswertbar waren die Auskünfte von 13 Kommunen. - Zwei Städte, nämlich Gelsenkirchen und Herne weisen auf die "Umdefinition von Straßenbegleitgrün zu Wald" hin, z.B. in Autobahn- auffahrten und auf Lärmschutzwällen. - In immerhin sieben Kommunen wurde Ackerland aufgeforstet: so hat die Stadt Dortmund von 1971 bis 1988 rund 300 Hektar und in den letzten 20 Jahren weitere 200 Hektar aufgeforstet, darunter auch 45 Hektar "Klimaschutzwald", dessen Aufforstung vom örtlichen Energie- versorger gesponsort wurde. Auch in Castrop-Rauxel wurden in den letzten zehn Jahren 5 Hektar, in Kamen 18 Hektar Ackerland aufge- forstet. In Unna waren es seit den 1980er Jahren 30-35 Hektar und in Witten zwischen 1963 und 1986 rund 20 Hektar. Hinzu kamen Auf- forstungen auf landwirtschaftlichen Flächen aufgrund der Eingriffs- Ausgleichs-Regelung, und zwar in Gladbeck im Umfang von 25 Hektar sowie in Gelsenkirchen. - In vier Kommunen, und zwar in Castrop-Rauxel (15,5 Hektar), in Gel- senkirchen, in Kamen und in Waltrop wurden Industriebrachen wieder bewaldet, überwiegend durch Aufforstung, in Kamen und Waltrop auch 4. Wald und Forst 126 "auf dem Sukzessions-Wege". Die erneute Bewaldung von In- dustriebrachen kommt also nicht so häufig vor, weil diese Flächen zumeist für potenzielle neue Industrieansiedlungen vorgehalten wer- den. - Sechs der befragten Kommunen haben Deponien aufgeforstet, näm- lich Duisburg und Gelsenkirchen, das ausdrücklich auf "Müll- und Erd- deponien" hinweist. In Hamm ist "die Aufforstung von Mülldeponien ... in den letzten Jahrzehnten häufiger durchgeführt worden" und in Lü- nen besitzt die Stadt eine ehemalige Müldeponie mit 9 Hektar, die aufgeforstet worden ist. In Waltrop ist "die Waldung auf der ehem. Abfallablagerungsfläche der ebenfalls ehem. Zeche Waltrop ... durch seinerzeitige Anpflanzung entwickelt worden" und auch in Witten sind kleinere Kippen aufgeforstet worden. - Häufiger ist die Bewaldung von Halden, auf die neun befragte Kommunen hingewiesen haben. So ist in Duisburg "ein großer Teil der Neuaufforstungen ... auf die Rekultivierung von Halden" zurückzufüh- ren. In Gladbeck sind seit den 1980er Jahren rund 30 Hektar Wald auf Halden entstanden, die in den nächsten Jahren um weitere 120 Hektar zunehmen werden, z.T. durch Aufforstung, z.T. durch den Sukzes- sionsprozess. In Waltrop ist "die Waldung auf der Bergehalde Brockenscheidt ... im Wesentlichen durch natürliche Sukzession ent- standen". Auch die kleine Halde "Gotthelf" in Dortmund-Hombruch hat sich - allerdings schon vor vielen Jahren - durch natürliche Wiederbe- waldung begrünt. Hinzu kommen kleine, alte Haldenflächen in Witten sowie eine weitere, bepflanzte Halde, die wegen ihrer Wegedichte und Ausstattung mit Bänken u.a. als öffentliche Grünfläche gilt. Dies gilt auch für die Halde Schwerin in Castrop-Rauxel. Darüber hinaus verweisen Gladbeck, Hamm, Herten und Lünen auf den RVR, der weitere Halden besitzt und betreut, was auch in seinen früheren Jah- resberichten nachzulesen ist. Insofern ist die positive Waldentwicklung der letzten Jahrzehnte weniger auf landwirtschaftliche Flächen zurückführen, die in Wald umgewandelt wurden. Auch industrielle Brachflächen werden nicht so häufig aufgefors- tet. Überwiegend sind es Halden und Mülldeponien, auf denen die neuen Wälder wachsen und von Erholungsuchenden genutzt werden können. Dabei - so die Stadt Lünen - "stellen die Waldflächen bezüglich der Pflegefolgekosten die preisgünstigste Art von Erholungsanlagen dar." Trotz der positiven Waldentwicklung gehen weiterhin Waldflächen verloren. So weisen die Städte Dortmund und Duisburg vor allem auf Straßen- bauvorhaben hin, wie die Verbreiterung von Autobahnen oder - vor einigen Jahren - der Bau der Bundesstraße B 236n im Dortmunder Süden. Nördlich von Dortmund droht die Verlängerung der Autobahn Sauerlandli- nie als Bundesstraße B 474n, zudem werden weiterhin Trassen für Hoch- spannungsleitungen durch Waldflächen geschlagen. 4.2. Funktionen der Waldflächen Nach diesem Überblick über die Entwicklung der Waldflächen im Ruhrge- biet sollen im folgenden die Waldfunktionen und anschließend die Ent- scheidungsstrukturen sowie die Instrumente zur Konfliktlösung beschrie- ben werden. Dass Wälder über ihre produktiven, ökonomischen Leistungen hinaus viele weitere Funktionen erfüllen, ist schon im 19. Jahrhundert bekannt. Während das Ziel der meisten Forstwirte in möglichst hohen wirt- 4. Wald und Forst 127 schaftlichen Erträgen lag, sah Otto von Hagen als Leiter der Preußischen Staatsforstverwaltung bereits 1867 die "Verpflichtung ..., bei der Bewirtschaftung der Staatsforsten das Gesammtwohl der Einwohner des Staats in's Auge zu fassen, und dabei sowohl die dauernde Bedürf- nißbefriedigung in Beziehung auf Holz und andere Waldproducte, als auch die Zwecke berücksichtigen zu müssen, denen der Wald nach den verschiedensten anderen Richtungen hin dienstbar ist." 445 Zu diesen Zwecken gehörte, dass Wälder den Boden vor Abschwemmung schützen, die Ufer von Flüssen sichern und Windschäden verringern kön- nen, was schon 1875 im preußischen Gesetz betr. Schutzwaldungen und Waldgenossenschaften erwähnt wurde.446 Die Erholungsfunktion der Wäl- der war spätestens seit der Gründung des Siedlungsverbandes allgemein anerkannt. Diese und andere Wirkungen von Wäldern fasste Victor Diete- rich kurz nach dem Zweiten Weltkrieg in seiner "forstpolitischen Funktio- nenlehre" zusammen,447 und zwischen 1974 und 1979 erstellte das dama- lige Forsteinrichtungsamt NRW die Waldfunktionskarte, in der Wälder mit Schutz- und Erholungsfunktionen gekennzeichnet sind.448 Allerdings ist der Funktionsbegriff inzwischen umstritten. So erklärt Michael Suda: "Vom Wald gehen keine Funktionen aus. Am Wald bestehen unterschiedliche Interessen. Wald kann von diesen Interessengruppen funktionalisiert werden. ... Das Funktionenkonzept ist Ausdruck eines Harmoniestrebens ..." 449 Dabei übersieht Suda, dass Wälder nur dann "funktionalisiert" werden können, wenn sie auf die Menschen und ihre Umwelt entsprechende, zu- mindest potenzielle Wirkungen ausüben. Hinzu kommt, dass nicht nur Interessen, sondern auch verschiedene Funktionen im Widerspruch zuein- ander stehen können, also nur alternativ wahrgenommen werden können. Z.B. gerät die Funktion der Einkommenserzielung in dem Augenblick, in dem Bäume abgeholzt werden, in einen Konflikt zu den ökologischen Funktionen. Daher werde ich im folgenden weiterhin die potenziellen Funktionen des Waldes für unterschiedliche Nutzergruppen aufzeigen, ohne eine Harmonie zwischen ihnen zu unterstellen, und erst bei der Frage nach den Ent- scheidungsstrukturen auf die Interessen von Nutzern und Entscheidungs- trägern eingehen. Während die Waldfunktionskarte zwischen der Nutzfunktion, der Schutz- und der Erholungsfunktion unterscheidet, verwendet Hesmer den Ober- begriff des "Waldnutzens". Hesmer skizziert Rohstoff- und Gelderträge, die Bedeutung des Waldes für bodenwirtschaftliche Betriebe und Körper- schaften, Wald als Arbeitsquelle sowie die Wohlfahrtswirkungen, zu denen 445 zitiert nach: Peters, Wiebke, und C. Wiebecke (1983): Die Nachhaltigkeit als Grund- satz der Forstwirtschaft, in: Forstarchiv 54, Heft 5, September/Oktober 1983, S.172- 178, hier: S.172 446 Hesmer (1958), S.465 447 Hasel (1971), S.29 ff 448 Heukamp, Bernhard (2003b): Waldfunktionen und ihre Kartierung, in: Schulte (Hg.) (2003a), S.296 f; das Forsteinrichtungsamt wurde währenddessen in die Landesanstalt für Ökologie, Landschaftsentwicklung und Forstplanung des Landes Nordrhein-Westfalen umge- wandelt. 449 Suda, Michael (o.J.): Multifunktionalität oder Interessenvielfalt - Anmerkungen zum Selbst- und Fremdbild der Forstwirtschaft, Freising, S.9, online in: (24.6.08); Michael Suda ist Professor für Wald- und Umweltpolitik an der Technischen Universität München 4. Wald und Forst 128 er die Bedeutung des Waldes für die Erholung, für das Wasser und für die Bodenerhaltung zählt.450 An diese Untergliederungen anknüpfend möchte ich vor allem auf folgende Funktionen hinweisen: 4.2.1. Produktive und ökonomische Funktionen In früheren Zeiten dienten die Wälder einer Vielzahl von heute so ge- nannten "Nebennutzungen". Hesmer nennt vor allem die Gewinnung von Gerbrinde, den Waldfeldbau, die Schweinemast, die Rinder- und Schaf- weide, die Aufzucht von Wildpferden, die Gewinnung von Streu und Plag- gen, die Bienenweide, das Sammeln von Beeren, Pilzen, Arzneipflanzen (z.B. Maiglöckchen) und Moos sowie den Anbau von Weihnachtsbäumen und das Schneiden von Schmuckreisig (z.B. Hülse oder Ilex).451 Nicht zu vergessen die Gewinnung von Harz und die Köhlerei. Hinzu kommt die nach wie vor wichtige Jagdfunktion. Viele dieser Nutzungen wurden mit den Markenteilungen, mit der Aufhe- bung entsprechender Nutzungsrechte und im Zuge der Industrialisierung zurückgedrängt. Seitdem steht die Holzerzeugung im Vordergrund, deren Bedeutung inzwischen gegenüber den Wohlfahrtswirkungen deutlich zu- rückgegangen ist. Trotzdem ist die wirtschaftliche Relevanz des Waldes und des Rohstoffes Holz noch so groß, dass die NRW-Landesregierung die so genannte "Clusterstudie Forst und Holz 2002" hat erstellen lassen. Danach erzielt der "Cluster Forst und Holz" einschließlich aller holzverar- beitenden Branchen in Nordrhein-Westfalen einen Umsatz von 33 Mrd. Euro im Jahr, hat 257.000 Beschäftigte und ist somit ein bedeutender Wirtschaftszweig. Die Forstwirtschaft selbst erzielt - bei einem Holzein- schlag von fast 4 Mio. cbm - einen jährlichen Umsatz von mehr als 350 Mio. Euro und sichert rund 6.500 Vollarbeitsplätze. Für 150.000 Waldbe- sitzer bildet der Wald zum Teil eine laufende Einkommensquelle und zum Teil eine ökonomische Reserve für sporadische Entnahmen ("Sparkas- senfunktion"). Immerhin hat der Wald in NRW einen Kapitalwert von 10 Mrd. Euro, der den Wert des Bodens und der darauf stockenden Waldbe- stände mit einem wirtschaftlich nutzbaren Holzvorrat von fast 200 Mio. cbm umfasst.452 Hasel hat diese wirtschaftlichen Leistungen des Waldes als Rohstoff-, Einkommens-, Reserve-, Arbeits- und Vermögensfunktion bezeichnet.453 Dabei liegt die Besonderheit der Holzerzeugung im langsamen Wachstum der Bäume. Was heute gesät oder angepflanzt wird, kann erst in mehreren Jahren, bei Eichen und Buchen sinnvollerweise erst nach mehr als hundert Jahren geerntet werden. Hinzu kommt, dass sich die Flächenproduktivität, also der Holzaufwuchs je Hektar, kaum steigern lässt. Waldbesitzer wissen, dass ihre heutigen Investitionen vielleicht erst in der übernächsten Generation Erträge bringen. Kurzfristige Gewinnerwartungen kann ein Forstbetrieb nicht erfüllen, weshalb Waldbesitzer ökonomisch einen langen Atem und Geduld haben müssen. 450 Hesmer (1958), S.370 ff; Hasel (1971), S.29 ff 451 Hesmer (1958), S.370 ff; Hasel (1971), S.29 ff 452 Landesregierung (2003), S.35; Landesregierung (1996), S.24 453 Hasel (1971), S.88-123 4. Wald und Forst 129 4.2.2. Ökologische Schutzfunktionen Da die Regelungen im preußischen Gesetz betr. Schutzwaldungen von 1875 zu umständlich waren, konnten nur sehr wenige Schutzwälder fest- gesetzt werden, obwohl die schützenden, ökologischen Wirkungen von Wäldern längst bekannt waren. "Ohne diesen Wald würden ... unsere Äcker steinig, unsere Berge zu kahlen Klip- pen und unser Klima ungesund werden, unabwendbar sich wiederholende Über- schwemmungen der Flüsse würden unsere Gesamtwirtschaft schädigen", so lauten - neben der Erholungsfunktion - die wichtigsten Argumente des Ruhrsiedlungsverbandes in seiner Denkschrift zur "Walderhaltung im Ruhrkohlenbezirk".454 Wie wichtig die Wälder im Sauerland für die Wasserversorgung des Ruhr- gebietes sind, hat der damalige Ernährungsminister Heinrich Lübke bereits 1949 deutlich gemacht, als er den Entwurf für das Waldschutzgesetz im Landtag erläutert hat. Darüber hinaus würdigt dieses Gesetz in seiner Präambel ausdrücklich weitere ökologische Waldfunktionen, und zwar "seine Wirkungen auf Landschaft und Klima, Bodenfruchtbarkeit und Gesundheit des Volkes". Das Landesforstgesetz von 1969 verweist noch vor dem volkswirtschaftli- chen Nutzen des Waldes auf seine Bedeutung "für das Klima, die Reinhaltung der Luft, den Wasserhaushalt, die Bodenfruchtbar- keit, das Landschaftsbild und die Erholung der Bevölkerung (Wohlfahrtswirkungen)" (§ 8 LFoG 1969). Im Bundeswaldgesetz von 1975 wurde dieser Katalog um die "Bedeutung für die Umwelt, insbesondere für die dauernde Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes ... (und) die Agrar- und Infrastruktur" (§ 1) erweitert. Im Rahmen der Waldfunktionskartierung von 1974 bis 1979 wurden die sich teilweise überlagernden Schutzfunktionen systematisch gegliedert und flächendeckend untersucht, wobei sich folgende Zuord- nungen ergeben haben:455 - Wasserschutzgebiete 178.782 Hektar - Immissionsschutz 153.741 Hektar - Schutz wertvoller Biotope, des Landschafts- bildes und der Landschaftsökologie 48.886 Hektar - Klimaschutzfunktion 47.338 Hektar - Lärmschutz 16.776 Hektar - Bodenschutz 15.110 Hektar - Sichtschutz 8.361 Hektar Insgesamt sind 42,5 Prozent der Waldflächen in Nordrhein-Westfalen die- sen Funktionen und der im nächsten Abschnitt erläuterten Erholungsfunk- tion zugeordnet worden. Dabei nehmen nach den Wasserschutzgebieten die Immissionsschutzwälder, die die Abgase filtern und Lärm dämpfen sollen, die größte Fläche ein. Es kommt hinzu, dass auch die Wälder außerhalb der ausgewiesen Schutzbereiche die Luft filtern, Wasser spei- chern, Sauerstoff produzieren u.a.m. Immer häufiger dienen die Wälder auch dem Naturschutz:456 454 SVR (1927b), S.17 455 Heukamp (2003b), S.297 456 Landesregierung (1996), S.15 4. Wald und Forst 130 - Landschaftsschutzgebiete 780.000 Hektar - Naturparke 460.000 Hektar - Naturschutzgebiete u.ä. 40.000 Hektar - Naturwaldzellen, Versuchsflächen 1.126 Hektar Auch die Landeswaldberichte weisen regelmäßig auf die ökologischen Waldfunktionen hin, die als "Sozialfunktionen" oder als "Umwelt- und Infrastrukturleistungen" bezeichnet werden.457 Seit den 1990er Jahren erzielt der Kohlendioxid-Verbrauch durch Wälder eine immer größere Aufmerksamkeit, so auch bei den Dortmunder "Klimaschutzwäldern". So ist es eindrucksvoll, dass in den nordrhein-westfälischen Wäldern fast 70 Mio. Tonnen Kohlenstoff gespeichert sind, was über 250 Mio. Tonnen CO2 und damit über 80 Prozent der jährlichen Kohlendioxid-Emissionen des Bundeslandes entspricht. Der jährliche Holzzuwachs in NRW entlastet die Atmosphäre um 3,7 Mio. Tonnen Kohlendioxid, was jedoch nur 1,2 Prozent der jährlichen CO2-Emssionen in NRW ausmacht. 458 4.2.3. Erholungsfunktion Die Erholungsfunktion des Waldes wurde von Naturfreunden und der Ju- gendbewegung längst genutzt, bevor sie mit dem Baumschutzgesetz von 1922 offiziell anerkannt wurde, demzufolge "Baumbestände und Grünflächen ... aus Rücksicht auf die Volksgesundheit oder als Erholungsstätten der Bevölkerung zu erhalten sind".459 Im Waldschutzgesetz von 1950 ist noch die Rede von den Wirkungen des Waldes auf die "Gesundheit des Volkes", bevor seit dem Landesforstge- setz von 1969 die Erholung der Bevölkerung eine ständige Aufgabe des Waldes und ein wichtiger Grund für seine Erhaltung und für die Einführung eines allgemeinen Waldbetretungsrechtes ist. (§ 3 LFoG 1969) Nachdem in der Waldfunktionskarte bereits rund 115.000 Hektar bzw. 13 Prozent aller Wälder als Flächen mit besonderer Erholungsfunktion aus- gewiesen wurden, werden inwischen im Ruhrgebiet sogar besondere Tou- rismuskonzepte für die Erholung im Wald entwickelt.460 Vorläufer waren markierte Wanderwege und Trimm-dich-Pfade, zu deren anspruchsvollen Nachfolgern z.B. der "Haard Walking Park" mit 350 Streckenschildern und mehreren Routen in unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden gehört. Auch Reitwegekonzepte werden immer beliebter. 4.2.4. Städtebaulich-planerische Funktionen Für den Städtebau und die räumliche Planung können Wälder mehrere Funktionen erfüllen. Bereits erwähnt wurde die Sichtschutzfunktion, der Schutz sensibler Anlagen vor Einblicken. Hinzu kommen folgende Funkti- onen: 457 Landesregierung (1981), S.13; Landesregierung (1996), S.14 458 Landesregierung (1991), S.11, S.34; Landesregierung (1996), S.60 f; Landesregie- rung (2003), S.98; MUNLV (2007a), S.12, S.66 459 § 1 - Gesetz zur Erhaltung des Baumbestandes und Erhaltung und Freigabe von Uferwegen im Interesse der Volksgesundheit. Vom 29. Juli 1922, Preußische Gesetz- sammlung 1922, S.213 460 Landesregierung (1981), S.14; MUNLV (2007a), S.142 f 4. Wald und Forst 131 a. Flächenreserve Leider dienen Wälder immer noch als Flächenreserve. So wurden im Dortmunder Süden umfangreiche Waldflächen zu Gunsten der neuen Trasse der Bundesstraße B 236n abgeholzt, und nördlich von Dortmund droht die Verlängerung der Autobahn Sauerlandlinie in Gestalt der Bun- desstraße B 474n, ebenfalls auf Kosten des Waldes. b. Ökologischer Ausgleich Dem steht die ökologische Ausgleichsfunktion von Aufforstungen im Rah- men der Eingriffs-Ausgleichs-Regelung gegenüber, die im Bundesnatur- schutzgesetz bzw. Landschaftsgesetz Nordrhein-Westfalen sowie im Bau- gesetzbuch festgelegt ist. Danach müssen die ökologischen Schäden, die durch Eingriffe in Natur und Landschaft verursacht werden, durch ökolo- gisch angeblich gleichwertige Ausgleichsmaßnahmen kompensiert werden. Der Wert der geschädigten oder gar zerstörten Biotope und der Wert der durch die Ausgleichsmaßnahmen neu geschaffenen Landschaftsbe- standteile werden mit Hilfe von standardisierten Bewertungsverfahren er- mittelt, in denen Wälder als so genannte Endstadien der Sukzession durchgängig die höchsten Punktwerte erzielen. Als Kompensationsmaß- nahmen sind Aufforstungen daher sehr beliebt. c. Residualfunktion Schließlich haben Wälder aber auch den Charakter einer Resteverwertung. Das Industriewaldprojekt, das natürlich wiederbewaldete industrielle Brachflächen umfasst, war ursprünglich das "Restflächenprojekt" der In- ternationalen Bauausstellung EmscherPark.461 Traditionell steht Wald auf Flächen, die für andere Zwecke, insbesondere für den Ackerbau und die Siedlungstätigkeit weniger gut geeignet und wirtschaftlich nicht lohnend sind.462 Deshalb kommen vor allem aufgegebene Agrarflächen und indus- trielle Brachflächen für Aufforstungen in Frage. Hier bedeutet die Zunahme der Waldflächen, dass ein Prozess des Down- cycling abläuft: Während geeignete Grün- und Freiflächen nach wie vor in andere Nutzungen umgewandelt werden, steht der Wald auf Restflächen, die sozusagen "niemand mehr haben will". Da solche Restflächen seit einigen Jahren zunehmen, vermutet die Landesregierung sogar, dass "das Ausmaß der passiven sogar größer (ist) als das der aktiven Waldvermeh- rung".463 4.2.5. Pädagogische Funktion Immer wichtiger werden Wälder als Lernorte, vor allem im Ruhrgebiet. Dazu gehören nicht nur die verbreiteten Lehrpfade. Kristallisationspunkte sind Einrichtungen wie die "Umweltpädagogische Station Heidhof" in Bottrop-Kirchhellen oder die "Waldschule Herten", das "Waldpädagogische Zentrum" der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald in Bottrop, das "Waldpädagogische Zentrum Hagen e.V." oder die "Waldschule Cappen- berg e.V." in Selm. Diese Einrichtungen bieten Kindern und Erwachsenen im Ballungsraum neben Informationen auch Naturerlebnisse im Wald. 461 genauer im Kapitel 8 über die Internationale Bauausstellung EmscherPark 462 Sybrecht (1965), S.17; Landesregierung (2003), S.174 463 MUNLV (2007a), S.139 4. Wald und Forst 132 Schulen in Waldnähe, wie die Grundschule in Castrop-Rauxel-Deining- hausen, können unter Leitung eines Försters ihren Unterricht stundenweise unter Bäumen genießen. An den Waldjugendspielen nehmen in jedem Jahr landesweit 30.000 SchülerInnen der Primarstufe teil, um entlang eines Rundkurses durch einen Wald an unterschiedlichen Stationen spezifische Aufgaben zu lösen. Nicht zuletzt gibt es inzwischen einige besonders attraktive Waldspielplätze, um Kinder und ihre Eltern in die Wälder zu locken.464 4.2.6. Kulturell-ästhetische Funktion Schließlich nennt Hasel465 auch noch die "kulturelle Funktion des Waldes" und verweist "auf den Einfluß des Waldes auf Sprache, Bräuche, Märchen, Sagen und Lieder, Baukunst, Malerei, Dichtung und Musik." Dass Hasel daraus folgert, "wie sehr der Deutsche mit seinem ganzen Empfinden am Walde hängt, wie sehr er ihm Heimat und Kraftquell ist", ist bestenfalls ein Beispiel für den bereits angesprochenen "Mythos Wald". Trotzdem war und ist der Wald ein wichtiges Thema in allen Bereichen der Kunst, worin sich seine Bedeutung für das menschliche und gesellschaftli- che Leben und die Wahrnehmung des Waldes durch Dichter und Denker widerspiegelt. 4.2.7. Politisch-berufliche Funktion Selbstverständlich haben die Wälder auch eine politisch-berufliche Funk- tion, nämlich für alle Menschen, deren berufliche oder politische Position mit dem Schicksal der Wälder zusammenhängt. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts und zu Beginn des 20. Jahrhunderts haben sich die ersten Verbände gegründet, in denen sich im wesentlichen forstwirtschaftlich tätige Menschen zusammengeschlossen haben. Dazu gehörten Waldbesitzer, später Forstbeamte, schließlich auch Forstarbeiter, die sich gewerkschaftlich organisiert haben. Nachdem ihre Organisationen während des Nationalsozialismus aufgelöst oder "gleichgeschaltet" worden waren, konnten nach dem Zweiten Weltkrieg vergleichbare Verbände neu gegründet werden. Allerdings kamen jetzt auch einige neue Strukturen hinzu. Hierzu gehörten: - Waldwirtschaftsgemeinschaften, die an die Waldbauvereine in der Weimarer Republik anknüpften und später in Forstbetriebsgemein- schaften umgewandelt wurden; - neue Betriebe, die aus kommunalen Forstverwaltungen durch die Transformation in Eigenbetriebe oder eigenbetriebsähnliche Einrich- tungen hervorgegangen sind, wie RVR Ruhr Grün, und - Verbände von Menschen, die nicht unbedingt forstwirtschaftlich tätig waren, aber trotzdem am Wald, seiner Erhaltung und Vermehrung in- 464 die Angebote des Regionalverbandes Ruhr sind zu finden auf den Internetseiten , , ; siehe auch: und ; WPZ e.V., Kirmesplatz 2, 58135 Hagen; 465 Hasel (1971), S.130-132 4. Wald und Forst 133 teressiert sind, wie die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, ver- schiedene Stiftungen sowie die Naturschutzverbände. Für die einzelnen, in diesen Vereinen, Verbänden und Betrieben tätigen Menschen und für die genannten Einrichtungen selbst erfüllt der Wald politisch-berufliche Funktionen, insofern ihre wirtschaftliche Existenz und zum Teil auch ihre gesellschaftliche Position von der Erhaltung und Wei- terentwicklung der jeweiligen Wälder abhängt. 4.3. Nutzer und Entscheidungsträger Zu den Nutzern der Wälder gehören zunächst der bzw. die Waldeigentü- merIn und alle Menschen, die für sie oder ihn arbeiten, vom Förster, der den Wald betreut, bis zu den Waldarbeitern. Bei kleinen Privatwäldern handelt es sich durchschnittlich um wenige Stunden Arbeit pro Jahr, wäh- rend größere private oder kommunale Forstbetriebe durchaus mehrere MitarbeiterInnen umfassen. Bei Grundeigentümern, die ihre Flächen auf- forsten, sind ebenfalls umfangreiche Arbeiten erforderlich, an denen eine größere Zahl von Menschen beteiligt ist. Die Verbraucher von Holz sind in einem allgemeinen Sinne ebenfalls Nut- zer der Wälder, haben zumeist aber keinen konkreten Bezug zu einem bestimmten Wald. Anders, wenn Forstbetriebe Brennholz anbieten, das unmittelbar vor Ort gekauft werden kann. Auch die Nutznießer der Schutzfunktionen zählen zu den Waldnutzern, im Falle von Immissions-, Lärm- und Sichtschutzwäldern sogar auf eine sehr konkrete Weise. Der Zusammenhang zwischen dem häuslichen Trinkwas- ser, seiner Herkunft und den Waldflächen in den dortigen Wasserschutz- gebieten dürfte hingegen nur wenigen Trinkwassernutzern bekannt sein. Weitere unmittelbare Nutzer sind die Erholungsuchenden in den Wäldern sowie Naturfreunde und -schützer. Hinzu kommen die MitarbeiterInnen in den waldpädagogischen Einrichtungen und ihre BesucherInnen. Dichter, Maler und andere Künstler dürften ebenfalls unmittelbare Nutzer von Wäldern sein, während die Leser und Betrachter ihrer Werke besten- falls als indirekte Nutzer angesehen werden können. Nur wenige Nutzer sind zugleich Entscheidungsträger, die auf das Schick- sal eines Waldes Einfluss haben. Wichtig sind natürlich die Waldeigentümer. In ihren Entscheidungen über das, was mit ihrem Wald geschehen soll, sind sie allerdings eingeschränkt, und zwar durch das Forstrecht und die Forstbehörden. Im großen und ganzen laufen diese Einschränkungen aber nur darauf hinaus, die nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder sicherzustellen und einen Raubbau am Wald zu verhindern. Bei kleinen Waldparzellen kommt das Problem hinzu, dass für die wirt- schaftliche Nutzung das Betreten oder Befahren einer Nachbarparzelle notwendig ist. Die Nutzung ist dann von der Erlaubnis des Nachbarn ab- hängig. Solche Probleme zu vermeiden, ist der Grund für den Aufbau von forstwirtschaftlichen Zusammenschlüssen, vor allem von Forstbetriebsge- meinschaften, die durch die gemeinsame Betriebsplanung eine wirtschaft- liche Nutzung auch kleiner Waldparzellen ermöglichen und so die Verbun- denheit der Kleinwaldbesitzer mit ihrem Wald stärken können. 4. Wald und Forst 134 Die Entscheidung über die Umnutzung seiner Waldfläche hat der Waldei- gentümer allerdings nicht in seiner Hand. Landes- oder Bundesbehörden sind zuständig, insbesondere wenn über- örtliche Straßen- oder Leitungstrassen durch einen Wald geschlagen wer- den sollen, wenn eine Talsperre angelegt oder z.B. ein Kernkraftwerk er- richtet werden soll. Das jeweilige Kommunalparlament ist Entscheidungs- träger, wenn ein Wald z.B. durch ein Baugebiet oder eine örtliche Straße verdrängt werden soll. In solchen Fällen kann der Waldeigentümer sich mit der behördlichen Entscheidung einverstanden erklären oder versuchen, politisch und rechtlich dagegen vorzugehen, verbunden mit dem Risiko, ein Gerichtsverfahren zu verlieren und womöglich enteignet zu werden. Für kommunale Waldeigentümer kann es hier zu einem internen Konflikt kommen z.B. zwischen dem Planungsamt und dem Forstamt, zwischen dem Planungsausschuss des Kommunalparlaments und dem Grünflä- chenausschuss, der letztlich im kommunalen Parlament entschieden wer- den muss. Angesichts der großen Bedeutung, die Arbeitsplätze, der Woh- nungsbau und Steuereinnahmen haben, ist der Ausgang eines solchen Konflikts absehbar. Im Rahmen der zweckentsprechenden Nutzung des Waldes kann also der Waldeigentümer alle anstehenden Entscheidungen treffen. Alle übrigen Waldnutzer sind an diesen Entscheidungen nicht beteiligt. Wenn es darum geht, eine Waldfläche umzunutzen, kommen ganz andere Entschei- dungsträger - kommunale und übergeordnete Behörden sowie die Parla- mentarier auf diesen Ebenen - ins Spiel, die mit der zweckentsprechenden Nutzung des konkreten Waldes häufig überhaupt nichts zu tun haben. Demgegenüber sind die NutzerInnen des Waldes an den übergeordneten Entscheidungen nur sehr indirekt als Wähler beteiligt. 4.4. Regelwerk und Instrumente Bei den Regeln und Instrumenten zur Konfliktlösung ist wieder zu unter- scheiden zwischen ordnungspolitischen Instrumenten, wie Geboten und Verboten, Maßnahmen im Rahmen der Leistungspolitik, insbesondere also die Vergabe von Fördermitteln, und organisatorischen Maßnahmen, also der Aufbau von Institutionen mit bestimmten Kompetenzen. 4.4.1. Ordnungspolitische Aspekte Zu den ordnungspolitischen Instrumenten gehören die Genehmigungsbe- dürftigkeit von Kahlschlägen und Waldumwandlungen sowie die Ver- pflichtung zu Ersatz- bzw. Wiederaufforstungen. Diese Instrumente waren im Ruhrgebiet durch das Baumschutzgesetz von 1922 eingeführt worden. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden diese Regelungen zunächst in das Waldschutzgesetz von 1950 übernommen, und seit 1969 gehören sie zum jeweils gültigen Landesforstgesetz. 1980 wurde außerdem der Genehmi- gungsvorbehalt für Erstaufforstungen eingeführt, um z.B. Fichtenmono- kulturen im Sauerland verhindern zu können. Für die Weimarer Republik hat sich gezeigt, dass der damals zuständige Siedlungsverband die Genehmigungen zur Waldumwandlung bis 1932 für ungefähr drei Viertel der betroffenen Flächen mit der Verpflichtung zur Ersatzaufforstung verknüpfen konnte. Für den Zeitraum von 1925 bis 1937 ist der Anteil der wieder aufzuforstenden Flächen auf 55 Prozent 4. Wald und Forst 135 gesunken. Die Instrumente der Waldumwandlungsgenehmigung und der Ersatzaufforstungspflicht konnten beachtliche Waldverluste also nicht ver- hindern. Die neuen Nutzungen, insbesondere durch die Landwirtschaft und durch neue Industriegebiete, waren politisch und wirtschaftlich so wichtig, dass sie nicht zurückgewiesen werden konnten, während für Er- satzaufforstungen nicht genug Flächen verfügbar waren. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg reichten die ordnungspolitischen Schutzinstrumente nicht aus, um die Wälder zu erhalten. Allen - grund- sätzlichen - Ersatz- und Wiederaufforstungspflichten zum Trotz waren die Waldflächen im Ruhrgebiet bis in die 1960er Jahre, auf Landesebene so- gar bis zum Ende der 1970er Jahre rückläufig. 4.4.2. Leistungspolitische Aspekte Schon in den 1920er Jahren begann der SVR, Aufforstungen im Ruhrge- biet zu fördern. Hierfür erhielt der Verband finanzielle Unterstützung von der preußischen Regierung, die ihrerseits auf einen Zuschuss von Seiten des Reiches zurückgreifen konnte. Dabei förderte der SVR die Aufforstung weniger durch finanzielle Mittel als vielmehr durch Pflanzmaterial, das er unentgeltlich zur Verfügung stellte. Diese Jungbäume zog der SVR in eigenen Pflanz- oder Baumschulen heran, in denen er sich ganz besonders um die Zucht von "rauchharten" Gehölzen bemühte, die den - aus heutiger Sicht nicht mehr vorstellbaren - Luftbelastungen durch Schwefeldioxid, Ruß und viele andere Chemikalien standhalten konnten. Bei der Vergabe von Pflanzen wurden die Mitglieder von Waldbauvereinen bevorzugt. Doch schon in den 1930er Jahren musste der SVR seine Baumschulen aus finanziellen Gründen wieder auf- geben. Seitdem hat er geeignetes Pflanzmaterial bei privaten Baumschu- len gekauft und weitergegeben. Die finanzielle Förderung von Aufforstungen wurde nach dem Zweiten Weltkrieg vom SVR sowie vom Land Nordrhein-Westfalen wieder aufge- nommen. Die Landesförderung für den Wegebau und weitere Investitionen wird bis heute fortgesetzt, seit den 1970er Jahren mit Unterstützung des Bundes und seit den 1990er Jahren kofinanziert durch die EU.466 Ein weiteres leistungspolitisches Instrument zur Walderhaltung war der Erwerb von Waldgrundstücken durch die Kommunen und später auch durch den Verband.467 In der Weimarer Republik haben die Kommunen sowohl vom Land Preußen als auch vom SVR Fördermittel erhalten, um ihre Zinsbelastung für die Kredite zu senken, die sie für den Grunderwerb aufnehmen mussten. Im Idealfall haben das Land Preußen, der Verband und die betroffene Kommune jeweils ein Drittel der Zinsen und damit auch ein Drittel des Grundeigentums übernommen. Gegen Ende der 1950er Jahre wurde diese Förderung wieder aufgenom- men, bis 1968 der Verband selbst mit dem Erwerb von Verbandsgrünflä- chen, insbesondere von Waldflächen begann. Nachdem es von 1980 bis 1985 ein zeitlich befristetes Sonderprogramm des Landes Nordrhein- Westfalen gegeben hatte, mit dem der kommunale Erwerb von Waldflä- chen gefördert wurde, findet inzwischen in verschiedenen Orten ein kom- munaler Verkauf von Waldflächen an den Verband statt. 466 MUNLV - Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucher- schutz des Landes Nordrhein-Westfalen (2007b): NRW-Programm Ländlicher Raum 2007-2013, Düsseldorf 467 Dieser Aspekt wird im Kapitel 7 über die Verbandsgrünflächen genauer betrachtet. 4. Wald und Forst 136 Mit den von der früheren Montanindustrie erworbenen Grundstücken ver- fügt der Verband inzwischen über mehr als 12.000 Hektar Wald im Ruhr- gebiet. Das entspricht einem knappen Sechstel des gesamten Waldbe- standes von fast 78.000 Hektar im Ruhrgebiet. Hinzu kommen fast 13.000 Hektar Wald im Eigentum der anderen 23 Kommunen, die sich an meiner Umfrage beteiligt haben. Auch wenn diese Städte und Kreise nur die Hälfte des Ruhrgebietes dar- stellen, deutet ihr hoher und ständig gewachsener Waldbesitz daraufhin, dass der Privatwald im Ruhrgebiet stagniert, wahrscheinlich aber sogar rückläufig ist.468 4.4.3. Organisatorische Aspekte Nach den ordnungsrechtlichen und leistungspolitischen Instrumenten stellt sich die Frage nach den Institutionen, die dem Waldschutz dienen. Dabei ist zu unterscheiden zwischen - neuen Forstbetrieben, - forstwirtschaftlichen Zusammenschlüssen, - der Forstverwaltung und - zivilgesellschaftlichen Organisationen. a. Neue Forstbetriebe Viele kommunale Wälder wurden früher und werden auch heute von der jeweiligen Stadtverwaltung bewirtschaftet, z.B. von Garten- und Fried- hofsämtern. Bei umfangreichem Waldbesitz, wie in Hagen, wurde sogar ein eigenes städtisches Forstamt eingerichtet oder wie in Mülheim eine Stabsstelle für nachhaltige Waldentwicklung. In all diesen Fällen ist der kommunale Forst eingebunden in die kommunale Politik und Verwaltung. Im Unterschied hierzu haben verschiedene Kommunen Eigenbetriebe ge- gründet und diesen die Unterhaltung der städtischen Wälder übertragen. Hierdurch kann das kommunale Forstwesen eine etwas größere Unab- hängigkeit von politischen Stimmungswechseln erhalten, wird kurzfristigen wirtschaftlichen Zwängen aber stärker ausgesetzt. Hinzu kommt das Ri- siko, dass der kommunale Forst nicht mehr als Element der öffentlichen Daseinsvorsorge, sondern als Konkurrenz zur privaten Forstwirtschaft an- gesehen wird und unter einen Privatierungsdruck gerät. Der bedeutendste neue Forstbetrieb ist sicherlich der "RVR Ruhr Grün". Ungefähr zur selben Zeit, zu der der SVR seine Kompetenzen als höhere Forstbehörde verlor, begann er mit dem Walderwerb und dem Aufbau einer eigenen Forstverwaltung, die später in eine "eigenbetriebsähnliche Einrichtung" umgewandelt wurde. Mit über 12.000 Hektar Wald und einem Anteil von 16 Prozent an allen Waldflächen im Ruhrgebiet dürfte der "RVR Ruhr Grün" der größte Waldbesitzer in der Region sein. 468 Der RVR und die 23 Kommunen kommen zusammen auf ein Waldeigentum von rund 25.000 Hektar. Wenn alle anderen Kommunen kein Waldeigentum hätten, könnte der Privatwald noch maximal 53.000 Hektar umfassen, nachdem 1937 noch über 60.000 Hektar und nach Kriegsende 51.000 Hektar Wald im Privateigentum standen. Für die Zwischenzeit liegen - bezogen auf das Ruhrgebiet - keine Angaben zur Waldverteilung nach Eigentümerarten vor. Da die Aufforstungen und Wiederbewaldungen vor allem auf Halden, Industriebra- chen, Müllkippen usw. stattfanden, werden sie im Kapitel über die Begrünungsaktio- nen und die Internationale Bauausstellung EmscherPark genauer betrachtet. 4. Wald und Forst 137 Demgegenüber wurden in Dortmund die in den Regiebetrieb Grün ausge- lagerten forstlichen Kompetenzen in die Verwaltung zurückgeholt und im Umweltamt gebündelt - ein Indiz dafür, dass die verwaltungsmäßige Orga- nisation auch Vorteile bietet, nämlich bessere Möglichkeiten zur Koopera- tion und Koordination zwischen der Umweltpolitik sowie der Pflege und Entwicklung der örtlichen Wälder. b. Forstwirtschaftliche Zusammenschlüsse Einige Jahre, nachdem die preußische Regierung die Forstwirtschaft einer ungeregelten Marktwirtschaft unterworfen hatte, sind in umfangreichen Waldzerstörungen die Nachteile dieser Politik deutlich geworden. Die preußische Regierung versuchte, noch bestehende, gemeinschaftliche Besitzstrukturen zu erhalten und neue Waldgenossenschaften ins Leben zu rufen. Da die rechtlichen Regelungen hierfür zu kompliziert waren, konnten nur noch wenige Eigentümergemeinschaften erhalten und noch viel weniger neue aufgebaut werden. Davon unabhängig haben sich nach dem Ersten Weltkrieg Waldbauvereine gegründet, zunächst als Gegenbewegung gegen die damaligen forstpolitischen Debatten, die auf eine Verstaatlichung von Wäldern hinauszulaufen schienen. Praktisch verwandelten sich die Waldbauvereine in Organisationen zur wirtschaftlichen Unterstützung der Waldbauern, sie wurden zu Partnern der Behörden und bei der Vergabe von Fördermitteln für Aufforstungen bevorzugt. Allerdings wurden diese Vereine während des Nationalsozialismus durch ihre Eingliederung in den Reichsnährstand wieder zerstört. Kurz nach dem nächsten Krieg bildeten sich, zunächst im Raum Arnsberg, erneut ähnliche Organisationen, nämlich Waldwirtschaftsgemeinschaften, und der ebenfalls neugegründete Waldbauernverband warb unter seinen Mitgliedern für ihren Aufbau. Diese Struktur wurde von der Landespolitik sofort aufgegriffen, bereits 1950 in das Waldschutzgesetz aufgenommen sowie durch Beratungsangebote und Fördermaßnahmen unterstützt. Auf- grund der ersten bundesgesetzlichen forstpolitischen Regelungen müssen sie sich in den 1970er Jahren in Forstbetriebsgemeinschaften umbenen- nen. Zugleich nimmt ihre Zahl weiter zu. Der Vorteil von Forstbetriebsgemeinschaften liegt darin, dass sie sich zu drastisch reduzierten Gebührensätzen von den Fachleuten der Landes- forstverwaltung ein Forsteinrichtungswerk, d.h. eine mittelfristige Betriebs- planung erstellen lassen können. Dieses Forsteinrichtungswerk eröffnet vielen Mitgliedern, die mit kleinen Parzellen im Gemenge mit Grundstücken anderer Mitglieder liegen, zum erstenmal die Aussicht auf die Nutzung ihres Waldes. Voraussetzung hierfür sind in vielen Fällen gemeinsame Zufahrtswege für Erntemaschinen und für den Abtransport des Holzes, die im Forsteinrichtungswerk geplant und von der Forstbetriebsgemeinschaft angelegt werden. Erst auf dieser Grundlage kann die so genannte Sparkassenfunktion, die sporadische Entnahme von Bäumen bei akutem Finanzbedarf des Waldbesitzers überhaupt realisiert werden. Auch wenn Waldverkäufe und Waldumwandlungen von Forstbetriebsge- meinschaften nicht verhindert werden können, können sie die Verbindung der Waldbesitzer mit ihren Waldanteilen stärken, indem sie deren wirt- schaftliche Nutzung ermöglichen. 4. Wald und Forst 138 c. Forstverwaltung Bis vor wenigen Jahren musste in Nordrhein-Westfalen zwischen der staatlichen und der für den Privatwald zuständigen Forstverwaltung unter- schieden werden. Dabei ist die staatliche Forstverwaltung im 19. Jahrhun- dert aus der früheren landesherrlichen Forstverwaltung hervorgegangen. Deshalb war sie nur für die Bewirtschaftung des Staatswaldes zuständig, der früher dem Land Preußen gehörte.469 Für den Privatwald entstanden am Ende des 19. Jahrhunderts mit den Landwirtschaftskammern die ersten staatlich unterstützten Strukturen, die aber nur Beratungsaufgaben hatten. Die ersten hoheitlichen Aufgaben gegenüber dem Privatwald übte seit den 1920er Jahren der SVR aus, der gemäß dem Baumschutzgesetz für die Genehmigung von Abholzungen und Waldumwandlungen zuständig war. Seit dem Waldschutzgesetz von 1950 galten diese Genehmigungsvorbe- halte für den Privatwald im gesamten Land. Deshalb musste eine landes- weit tätige Forstbehörde aufgebaut werden, die zunächst acht höhere Forstbehörden und 70 untere Forstämter umfasste. Im Ruhrgebiet blieb der SVR als höhere Forstbehörde für den Privatwald zuständig, während die unteren Forstämter bei den Stadtverwaltungen und Landwirtschafts- kammern angesiedelt wurden, die zusätzlich zu ihrer Beratungstätigkeit jetzt auch hoheitliche Aufgaben bekamen.470 Dies änderte sich mit dem Landesforstgesetz von 1969, als die Entwick- lung in Richtung der heutigen Einheitsforstverwaltung begann. Während die Direktoren der Landwirtschaftskammern im Rheinland und in Westfalen zu höheren Forstbehörden ernannt wurden, verloren der SVR im Ruhrgebiet und die Regierungspräsidenten in den anderen Landesteilen ihre bisherigen Kompetenzen. Zugleich wurde die bisherige Trennung zwi- schen Landesforstverwaltung und Kammerforstverwaltung aufgelöst. Nach dem "Regionalprinzip" wurden 45 "Schwerpunktforstämter" eingerichtet. Wo der Aufgabenschwerpunkt in der Bewirtschaftung von öffentlichem Waldbesitz lag, waren staatliche Forstämter und in Bezirken mit überwie- gendem Privatwald weiterhin die Forstämter der Landwirtschaftskammern zuständig.471 Mitte der 1990er Jahre wurde durch eine erneute Organisationsreform die Zahl der unteren Forstämter verringert, bevor im Jahr 2005 die gesamte Forstverwaltung in den "Landesbetrieb Wald und Holz NRW" umgewandelt wurde, der nur noch über eine Zentrale und 15 Außenstellen verfügt. Während es im Ruhrgebiet zuvor noch fünf Forstämter waren, gibt es seit 2008 nur noch ein Regionalforstamt.472 Neben der Forstverwaltung entstand ein eigener Ausbildungssektor mit einer Landesforstschule, einer Waldarbeitsschule, Hochschuleinrichtungen und einem eigenen Landesamt. Nach mehreren Umstrukturierungen sind die meisten Funktionen inzwischen im Landesbetrieb gebündelt. Darüber hinaus wurde ein Wald-Zentrum an der Universität Münster eingerichtet, 469 Hesmer (1958), S.407 ff 470 Sybrecht (1965), S.29 ff, Landesregierung (1981), S.23 ff; aufgrund des Vereinfachungsgesetzes von 1957 und des Landesorganisationsgeset- zes von 1962 wurden einzelne Kompetenzen zwischen den Behörden verschoben. 471 Landesregierung (1981), S.23 472 Landesregierung (1996), S.96; MUNLV (2007a), S.113, S.161, S.166 f 4. Wald und Forst 139 nachdem 2003 das Lehrgebiet Waldökologie von der Fachhochschule Lippe nach Münster verlegt worden war.473 Es ist also eine umfangreiche und vielseitige behördliche Struktur im Forstwesen entstanden, die sich für die Waldeigentümer und die forstwirt- schaftlichen Betriebe und damit zugleich auch für die Wälder in Nordrhein- Westfalen und im Ruhrgebiet einsetzt. d. Zivilgesellschaftliche Organisationen Neben den betrieblichen, überbetrieblichen und behördlichen Strukturen gibt es ein weites Spektrum an zivilgesellschaftlichen Organisationen. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte sich ein eigenständiges forstliches Vereinswesen. So gründeten sich Forstvereine, die wissen- schaftliche Ziele und die Verbreitung von Wissen verfolgten, sowie Auf- forstungsvereine, die Fördermittel akquirierten und Aufforstungen organi- sierten. Die privaten Waldbesitzer schlossen sich zur gemeinsamen Inte- ressenvertretung zusammen. Förster und Forstbeamte bildeten Berufsver- bände, Forstarbeiter bauten als Gewerkschaften den "Verband der Land-, Wald- und Weinbergarbeiter und -Arbeiterinnen" und den christlichen "Zentralverband der Forst-, Land- und Weinbergarbeiter Deutschland" auf. Unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg gründeten Waldbauern die "Wald- bauvereine", um die Verabschiedung eines preußischen Forstkulturgeset- zes zu verhindern und um die Zusammenarbeit untereinander zu entwi- ckeln. Nachdem sämtliche zivilgesellschaftliche Organisationen während des Nationalsozialismus aufgelöst oder "gleichgeschaltet" und in den "Reichs- nährstand" eingegliedert worden waren, konnten sie nach dem Zweiten Weltkrieg neu aufgebaut werden. Neben den Gewerkschaften, verschie- denen Berufsverbänden und dem Forstverein gründeten sich - mit Unter- stützung durch die britische Militärregierung - der Waldbauernverband und andere Waldbesitzerverbände. Hinzu kam als Organisation neuen Typs der nordrhein-westfälische Landesverband der "Schutzgemeinschaft Deutscher Wald" (SDW), die sich unabhängig von wirtschaftlichen und beruflichen Interessen für den Wald einsetzte. An der SDW haben sich parteien- und berufe-übergreifend neben Waldbesitzern auch Vertreter von kommunalen Verwaltungen, Politiker, Industrielle und am Wald interessierte Proivatpersonen beteiligt, vor allem um Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit zu betreiben. Für den gleichen Zweck wurden später verschiedene private Stiftungen gegründet, und spätestens seit dem Waldsterben setzen sich auch die Umwelt- und Naturschutzverbände für die Walderhaltung ein. 4.5. Ergebnisse Bevor die Waldflächen seit den 1970er Jahren wieder zunehmen konnten, resultierten die Freiraumverluste im Ruhrgebiet auch aus der Zerstörung der Wälder. Zwischen 1822 und 1835 waren im Kern-Ruhrgebiet noch fast 43.000 Hektar oder 21 Prozent als Wald genutzt. Bis in die 1960er Jahre hinein ist die Waldfläche hier auf knapp 29.000 Hektar oder 14 Prozent 473 Hesmer (1958), S.446-449; Landesregierung (1981), S.13; Landesregierung (1986), S.38; Landesregierung (1991), S.63 f; Landesregierung (2003), S.115, S.171; MUNLV (2007a), S.23-27, S.113 f, S.122; die Fachhochschule Lippe hat jetzt einen Lehrstuhl für Holzwirtschaftliche Forschung 4. Wald und Forst 140 gesunken. Im rechtsrheinischen Revier einschließlich Randzonen waren es noch 15 Prozent oder 49.000 Hektar. Seitdem nehmen die Waldflächen im Ruhrgebiet wieder zu und haben inzwischen die Größenordnung der 1920er Jahre erreicht, mit 34.000 Hektar oder 17 Prozent im Kern bzw. 62.000 Hektar oder 18 Prozent im gesamten rechtsrheinischen Revier. In fünf Phasen hat sich diese Entwicklung vollzogen. - Waldverluste bis zum Ersten Weltkrieg, - Waldschutz im Ruhrgebiet während der Weimarer Republik, - nationalsozialistische Waldzerstörung, - erfolgloser Waldschutz während der Wiederaufbauphase und - Waldzunahme nach der Wiederaufbauphase. Von 1822/35 bis zum Ersten Weltkrieg haben die Wälder im Kern-Ruhrge- biet 7.000 Hektar verloren, ihr Flächenanteil ist auf 17 Prozent gesunken. Eine Ursache hierfür war die wachsende Nachfrage nach Holz als Rohstoff für Handwerk, Industrie sowie als Energieträger. Hinzu kam der Flä- chenbedarf für die Siedlungstätigkeit und die damalige Landwirtschaft. Die andere Ursache war die damalige ökonomische und rechtliche Liberalisie- rung, die zunächst allen Ständen den Erwerb von Grund und Boden er- laubte, einige Jahre später den Grundeigentümern die freie Verfügung über ihren Boden einräumte und schließlich die bis dahin gemeinschaftlich genutzten, häufig bewaldeten Marken parzellierte und privatisierte. Zahl- reiche Wälder und Gehölze wurden daraufhin gerodet und entweder in landwirtschaftliche Flächen oder in neue Siedlungsflächen umgewandelt. Nach vielen Klagen über zerstörte Wälder hat Preußen mehrere kompli- zierte und weitgehend wirkungslose Gesetze verabschiedet, die die noch vorhandenen Wälder schützen sollten. Die preußisch-staatlichen Ansätze, die weitere Separation von Wäldern zu verhindern und eine ordentliche Bewirtschaftung durchzusetzen, kamen zu spät oder waren - weil zu um- ständlich - nicht praktikabel. Nur manche adeligen Wälder waren vor Ver- äußerung und Zersplitterung geschützt, wenn sie zu einem Fideikommiss gehörten, der den Nachkommen des Stifters nur die Nutzung des Vermö- gens erlaubte, das ungeschmälert erhalten werden musste. Die andau- ernden Waldverluste forderten die entstehende Zivilgesellschaft heraus. So gründeten die forstlichen Akteure von den Eigentümern bis zu den Ar- beitern eigene Organisationen, teilweise um ihre wirtschaftlichen Interes- sen zu vertreten, teilweise um die waldbaulichen Produktionsmethoden zu verbessern und die Akteure zu qualifizieren. Hierzu gehörten neben der Ardeyer Waldgenossenschaft von 1888 auch einige Aufforstungsvereine. Schließlich hat die preußische Regierung Ende des 19. Jahrhunderts die beiden Landwirtschaftskammern eingerichtet und mit der Beratung der Privatwaldbesitzer beauftragt. Die ersten wenigstens teilweise wirksamen gesetzlichen Regelungen zum Schutz der Wälder kamen erst nach dem Ersten Weltkrieg zustande. Nachdem das geplante preußische Forstkulturgesetz nicht zuletzt unter dem politischen Druck der neugegründeten Waldbauvereine gescheitert war, machten die Waldverluste im Ruhrgebiet eine wenigstens regionale Lösung um so dringlicher. 1920 wurde der Siedlungsverband Ruhrkohlen- bezirk (SVR) gegründet, der sich schon bald für ein Baumschutzgesetz einsetzte, das 1922 vom Land Preußen beschlossen wurde, um die Wälder für die Naherholung der Bevölkerung zu sichern. Seitdem waren Waldumwandlungen und Kahlschläge genehmigungspflichtig und konnten vom Verband mit der Verpflichtung zur Ersatz- oder Wiederaufforstung verknüpft werden, was in den meisten Fällen auch geschah. Doch obwohl der Siedlungsverband darüber hinaus auch Aufforstungen und den kom- 4. Wald und Forst 141 munalen Walderwerb förderte, konnte er den weiteren Rückgang der Waldflächen nicht verhindern. Vom Ersten Weltkrieg bis in die ersten Jahre des Nationalsozialismus haben die Wälder im Kern-Ruhrgebiet fast 5.000 Hektar und im gesamten rechtsrheinischen Revier rund 7.000 Hektar verloren. Bis 1950 verlor das Revier weitere 2.000 Hektar Wald, weil in der Zeit des Nationalsozialismus zur Kriegsvorbereitung und während des Zweiten Weltkrieges ein Mehrfaches der vertretbaren Holzmenge geschlagen wurde. Hinzu kamen die Kriegszerstörungen, die "Reparationshiebe" der Alliierten und der Brennholzmangel der Bevölkerung. Nach dem Zweiten Weltkrieg und der Befreiung vom Nationalsozialismus haben sich Gewerkschaften, berufsständische Vereine und Waldbesitzer- verbände neu gegründet. Hinzu kam mit der Schutzgemeinschaft Deut- scher Wald eine neue zivilgesellschaftliche Organisation, die sich parteien- und berufe-übergreifend für den Schutz der Wälder einsetzt. Darüber hin- aus haben sich schon Ende der 1940er Jahre Klein- und Kleinstwaldbesit- zer, denen aufgrund der früheren Separationen kleine oder ungünstig ge- schnittene Parzellen, häufig untereinander in Gemengelage, gehörten, zu Waldwirtschaftgemeinschaften zusammengeschlossen. Von der Landes- politik in Nordrhein-Westfalen wurden diese Strukturen umgehend unter- stützt. Zugleich wurden die ordnungspolitischen Instrumente aus dem Baumschutzgesetz für das Ruhrgebiet mit dem Waldschutzgesetz von 1950 auf das Land Nordrhein-Westfalen und Mitte der 1970er Jahre mit dem Bundeswaldgesetz auf die gesamte Bundesrepublik übertragen. Auch die Förderung von Aufforstungen wurde über das Ruhrgebiet hinaus auf Nordrhein-Westfalen ausgedehnt, um weitere Fördertatbestände ergänzt und wird inzwischen aus Landes-, Bundes- und europäischen Mitteln bestritten. Doch all diese Maßnahmen haben während der Wiederauf- bauphase und während des "Wirtschaftswunders" bis in die 1960er Jahre hinein nicht vermocht, im Revier weitere Waldverluste von fast 3.000 Hektar zu verhindern. Erst in den 1960er Jahren, nach der damaligen Wirtschaftskrise ändert sich die Richtung der Entwicklung: Die Waldflächen nehmen wieder zu. Dieser Umschwung fällt zusammen mit der beginnenden Deindustrialisie- rung im Ruhrgebiet. Aufgrund des internationalen Holzhandels hatte in der Zwischenzeit die wirtschaftliche Bedeutung der heimischen Wälder abge- nommen. Die wirtschaftliche Lage der Forstwirtschaft war, von wenigen Jahren abgesehen, eher ungünstig, und die Wälder litten unter dem Waldsterben sowie mehreren verheerenden Stürmen. Dadurch und durch den Treibhauseffekt gewinnt der Wald eine wachsende Beachtung nicht nur bei den Umwelt- und Naturschutzverbänden, sondern auch in den Medien und bei weiten Teilen der Öffentlichkeit. Die Wohlfahrtswirkungen der Wälder, ihre vielfältigen Schutz- und Erholungsfunktionen werden durch Politik und Verwaltung immer stärker betont. Mit dem Landesforst- gesetz von 1969 wurde sogar ein allgemeines Betretungsrecht des Waldes für Erholungsuchende eingeführt. Darüber hinaus haben der Bund und das Land Nordrhein-Westfalen weitere neue Gesetze beschlossen, die dem Waldschutz dienen sollten: Bundeswaldgesetz, Gesetz über forstwirtschaftliche Zusammenschlüsse, Bundesnaturschutzgesetz und Landschaftsgesetz Nordrhein-Westfalen. Es gab Aktionsprogramme gegen das Waldsterben, Förderprogramme für die Betreuung der Wälder und für forstwirtschaftliche Investitionen, EU-Programme zur Holzvermarktung und internationale Konferenzen, die sich mit der Rolle der Wälder beim Klimaschutz befassten. Das Resultat sind die Aufforstungen der letzten 4. Wald und Forst 142 Jahrzehnte. Dabei zeigt meine Anfrage bei industriellen und kommunalen Waldeigentümern, dass inzwischen nicht mehr benötigte und verbrauchte Siedlungsflächen an den Wald "zurückfallen": Halden, Mülldeponien und Industriebrachen, die zur Bebauung erst nach aufwändigen Sanierungsmaßnahmen geeignet wären, werden aufgeforstet oder können sich im Zuge der Sukzession wiederbewalden. Hinzu kommen in geringe- rem Umfang Aufforstungen auf Agrarflächen als ökologische Kompensa- tion für Eingriffe in Natur und Landschaft. Dabei ist es besonders vorteil- haft, dass für Waldflächen nur geringe Pflegefolgekosten anfallen. Per Saldo ist dieser Waldflächenzuwachs offensichtlich größer als die weiteren Waldverluste zu Gunsten von Straßen, Leitungstrassen oder neuen Bau- gebieten. Gleichzeitig lief auch in der Forstwirtschaft ein Strukturwandel ab, bei dem kleine Forstbetriebe aufgaben und die verbliebenen größenmäßig wuch- sen. Ganz besonders aber wuchsen die kommunalen Forstbetriebe. Viele aufgeforstete oder noch aufzuforstende Flächen werden von ihren indus- triellen Eigentümern an die Kommunen oder den Regionalverband ver- kauft, teilweise zu nur symbolischen Preisen. Auch kleine Privatwaldbesit- zer bieten ihre Parzellen immer wieder den Kommunen zum Kauf an. In- zwischen ist der Regionalverband zum größten Waldeigentümer im Revier geworden. Kommunen und RVR zusammen besitzen mehr als ein Drittel aller Wälder im Ruhrgebiet; das ist der höchste kommunale Waldanteil, der im Ruhrgebiet bisher erreicht worden ist. Aus der Sicht des Common-Property-Ansatzes ist die Waldflächenent- wicklung im Ruhrgebiet besonders interessant. So ist seit mehr als hundert Jahren allgemein anerkannt, dass die Wälder wichtige Einrichtungen für das Wohlergehen der Region sind. Sie erfüllen produktive, ökonomische Funktionen. Zumindest zeitweise erfüllen sie für ihren Eigentümer und die für ihn tätigen Mitarbeiter eine Einkommensfunktion und bilden die Grundlage der Forst- und Holzwirtschaft. Vielleicht noch wichtiger sind die Wohlfahrtswirkungen. Wälder dienen der Erholung der Bevölkerung und erzeugen eine Vielzahl von ökologischen Effekten: - Grundwasser- und Gewässerschutz, - Luftfilter, Immissionsschutz, - Verbesserung des städtischen Mikroklimas, - Speicherung von Kohlenstoff, Verbrauch von CO2, - Lärmschutz, - Bereicherung des Landschaftsbildes, Sichtschutz, - Bodenschutz, - Lebensraum für viele Tiere und Pflanzen. Einige Wälder werden auch als "grüne Klassenzimmer" genutzt. Außerdem sind die Wälder die Grundlage für die Arbeit vieler Verbände, die sich für die Interessen von Waldeigentümern, Arbeitnehmern und bestimmten Berufsgruppen sowie für den Umwelt- und Naturschutz und für den Wald an und für sich einsetzen. Diese positiven Funktionen der Wälder haben Politik, Verwaltung und In- vestoren allerdings nicht davon abgehalten, Wälder zugunsten anderer Nutzungen zu zerstören. Auch die ordnungs- und leistungspolitischen In- strumente zur Walderhaltung und die vielfältigen Verbände haben die Waldverluste bis in die 1960er Jahr hinein nicht verhindern können. An- scheinend waren die anderen Nutzungen aus Sicht der Entscheidungsträ- ger wichtiger. Ein Prozess, der auch heute noch abläuft. Dabei werden die maßgeblichen Entscheidungen, die zur Umnutzung einer Waldfläche füh- 4. Wald und Forst 143 ren, nicht von den Nutzern dieses Waldes getroffen, vielmehr haben die Nutzer nur einen indirekten Einfluss - z.B. als Wähler - auf die Entschei- dungsträger. Dass die Waldflächen seit dem Ende des Wirtschaftswunders und dem Beginn der Deindustrialisierung des Ruhrgebietes wieder zunehmen, lässt sich nur dadurch erklären, dass Wälder auch die Funktion der "Restever- wertung" übernehmen können und als solche nur geringe Pflegefolge- kosten verursachen. Die neuen Wälder stehen vor allem auf Brachen, Halden und Deponien, die für Siedlungszwecke nicht oder nur unter er- heblichem Aufwand genutzt werden können. Bei der Bewaldung dieser Brachflächen sollte man allerdings nicht von einem Recycling sprechen, sondern eher von einem Downcycling-Prozess, da die wiederbewaldeten Flächen häufig mit Schadstoffen belastet und gegenüber gewachsenen Böden qualitativ schlechter sind.474 474 Da dieses Downcycling nicht nur für die Waldentwicklung, sondern auch für Grün- und Parkanlagen immer wichtiger geworden ist, werde ich die entsprechende Entwicklung von den Begrünungsaktionen in den 1920er Jahren bis zum Emscher Landschaftspark im Kapitel 8 gesondert und genauer betrachten. 5. Öffentliche Parks und Gärten 144 5. Öffentliche Parks und Gärten Gleich zu Beginn der spürbaren Freiraumzerstörung haben sich im Ruhr- gebiet bürgerschaftliche Gegenbewegungen entwickelt. Die ersten Initiati- ven zur Erhaltung von Grün- und Freiräumen werden in Essen und Bo- chum aktiv - also in genau den beiden Städten mit der stärksten Dynamik in der Siedlungsentwicklung. In diesen beiden Kommunen werden die ersten öffentlichen Stadtparks im Ruhrgebiet angelegt. Damit knüpfen sie nicht nur an die Tradition vorindustrieller Park- und Gartenanlagen an, sondern bilden im Ruhrgebiet den Start für eine Bewegung, die mit weiter- hin wachsenden öffentlichen Grünflächen bis heute nachwirkt. 5.1. Von den Volksgärten bis zu den Revierparks im Ruhrgebiet Zunächst will ich kurz an die vorindustriellen Parks und Gärten erinnern, bevor ich die weitere Parkentwicklung im Ruhrgebiet beschreibe. Dabei sind mehrere Parktypen und Phasen der Parkentwicklung zu unterschei- den: - Volksgärten und Stadtparks, - stärker sportlich ausgerichtete Volksparks, - Revierparks, - die Parkanlagen der Gartenschauen und - der Emscher Landschaftspark der Internationalen Bauausstellung Emscher Park (IBA).475 Diese Parktypen, ihre Entwicklung und Funktionen sollen im folgenden dargestellt werden, wobei ich auf die ersten Anlagen exemplarisch genauer zu sprechen komme. Zunächst geht es bei der Anlage von Parks und Gärten nicht darum, neue Freiflächen zu schaffen, sondern vorhandene Freiflächen durch neue Nutzungs-, Besitz- und Entscheidungsstrukturen zu sichern. Diese Strukturen, das Verhältnis zwischen Parknutzern und Entscheidungsträgern sowie die Instrumente der Parkpolitik werde ich im Anschluss daran aufzeigen. 5.1.1. Kloster-, Adels- und Bürgergärten Selbst eine Gegend wie das Ruhrgebiet hat aus der Zeit vor der Industria- lisierung, obwohl es damals politisch und ökonomisch nicht sonderlich be- deutend war, eine Vielzahl von Park- und Gartenanlagen geerbt, die zu früheren Adels- oder Herrensitzen gehören. Allein im Bereich des Emscher Landschaftsparks und in seinem näheren Umfeld haben Müller und Otten zu Anfang der 1990er Jahre fast fünfzig adlige Anlagen und zwei Kloster- gärten (oder ihre jeweiligen Überreste) ausfindig gemacht. 475 Wegen seiner besonderen Bedeutung werde ich den Emscher Landschaftspark später in einem eigenen Kapitel darstellen. 5. Öffentliche Parks und Gärten 145 Tabelle 5.1. Historische Kloster- und Kirchengärten im Ruhrgebiet Garten- oder Parkname Stadt Jahr der Gründung o.a. 1. Pfarrgarten St. Peter, Bissenkamp Waltrop ? (privat) 2. Parkanlage Kommende (Brackeler Hellweg) Dortmund 1290 (privat) 3. Garten am ehemaligen Franziskaner-Kloster Reckling- hausen 1979 Umgestaltung, Öffnung 4. Kloster Saarn Mülheim 1989 Beginn der Restaurierung 5. Schwesterngarten Witten 1912 Fertigstellung, 1989 Öffnung Quellen siehe Fußnote476 Gestützt auf mehrere zwischenzeitlich fertiggestellte Diplomarbeiten konnten Gaida und Grothe für den gesamten Raum des heutigen Regio- nalverbandes Ruhr (RVR) sogar fast hundert Parks und Gärten an Adels- und Herrenhäusern sowie fünf größere kirchlich-klösterliche Anlagen (Ta- belle 5.1.) beschreiben bzw. auflisten, auch wenn sie nur noch teilweise erhalten sind.477 Tabelle 5.2. Ehemalige Kurparks im Ruhrgebiet Garten- oder Parkname Stadt Jahr der Gründung o.a. 1. Haus Wolfsburg Mülheim/R. ? (privat) 2. Park an Haus Friedrichsbad Schwelm ? (privat) 3. Kurpark Königsborn Unna 1882 Eröffnung 4. Kurpark Hamm Hamm 1883 Sole-Thermalbad Eröffnung 5. Kurpark am Solbad Raffelberg Mülheim 1908 Baubeginn 6. Anlage am Solbad Wilhelmsquelle Herne 1920 Kauf durch Gemeinde 7. Park am Solbad Werne 1926 Freibad Eröffnung Quellen: siehe Fußnote478 Mit dem im Zuge der Gewerbe- und Industrieentwicklung gewachsenen bürgerlichen Wohlstand legten auch Kaufleute und Industrielle größeren Wert auf die Gartengestaltung an ihren Wohnsitzen. Gaida und Grothe nennen mehr als dreißig bürgerliche Privatgärten, die fast vollständig aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg stammen und zu einem Drittel bereits 476 Müller und Otten (1992), Katalognummer DO30 (Nr.2 in Tabelle 5.1.), RE07 (Nr.3); Gaida und Grothe (1997), Katalognummer C086 (Nr.1 in Tabelle 5.1.), C016 (Nr.2), B56 (Nr.3), A37 (Nr.4), A42 (Nr.5) 477 eigene Auszählung nach: Müller, Annegret, und Heidemarie Otten (1992): Historische Garten- und Parkanlagen. Emscher Landschaftspark, hg. vom Kommunalverband Ruhrgebiet (KVR), Essen; sowie nach: Gaida, Wolfgang, und Helmut Grothe (1997): Vom Kaisergarten zum Revierpark, Essen. Der niederrheinische Kreis Wesel wird auch in diesem Kapitel ausgeklammert, weil er überwiegend ländlich strukturiert, zu einem großen Teil linksrheinisch liegt und sich vom typischen Ruhrgebiet stark unterscheidet. 478 Müller und Otten (1992): Katalognummer UN01 (Nr.3 in Tabelle 5.2.), MH09 (Nr.5), HER62 (Nr.6), WER01 (Nr.7); Gaida und Grothe (1997): Katalognummer C064 (Nr.1 in Tabelle 5.2.), B48 (Nr.2), B59 (Nr.3), A29 (Nr.4), A38 (Nr.5), C053 (Nr.6) 5. Öffentliche Parks und Gärten 146 vor 1850 angelegt worden sind. Zwei Drittel sind inzwischen öffentlich zu- gänglich.479 Sieben ehemalige Kurparks sind noch zu erkennen (Tabelle 5.2.). Sie wurden angelegt, insbesondere nachdem der Bergbau solehaltige Quellen angeschnitten hatte. Einige ehemalige Friedhöfe schließen den Kreis der vor- bis frühindustriellen Parkanlagen (Tabelle 5.5.). 5.1.2. Stadtparks, Volks- und Stadtgärten Vier Jahrzehnte nach der Anlage des Magdeburger Volksgartens durch Peter Joseph Lenné und fünf Jahre nach dem Baubeginn für den Central Park in New York480 begann 1863 auch im Ruhrgebiet das Zeitalter der öffentlichen und kommunalen Parkanlagen. Der städtische Garten in Essen und der Bochumer Stadtpark leiteten die Stadt- und Volksgartenbewegung ein. Nach dem Ersten Weltkrieg folgten die Volksparks und später mit den Gartenschauen, Revierparks und Emscher-Landschaftsparks weitere Parktypen. a. Stadtgarten Essen 481 Der Essener Stadtgarten ist der älteste öffentliche Park im Ruhrgebiet. Damals sollte ein Festsaal errichtet werden, der "mit seiner Garten-Umgebung allen Bewohnern der Stadt und Umgebung zu festli- chen Zusammenkünften dienen, zur körperlichen und geistigen Erholung Gele- genheit bieten" sollte.482 Feierlich wurde im Juni 1864 sein Grundstein gelegt. Festredner war Friedrich Hammacher, Gründer des "Vereins für die bergbaulichen Interessen im Oberbergamtsbezirk Dortmund": "Das, was die Grundlage der Arbeit, der Geschäfte und des Wohlstandes der hie- sigen Gegend bildet: der Bergbau und die Eisenindustrie, hat unvermeidlich große Unzuträglichkeiten für die Bevölkerung im Gefolge. Unsere Stadt hat den landwirt- schaftlichen Charakter, den sie noch vor 25 Jahren trug, abgestreift. Überall ragen die Kamine hervor, verursachen die massenhaften Transporte von Kohlen, Eisen- stein und Baumaterial einen dem Wohlbefinden oft unerträglichen Staub und Schmutz. In der Umgebung der Stadt zeigen sich nur noch vereinzelt kleinere Partien von Schatten bietenden Bäumen. Gerade für die Bewohner solcher Städte sind öffentliche Gärten dringendes Bedürfnis, Lungen der Stadt, wie der Engländer sagt. Für uns sind schattige, gesundere Vereinigungspunkte glückliche Respirato- ren gesellschaftlichen Wohlergehens".483 479 ein Beispiel: Eichholz, Benno (1984): Die Gärten des Carl Friedrich Gethmann in Blankenstein über der Ruhr, in: Westfälische Zeitschrift. Zeitschrift für vaterländische Geschichte und Altertumskunde, 134. Band (1984), Paderborn, S.343-363 480 Schmidt, Erika (1988): Der Bochumer Stadtpark und sein städtebauliches Umfeld im 19. Jahrhundert. Ein Beitrag zur Revision von Werturteilen über den typischen deut- schen Stadtpark des 19. Jahrhunderts, Dissertation, Hannover, S.28 Fußnote 31, S.80 481 dieser Abschnitt beruht im wesentlichen auf: Schmidt, Erika (1981): Stadtparks im Ruhrgebiet als "Denkmäler", in: Kommunalver- band Ruhrgebiet (KVR) und Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst und Landschafts- pflege e.V. (DGGL) (Hg.) (1981): Historische Freiräume und Denkmalpflege. Fachta- gung am 8. und 9. Oktober 1980 in Essen, Essen, S.102-104; nahezu wortgleich in: Gaida und Grothe (1997), S.93-96; vgl. auch: Kastorff-Viehmann, Renate (1998a): Die Stadt und das Grün 1860 bis 1960, in: Kastorff-Viehmann, Renate (Hg.) (1998b): Die grüne Stadt, Essen, S.49-141, hier: 62 f 482 Essener Zeitung, zitiert nach: Jahn, Robert (1952): Essener Geschichte, Essen, S.443, zitiert nach: Schmidt (1981), S.102 483 ebenda 5. Öffentliche Parks und Gärten 147 Standort war das Gelände eines aufgelassenen Steinbruchs und seine Umgebung. Der Eintritt war kostenlos. Träger dieses "städtischen Gartens" und des Festsaales war die "Essener gemeinnützige Aktiengesellschaft", die eine Gruppe Essener Bürger 1863 eigens zu diesem Zweck gegründet hatte. Weil aber diese Gesellschaft nur unzureichend mit Kapital ausges- tattet war, mussten 1874 Liquidationsverhandlungen eingeleitet werden. Als das Vermögen schließlich verkauft werden musste, brachte der Magis- trat die Anlagen in kommunalen Besitz. 1881 wurde der "städtische Gar- ten" der Bürgergruppe in den "Stadtgarten" umgewandelt sowie im Laufe der Zeit erweitert und umgestaltet. Zur Jahrhundertwende gab es auch hier, wie in anderen damaligen Anlagen, einen Milchausschank, "Molkerei" genannt. Nachdem der größere Gruga-Park seit 1928 an Bedeutung ge- wonnen hatte, wurde der Stadtgarten wieder verkleinert, vor allem um nach dem Zweiten Weltkrieg Flächen für Straßen und Veranstaltungsgebäude zur Verfügung zu stellen. b. Stadtpark Bochum Der Bochumer Stadtpark ist der älteste kommunale Park im Ruhrgebiet. Im Gründungsjahr der gemeinnützigen Essener Aktiengesellschaft regte der Bochumer Bürgermeister Maximilian Greve an, einen Stadtpark anzulegen. Die Versuche des Magistrats, einen Verschönerungs- oder Bürger- parkverein ins Leben zu rufen, scheiterten jedoch. Daher hat der Magistrat 1869 selbst die "Herstellung eines städtischen Parkes in der Vöde von 30- 40 Morgen" beschlossen. Hierfür sollte die städtische Landabfindung aus der Teilung der "Vöde" genutzt werden.484 Der Prozess, der zum Bau und späteren Umbau des Stadtparkes führte, war allerdings sehr wechselhaft. Im Frühjahr 1870 setzten der Magistrat und die Stadtverordneten eine (erste) Park-Commission ein, die im Herbst 1871 den Entwurf des Kölner Garten-Baumeisters Anton Strauß und einen Finanzierungsplan vorlegte. Obwohl der Magistrat und die Stadtverordne- ten nach intensiven politischen Auseinandersetzungen über die Kosten - gegen die Einwände des Gewerbevereins - dem Stadtpark mehrheitlich zustimmten, kam das Projekt nicht voran. Zunächst waren die Grundstücke noch nicht verfügbar, und dann waren der Bau einer neuen Gasanstalt und die Erweiterung des Wasserwerks wichtiger.485 1874 brachte der neue Bürgermeister Adalbert Prüfer das Stadtparkvor- haben mit einer eigenen Denkschrift wieder in Schwung.486 Darin verband er zwei Ziele miteinander: die Bebauung der städtischen Vöde und die Erholung der Arbeiterbevölkerung. Wie Schmidt berichtet, wies Prüfer die Stadtverordneten "darauf hin, daß die städtischen Grundstücke auf den Vöden erst dann ihrem Wert entsprechend zu verpachten oder zu verkaufen sein würden, wenn das Gelände erschlossen und verschönert sei. Man müsse Straßen bauen, Plätze und den längst geplanten Park anlegen." 487 Hierzu erklärte Prüfer in seiner Denkschrift: 484 Schmidt (1988), S.388, S.329, S.219, S.292 ff, S.388, S.70; Schmidt, Erika (1982): Zierde, Vergnügen, gesunde Luft und gute Lehren. Zur Ge- schichte des Stadtparks in Bochum und anderswo, in: Das Gartenamt, 31.Jg. (1982), S.343-357, hier: S.348; siehe oben: Kapitel 3.1.1.b. Markenteilungen 485 Schmidt (1988), S.70, S.82 Fußnote 190, S.290 Fußnote 1121, S.291 f, S.292 ff, S.297 f, S.298 ff, S.302, S.388 486 Schmidt (1988), S.300 f 487 Schmidt (1982), S.348 5. Öffentliche Parks und Gärten 148 "Der Gedanke, in der Nähe der Stadt eine größere Parkanlage zu schaffen, ist kein neuer, sondern ein schon seit längerer Zeit wohl in allen Kreisen der städtischen Bevölkerung mit besonderer Vorliebe geplanter. Daß dieser Gedanke jetzt zur That wird, erscheint namentlich im Interesse der Arbeiterbevölkerung - die wohlhabenderen Einwohner haben meistentheils Gärten - dringend wünschens- werth. Es ist dem Arbeiter, wenn er die Woche hindurch in Kohlenstaub und Eisengluth verbracht hat, wohl zu wünschen, daß er wenigstens an Sonn- und Feiertagen Gelegenheit hat, in Gemeinschaft mit seiner Familie sich der Natur zu freuen und frische Luft zu genießen." 488 Dieser Hinweis auf die Erholungsbedürfnisse der Arbeiterbevölkerung war nach Ansicht von Schmidt "leicht als Vorwand zu durchschauen", weil die wachsenden Arbeiterwohngebiete im Südwesten, also am anderen Ende der Stadt lagen und der Stadtpark für sie viel "zu entlegen" war.489 Demgegenüber gab es von bürgerlicher Seite die Sorge, dass der Park "den schon so stark zu Tage tretenden Müßiggang vieler Bewohner noch ver- schlimmern würde, auch verschiedene unaufgeklärte Morde seien vorgekommen. ... Das Bettelwesen nähme zu, ... (so) daß statt des Stadtparks ein Arbeitshaus gebaut werden" 490 sollte. Andere Bürger hingegen freuten sich schon auf den künftigen Park: "Wenn nun erst unsere städtische Verschönerungs-Commission die beabsichtigten herrlichen Parkanlagen wird in's Leben gerufen haben, so daß man wie hier sit- zend, dort lustwandelnd sich des kühlenden, erquickenden Schattens zu erfreuen vermag, dann - ja dann, mein Bochum, was willst du noch mehr !" 491 Nachdem eine neue Commission für den Stadtpark eingesetzt und zudem die Aufteilung der Vöde rechtskräftig geworden war, wurde der Stadtpark 1876 - der Kosten wegen nur mit knapper Mehrheit - beschlossen und anschließend gebaut. Bis zum ersten Weltkrieg wurde der Stadtpark sogar noch mehrmals erweitert, jeweils auf städtischen Flächen, die entweder aus der Teilung der Vöde stammten oder hinzugekauft wurden. Mehrfach wurden für den Parkausbau Notstandsarbeiten organisiert, um Arbeitslose zu beschäftigen.492 Zugleich erlebte der Park funktionelle Erweiterungen: Anfangs ging es um die Erholung im Grünen, die durch eine Folge von ästhetischen Erlebnis- sen, von konstruierten oder komponierten Landschaftsbildern besonders abwechslungsreich gestaltet werden sollte.493 Zugleich würden, wie die Parkkommission erwartete, "neben den Annehmlichkeiten auch der öffentlichen Gesundheitspflege wesentliche Dienste geleistet ... Die Anlage wird ... der Stadt und Gegend zur größten Zierde gereichen; sie wird nicht bloß unseren Mitbürgern nach des Tages Lasten und Mühen Schutz gegen Staub und Hitze und Erholung gewähren, sondern auch den Bewohnern benachbarter Städte ein gesuchtes Object für sommerliche Ausflüge bieten." 494 Schon damals war der Tourismus ein freiraumpolitisches Argument. Dabei war die Pflege des Parkes noch mit - heute überraschenden - landwirt- schaftlichen Elementen verknüpft: So standen dem Parkgärtner ein Stall und die Grasnutzung für drei Kühe zu, von denen er wiederum den Dung zur Verfügung stellen musste. Überdies gab es am Haus des Gärtners - 488 Prüfer, A. (1874), zitiert nach: Schmidt (1988), S.300 f 489 Schmidt (1988), S.314 f, S.330 490 zitiert nach: Schmidt (1988), S.297 491 zitiert nach: Schmidt (1988), S.317 Fußnote 1217 492 Schmidt (1988), S.276, S.302, S.345-356, S.327 f 493 Schmidt (1988), S.74 ff 494 zitiert nach Schmidt (1982), S.348 5. Öffentliche Parks und Gärten 149 ähnlich wie in Köln, Essen und anderen Parkanlagen - einen Milchaus- schank, für den 1913 sogar ein eigenes "Milchhäuschen" gebaut wurde.495 Trotz dieser agrarischen Nähe sollte der Park gerade die Überwindung der angeblichen bäuerlichen Rückständigkeit dokumentieren, die bis 1870 mit der Vödewirtschaft und dem Viehtreiben durch das sommerliche Bochumer Straßenleben verbunden und in dem Spottnamen "Kaubaukum" aus- gedrückt wurde. Ein städtischer Park auf der ehemaligen Gemeindeweide galt "als leuchtendes Zeichen des Fortschritts".496 Darüber hinaus sollte der Park nicht nur als gestaltete bzw. geordnete Natur selbst schon moralisch und erzieherisch wirken,497 sondern auch als Ort der Begegnung zwischen den gesellschaftlichen Klassen. Nach einem Zeitungsbericht erklärte Karl Bollmann, seit 1877 Oberbürgermeister in Bochum: "Der Schöpfung unseres städtischen Parks ... habe der Gedanke zu Grunde gele- gen, allen Schichten der Bewohnerschaft Bochums einen geselligen Vereini- gungspunct zu bieten, und den friedlichen und freundlichen Verkehr der Mitbürger unter einander zu fördern. Es werde hier nicht nach dem politischen oder confes- sionellen Standpunct gefragt. Der Stadtpark sei ein neutraler Boden, auf dem sich ... alle Bürger zusammenfinden könnten in dem Gedanken, Glieder einer großen durch die mannigfachen Interessen eng aneinander geknüpften Gemeinschaft zu sein. Man kümmere sich auch nicht um das Vermögen der Einzelnen. Ein Jeder ob arm oder reich habe gleiche Rechte, und so sei der Stadtpark in hervorragender Weise dazu bestimmt, eine Schule der bürgerlichen Tugenden zu bilden, auf denen das Wohl einer Commune beruht." 498 Auch für Bürgermeister Carl Lange spielte dieser klassenversöhnende Aspekt eine besondere Rolle. Vor dem "Verein für Socialpolitik" berichtete er 1886, dass die Stadt einen Park angelegt hat, "in welchem sich die arbeitende Klasse zu jeder Tageszeit nach des Tages Last und Mühe erholen kann, ohne daß seitens der betreffenden Besucher dieses Stadtparks auch nur die allergeringste Entschädigung zu leisten ist. Es wird dieser öffentliche Garten nicht blos von den besser situirten Ständen benutzt, sondern es ergehen sich tagaus tagein die oft zahlreichen Glieder der Arbeiterfamilien in demselben. Und gerade dadurch, daß die verschiedenartigsten Stände in diesem öffentlichen Stadtparke sich aufhalten und bewegen können, wird der Verrohung und Verwilderung moralisch verkommener Personen ein entsprechender Damm und eine Schranke gesetzt, die in Betreff der moralischen Verbesserung nur wohlthätig wirken kann. Gute Beispiele erzeugen gute Sitten." 499 Hinzu kommt, dass der Bochumer Stadtpark nach und nach mit immer mehr politischen Symbolen möbliert wurde. Hatten sie anfangs nur lokale Bedeutung, wie der Junggesellenhain und der Maischützen-Gedenkstein, der an einen früheren Konflikt mit dem Nachbarort Harpen erinnerte, so wurden sie im Laufe der Zeit politisch immer gewichtiger: die Kaiser- Wilhelm-Büste, das Jahn-Denkmal, ein neues Kaiser-Wilhelm-Standbild, ein Schiller-Denkmal, die Körner-Eiche und der Bismarck-Turm.500 Zugleich enthielt der Stadtpark eine Dauerausstellung naturwissenschaftli- cher Instrumente, insbesondere geologischer und meteorologischer Mess- 495 Schmidt (1988), S.84, S.93, S.103 f, S.77, S.93 Fußnote 244, S.119, S.183 496 Schmidt (1982), S.348; Schmidt (1988), S.295 mit weiteren Hinweisen 497 Schmidt (1988), S.175-181 498 Märkischer Sprecher vom 24.9.1878, zitiert nach: Schmidt (1982), S.350 499 Lange, Carl (1886): Die Wohnungsverhältnisse der ärmeren Volksklassen in Bochum, in: Die Wohnungsnoth der ärmeren Klassen in deutschen Großstädten und Vor- schläge zu deren Abhülfe. Zweiter Band. Schriften des Vereins für Socialpolitik XXXI (1886), Leipzig, S.73-105, hier: S.99. Ob diese Beschreibung zutrifft, will ich hier nicht diskutieren. 500 Schmidt (1988), S.109-116, S.115 Fußnote 318, S.124 f, S.170-174, S.183 5. Öffentliche Parks und Gärten 150 geräte.501 In dieser Tradition wurden in seiner Nachbarschaft später das Bergbaumuseum und das Planetarium errichtet. Erst seit den 1890er Jahren werden Sport und Spiel als Parkfunktionen anerkannt, mit der Einrichtung eines Kinderspielplatzes und später auch mit kleineren Sportplätzen.502 Etwas Besonderes war das Restaurationsgebäude, das nicht nur als Re- staurant und Cafe dienen sollte, sondern auch als Raum für künstlerische, vor allem musikalische Darbietungen sowie für feierliche, gesellige Veran- staltungen aller Art. Im Laufe der Zeit erlebte dieses Gebäude mehrere Um-, An- und sogar Neubaumaßnahmen.503 Von Anfang an wurden eigene politische Gremien und eine Verwaltung für den Stadtpark aufgebaut. Hierzu gehörten die Park-Commissionen, die aus Vertretern des Magistrats und einigen Stadtverordneten gebildet wurden.504 Hinzu kamen mehrere "Special-Commissionen", und zwar die "Geflügel-Commission, welche ... die Fürsorge für sämmtliche im Stadtpark be- findliche Tiere übernimmt; ... Inventarien-Commission, welche ... die Fürsorge für das bewegliche Inventarium des Stadtparks sowie für die Restauration zu übernehmen hat; ... Garten-Kommission, welche ... sich um die speziellen Garten-Anlagen (Pflanzun- gen, Wege etc.) kümmern wird." 505 Wie Schmidt berichtet, führte die Park-Commission zeitweise eine eigene "Specialkasse" und entschied darüber, wie die städtischen Haushaltsmittel für den Stadtpark verwendet wurden.506 Im Jahr 1909 erhielt die Kommis- sion eine neue "Geschäftsordnung". Danach hatte die Kommission "die gesamten Anlagen des Stadtparks, sowie die städtischen Baumpflanzungen und Schmuckanlagen zu beaufsichtigen und für deren ordnungsgemäße Unter- haltung Sorge zu tragen ... Sie ist bei Anstellung des Stadtparkinspektors und sonstiger im Beamtenverhältnis stehender Angestellten des Stadtparks zu hören. Innerhalb der im Haushaltsplan ausgeworfenen Beträge kann die Stadtpark-Kom- mission frei verfügen. ... Etwaige von den Kommissionsmitgliedern bemerkte Un- gehörigkeiten und Übelstände sind vielmehr dem Magistratsdirigenten behufs Ab- stellung anzuzeigen." 507 Im Herbst 1877 - seit dem Maiabendfest desselben Jahres stand der Park zum Besuch offen508 - wurde der "Kunstgärtner W. Wagener" als Parkgärt- ner eingestellt. Sein Vertragspartner war die Parkkommission. Um die Jahrhundertwende wurde er als "Stadtpark-Inspektor" oder "Gartenin- spektor" bezeichnet. 1892 stellte die Stadt zudem einen "Obergehülfen" ein. Weitere Kräfte konnten vermutlich nur kurzfristige oder saisonale Ar- beiten erledigen. Bis etwa 1910 war der Stadtbaumeister der Dienstvorge- setzte des Stadtgärtners und blieb die Gartenverwaltung eine von neun Unterabteilungen des Stadtbauamts. Danach wurde sie selbstständig und beschäftigte - inzwischen für sämtliche Grünanlagen der Stadt zuständig - "1 Obergärtner, 3 Obergehilfen, 8 Gärtnergehilfen, 12-14 Arbeiter, 2-6 Frauen, 3-4 Parkwächter, 1 Schreiner." 509 So hat sich also im Verlauf von einigen Jahrzehnten innerhalb der Bochumer Stadtverwaltung ein politi- 501 Schmidt (1982), S.352; Schmidt (1988), S.118 f 502 Schmidt (1988), S.145 f 503 Schmidt (1988), S.158 ff 504 Schmidt (1988), S.70 f, S.70 Fußnote 152, S.81, S.293 f, S.302 505 zitiert nach: Schmidt (1988), S.82 506 Schmidt (1988), S.83 507 zitiert nach: Schmidt (1988), S.82 508 Schmidt (1988), S.306 509 Schmidt (1988), S.83-86, S.86 Fußnote 210 5. Öffentliche Parks und Gärten 151 scher und ein behördlicher Träger für den Stadtpark und die anderen städtischen Grünanlagen entwickelt. Tabelle 5.3. Kaisergärten im Ruhrgebiet Garten- oder Parkname Stadt Jahr der Gründung o.a. 1. Kaiserberganlagen / ehemals Duissernberg Duisburg 1882 Umwidmung in Parkfläche 2. Kaiser-Wilhelm-Hain / 1926: Volkspark / 1959: BuGa - Westfalenpark / 1991: BuGa Dortmund 1892 Fertigstellung, 1926 Einweihung des Volksparks 3. Kaiser-Wilhelm-Park Altenessen Essen 1898 Baubeginn 4. Kaisergarten / Stadtgarten Wanne Herne 1898 Baubeginn 5. Kaisergarten Oberhausen 1898 Baubeginn 6. Kaiser-Wilhelm-Park / Stadtgarten Gelsenkirchen 1899 Eröffnung 7. Hohenzollern-Park / Bulmker Park Gelsenkirchen 1902 Baubeginn 8. Jubiläumshain in Hamborn Duisburg 1908 Baubeginn 9. Bismarckhain / heute Ruhr- Zoo Gelsenkirchen 1908 Parkanlage, 1948 Zoogründung 10. Kaiserplatz / Friedensplatz Oberhausen 1910 Gartenanlage 11. Kaiser-Jubiläums-Park / Stadtpark Meiderich Duisburg 1911 Baubeginn 12. Kaiser-Wilhelm-Park / Stadtgarten Bottrop Bottrop 1921 Eröffnung Quellen: siehe Fußnote510 c. Stadtgartenbewegung Mit den beiden Park- und Gartenanlagen in Bochum und Essen kam vor über hundert Jahren die Volksgarten- und Stadtparkbewegung in Gang: "Seit den neunziger Jahren entstanden auch in den übrigen Gemeinden Stadt- parke, so daß man geradezu von einer Stadtgartenbewegung sprechen konnte, ein Beweis dafür, daß die mit der Naturzerstörung Hand in Hand gehende gewaltige Bebauung des Bezirks mit ihren unausbleiblichen Nachteilen und Härten um jene Zeit zum allgemeineren, ja zum öffentlichen Bewußtsein kam. Auch Gemeinden mittlerer Größe legten Stadtgärten an", schrieb der Lehrer Hans Klose aus Gelsenkirchen im Jahr 1919.511 Dabei verstand er unter Naturzerstörung gleichermaßen die Vernichtung von Grünflächen durch Industrieansiedlungen, Verkehrstrassen und neue Wohngebiete, die Vergiftung von Bächen vor allem durch industrielle Ab- wässer als auch die Rauchschäden durch Schadstoffe in den Industrieab- gasen. Demgegenüber sind die neuen Stadtparks ein erster Versuch, ein- zelne Elemente der Natur innerhalb der Ruhrgebietsstädte zu erhalten. 510 Müller und Otten (1992): Katalognummer DU40 (Nr.1 in Tabelle 5.3.), DO38 (Nr.2), E24 (Nr.3), HER28 (Nr.4), OB22 (Nr.5), GE32 (Nr.6), GE34 (Nr.7), DU22 (Nr.8), GE37 (Nr.9), OB 21 (Nr.10), DU25 (Nr.11), BOT11 (Nr.12); Gaida und Grothe (1997): Katalognummer B12 (Nr.1 in Tabelle 5.3.), A08 (Nr.2), A18 (Nr.3), A34 (Nr.4), A39 (Nr.5), A25 (Nr.6), B19 (Nr.7), A13 (Nr.8), C036 (Nr.9), A15 (Nr.11), A04 (Nr.12) 511 Klose, Hans (1919): Das westfälische Industriegebiet und die Erhaltung der Natur, Berlin, S.50 f. - Kaum zwanzig Jahre später wurde Klose zum Spitzenfunktionär des staatlichen Naturschutzes in Deutschland. 5. Öffentliche Parks und Gärten 152 Dabei unterscheiden sich diese Stadtgärten in einem ganz entscheidenden Punkt von allen klösterlichen, adeligen und großbürgerlichen Vorläufern: Die neue Generation von Parks ist öffentlich, für alle Einwohner zu- gänglich. Der Höhepunkt ihrer Entwicklung fällt bereits in die 1890er Jahre, als im Ruhrgebiet ein Dutzend "kaiserliche" Anlagen eingerichtet wurden. (Tabelle 5.3.) Tabelle 5.4. Stadtparks und Volksgärten im Ruhrgebiet Garten- oder Parkname Stadt Jahr der Gründung o.a. 1. Stadtgarten Essen Essen 1864 Grundstein 2. Stadtpark Bochum 1878 Eröffnung 3. Stadtgarten Hagen 1885 Eröffnung 4. Stadtgarten Steele Essen 1897 Baubeginn 5. Volksgarten Eickel Herne 1899 Baubeginn 6. Stadtpark Wattenscheid Bochum 1900 Eröffnung 7. Südpark / Gemeindepark Uecken- dorf / Von-Wedelstaedt-Park Gelsenkirchen 1900 Baubeginn 8. Stadtgarten Recklinghausen 1904 Baubeginn 9. Stadtgarten Herne Herne 1906 Baubeginn 10. Volksgarten Osterfeld (Kapellenstraße) Oberhausen 1909 Restaurant fertig 11. Stadtpark Günnigfeld (Blücherstraße) Bochum 1910 Fertigstellung 12. Volksgarten Lütgendortmund Dortmund 1911 Fertigstellung 13. Volksgarten Mengede Dortmund 1912 Baubeginn 14. Volksgarten Kray Essen 1913 Einweihung 15. Stadtgarten / Immanuel-Kant-Park Duisburg 1925 Öffnung 16. Volksgarten Bövinghausen Dortmund 1928 Baubeginn 17. Stadtgarten Castrop-Rauxel 1931 Baubeginn 18. Stadtpark Witten 1955 Eröffnung Quellen: siehe Fußnote512 Bis in die 1930er Jahre hält diese Bewegung an und lässt im Ruhrgebiet weitere fast zwanzig neue ausdrückliche Stadtparks und Volksgärten ent- stehen, inzwischen ohne kaiserliche Bezüge. (Tabelle 5.4.) Hinzu kamen einige ehemalige Friedhöfe, die seit Anfang des 20. Jahr- hunderts in Stadtparks umgewandelt wurden. (Tabelle 5.5.) 512 Müller und Otten (1992): Katalognummer E51 (Nr.1 in der Tabelle 5.4.), BO19 (Nr.2), E52 (Nr.4), HER29 (Nr.5), BO07 (Nr.6), GE33 (Nr.7), RE13 (Nr.8), HER27 (Nr.9), OB26 (Nr.10), BO11 (Nr.11), DO21 (Nr.12), DO22 (Nr.13), E25 (Nr.14), DU34 (Nr.15), DO20 (Nr.16), CR13 (Nr.17); Gaida und Grothe (1997): Katalognummer A20 (Nr.1 in der Tabelle 5.4.), A02 (Nr.2), A27 (Nr.3), B18 (Nr.4), A33 (Nr.5), A03 (Nr.6), B22 (Nr.7), A49 (Nr.8), B34 (Nr.9), C072 (Nr.10), C017 (Nr.12), A06 (Nr.13), A19 (Nr.14), B11 (Nr.15), A45 (Nr.17), A43 (Nr.18) 5. Öffentliche Parks und Gärten 153 Tabelle 5.5. Ehemalige Friedhöfe als Stadtparks im Ruhrgebiet Garten- oder Parkname Stadt Jahr der Gründung o.a. 1. Westpark / ehem. Westfriedhof Dortmund 1912 Umgestaltung zum Park 2. Kortum-Park / ehem. Friedhof Bochum 1913 Umgestaltung 3. Tobiaspark / Alter ev. Friedhof Lünen 1937 Umgestaltung 4. Alter Friedhof Mülheim 1967 Schließung des Friedhofs 5. Alter Kommunalfriedhof Lünen 1971 Umgestaltung Quellen: siehe Fußnote513 Ebenso wurden ehemalige Wälder stadtpark-ähnlich umgestaltet. (Tabelle 5.6.) Tabelle 5.6. Stadtpark-ähnliche Wälder im Ruhrgebiet Garten- oder Parkname Stadt Jahr der Gründung o.a. 1. Schimmelsheider Park / ehem. Bruchwald Reckling- hausen 1900 Öffnung 2. Bernewäldchen Essen 1900 (?) Entstehung 3. Witthausbusch Mülheim 1902 Ausbaubeginn 4. Fredenbaum-Park Dortmund 1904 Ausbaubeginn 5. Stadtwald Hamborn Duisburg 1905 Baubeginn 6. Grävingholz Dortmund 1910 Kauf durch die Stadt, Ausbau 7. Burgholz Dortmund 1912 Entstehung 8. Buer'scher Grüngürtel, Stadt- wald, Westerholter Wald Gelsen- kirchen 1922 Baubeginn 9. Stadtwald Osterfeld / Revierpark Vonderort Ober- hausen 1925 Ausbaubeginn, 1974 Eröffnung des Revierparks 10. Stadtwald Bottrop 1927 Kauf durch die Stadt, Ausbau 11. Waldpark Gysenberg Herne 1928 Öffnung 12. Nienhauser Busch / Revierpark Nienhausen Gelsen- kirchen 1956 Umgestaltung, 1969 Ausbau, GmbH-Gründung Quellen: siehe Fußnote514 Mindestens weitere zwanzig Anlagen stehen nach Einschätzung von Müller und Otten sowie von Gaida und Grothe trotz abweichender Namen ebenfalls in der Tradition der Stadtparks und Volksgärten. (Tabelle 5.7.) 513 Müller und Otten (1992): Katalognummer DO40 (Nr.1 in der Tabelle 5.5.), BO21 (Nr.2), LÜ19 (Nr.3), MH10 (Nr.4), LÜ20 (Nr.5) 514 Müller und Otten (1992): Katalognummer RE03 (Nr.1 in der Tabelle 5.6.), E41 (Nr.2), DO18 (Nr.4), DU24 (Nr.5), DO23 (Nr.6), DO24 (Nr.7), GE47 und GE48 (Nr.8), OB27 (Nr.9), BOT12 (Nr.10), HER31 (Nr.11), GE36 (Nr.12); Gaida und Grothe (1997): Katalognummer C084 (Nr.1 in der Tabelle 5.6.), C026 (Nr.2), B38 (Nr.3), A05 (Nr.4), C025 (Nr.5), A24 (Nr.8), A40 (Nr.9), A26 (Nr.12) 5. Öffentliche Parks und Gärten 154 Tabelle 5.7. Weitere Stadtparks im Ruhrgebiet Garten- oder Parkname Stadt Jahr der Gründung o.a. 1. Flora-Marzina-Park Herne ? (privat) 2. Grüngürtel auf den Wallanla- gen, Nordenmauer, Stadtpark Kamen 1897 Kauf durch die Stadt 3. Nordpark (Grillostraße) Essen 1898 Baubeginn 4. Erlbruchpark Recklinghausen 1908 Eröffnung 5. Bockholt (Harpen) Bochum 1910 Kauf durch die Stadt 6. Ruhrpark (Solbadstraße) Oberhausen 1914 Kauf durch die Stadt 7. Südpark Lünen 1918 Kauf durch die Gemeinde und Ausbau 8. Schwelgernpark Duisburg 1923 Baubeginn 9. Behrenspark (Behrensstraße) Herne 1925 gärtn. Umgestaltung 10. Grünanlage am Ehrenmal (Wattenscheid, Bußmannweg) Bochum 1925 (?) Entstehung 11. Park am Edelkirchhof Kamen 1926 Ausbau 12. Bahnhofspark (Tannenbergstraße) Oberhausen 1927 Flächenerwerb 13. Grünanlagen am Koppelteich Kamen 1930 Bau 14. Postpark Kamen 1930 Bau 15. Zillertal Bochum 1930 Kauf durch die Stadt 16. Burgers Park Gelsenkirchen 1930 (?) Entstehung 17. Nordpark Gladbeck 1933 Baubeginn 18. Ostbachtal Herne 1933 Baubeginn 19. Parkanlage an der Dimbeck Mülheim 1936 Fertigstellung 20. Nordpark Lünen 1937 Baubeginn Quellen: siehe Fußnote515 Hinzu kommen mehrere kleinere stadtpark-ähnliche Anlagen. Fast alle dieser neuen Parks und Gärten wurden noch vor dem Zweiten Weltkrieg angelegt. (Tabelle 5.8.) 515 Müller und Otten (1992): Katalognummer HER40 (Nr.1 in der Tabelle 5.7.), KAM04 (Nr.2), E23 (Nr.3), RE12 (Nr.4), BO09 (Nr.5), OB24 (Nr.6), LÜ13 (Nr.7), DU23 (Nr.8), HER37 (Nr.9), BO08 (Nr.10), KAM05 (Nr.11), OB23 (Nr.12), KAM06 (Nr.13), KAM07 (Nr.14), BO04 (Nr.15), GE35 (Nr.16), GLA8 (Nr.17), HER21 (Nr.18), MH08 (Nr.19), LÜ15 (Nr.20); Gaida und Grothe (1997): Katalognummer C056 (Nr.1 in der Tabelle 5.7.), C093 (Nr.2), C031 (Nr.3), B55 (Nr.4), C070 (Nr.6), C100 (Nr.7), C024 (Nr.8), C055 (Nr.9), C001 (Nr.10), C095 (Nr.11), C067 (Nr.12), C092 (Nr.13), C096 (Nr.14), C037 (Nr.16), C080 (Nr.17), A35 (Nr.19), C099 (Nr.20) 5. Öffentliche Parks und Gärten 155 Tabelle 5.8. Kleinere stadtpark-ähnliche Anlagen im Ruhrgebiet Garten- oder Parkname Stadt Jahr der Gründung o.a. 1. Mechtenberg / Bismarckturm Essen 1902 Entstehung 2. Restfläche des Ostparks (Steeler Straße) Essen 1902 gärtnerische Anlage 3. Bonmannplatz Oberhausen 1905 gärtnerische Anlage 4. Westpark / Frohnhauser Park (Hildesheimer Straße) Essen 1910 Entstehung 5. Grünzug Haumannplatz / Haumannhof Essen 1912 Baubeginn 6. Park am Moltkeplatz Essen 1913 Bau 7. Lunapark (Moosstraße) Essen 1915 Öffnung 8. Südpark (Prestonstraße) Recklinghausen 1922 Öffnung 9. Concordiaplatz Oberhausen 1925 (?) gärtn. Anlage 10. Uhlandpark (Uhlandstraße) Oberhausen 1925 (?) Entstehung 11. Wiebeanlage (Bandelstraße) Essen 1925 (?) Entstehung 12. Bahnhofspark (Wibbeltstraße) Herne 1926 Baubeginn 13. Grünanlage Pausmühlenbachtal Essen 1930 Entstehung 14. Königsgruber Park (Hofstraße) Herne 1930 Öffnung 15. Bergmannsbusch (Schultenweg) Essen 1930 (?) Entstehung 16. Camillo-Sitte-Platz Essen 1930 (?) Entstehung 17. Park Werne (Kreyenfeldstraße) Bochum 1935 (?) Entstehung 18. Rhein-Elbe-Park (Leithestraße) Gelsenkirchen 1960 Kauf durch die Stadt, 1997 Erweiterung Quellen: siehe Fußnote516 5.1.3. Volksparks Kompetente Planer hatten in ihren Entwürfen für Stadtparks und Volks- gärten von Anfang an Spielplätze für Kinder sowie Turn- und Sportplätze vorgesehen, wie z.B. Anton Strauß in seinem Entwurf für den Bochumer Stadtpark. Demgegenüber fingen Entscheidungsträger und Bürger erst zum Ende des 19. Jahrhunderts an, diesen Spiel- und Sportanlagen in ihren öffentlichen Grünanlagen eigene Flächen zur Verfügung zu stellen. Trotzdem waren die meisten Volksgärten von sportlichen Nutzungsmög- lichkeiten noch weit entfernt.517 Dies war für Ludwig Lesser, Gärtner und Gartenplaner, der Grund, um zunächst Leitsätze für Volksparke zu formulieren, in Vorträgen zu verbrei- ten und um noch vor dem Ersten Weltkrieg zusammen mit Gleichgesinnten den "Deutschen Volksparkbund" zu gründen. Lesser wandte sich ins- besondere gegen die verbreitete Überbewertung des "Zierwertes" der Parkanlagen, die daher auch nur "gelegentlichen Spaziergängen dien(en)" konnten. Stattdessen forderte er Volksparks und definierte, dass eine sol- che 516 Müller und Otten (1992): Katalognummer E17 (Nr.1 in der Tabelle 5.8.), E48 (Nr.2), OB14 (Nr.3), E21 (Nr.4), E44 (Nr.5), E42 (Nr.6), E18 (Nr.7), RE04 (Nr.8), OB15 (Nr.9), OB12 (Nr.10), E43 (Nr.11), HER18 (Nr.12), E20 (Nr.13), HER16 (Nr.14), E45 (Nr.15), E49 (Nr.16), BO18 (Nr.17), GE38 (Nr.18); Gaida und Grothe (1997): Katalognummer C032 (Nr.2 in der Tabelle 5.8.), C035 (Nr.4), C033 (Nr.6), C030 (Nr.7), C085 (Nr.8), C071 (Nr.10), C054 (Nr.12), C028 (Nr.13), C060 (Nr.14), C008 (Nr.17), C040 (Nr.18) 517 Bausch, Hermann Josef (1998): Gelegenheiten zum Naturgenuß, zu unschuldigen Erholungen, zur Annäherung der verschiedenen Stände und zur Milderung des Klas- senkampfes ... Zur Entstehung der Volksgärten im Landkreis Dortmund, in: Kastorff- Viehmann (Hg.) (1998b), S.149-173, hier: S.156 f; Schmidt (1988), S.145 ff 5. Öffentliche Parks und Gärten 156 "öffentliche Parkanlage ... größeren Volksmassen und allen Kreisen der Bevölke- rung zu jeder Jahreszeit genügend Raum und Gelegenheit bietet zum Aufenthalt im Freien, zum Sichausleben in Spiel und Sport ebenso, wie zum beschaulichen Ausruhen."518 Daher sollte ein Volkspark schattige Alleen, Plätze, Spielwiesen, Wasser- flächen, möglichst Badeteiche, Turnplätze, ein Licht-Luftbad und Musik- tempel sowie Nebenanlagen wie Unterkunftshallen, Trinkbrunnen, Erfri- schungshäuschen, Abortanlagen, Vogelhäuser und Tiergehege enthal- ten.519 Der wesentliche Unterschied zu den bisherigen Stadtparks und Volksgärten lag in den Einrichtungen für Spiele und sportliche Betätigun- gen. Lessers Forderungen fanden nicht nur professionelle Unterstützung, son- dern kamen sogar im Ruhrgebiet an.520 Vorhandene Anlagen wurden um sportliche Infrastrukturen ergänzt oder erweitert, und darüber hinaus wur- den im Ruhrgebiet zwischen 1908 und den 1930er Jahren insgesamt zwölf ausdrückliche Volksparks neu angelegt. (Tabelle 5.9.) Tabelle 5.9. Volksparks im Ruhrgebiet Garten- oder Parkname Stadt Jahr der Gründung o.a. 1. Volkspark Katzenbusch Herten 1908 Fertigstellung 2. Volkspark / Am Westpark Lünen 1908 Kauf durch die Gemeinde, Ausbau 3. Hoeschpark / Oesterholzpark (inkl. Brügmanns Hölzchen) Dortmund 1912 Entstehung 4. Kaiser-Wilhelm-Park / Volkspark Sodingen / ehem. Sodinger Holz Herne 1912 Fertigstellung 5. Volkspark Sterkrade / Parkstraße Oberhausen 1914 Ausbaubeginn 6. Volkspark Haus Wittringen / Volkserholungsanlage Gladbeck 1925 Umbaubeginn 7. Kaiser-Wilhelm-Hain und Volks- park / Westfalenpark / BuGa u.ä. Dortmund 1892 Kaiser-Wilhelm-H. 1926 Volkspark 8. Volkspark Rheinhausen Duisburg 1928 Planung 9. Volkspark Hiltrop / Hiltroper Busch Bochum 1929 Fertigstellung 10. Volkspark Günnigfeld / Parkallee Bochum 1933 (?) Entstehung 11. Volkspark Hamme / Grünanlage Präsident, Surweg Bochum 1938 (?) Entstehung 12. Volkspark Ickern / In der Wanne Castrop-Rauxel 1938 (?) Entstehung Quellen: siehe Fußnote521 Zu den bedeutendsten Anlagen gehört der Dortmunder Volkspark, der den schon bestehenden Kaiser-Wilhelm-Hain erweiterte, allerdings in der Nachkriegszeit zum Teil in den Westfalenpark und zu einem anderen Teil in das Veranstaltungsgelände der Westfalenhalle und des späteren Westfalenstadions überging. Die Entstehung des Dortmunder Volksparks hat Ralf Ebert nachgezeichnet: Demnach ging die Initiative vom Dortmun- 518 Lesser, Ludwig (1927): Volksparke heute und morgen, Berlin, S.5 ff 519 Lesser (1927), S.6. In seiner Schrift stellt Lesser mehrere beispielhafte Volksparke vor und beschreibt dabei die verschiedenen Elemente im einzelnen. 520 Ebert, Ralf (1993): Das Dortmunder Volkspark-Konzept: Mehr Sportanlage als Volks- park?, in: Framke, Gisela (1993): 8 Stunden sind kein Tag. Freizeit und Vergnügen in Dortmund 1870 bis 1939, Dortmund, S.153-161, hier: S.154 521 Müller und Otten (1992): Katalognummer HRT03 (Nr.1 in der Tabelle 5.9.), LÜ14 (Nr.2), DO25 (Nr.3), HER30 (Nr.4), OB25 (Nr.5), GLA9 (Nr.6), DO38 (Nr.7), BO10 (Nr.9), BO06 (Nr.10), BO20 (Nr.11), CR14 (Nr.12); Gaida und Grothe (1997): Katalognummer B53 (Nr.1 in der Tabelle 5.9.), C101 (Nr.2), C015 (Nr.3), C073 (Nr.5), A47 (Nr.6), A08 (Nr.7), B13 (Nr.8), B02 (Nr.9), C009 (Nr.10), C010 (Nr.11), C076 (Nr.12) 5. Öffentliche Parks und Gärten 157 der Stadtbaurat Strobel aus, der verschiedene Standortalternativen aufge- zeigt, die Konzeption entwickelt und im weiteren Verlauf mehrfach überar- beitet hat. Nach den zustimmenden Beschlüssen durch den Magistrat der Stadt hat auch die Stadtverordnetenversammlung die jeweiligen Vorlagen beschlossen. Integriert wurde eine Kleingartendaueranlage, weil deren Erstellung staatlich gefördert wurde und den Arbeitseinsatz von Erwerbs- losen ermöglichte. Innerhalb der Verwaltung wurde eine eigene, neue Abteilung "Gesamtprojekt Volkspark" eingerichtet, in der die zuständigen Mitarbeiter aus dem Hochbauamt sowie aus dem Garten- und Fried- hofsamt zusammenarbeiteten. Im Juni 1926 konnten schließlich das Stadion "Kampfbahn Rote Erde" und zwei Übungsfelder mit den dazugehörigen Infrastruktureinrichtungen feier- lich eingeweiht werden. Das Schwimmbad sowie das Licht- und Luftbad folgten 1927 und 1933. Tausende von Sportlern und Zuschauern beteilig- ten sich an der festlichen Einweihung, allerdings in zwei politisch getrenn- ten Veranstaltungen: am 6. Juni 1926 mit dem "bürgerlichen" Stadtverband für Leibesübungen und am 13. desselben Monats mit dem Dortmunder Arbeitersport- und Kulturkartell.522 Auch wenn die anderen Volksparks im Ruhrgebiet vom Volkspark Katzen- busch in Herten über den Hoeschpark in Dortmund bis zum Volkspark Ickern in Castrop-Rauxel in ihren Dimensionen viel bescheidener waren, knüpften sie doch alle an den immer noch aktuellen Gedanken an, Bewe- gung, Sport und Spiel zu fördern.523 5.1.4. Revierparks Ende der 1960er Jahre, die Zeit des Nationalsozialismus, der Zweite Welt- krieg und der sogenannte Wiederaufbau waren bereits vergangen, stand die Förderung des Breitensportes erneut auf der Tagesordnung. Die fünf neuen Revierparks und das flankierende Freizeitkonzept für das Ruhrge- biet knüpfen durchaus an die Volksparks an, die seit den 1930er Jahren allenfalls wieder aufgebaut, aber nicht weiterentwickelt worden waren.524 Die Initiatoren dieses Freizeitkonzeptes im Siedlungsverband Ruhrkohlen- bezirk (SVR) betonten allerdings die Neuerungen: "Für unsere Revierparks, die keine Kommunalanlagen, sondern Regionalanlagen sind, gibt es hinsichtlich ihrer Größe, Struktur und Funktion keine Vorbilder." 525 Der SVR hielt die bisherige Grünpolitik im Ruhrgebiet für "unzureichend, da die Zunahme der Freizeit Ausmaße annahm, die dem Märchen vom Schlaraffenland Wirklichkeitsaussichten versprach. Weil der größte Teil der Erholungsuchenden nicht Abgeschiedenheit, Einsamkeit und Stille, sondern das Leben und Treiben in gesellschaftlichen Gruppen bevorzugt, lose oder fest ver- bunden, lag es nahe, in das Netz der Grünzüge zwischen den Siedlungsschwer- 522 Ebert (1993), S.153-161. Ebert (1993), S.160, bezeichnet den Dortmunder Volkspark auch als "Renommierprojekt in der Konkurrenz der (Ruhrgebiets-) Städte". 523 zum Dortmunder Hoeschpark: Ebert, Ralf, und Mitarbeiter (1994/95): Andere Zeiten - andere Vergnügungen: vom Lunapark im Fredenbaum zum Hoesch-Sportpark, in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark, Band 85/86, Dortmund, S.257-285, insb. S.269 ff; sowie Müller und Otten (1992), S.253 f 524 Grothe, Helmut (2003): Die Revierparks im Ruhrgebiet - eine Erfolgsgeschichte, in: Forum Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur 1/2003, S.38-41 525 Mittelbach, Heinz Arno (1972): Über die Revierparkplanung, Essen, S.6 5. Öffentliche Parks und Gärten 158 punkten gleichsam Knoten zu weben, die das gesellige Leben in der Freizeit er- möglichen." 526 Tabelle 5.10. Revierparks im Ruhrgebiet Garten- oder Parkname Stadt Jahr der Gründung o.a. 1. Nienhauser Busch / Revierpark Nienhausen Gelsen- kirchen 1956 Umgestaltung und Ausbau des Stadtparks, 1969 GmbH-Gründung 2. Revierpark Gysenberg Herne 1970 Beginn der Inbetriebnahme 3. Stadtwald Osterfeld / Revierpark Vonderort Ober- hausen 1925 Ausbaubeginn des Stadtparks, 1974 Eröffnung des Revierparks 4. Revierpark Wischlingen Dortmund 1974 GmbH-Gründung 5. Revierpark Mattlerbusch Duisburg 1928 Anlage eines Waldparkes, 1979 Eröffnung des Revierparks Quellen: siehe Fußnote527 Grundlage dieser Einschätzung war eine umfangreiche soziologische Frei- zeituntersuchung durch das Emnid-Institut, die Anfang der 1970er Jahre in elf Bänden veröffentlicht wurde. Zur Umsetzung dieser Erkenntnisse rich- tete der SVR drei Beraterkreise für das Freizeitwesen, für die Freizeithäu- ser und für Spielanlagen ein, denen "zahlreiche Gestalter, Praktiker und Wissenschaftler ... - auch Ausländer - ange- hör(t)en", und veranstaltete mehrere Wettbewerbe.528 Das Ergebnis waren die fünf Revierparks Mattlerbusch, Vonderort, Nienhausen, Gysenberg und Wischlingen (Tabelle 5.10.) und eine Gesamtkonzeption, die darüber hin- aus weitere drei "Freizeitzentren", sechs "Freizeitschwerpunkte" und sieb- zehn "Freizeitstätten" umfasste. Die Unterschiede zwischen diesen Ein- richtungen betreffen die räumliche Lage, die Größe und die Trägerschaft: - Die Freizeitschwerpunkte Sechs-Seen-Platte im Duisburger Süden, Halterner Stausee, Toeppersee Rheinhausen, Harkortsee Hagen, Rheinaue Wesel und Baldeneysee Essen, die am Rande einiger Großstädte lagen, bestanden bereits weitgehend und sollten in kom- munaler Trägerschaft weiter ausgebaut werden. - Die Freizeitzentren am Kemnader Stausee in Bochum und am Lippe- see in Hamm sowie das Freizeitzentrum Xanten liegen in den Rand- zonen des Ruhrgebietes, und zwar ebenfalls an Talsperren oder grö- ßeren Baggerseen. Dabei handelte es sich um Neuplanungen, an de- nen sich der SVR als Mitgesellschafter beteiligt hat.529 Allerdings wurde der Lippesee in Hamm vor mehreren Monaten, also dreißig Jahre nach seiner Planung in einem Bürgerbegehren endgültig abge- lehnt, während die beiden anderen Einrichtungen jeweils mit gewissen Abstrichen realisiert worden sind. - Die kleineren Freizeitstätten liegen in den Ballungsrandzonen, haben eine übergemeindliche Bedeutung, werden vom SVR und vom Land 526 Klausch, Helmut (1976): Einleitung, in: Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk (SVR) (Hg.) (1976): Freizeit im Ruhrgebiet, Essen, S.7 527 Müller und Otten (1992): Katalognummer GE36 (Nr.1 in der Tabelle 5.10.), OB27 (Nr.3), DU26 (Nr.5); Gaida und Grothe (1997): Katalognummer A26 (Nr.1 in der Tabelle 5.10.), A31 (Nr.2), A40 (Nr.3), A09 (Nr.4), A14 (Nr.5) 528 Mittelbach (1972), S.6 529 SVR (1976), S.45-66 5. Öffentliche Parks und Gärten 159 Nordrhein-Westfalen finanziell gefördert, stehen aber in kommunaler Trägerschaft.530 - Im Kern der Emscherzone liegen die fünf Revierparks, zumeist an der Grenze zweier Städte. In ihren Einzugsbereichen leben jeweils 25- 50.000 Einwohner, die den Revierpark binnen 15 Minuten zu Fuß er- reichen können, während 800.000 bis 1 Million Menschen innerhalb einer 20-minütigen Autofahrt am Ziel sein können. Das bedeutet, dass die gesamte Bevölkerung des Ruhrgebietes im PKW-Einzugsbereich eines Revierparks lebt. Als Träger für die Revierparks wurden eigene GmbHs gegründet mit dem SVR und den Belegenheitsstädten als Gesellschaftern.531 Für alle Freizeiteinrichtungen gilt das Prinzip der Kombination der intensi- ven Freizeitnutzung mit extensiver Nutzung und stiller Erholung: In unter- schiedlichem Umfang enthalten sie Grünbereiche, eintrittsfreie Spiel- und Sportanlagen, eintrittspflichtige Frei- und Wellenbäder, Freizeit- und Eis- sporthallen sowie Restaurationsbetriebe. Diese Kombination sollte die Attraktivität der Einrichtungen optimieren und möglichst viele Altersgruppen und Bevölkerungsschichten ansprechen. Nicht zuletzt wurde die Frei- zeitinfrastruktur mit Freizeit- und Bildungsprogrammen kombiniert.532 Bezüglich des Freiraumschutzes sind die Wirkungen der Revierparkpla- nung und der darüber hinausgehenden Freizeitkonzeption des SVR zwie- spältig: Mit den neuen Gebäuden für Wellenbäder, Saunen und Solarien, für Veranstaltungen, Verwaltung und Restaurationsbereiche sowie mit neuen Stellplätzen verursacht die Freizeitplanung die weitere Versiegelung von bisherigen Grünflächen und somit eine Zerstörung von grünen Freiflächen. Zugleich aber wird ein flächenmäßig größerer Teil des Gelän- des dauerhaft als Parkanlage gesichert. 5.1.5. Gartenschauen Während durch die Volksparks und die Revierparks die sportlichen Infra- strukturen in den kommunalen Parkanlagens und Volksgärten ausgebaut wurden, haben die Gartenschauen die ästhetischen Aspekte zum Thema. Aus privaten Pflanzenausstellungen hatten sich im 19. Jahrhundert immer größere, regionale und sogar internationale Pflanzenschauen entwickelt, getragen von örtlichen oder landesweiten Gartenbauvereinen. Mit der In- ternationalen Gartenbauausstellung 1897 in Hamburg wurde der Schritt von kurzen Veranstaltungen, die nur wenige Tage bis Wochen dauerten, zum "sommerlangen Gartenfest" von Mai bis Oktober vollzogen, noch dazu auf einem eigens gestalteten größeren Gelände. Eine bunte Reihe von Pflanzen- und Gartenschauen folgte, die 1929 mit der Stadt Essen auch das Ruhrgebiet erreichte.533 Seitdem war das Ruhrgebiet bereits zwölfmal Schauplatz einer regionalen, landesweiten, nationalen oder sogar europäischen Gartenschau. (Tabelle 5.11.) Bundes- und Landesgartenschauen werden in Kooperation zwischen der jeweiligen Stadt und dem Verband der Berufsgärtner, d.h. dem Zentralver- band Gartenbau e.V. (ZVG) bzw. seinem Landesverband veranstaltet. Beide Seiten gründen eine gemeinsame GmbH, die für die Organisation 530 SVR (1976), S.67-74 531 SVR (1976), S.16-44 532 Mittelbach (1972), S.5-8; SVR (1976), S.75-85 533 Panten, Helga (1987): Die Bundesgartenschauen. Eine blühende Bilanz seit 1951, Stuttgart, S.9-11 5. Öffentliche Parks und Gärten 160 der Schau zuständig ist. Während der ZVG sich vor allem um das Pro- gramm der Veranstaltung kümmert und die beteiligten Gärtner beträchtli- che Eigenleistungen aufbringen, stellen die Kommunen die Grundstücke und tragen gemeinsam mit ihrem Bundesland den größten Teil der Investi- tions-, Durchführungs-, aber auch Rückbaukosten. Nur vereinzelt werden sie durch Bundeszuschüsse unterstützt. Nach Abschluss der Gartenschau und den erforderlichen Rückbaumaßnahmen werden die Durchführungs- gesellschaften wieder aufgelöst, und die verbleibende Parkanlage fällt in die kommunale Zuständigkeit.534 Tabelle 5.11. Gartenschauen im Ruhrgebiet seit 1929 Garten- oder Parkname Stadt Eröffnung 1. Große Ruhrländische Gartenbauausstellung Essen 1929 2. 2. Reichsausstellung des deutschen Gartenbaus Essen 1938 3. 2. Große Ruhrländische Gartenbauausstellung Essen 1952 4. Bundesgartenschau (Kaiser-Wilhelm-Hain, Volkspark, Westfalenpark) Dortmund 1959 5. Bundesgartenschau Essen 1965 6. Euroflor Dortmund 1969 7. Landesgartenschau - Maximilianpark Hamm 1984 8. Bundesgartenschau Dortmund 1991 9. Landesgartenschau "MüGa '92" (u.a. Garten an der Villa Thyssen , Park von Schloss Broich, Park von Schloss Styrum) Mülheim 1992 10. Landesgartenschau "lagalü" Lünen 1996 11. Bundesgartenschau "BUGA '97" - Nordsternpark Gelsenkirchen 1997 12. Landesgartenschau "OLGA '99" - Garten Osterfeld Oberhausen 1999 Quellen: siehe Fußnote535 Der Zweck dieser Gartenschauen lag - zumindest früher - nicht darin, eine Parkanlage wie "die Gruga ... für die im Industriegebiet benachteiligte Be- völkerung" zu schaffen. Dies war nur "ein erwünschter Nebeneffekt", wie die Geleitworte des damaligen Reichpräsidenten Hindenburg zur Gruga- Eröffnung deutlich machen: " ... Ich hoffe, daß diese im westlichen Industriezentrum Deutschlands stattfindende Ausstellung der gärtnerischen Erzeugung unseres Vaterlandes zur Förderung des deutschen Garten-, Gemüse- und Obstbaues beitragen und in wirtschaftlicher wie in kultureller Beziehung reichen Erfolg bringen wird." 536 Bis heute sind die Gartenschauen die "Olympischen Spiele der Berufs- gärtner": 534 Panten (1987), S.196-199 und S.11. Harth, Alexander (1989): Bundesgartenschauen: Fakten, Hintergründe, Folgen, in: Damian, Michael, und Thomas Ormond (Hg.) (1989): Natur im Griff. Bundesgarten- schauen am Beispiel Frankfurt, Frankfurt a.M., S.27-39; Beisel, Dieter (1989): Kunstnatur vom Grünen Tisch. Gartenschauen und ihre Schau- plätze vor 1989, in: Damian und Ormond (Hg.) (1989), S.41-49. Bis in die 1960er Jahre hinein hieß der ZVG noch Zentralverband des Deutschen Gemüse-, Obst- und Gartenbaues und während des Nationalsozialismus war es der Reichnährstand. 535 Müller und Otten (1992): Katalognummer E53 (Nr.1, 2, 3 und 5 in der Tabelle 5.10.), DO38 (Nr.4, 6 und 8), MH12, MH03 und MH02 (Nr.9); Gaida und Grothe (1997): Katalognummer A17 (Nr.1, 2, 3 und 5 in der Tabelle 5.10.), A08 (Nr.4, 6 und 8), A30 (Nr.7), A36, B37, B35 und B36 (Nr.9), A51 (Nr.10), A23 (Nr.11) 536 Schröer, Astrid (1996): "... und sonntags in die Gruga." Die Geschichte des Essener Volksparks, Essen, S.11 5. Öffentliche Parks und Gärten 161 "Motiv für die Gärtner, sich an der Bundesgartenschau zu beteiligen, ist der Leis- tungswettbewerb ... Auch er macht nur Sinn, wenn er einem möglichst breiten Publikum vorgeführt wird. Ähnlich wie Olympische Spiele hinter verschlossenen Türen keinen Sportler zu Höchstleistungen motivieren würden, erbringt der Gärtner erst unter den Augen der Öffentlichkeit Spitzenleistungen im Wettbewerb." 537 Jedesmal haben die beteiligten Städte diese Veranstaltung genutzt, um städtische Parkanlagen einzurichten, zu erweitern oder - nach dem Zweiten Weltkrieg - auf neue Art und Weise wiederherzustellen. Am bekanntesten dürften der Essener Grugapark sein,538 in dem seit 1929 vier Gartenschauen stattgefunden haben, und der Dortmunder Westfalenpark, der zwei Bundesgartenschauen und die "Euroflor" zu Gast hatte.539 Die Ergebnisse bilden immer wieder ein breites Repertoir von Rasenflächen, Blumenbeeten, thematischen Gärten, Bäumen und kleineren Gehölzen, Wasserflächen, Kinderspielplätzen, Wegeverbindungen und Besonder- heiten wie Park-Eisenbahnen, Seilbahnen, eine Freilichtbühne, ein kleiner Tiergarten, der Essener Radioturm und der Dortmunder Florian, Restaura- tionsbetriebe und vieles andere mehr. Im Unterschied hierzu haben die Gartenschauen im Ruhrgebiet seit 1984 den besonderen Zweck, industrielle Brachflächen wieder nutzbar zu ma- chen und zumindest teilweise in dauerhafte Parkanlagen umzuwandeln. So ist aus der ersten Landesgartenschau 1984 auf einer Zechenbrache der Maximilianpark in Hamm hervorgegangen. Auch die Mülheimer Gar- tenschau (MüGa '92) hat Gewerbebrachen reaktiviert und mit anderen Grün- und Parkflächen verbunden. Aus der "lagalü" von 1996 ist der See- park Lünen, aus der BUGA '97 der Gelsenkirchener Nordsternpark und aus der OLGA 1999 der Garten Osterfeld in Oberhausen entstanden, jeweils ehemalige Industrie- und Zechengelände nutzend.540 5.2. Funktionen der öffentlichen Parkanlagen Für diese öffentlichen Parks und Gärten will ich nun die relevanten Funkti- onen, die soziale Trägerschaft und die Mechanismen zu ihrer Sicherung darstellen. Es gab mehrere Gründe, die die Entscheidungsträger dazu bewogen, öf- fentliche Parks anlegen und weiter ausbauen zu lassen. Dementsprechend gab es viele Zwecke, die die Parkanlagen erfüllen sollten. Diese Funktionen lassen sich verschiedenen Bereichen zuordnen, und zwar - dem gesundheitlich-reproduktiven Bereich, d.h. der Erholung der Ar- beitskräfte und ihrer Familien, - dem Städtebau, 537 Panten (1987), S.7 538 Fischer, Gerd (1979): 50 Jahre Grugapark Essen, Essen; Gaida, Wolfgang (2000): Variationen in Grün, in Stottrop, Ulrike (Hg.) (2000): Unten und oben. Die Naturkultur des Ruhrgebietes (Katalog zu einer Ausstellung des Ruhr- landmuseums Essen), Bottrop und Essen, S.237-258, hier: S.253-255; Gaida, Wolfgang (2003): Der Grugapark, in: Forum Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur 1/2003, S.36 f; Panten (1987), S.54-63; Schröer (1996); Gaida und Grothe (1997), S.84-86 539 Stadt Dortmund (1990) (Hg.): Bundesgartenschau Dortmund '91, Dortmund; Museum für Kunst und Kulturgeschichte der Stadt Dortmund (Hg.) (1991): Parkge- schichte(n). Dortmunds Westfalenpark und seine hundertjährige Tradition, Essen; Panten (1987), S.36-41, S.72-77; Gaida und Grothe (1997), S.59-62 540 Gaida und Grothe (1997), S.103ff, S.122ff, S.136ff, S.188ff; Internationale Bauausstellung Emscher Park (IBA) (Hg.) (1999a): Katalog der Pro- jekte, Gelsenkirchen, S.52ff, S.58ff, S.63ff 5. Öffentliche Parks und Gärten 162 - der politischen Symbolik sowie - den beruflichen Interessen von Politikern, Beamten und Gärtnern. 5.2.1. Reproduktive Funktionen Dass im Ruhrgebiet seit der Mitte des 19. Jahrhunderts eine wachsende Zahl von Stadtparks und Volksgärten angelegt wurde, zeigt, dass öffentli- che Grünanlagen für die Erholung von immer mehr Menschen immer wichtiger geworden sind. Offenbar hatten viele Menschen das Bedürfnis, sich in ihrer arbeitsfreien Zeit außerhalb ihrer Wohnung und im Freien auf- zuhalten, allerdings nicht in eigenen Gärten, die zu klein oder gar nicht vorhanden waren. Als Zielgruppe der neuen Anlagen wurde immer wieder die "Arbeiterbevölkerung" genannt.541 Besonders attraktiv für die Erholungsuchenden waren allerdings nicht die damals noch umfangreichen landwirtschaftlichen Flächen, sondern Baum- gruppen und Wälder, deren Betreten jedoch zumeist verboten war. Zahl- reiche polizeiliche Anzeigen waren die Folge und ahndeten den "unwiderstehlich(en) ... Trieb nach Bewegung in der frischen Waldluft",542 den die Angezeigten anscheinend nicht zügeln konnten. Andere Zeitge- nossen sahen neben der Waldluft im Schatten einen wichtigen Anzie- hungspunkt. So beklagte Hammacher bei der Grundsteinlegung für den Essener Stadtgarten, dass "in der Umgebung der Stadt ... nur noch vereinzelt kleinere Partien von Schatten bietenden Bäumen" 543 standen, ein Mangel, der durch den städtischen Garten gemildert werden sollte: "Schatten zu schaffen, war wohl das Wichtigste bei dieser Anlage gewesen." 544 Im Bochumer Stadtpark wurden sogar "um des Schattens willen manche Bäume ... entgegen den damals geltenden Re- geln der Kunst plaziert." 545 Schon 1870 schwärmt ein Lokalredakteur "vom Schatten, den die Bochumer im geplanten Park würden genießen können", und 1885 betont die gleiche Zeitung, dass die jungen Anlagen des Bo- chumer Stadtparks "bereits Schatten gewähren" und nicht nur "auf die hiesige Bürgerschaft eine ganz bedeutende Anziehungskraft" ausüben, sondern auch "von zahlreichen Fremden besucht" werden. Bis dahin hätten die Bochumer "schattige Spazierwege" sehr vermisst und allenfalls den großen Friedhof an der Wittener Straße und den kleinen "Rechenschen Busch" zu Spaziergängen aufsuchen können.546 Auch im Rahmen des Wettbewerbs für den Gemeindepark in Ueckendorf, dem heutigen Gelsenkirchener Von-Wedelstaedt-Park, stellt die Aus- 541 Bausch, Hermann Josef (1992/93): Der Volksgarten in Lütgendortmund. Zur Entste- hungsgeschichte öffentlicher Grün- und Erholungsanlagen in industriellen Landge- meinden des Ruhrgebiets, in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark, Band 83/84 (1992/93), Dortmund, S.193-241, hier: S.195, S.211f; Lange (1886), S.99; Prüfer, A. (1874), zitiert nach: Schmidt (1988), S.300 f 542 Westermann, 20.8.1906, zitiert nach: Bausch (1992/93), S.203 543 zitiert nach: Schmidt (1980), S.102 544 Schmidt (1980), S.103 545 Schmidt (1982), S.354 546 Schmidt (1988), S.138 f, S.281 ff, S.267 f, S.330 5. Öffentliche Parks und Gärten 163 schreibung die Aufgabe, "den Charakter eines Wäldchens mit schattigen Wegen" zu schaffen.547 Dass Menschen Schutz vor der prallen Sonne suchen, ist bekanntlich nur vernünftig. Und dass der Schatten für die Anlage und Gestaltung von Parks und Gärten dermaßen wichtig war, erklärt Schmidt aus dem Schat- tenmangel in der damaligen ackerbaulich geprägten Landschaft,548 zumin- dest in der unmittelbaren Umgebung von Bochum, Essen und Ueckendorf. Es gab im Ruhrgebiet aber auch Städte, in denen schattige Wege durch noch vorhandene Waldflächen geführt werden konnten. So hatte die Stadt Dortmund bei den Markenteilungen großen Wert auf die Zuteilung von Waldstücken mit Eichenbeständen gelegt, die sie nach und nach mit ho- hem Gewinn für die Stadtkasse abholzte. Als in Essen der städtische Garten angelegt und in Bochum über einen Stadtpark nachgedacht wurde, war in Dortmund von ehemals 812 Morgen Wald in der nördlichen Feld- mark nur noch ein Drittel übrig.549 Nachdem die Stadt Dortmund um 1860 damit begonnen hatte, attraktive Spazierwege anzulegen, hat sie den Rest des Westerholzes im 20. Jahrhundert nach einem umfangreichen Wett- bewerb zum Fredenbaum-Park um- und ausgebaut.550 Ebenfalls im Jahr 1863 gründete sich in Duisburg der "Verschönerungs- verein", der wenige Jahre später die Pflege des Waldes auf dem Duis- sernschen Berg übernimmt, den die Stadt 1868 erworben hatte. Noch be- vor das Gelände 1881 in Kaiserberg umbenannt und mit verschiedenen sportiven und politisch-symbolischen Einrichtungen möbliert wird, werden Wege angelegt, die natürlich im Schatten verlaufen.551 Neben diesen für die Erholung wichtigen Wegen dienten auch die Spiel- plätze für Kinder sowie die Turn- und Sportplätze für Schulen und Vereine der Reproduktion und Gesundheitsförderung. Obwohl sie von kompetenten Planern wie Anton Strauß seit langem, z.B. schon in der ursprünglichen Planung für den Bochumer Stadtpark, vorgesehen waren, wurden sie von den Entscheidungsträgern und den Bürgern erst seit den 1890er Jahren soweit akzeptiert, dass ihnen in öffentlichen Grünanlagen eigene Flächen zur Verfügung gestellt wurden.552 In den 1920er und 1930er Jahren bekamen die Sportanlagen, zu denen vor allem multifunktionale Fußball- und Leichtathletikplätze sowie Freibäder gehörten, im neuen Typ des Volksparks eine immer größere Bedeutung. Als gesund galt schließlich auch das Trinkwasser, das aus verschiedenen "Wasserkränen" im Park entnommen und aus angeketteten Zinntassen 547 Schmidt (1980), S.108 548 Schmidt (1988), S.316 f 549 Walz, Manfred (1989): Die Nordstadt aus der Vogelschau: Grundeigentum, Industrie und Stadtplanung, in: Ebert, Ralf (Red.) (1989): Nordstadtbilder. Stadterneuerung und künstlerische Medien, Essen, S.81-104, hier: S.82 f 550 Arnecke (1886): Die Arbeiterwohnungsfrage in Dortmund, in: Die Wohnungsnoth der ärmeren Klassen in deutschen Großstädten und Vorschläge zu deren Abhülfe. Zweiter Band. Schriften des Vereins für Socialpolitik XXXI (1886), Leipzig, S.157-186, hier: S.170; Hoffmann, August (1904): Hygienische und soziale Betätigung deutscher Städte auf den Gebieten des Gartenbaus, Düsseldorf, darin: Die Entwickelung der Gartenanla- gen zu Dortmund, S.173-175; Schmidt (1980), S.109 ff; Gaida und Grothe (1997), S.59 ff; für die weitere Entwicklung: Ebert (1994/95), S.257-285 551 Müller und Otten (1992), S.51 f; Kastorff-Viehmann (1998a), S.63 f 552 Schmidt (1988), S.145 ff; vgl. auch: Ebert (1994/95), S.257-285 5. Öffentliche Parks und Gärten 164 getrunken werden konnte, und erst recht die Milch, die die Parkgärtner ausschenkten.553 In Einzelfällen kam bereits damals der Grundwasserschutz als ökono- misch-ökologische Freiraumfunktion hinzu: So wie die Anlagen der städti- schen Wasserversorgung den Grund für die Parkentwicklung in vielen amerikanischen Städten, z.B. für den Central Park in New York bildeten,554 so sollte auch der Dortmunder Kaiser-Wilhelm-Hain das Quellwasser für die benachbarte Brauerei Kronen sichern, die daher einige Grundstücke kostenfrei zur Verfügung stellte.555 Die neuen öffentlichen Parks und Gärten sollten also ausdrücklich repro- duktive, gesundheitsfördernde Funktionen erfüllen. Dieselben Aspekte, insbesondere der "sanitäre Nutzwert der Freiflächen" und der "physiologi- sche Wert der Körperübungen" bildeten 1915 für Martin Wagner die Grundlage seiner "Freiflächentheorie".556 Tatsächlich aber gingen die Frei- raumfunktionen schon damals über das Sanitäre deutlich hinaus. 5.2.2. Städtebauliche Funktionen An das "sanitäre Grün" anknüpfend kristallisierten sich die ersten städte- baulichen Funktionen von Grünflächen heraus. Durch ihren Bezug zu Freizeit und Erholung, durch ihre Distanzierung von der grauen, schmutzi- gen usw. Arbeit sollten die Parkanlagen die Attraktivität ihrer Umgebung für eine neue, noch dazu "bessere" Wohnbebauung erhöhen. So ist es der Bochumer Stadtverwaltung mit ihrem Stadtpark als bodenwertsteigernde infrastrukturelle Vorleistung557 und neuen planungsrechtlichen Instrumen- ten gelungen, im Verlaufe einiger Jahrzehnte im Parkumfeld ein Villen- viertel zu entwickeln.558 Ähnliches geschah auch in der Umgebung des Kaiser-Wilhelm-Haines in Dortmund, des Lütgendortmunder Volksgartens und des Castroper Stadtgartens. Nicht zuletzt sollten also die Parkanlagen die Industriegemeinden als Wohnorte auch für bürgerliche Bevölkerungs- schichten akttraktiv machen.559 553 Lange (1886), S.99; im Dortmunder Kaiser-Wilhelm-Hain: Jünger, Oskar (1991): Ein Stadtpark für ewige Zeiten ... Der Kaiser-Wilhelm-Hain - Vorläufer und Keimzelle des Westfalenparks, in: Museum (Hg.) (1991), S.20-30 und S.53-62, hier: S.29; im Lütgendortmunder Volksgarten: Bausch (1992/93), S.228; in Bochum: Schmidt (1988), S.77, S.84, S.93 Fußnote 244, S.103 f, S.119, S.183; in Essen: Schmidt (1981), S.102-104 554 Kayser, H. (1905): Nordamerikanische Parkanlagen, in: Der Städtebau, 2.Jg., S.113 ff und Tafel 69 ff, nach: Kastorff-Viehmann (1998a), S.68; Bauer, J. (1996): Entwicklung städtischer Freiflächensysteme als integraler Bestand- teil des Städtebaus, 1850-1930. Beiträge zur räumlichen Planung. Schriftenreihe des Fachbereichs Landschaftsarchitektur und Umweltentwicklung der Universität Hanno- ver, Heft 45, Hannover, S.100 555 Jünger (1991), S.23 556 Wagner, Martin (1915): Das sanitäre Grün der Städte. Ein Beitrag zur Freiflächen- theorie. Dissertation, Berlin; vgl. auch Hoffmann, August (1904) 557 Schmidt (1988), S.315 558 Krupinski, Hans-Dieter (1980): Der Einfluß planungsrechtlicher Vorschriften, Pro- gramme und Pläne auf die Stadtplanung und Siedlungsentwicklung im Ruhrgebiet von 1876 bis 1974 - untersucht am Beispiel der Stadt Bochum. Schriftenreihe Landes- und Stadtentwicklungsforschung des Landes Nordrhein-Westfalen. Materialien Band 4.026, Dortmund, S.25, S.29, S.38 559 Wulf, Rüdiger (1991): Besuch in einer fremden Stadt. Dortmund zur Zeit der Entste- hung des Kaiser-Wilhelm-Haines, in: Museum (Hg.) (1991), S.9-16, hier: S.15; Bausch (1992/93), S.236 f, S.203 5. Öffentliche Parks und Gärten 165 Später dienten die Stadtparks als Flächenreserve,560 insbesondere für den Verkehr und für kommunale Infrastruktureinrichtungen. So musste der Essener Stadtgarten Flächen für den Straßenbau und für das Aalto- Theater abtreten, während der Dortmunder Volkspark zum Teil vom Mes- segelände und vom Westfalenstadion in Anspruch genommen wurde. 5.2.3. Politisch-symbolische Funktionen Die bisher genannten reproduktiven und städtebaulichen Funktionen wer- den überlagert von politisch-symbolischen Aspekten. Wie diese umgesetzt werden, ist vom jeweiligen politischen "Zeitgeist" abhängig. Trotzdem deuten sich einige übergreifende Gesichtspunkte an. So sollen die Parks in ihrer Gestaltung den Eindruck vermitteln, dass man sich "auf der Höhe der Zeit" befindet. Für den Bochumer Stadtpark gehörte hierzu die Distanzierung von der traditionellen Landwirtschaft: die Aufgabe der Vödewirtschaft, die Teilung der Vöde und die Umwandlung der - vermeintlich rückständigen - Vödeflächen in den - modernen - Stadtpark. Während in Bochum vor allem die Kühe, die durch die Stadt getrieben wurden, als Ausdruck der Rückständigkeit galten, waren es in Dortmund "Düngergruben vor den Häusern, Abzugskanäle für Jauche auf den öffentlichen Straßen und dergleichen mehr, Dinge, wie sie ... stark an urzuständliche Agrikultur- Verhältnisse erinnern (...)",561 Trotzdem hat Lütgendortmund in seinem Volksgarten Heu geerntet und verkauft, und der Bochumer Stadtgärtner durfte sogar drei Kühe halten, deren Dung er zur Verfügung stellen musste.562 Als Ausdruck von Modernität und Weltoffenheit kann im Bochumer Stadt- park zudem die überwältigende Zahl von mehr als siebenhundert Pflan- zenarten und -sorten verstanden werden, darunter auch viele "Exoten", teilweise in Gewächshäusern, die schon damals eine Diskussion über die Frage angeregt haben, ob heimische Arten bevorzugt und ob Neophyten überhaupt angepflanzt werden sollen.563 Genauso bildete der Dortmunder Kaiser-Wilhelm-Hain mit seinem Arboretum und mehreren "dendrologi- schen Schätzen" einen Anziehungspunkt für Naturfreunde und -wissenschaftler aus nah und fern.564 So dokumentieren die Parks den zeitgenössischen Erkenntnisstand der Botanik und die Fähigkeiten des Gartenbaus, völlig fremde Pflanzen hier wachsen, gedeihen und sogar blühen zu lassen. Dies gilt erst recht für die temporären Gartenschauen und für ausdrückliche Botanische Gärten (Tabelle 5.12.), wie in Hamborn und dem heutigen Duisburg-Duissern.565 Andere Bereiche der modernen Naturwissenschaften wurden im Bochumer Stadtpark durch die ausge- stellten meteorologischen Messgeräte präsentiert. 560 So sieht es auch Milchert, Jürgen (1984): Tendenzen der städtischen Freiraument- wicklung in Politik und Verwaltung, München, S.172: "... öffentliche Freiflächen wurden und werden als Vorhalteflächen für andere Nutzungen angesehen". 561 zitiert nach: Koszyk, Kurt (1971): Dortmunder Kommunalpolitik während der Gründer- jahre, in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark, Band 67 (1971), S.73-103, hier: S.96 562 Bausch (1992/93), S.229; Schmidt (1988), S.84, S.93, S.103 f 563 Schmidt (1988), S.93 ff 564 Jünger (1991), S.30 565 Gaida und Grothe (1997), S.66 f, S.68 f 5. Öffentliche Parks und Gärten 166 Tabelle 5.12. Botanische Gärten im Ruhrgebiet Garten- oder Parkname Stadt Jahr der Gründung o.a. 1. Botanischer Garten an der Schweizer Straße Duisburg- Duissern 1890 Baubeginn 2. Botanischer Garten in Hamborn Duisburg 1906 Kauf durch die Stadt 3. Botanischer Garten, durch die Gruga überplant Essen 1925 Baubeginn 4. Botanischer Garten an der Ruhr- Universität Bochum 1965 Baubeginn 5. Gehölzgarten Ripshorst Oberhausen 1995 Umgestaltungsbeginn Quellen: siehe Fußnote566 Im Unterschied zur naturwissenschaftlichen Modernität sind die gesell- schaftspolitischen Symbolgehalte der Parkanlagen traditionell bis reaktio- när.567 So hat Bochum zunächst nur versucht, lokale Traditionen, wie den Maischützen-Umzug in Erinnerung an einen früheren Konflikt mit dem Nachbarort Harpen von der Vöde auf den Stadtpark überzuleiten. Im Volksgarten Lütgendortmund wurden Feierlichkeiten mit einem "vaterlän- dischen" Charakter veranstaltet, von der "Weihe der neuen Standarte des Kavallerievereins" über Volksfeste zur Erinnerung an die "Befreiungs- kriege" von 1813 bis zum Feldgottesdienst zu Beginn des Ersten Weltkrie- ges.568 Im Dortmunder Westerholz, dem heutigen Fredenbaumpark war es schließlich der Festsaal, der politischen Zwecken diente. Immerhin konnte er seit 1910 auch von Sozialdemokraten genutzt werden.569 Darüber hinaus gehören Büsten, andere Denkmäler und Aussichtstürme zu Ehren von Fürsten, Königen und Kaisern, Reichskanzlern, Turnvätern, Forschern, Dichtern und Denkern geradezu zur Standardausstattung von Grünanlagen und sind - abgesehen von den 35 westfälischen Kaiser- Wilhelm-Denkmälern - im Ruhrgebiet bis heute ungezählt. Hinzu kamen Kaiser-, Bismarck-, Moltke-, Hitler-, Schützen- und Friedens-Eichen und Linden sowie Erinnerungsstücke wie Beutekanonen von 1870/71 und Panzerplatten aus dem Ersten Weltkrieg.570 Überwiegend waren es also Motive des Patriotismus571 und Nationalismus, die sich in den Parkanlagen und in der Namensgebung für die diversen Kaisergärten niederschlugen. Allerdings ist die politische Konjunktur hin und wieder schwankend. Dass die Kaisergärten wie alle anderen Stadtparks und Volksgärten auch von anderen politischen Richtungen genutzt und instrumentalisiert werden konnten, hat vielleicht zu ihrer relativen Stabilität beigetragen - nur die Flä- chenansprüche des Verkehrs und anderer Infrastruktureinrichtungen konnten sich dagegen durchsetzen. 566 Müller und Otten (1992): Katalognummer DU42 (Nr.1 in der Tabelle 5.12.), DU27 (Nr.2), E53 (Nr.3); Gaida und Grothe (1997): Katalognummer A11 (Nr.1 in der Tabelle 5.12.), A10 (Nr.2), A17 (Nr.3), A01 (Nr.4), B41 (Nr.5) 567 Schon der Gethmann'sche Garten in Blankenstein an der Ruhr, das heute zur Stadt Hattingen gehört, enthält Mitte des 19. Jahrhunderts mehrere "Elemente der Psycho- logie späterer nationaler Denkmäler". Eichholz (1984), S.359 568 Bausch (1992/93), S.234 569 Ebert (1994/95), S.261 570 Jünger (1991), S.26 f, S.30 571 für den Dortmunder Kaiser-Wilhelm-Hain genauer beschrieben von Wulf (1991), S.11- 14, und von Jünger (1991) 5. Öffentliche Parks und Gärten 167 5.2.4. Politisch-berufliche Funktionen Zumindest auf den ersten Blick hat keine der bisher genannten Funktionen für die Freiraumnutzer eine existentielle Bedeutung. Wichtig ist vielmehr ihre Vielfalt. Hinzu kommen die politisch-beruflichen Funktionen. Dieser Gesichtspunkt spielt für die Nutzer unmittelbar keine, für die Parkanlage aber die entscheidende Rolle. So ist das gärtnerische Interesse, die eigenen Fähigkeiten einem möglichst breiten Publikum zu präsentieren und die Qualität der eigenen züchterischen und gestalterischen Arbeit als Werbeargument vorzustellen, bis heute einer der wichtigsten Anstöße für die Bundes- und Landesgar- tenschauen. Die große Bedeutung der beruflichen Funktionen resultiert aus der Tren- nung zwischen Nutzern und Entscheidungsträgern, die ich weiter unten noch einmal ansprechen werde. Diese Trennung verwandelte die konkre- ten, stofflichen Freiraumfunktionen für die Entscheidungsträger in ein Mittel zu einem ganz anderen Zweck. So ist für die Politiker und Mitarbeiter von Verwaltungen der politische Erfolg die entscheidende Größe: die An- erkennung durch die Öffentlichkeit, durch Wähler oder Vorgesetzte, die auch für die weitere Karriere förderlich ist. Insbesondere wenn sie sich von ihrer Entscheidung für einen Stadtpark einen spürbaren politischen Erfolg versprechen, werden sich die Entscheidungsträger hierfür einsetzen. Die größten Erfolgsaussichten haben sie natürlich, wenn die öffentliche Resonanz positiv, umfangreich und noch dazu klassenübergreifend ist und wie beim Bochumer Stadtpark von der Arbeiterbevölkerung über die Grundstücksspekulanten im Parkumfeld bis zu Patrioten, Verehrern des Kaisers u.ä. reicht. Allerdings steht die Entscheidung für die Parkanlage und für den entspre- chenden Einsatz kommunaler Ressourcen in Konkurrenz zu anderen Ent- scheidungen (z.B. für ein Gas- und ein neues Wasserwerk oder für kom- munale Sparsamkeit). In dieser Konkurrenz konnten die städtischen Grün- anlagen bei der Abwägung auch zurückgewiesen werden, wenn den Ent- scheidungsträgern andere Aufgaben als wichtiger und erfolgversprechen- der erschienen. So ist es in Bochum bereits in der Anfangsphase gesche- hen, als die Stadtverordneten zwischen mehreren Investitionsprojekten wählen mussten, sich mit Mehrheit zunächst gegen den Park und für an- dere Einrichtungen entschieden, die Parkentwicklung merklich verzögert und Abstriche von der ursprünglichen Planung vorgenommen haben. An- gesichts der Kosten überwog auch in Lütgendortmund eine Zeitlang die Furcht vor Steuererhöhungen.572 Trotzdem haben alle Kommunen früher oder später einen Stadtpark eingerichtet, der sich durch ein ganzes Bündel von Funktionen auszeichnete und zugleich einen Teil des Freiraums sicherte. Damit haben die Stadtverordneten - bereits unter den Bedingun- gen des Drei-Klassen-Wahlrechts - auch die Akzeptanz ihrer Wähler ge- funden. 5.3. Nutzer und Entscheidungsträger Die unmittelbaren NutzerInnen der Parkanlagen sind klar: es sind die Be- sucherInnen, die sich entspannen, erholen, anregen lassen wollen, die Sportler, aber auch die Gärtner. Als indirekte Nutznießer kann man zudem 572 Bausch (1992/93), S.211 5. Öffentliche Parks und Gärten 168 die Verwaltungsmitarbeiter und die Mitglieder in den entsprechenden poli- tischen Gremien ansehen, die mit dem Parkmanagement zu tun haben. Bei den Entscheidungsträgern muss man zwischen den verschiedenen Trägern der Parkanlagen differenzieren. So gibt es kommunale und ge- mischte Trägerschaften sowie bürgerschaftliche Beteiligungen. 5.3.1. Kommunale Trägerschaft Die meisten öffenlichen Parks und Gärten stehen in kommunaler Träger- schaft, weil sie auf kommunalem Grund und Boden angelegt wurden. Im wesentlichen wurde ihre Trägerstruktur bereits Ende des 19. Jahrhunderts geschaffen. Sie umfasst einen politischen, technischen und administrativen Bereich. So gibt es in den Kommunalparlamenten eigene Ausschüsse, Park-Kommissionen und ähnliche Gremien aus Stadtverordneten und Magistratsmitgliedern bzw. Beigeordneten, die in besonderer Weise für Grünanlagen zuständig sind und bis zum Ende des 19. Jahrhunderts auch administrative Aufgaben erfüllt haben.573 Außerdem war schon vor über hundert Jahren ein Parkgärtner unverzicht- bar, der z.B. in Bochum noch drei Kühe halten und aus dem Verkauf ihrer Milch an die Besucher einen Nebenverdienst erzielen durfte, wenn er den Kuhdung für die Beete im Park zur Verfügung stellte. Während solche Nebengewerbe allmählich aufgegeben wurden, wuchsen in den Stadtver- waltungen eigene Abteilungen, später auch Garten- oder Grünflächen- ämter heran. Inzwischen haben viele Kommunen diese Ämter in kommu- nale Unternehmen, so genannte Regiebetriebe umgewandelt. Anzunehmen ist, dass die Kommissions- und Ausschussmitglieder, die zuständigen Verwaltungsbeamten sowie das technische Personal sich mit ihrer Aufgabe - weitgehend - identifizieren, sich für "ihren" Stadtpark ein- setzen, die Parkentwicklung zum Erfolg führen wollen und darin auch einen Baustein für ihre eigene Anerkennung innerhalb der städtischen Gesellschaft sehen. So sieht auch jeder "Gartenarbeiter ... seinen Bereich als 'persönliche Aufgabe' an und braucht ein Erfolgserlebnis - nämlich Erhalt und Weiterentwicklung dieser Flächen".574 Allerdings bleiben die Vertreter des Stadtgrüns abhängig von den politi- schen Entscheidungen über den Einsatz der kommunalen Finanzmittel, an denen auch anderweitig interessierte Mandatsträger beteiligt sind. Die Eigenbetriebe, Grünflächen- oder Gartenämter bilden zusammen mit den Ausschüssen in den Kommunalparlamenten die eigentlichen sozialen Träger der Stadt- und Volksparks. Eine besondere, geregelte Beziehung der Abgeordneten und der Gartenämter bzw. Regiebetriebe zu den Park- besucherInnen besteht nicht. Charakteristisch ist vielmehr die Trennung zwischen den Entscheidungsträgern und den Nutzergruppen. Stattdessen gab und gibt es immer wieder Probleme, wenn konkurrierende Nutzungsinteressen Anspruch auf Parkflächen erheben. Die skizzierte Trägerkonstruktion war ausreichend, um die Grundsubstanz der Parks zu 573 Ähnlich wie in Bochum, wo Park- und Special-Commissionen tätig waren, gab es in Lütgendortmund eine Volksgarten-Verwaltungskommission, während sich in Dortmund zwei Gremien, die Promenaden- und die Forst-Kommission um die Umgestaltung des Westerholzes gekümmert haben. Bausch (1992/93), S.217; Schmidt (1980), S.110; die heutigen Strukturen beschreibt: Milchert (1984) 574 Czipulowski, K.-H. (1980), Aufgaben der bezirklichen Gartenbauämter Berlin, in: Das Gartenamt, 29.Jg. (1980), S.356-360, hier: S.358, zitiert nach: Milchert (1984), S.280 5. Öffentliche Parks und Gärten 169 erhalten, sie hat aber nicht verhindern können, dass diese immer wieder 'angefressen' wurden. Bedroht werden die Parks insbesondere von den Ansprüchen des Verkehrs, und manchmal müssen sie auch als kosten- günstige Standorte für kommunale Einrichtungen herhalten, z.B. hat der Essener Stadtgarten nach dem Zweiten Weltkrieg Flächen für den Stra- ßenbau und später für das Aalto-Theater abgeben müssen. Der Dortmun- der Volkspark musste Teilflächen an das Messegelände der Westfalen- halle und an das Westfalenstadion abtreten.575 In diesem Zusammenhang können auch Spannungen zwischen den kommunalen Repräsentanten des Stadtgrüns, eingebunden in die kom- munalpolitischen Abwägungen, und den ParkbesucherInnen auftreten. Aus der Sicht kommunaler Repräsentanten schießen die Bürger des öfteren "weit über das erreichbare Ziel hinaus" und verschließen sich "gegenüber übergeordneten Gesichtspunkten und größeren Zusammenhängen", wenn sie gegen Flächenverluste ihres Parks protestieren.576 5.3.2. Gemischte Trägerschaften Die ersten gemischten Trägerstrukturen werden - allerdings nur temporär - für die Gartenschauen geschaffen. Gegründet werden gemeinsame Ge- sellschaften aus der jeweiligen Stadt und der Dachorganisation der Be- rufsgärtner, derzeit der Zentralverband Gartenbau bzw. sein Landesver- band. Gesichert werden die Gartenschauen durch Verträge zwischen die- sen Beteiligten, in denen sich die Kommune unter anderem zur Bereit- stellung des Geländes verpflichtet. Auf diese Weise werden zwar nicht die Besucher, wohl aber die Gärtner in die Trägerschaft einbezogen. Hinzu kommt, dass die Besucher für den Eintritt einen Preis bezahlen, der für die Existenz der Gartenschauparks sehr wichtig ist.577 Zwei bis drei Jahre nach dem Abschluss der eigentlichen Schau, wenn die temporären Gebäude zurückgebaut und die Abrechnung abgeschlossen ist, wird die GmbH liquidiert578 oder in einen kommunalen Eigenbetrieb verwandelt. Damit gerät der Park in die kommunale Trägerschaft. Gemischte Strukturen, nun aber dauerhaft, wurden auch für die Revier- parks und weitere Einrichtungen entwickelt, die zum regionalen Freizeit- konzept des SVR gehören. Für jeden Revierpark wurde eine Trägergesell- schaft in Form einer GmbH gegründet, deren Gesellschafter die Belegen- heitskommunen (in deren Stadtgebiet die Einrichtungen liegen) und der SVR bzw. sein Nachfolger sind und die eigene Verwaltungen für den Be- trieb ihres Freizeitparks aufbauen.579 5.3.3. Bürgerschaftliche Beteiligung Die bürgerschaftliche Beteiligung an den öffentlichen Parkanlagen ist be- deutender als gemeinhin bekannt. Gerade in der Anfangszeit der Volks- gartenbewegung wurden die Parks häufig von bürgerschaftlichen Gruppen 575 Ebert (1993), S.157 576 Wawrik, H. (1975): Organisation und Kosten der Grün- und Freiflächenpflege beim Grünflächenamt Mannheim, in: Das Gartenamt, 24.Jg. (1975), S.238-244, hier: S.238, zitiert nach: Milchert (1984), S.257; Friedrich, T. (1976): Die Gartenbauämter und die Öffentlichkeit, in: Das Gartenamt, 25.Jg. (1976), S.10, zitiert nach: Milchert (1984), S.281 577 Der Gartenschaubesuch gerät damit in den Übergangsbereich von einem öffentlichen zu einem privaten Gut. 578 Panten (1987), S.196ff 579 SVR (1976), S.77ff 5. Öffentliche Parks und Gärten 170 gegründet. Ohne dass sie dieser Frage systematisch nachgegangen wä- ren, nennen Gaida und Grothe für das Ruhrgebiet immerhin zehn Fälle, fast die Hälfte der Vorhaben vor dem ersten Weltkrieg, in denen die Initia- tive zur Einrichtung eines Parkes oder ein wesentlicher Anteil an seiner Gestaltung von einem Verein oder einer Aktiengesellschaft ausging: - Wie schon erwähnt, gründeten 1863 mehrere Industrielle und andere Bürger die "Essener gemeinnützige Aktiengesellschaft", um einen Festsaal mit einem umliegenden städtischen Garten anlegen zu las- sen. - In Hamm wurde 1882 eine Aktiengesellschaft gegründet, die den Kur- park anlegte, in dem Gaida und Grothe einen typischen Stadtgarten der damaligen Zeit sehen.580 - Auch in Hagen war es eine "Aktiengesellschaft Hagener Stadtgarten", die 1884 gegründet wurde und bereits ein Jahr später die ersten Teile des Garten eröffnen konnte, allerdings Eintrittsgelder für den Stadt- gartenbesuch erhob.581 - Nachdem in Mülheim um 1880 salzhaltige Quellen entdeckt und we- nige Jahre später die ersten Badeanstalten eingerichtet worden waren, wurden 1907 die "Aktiengesellschaft Solbad Raffelberg" und der Verein "Kindersolbad Raffelberg e.V." gegründet, um die erforderli- chen Grundstücke zu erwerben und den Kurpark aufzubauen.582 - Im Jahr 1863 konstituierte sich auch der Duisburger Verschönerungs- verein, der ab 1869 die Pflege des Waldes auf dem "Duissernschen Berg" übernahm, den die Stadt ein Jahr zuvor gekauft hatte.583 - 1889 schlossen sich Dortmunder Bürger zum "Verein zur Gründung eines Kaiser-Wilhelm-Haines" zusammen, der den Kern des späteren Dortmunder Westfalenparks bildete.584 - Im Jahr 1890 legte der Duissernsche Verschönerungsverein an der heutigen Schweizer Straße in Duisburg einen Botanischen Garten als Naturkundepark an.585 - In Steele, heute ein Essener Stadtteil, hat der Verschönerungsverein bereits 1880 ein Grundstück gekauft. Allerdings dauerte es noch bis 1897, bis hier der Stadtgarten angelegt werden konnte.586 - Der Volksgarten Eickel, der in ersten Teilen 1899/1900 fertiggestellt wurde, ist das Ergebnis einer Kooperation zwischen dem Verschöne- rungsverein und dem Gelsenkirchener Kreistag, der die erforderlichen finanziellen Mittel bereitgestellt hat.587 - Auch in Mülheim/Ruhr hat sich bereits in den 1870er Jahren der "Mül- heimer Verschönerungsverein" gegründet. Um die Jahrhundertwende hat er ein aus vielen kleinen Parzellen bestehendes Stück Land er- worben und 1902 mit den Baumaßnahmen zur Gestaltung des "Witt- hausbusch" genannten Parkes begonnen.588 Doch trotz der engagierten Arbeit der Vereine und Aktiengesellschaften war es nur eine Frage der Zeit, bis ihre Anlagen von den Kommunen übernommen wurden. Wie schon beschrieben, geriet die Essener Aktien- 580 Gaida und Grothe (1997), S.118 ff 581 Gaida und Grothe (1997), S.112 ff 582 Gaida und Grothe (1997), S.143 ff 583 Gaida und Grothe (1997), S.223 f 584 Gaida und Grothe (1997), S.59 ff; Museum (Hg.) (1991) 585 Gaida und Grothe (1997), S.68 ff 586 Gaida und Grothe (1997), S.231 f 587 Gaida und Grothe (1997), S.129 ff 588 Gaida und Grothe (1997), S.256 5. Öffentliche Parks und Gärten 171 gesellschaft schon in den 1870er Jahren in Zahlungsschwierigkeiten. Auch die Hagener Aktiengesellschaft war recht bald hoch verschuldet und hat der Stadt - gegen Übernahme der Schulden - bereits 1896 den Park als Schenkung angeboten, die aber erst drei Jahre später angenommen wurde.589 Demgegenüber ist es dem Dortmunder Verein 1894 rechtzeitig vor der Überschuldung gelungen, den Kaiser-Wilhelm-Hain an die Stadt abzutreten,590 wohingegen sich der Mülheimer Verschönerungsverein 1913 kurzerhand aufgelöst hat.591 Vor diesem Hintergrund ist es nicht er- staunlich, dass es dem Lütgendortmunder Amtmann nicht gelungen ist, eine eigene Trägergesellschaft für den Volksgarten ins Leben zu rufen, obwohl in seinem Amt rund siebzig Vereine aktiv waren.592 Trotz großen Einsatzes war also die finanzielle Kraft dieser Vereine und Aktiengesellschaften für eine dauerhafte Trägerschaft nicht ausreichend, so dass ihre Anlagen nach einigen Jahren von den Kommunen übernom- men werden mussten. Seitdem blieb das bürgerschaftliche Engagement in der Parkentwicklung - weitgehend - auf politische Aktivitäten und Lobbyarbeit begrenzt. So stan- den hinter den Volksparks nicht nur die zuständigen städtischen Ämter und die Stadtverordneten im Grünflächenausschuss (o.ä.), sondern auch die Sportvereine. Diese Vereine sind zwar nicht formell an der Trägerschaft beteiligt, können aber eine ständige Lobbyarbeit für "ihre" Anlage leisten. Häufig bilden sich dabei Personalunionen zwischen den Vereinen, den politischen Parteien und den Verwaltungen heraus.593 Demgegenüber sind die regionalen Freizeiteinrichtungen des SVR auf die sportliche Aktivität der 'normalen' Bevölkerung ausgerichtet, so dass Sportvereine hier keine herausragende Bedeutung haben. Stattdessen wurden - und das ist etwas ganz Neues - bei den Trägergesellschaften beratende Beiräte aus Revierparkbesuchern aufgebaut.594 Auch bei anderen Parkanlagen gewann das bürgerschaftliche Engagement im Laufe der Zeit wieder an Bedeutung, weil sich immer wieder Bür- gerinitiativen entwickelt haben, um kommunale Parks gegen kommunale und andere Planungen zu verteidigen, z.B. die Aktion Volksgarten in den 1980er Jahren in Lütgendortmund oder der Verein Hände weg vom Stadt- garten in Castrop-Rauxel. Andere Initiativen versuchen, auf die Erneuerung und Umgestaltung Einfluss zu nehmen, wie z.B. die Duisburger Inte- ressengemeinschaft Nordpark oder der Freundeskreis Hoeschpark. 5.4. Regelwerk und Instrumente Grundlage einer wirksamen Stadtpark-Politik sind vor allem leistungs- und organisationspolitische Maßnahmen, da die ordnungspolitischen Instru- mente unzureichend sind. 589 Gaida und Grothe (1997), S.114; Hoffmann (1904), darin: Die öffentlichen Anlagen der Stadt Hagen, S.217-219 590 Jünger (1991), S.25 591 Gaida und Grothe (1997), S.256 592 Bausch (1992/93), S.198, S.204 593 Aus freiraumpolitischer Sicht sind einige Volksparks allerdings problematisch, weil mit den Sportanlagen die baulichen Anlagen ein großes Gewicht bekommen, das zu Lasten der Grün- und Freiflächen gehen kann. 594 SVR (1976), S.77ff 5. Öffentliche Parks und Gärten 172 5.4.1. Ordnungspolitische Aspekte Nach Martin Wagner enthielt das "Fluchtliniengesetz" vom 2. Juli 1875 wichtige Bestimmungen "für die Lösung der großstädtischen Freiflächen- frage". Auf dieser rechtlichen Grundlage wurden überbaubare Flächen sowie Straßen und Plätze festgesetzt, die für den Verkehr und die Er- schließung der Baugebiete erforderlich waren. Dabei gebot das Gesetz in seinem § 3 zugleich, dass auf die "Förderung ... der öffentlichen Gesund- heit Bedacht zu nehmen" ist. Man werde "nun nicht daran zweifeln können, daß die Fürsorge für städtische Freiflächen ein Teil der öffentlichen Gesundheitspflege ist." 595 Trotzdem musste Wagner einräumen, dass diese Vorschrift nicht zu einem wirksamen kommunalen Freiraumschutz geführt hat. Eine wichtige Ursa- che hierfür sah Wagner selbst in einem unzureichenden kommunalen Enteignungsrecht und in den möglichen Entschädigungsansprüchen der Grundeigentümer. Als "einzig brauchbare Handhabe der Gemeinden für eine praktische Freiflächenpolitik" erschienen daher Ortsstatuten, die eine Wohnbebauung an noch nicht fertiggestellten Straßen einschränkten. Diese Ortsstatuten waren zwar im Fluchtliniengesetz vorgesehen, bedurf- ten aber - nach Angaben von Wagner - zu ihrer Umsetzung trotzdem noch vertraglicher Vereinbarungen zwischen den Kommunen und den Grundei- gentümern.596 Auch das spätere Bundesbaugesetz, das heutige Baugesetzbuch bietet natürlich die Möglichkeit, Parkanlagen in Bebauungsplänen rechtsverbind- lich auszuweisen. Eine solche Festsetzung hat aber keinen Bestand, wenn sie das Grundstück eines Privateigentümers betrifft, der hierdurch in seinen Rechten eingeschränkt wird und mit dieser Planung nicht einverstanden ist. 5.4.2. Leistungspolitische Aspekte Für die Freiraumsicherung bleibt also die Eigentumsfrage entscheidend, die Frage, wer über den Boden verfügt.597 Dementsprechend haben auch die Verschönerungsvereine und Aktienge- sellschaften nicht auf planerische Regelungen gewartet, sondern zunächst die erforderlichen finanziellen Mittel beschafft, um das gewünschte Grund- stück zu kaufen, auf dem dann der Park angelegt wurde. Dass diese Ver- eine und Gesellschaften ihre Parks nach wenigen Jahren wieder aufgeben und auf die Kommunen übertragen mussten, lag an den laufenden Kosten, denen keine entsprechenden Einnahmen gegenüberstanden. Offenbar reichte der Nutzen, den die einzelnen, die Vereinsmitglieder und Ge- sellschafter, die Parkbesucher und die benachbarten Grundeigentümer genossen, nicht aus, um sie zu kostendeckenden Zahlungen an die Träger der Parkanlagen zu bewegen. Hier haben die kommunalen Träger andere Möglichkeiten, indem sie auf ihre Steuereinnahmen zurückgreifen und so die Kosten auf alle Steuerzahler verteilen können. Allerdings müssen auch die Kommunen die Eigentumsfrage klären. So geht aus dem Katalog von Gaida und Grothe hervor, dass in den meisten Fällen die Grundstücke für den Volkspark oder Stadtgarten eigens gekauft werden mussten. Verschiedentlich konnten die Kommunen ihre Flächen- 595 Wagner (1915), S.75 596 Wagner (1915), S.75 597 Bauer (1996), S.216 f, vgl. auch: S.203 5. Öffentliche Parks und Gärten 173 anteile aus den Markenteilungen nutzen. Nur für den Stadtgarten Bottrop wurde die erforderliche Fläche von privater Seite, nämlich vom Bergbau- unternehmen Arenberg AG zur Verfügung gestellt.598 Für die Kommunen sind städtische Parkprojekte vor allem eine finanzielle Frage. Dies betrifft auch die Gartenschauen und die Revierparks, deren gemischte Trägergesellschaften die erforderlichen Flächen im allgemeinen gepachtet haben. Infolgedessen müssen die Kommunen bei der Anlage ihrer Parks und Gärten in der Konkurrenz auf dem Bodenmarkt versuchen, sich gegenüber privaten Interessen ökonomisch durchzusetzen und die benötigten Grundstücke zu erwerben. Im Anschluss daran können die Träger der Parkanlagen als Privateigentümer der betreffenden Flächen alle wider- sprechenden Nutzungen zurückweisen, es sei denn, es handelt sich um kommunale oder übergeordnete Planungen, die von den politischen Ent- scheidungsträgern für wichtiger gehalten werden. 5.4.3. Organisatorische Aspekte Die wichtigsten organisatorischen Maßnahmen werden weniger von den Kommunen, sondern von der Bürgerschaft ergriffen. Während sich Bo- chums Bürgermeister und der Amtmann von Lütgendortmund erfolglos um den Aufbau von Trägervereinen für ihre Parks bemüht haben, haben an anderen Orten Industrielle und andere Bürger schon im 19. Jahrhundert Vereine und Aktiengesellschaften gegründet, um Stadt- und Volksgärten einzurichten. Zugleich haben die Kommunen eigene Anlagen geschaffen und hierfür eigene organisatorische Strukturen aufgebaut. Hierzu gehören Kommissi- onen und Ausschüsse innerhalb der Kommunalparlamente sowie Abtei- lungen oder Ämter in den kommunalen Verwaltungen. In manchen Städten wurden diese Verwaltungseinheiten inzwischen in Eigenbetriebe oder ähnliche Einrichtungen umgewandelt. Hinzu kommen die gemischten Trägergesellschaften für die Revierparks und für die Gartenschauen. All diese Organisationen entwickeln ein ausgeprägtes Interesse an der Er- haltung und Weiterentwicklung ihrer jeweiligen Parkanlage. Dabei stützte sich das Interesse der Parkvereine vor allem auf das Inte- resse der Parknutzer an der Erholung und Erbauung, während den kom- munalen und gemischten Trägerstrukturen zudem beruflich-politische In- teressen zugrunde liegen, z.B. den Zuspruch der WählerInnen zu bekom- men. Allerdings können diese Interessen durchaus in einen Widerspruch zur Parkentwicklung geraten, wenn z.B. eine Straßenplanung kommunal- politisch für wichtiger gehalten wird oder wenn die kommunalen Ausgaben zu Lasten der Parks reduziert werden. Infolgedessen haben sich inzwischen neue bürgerschaftliche Vereinigun- gen gebildet, z.B. als Fördervereine zur Unterstützung der jeweiligen Parkverwaltung oder auch als Bürgerinitiativen zur Abwehr park-schädli- cher Planungen. 598 Gaida und Grothe (1997), Bergbau: S.47 ff; Separationen: Stadtpark Bochum, S.42 ff, Fredenbaum-Park Dortmund, S.50 ff, Volkspark Hiltrop Bochum, S.209 f, Kaiserberganlagen Duisburg, S.223 f; Grundstückskäufe: S.45 f, S.52 ff, S.59 ff, S.78 ff, S.87 ff, S.90 ff, S.93 ff, S.106 f, S.108 f, S.112 ff, S.129 ff, S.132 ff, S.147 ff, S.170 f, S.183f, S.231 f, S.233, S.237, S.252, S.256, S.279. 5. Öffentliche Parks und Gärten 174 5.5. Ergebnisse Als die Freiraumverluste Mitte des 19. Jahrhunderts in mehreren Kommu- nen immer deutlicher spürbar wurden, begann sich eine Gegenbewegung zu entwickeln: die Stadt- und Volksgartenbewegung. Nachdem die frühe- ren Kloster-, Adels- und Bürgergärten einen überwiegend privaten Cha- rakter hatten, wurde in den 1860er Jahren die Ära der öffentlichen Parks und Gärten eingeleitet. Seit den 1860er bis in die 1930er Jahre hinein hat diese Bewegung im Ruhrgebiet die Anlage von rund hundert Stadtparks, Stadt- und Volksgärten erreicht. Im 20. Jahrhundert gewann der Sport an Bedeutung, wofür - neben kleinen Einzelanlagen - zumeist noch vor dem Zweiten Weltkrieg zwölf sportlich ausgerichtete Volksparks eingerichtet und mehrere Stadtparks um Sportanlagen erweitert wurden. Seit den 1960er Jahren knüpfte der SVR - unausgesprochen - an das Volkspark- konzept an, um fünf Revierparks von regionaler Bedeutung sowie 15 wei- tere regionale Freizeiteinrichtungen anzulegen. Bereits Ende der 1920er Jahre hatte mit den Gartenschauen ein neuer, ästhetisch ausgerichteter Parktyp das Ruhrgebiet erreicht. Zwölf Gartenschauen seit 1929 wurden von den Kommunen genutzt, um Parks mit einem floristisch-gärtnerischen Schwerpunkt zu erweitern und umzugestalten. Seit den 1980er Jahren wurden im Rahmen von Gartenschauen sogar einige neue Parkanlagen auf industriellen Brachflächen geschaffen. Mit der Internationalen Bauaus- stellung EmscherPark wurde die Umnutzung von Brachflächen so wichtig, dass ich sie in einem eigenen Kapitel darstellen werde. Aus der Sicht des Common-Property-Ansatzes ist zunächst wichtig, dass die Parkanlagen gleichzeitig mehrere Funktionen erfüllen, die geradezu gegensätzliche Interessengruppen ansprechen. Parkanlagen dienen der Erholung, der Reproduktion der Arbeitskräfte. Sie erfüllen städtebauliche Funktionen nicht nur als Bauflächenreserve, sondern auch als Standort- faktor. Das Umfeld von Parkanlagen ist häufig ein 'gehobenes' Wohnviertel mit entsprechend hohen Bodenpreisen, hohen Mieten und zahlungs- kräftigen Bewohnern. Parkanlagen selbst eignen sich als Standorte für politische Symbole, wie Kaiser-Wilhelm-Büsten oder Bismarcktürme, und für politische und kulturelle Veranstaltungen, z.B. zum 1. Mai im Dortmun- der Westfalenpark. Darüber hinaus kann ein international ausgerichtetes Pflanzeninventar die Weltoffenheit, die Internationalität und Modernität der Parkverwaltung und die besonderen Fähigkeiten der Gärtner dokumentie- ren. Schließlich sind mit dem technischen, administrativen und politischen Parkmanagement entsprechende berufliche und politische Positionen ver- bunden, die man ebenfalls als Funktionen der Parks ansehen kann. Die Verhältnisse zwischen Nutzern und Entscheidungsträgern fallen un- terschiedlich aus. In der Anfangszeit, als im 19. Jahrhundert etliche Parks von Vereinen gegründet wurden, gab es eine deutliche Schnittmenge zwi- schen den unmittelbaren Parknutzern, d.h. Besuchern und den Entschei- dungsträgern im Verein. Seit der Kommunalisierung der Parkanlagen gibt es eigene städtische Ämter oder Eigenbetriebe und Ratsausschüsse, die sich als Träger der Parkanlagen verstehen, die allerdings eine größere Distanz zu den alltäglichen Nutzern haben. Überdies sind diese Ämter, Eigenbetriebe und Ratsausschüsse in die politische Abstimmung innerhalb der Kommunen eingebunden, was hin und wieder dazu führt, dass Park- flächen für andere Zwecke, z.B. Verkehr, in Anspruch genommen werden. Seitdem können die Nutzer solche Entscheidungen zumeist nur indirekt, nämlich als Wähler beeinflussen. 5. Öffentliche Parks und Gärten 175 Besonders interessant sind daher gemischte Strukturen, wie die der Re- vierparks. Die Trägergesellschaften aus dem RVR und den Belegenheits- kommunen sind in die kommunalpolitischen Entscheidungen nicht mehr unmittelbar eingebunden, sondern verfügen über feste Vereinbarungen mit ihren Gesellschaftern, die durch Ratsbeschlüsse nicht einfach umgestoßen werden können. Überdies sind die Parknutzer über Beiräte in das Parkmanagement einbezogen. Zweifelsohne handelt es sich bei den Parks um 'Güter' mit einem hohen Öffentlichkeitsgrad, bei denen die Gefahr der Übernutzung durch die Be- sucher durch Nutzungsordnungen, durch die Parkaufsicht und die Park- pflege gebannt wird. Für die Lösung von Konflikten mit anderweitigen Nutzungsinteressen sind ordnungsrechtliche Instrumente, also das Planungs- und Baurecht, aller- dings nicht entscheidend. Wichtiger ist, wem der betroffene Grund und Boden gehört, wer die laufenden Kosten trägt und wie die politischen Kräfte verteilt sind. So konnten die früheren Trägervereine zwar die not- wendigen Investitionen für etliche Parkanlagen bewältigen, scheiterten aber nach kurzer Zeit an den Pflegekosten. Die Kommunalisierung der Parks brachte zwar eine größere finanzielle Sicherheit, weil die Pflege- kosten im Rahmen der kommunalen Leistungspolitik aus den Steuerein- nahmen bestritten werden, erhöhte aber das planerische Risiko, dass Teile der Parks als Flächenreserve angesehen wurden. Demgegenüber brachte die Organisation der Revierparks mit ihren vertraglichen Bindungen eine größere Sicherheit für die Anlage und mit ihren Beiräten eine gewisse Beteiligung von Parknutzern. Neue zivilgesellschaftliche Organisationen wie Fördervereine und Bürger- initiativen knüpfen an die vereinsmäßigen Anfänge der Stadtparkbewegung an, artikulieren die Interessen von Parknutzern und bemühen sich bei den Entscheidungsträgern um ihre Beachtung. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die früheren Trägervereine und ihre Parkanlagen Common-Property-Institutionen waren, bei denen neben vielfältigen Funktionen auch die Beteiligung von Nutzern, nämlich Vereinsmitgliedern an den park-relevanten Entscheidungen gegeben war. Im Unterschied hierzu sind die kommunalisierten und gemischt getragenen Anlagen Einrichtungen, die den Common-Property-Institutionen nahe kommen, sofern es einen Beirat mit Parknutzern, einen Förderverein oder eine Bürgerinitiative gibt. 6. Kleingärten und ihre Vereine 176 6. Kleingärten und ihre Vereine Im Jahr 1864, als der Bochumer Bürgermeister vorschlug, einen Stadtpark anzulegen, und als im Essener Stadtgarten der Grundstein für den Fest- saal gelegt wurde, gründete sich in Leipzig der erste Schreberverein. Er richtete einen Spielplatz ein, um den herum sich die erste Schrebergar- tenanlage entwickelte. In der folgenden Zeit entstanden, zunächst in Sachsen, dann auch in anderen Ländern immer mehr Kleingärten und Kleingartenanlagen, seit der Jahrhundertwende auch im Ruhrgebiet, be- zeichnenderweise zunächst in Essen, Bochum und Dortmund. Seitdem gibt es nach den Stadtparks und Volksgärten eine völlig neue Kategorie von Grün- und Freiflächen. Ihre historische Entwicklung599 will ich zunächst skizzieren und in einigen Punkten für das Ruhrgebiet konkretisieren, bevor ich auf die Funktionen, die Entscheidungsstrukturen und die Instrumente der Kleingartenpolitik eingehe. 6.1. Wurzeln und historische Entwicklung Die Schreber- und Kleingärten haben mehrere Wurzeln. Zu unterscheiden sind im engeren Sinne die Ursprünge der Schrebergärten und ihrer Vereine sowie - im weiteren Sinne - ihre Vorläufer und verwandte Einrichtungen. Besonders wichtig für die weitere Kleingartenentwicklung ist zum einen die Selbstorganisation der Kleingärtner und zum anderen das Eingreifen des Staates. 6.1.1. Ursprung der Schrebergärten und ihrer Vereine Der Leipziger Arzt Dr. Daniel Gottlob Moritz Schreber (1808-1861) ist der eher unfreiwillige Namensgeber der neuen Gärten. Der mit Schreber be- freundete Pädagoge Dr. Ernst Innozenz Hauschild lud im Jahre 1863 ein- mal wöchentlich Eltern und Lehrer zu Gesprächskreisen ein, aus denen ein Jahr später ein Verein hervorging, der überhaupt nichts mit Gartenbau zu tun hatte, sondern im Leipziger Westen den ersten großen Spielplatz einrichtete und 1865 unter dem Namen "Schreberplatz" eröffnete. Dieser Name war insofern berechtigt, da Schreber in vielen Schriften gefordert hatte, dass die jungen Menschen in den Städten an der freien Luft spielen und Sport treiben sollten und dass hierfür entsprechende Spielplätze ge- schaffen werden müssten. Betreut wurde dieser Schreberplatz von dem "Spielvater" Karl Gesell, einem pensionierten Lehrer, der sich als Schüler von Friedrich Fröbel, dem Erfinder des Kindergartens, in einigen sächsischen Städten für die Ein- 599 Die wichtigsten neuen Werke zur Geschichte der Kleingärten sind: Stein, Hartwig (2000): Inseln im Häusermeer. Eine Kulturgeschichte des deutschen Kleingartenwesens bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Reichsweite Tendenzen und Groß-Hamburger Entwicklung, Frankfurt a.M., Berlin, Bern u.a. (2., korrigierte Auflage); sowie die Veröffentlichungen des Deutschen Kleingärtnermuseums in Leipzig, insbe- sondere die "Wissenschaftlichen Schriften", die vom Förderverein herausgegeben werden 6. Kleingärten und ihre Vereine 177 richtung von Waisenhäusern und Versorgungsheimen eingesetzt hatte. Gesell schlug vor, auf dem Spielplatz einige Kinderbeete anzulegen, was 1868 zwar geschah, aus den Kindern aber keine Gärtner machte. Interes- sierte Eltern übernahmen die Pflege dieser Beete, beschlossen 1869 ihre erste Gartenordnung und konstituierten dadurch den ersten Schrebergar- tenverein mit Kleingärten, Lauben und Vereinshaus, was in der Folgezeit zunächst in Sachsen, dann in anderen Teilen Deutschlands, seit 1895 auch im Ruhrgebiet immer mehr Nachahmer fand.600 6.1.2. Vermeintliche Vorläufer Verschiedene Autoren weisen auf teilweise weit zurückliegende Vorläufer hin, wobei jeder Autor seine eigene Gartenform hat, die er in den Vorder- grund rückt. Den weitesten Bogen schlagen Autoren, die die "Gemüse-, Obst- und Lustgärten der Bürger" vor den Stadtmauern der vorindustriellen Städte als älteste Vorläufer der heutigen Kleingärten bezeichnen. Hierzu gehören - für Gassner die Mannheimer "Neckargärten" aus dem 17. Jahrhundert, - für Muthesius die Leipziger Patriziergärten, die seit dem 16. Jahrhun- dert vor der Stadt lagen und schon von Goethe erwähnt wurden, und - für Kaisenberg waren es die Gärten, die der Unternehmer und Beamte Bertuch vor den Toren Weimars parzelliert und verpachtet und über die bereits Schiller geschrieben hatte. Da aber diese Bürgergärten besonderen Wohlstand ausdrückten, können sie mit den neuzeitlichen Kleingärten nicht verglichen werden. In den "Mi- litärgärten" vom Ende des 18. Jahrhunderts, in denen sich die Soldaten in Friedenszeiten sinnvoll beschäftigen sollten, sieht Gassner weitere Vor- läufer der Kleingärten. Da aber diese Militärgärten auf die Kurfürstentümer Pfalz und Bayern beschränkt waren und bereits nach 13 Jahren wieder aufgegeben wurden, waren sie von der Schrebergartenbewegung doch recht weit entfernt.601 600 Stein (2000), insbesondere S.161-168; Kaup, Ignaz (1913): Vorbericht. (Kapitel) III. Städtische und private Familiengärten ohne Verbindung mit der Wohnung, in: Zentralstelle für Volkswohlfahrt (Hg.) (1913): Familiengärten und andere Kleingartenbestrebungen in ihrer Bedeutung für Stadt und Land. Vorbericht und Verhandlungen der 6. Konferenz der Zentralstelle für Volks- wohlfahrt in Danzig am 18. Juni 1912. Schriften der Zentralstelle für Volkswohlfahrt, Heft 8 der neuen Folge, Berlin, S.165 f; vgl. auch: Gassner, Edmund (1987): Geschichtliche Entwicklung und Bedeutung des Kleingartenwesens im Städtebau. Schriftenreihe des Instituts für Städtebau, Boden- ordnung und Kulturtechnik der Universität Bonn, Heft 7, Bonn, S.21 f; Wille, Karl (1939): Entwicklung und wirtschaftliche Bedeutung des Kleingartenwesens. Diss. Münster, Frankfurt/Oder und Berlin, S.33 ff. Nach zehn Jahren musste der Schreberverein jedoch das gesamte Gelände räumen und auf ein weiter stadtauswärts gelegenes Ersatzgrundstück umziehen, auf dem auch das 1996 eröffnete "Deutsche Kleingärtnermuseum" seinen Sitz hat, siehe: Katsch, Günter (2001): Deutsches Kleingärtnermuseum in Leipzig. Sächsische Mu- seen Band 4, Leipzig (Zweite, erweiterte Auflage), insbesondere S.31; sowie: Stein (2000), S.167 601 Gassner (1987), S.13 f und S.14-17; Muthesius, Klaus (1924): Großstadtbevölkerung und produktive Bodennutzung, o.O. (Diss. Berlin), S.13: Ihm zufolge hatte Goethe die Leipziger Gärten im Jahr 1795 be- sucht, während er sie - nach Kaup (1913), S.160 - bereits 1765 in einem Brief geprie- sen hatte; Kaisenberg, Georg (1924): Kleingarten- und Kleinpachtlandordnung nebst verwand- tem Recht. Handbuch des deutschen Kleingartenrechts, Berlin (3. Auflage), S.1 f; Johannes, Egon (1955): Entwicklung, Funktionswandel und Bedeutung städtischer 6. Kleingärten und ihre Vereine 178 Außerdem halten viele Autoren die früheren "Armengärten" für unmittel- bare Vorgänger der Kleingärten. Muthesius meint sogar, dass erst durch die "sozial angelegten Bestrebungen der Stadt (Leipzig) ... der Boden für die Schre- berschen Ideen" bereitet worden war. Immerhin hatte Leipzig im Jahre 1832 eine größere Zahl kleinerer Gärten fertiggestellt, die zur wirtschaftlichen Unterstützung an die ärmere Bevölkerung verpachtet wurden.602 Wie andere große Städte folgte Leipzig dem Vorbild des Landes Schles- wig-Holstein, das damals zu Dänemark gehörte und vom Landgrafen Karl von Hessen als Statthalter verwaltet wurde. Sein "Pilotprojekt" waren die Karls-Gärten in Kappeln an der Schlei, die bereits 1806 parzelliert und verpachtet worden waren. Allerdings handelte es sich hierbei nicht um Armen-, sondern um Familiengärten als Ausgleich für den allgemeinen Mangel an Gärten im Ortsinneren von Kappeln. Ebenfalls in Kappeln hat Pastor Friedrich Christian Heinrich Schröder im Jahr 1814 auf der Pasto- ratskoppel 24 Gartenparzellen verpachtet und zu ihrer Verwaltung einen Verein, praktisch den ersten Kleingärtnerverein ins Leben gerufen. In den Folgejahren empfahl der Statthalter, unterstützt durch König Friedrich VI. von Dänemark den Kommunen die Anlage von Armengärten, die in we- nigstens zwanzig schleswig-holsteinischen Städten auch eingerichtet wur- den.603 Schon ab 1868 ging z.B. in Kiel, das seit 1866 zu Preußen gehörte, die ursprüngliche Bedeutung der "Armengärten" verloren, da sie "jetzt meist- bietend versteigert" und "von jedermann erworben werden" konnten - bis die Stadt ihr Vergabeverfahren änderte.604 Aber auch in anderen Städten führten "der Siedlungsdruck ..., (die) Spekulation bei privater Bodenverpachtung und das Fehlen rechtlicher Schutz- und Pachtbestimmungen ... zum allmählichen Ver- schwinden dieser sozialen Gartenform".605 Etwa zur gleichen Zeit entstanden am Rande von Großstädten, vor allem von Berlin, die sogenannten "Laubenkolonien".606 Johannes bezeichnet sie als "Parallelerscheinung" zu "zweckentfremdeten" Kleingärten. Hintergrund war das Wohnungselend, das seit etwa 1870 viele Menschen, zumeist Zugewanderte bewog, kleine Parzellen zu pachten, um darauf Wohnlauben zu errichten. Verpächter waren sogenannte "Generalpächter", d.h. Zwischenpächter, die das Gelände selbst - häufig meistbietend - von der Stadt Berlin oder von Terraingesellschaften gepachtet hatten. Wie Johannes betont, resultierte das Kleingärten. Dargestellt am Beispiel der Städte Kiel, Hamburg und Bremen. Schriften des Geographischen Instituts der Universität Kiel, Band XV, Heft 3, Kiel, S.10; siehe auch: Stein (2000), S.13 f, S.49 Fußnote 25, S.191 Fußnote 519 602 Muthesius (1924), S.13-15; Kaup (1913), S.163-165; Stein (2000), S.55 f 603 Muthesius (1924), S.15 f; Johannes (1955), S.11 f; Gassner (1987), S.19 ff; Stein (2000), S.51 ff; Katsch (2001), S.25; vgl. auch Stein (2000), S.45 ff: In England entstanden die ersten Allotments für Arme zwar bereits im 14. und 15. Jahrhundert sowie im Zuge der Enclosures of Commons, wurden aber erst 1819 Gegenstand einer eigenen Gesetzgebung. 604 Muthesius (1924), S.15-26; Stein (2000), S.58 f 605 Gassner (1987), S.21; so auch: Johannes (1955), S.13 606 Kaisenberg (1924), S.3; Muthesius (1924), S.22-26; Gassner (1987), S.22 f; Stein (2000), S.238 ff; Hessing, Franz Josef (1958): Die wirtschaftliche und soziale Bedeutung des Klein- gartenwesens. Sonderdruck Nr. 20 des Instituts für Siedlungs- und Wohnungswesen der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (Westf.), Münster, S.8 f 6. Kleingärten und ihre Vereine 179 "sprunghafte zahlenmäßige Anwachsen der Kleingärtner Berlins aus der Woh- nungsnot ... und darf nicht mit der Aufwärtsentwicklung ... durch die Gründung der Schreber- und Kleingartenvereine in Zusammenhang gebracht werden." 607 Mit den Laubenkolonien wurde zunächst nicht so sehr der Freiraum er- halten, vielmehr wurden einfachste, oft auch nur temporäre Wohnsiedlun- gen aus klein(st)en Hütten oder Baracken in ebenfalls kleinen, gärtnerisch genutzten Parzellen geschaffen, die bis zum ersten Weltkrieg von der un- ternehmerischen Bautätigkeit häufig wieder überrollt wurden.608 Ein besonderes Problem waren die "Auswüchse" des Generalpächtertums: die Bodenpreistreiberei sowie der Trink- und Verzehrzwang für die Lauben- kolonisten in der Gastwirtschaft des Generalpächters.609 6.1.3. Arbeitergärten Demgegenüber waren die "Laiengärten", die von Industrieunternehmen, Bergwerken und Eisenbahngesellschaften an Betriebsangehörige ver- pachtet wurden,610 mit Kleingärten eher vergleichbar. Hierbei handelte es sich um patriarchalische Wohlfahrtseinrichtungen mit ihrer Ambivalenz aus großherziger Unterstützung und Disziplinierung der Arbeitskräfte. Ebenfalls pa- bzw. matriarchalisch geprägt waren die Arbeitergärten des Roten Kreuzes, die Anfang des 20. Jahrhunderts eingerichtet wurden, als die Schrebergartenbewegung schon im Gange war. Sie gehen zurück auf den Geheimen Regierungsrat Bielefeldt, der als Mitarbeiter des Reichs- versicherungsamtes im Auftrag der Reichsregierung auf der Weltausstel- lung in Paris die Einrichtungen der deutschen Sozialversicherung vorführen und sich zugleich über die sozialen und karitativen Einrichtungen Frankreichs informieren sollte. Dabei lernte Bielefeldt die Kleingärten ken- nen, die von französischen Geistlichen geleitet wurden.611 Nach diesem Vorbild organisierte er zunächst den Aufbau der Gartenkolonien des Roten Kreuzes in Berlin und später auch ähnliche Kleingärten in Lübeck. Dabei bildete das Rote Kreuz den Dachverband, unter dem Vaterländische Frauenvereine und andere Vereine zusammengeschlossen waren. Diese Vereine waren die Zwischenpächter, allerdings nicht profitorientiert, sondern gemeinnützig und hatten noch dazu eine besonders ausgefeilte Struktur: so wurden jeweils etwa zwölf Kleingärten zu einer Verwaltungseinheit, "Patronat" genannt, zusammengefasst. Den jeweiligen Patronatsvorstand stellten zwei Abgeordnete der Pächter, d.h. Kleingärtner, und zwei bis drei Vertreterinnen des Frauenvereins. An der Spitze des Gesamtvorstandes einer Gartenanlage stand eine "Patronatsdame" aus adeligem Hause.612 607 Johannes (1955), S.14 f 608 Diese frühen Berliner Laubenkolonien sind durchaus vergleichbar mit Favelas oder Squattersiedlungen am Rande südamerikanischer oder afrikanischer Großstädte. 609 Stein (2000), S.238-251, vgl. auch: S.251-282; Sahn, Karin (2001): 100 Jahre Berliner Laubenkolonisten - Die Anfänge. Wissen- schaftliche Schriften, Heft 4, hg. vom Förderverein "Deutsches Kleingärtnermuseum in Leipzig" e.V., Leipzig; Warnecke, Peter (2001): Laube, Liebe, Hoffnung. Kleingartengeschichte, Berlin, S.10- 28; siehe auch: Kaup (1913), S.227-233; Muthesius (1924), S.23 f 610 Altenrath, J. (1913): II. Kleingartenfürsorge im Zusammenhange mit der gemeinnützi- gen Siedlungs- und Wohnungsfürsorge, in: Zentralstelle (1913), S.93-103; siehe auch: Stein (2000), S.61-68; Kaisenberg (1924), S.4; Gassner (1987), S.22; Warnecke (2001), S.41-44; Hessing (1958), S.8 f 611 Stein (2000), S.68 ff; Kaup (1913), S.190-203; Kaisenberg (1924), S.3 f 612 Stein (2000), S.72 ff; Warnecke (2001), S.38-41 6. Kleingärten und ihre Vereine 180 Auch die Naturheilvereine hatten die gesundheitliche Bedeutung von Kleingärten erkannt und etliche Anlagen mit Spielplätzen, Luftbädern und Liegehallen aufgebaut.613 6.1.4. Selbstorganisation614 Bereits zu Anfang des 20. Jahrhunderts begannen die Vereine der Klein- gärtner mit lokalen bis überregionalen Zusammenschlüssen. Die ersten waren die Berliner, die 1901 die "Vereinigung sämtlicher Pflanzervereine Berlins und Umgebung" gründeten und sich 1911 in "Verband Berliner Laubenkolonisten und Umgebung" umbenannten, bevor sie sich 1919 den - übertreibenden - Namen "Zentralverband der Kleingartenvereine Deutschlands" gaben. Währenddessen hatten Vereine aus anderen Städten 1906 den "Verband deutscher Arbeitergärten" gegründet, und 1907 hatte sich in Leipzig der "Verband von Garten- und Schrebervereinen" gebildet. Diese wiederum schlossen sich auf Initiative von Bielefeldt im Jahr 1909 mit dem "Deut- schen Bund der Vereine für naturgemäße Lebens- und Heilweise", dem "Allgemeinen Verband der Eisenbahnvereine der Preußisch-hessischen Staatsbahn" sowie der "Deutschen Gartenstadtgesellschaft" zum "Zentral- verband deutscher Arbeiter- und Schrebergärten" zusammen, an dem sich die Berliner allerdings nicht beteiligten. Erst im Jahr 1921 gelang der Zusammenschluss beider Zentralverbände zum "Reichsverband der Kleingartenvereine Deutschlands" (RVKD). Fünf Jahre später konnte auch der internationale Verband der "Arbeitergärten", das "Office International des Jardins Ouvriers" ins Leben gerufen werden, nachdem seine bereits für 1914 geplante Gründung dem Ersten Weltkrieg zum Opfer gefallen war. 1933 wird die Selbstorganisation der Kleingärtner in eine NS-Einrichtung umgewandelt. Juden und teilweise auch politisch Andersdenkende wurden z.T. mit brutaler Gewalt ausgeschlossen. Die Verbandsdemokratie wurde durch das Führerprinzip ersetzt, der neue Reichsbund wurde der NSDAP und dem Reichsarbeitsministerium unterstellt und betrieb gegenüber sei- nen Mitgliedern eine umfassende nationalsozialistische Indoktrination.615 Nachdem der Nationalsozialismus niedergeschlagen war, dauerte es bis 1949, bis sich auf dem Kleingärtnertag in Bochum der "Verband deutscher Kleingärtner e.V." für die Bundesrepublik und Westberlin gründete, der bereits ein Jahr später eingeladen wurde, dem Internationalen Verband wieder beizutreten. Weitere Meilensteine in der organisatorischen Ent- wicklung waren der Verbandstag 1973 in Hamburg, auf dem der Name in "Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V." geändert wurde, und die Aufnahme der Kleingärtner der ehemaligen DDR in den 1990er Jahren.616 613 Stein (2000), S.153-161; Kaup (1913), S.212 ff; Muthesius (1924), S.24; Hessing (1958), S.9; Gassner (1987), S.22 f; vgl. auch: Warnecke (2001), S.33-38, über die Lebensreformer in ihrer Siedlung "Eden" 614 zum Folgenden: Katsch (2001), S.73-90; Sahn (2001), S.11-22; Warnecke (2001), S.28-30, S.83-93; Stein (2000), S.250 f, S.475-479 615 ausführlicher: Katsch, Günther, und Johann B. Walz (2002): Deutschlands Kleingärt- ner im Dritten Reich. Wissenschaftliche Schriften, Heft 5, hg. vom Förderverein "Deutsches Kleingärtnermuseum in Leipzig" e.V., Leipzig 616 ausführlicher: Katsch (2001), S.117 ff; sowie: Katsch, Günther, und Johann B. Walz (2000): Das Kleingartenwesen in den westli- chen Besatzungszonen und in der Bundesrepublik Deutschland. Wissenschaftliche Schriften, Heft 2, hg. vom Förderverein "Deutsches Kleingärtnermuseum in Leipzig" 6. Kleingärten und ihre Vereine 181 6.1.5. Staatliche Regelungen und Wettbewerbe Bis in das 20. Jahrhundert hinein blieben die Klein- und Schrebergärtner eine gesellschaftliche oder bürgerschaftliche Bewegung, die von Kommu- nen und Wirtschaftsunternehmen allenfalls dadurch unterstützt wurde, dass diese Flächen bereitstellten und verpachteten. Mit einem gewissen Pathos bezeichnet Muthesius617 diese Phase als "geschichtslose sogenannte 'wilde Kleingartenbewegung' ..." und diese wiederum als "elementarste und stärkste Selbsthilfe ..., geboren aus den Tiefen der Großstadt und getragen von den zur Natur zurückdrängenden Massen." Verbreitet ist die These, dass sich der Zentralstaat zum ersten Mal im Jahr 1916 in die Kleingartenbewegung eingeschaltet habe.618 Dagegen verweist Kaup auf einen Erlass des Preußischen Ministers des Innern vom 29. Januar 1910. Damit hatte der Minister die Armenpolitik der Stadt Posen zur Nachahmung empfohlen, vor allem die Einrichtungen der "Armenküche", des "Armenlandes" und der "Arbeitergärten", die sich an dem "unter dem Protektorat Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin stehenden Zentral- verbande deutscher Arbeiter- und Schrebergärten" orientierten.619 Zwei Jahre später fand in Danzig eine Tagung der "Zentral- stelle für Volkswohlfahrt" statt, auf der ausgefeilte Forderungen zur Siche- rung und Förderung von Kleingärten vertreten wurden.620 Allerdings blieb diese Tagung zunächst ohne praktische Konsequenzen. Dies änderte sich im ersten Weltkrieg. Im Februar 1916 nahm die "Zentral- stelle für den Gemüsebau im Kleingarten" ihre Arbeit auf. Damit hatte die Reichsregierung einen Vorschlag des "Zentralverbandes deutscher Ar- beiter- und Schrebergärten" umgesetzt, dessen Generalsekretär Bielefeldt auch den ehrenamtlichen Vorsitz der Zentralstelle übernahm. Ihre Aufgabe lag insbesondere in der Beratung der Kleingärtner in allen anfallenden praktischen Fragen.621 Allerdings ließ die kriegsbedingte "Ernährungsnot", zugespitzt durch die Kartoffelkrautfäule, die Nachfrage nach gärtnerisch nutzbarem Land stark ansteigen. Die Verpächter nutzten den Hunger aus, um die Pachtpreise zu erhöhen und die Pächter durch Kündigungen unter Druck zu setzen. Zugleich wurde die Bedeutung der Kleingärten für die Lebensmittelversor- gung der städtischen Bevölkerung unübersehbar, auch wenn ihr Input- Output-Verhältnis eher ungünstig war, wie spätere Untersuchungen zeig- ten.622 e.V., Leipzig; Katsch, Günther, und Johann B. Walz (2003a): Menschenfreundliche Städte, Lebens- qualität und soziale Harmonie. Der Internationale Verband der Kleingärtnerorganisati- onen nach dem Zweiten Weltkrieg. Wissenschaftliche Schriften, Heft 7, hg. vom För- derverein "Deutsches Kleingärtnermuseum in Leipzig" e.V., Leipzig; Katsch, Günther, und Johann B. Walz (2003b): Deutschlands Kleingärtner unter einem Dach vereint. Die Entwicklung des Kleingartenwesens seit 1990. Wissen- schaftliche Schriften, Heft 8, hg. vom Förderverein "Deutsches Kleingärtnermuseum in Leipzig" e.V., Leipzig 617 Muthesius (1924), S.12, S.9; vgl. auch Stein (2000) über die "Wilden": S.251-255 618 Hessing (1958), S.9; Kaisenberg (1924), S.33 f; Muthesius (1924), S.27 619 Kaup (1913), S.157 f; Muthesius (1924), S.29 620 Zentralstelle (1913); Kaisenberg (1924), S.5 ff; Gassner (1987), S.24 ff 621 Stein (2000), S.387 f 622 genauer: Stein (2000), S.366-374; Muthesius (1924), S.70-81 6. Kleingärten und ihre Vereine 182 Vor diesem Hintergrund ergriff der Bund Deutscher Bodenreformer die Initiative und forderte am 12. Januar 1915 den Bundesrat, dem für die Zeit des Krieges vom Reichstag umfangreiche legislative Kompetenzen über- tragen worden waren, auf, "eine gesetzliche Grundlage zu schaffen, der zufolge den Stadt- und Landgemein- den die Berechtigung übertragen wird, solchen Besitzern brachliegender Lände- reien, welche eine wirtschaftliche Verwertung ihrer Grundstücke auf Aufforderung verweigern, den unmittelbaren Besitz ohne Entschädigung für die Dauer des Krie- ges zu entziehen und geeignet erscheinende physische oder juristische Personen für die Dauer des Kriegszustandes in den unmittelbaren Besitz zu Bewirtschaftung und Fruchtziehung einzuweisen." 623 Auf die "Bekanntmachung zur Sicherung der Ackerbestellung" folgten im Rahmen der "Kriegsgesetzgebung" zwei Verordnungen vom 4. April 1916,624 und zwar: - die Bekanntmachung über die Festsetzung von Pachtpreisen für Kleingärten (RGBl. S.234) und - die Bekanntmachung über die Bereitstellung von städtischem Gelände zur Kleingartenbestellung (RGBl. S.236), die an die o.g. acker- baulichen Regelungen anknüpfte. Durch weitere Verordnungen wurden diese Bestimmungen in ihrer Laufzeit bis 1919 verlängert und in ihrer Wirkung verstärkt. Trotzdem reichten Schutz und Unterstützung für die Kleingärtner nicht aus.625 Am 8.1.1919, also kurz nach der Novemberrevolution machte der "Kriegsausschuß der Groß-Berliner Laubenkolonien" eine Eingabe an den Rat der Volksbeauftragten, damit durch entsprechende Rechtsvorschriften die Lage der Kleingärtner verbessert würde. Schließlich hat die National- versammlung am 19. Juli 1919 die "Kleingarten- und Kleinpachtlandord- nung" (KGO) verabschiedet.626 Ihre zehn Paragrafen regelten,627 wie die Höhe der Pachtpreise festgelegt, wie Pachtverträge fortgeführt, aber auch beendet wurden und dass von nun an gewerbsmäßige Zwischen- oder Generalpächter aus dem Klein- gartenwesen ausgeschlossen waren. Bereits bestehende Vereinbarungen mit gewerbsmäßigen Generalpächtern verloren zum 30. September 1919 ihre Wirksamkeit. Als Zwischenpächter zwischen dem Grundeigentümer und den einzelnen Kleingärtnern durften nur noch gemeinnützige Unter- nehmen treten. Dies konnte ein Kleingartenverein sein, wenn er von den zuständigen Behörden als gemeinnützig anerkannt war. Zudem konnten die unteren Verwaltungsbehörden geeignete Flächen in Zwangspacht nehmen, wenn nur so das erforderliche Kleingartenland beschafft werden konnte. Zur Schlichtung von Streitigkeiten wurden häufig so genannte Einigungsämter eingesetzt. Mit dieser KGO begann eine immer differenziertere staatliche Regelung des Kleingartenwesens. Am Anfang standen Rahmenrichtlinien des Deut- schen Reiches und Ausführungsbestimmungen in den Ländern, z.B. in Preußen, zu dem auch das Ruhrgebiet gehörte. Allein die Zahl von mehr 623 Stein (2000), S.384; Damaschke, Adolf (1919): Aufgaben der Gemeindepolitik, Jena (8. Aufl.), S.183 624 Stein (2000), S.384 f; Kaisenberg (1924), S.7 f 625 Kaisenberg (1924), S.8, S.33-35; Muthesius (1924), S.27 f; Wille (1939), S.50 ff; Johannes (1955), S.22 f 626 Stein (2000), S.415 ff; Muthesius (1924), S.28 ff; vgl. Kaisenberg (1924), S.35 ff; Wille (1939), S.52 ff 627 für das Folgende insbesondere: Stein (2000), S.418 f; Muthesius (1924), S.29 f 6. Kleingärten und ihre Vereine 183 als 60 Verordnungen und Erlassen aus der Zeit bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges macht deutlich, in welchem Ausmaß hier eine ursprünglich nicht-staatliche, gesellschaftliche Aktivität verrechtlicht wurde, auch wenn ein Teil der Vorschriften der Förderung der Kleingärtner und ihrem Schutz vor ungerechten Verpächtern diente.628 Gegenstand der meisten Rechtsvorschriften waren bestimmte, immer wie- derkehrende Fragen: - die Definition von Kleingärten, insbesondere ihr Zweck und ihre maxi- mal anerkannte Flächengröße, - die Kriterien für die zugelassenen Verpächter, - die Landbeschaffung, - das Wohnen in Kleingärten bzw. die Umstände, unter denen es verboten, geduldet oder vielleicht sogar zulässig war, - der Kündigungsschutz und die Kündbarkeit von Kleingärten, - die Höhe der Pachtpreise, - die finanzielle Förderung von Kleingärten, - die Verknüpfung des Kleingartenwesens mit der Erwerbslosenfür- sorge, - der Getränkeausschank in Kleingartenanlagen, - die behördliche Zuständigkeit, - die Institutionen und Verfahren zur Festsetzung der Pachtpreise, - die Institutionen und Verfahren zur Lösung von Konflikten, - die Organisation der Kleingärtner und ihre behördliche Anerkennung, - die Beteiligung von Kleingärtnern an behördlichen Entscheidungen. Während des Nationalsozialismus wurden die Vereine und Verbände der Kleingärtner der Gleichschaltung und dem Führerprinzip unterworfen. Nach dem Zweiten Weltkrieg haben die Kleingärtner die Demokratie in ihren Organisationen wieder rekonstruiert, während in Nordrhein-Westfalen und anderen Bundesländern viele alte rechtliche Regelungen, z.T. auch aus der NS-Zeit, zunächst weiter in Kraft blieben.629 Ende der 1960er Jahre begannen Gerichte und Parlamente, verfassungsrechtlich bedenkliche Vorschriften zu ändern, bis der Bundestag 1983 das neue Bundes- kleingartengesetz beschloss. Zum Bedauern vieler Kleingärtner erhielten hierdurch nur die Kleingärten auf kommunalen Flächen den Charakter von Dauerkleingärten, während für Anlagen auf privatem Grund der bisherige Bestandsschutz aufgehoben wurde. Geschützt waren diese nur dann, wenn sie in einem Bebauungsplan als Dauerkleingärten ausgewiesen wa- ren.630 Grundlage hierfür war das Bundesbaugesetz (BBauG) von 1960. Danach sollten die Kommunen in ihrer Bauleitplanung ausdrücklich "Dauerklein- gärten" darstellen bzw. festsetzen, eine Kategorie, die auch schon in eini- gen Länder-Aufbaugesetzen aus den 1950er Jahren enthalten war.631 Die Kommunen waren - grundsätzlich - sogar zu entsprechenden Festsetzun- gen verpflichtet, wenn sie für eine geordnete städtebauliche Entwicklung 628 siehe hierzu auch: Muthesius (1924), S.30-34; Hinweise auf die Rechtsvorschriften habe ich gefunden in: Kaisenberg (1924), Wille (1939), Gassner (1987) und Reineke I, Werner, und Werner Reineke II (1948): Das Pachtschutzrecht in der briti- schen Zone mit Einschluß des Kleingartenrechts, Vierte bis sechste Auflage, Münster 629 Reineke I und Reineke II (1948) 630 Gassner, Edmund, u.a. (1975): Sozialpolitische und städtebauliche Bedeutung des Kleingartenwesens, Bonn-Bad Godesberg, S.23; Gassner (1987), S.42, S.46; Katsch und Walz (2000), S.18, S.22 631 Gassner u.a. (1975), S.24; Gassner (1987), S.42, S.104 6. Kleingärten und ihre Vereine 184 erforderlich waren. Noch 1979 hat das Bundesverfassungsgericht die Aufgabe der Gemeinden, Flächen für Kleingärten bereitzustellen, aus- drücklich bestätigt. Diese Regelungen blieben auch bei den verschiedenen Änderungen des BBauG bis hin zum Baugesetzbuch weiterhin bestehen.632 Parallel zur Anwendung von Gesetzen und Verordnungen, den traditio- nellen staatlichen Instrumenten wurden Wettbewerbe veranstaltet. Zu- nächst war es der "Goldene Spaten", gestiftet von der Zeitschrift "Grüne Post", der an die Kommunen verliehen wurde, die bei der Schaffung von Dauerkleingarten vorbildlich waren. Preisträger waren von 1937 bis 1939 die Städte Chemnitz, Frankfurt a.M. und Wismar. 1950 initiierte der Verle- ger der Wochenzeitung "Das grüne Blatt", unterstützt vom Wiederaufbau- ministerium in Nordrhein-Westfalen, einen Wettbewerb für Kleingartenan- lagen. Seit 1953 wurde der Wettbewerb bundesweit ausgeschrieben und zunächst vom Wohnungsbauministerium des Bundes, später von weiteren Ministerien und kommualen Spitzenverbänden mitgetragen. Dieser Wett- bewerb wirkte nach innen und nach außen. Dem Sieger winkte der "Gol- dene Erntekranz" als Preis. Hierfür haben die teilnehmenden Vereine unter großen Anstrengungen ihre Anlagen auf Hochglanz gebracht und seit den 1980er Jahren auch immer mehr ökologische Fragen beachtet. Dabei erzielte der Wettbewerb eine umfangreiche Resonanz bei Behörden, Ver- bänden und bei den Medien, die das Anliegen der Kleingärtner und ihre Leistungen würdigten. Im Jahr 2006 fand bereits der 21. Wettbewerb zum Thema "Gärten im Städtebau" statt.633 6.2. Kleingärten im Ruhrgebiet Nach diesem Überblick über die Kleingartenentwicklung in Deutschland soll nun skizziert werden, was im Ruhrgebiet geschah. Hier zündete der Funke erst kurz vor der Wende zum 20. Jahrhunderts. Der time-lag vor allem gegenüber Leipzig und Berlin wird verständlich aus der besonderen Industrialisierungs- und Siedlungsgeschichte des Reviers. 6.2.1. Bürger- und Armengärten Zunächst unterschied sich das Ruhrgebiet kaum von anderen Gegenden: Auch hier gab es so genannte Festungsgärten, die städtischen Bürgern gehörten und vor den Städten, am Fuß der Befestigungen lagen. So wur- den auch in Hamm die Abhänge der Stadtwälle und die Ländereien un- mittelbar davor als Gartenland genutzt. Und wie in Schleswig gab es zu Beginn des 19. Jahrhunderts Armengärten, von denen beispielsweise die an der Wittener Straße in Bochum während der napoleonischen Zeit auf- gegeben wurden, weil damals der Friedhof aus der Stadt heraus verlegt werden musste. Hinzu kommt schließlich eine unbekannte Anzahl städti- scher Parzellen, die als Einzelgärten verpachtet waren.634 632 Gassner (1987), S.43-45 633 Katsch und Walz (2000), S.36, S.19 f, S.27; Buhtz, Martina, Margit Lindner und Heike Gerth (Weeber+Partner Institut für Stadt- planung und Sozialforschung) (2008): Städtebauliche, ökologische und soziale Be- deutung des Kleingartenwesens, Bonn, S.21, S.12, S.64, S.86 634 Leschny-Kröger, Ute (1991): Zur Geschichte der Kleingärten im Ruhrgebiet, in: Stein- born, Vera (Hg.) (1991): Arbeitergärten im Ruhrgebiet. Westfälisches Industriemu- seum. Kleine Reihe 5, Dortmund, S.57; Lappe, Josef (1926): Hamm im Mittelalter und in der Neuzeit, in: Magistrat der Stadt Hamm (Westf.) (Hg.) (1926): 700 Jahre Stadt Hamm (Westf.). Festschrift zur Erinne- 6. Kleingärten und ihre Vereine 185 6.2.2. Arbeitersiedlungen und Hausgärten 1844 war das Jahr, in dem die ruhrgebiets-spezifische Siedlungsentwick- lung begann: Die Gutehoffnungshütte ließ in Osterfeld, heute ein Stadtteil von Oberhausen, die ersten Häuser der Siedlung Eisenheim errichten, der ersten Werks- oder Arbeitersiedlung im Ruhrgebiet, der bis zum Ende der Weimarer Republik Hunderte von Siedlungen mit Zigtausenden von Woh- nungen folgten.635 Um die damalige Jahrhundertwende lebten 22 Prozent aller (verheirateten) Belegschaftsmitglieder mit eigener Familie in einer Zechensiedlung. Bis zum Ersten Weltkrieg konnte sich ihr Anteil verdoppeln. In Dortmund und Oberhausen wohnten sogar 60-70 Prozent der Bergarbeiterfamilien in werkseigenen Häusern.636 Hintergrund hierfür ist der Arbeitskräftebedarf der "Kohle- und Stahlbarone", insbesondere ihr Interesse an einem festen Stamm qualifizierter Arbeiter, denen die Unternehmen im Wohn- und Kon- sumbereich besondere Angebote machten. Waren es zunächst nur Land- arbeiter aus dem Umkreis des Ruhrgebietes, so wurden gegen Ende des 19. Jahrhunderts auch Arbeiter aus den Räumen östlich der Elbe ange- worben, jeweils mit dem Versprechen, dass sie wichtige Elemente ihrer ländlichen Siedlungsweise beibehalten konnten.637 Über alle architektonischen Differenzierungen hinaus, die sich im Laufe der Zeit einstellten, ist für die Werkssiedlungen daher charakteristisch, dass zum einen die meisten Häuser nur eine geringe Gebäudehöhe von anderthalb bis zweieinhalb Geschossen hatten. Zum anderen gehörte zu jeder Werkswohnung ein kleiner Garten. Wie sehr - neben dem vorindustriellen ländlichen Charakter - der Werks- wohnungsbau die Siedlungsstruktur prägte, zeigt sich gerade in der Gar- tenausstattung (Tabelle 6.1.). So verfügten im Jahr 1910 in Langendreer 1.150 von 1.333 Häuser, also 86,5 Prozent über Hausgärten mit einer Ge- samtfläche von ca. 6.900 Ar, und auch in Castrop entfielen im Jahr 1911 auf 1.250 bewohnte Gebäude 800 Gärten, das ist eine Quote von 64 Pro- zent. Dabei zeigt gerade Castrop die Schnelligkeit des Wandels und die Auswirkungen der Industrialisierung: Innerhalb von sechs Jahren sind die Einwohnerzahl um 2.000 und die Zahl der Wohnungen um über 600 ge- stiegen, während die Zahl der Hausgärten um fast 300 geschrumpft ist.638 rung an das 700jährige Bestehen der Stadt, Hamm (Westf.), S.69, S.100; Höfken, Günter (1951): Die Geschichte des Hauses Rechen, in: 5. Heimatbuch 1951, Bochum, online in: (6.1.2004), S.8 von 15 635 Boström, Jörg, Roland Günter u.a. (1973): Rettet Eisenheim, Westberlin, S.31 ff; Lange, Carl (1886): Die Wohnungsverhältnisse der ärmeren Volksklassen in Bochum, in: Die Wohnungsnoth der ärmeren Klassen in deutschen Großstädten und Vor- schläge zu deren Abhülfe. Zweiter Band. Schriften des Vereins für Socialpolitik XXXI (1886), Leipzig, S.73-105; Hecker, Hermann (1917): Der Krupp'sche Kleinwohnungsbau, Wiesbaden; Bollerey, Franziska, und Kristiana Hartmann (1975): Wohnen im Revier. 99 Beispiele aus Dortmund, München; Stadt Gelsenkirchen (Hg.) (1980): Dokumentation von Werkssiedlungen in Gelsenkir- chen von Beginn der Industrialisierung bis 1933, Gelsenkirchen; Stadt Hamm - Planungsamt (Hg.) (1991): Arbeitersiedlungsprogramm Hamm, Hamm; Häpke, Ulrich, Sabine Kaldun, Lidwina Kühne-Büning, Lieselotte Steveling und Mar- tina Wiese (1992): Strukturuntersuchung Dortmunder Siedlungen aus der Zeit von 1880 bis 1933, insbesondere Arbeitersiedlungen, Bochum (vervielfältigtes Manuskript) 636 Heinrichsbauer, A. (1936): Industrielle Siedlung im Ruhrgebiet in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, Essen, S.34, S.44; ähnlich: Altenrath, J. (1913), S.67-72, S.74 f 637 z.B. Boström, Günter u.a. (1973), S.30 f, S.36-41; Steinborn (1991), S.15 f 638 Kaup (1913), S.32 f 6. Kleingärten und ihre Vereine 186 Tabelle 6.1. Gartenland und Stallung als Zubehör der Wohnung in den Städten des westfälischen Ruhrgebietes am 1. Dezember 1905 Stadt Einwohner Wohnungen davon: mit Gartenland Anteil in % davon: mit Stallung Lünen 8.776 1.722 900 52,3 828 Kamen 10.429 2.025 942 46,4 869 Gevelsberg 15.838 2.969 1.273 42,4 618 Unna 16.324 3.169 1.238 38,7 1.042 Castrop (1905) 16.422 2.949 1.071 36,3 985 Castrop (1911) 18.513 3.600 800 22,2 k.A. Dorsten 5.875 1.062 342 31,1 263 Haspe 19.813 3.591 1.063 29,5 786 Recklinghausen 44.396 9.175 3.237 25,2 2.831 Wattenscheid 23.696 4.886 1.233 25,2 1.008 Hamm 38.429 7.435 1.817 24,5 1.499 Herne 33.266 5.675 1.112 19,5 936 Bochum 118.464 20.491 3.766 18,3 3.167 Hörde 28.457 5.807 962 16,6 631 Hattingen 10.345 2.026 334 16,4 164 Wetter 8.023 1.556 248 15,9 172 Witten 35.841 7.636 1.001 13,2 687 Hagen 77.567 15.516 1.573 10,1 808 zusammen 530.474 101.290 22.912 22,6 17.294 Quelle: Kaup (1913), S.29, S.32 f, eigene Berechnung Auch bezogen auf die Zahl der Wohnungen war das Ruhrgebiet mit Gar- tenland um ein Vielfaches besser versorgt als z.B. Berlin, wo Haus- und Vorgärten für noch nicht einmal zwei Prozent der Wohnungen zur Verfü- gung standen. In den westfälischen Ruhrgebietsstädten gehörte zu nahezu einem Viertel aller Wohnungen ein Hausgarten. Allerdings lag dieser Anteil in den alten Industriestädten im Süden, in der Ruhr- und Hellwegzone des Ruhrgebietes - bereits - unter dem Durchschnitt, während im Norden und Osten des Reviers, wo die Industrialisierung ihren Gipfel noch nicht erreicht hatte, überdurchschnittlich viele Wohnungen - noch - mit einem Garten ausgestattet waren.639 6.2.3. Industrielle und kommunale Pachtgärten und Grabeland Trotzdem konnten mehr als drei Viertel aller Wohnparteien im westfäli- schen Ruhrgebiet keinen Hausgarten nutzen, ein Grund dafür, dass Un- ternehmen ihren Arbeitern Restflächen als Gartenland zur Verfügung stellten. So hatten Anfang des 20. Jahrhundertes die Harpener Bergbau- A.-G. 142 Hektar, die Fried. Krupp A.-G. rund hundert Hektar, aufgeteilt auf tausend Parzellen, und der Bochumer Verein für Bergbau und Gußstahlfabrik immerhin 18 Hektar als Gärten verpachtet. Überdies hat "die Gewerkschaft Deutscher Kaiser in Bruckhausen zur Förderung der Ziegenzucht zwei große gemeinschaftliche Ziegenweiden" hergerichtet.640 1886 kann der Bochumer Bürgermeister Lange auf eine große Zahl von Gärten außerhalb der Stadt verweisen, "von welchen sich ein erheblicher Theil in der Benutzung von Arbeitern befindet", 639 Kaup (1913), S.26 640 Altenrath (1913), S.93 f 6. Kleingärten und ihre Vereine 187 sowie auf die privaten Gärten im neuen Stadtteil Stahlhausen, "die auch hier mit Vorliebe von den kleineren Leuten gemiethet werden."641 Später stellten die Städte Pachtgärten für Einzelpächter zur Verfügung. Bis 1904 hatten Bochum, Dortmund, Essen-Ruhr und Oberhausen einige Grundstücke abgegeben, und in Duisburg war "ein Terrain von 2 ha Größe dafür in Aussicht genommen".642 Bis 1912 waren in Hagen 6,2 Hektar städtischen Geländes verpachtet, hinzu kamen 3.000 qm für 10 Familien bzw. Witwen als Armengärten. In Wattenscheid waren es 4,8 Hektar mit 86 Pachtgärten. In Castrop gab es 25 Armengärten mit einer Gesamtfläche von 7.500 qm.643 Darüber hinaus gab es in Dortmund bereits 1915 einen städtischen "Ausschuß für Kleingartenbau", der 42 Hektar an insgesamt 1.400 Einzelpächter vergeben hatte. Hierfür seien "Schuttflächen beräumt und als Kleingärten genutzt worden." Genauso hatte der "Verein zur Förderung des Kleingartenbaus" in Bochum während des Krieges rund 800 kleine Gärten geschaffen und vor allem an "Soldatenfrauen" verpachtet.644 Und in Recklinghausen waren kurz nach dem Ersten Weltkrieg über 100 Hektar als Pachtgärten vergeben.645 Inwieweit die obigen Angaben überhaupt vollständig sind, kann offen blei- ben - sicher ist hingegen, dass diese Gartenversorgung vielen damaligen Zeitgenossen nicht ausreichte. 6.2.4. Schrebergärten und Kleingärten im Revier Vor diesem Hintergrund kam es auch im Ruhrgebiet zur Gründung von Kleingartenanlagen und Kleingärtnervereinen.646 Die Aktivität der Kleingärtner konzentrierte sich zunächst auf die Schwerpunktorte der da- maligen Industrie- und Siedlungsentwicklung. So gilt als erste Anlage im Ruhrgebiet die an der Segerothstraße, die 1895 von der Stadt Essen für 92 Gärten angelegt worden war. Zur gleichen Zeit ließ Alfred Krupp eine 641 Lange (1886), S.85 642 Hoffmann, August (1904): Hygienische und soziale Betätigung deutscher Städte auf den Gebieten des Gartenbaus, Düsseldorf, S.14-16 643 Kaup (1913), S.132 f, S.145, S.154, S.157 644 Warnecke (2001), S.50, S.53, S.256 Fußnote 92 und Fußnote 103; siehe auch: Damaschke (1919), S.184 645 Bezirksverband Recklinghausen der Kleingärtner e.V. (mit Recklinghausen, Datteln, Herten und Oer-Erkenschwick) (2003): 1933 - 2003. 70 Jahre Bezirksverband Reck- linghausen. Jubiläumsfeier (Festschrift), Recklinghausen, S.19 646 Leider sind die im folgenden ausgewerteten Statistiken unzuverlässig: - Für die Tabelle 6.2. über die Vereinsentwicklung bilden die heute bestehenden Vereine den Ausgangspunkt. Vereine, die nur eine begrenzte Zeitlang bestanden und sich zwischenzeitlich wieder aufgelöst hatten, sind nur in Einzelfällen erfasst. Für eine kleine Zahl von Vereinen konnte ich das Gründungsjahr nicht feststellen. - Die Angaben in den Statistischen Jahrbüchern deutscher Gemeinden enthalten mehrere völlig unplausible Sprünge, so dass ich auf diese Daten allenfalls ergänzend hinweise. - Die Mitgliederstatistik des Essener Stadtverbandes, die m.W. im Ruhrgebiet als einzige einen langjährigen Überblick über die Mitgliederentwicklung gibt, ist ebenfalls in einigen Punkten ungenau: So bleibt offen, ob es sich um die Anzahl der Kleingärten handelt oder um Vereinsmitglieder, die manchmal mehrere Gärten bewirtschaften, manchmal aber noch auf einer Warteliste standen. Manchmal sind Eheleute und Fa- milien durch zwei Mitglieder im Verein vertreten. Offen bleibt auch, ob die Statistik Grabeländereien oder andere Gartenbauvereine berücksichtigt. Außerdem können sich in den Zahlen auch Ein- und Austritte aus dem Stadt- oder Landesverband nie- derschlagen, von Kleingärtnern, die davon unabhängig ihren Kleingarten behalten ha- ben. Aufgrund dieser offenen Fragen dürfen die absoluten Zahlen nur mit Vorsicht interpretiert werden, während die Entwicklungsrichtungen wahrscheinlich einigerma- ßen zutreffend dargestellt werden. Zu den statistischen Problemen siehe auch: Stein (2000), S.504 ff 6. Kleingärten und ihre Vereine 188 Kleingartenanlage an der Schederhofstraße errichten.647 Da beide Anlagen und ihre Trägervereine nicht mehr bestehen, ist der Dortmunder "Schrebergarten 06" die älteste in Nordrhein-Westfalen noch erhaltene Anlage.648 Kaum jünger ist die Anlage des Kleingärtner-Vereins "Bochum- Ehrenfeld 08 e.V.", die 1909 eingerichtet wurde.649 Bis 1912 gab es in Essen drei Anlagen sowie in Bochum und Dortmund jeweils zwei weitere Anlagen, die alles in allem 450 Gärten umfassten. Hinzu kam eine Anlage unbekannter Größe in Duisburg.650 Dabei weicht die Gründung der Kleingärtnervereine manchmal um mehrere Jahre von der Eröffnung der jeweiligen Kleingartenanlage ab. So gibt es immer wieder Gartenfreunde, die sich zunächst zu einem Verein zu- sammenschließen, um sich dann auf die Suche nach geeignetem und verfügbarem Gelände zu machen. Dies gilt z.B für den Kleingärtnerverein "Essen-Altenessen e.V.", der sich bereits 1892 gegründet hatte, und für den Dortmunder Gartenbauverein, der 1896 gegründet worden war und aus dem neben dem "Schrebergarten 06" noch einige andere Anlagen und Vereine hervorgingen.651 Genauso gibt es aber auch Anlagen, die zunächst als Grabeland genutzt und individuell gepachtet waren, bis sich ihre Nutzer zu einem eingetragenen Verein zusammengeschlossen haben. So wird über den Kleingärtnerverein Herne-Baukau von 1924 berichtet, dass sein Gelände bereits seit 1912 als Grabeland genutzt wurde.652 Auch der Kruppsche Gartenbauverein von 1916 umfasste einige längst bestehende Anlagen und Kleingärtnergruppen.653 Einen Überblick über die Kleingartenentwicklung nach ihrem Gründungs- jahr gibt Tabelle 6.2. So war die Kleingärtnerbewegung aufgrund der Ver- sorgungsengpässe und Hungersnöte bis zum Ende des ersten Weltkrieges auf fast 30 Vereine gewachsen, einschließlich einiger Grabelandgruppen, die sich erst später als "e.V." konstituiert haben. Daneben gab es noch mehrere Gartenbauvereine für Inhaber von Hausgärten, aus denen später häufig Kleingärtnervereine hervorgingen. Die Jahre 1918/1919 bildeten in der deutschen Geschichte einen tiefen Einschnitt: Sie brachten das Ende des Ersten Weltkrieges, das Kaiserreich wurde durch eine parlamentarische Demokratie abgelöst, und am selben Tag wie die Weimarer Verfassung wurde mit der "Kleingarten- und Klein- 647 Stadtverband Essen der Kleingärtnervereine e.V. (1999): Chronik 1919-1999. Sonder- ausgabe "Der Grüne Bote" 4/99, Essen, S.5 648 Leschny-Kröger (1991), S.58; Engelberg, Walter (1983): Kleingärten - Grüne Lunge für Hunderttausende, in: Stadt Dortmund. Grünlächenamt (Hg.) (1983): Grün in Dortmund, Dortmund, S.40-45; Kleinlosen, Martin, und Wilhelm Spieß (Text) (1991): Kleingärten in Dortmund. Ent- stehung, Entwicklung, Exkursionen, hg. von der Stadt Dortmund. Grünlächenamt, Dortmund, S.32, S.69 f; Friedhoff, Kirsten Katharina (1993): Gartenlust, in: Framke, Gisela (Hg.) (1993): 8 Stunden sind kein Tag. Freizeit und Vergnügen in Dortmund 1870 bis 1939, Dort- mund, S.162-165 649 (22.11.2003); diese Anlage umfasste nach Kaup (1913), S.236 f, insgesamt 101 Gärten mit einer Gesamtfläche von 25.000 qm. Dazu gehörten auch zwei Spielplätze zu 2.500 qm und 500 qm. Flächeneigentümer war die Deutsch-Luxemburgische Bergwerks-A.G. 650 Statistisches Jahrbuch deutscher Städte 1916, 21.Jg., hg. von M. Neefe, Breslau, S.290-291 651 Friedhoff (1993), S.163; nach Kaup (1913), S.204 f, war der Dortmunder "Gartenbauverein" bereits 1895 ge- gründet worden und verfügte über eine Anlage von 100 Gärten auf einer Fläche von 22.500 qm mit einem Spielplatz von 260 qm Größe. Eigentümer der Flächen war die Stadt Dortmund. 652 Stadtverband der Gartenfreunde Herne-Wanne e.V. (1999) 653 Leschny-Kröger (1991), S.59 f 6. Kleingärten und ihre Vereine 189 pachtlandordnung" (KGO) auch für das Kleingartenwesen eine eigene gesetzliche Grundlage verabschiedet. Sicherlich hat die KGO auch zu der erheblichen Zunahme der Kleingärten im Ruhrgebiet beigetragen. In den vierzehn Jahren der Weimarer Republik sind im Ruhrgebiet fast 150 Kleingärtnervereine neu gegründet worden. Die Schwerpunkte der kleingärtnerischen Aktivitäten lagen nach wie vor in den größten und am stärksten besiedelten Städten des Ruhrgebietes. Zugleich aber ist die wachsende Zahl von Neugründungen in den Randbereichen des Reviers unübersehbar. Dahinter verbirgt sich aber eine wechselvolle Entwicklung: Nach der Einführung der Rentenmark im Jahr 1923 und einer gewissen wirtschaftlichen Konsolidierung wurde eine große Zahl von Kleingärten im Ruhrgebiet wieder aufgegeben, was bei einer Erhebung Ende 1927 auch statistisch festgestellt wurde, bevor die Auswirkungen der Weltwirtschafts- krise die Entwicklung wieder umkehrten.654 Auch in der Zeit des Nationalsozialismus entstanden im Ruhrgebiet noch über 70 Vereine, von denen allerdings die 26 Neugründungen im Jahr 1933 sicherlich noch in der Weimarer Republik vorbereitet worden waren. In den Folgejahren sind immer weniger Vereine entstanden, bis sich die beiden letzten neuen Vereine im Jahr 1941 konstituiert haben.655 654 Statistisches Jahrbuch deutscher Städte 1927, 22. Jg. (N.F. 1), hg. vom Verbande der deutschen Städtestatistiker, Leipzig, S.174-177; Statistisches Jahrbuch deutscher Städte 1929, 24. Jg. (N.F. 3), hg. vom Deutschen Städtetag, Leipzig, S.758-765; Statistisches Jahrbuch deutscher Städte 1933, 28. Jg. (N.F. 7), hg. vom Deutschen Städtetag, Jena, S.387-391; Statistisches Jahrbuch deutscher Gemeinden 1937, 32. Jg. (N.F. 11), hg. vom Deut- schen Gemeindetag, Jena, S.111-115 655 Demgegenüber weisen die Statistischen Jahrbücher für die deutschen Gemeinden für die Zeit von 1932 bis 1941 für die beteiligten Ruhrgebietsstädte teils zunehmende, teils rückläufige Entwicklungen aus: Statistisches Jahrbuch deutscher Städte, 28. Jg. (N.F. 7) (1933), S.387-391; Statistisches Jahrbuch deutscher Gemeinden, 32. Jg. (N.F. 11) (1937), S.111-115; Statistisches Jahrbuch deutscher Gemeinden 1938, 33. Jg. (N.F. 12), hg. vom Deut- schen Gemeindetag, Jena, S.42-46; Statistisches Jahrbuch deutscher Gemeinden 1941, 36. Jg. (N.F. 15), hg. von Ralf Zeitler und Bernhard Mewes, Jena, S.434-444 6. Kleingärten und ihre Vereine 190 Tabelle 6.2. Kleingärtnervereine und -gruppen im Ruhrgebiet nach ihrem Gründungsjahr Ort bis 1918 1919 bis 1932 1933 bis 1941 1945 bis 1982 1983 bis 2003 keine Angabe Bestand 2003 Dortmund 2 27 7 70 12 - 118 Duisburg 6 17 18 57 7 - 105 Essen 6 22 4 23 40 - 95 Bochum 5 21 9 40 4 - 79 Herne-Wanne 4 7 13 14 4 - 42 Gelsenkirchen 1 12 8 15 4 - 40 Hagen - 4 7 24 5 - 40 Oberhausen 1 3 - 2 1 19 26 Mülheim 2 8 1 9 3 2 25 Hamm - 3 1 17 - 1 22 Kreis Unna 1 1 - 13 3 3 21 Bottrop - 5 3 5 2 - 15 Castrop-Rauxel - 2 1 8 3 - 14 Recklinghausen - 9 1 2 - - 12 Marl - 2 - 9 1 - 12 Gladbeck - 3 3 4 - - 10 Witten - 2 - 2 2 - 6 Herten - - 1 4 - - 5 Datteln - - - 1 - - 1 Oer-Erkenschwick - - - 1 - - 1 Waltrop - - - 1 - - 1 zusammen 28 148 77 321 91 25 690 Quellen: siehe Fußnote 656 656 Quellenangaben: - Dortmund: Stadt Dortmund, Regiebetrieb Stadtgrün, Herr Spieß: Schreiben vom 27.07.2004 (Zeichen: 67/2-SGM 0) mit Anlage; Engelberg (1983), S.40-45; Kleinlosen und Spieß (1991); Friedhoff (1993), S.162-165; - Duisburg: Verband der Duisburger Kleingartenvereine e.V.: verschiedene Seiten im Internet unter (22.11.2003); - Essen: Stadtverband Essen der Kleingärtnervereine e.V.: Schreiben vom 5.12.03, Anlage: Gründungsjahre der Vereine, Stand 31.10.2003; - Bochum: Stadt Bochum. Garten- und Friedhofsamt: DKG-Anlagen und KLG-Vereine im Stadtgebiet Bochum, Stand 31.12.82 (interne Tabelle); Stadt Bochum. Grünflächenamt: Schreiben vom 04.04.05, Geschäftszeichen 67214, Kleingartenanlagen im Stadtgebiet Bochum, Stand: Januar 2005; - Herne: Stadtverband der Gartenfreunde Herne-Wanne e.V. (1999): Hallo Nachbarn. Herner Kleingärtner stellen sich vor. 20. März bis 31. April 1999 im Heimatmuseum Herne, Herne; siehe auch mehrere Seiten im Internet unter (23.11.2003); - Gelsenkirchen: Stadtverband der Kleingärtner Gelsenkirchen e.V. (2003): Chronik 75 Jahre 1928 - 2003; - Hagen: Bezirksverband Hagen der Kleingärtner e.V. (1995): Jubiläumsschrift 75 Jahre 1920 - 1995, Hagen; - Oberhausen: Kreisverband Oberhausen der Kleingärtner e.V., Herr Becker: Schreiben vom 06.08.04 (per Fax); Kreisverband Oberhausen der Kleingärtner e.V. (Hg.) (1966): 50 Jahre Kleingärten in Oberhausen; Kleingärtner-Verein Oberhausen-Buschhausen, Herr Kawelke: Schreiben vom 19.08.04; Kleingartenverein Heideblümchen e.V. (1995): Festschrift 40 Jahre Heideblümchen 1955 - 1995, Oberhausen; Kleingartenverein Rosenhain am Reinersbach e.V., Frau Petra Ciofani: Schreiben ohne Datum; Kleingartenverein Ruhraue, Jürgen Wittenschläger , Email vom 12.08.04; Kleingartenverein Schönefeld, Carola Riesler , Email vom 25.08.04; Kleingarten-Verein Stemmersberg e.V. (1992): Festschrift 60 Jahre Kleingarten-Verein Stemmersberg e.V. 1932 - 1992, Oberhausen; - Mülheim: Kreisverband Mülheim an der Ruhr der Kleingärtner e.V. (2001): 75 Jahre 6. Kleingärten und ihre Vereine 191 Unmittelbar nach Kriegsende, als auch öffentliche Grünanlagen und an- dere freie Plätze gartenbaulich, vor allem zum Kartoffelanbau genutzt wurden, setzte eine neue Gründungswelle ein, die sich auch in der Essener Mitgliederstatistik niederschlägt. (Tabelle 6.3.) Doch schon nach der Währungsreform und in der Zeit des "Wirtschaftswunders" war die Zahl der Kleingärtner wieder rückläufig, weil viele kriegsbedingte Kartoffelanbauer und andere Selbstversorger ihre Parzellen wieder aufgaben, aber auch weil viele Kleingärten dem Straßen- und Wohnungsbau zum Opfer fielen. In dieser Zeit wurden etliche Kleingartenanlagen innerhalb ihres Stadtgebietes verlegt.657 Schließlich begann Mitte der 1970er Jahre, d.h. mit der Verlangsamung des wirtschaftlichen Wachstums und der Zunahme der Arbeitslosigkeit, ein erneuter, allmählicher Aufschwung, wobei seit den 1980er Jahren das gestiegene Interesse an Natur und Umwelt sowie an schadstofffrei erzeugten Lebensmitteln die kleingärtnerische Entwicklung unterstützt hat. Alles in allem gründeten sich von 1945 bis 1982 im Ruhr- gebiet mindestens 320 neue Kleingartenvereine, von denen sich rund hundert noch vor 1950 zusammengeschlossen hatten. Die meisten Grün- dungen geschahen nach wie vor in Dortmund, Duisburg, Bochum und Es- sen. Zugleich konnte sich die Kleingartenbewegung weiter verbreiten, so dass inzwischen in jeder Ruhrgebietsstadt mindestens ein Verein besteht. Das Jahr 1983 brachte das neue Bundeskleingartengesetz und zugleich einen kleinen Aufschwung in der Gründung von Kleingärtnervereinen, der allerdings von der Entwicklung in Essen getragen wurde. Von den 90 Neugründungen in den zwei Jahrzehnten von 1983 bis 2003 fanden allein 40 in Essen statt. Inzwischen scheint eine gewisse Sättigung der Klein- gartennachfrage erreicht zu sein, da Neugründungen von wenigen Aus- nahmen abgesehen nur noch auf die Teilung von Vereinen bzw. die Ver- selbstständigung von Anlagenteilen zurückzuführen sind. Immerhin ent- Kreisverband (Festschrift); Kreisverband Mülheim an der Ruhr der Kleingärtner e.V., Frau Eva Löwe: Schreiben vom 12.04.2004 mit Anlage; - Hamm-Unna: Bezirksverband Hamm-Unna der Kleingärtner e.V.: mehrere Seiten im Internet unter (3.08.2004); - Bottrop: Bezirksverband der Kleingärtner e.V. Bottrop, Frau Karin Draga: Schreiben vom 23.04.2004 mit Anlage; - Castrop-Rauxel / Waltrop: Bezirksverband Castrop-Rauxel/Waltrop e.V., Peter Hermenau: Vereine im Bezirksverband, Fax vom 07.04.04; Bezirksverband Castrop-Rauxel/Waltrop der Kleingärtner e.V. (Hg.) (1997): Informati- onsschrift über das Kleingartenwesen. 50 Jahre 1947 - 1997 Bezirksverband Castrop- Rauxel/Waltrop; Kleingärtnerverein Am Schellenberg e.V. (1988): 40 Jahre, Castrop-Rauxel; Kleingärtnerverein Henrichenburg e.V. im Internet unter (25.11.2003); Gartenstadt Waltrop e.V. im Internet unter (22.11.2003); - Recklinghausen: Bezirksverband Recklinghausen der Kleingärtner e.V. (mit Reck- linghausen, Datteln, Herten und Oer-Erkenschwick) (2003); - Marl: Bezirksverband Marl: mehrere Seiten im Internet unter , und (2.10.2004); - Gladbeck: Bezirksverband Gladbeck der Kleingärtner e.V. (1998): 1908 - 1998 (Festzeitschrift); - Witten: Bezirksverband Witten der Kleingärtner e.V., Heinz-Günter Sattler: Schreiben vom 21.04.2004 657 MUNLV - Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucher- schutz des Landes Nordrhein-Westfalen (Hg.) (2009): Zukunft des Kleingartenwesens in Nordrhein-Westfalen. Forschungsbericht zur Kleingartensituation in Nordrhein- Westfalen, Düsseldorf, S.40 6. Kleingärten und ihre Vereine 192 stehen in Castrop-Rauxel in den Jahren 2003 und 2007 zwei neue Klein- gartenanlagen, in einem Fall auf ehemaligem Grabeland.658 Tabelle 6.3. Kleingärtnervereine, Mitglieder und Kleingärten in Essen Jahr Anzahl der Kleingärtner- vereine Anzahl der Mitglieder / Kleingärten Jahr Anzahl der Kleingärtner- vereine Anzahl der Mitglieder / Kleingärten 1892 1 ? 1969 44 6.031 1895 1* 92 1970 44 5.768 1926 19 321 1971 44 5.741 1933 30 7.330 1974 44 5.364 1946 30 27.300 1978 47 6.370 1947 34 27.650 1979 48 6.531 1948 34 30.852 1980 49 6.660 1949 34 17.193 1984 62 7.293 1950 36 12.684 1985 67 6.759 1951 36 11.788 1987 69 6.955 1952 37 11.650 1992 79 8.104 1955 37 9.768 1995 79 8.265 1959 37 8.552 1998 87 8.334 1963 40 6.501 1999 89 ca. 8.700 1966 42 6.181 2000 92 ? 1968 42 6.122 2003 95 ? Quelle: Stadtverband Essen der Kleingärtnervereine e.V. (1999): Chronik 1919-1999. Sonderausgabe "Der Grüne Bote" 4/99, Essen, S.53 *zzgl. der Anlage an der Segerothstraße, für die kein Verein bestand Zusammenfassend gilt, dass die vorliegenden Statistiken zur kleingärtneri- schen Entwicklung auf einer ungesicherten Datenbasis beruhen und daher nur vorsichtig interpretiert werden dürfen. Immerhin werden die Entwick- lungsrichtungen einigermaßen übereinstimmend dargestellt. Danach un- terliegt die Kleingartenbewegung immer wieder kurzfristigen Schwankun- gen, die bis zum Ende der 1940er Jahre eine überwiegend positive Ten- denz, bis Mitte der 1960er Jahre einen abnehmenden Trend und seitdem wieder ein leichtes Wachstum aufweisen. Darüber hinaus darf aber nicht vergessen werden, dass es nach wie vor eine unbekannte Anzahl an Grabelandgärten gibt, die häufig von Familien mit Migrationshintergrund genutzt werden und keinem Stadt-, Kreis- oder Landesverband angeschlossen sind.659 6.3. Funktionen der Kleingärten Die Funktionen der Kleingärten für die einzelnen Menschen und für die Gesellschaft und dementsprechend auch die Motive, Kleingärtnervereine und -anlagen zu schaffen sowie diese Gärten zu nutzen, sind ausgespro- chen vielgestaltig und haben sich im Laufe der Zeit gewandelt. So erklärte Paul Brando, der erste Vorsitzende des "Verbandes deutscher Kleingärtner e.V." in der Bundesrepublik im Jahr 1957: "Es gibt eine Reihe von Funktionen, die der Kleingarten zu erfüllen hat: ... 1. Die Vertiefung der Erkenntnisse über das Werden und Vergehen, als eines der unbeugsamsten Grundgesetze jedes pflanzlichen, tierischen und menschlichen Lebens, 658 MUNLV (Hg.) (2009), S.52, S.242 659 Steinborn (1991), S.11 6. Kleingärten und ihre Vereine 193 2. die Funktion der Familienbindung, die nicht zu unterschätzen ist, 3. die Funktion, dass wir die Kinder heranführen an die geheimsten Zusammen- hänge in der Natur. ... 4. die Funktion der Pflege der nachbarlichen Gemeinschaft. ... 5. Als eine der wichtigsten Funktionen betrachte ich die Gesunderhaltung des Menschen. Über all diesen wichtigen Einzelfunktionen, die der Kleingarten auzuüben hat, steht im Augenblick die wichtigste Aufgabe, dem Menschen wieder ein Asyl zu verschaffen, wo er losgelöst von allen Spannungen und schädlichen Einflüssen der Welt wieder zum Menschentum zurückfinden kann." 660 Dreißig Jahre später stehen sozial-ökologische Argumente im Vorder- grund, als Günter Gartz, Präsident des Bundes deutscher Gartenfreunde, schrieb, dass Kleingärten "Lebensgrundlagen für Menschen, Tiere und Pflanzen schaffen, das grüne Wohn- zimmer für die in Wohnsilos lebenden Bürger sind, Wohngebiete verschönern, Staub binden, Abgase filtern, Lärm schlucken, Sauerstoff produzieren und die Städte durchlüften".661 Auch wenn diese Argumente im jeweiligen zeitgenössischen Zusammen- hang wichtig und richtig waren, erfassen sie die unterschiedlichen Facetten der Kleingärtnervereine und ihrer Anlagen nur teilweise, weil sie frühere Funktionen ausklammern. Auch die Aufteilungen in "städtebauliche, ökologische und soziale" Aspekte662 sind zu grob. Deshalb will ich mich der kleingärtnerischen Vielfalt durch folgende Punkte annähern: - Anders als bei den öffentlichen Parkanlagen spielen die produktiven Funktionen eine wichtige Rolle, - mit ihnen sind die reproduktiven Aspekte der Entspannung und Erho- lung von Anfang an eng verknüpft. - Spielen und Naturerfahrungen sammeln, bilden die pädagogischen Seiten der Kleingärten. - Gesellschaftliche Integration, die Nutzung von Notunterkünften, Arbeitsbeschaffung, aber auch das Verstecken von Oppositionellen können als soziale Dimension bezeichnet werden. - Flächenrecycling und Freiraumschutz geben den Kleingärten eine städtebauliche Bedeutung, die auch ökologische und umweltpolitische Aspekte aufweist. - Schließlich dürfen die beruflichen und politischen Funktionen für die Entscheidungsträger nicht vergessen werden. 6.3.1. Produktiv: Anbau von Lebensmitteln In den Kleingärten des Ruhrgebietes spielte von Anfang an der Anbau von Kartoffeln, Gemüse und Obst eine wichtige Rolle, nicht nur für die Zuwan- derer vom Lande, auch für eingesessene Einwohner, nicht nur für Arbeiter, sondern auch für andere Schichten der arbeitenden Bevölkerung. Genau wegen dieser Funktion begann während des ersten Weltkrieges, während der damaligen "Nahrungsnot" die staatliche Unterstützung der Klein- gärten.663 Obwohl auch die Kleingärtner vom Kartoffelmangel, vom 660 Paul Brando auf dem 5. Deutschen Kleingärtnertag 1957 in Köln, zitiert nach: Katsch und Walz (2000), S.12 661 Günter Gartz 1988, zitiert nach: Katsch und Walz (2000), S.28 662 Buhtz, Lindner und Gerth (2008); Gerhards, Norbert, Klaus Heider und Herbert Strack (1998): Städtebauliche, ökologi- sche und soziale Bedeutung des Kleingartenwesens, hg. vom Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, Bonn 663 z.B. Muthesius (1924), S.28 6. Kleingärten und ihre Vereine 194 Steckrübenwinter, vom Hunger nicht verschont wurden, versuchten Politik und Verwaltung, Staat und Kommunen, das Kleingartenwesen zur Ernäh- rungssicherung zu nutzen. Unter den Nationalsozialisten sollten die Klein- gärtner sogar zur so genannten landwirtschaftlichen "Erzeugungsschlacht" beitragen.664 Während manche Autoren, wie z.B. Leberecht Migge,665 in Kleingärten die Möglichkeit zu einer weitgehenden Selbstversorgung mit Kartoffeln und Gemüsen sahen, haben andere in Frage gestellt, ob die Produktion von Nahrungsmitteln in Kleingärten überhaupt wirtschaftlich war.666 Trotzdem war nicht zu bestreiten, dass die Kleingärtner beachtliche Roherträge er- zielten und dass sie als Teil der städtischen Bevölkerung nur auf diese Weise in den Genuss von Kartoffeln und Gemüse kamen, die sie auf den Märkten nicht hätten erwerben können: sowohl aus einem Mangel an Geld als auch aufgrund des fehlenden Angebotes. Es kam hinzu, dass - so Hoffacker - Politiker fast aller Richtungen unmit- telbar nach dem Ersten Weltkrieg einen industriellen Wiederaufbau für kaum noch möglich hielten. Stattdessen setzten sie ihre Hoffnung auf eine "Reagrarisierung" Deutschlands und auf die Umsiedlung von Stadtbewoh- nern aufs Land, die allerdings vor einigen Problemen stand: "Denn die Leute aus der Stadt werden nicht von heute zu morgen wieder mit dem Landleben vertraut. Das muß Zeit haben. Wir müssen einen Weg einschlagen, der über die Schrebergärten führt. Wer jahrelang tüchtig seinen Schrebergarten ge- pflegt hat, ist dann wohl in der Lage, einen kleinen Gärtnereibetrieb zu übernehmen und langsam wieder aufs Land hinauszukommen und sich der Landarbeit anzupassen." 667 Diese Reagrarisierung verlief allerdings im Sande, und in dem Maße, in dem das Lebensmittelangebot in den Geschäften und auf den Märkten in den so genannten "Goldenen Zwanzigern" und nach dem Zweiten Welt- krieg in den 1950ern wieder zunahm, haben immer mehr Menschen ihren kleingärtnerischen Anbau von Obst, Gemüse und Kartoffeln und z.T. sogar ihre Kleingärten wieder aufgegeben. Bundesweit ist die Zahl der Kleingärtner nach der 1948er Währungsreform von 900.000 auf 520.000 zurückgegangen.668 In Essen sank ihre Zahl sogar von über 30.000 auf unter 6.000, wozu vermutlich aber auch Austritte aus dem Landes- und dem Stadtverband beigetragen haben, ohne dass die Betreffenden ihre Kleingärten aufgegeben haben. In den 1980er Jahren, als das neue Bundeskleingartengesetz den "Nutzer (Kleingärtner) zur nichterwerbsmäßigen gärtnerischen Nutzung, insbeson- dere zur Gewinnung von Gartenbauerzeugnissen für den Eigenbedarf" verpflichtet,669 setzte ein neues Interesse an selbstgezogenen Gartenfrüchten ein. Damals gelangten die ersten Hinweise auf nitrat-, pes- tizid- und mit anderen Schadstoffen belastete Nahrungsmittel an die Öf- fentlichkeit, denen diverse "Lebensmittelskandale" folgten. Zugleich wur- den die Methoden des ökologischen Land- und Gartenbaues publik. Die 664 z.B. Wille (1939), S.33 Fußnote 1, S.69 665 Muthesius (1924), S.40-48 666 Muthesius (1924), S.49-55; positiver: Wille (1939): S.84-97, S.105-109; vgl. auch: Stein (2000), S.368-374, S.668-671; Warnecke (2001), S.52 f 667 Schmidthals (DDP) am 1.7.1919 (43. Sitzung). Die Deutsche Nationalversammlung im Jahre 1919 in ihrer Arbeit für den Aufbau des neuen deutschen Volksstaates. Bd. 5, Berlin 1919/20; zitiert nach: Hoffacker, Heinz-Wilhelm (1989): Entstehung der Raumplanung, konservative Gesellschaftsreform und das Ruhrgebiet 1918-1933, Essen, S.54 668 Katsch und Walz (2000), S.12 669 MUNLV (Hg.) (2009), S.97 f 6. Kleingärten und ihre Vereine 195 Aussicht auf schadstofffreies Obst und Gemüse aus dem eigenen Garten machte den Anbau für manche Kleingärtner wieder attraktiv, der Verzicht auf Pestizide wurde zum Gegenstand einer inzwischen weitverbreiteten kleingärtnerischen Selbstverpflichtung670 - um so größer die Enttäuschung, wenn sich herausstellte, dass der eigene Garten durch industrielle Emissionen oder durch im Boden versteckte Altlasten belastet war. 6.3.2. Reproduktiv: Ausgleich und Erholung Der Erholung dienen die Kleingärten von den ersten Anfängen bis zur Ge- genwart, nicht nur für die Kleingärtner selbst, sondern auch für Besucher und Spaziergänger. Gewandelt hat sich allerdings die konkrete gärtneri- sche Tätigkeit. Mit der Expansion des Bergbaus sowie der Eisen- und Stahlindustrie im 19. Jahrhundert mussten die Unternehmen im Ruhrgebiet auswärtige Ar- beitskräfte anwerben, zunächst aus dem ländlichen Umfeld, vor allem aus Westfalen, und später auch aus weiter entfernten Gegenden, wie Ost- preußen und Polen. Berühmt ist der Aufruf an die "Masuren ! In rheinländischer Gegend, umgeben von Feldern, Wiesen und Wäldern, den Vor- bedingungen guter Luft, liegt, ganz wie ein masurisches Dorf, abseits vom großen Getriebe des westfälischen Industriegebietes, eine reizende, ganz neu erbaute Kolonie der Zeche Viktor bei Rauxel. ... Zu jeder Wohnung gehört ein sehr guter, hoher und trockener Keller, so daß die eingelagerten Früchte, Kartoffeln etc. dort sehr gut erhalten werden. Ferner gehört dazu ein geräumiger Stall, wo sich jeder sein Schwein, seine Ziege oder seine Hühner halten kann. So braucht der Arbeiter nicht jedes Pfund Fleisch oder sein Liter Milch zu kaufen. Endlich gehört zu jeder Wohnung auch ein Garten von etwa 23 bis 24 Quadratru- ten. So kann sich jeder sein Gemüse, sein Kumpst und seine Kartoffeln, die er für den Sommer braucht, selbst ziehen. Wer noch mehr Land braucht, kann es in der Nähe von Bauern billig pachten. ... Vor jedem zweiten Hause liegt noch ein Vor- gärtchen, in dem man Blumen oder noch Gemüse ziehen kann. Wer es am schönsten hält, bekommt eine Prämie. ..." 671 Lange bevor das Grün als "weicher" Standortfaktor für Industrie- und Ge- werbeansiedlungen entdeckt worden ist, war es also ein zentrales Argu- ment, mit dem die benötigten Arbeitskräfte angeworben wurden. Aus heu- tiger Sicht kann man aus dem obigen Aufruf herauslesen, dass Bergleute kein Einkommen erzielen konnten, das zum Leben reichte, und dass sie deshalb zur ergänzenden Selbstversorgung durch Gartenbau und Klein- viehhaltung gezwungen waren - so gelesen, wäre der Aufruf weniger an- als abwerbend gewesen. Genau das Gegenteil war der Fall. Der Aufruf signalisierte, dass die Zuwanderer im Ruhrgebiet wesentliche Elemente ihres gewohnten ländlichen Lebens fortsetzen konnten. Gärten und Gar- tenarbeit waren für viele Menschen ein selbstverständlicher und unver- zichtbarer Teil ihres Lebens, so dass ein entsprechendes Angebot eine zusätzliche Anziehung ausübte. Genau diese Gartenarbeit war es, die einen Ausgleich zur Erwerbsarbeit im Bergbau und in der Industrie bilden und der Erholung und Gesundheit dienen sollte, besonders beschönigend formuliert vom "Verein zur Förde- rung des Wohls der arbeitenden Klassen im Kreise Waldenburg i. Schlesien": 670 Buhtz, Lindner und Gerth (2008), S.61, S.85 671 zitiert nach: Steinborn (1991), S.16 6. Kleingärten und ihre Vereine 196 "Zumal für den in der Industrie tätigen Arbeiter, der seinem Beruf in den geschlos- senen Räumen einer Fabrik oder im Bergwerke nachgeht, wo frische Luft nur schwer und in beschränktem Maße Zutritt hat, ist die Gartenarbeit von großer Be- deutung. Für ihn ist die Beschäftigung in einem Gärtchen, dessen Bearbeitung körperliche Anstrengung nicht erfordert, eine Erholung, ein Zeitvertreib, bei dem er einen Teil der Feierstunden in angenehmer und nützlicher Weise verbringt. Dabei zwingt sie den Körper zu ausgiebiger Bewegung und insbesondere die Atmungsor- gane zu erhöhter Tätigkeit. Daß dieses alles im Freien, an der Luft vor sich geht, darin liegt die Bedeutung der Gartenbewirtschaftung im gesundheitlichen Inte- resse." 672 Angesichts der früheren Arbeitszeiten und Arbeitsbelastungen sowie der Luftverschmutzung darf der damalige Erholungseffekt der Kleingartenarbeit nicht zu hoch bewertet werden. Wahrscheinlich waren Gemüse und Kartoffeln für viele die wichtigeren Motive. So musste die Bochumer Zeche Hannover 1882 einräumen, "dass die Einkommen oft nicht ausreichten, 'um dem Manne diejenige kräftige Speise zu gewähren, welche die schwere Arbeit fordert.'" 673 In Phasen wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Stabilisierung gingen der Kartoffel- und Gemüsebau infolgedessen immer wieder zurück, zum ers- tenmal in den 1920er Jahren und dann vor allem seit Mitte der 1950er Jahre. In diesen Zeiten haben sich die Kleingärten stärker zu Erholungs- und Ziergärten entwickelt, was ihrer Attraktivität für erholungsuchende Spaziergänger vielleicht sogar zugute gekommen ist.674 Mit der seit den 1970er Jahren gewachsenen Arbeitslosigkeit wurden die Kleingärten nach Einschätzung ihres Bundesverbandes sogar für die Familienerholung wie- der wichtiger, weil Urlaubsreisen immer häufiger nicht mehr bezahlbar sind.675 Auch im neuen Bundeskleingartengesetz wird die Erholung als zentrale kleingärtnerische Nutzung bezeichnet.676 Von den konkreten Erholungsbedürfnissen unabhängig, sieht Muthesius in der Kleingärtnerei ein grundsätzliches menschliches Bedürfnis nach Natur: "Wie stark gerade der Großstädter sich nach einem Stückchen Erde zurücksehnt, zeigt nichts deutlicher als die Kleingartenbewegung ... unserer Tage. ... (So) ist gerade die Kleingartenbewegung die elementarste und stärkste Selbsthilfe gewor- den, geboren aus den Tiefen der Großstadt und getragen von den zur Natur zu- rückdrängenden Massen." 677 Je mehr durch die verbreitete Bautätigkeit der "Gartenverdrängungsprozeß fortschreitet, desto größer wird die Sehnsucht der eingeschlossenen Großstädter (besonders der ärmeren Bevölkerungsklassen, die ja am schwersten unter den Nachteilen der engen Wohnweise zu leiden haben) nach einem Stückchen Erde, irgendwo auf einem freien, unbebauten Plätzchen, auf dem sie arbeiten und sich wohl fühlen können." 678 Aufenthalt im Grünen und praktische Tätigkeit in und an der Natur in den Kleingärten erfüllen also wichtige reproduktive Funktionen. 672 Zitiert nach: Kaup (1913), S.99 f; vgl. auch: Kaup (1913), S.275; Muthesius (1924), S.56 ff 673 Steinborn, Vera (2003): Unten Kohle, oben Gemüse - Arbeitergärten im Ruhrgebiet, in: Forum Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur 1/2003, S.32-35, hier: S.33 674 Muthesius (1924), S.36 675 Katsch und Walz (2000), S.13; nach Buhtz, Lindner und Gerth (2008) sind Kleingärt- ner, vor allem in Ostdeutschland, überdurchschnittlich häufig arbeitslos (S.5, S.68), und zudem überwiegen die "eher geringen bis mittleren Einkommen" (S.69). 676 MUNLV (Hg.) (2009), S.97 f 677 Muthesius (1924), S.9 678 Muthesius (1924), S.12 6. Kleingärten und ihre Vereine 197 6.3.3. Pädagogisch: Spielen und Naturerfahrungen sammeln Der erste Schreberverein hatte zunächst ausschließlich pädagogische Interessen und wollte großstädtischen Kindern eine Gelegenheit zum Spielen, zur körperlichen Bewegung bieten, unabhängig von Schrebers sonstigen medizinischen und erzieherischen Anliegen. Auch wenn die Er- weiterung des Schreber-Spielplatzes um Kinderbeete - heute würde man von Gartenpädagogik sprechen - ihren ursprünglichen Zweck verfehlte und stattdessen die Eltern in Kleingärtner verwandelte, blieb ein großer Kinderspielplatz das Markenzeichen von Schrebergartenanlagen. Hinzu kamen Aktionen für Kinder während der Sommerferien, bei denen die Kinder auch verpflegt wurden, wobei ein großer Wert auf einen Becher Milch gelegt wurde und Kinder aus armen Familien durch finanziell gerin- gere Teilnahmebeiträge besonders unterstützt wurden. Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts konnten in Sachsen in jedem Sommer meh- rere Tausend Kinder an solchen Aktionen teilnehmen. So war die gesund- heitliche Stärkung der Kinder und Jugendlichen das vordringliche Ziel aller Schrebervereine mit ihren betreuten Spielplätzen, den Sommerferienakti- onen, den "Milch- und Badekolonien" sowie gemeinsamen Wanderun- gen.679 Demgegenüber fielen die Kinderaktionen im Ruhrgebiet erheblich be- scheidener aus: "Im Sommer, in der Ferienzeit, veranstaltete der Verein regelmäßig ein Kinderfest mit Eierlaufen, Sackhüpfen und Topfschlagen", berichtete Margarete Lade, deren Eltern den Dortmunder Verein "Schre- bergarten 06" mitgegründet hatten.680 Immerhin spielten Spielplätze von Anfang an eine große Rolle, z.B. in den Anlagen der Firma Krupp genauso wie in den alten Dortmunder und Bochumer Kleingärten.681 Mit Ausnahme der Jahre, in denen die Menschen unter Hungersnöten und Unterernährung litten, hatten und haben viele Kleingärtnervereine neben eigenen Spielplätzen auch Kinder- und Jugendgruppen, die z.B. für Ver- einsfeste basteln, singen oder tanzen und entsprechende Aufführungen veranstalten. In neuester Zeit öffnen sich immer mehr Kleingärten für Schulklassen und Kindergruppen, vor allem mit umweltpädagogischen Angeboten, wie z.B. Lehrpfaden, und knüpfen damit - in modifizierter Form - an den früheren Gedanken der Kinderbeete wieder an. So gibt es seit 2001 in der Kleingartenanlage Castrop-Nord und seit 2005 in der Kleingartenanlage "Auf der Lauke" in Dortmund-Lanstrop je einen Schulgarten, der von Kindergruppen besucht oder von der Garten-AG so- gar selbst bewirtschaftet wird. Seit 2008 hat auch die Castroper Anlage Spredey einen Schulgarten, den die "Spredey-Kids", eine eigene Kinder- gruppe, nutzen.682 6.3.4. Sozial: Kompensation, Integration und Widerstand Wie andere gesellschaftliche Strukturen stecken auch die Kleingärten und die Kleingärtnervereine in einem Spannungsverhältnis zwischen gegen- läufigen sozialen Entwicklungsrichtungen: zwischen Integration und Aus- 679 Kaup (1913), S.165 ff, S.184 ff; Muthesius (1924), S.14; mit kritischen Anmerkungen: Stein (2000), S.161-173, S.208-212, S.222 f 680 Friedhoff (1993), S.162 681 Kaup (1913), S.97, S.204 f, S.236 f 682 MUNLV (Hg.) (2009), S.135, S.145 f, S.247 6. Kleingärten und ihre Vereine 198 grenzung, zwischen sozialem Ausgleich und Polarisierung. Dabei steht das Kleingartenwesen näher an der integrativen und ausgleichenden Seite. Der Vorstand des "Zentralverbandes deutscher Arbeiter- und Schreber- gärten" (ZdASG), der sich vor allem aus adeligen und (groß-) bürgerlichen Unterstützern zusammensetzte, verstand darunter, "die Schäden mangelhafter, vielfach schwer zu beseitigender Wohnungsverhältnis- se zu mildern und auszugleichen, kranke, schwächliche und erholungsbedürftige Personen zu kräftigen und wieder erwerbsfähig zu machen, sowie die wirtschaftli- che Lebenshaltung breiter Volksschichten so zu verbessern, daß selbst kinderrei- che, bedürftige Familien der Armenverwaltung nicht zur Last fallen. Dazu kommt, daß durch den Gartenaufenthalt die Männer vom Wirtshausbesuch abgelenkt, die Kinder dem verderblichen Einfluß der Straßen und Höfe entzogen und den Eltern näher gebracht, der Sinn für eigene Betätigung bei jung und alt geweckt und über- haupt die Lebensgewohnheiten der weniger bemittelten Volkskreise veredelt wer- den". 683 Über die bereits bekannten reproduktiven Funktionen hinaus sollten also soziale Benachteiligungen, z.B. im Wohnbereich kompensiert und der fa- miliäre sowie der vereinsinterne Zusammenhalt gestärkt werden, ein Zweck, der auch heute noch verfolgt wird. Hinzu kommt die Integration von Einwandererfamilien, die immer häufiger einem Kleingärtnerverein beitre- ten.684 Einen besonderen sozialen Ausgleich leisteten die Kleingärten in Notzeiten: So begann die Entstehung der Berliner Laubenkolonien bereits in den 1860er Jahren, weil ihre Inhaber eine Unterkunft brauchten, in Berlin aber keine Wohnung fanden. Häufig wurden die Laubenkolonien zwangsweise wieder geräumt, wenn die Grundeigentümer auf diesen Flächen Mietshäu- ser errichten wollten.685 Trotz aller Wohnungsnöte wurden die Berliner Verhältnisse im Ruhrgebiet zunächst nicht erreicht. Dies änderte sich mit dem ersten Weltkrieg, der Inflation, der allgemeinen Wirtschaftskrise und ganz besonders im zweiten Weltkrieg: Wer als Kleingärtner seine Mietwohnung nicht mehr bezahlen konnte, zog sich möglichst in seine Laube zurück, und erst recht als die Wohngebäude in Schutt und Asche fielen, flüchtete, wer konnte, und hoffte, dass die Bomber über die Gärten hinwegfliegen würden. Diese Notlagen wurden sogar von den Behörden anerkannt, die das Wohnen in Kleingartenlauben trotz der problematischen sanitären Verhältnisse dul- deten, offiziell natürlich nur zu bestimmten Zeiten und unter bestimmten Umständen.686 Mit dem Nachkriegswohnungsbau entspannte sich das Problem allmählich. Jetzt wurden die Kleingärtner in vielen Fällen von den Behörden sogar gezwungen, ihre Lauben zu verlassen und wieder eine Stadtwohnung zu suchen, damit keine Wochenendhaussiedlungen entstehen konnten. Neben der Wohnungsnot war die Arbeitslosigkeit bereits in früheren Zeiten ein großes Problem. Von Anfang an war Kleingartenpolitik daher auch Beschäftigungspolitk. Schon 1832/33, als die Stadt Leipzig ihre Kleingar- tenanlage "Johannisthal" in der Johannisvorstadt realisierte, spielte die Arbeitsbeschaffung eine wichtige Rolle: 683 Rundschreiben des ZdASG vom 10.11.1909, zitiert nach: Stein (2000), S.335 684 Gerhards, Heider und Strack (1998), S.82-101; Buhtz, Lindner und Gerth (2008), S.65- 70; MUNLV (Hg.) (2009), S.229-232 685 Muthesius (1924), S.7 f, S.22-26; Wille (1939), S.42; Stein (2000), S.240 ff 686 vor allem für die ganz ähnlichen Verhältnisse in Hamburg: Stein (2000), S.399, S.582- 586, S.597 ff, S.610, S.672; vgl. auch: Warnecke (2001), S.62 f; Wille (1939), S.64 6. Kleingärten und ihre Vereine 199 "300 arbeitslose Handarbeiter wurden den Winter über bei den Planierungen usw. beschäftigt". 687 Nach dem ersten Weltkrieg wurden im Zuge der "produktiven Erwerbslo- senfürsorge" auch Kultivierungsarbeiten für neue Kleingärten vorgenom- men. Das gleiche geschah Anfang der 1930er Jahre im Rahmen von Ar- beitsbeschaffungsprogrammen sowie mit dem Angebot von Erwerbslo- sengärten.688 Inzwischen ist auch dieser Aspekt wieder wichtiger gewor- den. Ein Pilotprojekt ist der "Tafelgarten", der seit 2007 in Leipzig (!) von Erwerbslosen bewirtschaftet wird und seine Ernte der Leipziger Tafel zur Verfügung stellt. Seitdem werden die Tafelprojekte von etlichen Kleingärt- nervereinen unterstützt. Hinzu kommen Ein-Euro-Job-Projekte, die in den Kleingärten gemeinnützige Arbeiten erledigen.689 Immer interessanter werden zudem Kooperationen zwischen Kleingärtner- vereinen und Alteneinrichtungen.690 Über diese durchaus praktischen kompensatorischen und integrativen Maßnahmen hinaus wurden aber auch 'höhere' Erwartungen formuliert: "Der luft- und lichtentwöhnte Großstädter findet in seinem Garten das notwendige Gegengewicht gegen die Fabrik- und Kontorarbeit. Er ist in seiner Freizeit dem Wirtshaus, der Agitation entzogen. Er schafft über die vorgeschriebenen 8 Stunden hinaus nützliche Arbeit. Er hat einen 'Besitz' und hierdurch die Achtung vor dem Besitz des Nächsten. Er kommt zurück zur Scholle, und das abhandengekommene Heimatgefühl lebt wieder auf. Er sieht das Werden und Vergehen der Natur, sein Sinn wird höheren Dingen zugewandt. Das Zusammenwirken der verschiedenen Ständen angehörigen Kleingärtner bahnt eine Annäherung der heute sich schroff befehdenden Berufsgruppen an, dadurch Minderung des Klassengegensatzes".691 Rosenbaum, der Leiter des Hamburger Kleingartenamtes, versprach sich von der Kleingärtnerei einen erzieherischen und klassenversöhnenden Effekt, dass nämlich die Kleingärtner das Privateigentum respektierten und von politischer Agitation nicht mehr erreicht werden konnten. Und Aichele, Stuttgarter Oberamtmann, erklärte im Mai 1925 vor der Hauptversammlung des Deutschen Landkreistages: "In dem Maße, als wir den deutschen Arbeiter neben sozialer Gestaltung seiner Arbeitsverhältnisse mit dem Mutterboden verwachsen lassen können, gelingt es auch, ihn dem wüsten Traum des Bolschewismus zu entreißen".692 Tatsächlich wurde von sozialistischer und kommunistischer Seite bemän- gelt, dass der Besuch von Parteiveranstaltungen in jedem Frühling spürbar zurückging, weil nun der Gartenbau wichtiger wurde.693 Trotzdem dürfen die Selbstverwaltung und die vereinsinterne Demokratie nicht unterschätzt werden, die hier seit langem praktisch funktionierte. Ge- rade diese demokratische Selbstorganisation der Kleingärtner wurde - allerdings ohne gravierenden Widerstand - von den Nationalsozialisten außer Kraft gesetzt.694 Daher weist Stein darauf hin, dass sich die 687 Kaup (1913), S.164; vgl. auch: Stein (2000), S.55 688 Muthesius (1924), S.26; Wille (1939), S.30 f; Stein (2000), S.399 f, S.613-625 689 MUNLV (Hg.) (2009), S.249, S.216 690 MUNLV (Hg.) (2009), S.247 691 Rosenbaum, Karl Georg (1920): Kleingartenämter, in: Gartenkunst 13 (9) (1920), S.132, zitiert nach: Stein (2000), S.446 f; vgl. auch: Wille (1939), S.31 692 Aichele (1925/26): Über das Eingemeindungsproblem, in: Zeitschrift für Selbstverwal- tung 8 (1925/26), S.197-205, hier: S.203 f, zitiert nach: Hoebink, Hein (1990): Mehr Raum - mehr Macht. Preußische Kommunalpolitik und Raumplanung im rheinisch- westfälischen Industriegebiet 1900-1933, Essen, S.89 693 Stein (2000), S.488 f, S.494 f, S.496, S.604 f, S.616 694 Stein (2000), S.220 f, S.224 f, S.323 f, S.476 f 6. Kleingärten und ihre Vereine 200 Kleingärten während des Nationalsozialismus nicht als Versteck für Re- gimekritiker oder Verfolgte eigneten. Die Mitgliedschaft der Vereine war politisch völlig heterogen, so dass niemand auf die Verschwiegenheit sei- ner Gartenfreunde hoffen konnte - stattdessen kam es sogar häufig zu Denunziationen. Trotzdem sind aus der Anfangszeit, als die Nationalsozi- alisten ihre Macht noch nicht überall durchgesetzt hatten, und aus der Kriegszeit, als die Zweifel wuchsen, einige erfolgreiche Aktionen überlie- fert. So konnte sich 1933 in Essen der junge Erich Honecker eine Zeitlang in der Kleingartenanlage "Sonnenschein" in Haarzopf verbergen und von dort die Arbeit seiner Partei koordinieren.695 Wenn man von solchen Ausnahmeerscheinungen politischen Widerstands absieht, haben Kleingärten und Kleingärtnervereine im sozialen Bereich vor allem die genannten kompensatorischen Funktionen, die in Notzeiten besonders wichtig und deutlich werden: dass sie notdürftige Wohnunter- künfte, selbst angebaute Lebensmittel, soziale Beziehungen und manch- mal auch die Gelegenheit zu geringfügig bezahlten Notstandsarbeiten boten.696 6.3.5. Städtebaulich und ökologisch: Freiraumschutz und Flächenrecycling Die städtebauliche und human- bzw. sozial-ökologische Bedeutung der Kleingärten liegt vor allem darin, dass sie fehlende Hausgärten im Ge- schosswohnungsbau ersetzen. Dafür gilt schon seit den 1920er Jahren als Richtwert, dass Kleingärten für 10-15 Prozent aller Geschosswohnungen zur Verfügung stehen und innerhalb der "Kinderwagenentfernung" (rd. 1,5 km) erreichbar sein sollen.697 Seit den 1990er Jahren soll allerdings der Richtwert von "einem Kleingarten je acht bis zwölf gartenloser Geschoss- wohnungen" nicht mehr angewandt werden, sondern eine lokale Bedarfs- analyse erstellt werden.698 Zugleich ist es eine geradezu uralte Aufgabe der Kleingärtner, Brachflä- chen zu recyceln: So entstand bereits 1832/33 die Anlage Johannisthal in Leipzig auf einer ehemaligen, nunmehr rekultivierten Sandgrube. In Dort- mund wurden schon seit der Kaiserzeit Schuttflächen in Kleingärten um- gewandelt. In Duisburg wurde Ende der 1930er Jahre eine Halde abgetra- gen, um damit Gelände im Überschwemmungsbereich der Ruhr höherzu- legen und dort Kleingärten einzurichten. Die infolgedessen häufig schlechten Böden waren immer wieder eine Ursache für enttäuschende Erträge und bewog manche Betroffene zur Aufgabe.699 Hinzu kamen anderweitig nicht nutzbare Restparzellen zwischen Eisenbahngeleisen und Werksgeländen und - nach dem zweiten Weltkrieg - von Bombenkratern durchlöcherte Flächen. Bis heute müssen sich daher viele Städte in jeweils einzelnen Anlagen mit der Altlastenproblematik auseinandersetzen.700 695 Stein (2000), S.648, S.650; mit weiteren Beispielen aus anderen Landesteilen 696 Das Schicksal der Berliner Kolonie "Kuhle Wampe", die im gleichnamigen "proletari- schen" Film aus dem Jahre 1932 eine wichtige Rolle spielte, während der NS-Zeit und während des Zweiten Weltkriegs ist nicht überliefert. 697 Gassner u.a. (1975), S.11, S.18; Gassner (1987), S.64, S.110; Wolf, Paul (1926): Wohnung und Siedlung, Berlin, zitiert nach: Gassner (1987), S.76 698 Buhtz, Lindner und Gerth (2008), S.51 699 Stein (2000), S.55; Warnecke (2001), S.50, S.53; Gassner (1987), S.92; für Hamburg: Stein (2000), S.376, S.378 ff, S.467, S.554, S.624, S.670 700 Thimm, Ulrich (2000): Darfs nie mehr Land haben, als die Olle umgraben kann, in: Stottrop, Ulrike (Hg.) (2000): Unten und oben. Die Naturkultur des Ruhrgebietes (Ka- talog zu einer Ausstellung des Ruhrlandmuseums Essen), Bottrop und Essen, S.207- 6. Kleingärten und ihre Vereine 201 Zu einem - temporären - mit Entsiegelung verbundenen Recycling beson- derer Art kam es während und nach dem zweiten Weltkrieg, als öffentliche Flächen jedweder Art, von Parkanlagen bis zu städtischen Plätzen und ehemals repräsentativen Straßen, wieder unter den Spaten genommen wurden, um Kartoffeln, Kohl und anderes Gemüse anzubauen.701 Zugleich aber sind Kleingärten selbst von Anfang an Reserveflächen für die Siedlungstätigkeit. So hatten die Berliner Laubenkolonien in ihren ers- ten Jahrzehnten häufig nur temporären Charakter. Oftmals bereiteten sie den gewerblichen Häuserbau nur vor, dem sie dann weichen mussten. Aber auch andernorts mussten die Kleingärten zurückstecken, erst recht wenn es während der NS-Zeit um militärische Zwecke und nach dem Zweiten Weltkrieg um den Wohnungs- und Straßenbau oder um neue Gewerbegebiete ging. Seit diesen Zeiten hatten die Kleingärten auch die Funktion einer Flächenreserve für den Städtebau. Auch wenn diese Ent- wicklung immer wieder Proteste hervorrief, wurde sie durch drei Faktoren erleichtert: Gerade in Zeiten wirtschaftlichen Aufschwungs haben sich immer wieder viele bisherige Kleingärtner zurückzogen und ihre Parzellen aufgegeben, die dann für Siedlungszwecke oder von siedlungsverdrängten Garten- freunden übernommen werden konnten. Außerdem gilt - wie Gassner be- richtet - "für den Kleingartenstandort nicht mehr die 'Kinderwagenentfernung' als starrer Grundsatz. Der öffentliche Nahverkehr, Fahrrad und Pkw haben die Maßstäbe verschoben".702 Infolgedessen können Kleingärten, die zugunsten von Straßen, Gewerbe- gebieten oder andere Siedlungseinrichtungen aufgegeben werden müssen, durchaus verlagert werden, ggfs. sogar an die städtische Peripherie. Der Umzug bzw. Teilumzug von Kleingartenanlagen ist aber nur möglich, solange es noch anderweitige Freiräume oder Brachflächen gibt, die in Kleingärten umgewandelt werden können. Für einen großen Teil der Kleingartenanlagen gilt, dass sie positive stadt- klimatische Wirkungen entfalten, dem Natur- und Artenschutz dienen und dazu beitragen, das Stadtgebiet zu gliedern. In jedem Fall aber gehören Kleingärten zu den lokalen Grün- bzw. Freiflächen und tragen zu ihrer Er- haltung bei. Daraus folgt auch, dass diese Anlagen den Marktwert angren- zender Wohngebiete durchaus erhöhen.703 Dabei müssen die Kommunen, die in den meisten Fällen die Grundeigen- tümer sind, durch die Verpachtung zwar Einnahmeeinbußen gegenüber alternativen Verwertungsmöglichkeiten (z.B. als Wohnbaufläche) hinneh- men. Im Vergleich zu öffentlichen Parkanlagen erzielen die Kommunen jedoch einen Vorteil, da sie überhaupt Pachteinkünfte haben und zudem für die Pflege der Flächen nicht aufkommen müssen.704 222 und S.303 f; Gerhards, Heider und Strack (1998), S.47; Buhtz, Lindner und Gerth (2008), S.54 f 701 Warnecke (2001), S.172 f 702 Gassner u.a. (1975), S.11, S.18; Gassner (1987), S.64, S.110; Wolf, Paul (1926): Wohnung und Siedlung, Berlin, zitiert nach: Gassner (1987), S.76 703 Gerhards, Heider und Strack (1998), S.64-81, insb. S.81, S.35-63; MUNLV (Hg.) (2009), S.177-183, S.257 ff, S.106, S.191 704 MUNLV (Hg.) (2009), S.192 6. Kleingärten und ihre Vereine 202 6.3.6. Politische und berufliche Funktionen Schließlich dürfen die politischen und beruflichen Funktionen nicht verges- sen werden. Auf den ersten Blick bieten Kleingärtnervereine und -verbände eine Viel- zahl von Vorstands- und ähnlichen Positionen, die allerdings mit umfang- reichen ehrenamtlichen Arbeiten verbunden sind. Nachwuchsprobleme sind die Folge.705 Hinzu kommen die hauptamtlichen MitarbeiterInnen in den Geschäftsstellen auf Länder- und Bundesebene, deren Stellen von einer möglichst großen Mitgliederzahl abhängen und die sich insofern in- tensiv für ihren Verband einsetzen. Erfolgskriterien dürften die Mitglieder- entwicklung, der Niederschlag der Lobbyarbeit in rechtlichen und förder- politischen Regelungen oder das Medienecho auf kleingärtnerische Akti- vitäten sein. Demgegenüber sind die Stellen in den kommunalen Verwaltungen, die für die Betreuung der Kleingärtner zuständig sind, in den letzten Jahren dras- tisch abgebaut worden.706 Mit einem Einsatz für die Kleingärten ist also keine besondere berufliche Perspektive mehr verbunden. Hinzu kommen die Politiker, für die es natürlich wichtig ist, dass sie zumin- dest den Eindruck einer kleingärtnerfreundlichen Politik vermitteln. Trotz- dem ist es nicht vorstellbar, dass Kleingartenfragen ein wichtiges Wahl- kampfthema sein könnten. 6.3.7. Zwischenresümee Bis in die 1950er Jahre hinein erfüllten die Kleingärten gesellschaftlich existenzielle Funktionen: als Anbaufläche für Kartoffeln, Gemüse und Obst, teilweise auch als Gelegenheit zur Kleintierhaltung, als Einsatzstelle für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen sowie als Standort für Notunterkünfte. Als diese drei Aufgaben während des so genannten "Wirtschaftswunders" nach dem Zweiten Weltkrieg an Bedeutung verloren hatten, erlitt die Zahl der Kleingärten einen Einbruch und begann erst Ende der 1970er, Anfang der 1980er Jahre wieder zu wachsen. Dieser Neuaufschwung der Kleingärtnerbewegung trifft mit der Verbreitung des Umweltbewusstseins sowie mit der gewachsenen Arbeitslosigkeit zusammen. Obwohl es keine hervorstechende, gesellschaftlich lebensnotwendige Funktion mehr gibt, ist die Kleingärtnerei durch ein Bündel von Leistungen in der Gesellschaft verankert: Nach wie vor gehören hierzu die Erholung, die Naturerfahrung, das soziale Zusammenleben mit seinen kompensato- rischen und integrativen Seiten sowie verschiedene städtebauliche und ökologische Leistungen. Hinzu kommt das Selbsterhaltungsinteresse der Vereine und Verbände, das von den Mitgliedern und Funktionären getra- gen wird. 6.4. Nutzer und Entscheidungsträger Nutzer der Kleingartenanlagen sind natürlich die KleingärtnerInnen sowie alle BesucherInnen, die z.B. durch eine Anlage spazieren gehen, die Kin- der, die auf den Spielplätzen spielen oder an gartenpädagogischen Akti- 705 MUNLV (Hg.) (2009), S.66-72 706 MUNLV (Hg.) (2009), S.45, S.162 6. Kleingärten und ihre Vereine 203 vitäten teilnehmen, in manchen Fällen auch die örtlichen Tafeln, die Obst oder Gemüse beziehen. Zu den indirekten Nutzern gehören überdies alle, denen z.B. die kleinklimatischen Verbesserungen zugute kommen und die mit dem Management und der Betreuung von Kleingartenanlagen zu tun haben. Ihnen stehen die Entscheidungsträger gegenüber, die sich im Laufe der Zeit sehr verändert haben. Bis zum ersten Weltkrieg waren die Kleingärtner als Pächter völlig abhängig von den Grundeigentümern, vor allem von Kommunen, Unternehmen, manchmal auch Landwirten und anderen Pri- vatpersonen. Manchmal waren die Pachtverträge mit den Arbeitsverträgen verknüpft, wenn der Verpächter zugleich der Arbeitgeber von Kleingärtnern war. Wenn sich beide Seiten einig waren, konnte der Eigentümer seine Fläche verpachten und der Kleingärtner seinen Garten bestellen. Wenn aber der Grundeigentümer eine rentablere Möglichkeit zur Verpachtung sah, konnte er dem Kleingärtner kündigen oder von ihm eine höhere Pacht verlangen. Genauso konnte der Kleingärtner den Pachtvertrag kündigen, wenn er einen besseren Garten gefunden oder womöglich gar kein Interesse mehr hatte. Derart schlichte Vertragsverhältnisse sind eine unsichere Angele- genheit und nicht geeignet, die Existenz von Kleingärten dauerhaft zu si- chern. Hinzu kommt, dass die Kräfte meistens asymmetrisch zu Gunsten der Eigentümer und zu Ungunsten der Pächter verteilt waren, so dass die Kleingärtner von den Verpächtern abhängig waren. Vor allem in Berlin hatte die Stadt kein Interesse an Verträgen mit den einzelnen Kleingärtnern. Die Stadt hat ihre Flächen meistbietend an Gene- ralpächter, häufig Gastwirte, verpachtet, die sie dann unter Auflagen wie dem Trink- und Verzehrzwang an Kleingärtner weiterverpachtet haben. Hierdurch wurde deren Abhängigkeit noch vergrößert. Eine Verbesserung der Strukturen erreichten die Kleingärtner durch die Gründung von Vereinen und später - vor allem seit den 1920er Jahren - durch ihren Zusammenschluss zu Stadt- und Bezirksverbänden. Diese demokratisch legitimierten Zusammenschlüsse stärkten ihre Position, er- möglichten eine Lobbyarbeit gegenüber Politik, Verwaltung und Wirtschaft sowie juristische und wirtschaftliche Selbsthilfe. Immer öfter traten Vereine und Verbände als Zwischenpächter auf. Mit der KGO von 1919 wurde diese Praxis verallgemeinert, so dass von nun an nur noch "Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts oder ein als gemeinnützig anerkanntes Unternehmen zur Förderung des Kleingartenwesens" zur Untervermietung berechtigt waren. Ab 1924 wur- den die Kleingärtnervereine nur dann als gemeinnützig anerkannt, wenn sie sich dem Reichsverband angeschlossen hatten.707 Damit waren die gewerblichen Generalpächter vom Geschäft der Unter- verpachtung ausgeschlossen. Zugleich wurden die Eigentümer von Staats wegen in die Pflicht genommen. Seit den Verordnungen von 1916 und erst recht durch die KGO von 1919 waren die drei Vertragsparteien (Eigentü- mer, Verein, Kleingärtner) an rechtliche Vorgaben gebunden. In Konflikt- fällen mussten die unteren Verwaltungsbehörden die entsprechenden Entscheidungen treffen und - die Pachtzinsen festsetzen, - brachliegende, aber kleingärtnerisch nutzbare Grundstücke unter Zwangspacht nehmen, 707 Kaisenberg (1924), S.17 6. Kleingärten und ihre Vereine 204 - einen Kündigungsschutz aussprechen, - Pachtverhältnisse verlängern oder aber auflösen. Hierfür wurden in den Stadt- und Landkreisen eigene "Kleingartenämter" eingerichtet, denen Sachverständigenbeiräte und Kleingartenbeiräte zur Seite standen. Verschiedentlich gab es auch noch Pachteinigungsämter bzw. Kleingartenschiedsgerichte. Auch wenn in den Beiräten und Schiedsgerichten Pächter und Verpächter vertreten waren,708 war die Position der Kleingärtner im Unterschied zu den früheren einfachen Pachtverhätnissen erheblich gestärkt. Einen Einschnitt brachte der Nationalsozialismus: die so genannte "Arisie- rung" der Kleingärten, der häufig gewaltsame Ausschluss von Juden aus den Kleingärtnervereinen und ihren Anlagen, die "Gleichschaltung" und das "Führerprinzip". Nachdem zunächst der Vorstand des Reichsverbandes der Kleingartenvereine Deutschlands (RVKD) durch das Reichsar- beitsmnisterium neu besetzt worden war, wurde noch im selben Jahr 1933 der gesamte RVKD aufgelöst und in den "Reichsbund der Kleingärtner und Kleinsiedler Deutschlands e.V." überführt. Von "oben nach unten" wurden nun die Vorstände der Kleingärtnerorganisationen neu bestimmt.709 Danach dauerte es nicht mehr lange, bis auch die Einigungsämter und die Kleingärtnerbeiräte aufgelöst wurden,710 die unter den Bedingungen der "Gleichschaltung" und des "Führerprinzips" keine Funktionen mehr hatten. Von nun an gab es nur noch den Reichsbund, der nicht demokratisch strukturiert war, sondern eine Zwangsvereinigung bildete, sowie die örtlichen Kleingartenämter und verschiedene Dienststellen in der Reichsregierung. Da aber in den Kleingärten Nahrungsmittel produziert wurden, die in den Städten dringend benötigt wurden, und Notunterkünfte genutzt werden konnten, genossen die Kleingärtner die Unterstützung der Reichsregierung, die den Auf- und Ausbau von Lauben und Behelfsheimen förderte und den Kündigungsschutz bekräftigte, solange sie wichtigeren, vor allem militärischen Belangen nicht im Wege standen.711 Dieser Schutz war also eher prekär, da er sich auf den Lebensmittelmangel stützte und unter einem militärischen Vorbehalt stand. Erst nach dem 2. Weltkrieg konnte wieder eine demokratisch legitimierte Kleingärtnerorganisation aufgebaut werden, denen in den Kommunen, Bundesländern und im Bund jeweils zuständige Ämter und Ministerien gegenüberstehen. In einigen Kommunen wurden auch wieder Kleingar- tenbeiräte oder Schlichtungskommissionen eingerichtet.712 1983 werden alle bisherigen Regelungen, auch eventuelle Kompetenzen von Kleingartenämtern, durch das Bundeskleingartengesetz ersetzt. Seit- dem stehen den Kleingärtnern als Pächtern und Nutzern folgende Ent- scheidungsträger gegenüber: - der Kleingärtnerverein regelt im Rahmen von übergeordneten Vor- schriften alle Angelegenheiten seiner Kleingartenanlage. Er hat die Anlage im allgemeinen vom übergeordneten Stadt-, Kreis- oder Be- zirksverband (manchmal aber auch unmittelbar vom Grundeigentümer) gepachtet und verpachtet die einzelnen Parzellen an seine Mitglieder weiter. Manchmal ist der Kleingärtnerverein sogar der Eigentümer 708 Kaisenberg (1924), S.33-45, S.163-175, S.180-215 709 Stein (2000), S.641-650; Gassner (1987), S.41; wieviele Personen ihre Ämter behiel- ten und wieviele ausgetauscht wurden, lässt sich nicht sagen. 710 Stein (2000), S.636 711 Stein (2000), S.677, S.685 712 Gerhards, Heider und Strack (1998), S.23 6. Kleingärten und ihre Vereine 205 seiner Anlage. Alle Kleingärtner einer Anlage sind zugleich Ver- einsmitglieder; - der Stadt-, Kreis- oder Bezirksverband hat im allgemeinen die Anlagen in seiner Stadt o.ä. vom Eigentümer gepachtet und verpachtet sie an seine Mitgliedsvereine. Die einzelnen Kleingärtnervereine sind im allgemeinen Mitglied im übergeordneten Verband; - der Grundeigentümer, in den meisten Fällen die Stadt oder Gemeinde, manchmal auch ein privater Eigentümer, in seltenen Fällen der Kleingärtnerverein; - die Stadt oder Gemeinde als Planungsträger, die in ihren Bauleitplä- nen das Kleingartengelände als Dauerkleingarten ausweisen kann. Die maßgeblichen Entscheidungsträger sind die Grundeigentümer und die Planungsträger. Formell sind die Nutzer an ihren Entscheidungen nicht beteiligt. Allerdings sind die Entscheidungsträger gesetzlich in ihren Kom- petenzen beschränkt. Hinzu kommt die Organisation der Kleingärtner in Vereinen und Verbänden, die durch Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit er- heblich besser als nicht-organisierte Freiraumnutzer politischen Druck und indirekten Einfluss auf die Entscheidungsträger ausüben können. 6.5. Regelwerk und Instrumente der Kleingartenpolitik Die Kleingartenpolitik muss Konflikte zwischen den Kleingärtnern und zwi- schen den Kleingärten und anderweitigen Nutzungen regeln. Hierfür ste- hen ordnungs- und leistungspolitische Instrumente zur Verfügung sowie institutionelle oder organisatorische Regelungen. 6.5.1. Ordnungspolitische Aspekte Die Ordnungspolitik arbeitet mit Ge- und Verboten, d.h. mit rechtlichen Eingriffen in das Marktgeschehen. Diese Art der Kleingartenpolitik begann 1916 mit den Bundesratsverordnungen zu den Pachtpreisen und zur Landbeschaffung und setzte sich fort über die KGO von 1919 mit einer Vielzahl von Ausführungsbestimmungen bis zum Bundeskleingartengesetz von 1983 und seinen späteren Änderungen. Mit den Aufbaugesetzen in den Bundesländern nach dem Zweiten Weltkrieg, erst recht aber mit dem Bundesbaugesetz von 1960 und dem Baugesetzbuch als seinem Nachfol- ger wurde ein weiteres, planungsrechtliches Instrumentenbündel in die Kleingartenpolitik eingeführt. Die Instrumente im einzelnen regeln insbesondere - die Höhe der Pachtzinsen, - den Kündigungsschutz und die Laufzeit der Pachtverträge bzw. die Kündigungsbedingungen und - die Landbeschaffung durch die früher mögliche Zwangspacht oder die heutige Ausweisung in Bauleitplänen. Die historische Entwicklung dieser Regelungen erscheint zunächst als widersprüchlich, weil bei den Veränderungen von Rechtsvorschriften in vielen Fällen Verschärfungen und Lockerungen zusammentrafen. So wur- den während des Nationalsozialismus die Kündigungsmöglichkeiten sei- tens der Verpächter eingeschränkt, während sich der Staat neue Rechte einräumte, um Kleingartenflächen vor allem für militärische Zwecke in An- 6. Kleingärten und ihre Vereine 206 spruch zu nehmen. Nach dem zweiten Weltkrieg wurden die Kündigungs- möglichkeiten ausgiebig für die Baulandbeschaffung genutzt. Seit den 1960er Jahren wurde die Möglichkeit der Zwangspacht zur Landbeschaf- fung aufgrund von Gerichtsurteilen immer stärker eingeschränkt, während das Planungsrecht die Ausweisung von Dauerkleingärten vorsah, dafür allerdings das Einverständnis des Grundeigentümers brauchte. In den 1980er Jahren kam es allerdings zu einer dreigeteilten Entwicklung und zu entsprechend unterschiedlichen Entscheidungsstrukturen: - Durch das neue Bundeskleingartengesetz von 1983, das die alte KGO ersetzte, verloren Anlagen auf privatem Grund und mit befristeten Pachtverträgen ihren bisherigen staatlichen Schutz. Es galt wieder ein einfaches Pachtverhältnis, das vom Verpächter gekündigt werden konnte und entsprechend unsicher war. - Zugleich bekamen Anlagen auf kommunalem Grund und Boden den Status einer Dauerkleingartenanlage. - Diesen Status konnten die Kommunen im Rahmen der Bauleitplanung auch Anlagen auf privatem Grundeigentum zusprechen, wenn der je- weilige Eigentümer einverstanden war. Per Gesetz, d.h. aufgrund des Bundeskleingartengesetzes von 1983 oder einer Ortssatzung im Rahmen der Bauleitplanung erhielt der Pachtvertrag zwischen dem Grundeigentümer und dem zuständigen Kleingärtnerver- band eine zusätzliche Absicherung. Wenn das Gelände von Kleingärten einer anderweitigen Nutzung zur Verfügung gestellt werden soll, reicht es nicht mehr aus, die Pachtverträge zu kündigen. Zuvor muss der betref- fende Bauleitplan geändert werden, und die Kommune hat gemäß § 14 Bundeskleingartengesetz "geeignetes Ersatzland bereitzustellen oder zu beschaffen". Somit sind Kleingärten gegenüber anderweitigen Nutzungs- interessen rechtlich geradezu dreifach abgesichert. Innerhalb der Kleingartenanlagen ist die angemessene Nutzung dadurch sichergestellt, dass alle Nutzer zugleich Pächter und Vereinsmitglieder sind, sich in ihren Pachtverträgen und durch die Vereinssatzungen zu einer angemessenen Nutzung verpflichtet haben und einer Kontrolle durch ihre Gartennachbarn, andere Vereinsmitglieder und Vereinsorgane unterliegen. 6.5.2. Leistungspolitische Aspekte Bereits in ihrer Anfangszeit wurde die Kleingartenbewegung durch Kom- munen und einzelne Unternehmen gefördert: durch die Zurverfügungstel- lung von Flächen und die (Re-) Kultivierung des Bodens, vor allem unter Einsatz von Arbeitslosen. 1910 begann auch das zentralstaatliche leistungspolitische Engagement, und zwar mit - in heutigen Worten - Beratungsleistungen: Zunächst wurde in einem Rundschreiben allen Wohlfahrtsorganisationen, die in der Ar- menpolitik tätig waren, die Förderung von Arbeiter- und Schrebergärten empfohlen. Zwei Jahre später fand die Tagung der "Zentralstelle für Volkswohlfahrt" statt, auf der nach einer vorbildlichen Recherche über die Bedeutung und den Unterstützungsbedarf der Kleingartenbewegung be- raten wurde. Weitere vier Jahre später wurde mit der "Zentralstelle für den Gemüsebau im Kleingarten" eine zentrale Beratungsstelle für alle Kleingartenfragen eingerichtet. In unterschiedlichem Umfang wird diese Leistungspolitik bis heute fortge- setzt: Bereitstellung von Flächen, finanzielle oder physische Unterstützung 6. Kleingärten und ihre Vereine 207 bei der Bodenkultivierung und Ersteinrichtung von Anlagen (z.B. auch Verlegen von Leitungen und Kanalisationsanschlüssen), institutionelle finanzielle Förderung für die Beratung der Kleingärtner.713 6.5.3. Organisatorische Aspekte Unter Organisationspolitik möchte ich die Schaffung von Institutionen in einem Politikfeld, die Kompetenzzuweisung an diese Institutionen und die Art und Weise, wie sie geschaffen werden, verstehen.714 Die ersten organisatorischen Entwicklungen im Ruhrgebiet sind auf die Gartenfreunde selbst zurückzuführen, nämlich die Gründung ihrer Vereine. Immerhin wurden sie bereits seit dem Ende des 19. Jahrhunderts in ihrem Aufbau unterstützt. Unterstützer waren Unternehmer wie Krupp in Essen, der den Kruppschen Gartenbauverein ins Leben gerufen hat, angesehene städtische Bürger wie der Dortmunder "Holzschuhprofessor" Höfken, der zur Gründung des Gartenbauvereins von 1896 aufgerufen hatte, sowie verschiedene städtische Beamte. Die Art der Unterstützung kann man als Beratungs- und Organisationsdienstleistung bezeichnen: der Gründungs- aufruf musste geschrieben und veröffentlicht werden, die Versammlungs- leitung und Vorstandsaufgaben mussten übernommen werden. Anfang des 20. Jahrhunderts war die Vereinsgründung die vorherrschende orga- nisatorische Strategie. Vor allem von den Vaterländischen Frauenvereinen wurden damals auch die Arbeitergärten vom Roten Kreuz eingerichtet. Allerdings gab es zwischen den verschiedenen Vereinen einen gravieren- den Unterschied: Während die einen unter dem Dach des Roten Kreuzes pa- oder matriarchalisch aufgebaut waren, haben sich die anderen Klein- gärtnervereine selbst verwaltet, wobei z.B. Lehrer häufiger in die Vorstände gewählt wurden als Arbeiter. In der Weimarer Republik festigte sich das Vereinswesen im Kleingarten- bereich. Immer mehr Menschen schlossen sich in Kleingärtnervereinen und die sich wiederum in Dachverbänden zusammen, wobei sie durch die KGO von 1919 und die nachfolgenden Ausführungsbestimmungen begünstigt wurden. Während per Gesetz die gewerblichen Generalpächter für unzulässig erklärt wurden, bekamen die Vereine oder ihre Stadtverbände die Aufgaben des Zwischenpächters. Weiterhin wurden mit den örtlichen Verwaltungsbehörden, Sachverständi- genausschüssen und Kleingartenbeiräten neue Institutionen ins Spiel ge- bracht mit jeweils eigenen Kompetenzen, so dass ein Netzwerk unter- schiedlicher Institutionen entstand, die sich für das Kleingartenwesen ein- setzten. Nachdem diese weitgehend demokratischen Strukturen durch die Natio- nalsozialisten zerstört worden waren, wurden sie nach dem 2. Weltkrieg auch nur unvollständig wiederhergestellt. Angeregt durch die britische Be- satzungsbehörde konnte sich die Selbstverwaltung der Kleingärtner in demokratisch aufgebauten Vereinen rekonstruieren, während die Sach- verständigenausschüsse und Kleingartenbeiräte auf kommunaler Ebene nur vereinzelt wieder eingerichtet wurden. Dabei fällt dieser unvollständige 713 Buhtz, Lindner und Gerth (2008), S.21-24, S.39-41; MUNLV (Hg.) (2009), S.44 f, S.128-132, S.188 f, S.264-268 714 Das frühere Berliner Verfahren, Pachtflächen auszuschreiben und an den Meistbieten- den zu vergeben, das die Institution des Generalpächters hervorgerufen hat, der den Kleingärtnern mit Pachterhöhungen, Trink- und Verzehrzwängen das Leben schwer gemacht hat, kann bereits als organisationspolitische Maßnahme angesehen werden. 6. Kleingärten und ihre Vereine 208 institutionelle Wiederaufbau genau in die Zeit, in der die Flächen vieler Kleingärten für neue Wohngebiete, Straßen und Gewerbegebiete bean- sprucht wurden. Es ist nicht auszuschließen, dass die Kündigung von Gartenflächen einfacher vonstatten ging, seitdem diese Clearingstellen nicht mehr beteiligt werden mussten. Durch die gleichzeitig verringerte Nachfrage nach Kleingärten haben sich diese Konflikte allerdings ent- schärft. Seit den 1980er Jahren wurde die kleingärtnerische Position teilweise wie- der gestärkt, und zwar durch eine staatlich-kommunale Selbstbindung. Ausgangspunkt ist das kommunale Grundeigentum. Kleingartenanlagen auf kommunalem Grund und Boden erhielten durch das Bundeskleingar- tengesetz von 1983 den Status einer Daueranlage. Ihre Pächter, d.h. Ver- eine und Verbände, wurden dadurch nahezu unkündbar. Wenn dann noch eine entsprechende Ausweisung in den zugehörigen Bauleitplänen hinzu- kam, genossen die Kleingartenanlagen einen mehrfachen Schutz: durch die pachtvertraglichen Regelungen, durch die Bindungen aufgrund des Bundeskleingartengesetzes und durch die planerische Ausweisung. Grundlegend blieb aber in jedem Fall das Interesse der Kleingärtner an der Gartennutzung und ihre Selbstbindung durch die Vereinssatzungen. 6.5.4. Zwischenresümee Das Instrumentarium der Kleingartenpolitik ist ausgesprochen vielgestaltig. Grundlegend ist der Zusammenschluss der Kleingärtner in Vereinen und Dachverbänden. Einerseits können die Kleingärtner innerhalb ihrer Vereine die angemessene und zulässige Nutzung und Pflege ihrer Kleingärten und ihrer Gemeinschaftseinrichtungen regeln. Andererseits verbessern die Vereine und Verbände die Verhandlungspositionen der Kleingärtner gegenüber den Grundeigentümern sowie gegenüber Politik und Verwal- tung. Überdies werden die Kleingärtner und ihre Organisationen von Unterneh- men, Staat und Kommunen materiell und durch Dienstleistungen unter- stützt. Hinzu kommen rechtliche Regelungen, die den Pachtpreis begren- zen, die Bedingungen für die Kündigung von Pachtverträgen einschränken und als Zwischenpächter nur gemeinnützige Organisationen oder Kom- munen zulassen. Insofern weisen die Kleingärtnervereine eine strukturelle Ähnlichkeit mit Markgenossenschaften und Common-Property-Institutionen auf, die ebenfalls intern nach eigenen Regeln organisiert sind und extern die Ak- zeptanz übergeordneter Instanzen genossen. Ähnlich sah Karl von Man- gold, Generalsekretär des Deutschen Vereins für Wohnungsreform, schon vor hundert Jahren in den Kleingärten "eine Art moderner Wiederbelebung des alten Gedankens der Allmende ..., deren radikale Beseitigung in vielen Teilen Deutschlands ein großes Unglück war." 715 715 zitiert nach: Kaup (1913), S.281; allerdings verfügten die Markgenossenschaften nicht nur im Bereich der Nutzung, sondern darüber hinaus auch auf dem Gebiet der Regelsetzung über Rechte, die über die Kompetenzen der Kleingärtner erheblich hinausgingen. 6. Kleingärten und ihre Vereine 209 6.6. Ergebnisse Während am Ende des 19. Jahrhunderts die land- und forstwirtschaftlichen Flächen weiter abnehmen und der Freiraumanteil in manchen Städten schon unter 50 Prozent sinkt, tritt nach der Stadtparkbewegung eine neue Gegenströmung auf: die der Kleingärtner. Diese Bewegung wurde von Arbeitern, Angestellten und Beamten, also von der werktätigen Bevölkerung getragen, frühzeitig von Unternehmen und Kommunen unter- stützt und hat - nach ihrem staatsunabhängigen, "wilden" oder autonomen Start - bis heute vier Entwicklungsphasen durchlaufen. In der ersten Phase - allenfalls unterbrochen durch die kurzen "Goldenen Zwanziger" - erfüllten die Kleingärten gesellschaftlich lebensnotwendige Funktionen: Hier wurden Lebensmittel angebaut, Notunterkünfte bewohnt und zeitweise auch Erwerbslose in staatlich finanzierten Arbeitsbeschaf- fungsmaßnahmen eingesetzt. Bereits in der Mitte des Ersten Weltkriegs setzten die ersten staatlichen Regelungen für Kleingärten ein und wurden im Laufe der Zeit immer differenzierter. Trotzdem kam es nicht zu einer Verstaatlichung der Kleingärtnerbewegung. Vielmehr waren ihre Vereine und Verbände intern demokratisch strukturiert und extern in ein unterstüt- zendes Netzwerk eingebunden: Zu diesem gehörten die kommunalen Kleingartenämter, die übergeordneten, zuständigen Ministerien und Politi- ker auf den verschiedenen Ebenen. Schließlich zählten auch Clearing- stellen wie die Kleingarten- und Sachverständigenbeiräte dazu. Die internen demokratischen Strukturen, das Netzwerk sowie die koopera- tiven Clearingstellen wurden während des Nationalsozialismus zerstört. Arisierung, Gleichschaltung und Führerprinzip verwandelten die Kleingar- tenvereine und -verbände in ausführende Organe nationalsozialistischer Politik. Um während des Zweiten Weltkrieges die Kartoffel-, Obst- und Gemüseproduktion sowie die Unterkunftsmöglichkeiten in Lauben zu un- terstützen, wurde der Kündigungsschutz gegenüber den Verpächtern bei- behalten, für militärische Zwecke aber zugleich gelockert. Nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Wiederaufbau rückten die produkti- ven Funktionen in den Hintergrund, während die Erholungsfunktion domi- nant wird. Auch die weiteren Funktionen im pädagogischen, sozialen und ökologischen Bereich werden immer wichtiger. Zudem erfüllten viele Kleingärten in den 1950er und 1960er Jahren - unfreiwillig - die städtebau- liche Funktion der Reservefläche für Wohn- und Gewerbegebiete. Per Saldo ist in dieser Zeit die Zahl der Kleingärten deutlich geschrumpft. Im- merhin wurden die demokratischen Strukturen wieder aufgebaut, wobei das Netzwerk zumeist unvollständig blieb, weil die oben genannten Clea- ringstellen häufig fehlten. Erst Ende der 1970er Jahre begann ein erneutes, langsames Wachstum. Allerdings mussten aufgrund des neuen Bundeskleingartengesetzes von 1983, das alle bisherigen Regelungen ersetzte, die Kleingärtner mit be- fristeten Pachtverträgen auf privaten Flächen wieder mit Kündigungen rechnen. Demgegenüber genießen die Anlagen auf öffentlichen Flächen seitdem den Status einer Dauerkleingartenanlage. Weitere Dauerklein- gartenanlagen können die Kommunen durch entsprechende Bauleitpläne einrichten. Diese Anlagen haben den Charakter einer modernen Allmende mit einer demokratischen internen Selbstverwaltung der Nutzer und einer komplexen externen Absicherung. Aus der Sicht des Common-Property-Ansatzes muss eingeräumt werden, dass Kleingärten seit der Nachkriegszeit keine lebensnotwendigen Funkti- 6. Kleingärten und ihre Vereine 210 onen mehr erfüllen, denn der Nahrungsmittelmangel ist auf absehbare Zeit überwunden. Trotzdem sind die Funktionen, denen die Kleingärten dienen, in den Städten bzw. Verdichtungsräumen nach wie vor wichtig, vor allem für die Kleingärtner, ihre Familien und alle anderen Nutzer. Den Nutzern stehen die Entscheidungsträger gegenüber, wobei die Grundeigentümer und die Planungsträger, beide zumeist in Gestalt der Kommune, am wichtigsten sind. Formell sind die Kleingartennutzer an den Entscheidun- gen der Kommune zwar nicht beteiligt. Allerdings verleiht das Bundes- kleingartengesetz den Kleingärtnern ein großes Maß an Sicherheit vor anderen Nutzungsansprüchen, und die Kleingärtner selbst können über ihre vielfältigen organisatorischen Strukturen mithilfe von Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit indirekten Einfluss auf die Entscheidungsträger ausüben. Dies schlägt sich in der umfangreichen kommunal- und landespolitischen Unterstützung für die Kleingärtner nieder. Die bestehende Nachfrage vieler Menschen nach Kleingärten, die Selbst- verwaltung der Kleingärtner und ihre staatlich-kommunale Anerkennung sind daher die wichtigsten Faktoren, die den Kleingärten als besonderem Freiraumtyp den Charakter einer recht stabilen Common-Property-Institu- tion geben. 7. Der Regionalverband Ruhr, seine Vorgänger und die Verbandsgrünflächen 211 7. Der Regionalverband Ruhr, seine Vorgänger und die Verbandsgrünflächen Dass die Freiraumverluste im Ruhrgebiet ein wichtiges Problem waren, wurde 1910 auch bei der Düsseldorfer Städtebauausstellung deutlich, an deren Rande Regierungs- und Kommunalvertreter über einen "National- park für den rheinisch-westfälischen Industriebezirk" berieten. Das war der Ausgangspunkt für die spätere Denkschrift von Robert Schmidt, die schon bei ihrem Erscheinen 1912 auf die Alternativvorstellungen von Friedrich Strehlow traf. Doch erst 1920, nach dem Ersten Weltkrieg, wurden der "Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk" (SVR) gegründet und die "Ver- bandsgrünflächen" als eines der ersten planerischen und öffentlich-rechtli- chen Instrumente zum Freiraumschutz eingeführt. Die Entstehungsge- schichte, die Wirkungen und Grenzen dieses Instrumentes sollen im fol- genden beschrieben werden. 7.1. Die Anfänge des Siedlungsverbandes und seine weitere Entwicklung Nach den ersten programmatischen Schriften, in denen der Freiraum - theoretisch - ein wesentliches Element der Stadtstruktur bildete,716 began- nen Ende des 19. Jahrhunderts mehrere Städte und Regionen in ver- schiedenen Ländern mit einer praktischen Freiflächenpolitik. Wie Bauer717 zeigt, hatten zunächst die Verantwortlichen in einigen nord- amerikanischen Großstädten erkannt, dass es mit einzelnen, über das Stadtgebiet verteilten Parkanlagen nicht getan war. Sie begannen, aus ihren Grünflächen zusammenhängende Parksysteme aufzubauen. Im deutschsprachigen Raum war Wien die erste Großstadt, die schon 1905 umfangreiche miteinander verbundene Freiflächen sicherte: den Wald- und Wiesengürtel, zu dem auch der berühmte Wienerwald gehört. 716 Bauer, J. (1996): Entwicklung städtischer Freiflächensysteme als integraler Bestand- teil des Städtebaus, 1850-1930. Beiträge zur räumlichen Planung. Schriftenreihe des Fachbereichs Landschaftsarchitektur und Umweltentwicklung der Universität Hanno- ver, Heft 45, Hannover, S. 30 ff; Bauer verweist insbesondere auf: - Arminius (1874): Die Großstädte in ihrer Wohnungsnoth und die Grundlagen einer durchgreifenden Abhilfe, Leipzig; - Fritsch, Th. (1896): Die Stadt der Zukunft, Leipzig; - Howard, Ebenezer (1907): Gartenstädte in Sicht, Jena; vgl. auch: Breitling, Peter (1975): Fragen zur Geschichte der städtischen Grünflä- chenpolitik, in: Akademie für Raumforschung und Landesplanung (Hg.) (1975): Städtisches Grün in Geschichte und Gegenwart, Forschungs- und Sitzungsberichte, Band 101, Hannover, S.25-40, hier: S.27-31 717 zum folgenden: Bauer (1996), S.93 ff, S.36, S.85 f, S.37 f; so auch: Petz, Ursula von (1995): Vom Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk zum Kommunal- verband Ruhrgebiet: 75 Jahre Landesplanung und Regionalpolitik im Revier, in: Kommunalverband Ruhrgebiet (Hg.) (1995b): Wege, Spuren. Festschrift zum 75jährigen Bestehen des Kommunalverbandes Ruhrgebiet, Essen, S.7-67, hier: S.11 f; zu Wien: Lichtenberger, Elisabeth (1975): Aspekte zur historischen Typologie städti- schen Grüns und zur gegenwärtigen Problematik, in: Akademie (1975), S.13-24, insb. S.22 7. Der Regionalverband Ruhr, seine Vorgänger und die Verbandsgrünflächen 212 1910 schrieb die Stadt Berlin einen Wettbewerb zur Gestaltung ihrer wei- teren Entwicklung aus. Den Teilnehmern am Wettbewerb wurden die Parksysteme in Wien und in Nordamerika als Vorbilder empfohlen. Die Wettbewerbsergebnisse wurden - neben den internationalen Beispielen - umgehend in der "Allgemeinen Städtebau-Ausstellung" in Berlin präsen- tiert. Im Ruhrgebiet war indessen im Jahr 1907 in der "Rheinisch-Westfälischen Zeitung" - anonym - "Ein Generalbau- und Wegeplan für das Industriege- biet" veröffentlicht worden, der unter anderem ein zusammenhängendes Grünflächensystem vorsah. Zunächst ist dieses Konzept bei den Kommu- nen und bei den zuständigen Regierungspräsidenten auf Ablehnung ge- stoßen, bis die Berliner Ausstellung auch in Düsseldorf besichtigt werden konnte.718 Wie Robert Schmidt später berichtete, brachte die "Städtebauausstellung in Düsseldorf im Jahre 1910 ... die Anregung eines Versu- ches, für den rheinisch-westfälischen Industriebezirk die Frage der Grünflächen planmäßig zu lösen." 719 Auf Einladung des Düsseldorfer Regierungspräsidenten Dr. Kruse trafen sich am 29. November 1910 mehrere Vertreter rechtsrheinischer Stadt- und Landkreise, "um die Frage eines Nationalparks für den rheinisch-westfälischen Industriebezirk vertraulich und unverbindlich zu besprechen. Der Begriff 'Nationalpark' wurde dabei dahingehend festgelegt, daß kein abseits liegender Park gemeint sei, sondern ein Wiesen- und Waldgürtel, von allen beteiligten Gemeinden leicht erreichbar, der den Bezirk in möglichst zusammenhängenden Zügen durchzieht." 720 Der Verweis auf die Nationalparks in Nordamerika gehörte in Deutschland seit den 1890er Jahren zu den Grundgedanken des Heimatschutzes. Ausdrücklich schrieb Ernst Rudorff, der Initiator der Heimatschutzbewe- gung, im Jahr 1897: "In Amerika, dem Lande der vollkommenen Nüchternheit, hat man es fertig ge- bracht, mehrere große Gebiete zu 'Nationalparken' zu erklären und damit vor jeder Verunglimpfung durch Fabriken oder sonstige spekulative Unternehmungen ein für alle Male zu schützen. Diesem Beispiel sollte man bei uns - wenn auch nicht buchstäblich - folgen." 721 Auch der preußische Abgeordnete Wilhelm Wetekamp, Oberlehrer in Breslau, wies 1898 auf die "5 'National Parks', wie man sie dort nennt", hin und forderte für Deutschland die Einrichtung von "Staatsparks", nachdem schon im Jahr zuvor Graf von Tschirschky-Renard trotz der Unterstützung durch mehr als fünfzig Mitglieder des preußischen Herrenhauses erfolglos beantragt hatte, den Berliner Grunewald zu einem "Staatspark" zu erklären und zu einem Urwald zu entwickeln.722 718 Petz (1995), S.10 f 719 Schmidt, Robert (1912): Denkschrift betreffend Grundsätze zur Aufstellung eines General-Siedelungsplanes für den Regierungsbezirk Düsseldorf (rechtsrheinisch), Essen, S.1 720 Schmidt (1912), S.1 721 Rudorff, Ernst (1926): Heimatschutz. Naturschutz Bücherei, Band 4, Berlin, S.83 f 722 Wetekamp (1898), in: Stenographische Berichte über die Verhandlungen der durch die Allerhöchste Verordnung vom 22. Dezember 1897 einberufenen beiden Häuser des Landtages. Haus der Abgeordneten, 18. Legislaturperiode, 5. Session, Dritter Band (Berlin 1898), 59. Sitzung am 30. März 1898, S.1958 f; Graf von Tschirschky-Renard (1897): Antrag, in: Stenographische Berichte über die Verhandlungen der durch die Allerhöchste Verordnung vom 26. Oktober 1896 zum 20. November 1896 einberufenen, am 24. Juli 1897 geschlossenen beiden Häuser des Landtages der Monarchie. Anlagen. Herrenhaus, 18. Legislaturperiode, 4. Session, Zweiter Band, (Berlin 1897) Drucksache Nr.98, S.430; 7. Der Regionalverband Ruhr, seine Vorgänger und die Verbandsgrünflächen 213 Während die Nationalpark-Idee auf ihrem Weg durch die preußische Politik und Verwaltung zur Naturdenkmalpflege723 schrumpfte und von Hermann Löns als "Naturdenkmälerchensarbeit" und "Pritzelkram" bissig kritisiert wurde,724 griffen der "Kosmos, Gesellschaft der Naturfreunde", der Dürerbund und der Oesterreichische Reichsbund für Vogelkunde und Vo- gelschutz die Idee des Nationalparks wieder auf. Im Frühjahr 1909 forderte Kurt Floericke in ihrem Namen die "Schaffung eines möglichst großen Naturschutzparkes, also einer Art Yellowstone- Park im kleinen." 725 Damit startete der Aufbau des "Vereins Naturschutzpark e.V.", der 1910 mit dem Flächenerwerb für den Naturschutzpark Lüneburger Heide be- gann, als Kommunalpolitiker und Verwaltungsvertreter im Ruhrgebiet die Idee eines Nationalparkes ebenfalls aufgriffen. Nach verschiedenen Beratungen wurde Robert Schmidt "die Ausarbeitung einer Denkschrift" 726 übertragen. Zur selben Zeit hat sich Friedrich Streh- low in seiner Dissertation727 mit den gleichen Fragen auseinandergesetzt, um in mehreren Punkten zu gegensätzlichen Ergebnissen zu kommen. Beide Positionen werden, vor allem in ihren freiraumrelevanten Aussagen im folgenden skizziert. 7.1.1. Robert Schmidt und der General-Siedelungsplan Anders als in der Grünflächenkommission besprochen, hat Schmidt kein Konzept für den Aufbau eines Nationalparks und für die Lösung der Grün- flächenfrage im Ruhrgebiet ausgearbeitet. Stattdessen hat er in seiner "Denkschrift betreffend Grundsätze zur Aufstellung eines General-Siedelungspla- nes für den Regierungsbezirk Düsseldorf (rechtsrheinisch)" Stenographische Berichte über die Verhandlungen der durch die Allerhöchste Verord- nung vom 26. Oktober 1896 zum 20. November 1896 einberufenen, am 24. Juli 1897 geschlossenen beiden Häuser des Landtages der Monarchie. Herrenhaus, 18. Legis- laturperiode, 4. Session, Erster Band (Berlin 1897), 21. Sitzung am 31. Mai 1897, S.450-456 723 Conwentz, Hugo (1905): Die Gefährdung der Naturdenkmäler und Vorschläge zu ihrer Erhaltung. Denkschrift, Berlin; Bock, W. (o.J. - 1925): Die Naturdenkmalpflege, Stuttgart 724 Hermann Löns 1911, zitiert nach: Schoenichen, Walther (1954): Naturschutz, Heimat- schutz. Ihre Begründung durch Ernst Rudorff, Hugo Conwentz und ihre Vorläufer, Stuttgart, S.279 725 Floericke, Kurt (1909): Umschau über die Naturschutzbewegung, in: Naturschutz- und Naturparke, Heft 93 (1979), S.1-8, hier: S.6 726 Schmidt (1912), S.1; vom Essener Oberbürgermeister Erich Zweigert (Amtszeit 1886-1906) war der Regie- rungsbaumeister Robert Schmidt, zuletzt tätig bei der Wasserbauinspektion Ruhrort, gegen Ende des Jahres 1901 ins Bauamt der Stadt Essen berufen worden und dort zum Technischen Beigeordneten aufgestiegen. Benedict, Andreas (1996): Das Ruhrgebiet und der SVR/KVR. Eine Dokumentation der Verbandsgeschichte, hg. vom Kommunalverband Ruhrgebiet, Essen, S.37 f 727 Strehlow, F. (1911): Die Boden- und Wohnungsfrage des rheinisch-westfälischen Industriebezirkes, Diss. Münster, Essen; Strehlow war 1913 "wahrscheinlich als Stadtbauinspektor Leiter des Liegenschafts- und des Vermessungsamtes" der Stadt Oberhausen und seit 1918 Leiter des Dort- munder Wohnungsamtes und in Personalunion Direktor der DoGeWo (Dortmunder Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft); Kastorff-Viehmann, Renate (1995b): Die Planer und Städtebauer, in: Kastorff- Viehmann, Renate, Ursula von Petz und Manfred Walz (1995): Stadtentwicklung Dortmund: Die moderne Industriestadt 1918-1946. Dortmunder Beiträge zur Raum- planung 70, Dortmund, S.299-314, hier: S.313 Fußnoten 37 und 38; Kastorff-Viehmann, Renate (1995a): Wohnungsbau und Siedlungswesen, in: Kastorff- Viehmann, Petz und Walz (1995), S.89-166, hier: S.92, S.96 7. Der Regionalverband Ruhr, seine Vorgänger und die Verbandsgrünflächen 214 Forderungen zur "Lösung der Siedelungsfrage" aufgestellt. Dabei verfolgte er das "Endziel, einen einwandfreien, den modernen Lebensbedingungen angepaßten Großstadtorganismus zu schaffen." Nachdem seine Forderungen "nicht in allen Punkten die Zustimmung der Kommission" gefunden hatten, stellte Schmidt die Akteure vor die Frage, "ob die Aufgabe auf die Grünflächenfrage beschränkt werden kann, wie ursprüng- lich beabsichtigt war, oder ob sie, wie in der Denkschrift verlangt ist, erweitert wer- den muß zur allgemeinen Siedlungsfrage." Aus seiner Sicht hat er das vorgegebene Thema also nicht verfehlt, son- dern ist mit seiner Denkschrift sogar "über die ursprünglich gestellte Auf- gabe hinausgegangen".728 Ausgesprochen materialreich behandelte Schmidt die Bevölkerungsent- wicklung, ihre Struktur und ihre räumliche Verteilung, die Wohnverhältnisse und die Bauweisen, die Verkehrsverhältnisse und natürlich auch die Ausstattung der Gemeinden mit Grünflächen.729 Auf diese Aussagen will ich mich konzentrieren, da es hier um Freiraumfragen geht. Schmidt zufolge "sehen wir die Grünflächen in dreierlei Form vor uns, die ausgedehnten Flächen außerhalb der Ortslage, der Wald- und Wiesengürtel, die von ihm nach dem Stadtkern zu radial verlaufenden Grünzüge und endlich, als minderwertiger Ersatz für sie, die inselförmig auftretenden Grünflächen verschiedenen Umfangs. Als Bindeglieder und Zugänge zu ihnen erscheinen dann die Alleen und Schmuckstra- ßen mit Vorgärten." 730 Schmidt analysierte die Größe verschiedener Typen von Grünflächen, ihr Verhältnis zur Einwohnerzahl, ihre Verteilung innerhalb der Stadt- und Landkreise sowie ihre Eigentümerstruktur. Auf dieser Grundlage schlug er den Kommunen für einen weitergehenden Grünflächenschutz vor, dass "vorläufig genügend große Flächen an geeigneter und planmäßig bestimmter Stelle von der Bebauung frei gehalten werden" 731 sollten. Insbesondere dürften dort keine Bebauungspläne mehr genehmigt werden. Dieser Schutz der Freiflächen widerspreche noch nicht einmal der weiteren baulichen Entwicklung, "denn es steht noch für fünfzig bis hundert Jahre freies Bauland zur Verfügung".732 Allerdings fürchtete Schmidt, dass auch bei konsequenter Anwendung des Planungsrechts, insbesondere des Bauverbotes nach dem Fluchtlinienge- setz, "die Grünflächen noch nicht dauernd gesichert" sind. Schmidt sah das Problem und seine Lösung in der Eigentumsfrage: "Die Grünflächen sind nun durchaus kein dauerhafter Bestand. Als dauernder Be- stand kann zurzeit nur der in dem Gemeindeeigentum befindliche angenommen werden". 733 In allen anderen Fällen "bedarf es des Übergangs an einen Eigentümer, der ihre dauernde Erhaltung ge- währleistet. Als solcher Eigentümer kommt in Frage die Gemeinde, die Provinz, die gemeinnützige Genossenschaft, der Genossenschaftsverband." 734 728 Schmidt (1912), Vorwort 729 zu den Grünflächen: Schmidt (1912), S.65-75 730 Schmidt (1912), S.66 731 Schmidt (1912), S.90, S.75 732 Schmidt (1912), S.92 733 Schmidt (1912), S.69 7. Der Regionalverband Ruhr, seine Vorgänger und die Verbandsgrünflächen 215 Auch gemeinnützige Gesellschaften, wie z.B. Verschönerungsvereine, schienen ihm als Träger von Freiflächen geeignet.735 Um die Kosten für den Grunderwerb abzuschätzen, stellte Schmidt fol- gende Rechnung auf: Im rechtsrheinischen Teil des Regierungsbezirks Düsseldorf müssten allein 21.000 Hektar regional bedeutsamer Großgrün- flächen, die noch im Privateigentum standen, in öffentlichen Besitz ge- bracht werden. (Den Umfang der kleinen Grünflächen konnte er in seiner Denkschrift nicht quantifizieren.) Würde ihr Erwerb durch eine öffentliche Anleihe mit 4% Zinsen und 1% Tilgung vorfinanziert, dann müsste jeder "Zensit ... pro Kopf und Jahr 11,45 Mark oder täglich 3,2 Pfennig (aufbringen). Die gesamte Schuld wäre in 41 Jahren getilgt." 736 Da sich aber wahrscheinlich nicht jeder Privateigentümer auf den Verkauf seiner derzeitigen Freiflächen einlassen würde, forderte Schmidt für Grün- flächen die Möglichkeit zur Enteignung, so wie sie auch für andere Zwecke durch besondere Enteignungsgesetze geregelt war.737 Nachdem Schmidt darüber hinaus auch Überlegungen zum Verkehrswe- sen, zu den erforderlichen Bauvorschriften sowie zur ästhetischen Ge- staltung der Gebäude angestellt und daraus die Notwendigkeit eines ent- sprechend übergreifenden Planwerkes abgeleitet hatte, fragte er schließ- lich: "wer soll den durch endgültige Bearbeitung festgelegten Generalsiedelungsplan durchführen, wer soll seine Durchführung überwachen? Sofort hört man den Ruf: Ein Zweckverband. Diesem Rufe steht aber gleich die Frage entgegen: Zu wel- chem Zwecke?" Vom kommunalen Egoismus ausgehend, fragt Schmidt: "Hat Düsseldorf etwa ein Interesse daran, daß zwischen Essen und Gelsenkirchen eine Grünfläche angelegt oder ein Verkehrsstraßenzug gebaut und es zu den Her- stellungskosten herangezogen wird? Diese Frage dürfte wohl verneint werden." Anstelle eines Zweckverbandes schlug Schmidt die freiwillige Kooperation von interessierten lokalen Experten vor, deren Arbeit von einer Geschäfts- stelle koordiniert und gesteuert werden sollte: "Vielleicht empfiehlt es sich zunächst, einen anderen Versuch zu machen, zumal der Zweckverband den Zwang bedeutet und selbstverständlich den passiven Wi- derstand weckt. Viel empfehlenswerter ist die freiwillige Vereinigung der in Frage kommenden Interessenten, die an die große, schöne und Erfolg versprechende Arbeit freudig herantreten werden. Unsere Stadtverwaltungen verfügen über eine genügende Anzahl von Kräften, die zur zielbewußten Zusammenarbeit berufen sind und in freiwilliger Vereinigung, gestärkt durch die eingehendste Ortskenntnis des sehr komplizierten Bezirkes, die Aufgabe ihrer Lösung wesentlich näher bringen können. Wichtig ist dabei nur noch die Einrichtung der Zentralstelle, welche die Generalideen ausgibt und prüft, ob sie sinngemäß erfüllt werden. Sie muß auch das Interesse der Gesamtbevölkerung an dieser wichtigsten Existenzfrage wecken." 738 Somit lässt sich festhalten, dass Schmidt einen komplexen Generalsiede- lungsplan auf regionaler Ebene und daran anschließende konkretere Planwerke für erforderlich hielt. In diesen Plänen sollten auch die zu er- haltenden Grünflächen festgelegt werden, die zu ihrer Sicherung in öffent- liches Eigentum überführt werden sollten, notfalls mit Hilfe neuer, aber 734 Schmidt (1912), S.92 735 Schmidt (1912), S.68 und S.71 736 Schmidt (1912), S.94 737 Schmidt (1912), S.91 und S.93 738 Schmidt (1912), S.99 7. Der Regionalverband Ruhr, seine Vorgänger und die Verbandsgrünflächen 216 noch nicht vorhandener Enteignungsregelungen. Für die Erarbeitung die- ser Pläne lehnte Schmidt einen Zweckverband aus den Kommunen der Region ab und schlug stattdessen freiwillige Arbeitskreise aus interesierten kommunalen Experten und eine koordinierende, steuernde Zentralstelle vor.739 Dabei ließ Schmidt die Legitimation und die Trägerschaft der Zentralstelle völlig offen: sollte sie gemeinschaftlich von den beteiligten Kommunen getragen oder eine Dienststelle der Regierung sein? 7.1.2. Friedrich Strehlow und der Zweckverband Bereits 1911 war Strehlow in seiner Dissertation über "Die Boden- und Wohnungsfrage des rheinisch-westfälischen Industriebezirkes" - angeregt durch die Artikelserie zum Generalbau- und Wegeplan in der Rheinisch- Westfälischen Zeitung - in wichtigen Fragen zu anderen Ergebnissen ge- kommen. Sehr materialreich behandelte auch Strehlow die Bevölkerungsentwicklung, ihre räumliche Verteilung und die Wohnverhältnisse, die Haus- und Straßentypen sowie die Bauordnungen. Einen besonderen Schwerpunkt legte Strehlow auf die Verteilung des Grundbesitzes und die Bodenpreise. Allerdings bezweifelte Strehlow den Sinn eines umfassenden Planes: "Und nun denke man sich einen Bebauungsplan für den ganzen Industriebezirk, der bei den noch allseits unfertigen Verhältnissen einen fertigen Zustand kon- struieren soll, der die Wohn- und Verkehrsbedürfnisse, die Bedürfnisse der Eisen- bahnen und der Industrie für eine ferne Zukunft auf so breiter Fläche berücksichti- gen soll, denn der Bebauungsplan soll diese Bedürfnisse ja zum Ausdruck brin- gen." 740 "Die Aufstellung eines Bebauungsplanes ist sonach eine ausserordentlich vielsei- tige und komplizierte Aufgabe, die auch nicht mit einem Schlage gelöst werden kann. ... Dazu kommt, dass ein solcher Plan, der zum grössten Teil erst nach meh- reren Jahrzehnten zur Ausführung gelangen könnte, bis dahin jeden praktischen Wert verloren hätte." 741 Und schließlich: "Wer würde aber die Durchführung eines solchen Planes garantieren? Diese liegt in den Händen vieler Gemeinden mit sehr verschiedener Organisation und Leis- tungsfähigkeit. Eine sofortige Durchführung wäre deshalb unmöglich und eine spätere ungewiss."742 Strehlows Bedenken resultierten also aus der Komplexität und aus dem weiten Zeithorizont, so dass die realen Entwicklungen den Plan schneller veralten lassen, als dass er umgesetzt werden könnte. Hinzu kam eine gewisse Skepsis gegenüber der kommunalen Umsetzungskraft. Strehlows Bedenken erinnern an die Kritik, die Sieverts und Ganser mehr als achtzig Jahre später im Rahmen der Internationalen Bauausstellung EmscherPark an einer integrierten und flächendeckenden Planung geübt haben.743 739 Diese Vorschläge erinnern an die "Internationale Bauausstellung Emscherpark", die von 1989 bis 1999 im nördlichen Teil des Ruhrgebietes stattgefunden hat: Schmidts Arbeitskreise aus kommunalen Experten ähneln den Interkommunalen Arbeitsge- meinschaften für die Grünzüge und die Zentralstelle weckt Assoziationen zu der lan- deseigenen GmbH, die mit ihrem Geschäftsführer Karl Ganser den IBA-Prozess ge- lenkt hat. 740 Strehlow (1911), S.162; Strehlows Begriff des Bebauungsplans ist nicht klar definiert und mit den heutigen verbindlichen Bauleitplänen nicht vergleichbar. 741 Strehlow (1911), S.132 742 Strehlow (1911), S.133 743 Sieverts, Thomas, und Karl Ganser (1993): Vom Aufbaustab Speer bis zur Internatio- nalen Bauaustellung Emscher Park und darüber hinaus - Planungskulturen in der 7. Der Regionalverband Ruhr, seine Vorgänger und die Verbandsgrünflächen 217 Strehlow forderte daher eine Reduktion der Komplexität auf die aus seiner Sicht wichtigste überörtliche Frage, nämlich auf die Planung von Durch- gangsstraßen, die nach und nach realisiert werden sollten. Für die Umset- zung forderte auch Strehlow eine Zentrale, und zwar eine "Zentralstelle für den Bebauungsplan des rheinisch-westfälichen Industriebezirkes", die von einem kommunalen Zweckverband getragen werden sollte.744 Auf der einen Seite entspreche ein Zweckverband "dem Selbstverwaltungs- recht der Städte weit besser" als die Verlagerung der Aufgaben an die Regierung. Auf der anderen Seite aber dürfe man "nicht vergessen, dass ein Zweckverband stets ein sehr schwerfälliger Apparat sein wird, und dass er daher naturgemäss nur zur Lösung einfacher Einzelaufgaben berufen sein kann." Auch aus diesem Grund sollte sich die Zentralstelle auf die überörtliche Verkehrsplanung konzentrieren und darüber hinaus den Kommunen nur eine umfassende Beratung anbieten. Da diese Leistungen den Gemeinden "ausserordentlich grosse" Vorteile verschaffen würden, "erscheint es wahrscheinlich, dass ein solcher Zweckverband auch ohne gesetzli- chen Zwang Aussicht hat, zustande zu kommen." 745 Im Rahmen ihrer Beratung sollte die Zentralstelle zudem "Vorschläge ... für die Zugänglichmachung der Waldflächen und Parkanlagen" machen, aber eben nur Vorschläge.746 Strehlow hielt es für "eine unabweisbare Pflicht der lebenden Generation des Industriebezirks, alle die spärlichen Reste einer früher üppigen Natur, die noch vorhanden sind, zu erhal- ten."747 Für den Kern des Ruhrgebietes forderte er sogar, "hier jeden Baum und jeden Halm zu pflegen",748 und dass "künstliche Parks und Baumanlagen in umfangreicherem Masse wie bisher ge- schaffen werden".749 Darüber hinaus schlug Strehlow mehrere Maßnahmen vor: Zunächst ein- mal appellierte er an die Industrie um Rücksichtnahme. So dürfe man "nicht vergessen, dass industrielle Entwickelung und Naturerhaltung entgegenge- setzte Begriffe sind. ... Und so bleibt nichts anderes übrig, als einen Appell an die Industrie zu richten, ... die ihr gehörigen Waldflächen nur dann abzuholzen, wenn durchaus zwingende Gründe dafür sprechen." 750 Ein gesetzliches "Verbot für das weitere Niederlegen von Wäldern", wie häufig gefordert, lehnte Strehlow aus wirtschaftlichen Gründen ab, denn es "würde für die weitere Entwickelung der Industrie ein gewaltiger Hemmschuh sein; es würde die Erweiterung nach Norden fast unmöglich machen und die Aufschlie- ßung der dort vorhandenen Bodenschätze verhindern." 751 Bundesrepublik Deutschland, in: DISP 115, 29. Jg., Oktober 1993, S.31-37; Nach- druck in: Kreibich, Rolf, u.a. (Hg.) (1994): Bauplatz Zukunft. Dispute über die Ent- wicklung von Industrieregionen, Essen, S.250 und S.254; Ganser, Karl, Walter Siebel und Thomas Sieverts (1993): Die Planungsstrategie der IBA Emscher Park. Eine Annäherung, in: RaumPlanung 61, 1993, S.112-118 744 Strehlow (1911), S.133 745 Strehlow (1911), S.134 746 Strehlow (1911), S.133 747 Strehlow (1911), S.122 748 Strehlow (1911), S.123 749 Strehlow (1911), S.131 750 Strehlow (1911), S.122 f 751 Strehlow (1911), S.122 f 7. Der Regionalverband Ruhr, seine Vorgänger und die Verbandsgrünflächen 218 Stattdessen forderte Strehlow von den Kommunen eine entsprechende Planung: "Alle Waldflächen müssen deshalb im Bebauungsplan von der Aufteilung ausge- schlossen sein, und nicht nur der Wald, sondern auch jedes grössere Buschwerk; ja selbst günstig gelegene Wiesenflächen sind im Bebauungsplan entsprechend zu behandeln."752 Aber auch Strehlow verließ sich nicht auf Planwerke, sondern hielt den kommunalen Erwerb von Grünflächen für erforderlich. Die Gemeinden "dürften sich keine Gelegenheit entgehen lassen, Waldflächen zu erwerben und sie der Allgemeinheit für alle Zeiten zu erhalten".753 Dass allerdings nur wenige Kommunen auf dem Grundstücksmarkt aktiv waren, führte Strehlow zurück auf einen "Mangel an Initiative als Folge der Organisation der Gemeinden ... Mangel an Einsicht und kleinlicher Geist in der Gemeindevertretung scheint hier zum grossen Teil die Ursache der Hemmung zu sein. Die Verwaltung scheut sich, mit weitsich- tigen, grosse Mittel erfordernden Anträgen an die Gemeindevertretung, die zum grössten Teil aus Haus- und Grundbesitzern besteht, heranzutreten. Es scheint deshalb, als ob nur Zwangsmassregeln dem Guten hier den Weg bahnen könnten." 754 Trotzdem lehnte Strehlow eine "Verstadtlichung" des Grund und Bodens "unter dem Zwange eines Enteignungsgesetzes" ab. Vielmehr forderte er eine kommunale Bodenvorratspolitik: "Der zeitige Erwerb in den äussersten Bezirken, die in die städtische Entwicklung noch nicht hineingezogen sind, wird auch heute noch im Industriebezirk bei ra- schem, zielbewusstem Zugreifen ohne Enteignungsrecht möglich sein." 755 Sein eigener Hinweis, dass eine solche Bodenvorratspolitik nicht im In- teresse der Haus- und Grundbesitzer lag, die in den Gemeindevertretun- gen die Mehrheit bildeten, spielte hier anscheinend keine Rolle mehr. 7.1.3. Schmidt und Strehlow - Gemeinsamkeiten und Unterschiede Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Strehlow genauso wie Schmidt eine "Zentralstelle" für die räumliche Organisation des Ruhrge- bietes für erforderlich hielt. Als Träger stellte Strehlow sich einen Zweck- verband der beteiligten Kommunen vor, während Schmidt gegen Zweck- verbände polemisierte, sich aber über die Anbindung 'seiner' Zentralstelle in Schweigen hüllte. Während Schmidt erwartete, dass unter Leitung der Zentralstelle von kommunalen Experten ein General-Siedelungsplan aufgestellt wird, hielt Strehlow einen komplexen, regionalen Bebauungsplan für fragwürdig und wollte den Zweckverband nur auf die überörtliche Verkehrsplanung sowie auf die kommunale Beratung ausrichten. Für beide Autoren war der Grünflächenschutz nur eine Frage von vielen. Allerdings sollte sie nach Schmidts Vorstellungen von der Zentralstelle und ihren Arbeitskreisen bearbeitet werden, während sie für Strehlow eine kommunale Aufgabe bleiben sollte, zu der die Zentralstelle aber durchaus Vorschläge vorlegen sollte. 752 Strehlow (1911), S.123 753 Strehlow (1911), S.123 754 Strehlow (1911), S.137 f 755 Strehlow (1911), S.138-140 7. Der Regionalverband Ruhr, seine Vorgänger und die Verbandsgrünflächen 219 Einig waren beide Vertreter, dass Grün- und Freiflächen in kommunales Eigentum gelangen sollten. Uneins waren sie über den Weg dorthin: Wäh- rend Schmidt ein entsprechendes Enteignungsgesetz forderte, wurde die- ses von Strehlow abgelehnt, der eine kommunale Bodenvorratspolitik mit- tels freihändigem Erwerb für notwendig, aber auch für ausreichend hielt. Dabei musste Strehlow allerdings einräumen, dass die Organisation der Gemeinden, vor allem die aus dem Wahlrecht resultierende Mehrheit der Haus- und Grundeigentümer in den Gemeindevertretungen eine voraus- schauende Bodenvorratspolitik be-, wenn nicht sogar verhinderte. 7.1.4. Exkurs: Martin Wagner und das sanitäre Grün Es klingt wie eine versteckte Kritik an Schmidts Denkschrift sowie an Strehlows Dissertation und erst recht an der weiteren Entwicklung im Ruhrgebiet, wenn der Berliner Martin Wagner 1915 - etwas umständlich - schreibt: "Unter dem breiten Schilde der Schlagworte 'Wald- und Wiesengürtel', 'Volkspark' u.a.m. nahm die praktische Betätigung auf dem Freiflächengebiete nicht selten stark verkümmerte Formen an. Ähnlich wie seinerzeit das Gartenstadtproblem von Interessentengruppen zum Aushängeschilde für spekulative Unternehmungen benutzt wurde, so wurde von gleichen Gruppen mit der gleichen Absicht das Schlagwort 'Parkgürtel' aufgegriffen, um aus ihm klingende Münze zu prägen. Die Sache selbst, d.h. der Park als breiter, grüner Stadtgürtel war Faktor zweiten Gra- des. Sie mußte es sein, weil ihre sinngemäße und großzügige Verwirklichung ge- rade das gekostet hätte, woraus man Dividenden schneiden wollte, nämlich: 'Ter- rain'." 756 Nicht selten diene also die Freiraumplanung ihren Propagandisten nur als Vorwand, um zusätzliche Bauflächen zu gewinnen. Tatsächlich sah Wag- ner einen scharfen Konflikt zwischen der Freiflächenpolitik und der Sied- lungstätigkeit: "Der Kampf um Freiflächen ist ein Kampf um Quadratmeter".757 Infolgedessen reduzierte er die Freiraumfrage nicht auf eines von vielen Elementen einer angeblich übergreifenden und umfassenden Siedlungs- planung. Stattdessen stellte Wagner das Freiraumthema in den Mittelpunkt seiner Arbeit und versuchte, eine eigenständige "Freiflächentheorie" mit praktischen Konsequenzen zu entwickeln. Wagner begann mit der funktionalen Unterscheidung zwischen dekorati- vem Grün und sanitärem Grün, das wiederum einen "Daseinswert" und einen "Nutzwert" hat. Der Daseinswert, der die ökologischen Effekte wie Sauerstoffproduktion, Schadstoffbindung, Schalldämpfung u.a.m. umfasst, werde von der interesserten Öffentlichkeit überschätzt. Wie Wagner zu einer Zeit, zu der vom Treibhauseffekt noch keine Rede war, erläuterte, "verbrauchen vier Menschen durch Atmen, Kochen und Heizen den gesamten Sauerstoff, den 1 ha Wald jährlich auszuhauchen vermag; und umgekehrt vermag ein Wald von 1 ha Größe nur soviel Kohlensäure zu absorbieren, als vier Men- schen durch Atmen, Kochen und Heizen erzeugen können." 758 756 Wagner, Martin (1915): Das Sanitäre Grün der Städte. Ein Beitrag zur Freiflächen- theorie, Diss. Berlin, S.67; Wagner war "damals Abteilungsvorsteher im Verband Großberlin und späterer Leiter der Bauverwaltung", nach: Breitling (1975), S.32 757 Wagner (1915), S.67 758 Wagner (1915), S.2; Lendholt spricht später sogar von dem "so gern und oft aufgetischte(n) Märchen von 7. Der Regionalverband Ruhr, seine Vorgänger und die Verbandsgrünflächen 220 Angesichts dieser begrenzten ökologischen Effekte versuchte Wagner, den Nutzwert von Grünflächen für die Menschen, für die "körperliche(n) Inbesitznahme der Freiflächen, in der Form von Sport- und Spiel- plätzen, Pachtgärten, Volksparkanlagen und dem Wanderbedürfnisse dienender Wälder und Wiesen" in den Vordergrund zu stellen.759 Dabei ging er vor allem vom schlechten Gesundheitszustand vieler Jugendlicher aus, um die Notwendigkeit von Spiel und Sport im Freien zu beschreiben.760 Da in zeitgenössischen Untersuchungen widersprüchliche Aussagen zum Freiraumbedarf gemacht wurden, versuchte Wagner, aus den jeweiligen Aktivitäten der ver- schiedenen Altersgruppen im Freien ihren Flächenbedarf zu ermitteln. Im nächsten Schritt prüfte Wagner die Umsetzungsmöglichkeiten. Dabei sieht er schon im preußischen Fluchtliniengesetz von 1865 die Aufgabe einer kommunalen Freiraumplanung. Immerhin forderte der Gesetzgeber in § 3 unter anderem, "bei der Festsetzung der Fluchtlinien ... auf Förderung ... der öffentlichen Gesund- heit Bedacht zu nehmen".761 Auch in anderen Gesetzen fand Wagner Anknüpfungspunkte für den Frei- raumschutz.762 Letztlich waren alle Ansätze unzureichend, denn: "Es fehlt den Gemeinden an Mitteln, eine konsequente Freiflächenpolitik erfolgreich durchzuführen." 763 Dabei sah Wagner - anders als Schmidt, aber ähnlich wie Strehlow - kein Problem in fehlenden Enteignungsmöglichkeiten. Da die Enteignung "erfahrungsgemäß stets kostspieliger zu sein (pflegt) als ein freihändiger Kauf",764 liege das entscheidende Problem vielmehr in den erforderlichen finanziel- len Mitteln "für den Erwerb und die erste Einrichtung der Freiflächen" sowie für die "Bestreitung der jährlichen Unterhaltsausgaben".765 Deshalb machte Wagner einige "Ergänzungsvorschläge für eine Freiflä- chengesetzgebung". So schlug er eine Erweiterung des Kommunalabga- bengesetzes dahingehend vor, dass "neben den Kosten für Straßenbauten und Bahnbauten auch diejenigen für die Beschaffung und Anlegung von Freiflächen auf den Grundbesitz umzulegen" sind.766 Demgegenüber sollten die laufenden Unterhaltskosten aus den allgemeinen Steuern gedeckt werden. Dies sei möglich, unter anderem wenn die Kommunen auf kostenträchtige "Schmuckplätze" zu Gunsten pflegeleichterer Grünflächen verzichten und wenn sie ihre hohen Ausgaben für Krankenhäuser, also für kurierende Einrichtungen zu Gunsten des Grüns als prophylaktischer Einrichtung drosseln.767 den Freiflächen als den 'Lungen der Großstadt'": Lendholt, Werner (1975): Die Be- deutung städtischer Freiräume, in: Akademie (1975), S.81-94, hier: S.84 759 Wagner (1915), S.3 760 Ähnliches hatte mehr als fünfzig Jahre zuvor Daniel Gottlob Moritz Schreber getan. 761 Gesetz, betreffend die Anlegung und Veränderung von Straßen und Plätzen in Städten und ländlichen Ortschaften. Vom 2. Juli 1875, Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten 1875 (Nr. 8375), S.561-566, hier: § 3, S.562 762 Wagner (1915), S.73-82; 1918 wurde eine freiraum-freundlichere Novellierung des Fluchtliniengesetzes beschlossen - siehe weiter unten 763 Wagner (1915), S.82; vgl. auch Bauer (1996), S.215-220 764 Wagner (1915), S.78 765 Wagner (1915), S.82 766 Wagner (1915), S.84 767 Wagner (1915), S.90 f 7. Der Regionalverband Ruhr, seine Vorgänger und die Verbandsgrünflächen 221 Schließlich verwies Wagner - ähnlich wie Strehlow - auf das die Grundei- gentümer bevorzugende Drei-Klassen-Wahlrecht in Preußen als weitere Ursache für die "völlige... Stagnation der städtischen Freiflächenpolitik". Ähnlich wie es bereits Bestimmungen gab, nach denen z.B. Wohnungen über mindestens 10 cbm Luftraum pro Person verfügen mussten, schlug Wagner daher vor, ein "Mindestmaß... an Lebensraum" gesetzlich festzu- legen: "Man wird daher überlegen müssen, ob man aus Gründen der öffentlichen Ge- sundheitsfürsorge ein bestimmtes Freiflächenkopfmaß - etwa 6,5 qm - als Min- destforderung für die Aufstellung der Bebauungspläne festlegen soll." 768 Wagners Überlegungen blieben jedoch ohne Einfluss auf seine Fachkol- legen im Ruhrgebiet. 7.1.5. Hans Luther und die Verbandsgründung Zunächst hatten die Arbeiten von Strehlow und Schmidt keine praktischen Folgen. Schmidts Vorstellungen waren in der Grünflächenkommission auf Widerstand gestoßen769 und nur dadurch öffentlich geworden, dass er sie in Aachen als Dissertation eingereicht hatte. Immerhin hatte Schmidt in seiner Denkschrift ganz andere Themen ausgearbeitet, als ihm aufgetra- gen waren. Überdies "fürchteten die Oberbürgermeister Eingriffe in ihre Selbstverwaltung, und beinahe wäre meine Denkschrift über diese Fragen dem Feuertode verfallen," 770 schrieb er zu den Ursachen für die Folgenlosigkeit seiner Arbeit. Trotzdem wurde in den nächsten Jahren versucht, Schmidts Überlegungen auf den westfälischen Teil des Ruhrgebietes "hinüber auszudehnen, und zwar die anschließenden Regierungsbezirke Münster und Arnsberg. Diese Bestrebungen kamen aber trotz der Unterstützung der west- fälischen Stadtbauräte nicht vorwärts und erstarben Ende 1914 mit Kriegsausbruch in beiden Provinzen".771 Dass im Jahr 1920 schließlich doch der "Siedlungsverband Ruhrkohlenbe- zirk" (SVR), und zwar als "Zweckverband besonderer Art" gegründet wurde, ist auf den späteren Reichskanzler Hans Luther zurückzuführen. Luther war am 3. Mai 1918 in Essen zum Ersten Bürgermeister772 und damit zum Vorgesetzten des Stadtbaurates Schmidt gewählt worden. Als Anlass für die Schaffung des Siedlungsverbandes nennt Luther den Ver- sailler Friedensvertrag, der das deutsche Reich zur Lieferung von großen Kohlemengen als Reparationen verpflichtete. Hierfür hätte die Förderleis- tung der Ruhrgebietszechen erheblich erhöht werden müssen, wofür wie- derum 150.000 neue Bergleute hätten eingestellt werden müssen. Für diese Bergleute hätten neue Wohnungen gebaut und die erforderlichen Wohnbauflächen mit den dazugehörigen Infrastruktureinrichtungen bereit- gestellt werden müssen. Diese Aufgabe sollte aber nicht mehr den mehr als 300 kommunalen Gebietskörperschaften, drei Regierungsbezirken und zwei Provinzen überlassen bleiben, die in der Vergangenheit nur ein 768 Wagner (1915), S.84 769 Schmidt 1912, Vorwort 770 zitiert nach: Steinberg, Heinz Günter (1968): Die Entwicklung des Ruhrsiedlungsver- bandes, in: Först, Walter (Hg.) (1968): Ruhrgebiet und neues Land, Köln und Berlin, S.113-152 771 Schmidt, Robert (1920): Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk, in: Die Bauwelt, 11. Jg., Heft 4 vom 22. Januar 1920, S.45 f, hier: S.46 772 Luther, Hans (1958a): Lebenslauf, in: Beiträge zur Geschichte von Stadt und Stift Essen, Heft 73 (1958), Essen, S.4 7. Der Regionalverband Ruhr, seine Vorgänger und die Verbandsgrünflächen 222 "Wirrwarr von Siedlungen und Straßen" zustande gebracht hatten. Statt- dessen sollten "neuzeitliche Siedlungsgedanken" verwirklicht werden, de- ren "technische Seite" von Schmidt in seiner Denkschrift entwickelt worden war. Für ihre Umsetzung musste "nach der organisatorischen Seite dagegen ... etwas gänzlich Neues geschaffen werden." 773 Wie Luther weiter berichtete, und seine Darstellung bildet die Grundlage für fast alle historischen Arbeiten über den SVR, hat er im Oktober 1919774 die führenden Kommunalvertreter des Ruhrbezirks zu einer Versammlung eingeladen, die auf seinen Vorschlag einen Ausschuss einrichteten, um einen Gesetzesvorschlag für die Schaffung eines Zweckverbandes zu erarbeiten. Bei dieser Arbeit "wurde dauernd Fühlung mit den hauptsächlich beteiligten Wirtschaftskreisen, besonders dem Bergbaulichen Verein, gehalten". Außerdem wurden "Gedankengänge verwertet ..., die ihren Ursprung in den preußischen Ministerien hatten, mit denen ich ja in fortdauernder Verbindung war." Indem Luther berichtete, dass die Ministerien bereit gewesen seien, "die Vorlage eines Gesetzentwurfs durch diesen Ausschuss ... abzuwarten, bevor sie eine Gesetzesvorlage bei der Landesversammlung einbrachten", 775 deutete er an, dass die preußische Regierung andernfalls die Planung im Ruhrgebiet eigenständig geregelt hätte, möglicherweise durch einen Zwangszweckverband, wie er bereits 1911 durch das Zweckverbandsge- setz für Groß-Berlin776 eingerichtet worden war. Auch wenn die Arbeit nicht konfliktfrei war, haben die Kommunalvertreter am 5. März 1920 dem Entwurf ihres Ausschusses "einhellig zugestimmt".777 Am 31. Januar 1920 wurde der Gesetzesentwurf von der Verfassungge- benden Preußischen Landesversammlung behandelt und vom Minister für Volkswohlfahrt Stegerwald begründet.778 Am 3. Februar 1920 haben die 773 Luther, Hans (1958b): Zusammenbruch und Jahre nach dem ersten Krieg. Erinnerun- gen des Oberbürgermeisters der Stadt Essen Dr. jur. Dr. med. h. c. Hans Luther, in: Beiträge zur Geschichte von Stadt und Stift Essen, Heft 73 (1958), Essen, S.7-130, hier: S.76; Luther, Hans (1924): Ruhrsiedlungsverband, in: Brix, Josef, Hugo Lindemann, Otto Most, Hugo Preuss und Albert Südekum (Hg.) (1924): Handwörterbuch der Kommu- nalwissenschaften, Dritter Band, Jena, S.550-554, hier: S.551 774 nach Hoffacker fand dieser Termin aber erst Anfang November 1919, also nach Luthers selbstständigen Verhandlungen mit preußischen Regierungsmitgliedern statt: 10. und 19.10.1919: Schreiben von Luther an den Preußischen Minister für Volks- wohlfahrt, 30.10.1919: Besprechung zwischen Luther und preußischen Regierungsvertretern in Berlin, 3. oder 4.11.1919: Besprechung zwischen Vertretern der Stadt- und Landkreise im Ruhrgebiet; Hoffacker, Heinz Wilhelm (1989): Entstehung der Raumplanung, konservative Gesell- schaftsreform und das Ruhrgebiet 1918 bis 1933, Essen, S.75, S.78, S.80 775 Luther (1958b), S.76-78 776 Neuss, Emil (1927): Die Zweckverbände und der Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk, Diss. Köln, S.9 777 Luther (1924), S.551; Luther (1958b), S.76-78 778 Entwurf eines Gesetzes, betreffend Verbandsordnung für den Siedlungsverband Ruhr- kohlenbezirk, in: Sammlung der Drucksachen der verfassunggebenden Preußischen Landesversammlung. Tagung 1919/21, 6. Band (Berlin 1921), Drucksachen Nr. 1741 A und 1741 B, S.2661-2682; Stegerwald (1920), in: Sitzungsberichte der verfassunggebenden Preußischen Lan- desversammlung. Tagung 1919/21, 7. Band (Berlin 1921), 109. Sitzung am 31. Januar 1920, Sp.9001-9009 7. Der Regionalverband Ruhr, seine Vorgänger und die Verbandsgrünflächen 223 Fraktionsvertreter ihre Stellungnahmen abgegeben, und der Gesetzes- entwurf wurde an einen besonderen Parlamentsausschuss verwiesen.779 Dieser Ausschuss bereiste das Ruhrgebiet und veranstaltete drei Lesun- gen, auf denen der Gesetzesentwurf zusammen mit Regierungsvertretern durchgesprochen und verschiedentlich geändert wurde. Allein der Aus- schussbericht umfasst 85 Seiten und der Anhang mit den Beschlüssen weitere fast 60 Seiten. Bereits am 5. Mai 1920 wurde das Gesetz von der Verfassunggebenden Preußischen Landesversammlung einstimmig ange- nommen.780 Es war ein Vorhaben, das anscheinend keine Möglichkeit zur parteipoliti- schen Polarisierung und Profilierung bot, weil sein Ziel, die Erhöhung der Steinkohlenförderung, um die Reparationspflichten zu erfüllen, die hierfür vorgesehene Neuansiedlung von Bergarbeitern mit ihren Familien sowie die entsprechende Planung neuer Siedlungsgebiete ausdrücklich von allen Parteien im Landtag unterstützt wurde und keine Partei eine Alternative anzubieten hatte. Demgegenüber stellt Hoffacker das SVR-Gesetz in einen Zusammenhang zu westdeutschen Separationsbestrebungen und zur Idee einer Ruhrpro- vinz, die kurz nach Kriegsende diskutiert wurde. Wie Hoffacker zeigt, hat sich Luther in verschiedenen von ihm mitgetragenen Resolutionen im Jahr 1919 nicht eindeutig zur Ruhrprovinzidee geäußert, bevor er sich seit Ok- tober 1919 beim Preußischen Ministerium für Volkswohlfahrt für einen Zweckverband einsetzte. Schon von Zeitgenossen wurden die Zweckver- bandspläne teilweise als Rückzugsposition nach dem Scheitern der Ruhr- provinz bezeichnet, teilweise als neuerlicher Schritt auf dem Wege zu einer eigenständigen Industrieprovinz. Immerhin hatte Luther der Preußischen Regierung den Aufbau des Zweckverbandes nicht nur zu Sied- lungszwecken, sondern auch "aus allgemeinen Gründen" vorgeschlagen. Der innere Aufbau des Siedlungsverbandes sollte weitgehend dem der Provinzen entsprechen und nicht zuletzt sollte das Gesetz eine Öffnungs- klausel enthalten, nach der die Verbandskompetenzen unspezifisch hätten erweitert werden können, eine Klausel, die erst von einem Ausschuss der Preußischen Landesversammlung gestrichen wurde.781 Inzwischen konnte von Petz diese Vermutungen bekräftigen und auf einen Brief des späteren Preußischen Ministers für Volkswohlfahrt Hirtsiefer verweisen. In aller Schärfe erklärt Hirtsiefer das zentrale Argument zu- gunsten des SVR für völlig vorgeschoben: "Eine Verkennung der Zwecke des Ruhrsiedlungsverbandsgesetzes ist es, wenn Sie der z.Zt. des Erlasses des Gesetzes geplanten Ansiedlung von 150000 Berg- arbeitern irgendwelche Bedeutung beimessen. Dieser Grund für den Erlaß des Gesetzes, der bei der Aufstellung des Gesetzentwurfes in jener Zeit des Kohlen- mangels besonders einleuchtete, wurde nur dazu benutzt, das Gesetz, das sich viel 779 Sitzungsberichte der verfassunggebenden Preußischen Landesversammlung. Tagung 1919/21, 7. Band (Berlin 1921), 111. Sitzung am 3. Februar 1920, Sp.9257-9283 780 Bericht des 21. Ausschusses über den Entwurf eines Gesetzes, betreffend Verbands- ordnung für den Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk, Drucksache Nr. 1741 A, B, in: Sammlung der Drucksachen der verfassunggebenden Preußischen Landesver- sammlung. Tagung 1919/21, 7. Band (Berlin 1921), Drucksache Nr. 2417, S.3774- 3915; Sitzungsberichte der verfassunggebenden Preußischen Landesversammlung. Tagung 1919/21, 9. Band (Berlin 1921), 142. Sitzung am 5. Mai 1920, Sp.11327-11345; Gesetz, betreffend Verbandsordnung für den Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk. Vom 5. Mai 1920, Preußische Gesetzsammlung 1920 (Nr. 11898), S.286-306 (im folgenden: SVR-G 1920) 781 Hoffacker (1989), S.67 ff, S.75, S.83, S.93 7. Der Regionalverband Ruhr, seine Vorgänger und die Verbandsgrünflächen 224 weitere, auf die Dauer berechnete Ziele gesetzt hat, in der gesetzgebenden Landesversammlung mit Beschleunigung durchzubekommen." 782 7.1.6. Zwischenresümee: Vom Nationalpark zum Siedlungsverband Zur Erinnerung: Am Anfang des Prozesses stand die Idee eines "National- parkes für den rheinisch-westfälischen Industriebezirk", eines "Wiesen- und Waldgürtels". Am Anfang stand die Frage, "was der Bevölkerung des Bezirkes an Erhaltung und Schaffung von Grünflächen, Spiel- und Sportplätzen, Wander- und Verkehrswegen not tut." 783 Schon durch Robert Schmidt, der als einer der ersten im Ruhrgebiet sys- tematisch nach Antworten auf die Freiraumverluste suchte, wurde dieses Thema gewaltig ausgedehnt, und zwar auf die gesamte Siedlungstätigkeit im Industriebezirk. Schmidt zufolge, der in diesem Punkt auch mit Strehlow übereinstimmte, konnte der Freiraum nur im Kontext mit Verkehrsplanung, Wohnungsbau und Industrieansiedlung geschützt werden, was noch dazu eine überörtliche Organisation und Koordination erforderlich machte. Die zeitgleichen Vorschläge des Berliner Planers Martin Wagner für eine eigenständige Freiraumpolitik wurden hingegen völlig ignoriert. Dass die regionale Organisation - trotz vielfältiger Widerstände - schließlich gegründet wurde, war vordergründig der dringenden Notwendigkeit zu verdanken, dass die Kohlenförderung für Reparationszwecke erhöht wer- den musste. Hierfür sollten neue Bergleute angesiedelt und für diese neue Wohnungen errichtet werden. Möglicherweise aber diente diese einigermaßen plausible Argumentation nur als Vorwand, um mit dem Siedlungsverband eine Organisation aufzu- bauen, die der angestrebten, damals aber nicht durchsetzbaren Ruhrpro- vinz möglichst nahe kam. Tatsächlich stieg die Zahl der Bergleute von rund 400.000 am Ende des Ersten Weltkrieges um fast 150.000 auf ihren Höchststand von 545.000 im Jahr 1922, allerdings ohne dass die zusätzlichen Wohnungen in dieser kurzen Zeit hätten gebaut werden können. In der Folgezeit ist die Beleg- schaft - bei steigender Produktivität - auf nur noch 200- bis 300.000 Mann zurückgegangen.784 Demnach haben sich in den zehn Jahren von der Städtebauausstellung in Düsseldorf bis zur Verabschiedung der Verbandsordnung die Argumente und Motive immer weiter vom ursprünglichen Ziel der Freiraumsicherung entfernt.785 Trotzdem wurde im Ruhrgebiet mit der SVR-Gründung ein 782 zitiert nach: Petz (1995), S.16 783 Schmidt (1912), Vorwort 784 Wiel, Paul (1970): Wirtschaftsgeschichte des Ruhrgebietes. Tatsachen und Zahlen, hg. vom SVR, Essen, S.131 785 Überdies entspricht der tatsächlich gegründete SVR mehr der Konzeption von Strehlow als der von Schmidt: - der SVR ist ein Zweckverband: von Strehlow gefordert, von Schmidt abgelehnt, - einen Generalsiedlungsplan aufzustellen (von Schmidt gefordert, von Strehlow ab- gelehnt) gehört bis in die 1930er Jahre nicht zu den SVR-Aufgaben, - stattdessen war die Planung von Verkehrstrassen, wie von Strehlow gefordert, eine der Hauptaufgaben des SVR, - ein Enteignungsrecht (von Strehlow abgelehnt, von Schmidt gefordert) wird dem SVR nicht eingeräumt. Trotzdem hat nicht Strehlow, zu dieser Zeit bereits in Dortmund tätig, dessen Ober- bürgermeister Dr. Eichhoff "voller Argwohn gegen Essen" (Luther (1958b), S.77) war, 7. Der Regionalverband Ruhr, seine Vorgänger und die Verbandsgrünflächen 225 neues, und zwar behördliches Instrument für den Freiraumschutz einge- führt: die Verbandsgrünfläche. Nach der folgenden Skizze der weiteren Verbandsentwicklung soll das Instrument der Verbandsgrünflächen ge- nauer beleuchtet werden. 7.1.7. Skizze der weiteren Verbandsentwicklung Wenige Jahre nach der SVR-Gründung begannen die Änderungen an seiner Verbandsordnung. Sie betrafen die baurechtlichen und landespla- nerischen Aufgaben786 und vor allem die innere Struktur des Verbandes: seine Gremien, ihre Zusammensetzung und ihre Zuständigkeiten. So verlor die Verbandsversammlung, die je zur Hälfte aus Kommunalver- tretern und Vertretern der Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestand und volkstümlich auch Ruhrparlament genannt wird, zum ersten Mal während der französischen Besetzung des Ruhrgebietes ihre Kompetenzen. In die- ser Zeit konnte der zuständige preußische Minister auf Antrag des Ver- bandspräsidenten dem Verbandsauschuss vorübergehend das Recht zur Beschlussfassung übertragen.787 Bereits zehn Jahre später begann die nationalsozialistische "Gleichschal- tung". Zunächst wurden die letzten Wahlen zur Verbandsversammlung für rechtsunwirksam erklärt. In den nächsten Schritten wurden die Zuständig- keiten der Verbandsversammlung auf den Verbandsauschuss übertragen, dessen Mitglieder zum Teil von den Stadträten und Kreistagen neu gewählt und zu einem anderen Teil von den preußischen Ministern für Wirtschaft und Arbeit sowie Inneres ernannt wurden. Schließlich wurde auch der Verbandsausschuss in ein nur noch beratendes Gremium umgewandelt, und seine Mitglieder wurden nun vollständig von den beiden Ministern ernannt. Dem nationalsozialistischen Führerprinzip entsprechend gingen alle Entscheidungskompetenzen auf den Verbandsdirektor über.788 Damit war das "parlamentarische Element", war jede Spur von Selbstverwaltung und Demokratie aus dem SVR entfernt und dieser in eine der NS-Regie- rung untergeordnete Behörde umgewandelt worden.789 Darüber hinaus brachte die NS-Zeit eine weitreichende Veränderung in den inhaltlichen Aufgaben des SVR. 1935 führte das NS-Regime die Reichs- und Landesplanung ein. Die Oberpräsidenten von Rheinland und sondern Schmidt zum ersten Verbandsdirektor kandidiert und die Wahl auch erfolg- reich bestanden. 786 Schnur, R. (1970): Entwicklung der Rechtsgrundlagen und der Organisation des SVR, in: SVR (1970b): Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk 1920-1970, Schriftenreihe Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk, Band 29, Essen, S.20 f 787 Gesetz zur Sicherung der Verwaltung des Siedlungsverbandes Ruhrkohlenbezirk. Vom 4. Juni 1923, Preußische Gesetzsammlung 1923, S.275 (Nr. 12518) 788 Gesetz über die Erklärung der Rechtsunwirksamkeit von Wahlen zur Verbandsver- sammlung des Siedlungsverbandes Ruhrkohlenbezirk. Vom 6. April 1933, Preußische Gesetzsammlung 1933, S.97 (Nr. 13865); Gesetz zur Sicherung der Verwaltung des Siedlungsverbandes Ruhrkohlenbezirk. Vom 4. Juli 1933, Preußische Gesetzsammlung 1933, S.230 f (Nr. 13926); Gesetz über die Übertragung von Zuständigkeiten der Provinzial-(Kommunal-) land- tage, der Verbandsversammlung des Siedlungsverbandes Ruhrkohlenbezirk und der Kreistage auf die Provinzial-(Landes-)ausschüsse, den Verbandsausschuß und die Kreisausschüsse. Vom 17. Juli 1933, Preußische Gesetzsammlung 1933, S.257 f (Nr. 13944); Gesetz über die weitere Anpassung des Gesetzes, betreffend Verbandsordnung für den Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk vom 5. Mai 1920 (Gesetzsamml. S.286) an die Grundsätze des nationalsozialistischen Staates. Vom 25. Mai 1936, Preußische Gesetzsammlung 1936, S.113 f (Nr. 14334) 789 Schnur (1970), S.19 ff; vgl. auch Steinberg (1968), S.138-145 7. Der Regionalverband Ruhr, seine Vorgänger und die Verbandsgrünflächen 226 Westfalen wurden zu Landesplanungsbehörden ernannt, übertrugen ihre Befugnisse für das Ruhrgebiet jedoch auf den Verbandspräsidenten. Zugleich wurden Landesplanungsgemeinschaften eingerichtet, die die erforderlichen Vorarbeiten leisten mussten. Hierzu gehörte auch der SVR, bis die Reichsstelle für Raumordnung Ende 1944 die Landesplanung ein- stellte. Schon kurz nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der SVR durch das nord- rhein-westfälische Landesplanungsgesetz von 1950 als Landesplanungs- gemeinschaft wieder bestätigt, während der Wiederaufbauminister als Landesplanungsbehörde die "Außenstelle Essen" einrichtete, die spätere "Landesbaubehörde Ruhr". Auf dieser rechtlichen Grundlage, die durch die Novellierung des Landesplanungsgesetzes von 1962 und verschiedene andere Gesetze konkretisiert wurde, hat der SVR Mitte der 1960er Jahre einen Gebietsentwicklungsplan für das gesamte Verbandsgebiet aufgestellt - einen Plan, in dem sämtliche regional bedeutsamen Bodennutzungen in ihrer räumlichen Verteilung dargestellt sind. Dieser Plan kann als Umsetzung des von Schmidt geforderten Generalsiedelungsplans angesehen werden. Zugleich enthielt er das regionale Grünflächensystem, das - nach dem damals prognostizierten Wachstum der Ruhrgebietsbevölkerung um rund fünfzig Prozent - noch übrig bleiben sollte.790 Außerdem wurde nach dem Zweiten Weltkrieg die Entdemokratisierung schrittweise wieder rückgängig gemacht. Zunächst wurde nur die Staatsaufsicht über den SVR vom Verbandspräsidenten auf den Minister für Wiederaufbau des Landes Nordrhein-Westfalen verlagert.791 Weiterhin wurde mit dem Verbandsbeschlussausschuss wieder eine rechtsstaatliche Beschwerdeinstanz eingeführt, deren Mitglieder von den kommunalen Vertretungskörperschaften gewählt werden sollten.792 Doch erst 1958 hat der nordrhein-westfälische Landtag die NS-Gesetze außer Kraft gesetzt und dem SVR wieder eine demokratischere Verfas- sung gegeben. Die Verbandsversammlung wurde wieder eingeführt, deren Mitglieder von den verbandsangehörigen Kommunen gewählt wurden. Vertreter aus Wirtschaft und Arbeitswelt konnten nicht mehr von ihren Or- ganisationen entsandt, sondern mussten von den kommunalen Mitgliedern der Verbandsversammlung kooptiert werden. Ebenso wurde der Ver- bandsausschuss wieder eingeführt und von der Verbandsversammlung aus der Mitte ihrer Mitglieder gewählt. Genauso war der Verbandsdirektor von nun an wieder von der Verbandsversammlung zu wählen.793 Auch für einen 790 Schnur (1970), S.20, S.23-25; Umlauf, Josef (1970): Die Entwicklung der regionalen Gesamtplanung des Siedlungs- verbandes Ruhrkohlenbezirk und ihre Auswirkungen auf das Ruhrgebiet, in: SVR (1970b), S.33-47, hier: S.40 ff 791 Gesetz über die Abänderung des Gesetzes betr. Verbandsordnung für den Siedlungs- verband Ruhrkohlenbezirk vom 5. Mai 1920 (GS. S.286) in der Fassung des Gesetzes vom 29. Juli 1929 (GS. S.91). Vom 28. November 1947, GV.NW. S.95. Vor dem Zweiten Weltkrieg gehörte der SVR innerhalb des deutschen Reiches zum Land Preußen, dessen Regierung ihren Sitz in Berlin hatte und die Staatsaufsicht dem SVR-Verbandspräsidenten übertragen hatte. 792 Gesetz über das Beschlußverfahren im Gebiet des Siedlungsverbandes Ruhrkohlen- bezirk. Vom 2. Dezember 1949, GV.NW. S.309; Änderung der Verfahrensordnung für den Verbandsbeschlußausschuß. Vom 26. No- vember 1953, GV.NW. S.399-401; Erstes Gesetz zur Neuordnung und Vereinfachung der Verwaltung (Erstes Vereinfa- chungsgesetz). Vom 23. Juli 1957, § 1 Nr.6, § 31, GV.NW. S.189-196 793 Zweites Gesetz zur Abänderung des Gesetzes betr. Verbandsordnung für den Sied- lungsverband Ruhrkohlenbezirk. Vom 3. Juni 1958, GV.NW. S.249-251, im folgenden: SVR-G 1958 7. Der Regionalverband Ruhr, seine Vorgänger und die Verbandsgrünflächen 227 Teil der Staatsaufsicht wurde eine Lösung entwickelt, die dem ab- geschafften Verbandspräsidenten ähnelte: zunächst die "Außenstelle Es- sen" des Ministers für Wiederaufbau, die 1962 in die "Landesbaubehörde Ruhr" umgewandelt wurde.794 Nach weiteren kleineren Änderungen und Ergänzungen des SVR-Gesetzes begann Mitte der 1970er Jahre ein grundsätzlicher Wandel. Im Zu- sammenhang damit, dass die Bezirksregierungen als staatliche Mittelbe- hörden gestärkt werden sollten, wurde 1975 zunächst die Landesbaube- hörde Ruhr aufgelöst, und der SVR verlor seine regionalplanerischen Kompetenzen an die Regierungspräsidenten in Arnsberg, Düsseldorf und Münster.795 Im Jahr 1979 wurde schließlich der SVR in den "Kommunalverband Ruhrgebiet" (KVR) und ein Vierteljahrhundert später in den "Regionalverband Ruhr" (RVR) umgewandelt. Dabei bedeutete die KVR-Gründung nicht nur eine Namensänderung, sondern auch eine Ein- schränkung der Kompetenzen, nicht zuletzt auf dem Gebiet des Freiraum- schutzes. Demgegenüber erhielt der RVR wieder neue Kompetenzen, allerdings mehr im Bereich der Wirtschaftsförderung und der Regionalpla- nung, was weiter unten genauer dargestellt wird. 7.2. Verbandsgrünflächen und ihre quantitative Entwicklung Schon mit seiner Gründung erhielt der SVR die Kompetenz, Verbands- grünflächen festzulegen und dadurch vor Umnutzung zu sichern. In quan- titativer Hinsicht erscheint die Entwicklung der Verbandsgrünflächen als Erfolgsgeschichte. Mit fast 2.700 qkm sind im Jahr 2002 mehr als 60 Pro- zent der Gesamtfläche des Verbandes (4.432 qkm) als Grünflächen in das Verbandsverzeichnis aufgenommen.796 Im Detail war die Entwicklung bis hierhin allerdings sehr wechselhaft. Bereits im ersten halben Geschäftsjahr 1920 wurde die "genaue Begren- zung von über 1200 qkm Grünflächen" festgelegt. Das zweite Verbands- verzeichnis von 1923 umfasste 1.413,1 qkm Grünflächen, und bis 1932 ist die Größe der Verbandsgrünflächen auf 1.786 qkm gestiegen.797 Dieser 794 Gesetz über die Organisation der Landesverwaltung - Landesorganisationsgesetz (LOG.NW.) - Vom 10. Juli 1962, GV.NW. S.421-425, hier: § 27 795 zur Landesbaubehörde: Gesetz zur Änderung des Landesplanungsgesetzes. Vom 8. April 1975, GV.NW. S.294-297, hier: Artikel III § 2; zu den weiteren Änderungen der Verbandsordnung: Gesetz zur Änderung des Ordnungsbehördengesetzes. Vom 8. Juli 1969, GV.NW. S.526-528, hier: Art. I Nr.19 und Art. II; Gesetz zur Änderung der Gemeindeordnung, der Kreisordnung und anderer kommu- nalverfassungsrechtlicher Vorschriften des Landes Nordrhein-Westfalen. Vom 11. Juli 1972, GV.NW. S.218-223, hier: Artikel IV; Gesetz zur Änderung der Gemeindeordnung, der Kreisordnung und anderer kommu- nalverfassungsrechtlicher Vorschriften des Landes Nordrhein-Westfalen. Vom 29. Oktober 1974, GV.NW. S.1050 ff, hier: Artikel IV; Gesetz zur abschließenden Regelung von Einzelfragen aus Anlaß der kommunalen Neugliederung (Neugliederungs-Schlußgesetz). Vom 26. November 1974, GV.NW. S.1474-1478, hier: § 15; Gesetz zur Änderung der Gemeindeordnung, der Kreisordnung, der Landschaftsver- bandsordnung und des Gesetzes betreffend Verbandsordnung für den Siedlungsver- band Ruhrkohlenbezirk. Vom 27. Juni 1978, GV.NW. S.268-271, hier: Artikel IV 796 Overkamp, Stefan (GISWORKS) (2003): Datenbankauswertung zum Verbandsver- zeichnis Grünflächen, 27.01.2003, in: Regionalverband Ruhr. Der Regionaldirektor, Zeichen 5-2, Herr Grenz: Verbandsgrünfläche, Schreiben vom 27.07.2005, Anlage 797 SVR - Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk (1921): Verwaltungsbericht über das erste halbe Geschäftsjahr des Siedlungsverbandes Ruhrkohlenbezirk (maschinenschrift- 7. Der Regionalverband Ruhr, seine Vorgänger und die Verbandsgrünflächen 228 Zuwachs, der bis 1932 per Saldo rund 500 qkm ausmachte, setzt sich al- lerdings aus Zu- und Abgängen zusammen. Auch wenn diese Zu- und Abgänge in den Verwaltungsberichten des SVR nicht vollständig erfasst sind, so zeigt sich trotzdem, dass mit rund 470 qkm ein Viertel aller Ver- bandsgrünflächen diesen Schutzstatus zwischen 1921 und 1932 wieder verloren hat. Die Fluktuation unter den Verbandsgrünflächen war also recht hoch. (Tabelle 7.1.) Tabelle 7.1. Verbandsgrünflächen - Zu- und Abgänge von 1921 bis 1932 Jahr neu aufge- nommen (ha) frei gegeben (ha) festgesetzte Fluchtlinien (ha) 1921 392 87 393 1922 rd. 15.000 rd. 12.000 rd. 1.800 1923 285 123 1.555 1924 380 205 670 1925 42 30 320 1926 1.150 62 665 1927 200 268 682 1928 796 611 1.367 1929 33.500 30.800 306 1930 k.A. k.A 210 1931 298 256 k.A. 1932 427 2.496 6 Summe mind. 52.470 mind. 46.938 mind. 7.974 Anmerkung und Quellen: siehe Fußnote 798 Einen Teil dieser Grünflächen hat der Verband durch die Festsetzung von verbindlichen Fluchtlinien als Begrenzung für Bauwerke und Verkehrswege zusätzlich gesichert. (Tabelle 7.1.) lich), Essen, S.1 f; demgegenüber gibt der erste gedruckte Bericht - SVR (1928a): Die Tätigkeit des Siedlungsverbandes Ruhrkohlenbezirk in den Jahren 1920-1927, Essen, S.4 - nur 200 qkm an: ein offenkundiger Druckfehler; Angaben für 1923 nach: Wollenweber, Helmut (1927): Aufgabe und Tätigkeit des Siedlungsverbandes Ruhrkohlenbezirk, Diss. Bonn, S.34, zitiert nach: Borcke, Wulf- Dietrich von (1964): Landespflege im Ruhrgebiet aus der Sicht der Landesplanung insbesondere der Regionalplanung, Diss. Hannover, S.205; nach: Schmitz, L. (1926): Der Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk, in: Bühler und Kerstiens (1926): Die Behördenorganisation des Ruhrgebiets und die Verwaltungsre- form, Essen, S.27-37, hier: S.34, umfassten die Verbandsgrünflächen 1923 rund 141.000 ha. 798 Anmerkung: Dass es sich bei den "neu aufgenommenen"' Grünflächen - ein Begriff aus den Verwaltungsberichten - um den saldierten Zuwachs handelt, ist meine Inter- pretation, da sich der Zuwachs der Verbandsgrünflächen zwischen 1920 und 1932 von rund 120.000 auf 178.600 Hektar anders nicht erklären lässt. In den Verwal- tungsberichten wurde die Bezeichnung "neu aufgenommen" nicht definiert. Quellen: SVR (1928a), S.4, 8, 11 13, 15, 18, 22, 25; SVR (1929): Verwaltungsbericht des Siedlungsverbandes Ruhrkohlenbezirk für das Kalenderjahr 1928, Essen, S.17; SVR (1930): Verwaltungsbericht des Siedlungsverbandes Ruhrkohlenbezirk für das Kalenderjahr 1929, Essen, S.17; SVR (1931): Verwaltungsbericht des Siedlungsverbandes Ruhrkohlenbezirk für das Kalenderjahr 1930, Essen, S.23; SVR (1932): Verwaltungsbericht des Siedlungsverbandes Ruhrkohlenbezirk für das Kalenderjahr 1931, Essen, S.18; SVR (1933): Verwaltungsbericht des Siedlungsverbandes Ruhrkohlenbezirk für das Kalenderjahr 1932, Essen, S.9; siehe auch: Schmitz (1926), S.35, der für 1923 und 1924 die gleichen Angaben macht. 7. Der Regionalverband Ruhr, seine Vorgänger und die Verbandsgrünflächen 229 Während für die Zeit des Nationalsozialismus keine Daten vorliegen, wird ab 1950 und insbesondere ab 1958, also seit der gesetzlichen Rede- mokratisierung des SVR, das Verbandsverzeichnis auch wieder quantitativ ausgewertet. (Tabelle 7.2.) Bis 1975 sind die Verbandsgrünflächen per Saldo um über 40 Prozent vergrößert worden. In welchem Umfang hier Zu- und Abgänge zusammengekommen sind, lässt sich für diesen Zeitraum leider nicht sagen. Bemerkenswert ist aber, dass die Verbandsgrünflächen in mehreren Jahren per Saldo sogar vermindert wurden. Dies belegt, dass die Verbandsgrünflächen auch nach dem Zweiten Weltkrieg einer gewissen Fluktuation unterworfen waren. Von 1976 bis 1987 wurden - wenn man die neugliederungsbedingten Zu- und Abnahmen ausklammert - - 8.877 Hektar erstmals zu Verbandsgrünflächen erklärt, während - 3.484 Hektar gelöscht wurden.799 - Die Löschungen machten in diesem Zeitraum also 40 Prozent der Neuaufnahmen aus. Von 1976 bis 2002 erlebten die Verbandsgrünflächen schließlich einen - saldierten Zuwachs um 11.666,73 Hektar, der aus - Neuaufnahmen im Umfang von 16.361,03 Hektar und - Löschungen im Umfang von 4.694,30 Hektar resultiert. - In diesem Zeitraum entsprechen die Löschungen quantitativ also fast 30 Prozent der Neuaufnahmen. Tabelle 7.2. Verbandsgrünflächen und ihre Veränderung von 1950 bis 2002 (in Hektar) Jahr Verbands- grünfläche Verän- derung Jahr Verbands- grünfläche Verän- derung 1932 178.600 1976 294.297 40.429 1950 188.521 9.921 1977 294.250 - 47 1958 229.250 40.729 1978 294.615 365 1961 245.654 16.404 1980 259.796 - 34.819 1965 250.052 4.398 1981 260.256 460 1967 248.050 - 2.002 1982 260.212 - 44 1969 245.833 - 2.217 1983 261.344 1.132 1970 249.135 3.302 1984 262.760 1.416 1971 248.747 - 388 1985 264.331 1.571 1972 248.716 - 31 1986 264.320 - 11 1973 249.718 1.002 1987 264.321 1 1974 256.766 7.048 1975 253.868 - 2.898 2002 269.581 Anmerkungen: ab 1976 und ab 1980 neuer Gebietsstand Quellen: Regionalverband Ruhr. Der Regionaldirektor, Zeichen 5-2, Herr Grenz: Verbandsgrünfläche, Schreiben vom 27.07.2005, Anlagen: Verbands- grünflächen (1932-1974); Overkamp (2003); Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik Nordrhein-Westfalen und SVR bzw. KVR (Hg.) (1976 bis 1987): Statistische Rundschau Ruhrgebiet, Jahrgänge 1976 bis 1987, Düsseldorf und Essen 799 LDS NRW und KVR - Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik Nordrhein- Westfalen und Kommunalverband Ruhrgebiet (1987): Statistische Rundschau Ruhr- gebiet 1987, Düsseldorf und Essen, S.58 7. Der Regionalverband Ruhr, seine Vorgänger und die Verbandsgrünflächen 230 Dabei sind Löschungen und Neuaufnahmen häufig miteinander verknüpft. So sind für die derzeit 823 Verbandsgrünflächen in den letzten 25 Jahren insgesamt 901 Änderungen dokumentiert: - Bei 196 Änderungen wurden Teilflächen aufgenommen, - in 302 Fällen wurden Teilflächen gelöscht, und - bei 399 Änderungen wurden gleichzeitig Teilflächen gelöscht und neu aufgenommen Seit 1996 allerdings ist eine gewisse Stabilität eingetreten, so dass nur noch wenige Änderungen beschlossen werden und diese auch nur noch geringe quantitative Auswirkungen haben.800 Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass das saldierte Wachstum der Verbandsgrünflächen auf ein starkes Interesse des Verbandes und seiner Mitglieder an der Freiraumsicherung hinweist, während die Fluktuation unter den Verbandsgrünflächen aber auch die These von ihrem teilweisen Residualcharakter bestärkt: - ein Teil des Freiraumes dient als Reservefläche, die für spätere bauli- che Nutzungen zwischenzeitlich zurückgehalten wird, - während ein anderer Teil der Freiflächen als Restfläche erscheint, die für andere Zwecke nicht benötigt wird oder gar nicht genutzt werden kann. Offensichtlich war es bisher noch möglich, beide Interessen miteinander zu verbinden, d.h. dass die real existierenden Freiflächen sowohl für die Siedlungstätigkeit als auch für die Aufnahme ins Verbandsgrünflächen noch die erforderlichen Reserven aufwiesen.801 Bemerkenswert ist, dass die Fluktuation in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen ist. Inzwischen hat sich nämlich der Spielraum, um bishe- rige Verbandsgrünflächen aufzugeben und dafür neue Freiflächen in das Verbandsverzeichnis aufzunehmen, deutlich verkleinert. Der auf nunmehr 60,8 Prozent der Verbandsfläche gestiegene Anteil der Verbandsgrünflä- chen ist dem realen Freiflächenanteil von maximal 65,9 Prozent schon sehr nahe gekommen.802 Damit ist das Wachstum der Verbandsgrünflächen in einem Grenzbereich angelangt. Das Instrument der Verbandsgrünflächen steht jetzt vor seiner eigentlichen Bewährungsprobe: Ob die Verbandsgrünflächen ihren Umfang halten können, wenn die Bautätigkeit wieder anzieht, lässt sich noch nicht absehen. 7.3. Funktionen der Verbandsgrünflächen Die offiziellen Funktionen der Verbandsgrünflächen sind in dem jeweiligen Verbandsgesetz festgelegt. Nach der für den SVR maßgeblichen Ver- 800 Overkamp (2003), S.5, S.7 801 In den 1960er Jahren haben Kommunen für einen kleinen Teil von Grundstücken die Freiraumeigenschaft genutzt, um zunächst für ihren Erwerb Fördermittel zu bekom- men und um sie anschließend doch in Bauland umzuwandeln; siehe weiter unten 802 Im Jahr 2005 werden 34,1 Prozent der gesamten Katasterfläche des Verbandes durch Gebäude-, Betriebs- und Verkehrsflächen genutzt. Den verbleibenden 292.156 Hektar (2005), bei denen es sich zum größten Teil um Freiflächen handelt, stehen 269.581 Hektar Verbandsgrünflächen (2002) gegenüber; eigene Berechnungen nach: Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik Nordrhein-Westfalen (LDS NRW) (2005): Bodenflächen in Nordrhein-Westfalen nach Nutzungsarten der Vermessungs- verwaltung. Ergebnisse der Flächenerhebung 2005, Düsseldorf 7. Der Regionalverband Ruhr, seine Vorgänger und die Verbandsgrünflächen 231 bandsordnung sollten die Verbandsgrünflächen der Erholung dienen. So war der SVR zuständig für "die Sicherung und Schaffung größerer von der Bebauung freizuhaltender Flächen (Wälder, Heide, Wasserflächen und ähnlicher Erholungsflächen)" (§ 1 Abs.1 Nr.3 SVR-G 1920). Inzwischen wurde die Erholungsfunktion offiziell um die Aufgabe, den Naturhaushalt zu erhalten, erweitert. Zu den Aufgaben des Verbandes gehört nun die "Sicherung und Weiterentwicklung von Grün-, Wasser, Wald- und sonstigen von der Bebauung freizuhaltenden Flächen mit überörtlicher Bedeutung für die Erho- lung und zur Erhaltung eines ausgewogenen Naturhaushaltes (Verbandsgrünflä- chen)" (§ 4 Abs.1 Nr.1 RVRG),803 Doch schon die Denkschrift von Schmidt und die Beratungen in der preu- ßischen Landesversammlung zeigen, dass den Verbandsgrünflächen von Anfang an weitere Funktionen zugeschrieben wurden. Trotzdem erhalten die Grünflächen erst in den 1960er und 1980er Jahren ein umfassenderes planerisches und wissenschaftliches Fundament. 1966 beschließt der SVR mit seinem "Gebietsentwicklungsplan" (GEP 1966) ein Konzept, das städtische Grünflächen, die Regionalen Grünzüge und regional bedeut- same Erholungsgebiete umfasst. 1985 wurde dieses Konzept mit dem "Regionalen Freiraumsystem Ruhrgebiet" (RFR '85) fortentwickelt, zwi- schen vier Freiraumkategorien unterscheidet:804 - regionale Grünzüge im Ballungskern, - überörtlich bedeutsame Vernetzungselemente im Ballungskern, - überregionale Grüngürtel im Übergangsbereich vom Ballungskern zur Ballungsrandzone, - überregionale Landschaftsräume der ländlichen Randzone. Gerade das RFR '85 gilt ausdrücklich als "konzepzionelle... und funktio- nale... Ergänzung" des Verbandsverzeichnisses, denn: "Die Bewertungskriterien für die Einstufung einer Freifläche als Verbandsgrünfläche müssen nach einheitlichen Maßstäben nachvollziehbar aus den Freiraumfunktionen und -Potentialen sowie den konzeptionellen Zielsetzungen abgeleitet werden können." Vor diesem Hintergrund können folgende den Verbandsgrünflächen zuge- schriebene Funktionen skizziert werden. 7.3.1. Erholungsfunktion Bereits für die Auftraggeber von Robert Schmidt, den Arbeitsausschuss der Beigeordneten, Regierungs- und Bauräte aus dem rechtsrheinischen Teil 803 Gesetz über den Regionalverband Ruhr (RVRG), in der Fassung des Gesetzes zur Stärkung der regionalen und interkommunalen Zusammenarbeit der Städte, Gemein- den und Kreise in Nordrhein-Westfalen. Vom 3. Februar 2004 (GV.NRW S.96), hier: Artikel V, geändert durch Gesetz vom 16. November 2004 (GV.NRW S.644), im fol- genden: RVRG 2004. Das KVR-Gesetz enthielt dieselbe Aufgabenbestimmung, allerdings ohne die "Weiter- entwicklung": Gesetz über den Kommunalverband Ruhrgebiet, neugefasst durch Arti- kel 10 des Zweiten Gesetzes zur Funktionalreform (2. FRG) vom 18. September 1979, GV.NW. S.552, hier: S.554-560, im folgenden: KVR-G 804 SVR (1970a): Gebietsentwicklungsplan 1966, Essen, S.64 f; KVR - Kommunalverband Ruhrgebiet. Abteilung Planung (1986): RFR '85. Regionales Freiraumsystem Ruhrgebiet. Entwurf, Essen, S.35; das RFR '85 hat den Entwurfsstatus allerdings nicht überwunden. 7. Der Regionalverband Ruhr, seine Vorgänger und die Verbandsgrünflächen 232 des Regierungsbezirks Düsseldorf, stand die Erholungsfunktion an erster Stelle. Der Ausschuss wollte "feststellen, was der Bevölkerung des Bezirkes an Erhaltung und Schaffung von Grünflächen, Spiel- und Sportplätzen, Wander- und Verkehrswegen not tut." 805 Dementsprechend propagiert Schmidt "die Notwendigkeit der Schaffung der Erholungsstätten in Form von Grünanlagen und Spielplätzen." 806 Dabei unterscheidet Schmidt zwei Typen von Grünflächen: "Die zusammenhängenden Grünflächen, die nur an Sonn- und Feiertagen oder freien Nachmittagen aufgesucht werden können, liegen meist weit außerhalb der Ortslagen. ... Neben diesen Feiertagsgrünflächen müssen aber auch andere vor- handen sein, die leichter erreichbar sind von den dicht gedrängten Wohnstätten aus, also in dem Stadtplan verteilt sich befinden." 807 Als Hintergrundmotiv nennt Schmidt im Jahr 1912, also kurz vor dem Ers- ten Weltkrieg, die "Schaffung und Erhaltung eines gesunden und wehrkräftigen Volkes ... Verlangt nicht die Landesverteidigung auch eine wehrhafte Bevölkerung, die nur ein gesun- der, vaterlandsfroher Stamm von Menschen liefern kann? Grundbedingung zur Erzielung des gesunden Stammes ...(sind) einwandfreie..., gesunde... Gesamtsie- delungen ..., (bei denen) die Sauerstoff spendenden Großgrünzüge bis in ihr Herz hineingehen und Lust schaffen zu regenerierender Bewegung im Freien. Warum sollen daher diese Grünflächen nicht im Interesse der Landesverteidigung ... frei gehalten werden?" 808 Derart militärische Überlegungen spielen in den ersten Jahren der Weima- rer Republik keine Rolle. Trotzdem sind es nur der preußische Minister für Volkswohlfahrt Stegerwald und der SPD-Abgeordnete Kahl, die bei der Beratung des Entwurfs für die Verbandsordnung in der Verfassunggeben- den Preußischen Landesversammlung den Erholungsaspekt ansprechen. Dabei verweist Kahl darauf, dass nach dem Verschwinden der früheren Wälder im Ruhrgebiet die neu geschaffenen kommunalen Erholungsstätten den Bedürfnissen der großen Bevölkerung nicht genügen. Nach Ste- gerwald hatte der Verband die Aufgabe, "für die Erhaltung und Neuschaffung von Erholungsstätten für die Arbeiter, für die Anlage geeigneter Grünflächen, Waldanlagen usw zu sorgen." 809 1922 erhält die Erholungsfunktion der Verbandsgrünflächen durch das Baumschutz- und Uferwegegesetz ein zusätzliches Gewicht. Durch dieses Gesetz wurden im Ruhrgebiet "aus Rücksicht auf die Volksgesundheit oder als Erholungsstätten der Bevölkerung" die Baumbestände in den Verbandsgrünflächen geschützt, und an Seen und Wasserläufen sollten "zwecks Förderung des Wanderns" neue Ufer- wege eröffnet werden.810 805 Schmidt (1912), Vorwort 806 Schmidt (1912), S.5 807 Schmidt (1912), S.66 808 Schmidt (1912), S.75, S.90 809 Stegerwald (1920), Sp.9004; Kahl (1920), in: Sitzungsberichte der verfassunggebenden Preußischen Landesver- sammlung. Tagung 1919/21, 7. Band (Berlin 1921), 111. Sitzung am 3. Februar 1920, Sp.9275 810 § 1 Abs. 1 Baumschutz- und Uferwegegesetz: Gesetz zur Erhaltung des Baumbestan- des und Erhaltung und Freigabe von Uferwegen im Interesse der Volksgesundheit. Vom 29. Juli 1922, Preußische Gesetzsammlung 1922, S.213-217 (Nr. 12331) 7. Der Regionalverband Ruhr, seine Vorgänger und die Verbandsgrünflächen 233 Bei der Umwandlung des SVR in den KVR wird die gesetzliche Regelung deutlicher. Zu den Aufgaben des KVR gehört nun die "Sicherung von Grün-, Wasser-, Wald- und sonstigen von der Bebauung freizuhal- tenden Flächen mit überörtlicher Bedeutung für die Erholung ..." (§ 4 Abs.1 Nr.1 KVR-G). Dieselbe Formulierung findet sich auch im neuen RVR-Gesetz, in dem die Aufgabe der Sicherung sogar noch um die "Weiterentwicklung" ergänzt ist (§ 4 Abs.1 Nr.3 RVRG). Daher war die Erholung auch im GEP 1966 und im RFR '85 die wichtigste Funktion des geplanten komplexen Grünflä- chensystems.811 7.3.2. Naturschutzfunktion Während Schmidt 1912 in seiner Denkschrift auf ökologische Aspekte noch nicht eingegangen ist, werden sie bei der Beratung des Gesetzent- wurfs in der verfassunggebenden Preußischen Landesversammlung gleich mehrfach angesprochen, zunächst mit einer eher ästhetischen Aus- richtung. So hofft der Abgeordnete Tegeder der Deutschen Volkspartei (DVP), dass durch das SVR-Gesetz im Ruhrbezirk "die wenigen Naturschönheiten, über die wir dort noch verfügen, erhalten wer- den".812 Auch der Abgeordnete Martin von der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) erwartet vom SVR "eine sehr segensreiche Arbeit ... Welch landschaftliche schöne Wald- und Was- serflächen der wahnsinnigen Profitwut im Ruhrgebiet schon alle zum Opfer gefallen sind, davon können wir, die wir aus dem Ruhrgebiet stammen, ein Wörtlein reden. ... Wir danken es der tatkräftigen Arbeit der Kommunen, daß das Land- schaftsgesicht im Ruhrgebiet nicht total verhunzt ist."813 Vor diesem Hintergrund stellen Vertreter der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) im Ausschuss mehrere Anträge, um die Kompetenzen des SVR in der Naturdenkmalpflege zu erweitern: "Im Industrierevier habe eine fürchterliche Verschandelung der dortigen Natur- schönheiten stattgefunden. Daher sei es dringend wünschenswert, die Aufgaben des Naturschutzes in die Hand des Verbandes zu legen." 814 Damit hat die DDP aber nur erreicht, dass in § 1 des SVR-Gesetzes der Abs.2 eingefügt wurde, nach dem bei "der Durchführung der Aufgaben des Verbandes ... die Interessen der Denkmal- pflege, Naturdenkmalpflege und des Heimatschutzes möglichst zu berücksichtigen" sind. Auch wenn der SVR zeitweilig Naturschutzaufgaben übernommen hat, sind Naturschutzaspekte für die Abgrenzung von Verbandsgrünflächen erst seit 1979 wichtig.815 Seitdem müssen die Verbandsgrünflächen nicht nur für die überörtliche Erholung, sondern auch 811 SVR (1970a), S.63-66; KVR - Abteilung Planung (1986), S.51-69 812 Tegeder (1920), in: Sitzungsberichte der verfassunggebenden Preußischen Landes- versammlung. Tagung 1919/21, 7. Band (Berlin 1921), 111. Sitzung am 3. Februar 1920, Sp.9268 813 Martin (1920), in: Sitzungsberichte der verfassunggebenden Preußischen Landesver- sammlung. Tagung 1919/21, 7. Band (Berlin 1921), 111. Sitzung am 3. Februar 1920, Sp.9270 814 Bericht des 21. Ausschusses, S.3814; zur Debatte über die Kompetenzen des SVR in der Naturdenkmalpflege, siehe: S.3813 f, 3816, 3827-3829, 3848 f, 3857 f 815 KVR - Abteilung Planung (1986), S.42-51 7. Der Regionalverband Ruhr, seine Vorgänger und die Verbandsgrünflächen 234 "zur Erhaltung eines ausgewogenen Naturhaushaltes" (§ 4 Abs.1 Nr.1 KVR-G) gesichert werden. Diese Regelung findet sich unverändert im RVR-Gesetz wieder (§ 4 Abs.1 Nr.3 RVRG). 7.3.3. Klimafunktionen Auf die Klimafunktionen der Grünflächen hat bereits Schmidt hingewiesen, der die "Großgrünflächen" als "die Luftregeneratoren des ganzen Bezirks" bezeichnet, denn - so seine Erläuterung: "die Pflanzen geben der Luft den Sauerstoff, ohne den der Mensch nicht leben kann." 816 Obwohl Wagner wenig später nachgewiesen hat, dass die Sauerstoff pro- duzierende Wirkung der Grünflächen überschätzt wird, gelten sie seitdem als "Lungen des Gebietes".817 So auch der DNVP-Abgeordnete Martin: "denn wir haben für unsere Industriestädte Lungen nötig; ohne diese Lungen kön- nen die Industriegemeinden nicht mehr auskommen." 818 Der Klimagesichtspunkt wurde bisher allerdings noch nicht in die gesetzli- che Zweckbestimmung für die Verbandsgrünflächen aufgenommen, spielt aber in der praktischen Verbandsarbeit und im RFR '85 eine wichtige Rolle. Als Luftfilter, Kaltluftentstehungsgebiete und Kaltluftbahnen sollen die Freiräume die lufthygienische Situation im Ballungskern verbessern.819 7.3.4. Produktive Funktionen Dass die Verbandsgrünflächen im Ruhrgebiet überwiegend landwirtschaft- lich genutzt werden und somit produktive Funktionen erfüllen, kommt in den Beratungen über die Verbandsordnung nur ein einziges Mal zur Spra- che. So verweist ein Vertreter der DNVP im Ausschuss darauf hin, dass "die Versorgung des schon ohnehin sehr dicht bevölkerten Gebietes durch weitere Verringerung landwirtschaftlich benutzter Flächen noch weiter werde erschwert werden." 820 Immerhin bezeichnet der GEP 1966 die regionalen Grünflächen im allge- meinen als Vorranggebiete der Land- und Forstwirtschaft. Demgegenüber werden die Land- und Forstwirtschaft im RFR '85 weder bei den Frei- raumfunktionen noch bei den Zielen ausdrücklich angesprochen. Vielleicht wäre die Land- und Forstwirtschaft bei der weiteren Bearbeitung des RFR '85 im Rahmen der Freiraumfunktion "Produktion" berücksichtigt worden.821 Dazu ist es aber nicht mehr gekommen, da der KVR stattdessen für die Internationale Bauausstellung den Emscher-Landschaftspark bearbeitet hat. 816 Schmidt (1912), S.6, S.65 817 Einzelbegründung zu dem Gesetzentwurf, betreffend Verbandsordnung für den Sied- lungsverband Ruhrkohlenbezirk - Drucksache Nr. 1741 A, in: Sammlung der Druck- sachen der verfassunggebenden Preußischen Landesversammlung. Tagung 1919/21, 6. Band, Drucksache Nr. 1741 B , S.2673-2682, hier: S.2676 (Berlin 1921) 818 Martin (1920), in: Sitzungsberichte der verfassunggebenden Preußischen Landesver- sammlung. Tagung 1919/21, 7. Band, 111. Sitzung am 3. Februar 1920, Sp.9270 (Berlin 1921) 819 KVR - Abteilung Planung (1986), S.70-86 820 Bericht des 21. Ausschusses, S.3776 f 821 SVR (1970a), S.59; KVR - Abteilung Planung (1986), S.31 7. Der Regionalverband Ruhr, seine Vorgänger und die Verbandsgrünflächen 235 Für die Abgrenzung der Verbandsgrünflächen spielen die landwirtschaftli- chen Funktionen und die Notwendigkeit, sie zu schützen, bis heute keine ausdrückliche Rolle. 7.3.5. Bodenschutz und Wasserhaushalt Auch die Freiraumfunktionen für den Bodenschutz und den Wasserhaus- halt sollten in der nächsten, überarbeiteten Fassung des Regionalen Frei- raumsystems berücksichtigt werden, die aber nicht mehr zustande ge- kommen ist. Nur zum Bodenschutz wurden im "Freiraumbericht 1987" erste Überlegungen vorgetragen. Immerhin geht aus dem GEP 1966 hervor, dass es zwischen den drei Funktionen Wassergewinnung, Land- und Forstwirtschaft und Erholung größere flächenmäßige Überschneidungen gibt.822 7.3.6. Trenn- und Gliederungsfunktion Schon im GEP 1966 sollte das Regionale Grünflächensystem den Sied- lungsraum gliedern und ein Zusammenwachsen vor allem des Kernge- bietes mit den Entwicklungsschwerpunkten im nördlichen Verbandsgebiet, aber auch der Siedlungsbereiche untereinander verhindern.823 Im RFR '85 wird den Freiräumen diese "Ordnungsfunktion für die Sied- lungsentwicklung" ebenfalls zugeschrieben: "Das Erlebnis einer multizentrischen Stadtlandschaft und die Orientierung in ihr wird vom deutlich ablesbaren Wechsel zwischen bebauten und freien Räumen auf den verschiedenen Maßstabsebenen (Wohnumfeld - Quartier - Stadtteil - Gesamtstadt - Region) entscheidend beeinflusst." 824 7.3.7. Flächenreserve Die Funktion der Flächenreserve, die den Freiräumen und Verbandsgrün- flächen nur eine temporäre Existenz erlaubt, gehört natürlich nicht zu ihren offiziellen Zwecken. Man könnte sie als heimliche Funktion bezeichnen. Martin Einsele, zeitweise Stadtplaner in Gladbeck, später Planungsprofes- sor in Dortmund, dann in Karlsruhe, kritisierte in den 1960er Jahren, dass den Grünzügen in der Planungsrealität die "Aufgabe zugewiesen wird, ... Reserveflächen für Verkehrswege und Versor- gungsleitungen zu sein". Zum Beleg schildert er, wie ein regionaler Grünzug, der zum großen Teil auch als Verbandsgrünfläche gesichert ist, durch Abwasserkanäle, Hochspannungs- und oberirdische Rohrleitungen genutzt wird, dass Berg- senkungen und Grundwasseranstieg die landwirtschaftlichen Betriebe bedrohen und Wanderwege im Morast versinken lassen. Soweit nicht schon vorhanden, sind gerade in den Grünzügen neue Bahnlinien und Schnellstraßen geplant. Ähnliches beschrieb auch der SVR-Vermes- sungsdirektor Hirt. Im RFR '85 wird dieser Aspekt indirekt als "Beeinträch- 822 KVR - Kommunalverband Ruhrgebiet. Abteilung Planung (1988): Freiraumbericht Ruhrgebiet 1987, Essen; SVR (1970a), S.55-66; KVR - Abteilung Planung (1986), S.31 823 SVR (1970a), S.66-69 824 KVR - Abteilung Planung (1986), S.87 7. Der Regionalverband Ruhr, seine Vorgänger und die Verbandsgrünflächen 236 tigung und Gefährdung" durch Nutzungskonflikte und Nutzungsüberlage- rungen angesprochen.825 7.3.8. Beruflich-politische Funktion Abschließend soll auf einen weiteren inoffiziellen Zweck der Freiräume und Verbandsgrünflächen hingewiesen werden: die beruflich-politische Funktion. Sowohl für Politiker als auch für Verbandsmitarbeiter kann es von Vorteil, aber auch von Nachteil sein, wenn sie sich für Freiräume und ihren Schutz als Verbandsgrünflächen einsetzen. Es kann ihre Position innerhalb ihrer Partei, ihrer Interessengemeinschaft, vor ihren Wählern oder innerhalb der Verbandsverwaltung stärken, aber auch schwächen. Ob und für wen diese beruflich-politische Funktion von Bedeutung ist, wird im Abschnitt über die Entscheidungsträger genauer betrachtet. 7.3.9. Funktionen - Zwischenresümee Alles in allem konnten für die Verbandsgrünflächen also acht verschiedene Funktionen skizziert werden. Nur zwei Funktionen sind von Gesetzes wegen anerkannt: zum einen die bereits von Schmidt in seiner Denkschrift aufgezeigten Naherholungsbedürfnisse der Bevölkerung. Zum anderen muss der Verband von Anfang an die Interessen des Naturschutzes be- rücksichtigen; allerdings ist der - interpretationsbedürftige - "ausgewogene Naturhaushalt" erst seit 1979 ein explizites Kriterium für die Abgrenzung von Verbandsgrünflächen. Vier weitere wichtige Funktionen wurden in den Begründungen für die Verbandsgründung angesprochen und vom Verband zwischenzeitlich analytisch und konzeptionell weiter bearbeitet. Dabei handelt es sich um die Beiträge zur Verbesserung des Stadtklimas, die bereits von Schmidt betont worden sind, um den Bodenschutz und die Sicherung der Wasser- gewinnung, um die produktiven Funktionen der Land- und Forstwirtschaft sowie um die Trenn- und Gliederungsfunktion innerhalb der Siedlungs- struktur. Abschließend sind zwei "heimliche", inoffizielle Funktionen zu beachten, zum einen dass Freiräume nach wie vor als Flächenreserve für die Sied- lungstätigkeit dienen. Zum anderen kann sich der Einsatz für oder gegen den Freiraumschutz für Politiker, Interessensvertreter und Verwaltungsmit- arbeiter politisch oder beruflich förderlich, unter Umständen aber auch nachteilig auswirken. 7.4. Nutzer und Entscheidungsträger Zu den Nutzern der Verbandsgrünflächen gehören tendenziell alle Be- wohner und Besucher des Ruhrgebietes. Da inzwischen der größte Teil der Freiflächen als Verbandsgrünflächen gesichert ist, findet fast jeder 825 Einsele, Martin (1963): Planen im Ruhrgebiet, in: Bauwelt, 54 Jg. (1963), S.1541, zitiert nach: Borcke (1964), S.234 f; Hirt, Fritz-Hellmut (1966): Die regionalen Grünzüge im Verdichtungskern des Ruhrge- biets und ihre Verwirklichung, in: Allgemeine Vermessungs-Nachrichten 73.Jg. (1966), Heft 9, S.348-354; Hommel, Manfred (1975): Aspekte regionaler Grünflächenpolitik im Ruhrgebiet, in: Akademie (1975), S.163-169, hier: S.165; KVR - Abteilung Planung (1986), S.94 ff 7. Der Regionalverband Ruhr, seine Vorgänger und die Verbandsgrünflächen 237 Aufenthalt im Freien zugleich in einer Verbandsgrünfläche statt. Auch die meisten land- und forstwirtschaftlichen Flächen sind Verbandsgrünflächen. Ein Problem dieser Verbandsgrünflächen liegt allerdings darin, dass die meisten Nutzer von der Existenz dieser Flächenkategorie nichts wissen. Die Verbandsgrünflächen sind nur ein Thema für Fachleute. Entscheidungsträger sind die stimmberechtigten Mitglieder in den Ver- bandsgremien, die über die Aufnahme von Grünflächen in das Verbands- verzeichnis oder über ihre Löschung förmlich beschließen. 7.4.1. Zuständige Gremien Zuständig für die Aufnahme von Grünflächen in das Verbandsverzeichnis war von 1920 bis 1936 der Verbandsausschuss.826 Während des National- sozialismus wurden 1936 diese Kompetenzen auf den Verbandsdirektor übertragen.827 Nach Aufhebung der NS-Gesetze war seit 1958 wieder der Verbandsausschuss zuständig.828 Diese Zuständigkeit blieb auch nach der Umwandlung des SVR in den KVR bestehen.829 Demgegenüber gehörte im RVR die "Aufstellung, Ergänzung oder Änderung" des Verbandsver- zeichnisses für eine kurze Zeit zu den Aufgaben des Vorstandes, bevor dieser abgeschafft und der Verbandsausschuss wieder eingerichtet, die Zuständigkeit für die Verbandsgrünflächen aber an die Verbandsver- sammlung übertragen worden ist.830 Es stellt sich nun die Frage, wie diese Gremien zusammengesetzt waren bzw. sind und was sie und ihre Mitglieder mit dem Freiraum verbindet. 7.4.2. Wahl und Zusammensetzung der Gremien Anders als die kommunalen Parlamentarier, die z.B. über Bauleitpläne beschließen, werden die Mitglieder der Verbandsgremien nicht direkt von der Bevölkerung gewählt, sondern indirekt und in mehreren, etwas verwi- ckelten Schritten, die im folgenden skizziert werden. So bestand der Verbandsausschuss in der Weimarer Republik aus 17 Mitgliedern,831 und zwar aus dem Verbandsdirektor sowie 16 Mitgliedern der Verbandsversammlung. Diese Verbandsversammlung wurde zur Hälfte von den verbandsangehö- rigen Städten und Kreisen gewählt. Es handelte sich um eine indirekte Wahl, bei der durch verschiedene Quotierungen und ähnliche Regelungen sichergestellt werden sollte, dass sowohl städtische als auch ländliche Kommunen vertreten waren und dass die parteipolitischen Mehrheitsver- 826 § 16 Abs.1 Nr.3 SVR-G 1920 827 § 1 Abs.1 G. vom 25. Mai 1936: Gesetz über die weitere Anpassung des Gesetzes, betreffend Verbandsordnung für den Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk vom 5. Mai 1920 (Gesetzsamml. S.286) an die Grundsätze des nationalsozialistischen Staates. Vom 25. Mai 1936, Preußische Gesetzsammlung 1936 S.113 f (Nr. 14334) 828 SVR-G 1958 829 § 5 Abs.1 KVR-G 1979 830 § 5 Abs.1 und § 13 Abs.1 Nr.3 RVRG 2004; § 5 Abs.1 Gesetz über den Regionalverband Ruhr (RVRG), in der Fassung der Be- kanntmachung vom 3. Februar 2004 (GV.NRW S.96), geändert durch Gesetz vom 16. November 2004 (GV.NRW S.644), geändert durch Gesetz vom 5. April 2005 (GV.NRW S.351), geändert durch Gesetz vom 5. Juni 2007 (GV.NRW S.212); im fol- genden RVRG 2007 831 zum Verbandsausschus in der Weimarer Zeit: siehe §§ 4-11 SVR-G 1920; Luther (1958b), S.76 ff 7. Der Regionalverband Ruhr, seine Vorgänger und die Verbandsgrünflächen 238 hältnisse im großen und ganzen berücksichtigt wurden. Von diesen kom- munalen Mitgliedern der Verbandsversammlung wurden - wie bereits er- wähnt - acht Personen in den Verbandsausschuss delegiert. Da bei dieser Zahl nicht jeder Stadt- oder Landkreis vertreten sein konnte, sollte durch die Übertragung der Wahl an Wahlmänner eine eventuelle Dominanz eini- ger weniger Kommunen verhindert werden. Tabelle 7.3. Anzahl der Wirtschaftsvertreter in der Verbandsversammlung 1920 und 1929 Wirtschaftszweig Sitze in der Verbands- versammlung im Jahr 1920 1929 Bergbau 28 28 Land- und Forstwirtschaft 12 16 Metallindustrie 14 14 Handel, Gewerbe und sonstige Industrie 12 12 Baugewerbe 8 8 Handwerk, ohne Bauhandwerk 6 6 Reichseisenbahn 4 4 Reichspost 2 2 Straßen-, Klein- und Privatbahnen - 2 Elektrizitiäts-, Gas- und Wasserwerke - 2 zusammen 86 94 Die andere Hälfte der Verbandsversammlung wurde von den sogenannten Arbeitsgemeinschaften gewählt. Diese Arbeitsgemeinschaften wurden von der Staatsregierung für verschiedene Wirtschaftszweige gebildet und umfassten die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer der jeweiligen Branche. Dementsprechend musste jeweils die Hälfte ihrer Abgeordneten in den Verbandsgremien zu den Arbeitgebern und den Arbeitnehmern gehören. Für 1920 und 1929 hatte die Regierung den Hauptwirtschaftskreisen 86 bzw. 94 Sitze in der Verbandsversammlung zugewiesen (Tabelle 7.3.). Hiervon wurden acht Mitglieder in den Verbandsausschuss entsandt.832 So umfasste der Verbandsausschuss auf der kommunalen Seite Oberbür- germeister, Landräte und Stadtbauräte sowie Direktoren und Generaldi- rektoren, Bauunternehmer, Gutsbesitzer und Gewerkschaftssekretäre als Vertreter der Arbeitsgemeinschaften.833 Seit 1936 war der Verbandsdirektor gemäß dem Führerprinzip der Natio- nalsozialisten allein zuständig und konnte vom Verbandsausschuss nur noch beraten werden. Dessen Mitglieder wurden vom preußischen Ar- beitsminister und Innenminister berufen, genauso wie der Verbandsdirek- tor.834 832 Hirtsiefer, Heinrich (1920b): Verbands-Ordnung für den Siedlungsverband Ruhrkoh- len-Bezirk, Duisburg, S.10; Kempener, Otto (1931): Organisation, Aufgaben und wirtschaftliche Tätigkeit des Siedlungsverbandes Ruhrkohlenbezirk, Bottrop, S.25 833 Kempener (1931), S.27 834 § 1 Abs.3 und § 2 G vom 25.5.1936; Verbandsdirektor war von 1933 bis 1937 Justus Dillgardt als Staatskommissar und von 1937 bis 1945 Albert Lange. Dillgardt war während dieser Zeit außerdem zu- nächst Technischer Beigeordneter der Stadt Essen und dann Oberbürgermeister der Stadt Duisburg. Lange ist innerhalb des SVR aufgestiegen, und zwar vom Bearbeiter von Siedlungsfragen über den Leiter des Technischen Dezernates bis zum Verbands- direktor - Benedict (1996), S.211, S.220 f, S.233 7. Der Regionalverband Ruhr, seine Vorgänger und die Verbandsgrünflächen 239 Auch nach dem Zweiten Weltkrieg blieb die formelle Zuständigkeit des Verbandsdirektors für die Verbandsgrünflächen zunächst bestehen.835 Als 1958 schließlich die NS-Gesetze außer Kraft gesetzt wurden, wurden auch die Zusammensetzung und die Wahl der Verbandsversammlung und des Verbandsausschusses verändert.836 Nach wie vor gehörten der Ver- bandsversammlung nicht nur Vertreter der Kommunen an, sondern auch Repräsentanten der regionalen Wirtschaft, deren Anteil jetzt auf zwei Fünftel der Sitze begrenzt wurde (§ 4a Abs.3 SVR-G 1958). Zugleich wurde festgelegt, dass die Wirtschaftsvertreter - den Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern und Land- wirtschaftskammern, - den Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden sowie - den Siedlungsgesellschaften und Heimstätten, den Verbänden des Wohnungswesens, des Verkehrs und der Wasserwirtschaft, angehören mussten (§ 4a Abs.1 SVR-G 1958). Wie früher sollen Arbeit- geber und Arbeitnehmer jeweils die Hälfte der Mitglieder stellen. Allerdings konnten die Institutionen ihre Vertreter jetzt nicht mehr selbst entsenden, sondern nur noch Wahlvorschläge einreichen, während die Wahl von den kommunalen Mitgliedern der Verbandsversammlung vorgenommen wurde (§ 4a Abs.2 SVR-G 1958). Die Wirtschaftsvertreter wurden also von den kommunalen Vertretern kooptiert. Auch im Verbandsausschuss war der wirtschaftliche Anteil jetzt auf sechs Mitglieder begrenzt, Weitere zehn Mitglieder vertraten die Kommunen. Alle 16 Mitglieder wurden von der Verbandsversammlung aus ihrer Mitte ge- wählt. Hinzu kam der Vorsitzende der Verbandsversammlung. (§ 9 Abs.1 SVR-G 1958) Mit der Umwandlung des SVR in den KVR wurden die Zusammensetzung und die Wahl der Verbandsversammlung und des Verbandsausschusses erneut verändert. Von nun an gehören der Verbandsversammlung nur noch "Mitglieder der Vertretungen der Mitgliedskörperschaften und der kreisangehörigen Gemeinden" an. Gewählt wurden sie von den Kommu- nalparlamenten, im allgemeinen durch eine Listenwahl. Hinzu kamen als beratende Mitglieder die Hauptverwaltungsbeamten der Mitgliedskörper- schaften sowie zehn Wirtschaftsvertreter. Diese wiederum wurden von den kommunalen Mitgliedern der Verbandsversammlung aus den Reihen der regionalen Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern und Landwirtschaftskammern sowie aus den Gewerkschaften und Arbeitge- berverbänden gewählt - jeweils zur Hälfte Arbeitgeber und Arbeitnehmer (§ 9 KVR-G 1979). Der Verbandsausschuss besteht im KVR nur noch aus dem Vorsitzenden der Verbandsversammlung und vierzehn kommunalen Mitgliedern, die von der Verbandsversammlung aus ihren Reihen gewählt werden (§ 16 KVR-G 1979). Infolgedessen gehören den Gremien des KVR seit 1979 ausschließlich Mitglieder von kommunalen Parlamenten an, während Vertreter von Wirt- 835 Benedict (1996), S.233, S.226 ff, S.219: Als erster übernahm 1945 Philipp August Rappaport diese Aufgabe. Er war bereits seit 1920 der Erste Beigeordnete des SVR und für anderthalb Jahre sogar kommisarischer Verbandsdirektor, bis er Ende 1933 von den Nationalsozialisten in den Ruhestand versetzt und kurz vor Kriegsende sogar noch in ein Zwangsarbeiterlager interniert worden war. Von 1951 bis 1957 war Sturm Kegel, zuvor seit 1934 Baudezernent der Stadt Essen, der zweite SVR-Verbandsdi- rektor der Nachkriegszeit. 836 SVR-G 1958 7. Der Regionalverband Ruhr, seine Vorgänger und die Verbandsgrünflächen 240 schaft und Gewerkschaften nur noch eine beratende Stimme haben. Siedlungsgesellschaften, Heimstätten, Verbände des Wohnungswesens, des Verkehrs und der Wasserwirtschaft sind gar nicht mehr vertreten. Ähnliches gilt auch für den neuen RVR. Seiner Verbandsversammlung gehören die Oberbürgermeister und Landräte als geborene Mitglieder an. Hinzu kommen weitere Mitglieder, die von den kommunalen Parlamenten aus ihren Reihen gewählt werden sowie aus Reservelisten, die von den Parteien für die Wahl zur Verbandsversammlung aufgestellt werden. Dabei werden soviele Kandidaten von den Reservelisten in die Verbandsver- sammlung aufgenommen, dass die Stimmenverhältnisse den Ergebnissen der letzten Kommunalwahl entsprechen. Beratende Mitglieder sind je ein Vertreter der Arbeitgeberverbände, Indus- trie- und Handelskammern sowie der Handwerkskammern, drei Vertreter der Gewerkschaften sowie je ein Vertreter für die Sportverbände, Kultur- verbände, Naturschutzverbände, die kommunalen Gleichstellungsstellen und die Regionalstellen Frau und Beruf (§ 10 RVRG 2004 und 2007). Da- mit wurde die Präsenz der Wirtschaft weiter geschwächt, was auch mit dem Ausschluss der Landwirtschaftskammer einherging, während andere gesellschaftliche Belange immerhin mit beratender Stimme an den Ver- bandsversammlungen teilnehmen können. Von 2004 bis 2007 hatte der RVR keinen Verbandsausschuss, wohl aber einen Vorstand, der sich laut Gesetz aus den Oberbürgermeistern und Landräten der Mitglieder und aus den Vorsitzenden der Fraktionen in der Verbandsversammlung zusammensetzte (§ 14 RVRG 2004). Hierdurch wurde gleichermaßen die Rolle der Oberbürgermeister und Landräte in- nerhalb des RVR gestärkt und die Bedeutung des Vorstandes durch seine Zusammensetzung betont. Gestärkt wurden außerdem die kleinen Par- teien, die in der Vergangenheit aufgrund des Wahlsystems gar nicht oder allenfalls unterdurchschnittlich vertreten waren, jetzt aber ihrem Kommu- nalwahlergebnis entsprechend in der Verbandsversammlung mitbestimmen können und durch ihre Fraktionsvorsitzenden sogar im Vorstand vertreten waren. Zum 1. Oktober 2007 wurde jedoch der Vorstand wieder abgeschafft und stattdessen der frühere Verbandsausschuss wiederbelebt, der jetzt sieb- zehn von der Verbandsversammlung aus ihren Reihen gewählte Mitglieder umfasst. Damit wurde die Position der kommunalen Hauptverwaltungsbe- amten innerhalb des Regionalverbandes zweifellos geschwächt, wobei die Rückwirkungen auf die Stärke oder Schwäche des Verbandes umstritten sind. 7.4.3. Kommunale und unternehmerische Bindungen der Gremienmitglieder Bis heute sind die Gremienmitglieder des Verbandes nicht durch unmittel- bare demokratische Wahlen legitimiert.837 Ein freiraumpolitisch geprägter Wahlkampf um die Stimmen der von Freiraumverlusten unmittelbar be- troffenen Wahlbevölkerung ist nicht möglich. Stattdessen ist die Legitimität der Gremienmitglieder aus der des Landesgesetzgebers und der kommu- nalen Parlamente abgeleitet. Es sind die Kreise und kreisfreien Städte, die 837 Da das Stimmenverhältnis in der RVR-Verbandsversammlung dem Ergebnis der letzten Kommunalwahl bei den Mitgliedskörperschaften entsprechen muss, fällt die Diskrepanz zu einer unmittelbaren Wahl der Verbandsversammlung inzwischen schon geringer aus als bei den Vorgängerinstitutionen. 7. Der Regionalverband Ruhr, seine Vorgänger und die Verbandsgrünflächen 241 ihre Vertreter in die Verbandsgremien entsenden. Unterbrochen von der Phase des Nationalsozialismus, in der der allein zuständige Verbandsdi- rektor nur der preußischen Regierung verantwortlich war, ist der kommu- nale Stimmenanteil in den Verbandsgremien von 50 Prozent (1920-1936) über rund 60 Prozent (1958-1979) auf 100 Prozent (seit 1979) gestiegen. Auch wenn sich die Mitglieder der Verbandsgremien für das Wohl des Verbandes bzw. des Ruhrgebietes einsetzen, so sind sie als kommunale Delegierte selbstverständlich ihren Kommunen verpflichtet838 und müssen bei Entscheidungen über Grün- und Freiflächen auch andere Interessen im Blick haben. Wie der Bundestagsausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung festgestellt hat, haben für Kommunen mögliche Zugewinne an Einwohnern, Beschäftigten oder Gewerbebetrieben nach wie vor eine höhere Priorität als der Freiraumschutz.839 Nicht 838 Diese These wurde bei der Anhörung zum "Gesetz zur Übertragung der Regional- planung für die Metropole Ruhr auf den Regionalverband Ruhr" auch von mehreren Experten vertreten: - So erklärt Prof. Dr. Klaus Tenfelde, Direktor des Institutes für soziale Bewegungen der Ruhr-Universität Bochum: "Auf diesem Delegationsweg wird ein Mitglied der Ver- bandsversammlung allseits sein ureigenes 'kommunales Interesse' zu wahren be- strebt sein und mithin danach trachten, der eigenen Kommune mindestens denjenigen Vorteil zurückzuverschaffen, der sich aus dem messbaren Anteil an der Ver- bandsumlage errechnet. Das planende, gestalterische Interesse an der Region und ihrer Vertretung nach außen tritt hierbei notwendig in den Hintergrund." (Tenfelde, Klaus (2007): Stellungnahme 14/0851. Landtag Nordrhein-Westfalen, S.4) - Stefan Laurin vom Wirtschaftsmagazin Ruhr äußert sich über "die OB und LR als auch die anderen Mitglieder der Verbandsversammlung" folgendermaßen: "Ihre Legi- timation durch den Wähler haben sie für ihre kommunalpolitischen Aussagen erhalten. Mental sind die meisten auf ihre Stadt (ob kreisfrei oder nicht) fixiert. Auch für die Mitglieder der Verbandsversammlung entscheidet sich der politische Karriereweg nicht in der Verbandsversammlung, sondern auf der kommunalen Ebene." (Laurin, Stefan (2007): Stellungnahme 14/0901. Landtag Nordrhein-Westfalen, S.1) - Dr. Gerd Willamowski, der frühere Verbandsdirektor des KVR, formuliert das glei- che noch etwas deutlicher: "Die nicht direkt gewählten parlamentarischen Vertreter der Kommunen in der Verbandsversammlung bleiben nach ihrem eigenen Selbstver- ständnis in erster Linie Vertreter der örtlichen Interessen." (Willamowski, Gerd (2007): Stellungnahme 14/0884. Landtag Nordrhein-Westfalen, S.2) - Auch Prof. Dr. Axel Priebs, Erster Regionalrat der Region Hannover, meint: "Bei einer Direktwahl verstehen sich die Mitglieder der Verbandsversammlung eher als regionale Politiker/innen denn als 'Abgesandte' und Interessenvertreter ihrer jeweiligen Kommune." (Priebs, Axel (2007): Stellungnahme 14/0906. Landtag Nordrhein-West- falen, S.2) - Heinz-Dieter Klink, der Direktor des Regionalverbandes Ruhr, vertritt folgende Ein- schätzung: "Die Mitglieder agieren meist als Vertreter ihrer Körperschaft", also nicht so sehr als Vertreter der Region (Klink, Heinz-Dieter (2007): Stellungnahme 14/0881. Landtag Nordrhein-Westfalen, S.1). Wörtlich das gleiche sagt auch PD Dr. Thomas Rommelspacher, Bereichsleiter Planung und Vertreter des Regionaldirektors (Rom- melspacher, Thomas (2007): Stellungnahme 14/0886. Landtag Nordrhein-Westfalen, S.1). - So sieht der Verein pro Ruhrgebiet e.V., dass die bisherige "indirekte Wahl den Bezug zu den Kommunalvertretungen (stärkt)." (Verein pro Ruhrgebiet e.V. (2007): Stellungnahme 14/0846. Landtag Nordrhein-Westfalen, S.2) - Roland Mitschke, Fraktionsvorsitzender der CDU in der Verbandsversammlung des RVR, behauptet, dass sich die Oberbürgermeister und Landräte "nahezu ausschließ- lich als Vertreter ihrer eigenen Kommune" verstehen (Mitschke, Roland (2007): Stel- lungnahme 14/0919. Landtag Nordrhein-Westfalen, S.3) 839 Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (18. Ausschuss) (2007): Bericht gemäß § 56a der Geschäftsordnung. Technikfolgenabschätzung (TA). TA-Projekt: Reduzierung der Flächeninanspruchnahme - Ziele, Maßnahmen, Wirkun- gen, Deutscher Bundestag. Drucksache 16/4500 vom 2.3.2007, Berlin, S.6, S.38; Fürst und Knieling (1992), S.45 ff: Mitte der 1980er Jahre kam es allerdings zu einem Konflikt innerhalb der Kommunen: Während ihre Repräsentanten in der Verbandsver- sammlung das RFR '85 vorangetrieben haben, reagierten mehrere Städte und Kreise mit Protest, obwohl mit dem RFR '85 keine förmlichen Freiraumsicherungen verbun- den waren. 7. Der Regionalverband Ruhr, seine Vorgänger und die Verbandsgrünflächen 242 auszuschließen ist, dass diese Einschätzung auch für die kommunalen Vertreter im Verband gilt, die noch dazu Gefahr laufen, dass sie bei Fehl- verhalten von ihrem Kommunalparlament nicht wieder in die Verbandsver- sammlung entsandt werden. Auch die unternehmerischen Bindungen von Gremienmitgliedern sind zu berücksichtigen. So hatten die Vertreter der Wirtschaft in der Weimarer Zeit die Hälfte der Stimmen in der Verbandsversammlung und im Ver- bandsausschuss inne. Auch in der Nachkriegszeit bis zur KVR-Umwand- lung besetzten sie noch 40 Prozent der Sitze in der Verbandsversammlung und rund 35 Prozent im Verbandsausschuss. Dabei waren zumindest die Arbeitgebervertreter dem Wohl ihrer Unternehmen und Branchen ver- pflichtet. Dass sie einer Grünplanung zugestimmt haben, die ihren unter- nehmerischen Interessen zuwider lief, darf bezweifelt werden. So haben die Industrie- und Handelskammern sogar das allenfalls orientierende, nirgendwo verbindliche RFR '85 entschieden abgelehnt, denn sie "befürchteten die weitere Steigerung des Freiflächenanteils zu Lasten anderer Nutzungen",840 obwohl in der Realität der Freiraum doch ständig schrumpfte. Seit 1979 verfügen die Wirtschaftsvertreter in den KVR-Gremien formell nur noch über beratende Stimmen, zu denen seit der Konstituierung des RVR im Jahre 2005 die Stimmen von Sport und Kultur, der kommunalen Gleich- stellungsstellen und der Regionalstellen Frau und Beruf sowie der Vertre- terIn des Naturschutzes hinzu gekommen sind, die ebenfalls beratenden Charakter haben. Immer noch sind die ökologischen Belange bei den be- ratenden Gremienmitgliedern erheblich schwächer vertreten als die der Wirtschaft. 7.4.4. Entscheidungsstrukturen - Zwischenresümee Über viele Jahre war der Verbandsausschuss, ein verhältnismäßig kleines Gremium, als Entscheidungsträger für die Aufnahme von Grünflächen in das Verbandsverzeichnis sowie für ihre Löschung zuständig. Anfang des 21. Jahrhunderts lag die Kompetenz kurzfristig beim Vorstand des Ver- bandes bis sie seit einigen Jahren auf die Verbandsversammlung überge- gangen ist. Da die Mitglieder der Verbandsgremien nicht direkt von der Bevölkerung, sondern indirekt von den kommunalen Parlamenten gewählt werden, sind sie in einem hohen Maße ihren Kommunen verpflichtet, die vor allem an zusätzlichen Einwohnern, Arbeitsplätzen und Betrieben interessiert sind. Hinzu kommen die inzwischen nur noch beratenden Gremienmitglieder, die ihren Interessengruppen verpflichtet sind. Dabei verfügt der Naturschutz nur über eine einzige beratende Stimme. Demgegenüber sind die Nutzer der Verbandsgrünflächen an den Ent- scheidungen des Verbandsausschusses bzw. der Verbandsversammlung formell nicht beteiligt. Strukturen, die z.B. mit den Besuchervertretern in den Beiräten bei den Revierparks oder mit den Landschaftsbeiräten bei den Landschaftsbehörden vergleichbar wären, gibt es beim Verband nicht. 840 Fürst und Knieling (1992), S.45 7. Der Regionalverband Ruhr, seine Vorgänger und die Verbandsgrünflächen 243 7.5. Regelwerk und Instrumente Im folgenden geht es um das Regelwerk und die darin enthaltenen Instru- mente zur Sicherung der Verbandsgrünflächen. Dieses Regelwerk wurde im Laufe der Zeit verändert. Historisch gesehen startete die Entwicklung mit ordnungspolitischen Instrumenten, deren Bedeutung in den letzten Jahren allerdings abgenommen hat, während die organisatorischen und leistungspolitischen Maßnahmen in den Vordergrund rückten. 7.5.1. Ordnungspolitische Aspekte Mit der SVR-Gründung wurde im Ruhrgebiet ein neues, und zwar behörd- liches Instrument für den Freiraumschutz eingeführt: das Verbandsver- zeichnis für Grünflächen. Die wichtigsten Rechtsgrundlagen hierfür sind die jeweiligen Verbandsgesetze. Zeitweise sind die Verbandsgrünflächen durch die Verknüpfung mit dem preußischen Wohnungs- bzw. Fluchtli- niengesetz sowie später mit dem Bundesbaugesetz in ihrer Wirkung ge- stärkt worden. a. Verbandsgrünflächen und ihre Wirkung Nach dem Gesetz über die Verbandsordnung von 1920 bestand der Zweck des SVR in der "Förderung der Siedlungstätigkeit" (§ 1 Abs.1 Satz 1 SVR- G 1920). In diesem Kontext hatte der SVR mehrere ausdrückliche Aufgaben, zu denen auch der Freiraumschutz gehörte. Hierfür erhielt der SVR das Instrument der Verbandsgrünflächen. Erstmalig binnen sechs Monaten nach Inkrafttreten der Verbandsordnung und dann alle drei Jahre musste ein "Verzeichnis nebst planmäßiger Darstellung" aufgestellt wer- den, das die Grünflächen mit überörtlicher Bedeutung umfasste (§ 16 Abs.1 Nr.3 SVR-G 1920).841 Die Relevanz dieser Verbandsgrünflächen war umstritten: So hat das Oberverwaltungsgericht in einem Fall "ausdrücklich entschieden, daß die Tatsache, daß der Bau (eines Hauses - U.H.) in einem in das Verbandsverzeichnis aufgenommenen Grüngebiet liege, an sich nicht die Möglichkeit der Versagung gebe, weil die Aufnahme in das Verbandsver- zeichnis ein Bauverbot noch nicht ermögliche." In einem anderen Fall, und zwar in "einer späteren Entscheidung hat jedoch das Oberverwaltungsgericht ausgeführt, daß die Tatsache der Aufnahme eines Grüngebietes in das Verbandsverzeichnis insoweit recht erheblich sei, ... daß die Nichtbebauung dieses Grundstücks im öffentlichen Interesse liegen könne".842 In beiden Fällen ging es um die Frage, wie der Schutz der vom SVR defi- nierten Grüngebiete in der Planungswirklichkeit auch durchgesetzt werden konnte. In dem einen Fall reichte die Einstufung als Verbandsgrünfläche aus, um sie vor einer Bebauung zu schützen, und in dem anderen Fall hat das Gericht die Eintragung ins Verbandsverzeichnis als Schutzmaßnahme nicht anerkannt. 841 Ein ähnliches Verzeichnis musste auch für Ausfall- und Durchgangsstraßen erstellt werden sowie für die Trassen von überörtlichen Schienenbeförderungsmitteln, insbe- sondere Kleinbahnen. 842 Hövel (1938): Handhabung des Fluchtliniengesetzes unter besonderer Berücksichti- gung des Gesetzes betreffend Verbandsordnung für den Siedlungsverband Ruhrkoh- lenbezirk, Essen, S.6 7. Der Regionalverband Ruhr, seine Vorgänger und die Verbandsgrünflächen 244 Borcke weist darauf hin, dass in den 1920er Jahren und nach 1945 für Bauvorhaben in Verbandsgrünflächen nur "eine besonders strenge Prüfung der Bauzulässigkeit" erforderlich war, während in den 1930er Jahren "darin ein absolutes Bauverbot gesehen" wurde. Anfang der 1960er Jahre hat das Oberverwaltungsgericht Münster die Schutzwirkung der Ver- bandsgrünflächen wieder verstärkt, bevor sie Ende der 1970er Jahre durch den Landesgesetzgeber wieder geschwächt wurde.843 b. Fluchtlinien- und Bebauungspläne Bis 1979 konnte der SVR seinen Verbandsgrünflächen durch Fluchtlinien- und Bebauungspläne ein zusätzliches Gewicht geben. Zunächst konnte der SVR für die Verbandsgrünflächen, genauer: "für die Ausgestaltung der Umgrenzung von Grüngebieten, die für die Gesamt- siedlung des Verbandsgebiets von Bedeutung sind", die Fluchtlinien festsetzen (§ 16 Abs.1 Nr.1 b SVR-G 1920). Soweit der SVR dieses Recht nicht wahrnahm, mussten die Kommunen ihre Fluchtli- nien in diesen Teilräumen zumindest vom SVR genehmigen lassen (§ 16 Abs.1 Nr.3 SVR-G 1920). Auf beiden Wegen konnte der SVR den Schutz der entsprechenden Grünflächen verstärken. Zum 50-jährigen Jubiläum des Verbandes lobte Pflug diese Regelung geradezu überschwänglich: Sie hebe "dieses Gesetz vom Standpunkt der Landespflege aus allen früheren Gesetzen heraus. Zum ersten Male wird es möglich, für einen großen Raum über Gemeinde- und Kreisgrenzen, über behördliche Eigenart und Fachbereiche und über die Er- haltung einzelner wertvoller Landschaftsbestandteile hinaus aktive Landschaftspo- litik, aktive Landespflege zu betreiben. Dieser erste Akt der Selbsthilfe des Ruhr- gebietes in einer fast ausweglosen städtebaulichen und landespflegerischen Situa- tion verdient hohe Anerkennung." 844 Dabei wird allerdings nicht deutlich, dass diese freiraumpolitischen Aktivi- täten des SVR nicht möglich gewesen wären, wenn die preußische Mo- narchie nicht kurz vor Kriegsende mit der Verabschiedung des Woh- nungsgesetzes auch das Fluchtliniengesetz geändert hätte.845 So waren "Straßen- und Baufluchtlinien" im ursprünglichen Fluchtliniengesetz von 1875 nur "für die Anlegung und Veränderung von Straßen und Plätzen in Städten und länd- lichen Ortschaften" 846 vorgesehen. Erst durch das preußische Wohnungsgesetz erhielt das Fluchtliniengesetz an verschiedenen Stellen die Einfügung "(auch Garten- anlagen, Spiel- und Erholungsplätze)". Besonders wichtig ist, dass Flucht- linien nun "für einzelne Straßen, Straßenteile und Plätze (auch Gartenanlagen, Spiel- und Erholungsplätze) oder ... durch Aufstellung von Bebauungsplänen ..." 843 Borcke (1964), S.204 844 Pflug, Wolfram (1970): Landespflege durch den Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk, in: SVR (1970b), S.77-113, hier: S.85 845 Wohnungsgesetz. Vom 28. März 1918, Preußische Gesetzsammlung 1918 (Nr. 11637), S.23-37 846 Gesetz, betreffend die Anlegung und Veränderung von Straßen und Plätzen in Städten und ländlichen Ortschaften. Vom 2. Juli 1875, Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten 1875 (Nr. 8375), S.561-566, im folgenden: Fluchtli- niengesetz 7. Der Regionalverband Ruhr, seine Vorgänger und die Verbandsgrünflächen 245 festgesetzt werden konnten (Art. 1 Nr.2 Wohnungsgesetz - § 2 Abs.1 Fluchtliniengesetz), zumal noch eine völlig neue Vorschrift hinzugefügt wurde: "Im Interesse des Wohnungsbedürfnisses ist ferner darauf Bedacht zu nehmen, daß in ausgiebiger Zahl und Größe Plätze (auch Gartenanlagen, Spiel- und Erho- lungsplätze) vorhanden sind ..." (Art.1 Nr.3 b Wohnungsgesetz - § 3 Abs.3 Flucht- liniengesetz), Durch das Wohnungsgesetz wurden die Kommunen zum ersten Mal von staatlicher Seite verpflichtet, Grünanlagen zu planen.847 Die damalige kommunale Stadtparkbewegung erhielt somit verbesserte Handlungs- grundlagen. Zwar nicht für den SVR, wohl aber für die Kommunen - also anders als von Schmidt in seiner Denkschrift gewünscht - kamen erleich- terte Enteignungsmöglichkeiten hinzu: "Gleichzeitig erhält die Gemeinde das Recht, die durch die festgesetzten Straßen- fluchtlinien für Straßen und Plätze (auch Gartenanlagen, Spiel- und Erholungs- plätze) bestimmte Grundfläche dem Eigentümer zu entziehen." (Art.1 Nr.5 Woh- nungsgesetz - § 11 Fluchtliniengesetz) Schließlich konnten von nun an die Kommunen in ihrem Gebiet durch Ortsstatut die so genannte "Lex Adickes" einführen. Das heißt, dass sie Umlegungsverfahren durchführen konnten, um die Grundstückszuschnitte zu ändern und das Umlegungsgebiet in bebaubare Grundstücke aufzutei- len. Damit war verbunden, dass bis zu 35 Prozent der Umlegungsfläche ohne Entschädigung an die Kommunen überging, damit diese Straßen und Grünflächen anlegen konnten.848 Dass die Kommunen im Ruhrgebiet diese Möglichkeiten nur unzureichend genutzt haben, war ein wichtiges Argument für die Einrichtung des SVR. Schon damals galt: "Es lag nicht immer im Interesse der einzelnen Gemeinde, aktive Grünpolitik zu treiben und Einschränkungen der Bebauung vorzunehmen, weil sie nicht hinter der Industrieentwicklung anderer Gemeinden zurückbleiben wollte." 849 847 Berger-Thimme, Niethammer und Rodriguez-Lores haben die (Vor-) Geschichte des Wohnungsgesetzes untersucht, ohne auf die Pflicht und die verbesserten Möglich- keiten zur Grünplanung einzugehen. Auch in den verschiedenen Lesungen des Ge- setzes im preußischen Abgeordnetenhaus 1917 und 1918 kamen Freiraumfragen merkwürdigerweise nicht zur Sprache: Berger-Thimme, Dorothea (1976): Wohnungsfrage und Sozialstaat. Untersuchungen zu den Anfängen staatlicher Wohnungspolitik in Deutschland (1873-1918), Frank- furt/Main und Bern, insb. S.220- 252; Niethammer, Lutz (1979b): Ein langer Marsch durch die Institutionen. Zur Vorge- schichte des preußischen Wohnungsgesetzes von 1918, in: Niethammer, Lutz (Hg.) (1979a): Wohnen im Wandel, Wuppertal, S.362 ff; Niethammer, Lutz (1988): Kein Reichswohnungsgesetz. Zum Ansatz deutscher Woh- nungspolitik 1890-1898, in: Rodriguez-Lores, Juan, und Gerhard Fehl (1988): Die Kleinwohnungsfrage. Zu den Ursprüngen des sozialen Wohnungsbaus in Europa, Hamburg, S.52-73; Rodriguez-Lores, Juan (1994): Sozialer Wohnungsbau in Europa. Die Ursprünge bis 1918: Ideen, Programme, Gesetze, Basel, Berlin und Boston 848 Art.1 Nr. 10 Wohnungsgesetz - § 14a Fluchtliniengesetz; Gesetz, betreffend die Umlegung von Grundstücken in Frankfurt a.M, vom 28. Juli 1902, Gesetzsammlung S.273; Gesetz wegen Abänderung des § 13 des vorbenannten Gesetzes, vom 8. Juli 1907, Gesetzsammlung S.259; Bauer (1996), S.220 ff. Dieser kommunale Umlegungsanteil war praktisch ein Planungswertausgleich dafür, dass durch kommunale Planungen die neu zugeschnittenen Grundstücke bebaubar geworden und somit in ihrem Wert gestiegen sind. 849 Kempener (1931), S.91 7. Der Regionalverband Ruhr, seine Vorgänger und die Verbandsgrünflächen 246 Deutlich erklärte auch der Zentrumsabgeordnete Hirtsiefer, der spätere preußische Minister für Volkswohlfahrt, in der ersten Lesung der Ver- bandsordnung, dass "heute die einzelnen Gemeinden und Städte ohne Rücksicht auf die anderen ihre Wohn-, Industrieviertel und Grünflächen anlegen. Wie häufig hat eine Gemeinde mit großer Mühe Wohnviertel oder Grünflächen geschaffen, und nun legt die be- nachbarte Gemeinde in dem Bezirk ein Industrieviertel an, wodurch alle Arbeit der ersten Gemeinde vergeblich wird, wodurch wieder ungeheure Werte preisgegeben werden. (Zuruf) - Ja, oder es werden Schlackenhalden angeschüttet, wodurch das Landschaftsbild so wunderbar verschönt wird! Aus allen diesen Gründen muß mit ordnender Hand in die Dinge eingegriffen werden ..." 850 Genau dies sollte mit der Gründung des SVR, mit dem Instrument Ver- bandsgrünflächen sowie mit der Kompetenz des SVR zur Festsetzung von Fluchtlinien erreicht werden, nachdem die Kommunen im Ruhrgebiet zu einer koordinierten Freiraumsicherung nicht in der Lage waren. Nachdem das alte Fluchtliniengesetz im Jahr 1960 durch das Bundesbau- gesetz abgelöst worden war, erhielt der SVR das Recht, so genannte "einfache" oder "nicht qualifizierte" Bebauungspläne zur Sicherung der Verbandsgrünflächen aufzustellen.851 c. Träger öffentlicher Belange Bis 1979 blieben die Planungskompetenzen des SVR für die Verbands- grünflächen bestehen. Als der SVR in den "Kommunalverband Ruhrgebiet" (KVR) umgewandelt wurde, wurden auch seine Rechte eingeschränkt. Zu den Aufgaben des Verbands gehörte nun die "Sicherung von Grün-, Wasser, Wald- und sonstigen von der Bebauung freizuhal- tenden Flächen mit überörtlicher Bedeutung für die Erholung und zur Erhaltung eines ausgewogenen Naturhaushaltes (Verbandsgrünflächen)" (§ 4 Abs.1 Nr.1 KVR-G), nachdem in der bisherigen Verbandsordnung von "größeren" Grünflächen die Rede war, "die für die Gesamtsiedlung des Verbandsgebiets von Be- deutung sind". Wichtiger als diese geänderte Formulierung sind die neuen rechtlichen Wirkungen: In der Vergangenheit konnte der Verband für die Verbandsgrünflächen selbst Fluchtlinienpläne bzw. einfache Bebauungs- pläne aufstellen. Wenn er auf dieses Recht verzichtete, waren die Kom- munen aber auf seine Zustimmung zu ihren Fluchtlinien- bzw. Bebau- ungsplänen angewiesen. 1979 jedoch verlor der Verband diese Planungs- hoheit und muss seitdem die Rolle eines Trägers öffentlicher Belange übernehmen: "Das Verbandsverzeichnis bewirkt eine Beteiligung des Verbandes nach § 2 Abs.5 des Bundesbaugesetzes an der Bauleitplanung der Gemeinden für die in das Ver- zeichnis aufgenommenen Flächen." (§ 5 Abs.1 Satz 6 KVR-G) Ein Vierteljahrhundert später wird der KVR in den "Regionalverband Ruhr" (RVR) umgewandelt. Bei dieser Gelegenheit wurde die Aufgabe der "Si- cherung" der Verbandsgrünflächen um die der "Weiterentwicklung" ergänzt (§ 4 Abs.1 Nr.3 RVRG). Trotzdem blieb es dabei, dass der Verband an der kommunalen Bauleitplanung nur noch als Träger öffentlicher Belange 850 Hirtsiefer (1920a), in: Sitzungsberichte der verfassunggebenden Preußischen Landes- versammlung. Tagung 1919/21, 7. Band, 111. Sitzung am 3. Februar 1920, Sp.9278 851 Kruse, Matthias (1987): Die Grünflächenpolitik des Siedlungsverbandes Ruhrkohlen- bezirk (SVR/KVR) - Geschichte, Entwicklung und Bedeutung für die Grünflächen- und Walderhaltung, München (Diplomarbeit), S.20 f; SVR (1965): Tätigkeitsbericht 1961 - 1964, Essen, S.21, S.48 f 7. Der Regionalverband Ruhr, seine Vorgänger und die Verbandsgrünflächen 247 beteiligt war (§ 5 Abs.1 Satz 6 RVRG), aber nicht mehr das Recht hatte, selbst Bebauungspläne aufzustellen. "Rein formal sind die Stellungnahmen des KVR für die jeweiligen Träger der Pla- nung ein abwägungsrelevanter Beitrag neben anderen." 852 Das bedeutet, dass von nun an etwaige Einwände des Verbandes gegen die Überplanung einer Verbandsgrünfläche im Zuge der Abwägung von der jeweiligen Kommune verworfen werden können. Trotzdem können Verbandsgrünflächen von den Kommunen nicht ohne weiteres überplant werden, sondern erst nach ihrer Löschung aus dem Verbandsverzeichnis, d.h. nach einem begründeten Antrag der jeweiligen Kommune und einem entsprechenden Beschluss der Entscheidungsträger im Verband. Grund- sätzlich eröffnet sich damit die Möglichkeit, ein kommunales Planungsvor- haben in einem regionalen und freiraumpolitischen Diskurs zusätzlich zum örtlichen Abwägungsprozess einer Prüfung zu unterziehen. Hierfür war früher der Verbandsausschuss, zwischen 2004 und 2007 der RVR-Vor- stand und nun ist die Verbandsversammlung zuständig. 7.5.2. Leistungspolitische Aspekte Schon recht frühzeitig hat sich der Verband in seiner Freiraumpolitik nicht allein auf seine ordnungspolitischen Instrumente verlassen und darüber hinaus auch zu leistungspolitischen Maßnahmen gegriffen. Bereits seit 1924 hat er finanzielle Fördermittel eingesetzt. Die ersten Mittel dienten allerdings der Wiederaufforstung und noch nicht der Flächensicherung.853 Immerhin waren Strehlow und Schmidt in diesem Punkt einer Meinung: Beide hielten den Freiraum erst dann für dauerhaft geschützt, wenn er im Eigentum der öffentlichen Hand ist. Um vor allem Wälder durch Ankauf oder Anpachtung vor dem Untergang zu retten, beschloss der Verband, eine Anleihe in Höhe von 2 Mio. Mark aufzunehmen. Zur Zinsverbilligung erbat er einen Staatszuschuss, der für das Rechnungsjahr 1927 in Höhe von 80.000 Mark im Staatshaushalt bereitgestellt wurde. Aufgrund von Problemen auf dem Geldmarkt kam diese Anleihe allerdings nicht zu- stande. Infolgedessen wurde die staatliche Zinsbeihilfe unmittelbar den Kommunen zur Verfügung gestellt, konnte aber erst Ende 1928 ausgezahlt werden. 1929 hat der preußische Staat den Kommunen 60.000 RM und 1930 sogar 117.000 RM an Zinszuschüssen gezahlt, die vom Verband um die gleichen Beträge ergänzt wurden. Hierdurch wurde die Zinslast für die zum Grunderwerb aufgenommenen Mittel zwischen Kommune, Verband und Staat gedrittelt. Aufgrund der knappen Mittel blieben die Grundstückskäufe bis in die 1950er Jahre allerdings Einzelmaßnahmen.854 852 KVR - Kommunalverband Ruhrgebiet (2004): Jahresbericht 2003/2004. Strukturen- Handlungsfelder-Projekte, Essen, S.93 853 Pflug (1970), S.88 und S.86 854 Frantz (1930): Walderhaltung im Gebiete des Siedlungsverbandes Ruhrkohlenbezirk und die Bewilligung staatlicher Zuschüsse für diese Zwecke, in: Volkswohlfahrt, 1930, Heft 11, S.689-698, hier: S.698. Kruse (1987), S.11, berichtet, dass auch das Grundeigentum zu je einem ideellen Drittel von der Kommune, dem SVR und dem Provinzialverband erworben wurde; siehe auch: Kaufvertrag "Deutener Moor" und Eintragung ins Grundbuch, in: Kruse (1987), S.65 ff. Hoffacker (1989), S.115 und S.130, berichtet für die Jahre 1928/1929 über vom SVR geplante Auslandsanleihen für den Straßenbau, die bereits unterschriftsreif waren, aber aufgrund der maßgeblichen Richtlinien nicht genehmigt wurden, weil mit dem Straßenbau keine eigenen Einnahmen erwirtschaftet werden konnten, um die Tilgung und Verzinsung der Anleihen zu bestreiten. Trotzdem hat der SVR (anderweitige) An- leihen für den Straßenbau in Höhe von mehr als 28 Mio. RM aufgenommen. Demge- 7. Der Regionalverband Ruhr, seine Vorgänger und die Verbandsgrünflächen 248 Seit 1956 konnte der SVR den kommunalen Freiflächenankauf wieder durch finanzielle Zuschüsse unterstützen, die im allgemeinen ein Drittel des Kaufpreises ausmachten. Voraussetzung war ein Antrag der jeweiligen Kommune und die Lage der Freifläche in einem regionalen Grünzug. Über die Förderung wurde ein Vertrag abgeschlossen, in dem sich die Kommune zur Eintragung einer Grunddienstbarkeit verpflichtete, derzu- folge die gekaufte Fläche auch in Zukunft nur als Grünfläche oder durch die Land- und Forstwirtschaft genutzt werden durfte. Bei vertragswidriger Nutzung musste die Kommune den Zuschuss zurückzahlen. Wie Kruse berichtet, erkannten die Kommunen recht schnell die Chancen für ihre Grundstückspolitik. Regelmäßig übertrafen die Förderanträge das zur Verfügung stehende Fördervolumen. Doch nach einiger Zeit wollten die Kommunen die Grunddienstbarkeiten wieder aufheben lassen und stellten immer häufiger entsprechende Anträge oder Forderungen. Hintergund waren kommunale Bau- oder Verkaufsinteressen. Das heißt, dass diese Kommunen die Verbandsförderung für den Freiraumerwerb ausgenutzt haben, um die günstig erworbenen Grünflächen in wertvolleres Bauland umzuwandeln.855 Dabei hatte die Abteilung Liegenschaften innerhalb der Verbandsverwal- tung formell keinen Einfluss auf die Löschung der Grunddienstbarkeiten - entscheidungsbefugt waren der Verbandsausschuss oder sogar die Ver- bandsversammlung, in denen die Vertreter der Mitgliedskommunen und der Wirtschaft saßen.856 Während die jährlichen Förderbeträge von 35.000 DM im Jahr 1956 auf 5 Mio. DM im Jahr 1965 stiegen, wurden zwischen 1963 und 1974 rund 2,3 Mio. DM früherer Fördermittel zurückgezahlt. Daraus schließt Kruse, dass in mindestens 10 Prozent aller Fälle die Ankaufsförderung eben nicht der Sicherung von Grünflächen diente. Wahrscheinlich war der Missbrauch sogar noch größer, da die Fördermittel nicht in jedem Fall zurückerstattet werden mussten.857 Im Jahr 1968 ist der SVR selbst zum Flächenerwerb übergegangen. Kruse interpretiert diesen Kurswechsel als "Abfallprodukt" des Verbandsenga- gements in der Müllpolitik: 1968 kaufte der SVR in Gelsenkirchen von der stillgelegten Zeche "Graf Bismarck" eine Fläche, um darauf die "Zentral- deponie Emscherbruch" anzulegen. Von vornherein war geplant, die De- ponie zum Abschluss zu begrünen - als "Modellversuch einer Land- schaftsveränderung". Dazu passend sollte der für den Deponiebetrieb nicht benötigte Flächenanteil von Anfang an für die Naherholung ausgestaltet werden. Das große öffentliche Interesse daran bewog den SVR, den Emscherbruch mit einer umfangreichen Naherholungsinfrastruktur auszu- statten.858 Zugleich wurden die genüber erreichten zwischen 1924 und 1933 die Anleihen für Grünflächen und Wald- erhaltung nur 1 Mio. RM. 855 Kruse (1987), S.28 f, S.32 ff, Anlage 3: Fördervertragsmuster 856 Kruse (1987), S.33 857 Kruse (1987), S.29 f, S.34; SVR (1958): Bericht über das Geschäftsjahr 1957, Essen, S.20; SVR (1961): Tätigkeitsbericht 1958 - 1960, Essen, S.46, S.68; SVR (1965): Tätigkeitsbericht 1961 - 1964, Essen, S.25, S.49 f. In einem nicht bekannten Umfang wurden dem SVR Ersatz-Grünflächen angeboten, und in weiteren Fällen waren übergeordnete Stellen für die Planungen verantwortlich, z.B. für den Fernstraßenbau; siehe: Kruse (1987), S.32 ff 858 Kruse (1987), S.36 f; SVR (1970c): Bericht 1965-1969. Schriftenreihe Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk, Band 33, Essen, S.21, S.31 f, S.38 7. Der Regionalverband Ruhr, seine Vorgänger und die Verbandsgrünflächen 249 "landwirtschaftlich genutzten Flächen ... erhalten und werden auch weiter bewirt- schaftet und gepflegt. Darauf legte der SVR auch deshalb großen Wert, weil gra- sende Kühe mitten in der Kernzone des Reviers den besonderen Chararkter dieser "Mini-Idylle" schon rein optisch gut hervorhoben." 859 Die begeisterten Reaktionen der Bevölkerung und der Presse waren ein Grund dafür, dass der Verband diesen Weg fortsetzen wollte. Weitere Gründe waren seine landesplanerische Entmachtung und ein Wechsel in der Verwaltungsspitze. Ein stärkeres Engagement in anderen Tätigkeits- feldern und eine Neuorientierung in der Grünflächenpolitik waren die Folge. Tabelle 7.4. Grundeigentum des SVR, KVR und RVR (in Hektar) 1968-2007 Jahr Grundeigentum Jahr Grundeigentum 1968 266 1990 9.627 1970 321 1992 10.219 1972 341 1994 10.773 1974 802 1996 11.374 1976 4.815 1998 12.036 1978 5.805 2000 12.768 1980 6.897 2002 14.721 1982 7.396 2004 15.165 1984 8.013 2006 15.562 1986 8.684 2007 16.003 1988 9.003 Quelle: Regionalverband Ruhr. Sabine Rethemeier, Grafik des RVR-Grundbesitzes, Email vom 20.07.07, Anhang: Grundbesitz des RVR.xls Nachdem der SVR 1968 für den Emscherbruch rund 20 Mio. DM bezahlt hatte, liegen die jährlichen Grunderwerbsausgaben seit den 1970er Jahren zumeist zwischen 5 und 10 Mio. Euro.860 Bis zum Jahresende 2006 hat der Verband ein Grundeigentum von mehr als 16.000 Hektar erworben. (Tabelle 7.4.) Damit verfügt der Verband über eine Fläche, die größer ist als das Stadt- gebiet von Bochum und bereits 6 Prozent der Verbandsgrünflächen aus- macht. Tabelle 7.5. zeigt, in welche Nutzungsarten sich die verbandseige- nen Freiflächen gliedern. Wie Kruse berichtet, stieß der SVR bei seinem Grunderwerb auf verschie- dene Widerstände: Immobilieneigentümer hoffen - allzu häufig mit Erfolg - darauf, dass sie ihre geringwertigen Grünflächen in Bauland verwandeln können. Industriebetriebe waren besonders an den Sandvorkommen unter den Wäldern im nördlichen Ruhrgebiet und manchmal auch an den Jagd- revieren für ihr Management interessiert. Staatliche Behörden brauchen immer wieder neue Flächen für ihren Straßenbau.861 859 Kruse (1987), S.37 860 Kruse (1987), S.35 ff, S.31, S.38-41; SVR (1975a): Bericht 1970-1974. Schriftenreihe Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk, Band 57, Essen, S.29, S.88; KVR - Kommunalverband Ruhrgebiet (2003): Jahresbericht 2002. Dezernat II Fachbe- reich 4. Freiraumsicherung und Freiraumentwicklung; KVR (2004), S.52 f 861 Kruse (1987), S.48-50 7. Der Regionalverband Ruhr, seine Vorgänger und die Verbandsgrünflächen 250 Tabelle 7.5. Verbandseigener Grundbesitz nach Nutzungsarten am Jahresende 2003 Nutzungsarten Fläche (ha) Anteil (%) Waldflächen 9.970,6 66,2 Naturschutzwürdige Bereiche 2.518,6 16,7 Wasserflächen für die stille Erholung 622,9 4,1 Grünzüge von regionaler Bedeutung 320,2 2,1 Haldenflächen 772,7 5,1 Industrie-, Gewerbe- oder Verkehrsbrachen für die Umwandlung in Freiflächen 603,8 4,0 Abfallbeseitigungsflächen als Zwischennutzung und für die Endgestaltung als Freifläche 248,3 1,6 zusammen 15.057,1 100,0 Anmerkung: die Waldflächen sind real erheblich größer, da die anderen Nutzungsarten teilweise ebenfalls Wälder sind Quelle: KVR (2004): Jahresbericht 2003/2004, Essen, S.53 Zusammenfassend lässt sich festhalten: Obwohl Strehlow und Schmidt bereits 1911 bzw. 1912 einhellig vertraten, dass der Freiraum nur dadurch dauerhaft gesichert werden könne, dass er ins Eigentum der öffentlichen Hand gebracht werde, bleibt der kommunale Grunderwerb von Grünflä- chen vor dem Zweiten Weltkrieg ein Ausnahme. Ursache hierfür waren finanzielle Engpässe. In den wenigen Ausnahmefällen wurden die Grundstücke zu jeweils einem ideellen Drittel gemeinsam von der Kom- mune, dem SVR und dem Provinzialverband erworben. Mitte der 1950er Jahre beginnt der Verband, den kommunalen Grunder- werb erneut zu fördern, wobei die Fördermittel im allgemeinen ein Drittel des Kaufpreises ausmachen und die zu erwerbenden Grundstücke in den regionalen Grünzügen liegen müssen. In mindestens 10 Prozent aller Fälle wird diese Förderung allerdings von den Kommunen zweckwidrig genutzt, um Grundstücke in ihren Besitz zu bringen, die sie anschließend - wert- steigernd - in Bauland umgewandelt haben. Als Instrument zur Sicherung von Freiflächen war der kommunale Grunderwerb offensichtlich nicht sehr zuverlässig. Erst Ende der 1960er Jahre beginnt der Verband selbst mit dem Grunder- werb von Verbandsgrünflächen, häufig gefördert durch das Land Nord- rhein-Westfalen. Bis Ende 2006 konnte der Verband immerhin mehr als 16.000 Hektar erwerben, was bereits 6 Prozent der Verbandsgrünflächen entspricht. 7.5.3. Organisatorische Aspekte Von Anfang an spielten organisatorische Maßnahmen für den Freiraum- schutz im Ruhrgebiet eine wichtige Rolle. Den damaligen Akteuren war bewusst, dass sie zur Umsetzung ihrer politischen Vorstellungen geeignete Organisationen brauchten. Nachdem Schmidt gegen einen kommunalen Zweckverband argumentiert hatte, setzte sich Luther, damals noch Essener Oberbürgermeister, für eine Lösung ein, mit der "nach der organisatorischen Seite ... etwas gänzlich Neues geschaffen" 862 werden sollte: der von Strehlow geforderte kommunale Zweckverband. Mit der Gründung des Verbandes sollte dieser den organisatorischen und so- 862 Luther (1958b), S.76; Luther (1924), S.551 7. Der Regionalverband Ruhr, seine Vorgänger und die Verbandsgrünflächen 251 zialen Träger der ihm aufgetragenen Ziele bilden. Leider waren diese Ziele widersprüchlich. So haben der Verband und damit die Mitglieder seiner Gremien nicht nur die Aufgabe, Grünflächen mit überörtlicher Bedeutung für die Erholung und - seit 1979 - für den Naturhaushalt zu schützen. Zu ihren Handlungsfeldern gehören auch Aktivitäten, durch die Freiräume in Anspruch genommen werden, wie z.B.: - von 1920 bis 1979: die Straßenplanung, die Förderung des Kleinbahnwesens, die "Durchführung wirtschaftlicher Maßnahmen ... zur Erfüllung des Siedlungszwecks", die Erteilung von Ansiedlungs- genehmigungen (§ 1 SVR-G 1920); - von 1979 bis 2004: die Behandlung und Lagerung von Abfällen als freiwillige Aufgabe (§ 4 Abs.3 KVR-G 1979); - seit 2004: die regionale Wirtschaftsförderung und das regionale Standortmarketing, die Entwicklung und Vermarktung von Gewerbe- flächen von regionaler Bedeutung sowie - auf Antrag einzelner Mit- glieder - z.B. die Abfallentsorgung (§ 4 Abs.1 Nr.4 und Abs.3 Nr.1 RVR-G 2004); - ab 2009 auch wieder die Regionalplanung863 und anderes mehr. Innerhalb seiner eigenen Organisation muss der Ver- band also über Konflikte zwischen diesen des öfteren widersprüchlichen Aufgaben entscheiden. Dies galt erst recht für die Zeit von 1935 bis 1975, als der Verband für die Landesplanung zuständig war und den Gebiets- entwicklungsplan (GEP 1966) aufgestellt hatte. Nur zwischen 1979 und 2004 hatte der Verband als KVR neben der Frei- raumsicherung keine widersprechenden Pflichtaufgaben. Allerdings haben Fürst und Knieling Anfang der 1990er Jahre herausgearbeitet, "daß die inhaltlichen Interessen der Verbandsführung nicht primär im Umweltbe- reich liegen", sondern in der Strukturpolitik und Wirtschaftsförderung, so dass die Span- nungen zwischen den Verbandsaufgaben bestehen blieben.864 Daher war und ist überhaupt nicht sichergestellt, dass sich der Verband im Konfliktfall zu Gunsten des Freiraums entscheidet. Gerade der GEP 1966 enthielt neben dem Grünflächensystem eine Vielzahl von neuen Wohnsiedlungs- bereichen, Verkehrswegen, Gewerbe- und Industriegebieten, die auf bis- herigen Freiflächen eingerichtet wurden. Mit vergleichbaren Integrations- problemen wird auch ab 2009 wieder zu rechnen sein. In organisatorischer Hinsicht ist der Verband also keine Einrichtung, die sich vorrangig für den Freiraumschutz, sondern die sich für den Kompro- miss zwischen den verschiedenen Zielen einsetzt, die der Landesgesetz- geber und die Entscheidungsträger für das Ruhrgebiet für wichtig halten. Daher können die einzelnen Teilziele allenfalls von Teilen seiner Organi- sation verkörpert werden. Derartige Teil-Organisationen gibt es in der Ver- bandsverwaltung sowie im parlamentarischen Bereich. Am ehesten könnte man die Abgeordneten in den zuständigen Fachausschüssen und die VerbandsmitarbeiterInnen in den für das "Grüne" zuständigen Teams, 863 Gesetz zur Übertragung der Regionalplanung für die Metropole Ruhr auf den Regio- nalverband Ruhr. Vom 5. Juni 2007, GV. NRW S.212-214 864 Fürst, Dietrich, und Jörg Knieling (1992): Kommunalverband Ruhrgebiet: Geschichte, Organisation, Aufgaben, Essen, S.36 7. Der Regionalverband Ruhr, seine Vorgänger und die Verbandsgrünflächen 252 Referaten und Bereichen als sozial-organisatorische Träger des Freiraum- schutzes ansehen. So hatte Verbandsdirektor Schmidt bereits im ersten halben Geschäftsjahr des SVR "aus Abgeordneten, Vertretern der Mitgliedsgemeinden und be- sonderen Sachverständigen" mehrere (Arbeits-) Ausschüsse gebildet: unter anderem "einen Ausschuss zur Erhaltung der Grünflächen" und drei Ausschüsse zur Bearbeitung des Verbandsplanes, durch die für "das östliche, westliche und mittlere Verbandsgebiet ... das erstmalig aufgestellte Verzeichnis der Verbandsstrassen und Grünflächen geklärt (wird) ..., wobei gleich- zeitig Industrie- und Wohngebiete, also die Grundlagen des gesamten Siedlungs- planes festgelegt werden unter Ausgleich der verschiedensten Interessen." 865 Auch später wurden neben dem Verbandsausschuss als dem "einzigen im Gesetz erlaubten Ausschuß" verschiedene "Fachkommissionen" gebildet, um die Arbeit besser organisieren zu können. Hierzu gehörte z.B. die "Kommission für Aufgaben des Verbandes auf dem Gebiete der Verbands- und Gemeindeplanung". Sie war aber nicht nur für die Verbands- grünflächen, sondern auch für das Verbandsstraßenverzeichnis zustän- dig.866 Seit 1974 konnte die Verbandsversammlung - wie die kommunalen Parlamente - weitere Fachausschüsse einrichten,867 z.B. einen Ausschuss für Liegenschaften, Landschaftspflege, Umweltschutz und Forsten. Doch unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zu dem einen oder anderen Ausschuss bleiben die Gremienmitglieder zum einen ihren WählerInnen, d.h. den städtischen Räten und Kreistagen, und zum anderen dem Ver- band insgesamt, d.h. dem Kompromiss zwischen den verschiedenen Ver- bandsaufgaben, verpflichtet. Zugleich resultiert bei den Abgeordneten aus ihrer indirekten Wahl eine gewisse Distanz zu der den Freiraum nutzenden Ruhrgebietsbevölkerung. Wichtig ist aber auch die Verbandsverwaltung, die die Entscheidungen der Gremienmitglieder vorbereitet. So hat der Verbandsdirektor als Spitze der Verwaltung die Aufgabe, für die Verbandsverzeichnisse dem Ver- bandsausschuss einen Beschlussvorschlag vorzulegen. Hierbei kann er sich auf eine seit 1920 allmählich gewachsene Mitarbeiterschar und eine immer professionellere "grüne" Abteilung stützen, die die freiraumbezoge- nen Aufgaben bearbeitet.868 Inzwischen besteht im Verband ein eigener "Bereich Umwelt", zu dem neben anderen die "eigenbetriebsähnliche Ein- richtung" des "RVR Ruhr Grün" sowie ein besonderes "Team" gehört, das für die Verbandsgrünflächen zuständig ist. Hinzu kommen die MitarbeiterInnen, die für den Grunderwerb zuständig sind. Da der Verband bereits über mehr als 16.000 Hektar Verbandsgrün- flächen verfügt, hat die zuständige Organisationseinheit eine dementspre- chend unterstützende Bedeutung für den Verbandsgrünflächenschutz. Anzunehmen ist, dass sich die hauptamtlichen MitarbeiterInnen mit ihrer Aufgabe identifzieren und sich für den Freiraumschutz einsetzen, z.B. durch den Entwurf entprechender Beschlussvorlagen. Hinzu kommt, dass sie die Existenzberechtigung ihrer Abteilung und nicht zuletzt ihrer eigenen 865 SVR (1921), S.1 f 866 SVR (1970c), S.7 ff 867 Gesetz zur Änderung der Gemeindeordnung, der Kreisordnung und anderer kommu- nalverfassungsrechtlicher Vorschriften des Landes Nordrhein-Westfalen. Vom 29. Oktober 1974, GV. NW. S.1050, hier: Artikel IV Nr. 3, S.1054; SVR (1975a), S.7 868 Beyer, Wolfgang (1994): Bemerkungen zur Entwicklung der "Grünen" Abteilung beim Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk / Kommunalverband Ruhrgebiet, unveröff. Ma- nuskript, zitiert nach: Benedict (1996), S.255 7. Der Regionalverband Ruhr, seine Vorgänger und die Verbandsgrünflächen 253 Stellen gegenüber anderen Teilen der Verbandsverwaltung rechtfertigen müssen, indem sie die Relevanz ihrer Aufgaben deutlich machen. Fürst spricht hier von einem "institutionellen Legitimationsdruck".869 Trotzdem können sich die hauptamtlichen freiraumpolitischen Verbands- mitarbeiter nicht uneingeschränkt für den Freiraumschutz einsetzen, weil sie immer mit Verbandsentscheidungen gegen das Grün und für Baumaß- nahmen rechnen und dementsprechend eine gewisse loyale Zurückhaltung üben müssen. Deshalb müssen die freiraumpolitischen MitarbeiterInnen eine gewisse Distanz zu ihrem Schutzobjekt halten. Auch wenn Ent- scheidungen zum Nachteil des Freiraums getroffen werden, ist von den MitarbeiterInnen Loyalität gefordert. Insofern kann die berufliche Funktion des Freiraumschutzes selbst innerhalb der "grünen" Bereiche des Verban- des nur gebrochen zum Tragen kommen, zumal es auch auf der Verwal- tungsebene keine Strukturen gibt, um die FreiraumnutzerInnen offiziell und kontinuierlich in die freiraum-relevanten Entscheidungen einzubeziehen. Eine Institution wie die Landschaftsbeiräte bei den Landschaftsbehörden gibt es beim Verband nicht. 7.5.4. Zwischenresümee Mit dem heutigen RVR, dem früheren SVR und dem zwischenzeitlichen KVR kommt im Ruhrgebiet ein Bündel von Instrumenten für den Freiraum- schutz zum Einsatz. Noch kurz vor dem Ende des Ersten Weltkrieges hat die preußische Mo- narchie das Fluchtliniengesetz dahingehend geändert, dass nun auch Freiräume durch Fluchtlinien gesichert werden konnten. Praktisch wurden diese Möglichkeiten von den Kommunen im Ruhrgebiet nur unzureichend genutzt: ein wichtiges Argument, um den SVR als koordinierende Instanz für die Siedlungsentwicklung ins Leben zu rufen und ihm Kompetenzen zur Freiraumsicherung zu geben. Seit 1920 kann der Verband regional bedeutsame Freiflächen durch Aufnahme in sein Verbandsverzeichnis sichern. Zugleich konnte er zu ihrer weiteren Sicherung auch die erforder- lichen Fluchtlinien festsetzen und ab 1960 entsprechende Bebauungspläne aufstellen. Dass es dennoch zu störenden Planungs- und sogar Nutzungsüberlagerungen, z.B. durch Hochspannungsleitungen, Ver- kehrstrassen und die temporäre Nutzung durch Halden und Deponien kam, haben der Stadtplaner Einsele und der Vermessungsdirektor Hirt bereits in den 1960er Jahren kritisiert. Dies führte allerdings nicht dazu, dass die Landesregierung die Hand- lungskompetenzen des Verbandes erweitert hätte. Stattdessen verlor der Verband mit der Umwandlung in den KVR seine Planungshoheit und muss seitdem die Rolle eines Trägers öffentlicher Belange übernehmen. Doch auch wenn die Freiraumbelange im planerischen Abwägungsprozess "weggewogen" werden, kann eine Kommune erst dann eine Baufläche ausweisen, wenn das zuständige Verbandsgremium die betroffene Ver- bandsgrünfläche aus dem Verbandsverzeichnis gelöscht hat. Zwischenzeitlich hatte der Verband mit landespolitischer Unterstützung ein leistungspolitisches Instrumentarium entwickelt: Ende der 1920er Jahre hatte er zusammen mit dem preußischen Staat durch Zinszuschüsse die Kommunen vor allem beim Erwerb von Waldflächen unterstützt. Mitte der 1950er Jahre wurde diese Förderung wieder aufgenommen, damit die 869 Fürst und Knieling (1992), S.43 7. Der Regionalverband Ruhr, seine Vorgänger und die Verbandsgrünflächen 254 Kommunen Grünflächen erwerben konnten. In mindestens einem Zehntel der Fälle haben die Kommunen diese Förderung allerdings zweckentfrem- det, um die erworbenen Grundstücke wenig später in Bauland umzuwan- deln. Demgegenüber hat der SVR-Vermessungsdirektor Hirt Ende der 1960er Jahre ein 700 Mio. DM umfassendes Sanierungsprogramm für die regionalen Grünzüge entworfen, das die Beseitigung störender Gebäude vorsah, allerdings nur zu einem geringen Teil realisiert wurde.870 Seit derselben Zeit betreibt der Verband eine eigenständige Grundstückspolitik und hat inzwischen 16.000 Hektar erworben, die bereits 6 Prozent der Verbandsgrünflächen ausmachen. Schließlich spielt die Organisationspolitik von Anfang an eine wichtige Rolle. Die Verbandsgründung ist selbst die erste organisationspolitische Maßnahme. Der Verband sollte sozial-organisatorischer Träger für die ihm aufgetragenen Ziele sein. Da aber diese Ziele durchaus widersprüchlich sind, kann der Verband als ganzer nur den Kompromiss zwischen ihnen repräsentieren. Hinzu kommt, dass die politischen Mitglieder der Ver- bandsgremien - aufgrund ihrer indirekten Wahl - dem Interesse ihrer Kommunen an einem Zugewinn an Einwohnern, Beschäftigten und Ge- werbebetrieben bzw. den Interessen ihrer Verbände und Unternehmen verpflichtet sind. Diese Bindungen sind auch für die Freiraumpolitik wichtig, die in der Praxis zwei Seiten hat: die Festsetzung neuer Verbandsgrünflächen und die Lö- schung von Freiflächen aus dem Verbandsverzeichnis. Dabei ist mir kein Fall bekannt geworden, in dem der Verband entgegen baulichen oder wirt- schaftlichen Interessen neue Verbandsgrünflächen festgesetzt oder einen kommunalen Antrag auf Löschung einer Verbandsgrünfläche abgelehnt hätte. Die Mitglieder der für den Freiraum zuständigen Ausschüsse und die Mit- arbeiterInnen des "grünen" Zweiges innerhalb der Verbandsverwaltung kann man am ehesten als soziale Träger der Verbandsgrünflächen anse- hen. Allerdings müssen sie eine loyale Zurückhaltung üben, wenn der Verband dem Freiraumschutz widersprechende Entscheidungen trifft. Trotz der besonderen Bedeutung, die der Freiraumschutz für die Ver- bandsarbeit hat, sind die NutzerInnen der Verbandsgrünflächen an den Entscheidungen der zuständigen Gremien formell nicht beteiligt. Der Na- turschutz hat nur eine einzige beratende Stimme in der Verbandsver- sammlung. Eine Einrichtung wie die Landschaftsbeiräte bei den Land- schaftsbehörden oder einen Beirat wie bei den Revierparks gibt es beim Verband nicht. 7.6. Ergebnisse Zur Erinnerung: Am Anfang stand die Idee eines "Nationalparkes für den rheinisch-westfälischen Industriebezirk", eines "Wiesen- und Waldgürtels". Am Anfang stand die Frage, "was der Bevölkerung des Bezirkes an Erhaltung und Schaffung von Grünflächen, Spiel- und Sportplätzen, Wander- und Verkehrswegen not tut."871 Schon durch Robert Schmidt und Friedrich Strehlow ist diese Frage auf die gesamte Siedlungstätigkeit im Industriebezirk ausgedehnt worden. Danach 870 Hirt, Fritz-Hellmut (1970): Sanierung im Regionalen Grünflächensystem des Ruhrge- biets, Schriftenreihe Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk, Band 30, Essen 871 Schmidt (1912), Vorwort 7. Der Regionalverband Ruhr, seine Vorgänger und die Verbandsgrünflächen 255 sollte der Freiraum im Kontext mit Verkehrsplanung, Wohnungsbau und Industrieansiedlung geschützt werden, wofür allerdings eine überörtliche Planung nötig war. Die Vorschläge des Berliner Planers Martin Wagner für eine eigenständige Freiraumpolitik mit quantitativen Bedarfswerten wurden im Ruhrgebiet hingegen völlig ignoriert. Weil die Kommunen Kompetenzverluste fürchteten, haben sie die überört- liche Institution zunächst verhindert. Erst nach dem Ersten Weltkrieg kam der Siedlungsverband zustande, vordergründig um die Wohnungen und Versorgungseinrichtungen für die Ansiedlung von neuen Bergleuten mit ihren Familien zu planen, die angeblich für die Förderung von zusätzlichen Steinkohlemengen als Reparationsleistung erforderlich waren. Andere Akteure haben in dem neuen Verband einen Ersatz für die gescheiterte selbstständige Ruhrprovinz gesehen. Immerhin wurde mit dem SVR ein völlig neues behördliches Instrument für den Freiraumschutz eingeführt: die Verbandsgrünflächen. Bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts wurden mehr als 60 Prozent der gesamten Ver- bandsfläche als Verbandsgrünflächen geschützt. Damit machen die Ver- bandsgrünflächen rund 90 Prozent des noch vorhandenen Freiraums aus. Allerdings wiesen die Verbandsgrünflächen in der Vergangenheit eine deutliche Fluktuation auf. Neu aufgenommenen Verbandsgrünflächen standen immer etliche Löschungen gegenüber. In den 1990er Jahren wa- ren die Löschungen flächenmäßig so umfangreich wie ein Drittel der Neu- aufnahmen, so dass - per Saldo - bei diesem Drittel die Reserveflächen- funktion im Vordergrund stand. Aus der Sicht des Common-Property-Ansatzes ist wichtig, dass die Ver- bandsgrünflächen darüber hinaus weiteren Nutzungen dienen. So sind in den Verbandsgesetzen zwei Funktionen genannt: die überörtlichen Nah- erholungsbedürfnisse der Bevölkerung und der Naturschutz. Weitere Funktionen wurden den Verbandsgrünflächen in den Debatten des preu- ßischen Parlaments zur Verbandsgründung und durch die verbandliche Gebietsentwicklungs- und Freiraumplanung zugeschrieben: die Trenn- und Gliederungsfunktion innerhalb der Siedlungsstruktur sowie Beiträge zur Verbesserung des Stadtklimas, zum Bodenschutz und zur Sicherung der Wassergewinnung, die räumlich allerdings unterschiedlich verteilt sind. Nicht zuletzt bilden die Verbandsgrünflächen auch die Grundlage für die Land- und Forstwirtschaft. Hinzu kommt eine inoffizielle Funktion: So kann sich der Einsatz für oder gegen Freiräume auf die politische oder berufliche Karriere von Politikern und Verwaltungsmitarbeitern förderlich, aber auch nachteilig auswirken. Die rechtliche Wirkung der Festsetzung von Verbandsgrünflächen war unterschiedlich. Zeitweise war in Verbandsgrünflächen jedes Bauen ver- boten, zeitweise waren Verbandsgrünflächen nur die Bedingung dafür, dass der Verband einen Fluchtlinien- oder einen Bebauungsplan mit einem entsprechenden Bauverbot aufstellen durfte. Dies konnte andere Planungsträger aber nicht daran hindern, über Planfeststellungsverfahren verschiedene Trassen für Verkehrswege und Leitungen durch Verbands- grünflächen zu führen. Statt aber die Kompetenzen des Verbandes zum Schutz des Freiraums zu stärken, hat die Landesregierung 1979 die Pla- nungshoheit des Verbandes abgeschafft. Seitdem kann er sich bei Pla- nungsverfahren nur noch als Träger öffentlicher Belange für die Sicherung der Verbandsgrünflächen einsetzen. Doch obwohl die Kommunen die Frei- raumbelange im Abwägungsprozess "wegwägen" können, dürfen sie eine Verbandsgrünfläche erst dann in eine Baufläche umwandeln, nachdem sie im zuständigen Gremium einen Antrag auf Löschung aus dem Verbands- 7. Der Regionalverband Ruhr, seine Vorgänger und die Verbandsgrünflächen 256 verzeichnis gestellt haben und dieser mit Mehrheit beschlossen worden ist. Inwieweit diese Gelegenheit vom Verband genutzt wird, das kommunale Vorhaben einer zusätzlichen regionalen und freiraumpolitischen Prüfung zu unterziehen, lässt sich allgemein nicht beurteilen. Sowohl Robert Schmidt als erster Verbandsdirektor als auch Friedrich Strehlow hielten nur solche Grünflächen für gesichert, die im Eigentum der öffentlichen Hand stehen. Deshalb hat sich der Verband frühzeitig um den Kauf von Verbandsgrünflächen bemüht. Zunächst wurde nur der Flächen- kauf durch die Städte und Gemeinden gefördert, wobei die Kommunen dies für ihre Bodenvorratspolitik nutzten und ein Zehntel ihrer Neuerwer- bungen nach kurzer Zeit in Bauland umwandelten. Ende der 1960er Jahre hat der Verband selbst mit dem Grunderwerb begonnen und inzwischen mehr als 16.000 Hektar erworben, die bereits 6 Prozent der Verbands- grünflächen ausmachen und so groß wie die Stadt Bochum sind. Entscheidungsträger sind die Mitglieder spezieller Verbandsgremien. Von 1920 bis 2004 - mit Ausnahme der Zeit des Nationalsozialismus - war der Verbandsausschuss, für drei Jahre der Verbandsvorstand und seit 2007 ist die Verbandsversammlung zuständig für die Festsetzung der Ver- bandsgrünflächen. Ihre Mitglieder werden aber nicht direkt von der Bevöl- kerung, sondern indirekt von den Kommunalparlamenten gewählt. Insofern sind sie in erster Linie ihren Kommunen und allen lokalen Aktivitäten ver- pflichtet, die Zugewinne an Einwohnern und Arbeitsplätzen versprechen. Aber auch der Verband hat neben dem Freiflächenschutz noch Freiraum verbrauchende Aufgaben, wie die Wirtschaftsförderung. Infolgedessen stehen der Verband und seine Gremien nicht für einen konsequenten Frei- raumschutz, sondern für einen Kompromiss zwischen diesen verschiede- nen Belangen. Demgegenüber sind die hauptamtlichen VerbandsmitarbeiterInnen im Frei- raumbereich ihrer Aufgabe, der Weiterentwicklung der Verbandsgrünflä- chen, verpflichtet und können als soziale Träger des Freiraums angesehen werden. Sie müssen aber eine loyale Zurückhaltung üben, wenn - aufgrund der Stärke der Siedlungsinteressen und der planerischen Inte- grationsaufgabe - der Verband Entscheidungen gegen das Grün und für Baumaßnahmen fällt. Leider gibt es keinen Hinweis darauf, dass bei einem Nutzungskonflikt eine Entscheidung zugunsten einer Grünfläche und zu Lasten eines Bau- und Investitionsvorhabens getroffen wurde. Aufgrund des großen Flächenanteils der Verbandsgrünflächen dürfte ten- denziell die gesamte Ruhrgebietsbevölkerung zu den Nutzern zählen, ohne allerdings von der Existenz und der Bedeutung der Verbandsgrünflächen zu wissen - die Verbandsgrünflächen sind nur in Fachkreisen bekannt. Während mehrere Wirtschaftsvertreter bis in die 1970er Jahre zu den stimmberechtigten Gremienmitgliedern gehörten und seitdem immer noch beratende Stimmen haben, sind die Freiraumnutzer an den Ent- scheidungen der Verbandsgremien nicht beteiligt. 2004 hat die Landwirt- schaftskammer ihren Sitz verloren, und der Naturschutz hat nur eine ein- zige beratende Stimme. Einen Beirat wie bei den Revierparks, in dem Re- vierparknutzer vertreten sind, oder eine Einrichtung wie die Landschafts- beiräte bei den Landschaftsbehörden gibt es beim Verband nicht. Vor die- sem Hintergrund kann man die Verbandsgrünflächen nicht als Common- Property-Institutionen bezeichnen. 8. Begrünungsaktion Ruhrgebiet und Emscher Landschaftspark 257 8. Begrünungsaktion Ruhrgebiet und Emscher Landschaftspark Durch die Industrialisierung und den Strukturwandel im Ruhrgebiet wurden und werden Freiräume nicht nur aufgezehrt und in Bau- und Verkehrsflä- chen umgewandelt. Zugleich wird die verbrauchte Landschaft in Gestalt von Mülldeponien, Bergehalden und Brachflächen ständig wieder aus dem Wirtschaftsprozess ausgeschieden. Schon in den 1920er Jahren hat der Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk damit begonnen, solche für die In- dustrie- und Siedlungsentwicklung nicht mehr benötigten Restflächen zu begrünen. In den 1950er Jahren startete die planmäßige "Begrünungsak- tion Ruhrgebiet", und Ende der 1980er Jahre nahm sich die Internationale Bauausstellung Emscher Park (IBA) den "Wiederaufbau von Landschaft" vor. Diese Maßnahmen zum Recycling verbrauchter Flächen knüpften teilweise an die Forstpolitik und teilweise an die früheren Volksgärten und Stadtparks an. Ihre Licht- und Schattenseiten werden im folgenden aufge- zeigt. 8.1. Entwicklung des industriebedingten Ödlandes Während die meisten Fördertürme und rauchenden Schlote von der Bild- fläche verschwunden sind, sind industrielle Brachflächen, Halden und De- ponien für das Ruhrgebiet nach wie vor charakteristisch. Seit mehr als hundert Jahren werden sie im Rahmen der Bodennutzungserhebungen als Öd- und Unland statistisch erfasst. Zunächst umfasste das so genannte Ödland die Marken und Gemeinhei- ten, die als Hutung oder Holzung genutzt wurden, aber ertragsschwach waren. Mit der Teilung und Privatisierung dieser gemeinschaftlich genutz- ten Flächen wurde dieses Ödland immer kleiner, während nach Meiers Recherchen 1878 "erstmalig Ödflächen industriellen Ursprungs, wie Bergehalden, ausgewiesen" wurden.872 Zugleich ist das überwiegend land- und forstwirtschaftliche Ödland bis 1878 auf 199,2 Hektar im Kern-Ruhrgebiet bzw. auf 243,2 Hektar im rechtsrheinischen Ruhrgebiet zurückgegangen und wurde 1883 überhaupt nicht mehr ausgewiesen.873 Seit der Erhebung von 1893 ist daher anzunehmen, dass das Öd- und Unland überwiegend industriebedingt ist: "... hier macht sich jetzt das industrielle 'Abfall'-Land bemerkbar. Aufgeschüttete Halden, tief ausgebaggerte und nicht wieder planierte Erdgruben, durch Bergschä- den verursachte Versumpfung einzelner Landstriche sind negative Zeichen indus- trieller Tätigkeit." 874 872 Meier, Friedhelm (1961): Die Änderung der Bodennutzung und des Grundeigentums im Ruhrgebiet von 1820 bis 1955. Forschungen zur deutschen Landeskunde, Band 131, Bad Godesberg, S.31 f 873 eigene Berechnungen nach: Preußische Statistik (1879), Band LIII, hg. vom Königli- chen statistischen Bureau in Berlin, Berlin; Preußische Statistik (1884), Bd. LXXXI, hg. vom Königlichen statistischen Bureau in Berlin, Berlin 874 Meier (1961), S.36 8. Begrünungsaktion Ruhrgebiet und Emscher Landschaftspark 258 Tabelle 8.1. Öd- und Unland im rechtsrheinischen Ruhrgebiet 1893-2008 Jahr Gesamtfläche des rechtsrheinischen Ruhrgebietes Öd- und Unland (ha) Anteil (in %) 1893 311.669 11.405 3,7 1900 312.006 11.568 3,7 1913 312.323 12.099 3,9 1927 310.962 13.155 4,2 1938 321.106 13.364 4,2 1950 321.387 11.097 3,5 1960 320.239 10.003 3,1 1970 322.031 7.920 2,5 1981 339.032 (1.266) 0,4 1993 339.134 (8.042) 2,4 1997 339.185 8.255 2,4 2005 339.217 9.156 2,7 2008 339.222 8.349 2,5 Anmerkungen: 1981: nur Unland, das zu der Nutzungsartengruppe "Flächen anderer Nutzung" gehört; 1993: Unland (wie oben), zzgl. Halden (2.539 ha), ungenutzte Betriebsflächen sowie ungenutzte Flächen in der Nutzungs- artengruppe "Gebäude- und Freiflächen"; seit 1997: wie oben zzgl. ungenutzte Verkehrsflächen und landwirtschaftliches Brachland Quellen: siehe Fußnote875 Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts hinterlässt der Industrialisierungspro- zess verbrauchtes Land, manchmal sogar tatsächlich verbrannte Erde. (Tabelle 8.1.) Bis zum Zweiten Weltkrieg ist die Brachfläche ständig gewachsen, von 11.405 Hektar im Jahr 1893 auf 13.364 Hektar im Jahr 1938, bezogen auf das rechtsrheinische Ruhrgebiet. Die Revitalisierung von Industriebrachen war noch kein Thema. Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen in der Wieder- aufbauphase zwei Prozesse zusammen: das so genannte Wirtschafts- wunder mit dem Bau von Häusern, Straßen und anderen Infrastrukturein- richtungen sowie die ersten Maßnahmen zur Begrünung des Ruhrgebietes. Beide Prozesse ließen das industriebedingte Öd- und Unland bis etwa 1970 auf weniger als 8.000 Hektar schrumpfen. Seit der Wirtschaftskrise Mitte der 1960er Jahre steht der Revitalisierung ein ständiger Neuzugang an Brachen durch die Deindustrialisierung des Ruhrgebietes gegenüber. Seitdem liegt die Gesamtfläche der Brachen zwischen 8.000 und 9.000 875 Preußische Statistik (1894), Bd. 133; Preußische Statistik (1902), Bd. 168; Preußische Statistik (1918), Bd. 246; Preußische Statistik (1928), Bd. 291; Statistik des deutschen Reiches (1939), Bd. 536; Statistisches Landesamt Nordrhein-Westfalen (1951a); Statistisches Landesamt Nordrhein-Westfalen (1961); Statistisches Landesamt Nordrhein-Westfalen (1971); LDS NRW (1982a); LDS NRW (1993); LDS NRW (1999b): Bodenflächen in Nordrhein-Westfalen 1997 nach Nutzungsarten der Vermessungsverwaltung. Ergebnisse der Flächenerhebung 1997, Statistische Berichte C I 9 - 4j/97, Düsseldorf; LDS NRW (2005); LDS NRW (2008a) 8. Begrünungsaktion Ruhrgebiet und Emscher Landschaftspark 259 Hektar,876 die teilweise allerdings bereits begrünt sind. Zwischen zwei Arten von Brachflächen ist zu unterscheiden: - Zum einen handelt es sich um Flächen, die nicht mehr gebraucht wer- den, weil die darauf ansässigen Betriebe geschlossen wurden. Die baulichen, maschinellen und teilweise auch chemischen Überreste dieser Betriebe behindern eine erneute Nutzung der betroffenen Flä- chen. Dieses industriebedingte Ödland umfasst vor allem die früheren Betriebsflächen von stillgelegten Bergwerken und Kokereien, von Eisenhütten und Stahlwerken, aber auch Standorte anderer Betriebe des sekundären Sektors, die in den letzten Jahrzehnten aufgegeben wurden. - Zum anderen geht es um Flächen, die dringend benötigt werden, um darauf die Abfallprodukte des Wirtschaftsprozesses abzulagern, und die danach für andere Zwecke (zeitweise) nicht mehr genutzt werden können. Bei diesen "Rückstandshalden der Wirtschaft" "handelt es sich meistens um Halden des Steinkohlenbergbaues, um Halden von industriellem Abraum oder um Mülldeponien. Mit Abstand die größte und bedeu- tendste Anzahl der Abraumhalden stellt der Bergbaubereich." 877 Bevor ich den Prozess der Begrünung und der künstlerischen Gestaltung des industriebedingten Ödlandes beschreibe, will ich die wichtigsten Arten dieser verbrauchten Landschaft etwas genauer beschreiben: - Bergehalden, - Bergsenkungen und das Emschersystem, - industrielle Brachflächen, - Mülldeponien sowie - Altlasten und Verdachtsflächen. 8.1.1. Bergehalden Die Gewinnung der Steinkohle war von Anfang an damit verbunden, dass Nebengesteine zutage gefördert wurden, sogar schon in der so genannten "Wiege des Ruhrgebietes", wo - wie z.B. im Muttental - die Kohlenflöze an die Erdoberfläche treten. Damals bereitete der Umgang mit dem Abraum noch keine Probleme, denn er "erledigte sich einfach dadurch, daß die nicht verwertbaren Stein-, Mergel- und Lehmanteile der geförderten Kohle direkt am Stollen- oder Schachtmund aufge- schlagen wurden." 878 Später überzog der benachbarte Wald diese frühen Bergehalden, so dass sie heute kaum noch zu erkennen sind. Mit dem Wachstum der Zechen, die den Kohleflözen folgend nach Norden wanderten und in immer tiefere Tiefen vordrangen, die geförderten Kohlemengen steigerten, den Abbau 876 Dabei sind die niedrigen Werte 1981 und 1993 auf ein verändertes Erhebungs- und Darstellungskonzept zurückzuführen, bei dem die Brachflächen den verschiedenen übergeordneten Nutzungsartengruppen zugeordnet wurden, aber nur unvollständig ausgewiesen wurden. Erst seit 1997 werden die ungenutzten Flächen in sämtlichen Nutzungsartengruppen vollständig veröffentlicht. 877 Petsch, Gerhard (1974): Die Halden des Ruhrgebietes, ihre Begrünung und land- schaftliche Eingliederung als Maßnahmen zur Verbesserung der Umweltverhältnisse im Verdichtungsraum, in: SVR (1974): Grüne Halden im Ruhrgebiet, Essen, S.201- 223, hier: S.201 878 Leyh, Manfred (1982): Bergehalden im Ruhrgebiet, in: Stadtbauwelt 74 (1982), S.193- 197, hier: S.193 8. Begrünungsaktion Ruhrgebiet und Emscher Landschaftspark 260 mechanisierten und die Kohlenwäsche intensivierten, nahm auch das Ber- gematerial zu. Die aufgeschütteten Halden wuchsen. a. Umfang des Bergematerials Als 1939 mit 130 Mio. Tonnen der Höchststand der Steinkohlenförderung erreicht war, machte der zu entsorgende Abraum erst 18 Prozent aus, während nach dem Zweiten Weltkrieg bei sinkenden Kohlefördermengen der Abraumanteil in den 1980er und 1990er Jahren auf bis zu 47 Prozent anstieg. Nur ein Teil des Bergematerials muss auf Halde genommen wer- den. So wurden von den damaligen 50 Mio. Tonnen Abraum 6 Prozent wieder untertage in den "Versatz" gebracht, während 23 Prozent als Bau- material in den Fremdabsatz gingen und 71 Prozent aufgehaldet wurden.879 Mit der allmählichen Stilllegung des deutschen Steinkohlenbergbaus ist die jährliche Abraummenge im Ruhrgebiet auf derzeit etwa 20 Mio. Tonnen gesunken und wird in den nächsten Jahren gegen Null tendieren, falls die steigenden Energiepreise nicht zur Fortsetzung der Kohlenförderung führen. Insgesamt sind in den vergangenen zwei Jahrhunderten im Ruhrgebiet etwa 10 Mrd. Tonnen Steinkohle und inklusive des Bergematerials ein Volumen von mehr als 7 Kubik-Kilometern zutage gefördert worden.880 b. Kegelhalden und Haldenbrände Bis in die 1960er Jahre hinein wurden diese Halden in unmittelbarer Ze- chennähe mittels Förderbändern aufgeschüttet, wobei zumeist Spitzkegel- und Plateauhalden mit einer Böschungsneigung von 35-40o entstanden sind. Aufgrund des hohen Kohlenstoffanteils von ungefähr 20 Prozent und der ständigen Sauerstoffzufuhr, die aus der lockeren Schüttung und der Grobporigkeit des Haldenkörpers resultierte, konnten sich viele dieser Halden selbst entzünden. Zusätzliches Brennmaterial waren Müll, Bau- schutt, Holz, Gummi und andere Grubenabfälle, die dem Abraum häufig untergemischt waren.881 Diese Haldenbrände haben die Luftverschmutzung im Ruhrgebiet bis in die 1970er Jahre hinein durch Staub und Schwelgase weiter verschlimmert. Sie haben benachbarte Wohnhäuser bedroht. Evakuierungen von Wohnsiedlungen mussten vorbereitet werden. Eisenbahnlinien, Hoch- 879 Schulz, Dietmar, und Hubert Wiggering (1991): Die industrielle Entwicklung des Steinkohlenbergbaus und der Anfall von Bergematerial, in: Wiggering, Hubert, und Michael Kerth (Hg.) (Hg.) (1991): Bergehalden des Steinkohlenbergbaus, Braun- schweig und Wiesbaden, S.9-20, hier: S.11, S.13; Anfang der 1970er Jahre rechnete man noch mit einer 20-prozentigen Aufhaldung: "Bei einer Steinkohlenförderung von ca. 91 Mio to/Jahr im Ruhrgebiet werden zusätz- lich etwa 50%, d.h. etwa 45 Mio Bergematerial gefördert. Von diesem Material wird etwa 80% anschließend wieder zum Versatz oder zum Bau von Straßen oder Ein- richtungen mit ähnlichem Unterbau verwendet. 20% des Bergematerials müssen auf Halden gelagert werden. Man rechnet mit 10 Mio to/Jahr. Dazu kommen 2 Mio to/Jahr Reststoffe aus der Stahlerzeugung und 2,5 Mio aus Ascherückständen der Energieer- zeugung." Petsch (1974), S.202 880 Meyer, Diethard E., und Hubert Wiggering (1991): Steinkohlenbergbau - ökologische Folgen, Risiken und Chancen, in: Wiggering und Kerth (Hg.) (1991), S.1-8, hier: S.4 881 Schulz und Wiggering (1991), S.9, S.16; Dannemann, Horst, und Winfried Lange (1991): Steinkohlenbergehalden als Ingeni- eurbauwerke, in: Wiggering und Kerth (Hg.) (1991), S.21-32, hier: S.21; Hofmann, Wolfgang, und Thomas Winter (1991): Steinkohlenbergehalden als Land- schaftsbauwerke, in: Wiggering und Kerth (Hg.) (1991), S.33-46, hier: S.34; Dortmann, Hans-Dieter, und Norbert Hein (1991): Haldenbrände, in: Wiggering und Kerth (Hg.) (1991), S.103-114, hier: S.104 8. Begrünungsaktion Ruhrgebiet und Emscher Landschaftspark 261 spannungsleitungen und Kanalufer waren gefährdet, die umgebende Ve- getation wurde geschädigt, und bei Sanierungsarbeiten waren etliche töd- liche Unfälle zu beklagen.882 Doch zugleich sind "durch diesen Brennvorgang ... - ähnlich wie beim Brennen von Ziegeln - weitge- hend witterungsbeständige, teilweise verbackene Gesteinstrümmer von rötlicher Farbe entstanden", die als Baumaterial einsetzbar waren. Ende der 1960er Jahre standen "rote Berge" in ausreichender Menge nicht mehr zur Verfügung, da die alten Halden weitgehend abgetragen waren.883 "Die ursprünglichen, aus Sturzverkippung von Förderbändern entstandenen Ke- gelhalden hatten durch regellose Materialentnahmen, Brand und sonstige Einwir- kungen ihre geschlossene Form verloren. Entstanden waren oft regellose Berge mit bizarren Oberflächen, trostlos an Mondlandschaften erinnernd." 884 c. Tafelberge und Großhalden Nachdem der SVR schon 1959 und erneut 1966 ein Merkblatt über "die Schüttung und Begrünung von Halden" veröffentlicht hatte,885 hat 1967 die Landesregierung eine eigene "Richtlinie für die Neuanlage und Erweiterung von Bergehalden" erlassen, um den schlimmsten Umweltproblemen der Schüttungen entgegenzuwirken. Von nun an sollten Halden als "ter- rassierte Tafelberge" gestaltet werden.886 Damit verbunden war eine erhebliche Vergrößerung der Haldenkörper. Nachdem die alten Halden eine durchschnittliche Höhe von 19 Metern erreicht und zumeist eine Flä- che von jeweils 5-7 Hektar beansprucht hatten, erhöhte sich der Flächen- bedarf für die neuen Tafelberge auf 40-60 Hektar, die eine Schütthöhe bis zur "doppelten Baumhöhe", also etwa 40 Meter erreichen sollten, vereinzelt - wie Haniel in Bottrop - aber auch 90 Meter hoch wurden.887 So wurde die erste Bergehaldengeneration "abgelöst durch die Tafelberge, streng in horizontale Scheibensegmente geglie- derte, ebenmäßig steile schwarze Berge. Unmittelbar wachsen sie aus dem flachen Ruhrrevier, landschaftsprägend, fremd, riesig." So Blaurock und Wipf, im KVR zuständig für die Forst- und Landschafts- entwicklung, die diesen Haldentyp bezeichnen als "Ausfluß des Bestrebens, auf begrenzter Grundfläche soviel Masse wie möglich unterzubringen." 888 Gegen die Tafelberge und ihre regionalplanerische Festschreibung gab es in den 1970er und 1980er Jahren Widerstand und Proteste von Seiten der Bevölkerung und sogar von Kommunen. Deshalb schaltete sich 1982 die Landesregierung ein und versuchte, durch einen Rahmenvertrag mit dem Bergbau und durch neue Richtlinien die Akzeptanz weiterer Haldenkörper zu erhöhen.889 Seitdem werden die 882 Dortmann und Hein (1991), S.103 f 883 Dannemann und Lange (1991), S.21 f; Schulz und Wiggering (1991), S.16 884 Blaurock, Helmut, und Jörg M. Wipf (1990): Begrünungsaktion Ruhrgebiet, in: Allge- meine Forst Zeitschrift, 45.Jg. (1990), Nr.22-23, S.540-542, hier: S.541 885 in: SVR (1959): Waldschutz und Landespflege im Ruhrgebiet, Essen, S.39 f; und in: SVR (1966): Grüne Arbeit im Ruhrgebiet, Essen, S.47 f 886 Schulz und Wiggering (1991), S.16 887 Hofmann und Winter (1991), S.34; Schulz und Wiggering (1991), S.16 888 Blaurock und Wipf (1990), S.541 889 Minister für Landes- und Stadtentwicklung des Landes Nordrhein Westfalen (MLS) (Hg.) (1982): Bergehalden. Rahmenvertrag zwischen dem Land Nordrhein Westfalen und der Ruhrkohle AG, MLS-Kurzinformationen 3/82, Düsseldorf 8. Begrünungsaktion Ruhrgebiet und Emscher Landschaftspark 262 "Großhalden der dritten Generation ... als Landschaftsbauwerke entwickelt".890 Auch diese Halden wurden mit einer Grundfläche von 100 Hektar und einer Höhe von 50-60 Metern, teilweise sogar über 100 Metern noch einmal größer als ihre Vorgänger, sollten sich aber besser gestalten und in die Landschaft einbinden lassen.891 d. Anzahl der Bergehalden Die genaue Anzahl der Bergehalden im Ruhrgebiet ist nicht bekannt. Be- reits 1860 wurden fünf Halden mit einer Fläche von zusammen 13 Hektar offiziell zugelassen. Seitdem kamen ständig weitere Halden hinzu, die bis zum Ende der 1960er Jahre eine wachsende Fläche einnahmen, wie aus der Tabelle 8.2. hervorgeht. Tabelle 8.2. Neuzulassung von Halden und ihre Grundflächen, soweit aktenkundig, von 1860 bis 1968 Jahr Anzahl Flächen (ha) Jahr Anzahl Flächen (ha) 1860 5 13,0 1940 4 64,0 1870 6 46,2 1945 5 103,5 1880 2 4,8 1955 7 101,4 1890 4 19,8 1960 7 121,1 1905 15 129,0 1962 7 73,8 1920 4 26,8 1964 6 35,5 1930 2 6,6 1966 6 107,4 1935 10 76,8 1968 7 123,0 Quelle: Petsch (1974), S.218 1956 gab es im Ruhrgebiet insgesamt 194 Bergehalden, - von denen 86 noch in Betrieb waren. - 43 Halden waren bepflanzt oder hatten sich natürlich begrünt, - weitere 19 Halden hatten eine Teilbepflanzung, - 38 Halden lagen brach, und - 8 Halden waren verkauft und teilweise bereits abgetragen. Insgesamt nahmen diese Halden eine Grundfläche von 988 Hektar in An- spruch.892 1972 waren noch 162 Halden in 20 Städten aktenkundig, von denen etliche noch weiter aufgeschüttet, mehrere aber auch, zumindest teilweise "abgehaldet" werden sollten. Die damalige Haldenfläche umfasste 1.300 Hektar, was - so Petsch - einem 100 Meter breiten und 130 km langen Streifen entsprach, der von Moers bis Unna quer durch das gesamte Ruhrgebiet gereicht hätte. Das Haldenvolumen umfasste damals knapp 200 Mio. cbm.893 Ende der 1980er Jahre wurde die Zahl der Bergehalden auf insgesamt 250 geschätzt. Einige Autoren gingen sogar von bis zu 350 kleineren Halden und 30 Großhalden aus. Heute listet eine aktuelle Übersicht des Re- gionalverbandes knapp 70 das Landschaftsbild prägende Haldenstandorte 890 Schulz und Wiggering (1991), S.16-19 891 Hofmann und Winter (1991), S.34-36; Meyer und Wiggering (1991), S.4 892 Meier (1961), S.48 893 Petsch (1974), S.217, S.201; Blaurock und Wipf (1990), S.541; siehe auch: Bundesregierung (1981): Bergehalden im Ruhrgebiet. Antwort der Bun- desregierung auf die Kleine Anfrage - Drucksache 9/657, Deutscher Bundestag. Drucksache 9/754, Bonn 8. Begrünungsaktion Ruhrgebiet und Emscher Landschaftspark 263 auf. 16 Großhalden sind aktuell noch im Betrieb, und das Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik weist für das gesamte Ruhrgebiet inzwi- schen eine Fläche von mehr als 3.000 Hektar für Halden aus.894 e. Ökologische Probleme Die ökologischen Belastungen, die von Abraumhalden ausgehen, sind vielfältig. In jedem Fall werden umfangreiche Freiflächen für lange Zeit- räume ersatzlos vernichtet, zumal die Halden auch nach abgeschlossener Schüttung und Begrünung in ihrer Bodenqualität nicht mit den zugeschüt- teten Standorten vergleichbar sind. Besonders problematisch waren und sind die E- und Immissionen, die durch Haldenbrände verursacht werden. Obwohl nach Dortmann und Hein Schwelbrände und Selbstentzündungsbrände "praktisch nicht mehr auf- getreten" sind, seitdem die entsprechenden Richtlinien der Landesregie- rung und des Landesoberbergamtes beachtet werden, gibt es im Ruhrge- biet nach wie vor acht Halden, die im Inneren brennen, deren Emissionen allerdings von der Landesregierung für "ungefährlich" gehalten werden.895 Problematische Wirkungen haben zudem die physikalischen und chemi- schen Verwitterungsprozesse innerhalb der Halden, die über das Sicker- wasser zu belastenden Stoffausträgen führen. Dabei handelt es sich in der ersten Verwitterungsphase vor allem um die Auswaschung von leicht löslichen Salzen. In der zweiten Verwitterungsphase werden Sulfate gebil- det und ausgewaschen, wobei in geringen Konzentrationen auch Zink, Ni- ckel und Arsen gelöst werden. In der dritten Verwitterungsphase sinkt der pH-Wert drastisch ab, wobei weitere Metalle und Schwermetalle mobilisiert werden. Für die Wasserwirtschaft ergibt sich hieraus das Problem, dass Grundwasserbelastungen drohen, die sich noch dazu ständig verändern, und verhindert werden müssen.896 Aus diesem Grunde müssen die Halden seit 1989 eine Basisabdichtung aufweisen, um den Sickerwassereintrag in den Untergrund zu reduzieren.897 894 Jolk, Heinrich (1990): Renaturierung ehemaliger Industrieflächen und Althalden, in: Allgemeine Forst Zeitschrift, 45. Jg. (1990), Heft 22-23, S.556-558, hier: S.558; Lothis, Walter (1986): Zur schnelleren Begrünung von Abraumhalden, in: Allgemeine Forst Zeitschrift, 41. Jg. (1986), Heft 9/10, S.206; RVR (Hg.) (2007): Haldenstandorte im Ruhrgebiet (2.1.09); Meyer und Wiggering (1991), S.4; LDS NRW (2008a) 895 Dortmann und Hein (1991), S.103 und S.114; Mrasek, Volker (2005): Die glühenden Berge der Kohlenreviere, in: Spiegel online vom 22. März 2005 (12.8.09); Landesregierung Nordrhein-Westfalen (2005): Gefahren durch brennende Abraum- halden des Steinkohlenbergbaus? Antwort auf die Kleine Anfrage 2314, Landtag Nordrhein-Westfalen. Drucksache 13/7048, Düsseldorf. Nach Angaben des "Spiegel" brennen im Ruhrgebiet die Halden Graf Moltke in Glad- beck, Rheinelbe und Rungenberg in Gelsenkirchen, Preußen in Lünen, Norddeutsch- land in Neukirchen-Vluyn, Wehofen-Ost in Dinslaken und Großes Holz in Bergkamen. Demgegenüber nennt die Landesregierung zusätzlich die Bergehalde West in Ahlen, während Preußen und Großes Holz nicht erwähnt werden. 896 Kerth, Michael, und Hubert Wiggering (1991): Verwitterung und Bodenbildung auf Steinkohlenbergehalden, in: Wiggering und Kerth (Hg.) (1991), S.85-101; Schöpel, Mathias, und Jean Thein (1991): Stoffaustrag aus Bergehalden, in: Wigge- ring und Kerth (Hg.) (1991), S.115-128; Rathke, Klaus, und Wolfgang Schröder (1991): Konsequenzen der Bergeaufhaldung für die Wasserwirtschaft, in: Wiggering und Kerth (Hg.) (1991), S.129-153 897 Dannemann und Lange (1991), S.30; Schulz und Wiggering (1991), S.19 8. Begrünungsaktion Ruhrgebiet und Emscher Landschaftspark 264 Hinzu kommen kleinklimatische Effekte, von denen die erhöhte Mitteltem- peratur der Haldenoberfläche, die abfließende Kaltluft an den Haldenfüßen, die reduzierte Windgeschwindigkeit in den Haldenfußbereichen sowie die deutliche Windverstärkung an den Haldenflanken und auf der Hal- denoberfläche besonders bemerkenswert sind. Inwieweit benachbarte Nutzungen hierdurch beeinträchtigt werden, lässt sich allerdings nicht all- gemein beantworten.898 Das wichtigste Zukunftsproblem liegt für die Halden, aber auch für etliche Mülldeponien darin, dass in den meisten Fällen ein Recycling durch "Industrie und Gewerbe sowie Wohnbebauung aus statischen Gründen aus(scheidet)".899 Nur unter besonderen Umständen, nach entsprechend hoher Bodenver- dichtung können Halden für Siedlungszwecke genutzt werden. Aufgrund dieser physikalischen, aber auch ihrer chemischen Bodeneigenschaften sowie der daraus folgenden ökologischen Probleme und Risiken sind Hal- den allenfalls second-hand-Freiräume minderer Qualität, die im günstigsten Fall für Freizeitzwecke genutzt werden können. 8.1.2. Bergsenkungen und das Emschersystem Das Pendant zu den Bergehalden sind die Bergsenkungen. Bereits durch den Abbau der Kohle entstehen unterirdische Hohlräume, die um so größer sind, je mehr von dem die Kohle begleitenden Gestein nach der Reinigung der Kohle nicht wieder nach untertage verbracht, sondern oberirdisch aufgehaldet wird. In diese Hohlräume bricht das darüberliegende Gestein nach und nach ein, und diese Einbrüche setzen sich bis an die Erdoberfläche fort. Bodensenkungen um bis zu zwanzig Meter sind die Folge. Damit verbunden sind Störungen in den Vorflut- und in den Grund- wasserverhältnissen. So sind im Freiraum etliche Bergsenkungsseen ent- standen, die teilweise wieder verfüllt wurden, sich teilweise zu Anzie- hungspunkten für Wasservögel entwickeln konnten.900 Über die durch Bergsenkungen beschädigten und zerstörten Wohnge- bäude hinaus waren auch die Vorflutstörungen fatal. Das üblicherweise in die Bäche und in die Emscher geleitete Abwasser konnte nicht mehr ab- fließen. Katastrophale Verhältnisse bildeten sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts im Emschergebiet heraus: Sumpf und Morast, der vor den angrenzenden Wohngebieten nicht halt machte, schreckliche Typhus-, Malaria-, Cholera- und Ruhr-Epidemien.901 Schließlich wurde nach mehrjährigen Vorarbeiten im Jahr 1904 durch ein Sondergesetz die "Emschergenossenschaft" gegründet.902 Formell wurden nur die Stadt- und Landkreise als Genossen aufgenommen, während die Verursacher des Abwassers zu "Beteiligten" erklärt wurden: Bergwerke, gewerbliche Unternehmungen, Eisenbahnen und sonstige Anlagen sowie Gemeinden. Die Beteiligten waren diejenigen, die zu den erforderlichen 898 Horbert, Manfred, und Christiane Schäpel (1991): Kleinklimatische Veränderungen durch Bergehalden, in: Wiggering und Kerth (Hg.) (1991), S.65-84 899 Jolk (1990), S.556 900 Borcke (1964), S.129-139 901 Middeldorf (1904): Entwurf zur Regelung der Vorflut und Abwasser-Reinigung im Emschergebiet, Essen-Ruhr, S.29-39; Kurowski, Hubert (1993): Die Emscher. Geschichte und Geschichten einer Flußland- schaft, Essen, S.49 f 902 Gesetz, betreffend Bildung einer Genossenschaft zur Regelung der Vorflut und zur Abwasserreinigung im Emschergebiet. Vom 14. Juli 1904, GS S.175 8. Begrünungsaktion Ruhrgebiet und Emscher Landschaftspark 265 finanziellen Beiträgen herangezogen wurden. Die Genossen entsandten ihre Vertreter in die Genossenschaftsversammlung und waren dabei ver- pflichtet, die Beteiligten zu berücksichtigen. Auch im Vorstand mussten die Beteiligten vertreten sein.903 Insofern war die Emschergenossenschaft eine "Selbstverwaltung der Abwasserproduzenten", die ihren gesetzlichen Auftrag "zur Regelung der Vorflut und zur Abwässerreinigung" - wie ihr vorgeworfen wird - "stets an der Untergrenze des technisch-ökonomisch Machbaren" erfüllte.904 Praktisch jedenfalls hat die Emschergenossenschaft im Laufe der Zeit die Emscher und ihre Zuflüsse befestigt, in offene Abwasserkanäle verwandelt und durch etliche Pumpwerke für den weitgehend reibungslosen Abfluss der Abwässer gesorgt, die nur unzureichend gereinigt über lange Zeit den Rhein belastet haben. Aufgrund der Abwasserfrachten und der Schadstoffbelastungen waren die Böden unterhalb und an den Seiten dieser offenen Kanalisation kontaminiert und ein Geländestreifen beider- seits der Abwasserkanäle war durch Stacheldrahtzäune vor unberechtigten Besuchern geschützt. Anfang der 1980er Jahre begann die "Renatu- rierung" des Emscher-Gewässernetzes. 8.1.3. Brachflächen und Deindustrialisierung Eine weitere Hinterlassenschaft der Industrialisierung und der wirtschaftli- chen Umstrukturierung im Ruhrgebiet sind gewerbliche und industrielle Brachflächen. Dabei sind Zechenbrachen keine Besonderheit der letzten Jahrzehnte. Bereits zu Beginn des 18. Jahrhunderts standen hundert för- dernden Bergwerken in der Grafschaft Mark mehr als 50 stillgelegte Ze- chen gegenüber.905 Wenig später begann ein langandauerndes industriel- les Wachstum, das von einem ständigen Strukturwandel begleitet, aber auch immer wieder von Konjunkturschwankungen, wirtschaftlichen De- pressionen und zwei verheerenden Kriegen unterbrochen wurde, bevor es in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts endete und in einen Prozess der Deindustrialisierung umschlug. Hierzu nur einige Stichworte:906 - Waren im Ruhrgebiet 1964 noch 59,5 Prozent aller Beschäftigten im sekundären Sektor tätig, so sank dieser Anteil bis 2002 auf nur noch 23,6 Prozent. - Von den 470.000 Bergbau-Beschäftigten Mitte der 1950er Jahre sind lediglich 33.150 übrig geblieben, und in der Stahlindustrie sank die Beschäftigtenzahl von über 300.000 auf nur noch 57.300. - Von 136 fördernden Bergbaustandorten im Jahr 1958 sind nur noch sieben übrig. - Die Eisen- und Stahlerzeugung ist inzwischen auf den Standort Duis- burg konzentriert und hat vor allem in Dortmund und Bochum umfang- reiche Flächen geräumt. 903 Ramshorn, Alexander (1957a): Die Emschergenossenschaft, in: Ramshorn, Alexander (Hg.) (1957b): Fünfzig Jahre Emschergenossenschaft 1906 - 1956, Essen, S.33-49, hier: S.41; Dornheim, Carl (1957): Die Emschergenossenschaft im Rechtsleben, in: Ramshorn (1957b), S.85-102, hier: S.86 f 904 Brüggemeier, Franz-Josef, und Thomas Rommelspacher (1992): Blauer Himmel über den Ruhr. Geschichte der Umwelt im Ruhrgebiet 1840-1990, Essen, S.98 905 Schulz und Wiggering (1991), S.9 906 die folgenden Angaben beruhen auf: RVR (Hg.) (2005): Das Ruhrgebiet. Zahlen - Daten - Fakten (Verfasserin: Birgit Ehses), Essen, S.19, S.30-38 8. Begrünungsaktion Ruhrgebiet und Emscher Landschaftspark 266 - Verhältnismäßig stark vertreten sind immer noch die Energiegewin- nung sowie die Chemische Industrie, obwohl verschiedene Kraftwerke und Chemiebetriebe aufgegeben wurden. - Die Automobilindustrie konnte sich trotz starker wirtschaftlicher Schwankungen bisher noch behaupten, während das Baugewerbe zurückgegangen ist. - Der gesamte tertiäre Sektor ist in den letzten Jahrzehnten zwar erheb- lich gewachsen und stellt inzwischen zwei Drittel aller Beschäftigten im Ruhrgebiet, trotzdem ist es nicht gelungen, den Verlust von 445.000 Arbeitsplätzen im Produzierenden Bereich seit 1976 auszugleichen. - Überdies ist im Ruhrgebiet die Einwohnerzahl seit den 1960er Jahren um mehr als 300.000 gesunken, während die Arbeitslosigkeit ständig überdurchschnittlich hoch ist. Ein weiterer Effekt dieser wirtschaftlichen Umstrukturierung ist die ge- wachsene Zahl der Brachflächen. Wie der Regionalverband angibt, warten derzeit "rund 5.000 ha so genannter Strukturwandelflächen" auf neue Nut- zungen, während das Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik Nordrhein-Westfalen für das gesamte Ruhrgebiet sogar mehr als 10.000 Hektar ungenutzter und brachliegender Flächen ausweist.907 Dazwischen liegt eine Bestandsaufnahme der Landesanstalt für Ökologie Nordrhein- Westfalen, die zwischen 1989 und 1992 insgesamt 490 Brachen im Ruhr- gebiet ergab. Gestützt auf Luftbildinterpretationen und stichprobenhafte Geländebegehungen wurden mit ca. 8.100 Hektar alle Industrie-, Gewer- be-, Zechen- und Bahngeländebrachen über einem Hektar Größe erfasst.908 8.1.4. Mülldeponien Ende der 1950er Jahre wurden auch Müllkippen als Problem erkannt: "Den mannigfachen Aufschüttungen aus vergangenen Jahrzehnten haben sich die Trümmerberge der Nachkriegszeit und die immer mehr Platz beanspruchenden Müllkippen hinzugesellt." 909 Infolgedessen haben schon 1959 ein Landkreis und 23 Städte beim SVR den "Arbeitskreis Ruhr zur Sammlung und Beseitigung fester Abfallstoffe" (AKR) gebildet, der ein Gutachten mit Vorschlägen zur übergemeindlichen Abfallbeseitigung im Revier erstellen ließ. Daraufhin richtete der SVR 1966 als selbstständige Abteilung die "Auskunfts- und Beratungsstelle Müll" (ABM) ein, die für das Ruhrgebiet die Möglichkeiten der Abfallbeseitigung untersucht und ihre spätere Umsetzung vorbereitet hat. Überdies war die ABM landesweit auch gutachterlich tätig.910 907 RVR (2005), S.53; LDS NRW (2008a); siehe auch: Dransfeld, Egbert, Gaby Boele-Keimer, Anna Musinszki und Ulrich Häpke (2002): Aktivierung von Brachflächen als Nutzungspotential für eine aktive Bauland- und Freiflächenpolitik. Expertise für die Enquetekommisssion "Zukunft der Städte in Nordrhein-Westfalen" des Landtags Nordrhein-Westfalen, Dortmund, S.23 908 Tara, Karin, und Klaus Zimmermann (1997): Brachen im Ruhrgebiet, in: LÖBF-Mittei- lungen. Schwerpunkt: Stadtökologie - Neue Natur Ruhr, 22. Jg. (1997), Nr.3, S.16-21, hier: S.16; Weiss, Joachim, und Peter Schütz (1997): Effizienzkontrollen im Rahmen der Ent- wicklung von Industriebrachen, in: LÖBF-Mitteilungen. Schwerpunkt: Stadtökologie - Neue Natur Ruhr, 22. Jg. (1997), Nr.3, S.22-27, hier: S.24 909 SVR (1959), S.34; SVR (1966), S.40 910 SVR (1970c): Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk Bericht 1965-1969. Schriftenreihe Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk, Band 33, Essen, S.31; SVR (1971): Abfallbeseitigung im Ruhrgebiet 1966 bis 1970. Bericht der Auskunfts- 8. Begrünungsaktion Ruhrgebiet und Emscher Landschaftspark 267 Ende der 1960er Jahre zeigte eine Bestandsaufnahme, dass es im Ver- bandsgebiet mehr als 80 "wilde Müllkippen" gab und dass von den im Kommunalbereich pro Jahr anfallenden rund 3,2 Mio. Tonnen Abfall da- mals nur 25% geordnet beseitigt wurden.911 Die Hausmülldeponien in kommunaler Trägerschaft blieben sogar bis in die 1970er Jahre hinein noch "ungeordnet". Hierzu gehörte zum Beispiel eine Kippe der Stadt Bergkamen, die 1965 in einem Bergsenkungsgebiet unmittelbar südlich der Lippe angelegt worden war, um die Bergsenkungen durch Aufhöhung und anschließende Abdeckung auszugleichen.912 Diese Verhältnisse änderten sich seit dem Ende der 1960er Jahre: "Einer der ersten Schritte in Richtung umweltschonende Abfallentsorgung war der Erwerb des 258 Hektar großen Geländes der ehemaligen Schachtanlage Graf Bismarck im Emscherbruch in Gelsenkirchen." Auf der Hälfte dieses Geländes wurde 1968 "die Zentraldeponie Emscherbruch mit einem Fassungsvermögen von 30 Millionen Kubikmetern errichtet: die erste geordnete Zentraldeponie der Bundesrepublik Deutschland." 913 Für den Betrieb der Deponie gründete der Verband Ende 1968 die "Zent- raldeponie Emscherbruch GmbH" (ZDE GmbH), die 1971 sogar als ge- meinnützig anerkannt wurde. Später kamen die Zentraldeponie Ostbüren im Süden des Kreises Unna, die Zentraldeponie Bergkamen-Rünthe im Norden des Kreises Unna und eine Umladestation in Witten als weitere Anlagen zur geordneten Abfallbeseitigung hinzu. Mehrere Anlagen waren in den 1970er Jahren noch geplant. 914 Inzwischen ist die ZDE GmbH in die AGR, die Abfallbeseitigungs-Gesell- schaft Ruhrgebiet mbH übergegangen, eine 100-prozentige Tochter des Regionalverbandes. Seitdem hat sich die AGR zu einem umfassenden Dienstleister im Bereich der Abfallwirtschaft für die Kommunen im Ruhrge- biet entwickelt und darüber hinaus bundesweite und internationale Aktivi- täten entwickelt. Im Ruhrgebiet unterhält die AGR mehrere Zentraldepo- nien, Umlagestationen, Müllverbrennungs-, Abfallbehandlungs- und Re- cyclinganlagen sowie verschiedene Labors. Dabei verfügt die AGR über eine "Entsorgungsleistung von jährlich über 1,3 Millionen Tonnen".915 8.1.5. Altlasten und Verdachtsflächen Ein in seiner Größe unbekannter Teil der Brachflächen sowie der Berge- halden enthält Altlasten. Bei Altlasten handelt es sich um Altstandorte und Altablagerungen, von denen Gefahren für Mensch und Umwelt ausgehen können, sowie um schädliche Bodenveränderungen durch andere Ursa- und Beratungsstelle Müll des Siedlungsverbandes Ruhrkohlenbezirk ABM. Schriften- reihe Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk 40, Essen; SVR (1975a): Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk Bericht 1970-1974. Schriftenreihe Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk 57, Essen, S.61-74 911 SVR (1975a), S.61 912 Heimann, Friedrich (1990): Möglichkeiten und Erfahrungen bei der Rekultivierung von Deponien, in: Allgemeine Forst Zeitschrift, 45.Jg. (1990), Nr.22-23, S.572-578, hier: S.575 913 Verwertungssysteme der Zukunft. Abfallentsorgungsgesellschaft Ruhrgebiet mbH, in: KVR (Hg.) (1995): V75ION RUHR. 75 Jahre Kommunalverband Ruhrgebiet 1920- 1995, Essen, S.41-43 914 SVR (1975a), S.71-74 915 Verwertungssysteme (1995), S.41-43 8. Begrünungsaktion Ruhrgebiet und Emscher Landschaftspark 268 chen, wie z.B. Luftverschmutzung oder Ausbringen von Klärschlamm.916 Ohne in die Details gesetzlicher Definitionen zu gehen, lässt sich sagen: - Altstandorte von ehemaligen Betrieben sind Altlasten, wenn dort für Mensch und Umwelt schädliche Stoffe zum Einsatz gekommen sind, die in bestehenden Anlagen, Gebäuden oder Teilen davon noch ent- halten sind oder die - zumeist in flüssiger Form - in den Boden ein- dringen konnten. Hierzu gehören beispielsweise Mineralöle und Kraft- stoffe auf früheren Tankstellengrundstücken oder im Umfeld alter Heizöltanks, Schmiermittel, Hydrauliköle, Kühlmittel, Reinigungsmittel, Flüssigkeiten aus galvanischen Betrieben, aus Kokereien und Gas- werken, Farben und Lacke und diverse andere Chemikalien. - Altablagerungen sind Altlasten, wenn sie gesundheits- oder umweltgefährdende Stoffe enthalten. Dazu gehören Hausmülldepo- nien, aber auch Deponien mit Industrie- und Gewerbeabfällen. Teilweise wurden Reststoffe früher auf den Betriebsflächen gelagert. Außerdem wurden derartige Abfälle gerne genutzt, um Unebenheiten im Gelände auszugleichen,917 z.B. um Siepen zu verfüllen oder feuchte Flä- chen trockenzulegen, um auf diese Weise Bauland zu schaffen oder Stra- ßen anzulegen. Zudem wurde Müll auch in Bergehalden mit verkippt. So bedeutet die Ein- stellung des Steinkohlenbergbaus nicht unbedingt das Ende der Halden- beschickung. Vielmehr erklärte der SVR-Beigeordnete Petsch in den 1970er Jahren, dass bei einer Zechenstilllegung die "Gestaltung und Pro- filierung" der zugehörigen Halde weitergeführt wird, "wenn sichergestellt ist, daß die restliche Aufhaldung evtl. durch die Lagerung von Müll eine Ergänzung erfährt". 918 So etwas geschah auch im Rahmen der Internationalen Bauausstellung Emscher Park und ist ebenfalls für ein Haldenkunstwerk in der Europäi- schen Kulturhauptstadt 2010 geplant.919 Insgesamt kommen in einer mittleren Großstadt im Ruhrgebiet über 500 Altlasten-Verdachtsflächen vor, deren Kontamination das gesamte Spek- trum von harmlos bis zu außerordentlich problematisch umfasst, aber in vielen Fällen noch gar nicht genau untersucht werden konnte. In Nordrhein-Westfalen sind bis zum Jahr 2006 insgesamt fast 56.000 Altlasten-Verdachtsflächen erfasst. Hinzu kamen bis 2004 fast 60.000 Altstandorte und Altablagerungen mit bisher noch unbekannten Inhalts- stoffen. Mitte der 1990er Jahre entfielen 30 Prozent aller damals erfassten Altlasten-Verdachtsflächen auf das Ruhrgebiet, und einer Schätzung zu- 916 Berücksichtigung von Flächen mit Bodenbelastungen, insbesondere Altlasten, bei der Bauleitplanung und im Baugenehmigungsverfahren (Altlastenerlass). Gem. RdErl. d. Ministeriums für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport u.d. Ministeriums für Um- welt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz v. 14.03.2005, MBl. NRW. 2005 S.582 917 Hirt, Fritz-Hellmut (1966): Die regionalen Grünzüge im Verdichtungskern des Ruhrge- biets und ihre Verwirklichung, in: Allgemeine Vermessungs-Nachrichten 73.Jg. (1966), Heft 9, S.348-354, hier: S.351: "Die Höhenunterschiede haben dazu Anreiz gegeben, Material abzulagern. So findet man Anschüttungen von Industrierückständen, Müllkippen, auf denen unter Leitung der Kommunen eine geordnete Deponie be- trieben wird, und wilde Kippstellen aller Art. " 918 Petsch (1974), S.202 919 Steinkohle. Abfall als Kunst, in: Der Spiegel, Heft 19/2008, S.20; genauere Angaben folgen weiter unten im Punkt 8.3.3. 8. Begrünungsaktion Ruhrgebiet und Emscher Landschaftspark 269 folge steht im Ruhrgebiet eine Fläche von 100 qkm unter Altlastenver- dacht.920 8.2. Begrünungsaktionen und der Wiederaufbau von Landschaft Die Bemühungen, diese verbrauchte Landschaft wiederzubeleben, be- gannen bereits Ende des 19. Jahrhunderts mit z.T. beachtlichem Erfolg bei der Bepflanzung von Halden. So berichtet Knabe über die Halde Zollverein 1/2, dass sie spätestens im Jahr 1895, wahrscheinlich aber schon einige Jahre früher mit den ersten Robinien bepflanzt und dass die Bepflanzung bis in die 1920er Jahre fortgesetzt worden ist.921 Weitere, vergleichbar alte Beispiele sind allerdings nicht überliefert, möglicherweise weil sie zwischenzeitlich abgehaldet worden sind. Insofern weist SVR- Landforstmeister Mellinghoff zu Recht daraufhin, dass "die Begrünung von Bergehalden im Ruhrgebiet ... nicht erst 1951 'erfunden' wor- den" 922 ist, als nämlich die Landesregierung ein entsprechendes Förderprogramm eingeführt hat. Immerhin wird die Begrünung des Ruhrgebietes seit der Mitte des 20. Jahrhunderts in wachsendem Umfang und mit zunehmender Professionalität fortgesetzt. Diese Revitalisierung von Brachen hat bisher vier, sich überschneidende Phasen durchlaufen: - die Bepflanzung von Bahndämmen seit den 1920er Jahren, - die Haldenbegrünung und die Begrünungsaktion Ruhrkohlenbezirk von 1951 bis in die 1980er Jahre, - die Verknüpfung von Begrünung und Grunderwerb seit dem Ende der 1960er Jahre und - der Wiederaufbau von Landschaft durch die IBA Emscher Park seit 1989 und daran anschließende Maßnahmen zur Umgestaltung von Brachflächen. 920 MUNLV - Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucher- schutz des Landes Nordrhein-Westfalen (Hg.) (2004): Altlastensanierung in Nord- rhein-Westfalen, Düsseldorf, S.15 f; Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfa- len (LANUV) (2006): Stand der Erfassung der Altlast-Verdachtsflächen in Nordrhein- Westfalen vom 31.01.2006, (15.8.08); Haglauer-Ruppel, Beatrix, und Ernst-Werner Hoffmann (2005): Altlastensanierung im Ruhrgebiet - ihre Bedeutung für den Grundwasserschutz und den strukturellen Wan- del einer Industrieregion, (15.8.08) 921 Knabe, W. (1968): Gliederungsmöglichkeiten und Beschreibung der Bergehalden, in: Knabe, W., K.Mellinghoff, F.Meyer und R.Schmidt-Lorenz (1968): Haldenbegrünung im Ruhrgebiet. Schriftenreihe Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk Nr.22, Essen, S.18- 33, hier: S.26; Meyer, F. (1968): Vegetationskundliche Aufnahmen, in: Knabe, Mellinghoff, Meyer und Schmidt-Lorenz (1968), S.76-97, hier: S.84; Blaurock und Wipf (1990), S.541, vermuten, "daß die gepflanzten Robinien haupt- sächlich zur Sicherung der steilen Böschungen gedacht waren." 922 Mellinghoff, K. (1968): Bisherige Erfahrungen, in: Knabe, Mellinghoff, Meyer und Schmidt-Lorenz (1968), S.10-17, hier: S.10 8. Begrünungsaktion Ruhrgebiet und Emscher Landschaftspark 270 8.2.1. Bepflanzung von Bahndämmen Das Interesse des SVR, Halden zu begrünen, stieß bei den Bergbauun- ternehmen in den 1920er Jahren auf Ablehnung, wie im Verwaltungsbericht für 1927 berichtet wird: "Die vom Verbande angestrebte Bepflanzung der Bergehalden hat bisher leider keine Erfolge gezeitigt, scheint auch im übrigen wenig aussichtsvoll zu sein, da fast sämtliche Zechenverwaltungen erklären, daß sie die Halden als Bergesversatz demnächst benötigten, zudem auch nur wenige ältere, bereits verwitterte Halden für eine Anpflanzung in Frage kommen." 923 Mit mehr Erfolg konnte sich der SVR für die Begrünung von Bahndämmen einsetzen und dafür auch die Unterstützung der Reichsbahn-Verwaltung gewinnen, "bieten doch noch weite Strecken hochgelegener Bahndämme und Einschnitte einen unschönen Anblick." 924 Für das Jahr 1928 hat der Verband aus seinem Wiederaufforstungsfonds 5.000 Mk. bereitgestellt, während die Reichsbahn-Verwaltung sogar 10.000 Mk. "ausgeworfen" hat. Zur Ermittlung der zu bepflanzenden Strecken hat der Verband an alle Gemeinden ein Rundschreiben versandt, woraufhin 23 Sammelanträge eingingen, mit denen die Kommunen Zuschüsse für die Bepflanzung einer Gesamtfläche von etwa 160 Hektar beantragt haben. Allerdings hatte der Verband vorausgesetzt, dass die Gemeinden die Kosten der Pflanzarbeit, d.h. die Löhne für die Arbeitskräfte übernehmen mussten. Wie der SVR berichtete, haben kleinere Landgemeinden diese Kostenübernahme abgelehnt, während die Großstadtkreise diese Bedingung im allgemeinen angenommen haben. Trotzdem war die Förderung sämtlicher Antragsteller nicht möglich. Deshalb sollten zunächst nur die Bahndämme an den Hauptverkehrsstrecken in den Stadtkreisen Duisburg, Gelsenkirchen-Buer und Mülheim bepflanzt werden. Dabei kam eine insgesamt zu bepflanzende Fläche von 12,70 Hektar zusammen. In Absprache mit der Reichsbahndirektion Essen wurden die angegebenen Eisenbahnstrecken besichtigt und - im Benehmen mit den Stadtgar- tenämtern - entsprechende Bepflanzungspläne aufgestellt. Je nach Eig- nung und in Anlehnung an die Umgebung sollten blühende Ziersträucher, Heckenrosen, Lupinen, Ginster, Weiß- und Rotdorn sowie charakteristi- sche großkronige Bäume angepflanzt werden. Dabei wurde auf die Beto- nung der Brückenköpfe an Hauptverkehrsstraßen besonderer Wert gelegt. Wie bei der Förderung von Aufforstungen wurden die bewilligten Zu- schüsse in Gestalt von Pflanzmaterial geliefert. So haben der Verband rund 62.000 Pflanzen und die Reichsbahnverwaltung weitere Ziersträucher und Hochstämme zur Verfügung gestellt.925 Für das folgende Ge- schäftsjahr wurden - dem Verwaltungsbericht zufolge - Verhandlungen über weitere Strecken aufgenommen, über deren Ergebnisse es allerdings keine Berichte gibt. 923 SVR (1928b): Verwaltungsbericht des Siedlungsverbandes Ruhrkohlenbezirk für 1927, Essen, S.19 924 SVR (1928b), S.19 925 SVR (1928a): Die Tätigkeit des Siedlungsverbandes Ruhrkohlenbezirk in den Jahren 1920-1927, Essen, S.26; SVR (1928b), S.19; SVR (1929): Verwaltungsbericht des Siedlungsverbandes Ruhrkohlenbezirk für das Kalenderjahr 1928, Essen, S.22 f 8. Begrünungsaktion Ruhrgebiet und Emscher Landschaftspark 271 1969 knüpften der SVR und die Deutsche Bundesbahn, Direktion Essen, an diese Maßnahmen an und haben eine neue Verwaltungsvereinbarung abgeschlossen, um "in einer gemeinsamen Aktion besondere Sanierungs-, Gestaltungs- und Begrü- nungsmaßnahmen an den Hauptreisezugstrecken innerhalb des Ruhrgebietes durchzuführen." Das Ziel dieser Aktion war, "das Bild des Ruhrgebietes zu verbessern" und die Wohlfahrtswirkungen der Pflanzungen zu nutzen, wie die "Verbesse- rung des Kleinklimas" oder die "Förderung von Luftturbulenzen und Staubbindung". Im einzelnen war - ganz ähnlich wie vor dem Zweiten Weltkrieg - geplant, "die das Landschaftsbild störende Substanz an den Hauptreisezugstrecken (alte Bauwerke, Zäune, Mauern, Lauben) zu entfernen, nicht ebene Flächen zu planie- ren, Bodensubstrat zu verbessern und geeignete Gehölze zu pflanzen." Hierfür stellten seit 1969 die Bundesbahn, der Verband sowie die Landes- regierung jeweils pro Jahr 200.000 DM, zusammen also 600.000 DM jähr- lich bereit.926 Damit sind bis 1972 auf 75 Hektar entlang der Hauptreisezugstrecken bereits 750.000 Gehölze gesetzt worden. Die Kosten betrugen 995.000 DM. Sieben Stadtbereiche wurden in diese Ak- tion einbezogen. Bis 1974 stieg die bearbeitete Fläche auf 170 Hektar, auf denen für 2,4 Mio. DM insgesamt etwa 1,7 Millionen Bäume und Sträucher gepflanzt wurden. Als Abschlussbilanz nennt der Verband mehr als 3,5 Millionen Gehölze, die bis 1989 gemeinsam mit der Bundesbahn auf rund 500 Kilometer Böschungen an Bahnstrecken gesetzt worden sind.927 8.2.2. Begrünungsaktion Ruhrkohlenbezirk und Haldenbegrünung Während der Neuaufbau der im Zweiten Weltkrieg beschädigten Städte noch und die Freiraumzerstörung zugunsten der Bautätigkeit bereits wieder im Gange war, hat die Landesregierung - auf Grund der Bemühungen des Siedlungsverbandes und der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald - im Jahr 1951 die "Begrünungsaktion Ruhrkohlenbezirk" sowie ein Programm zur Haldenbegrünung ins Leben gerufen und hierfür verlorene Zuschüsse bereitgestellt.928 "Mit der Planung und Lenkung dieser Maßnahmen wurde für die Haldenbegrünung der Landesverband der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald und für die Begrü- nungsaktion Ruhrkohlenbezirk der Siedlungsverband beauftragt. Seit 1957 sind beide Maßnahmen beim Siedlungsverband zusammengefaßt. Der bereits be- währten Praxis des Verbandes folgend, werden die Landeszuschüsse für den An- kauf von Pflanzen und etwa notwendiger Schutzmaterialien, wie z.B. Einzäunun- gen, gezahlt. Die Kosten für die Durchführung, die Pflege und Unterhaltung der Pflanzungen müssen von kommunaler oder privater Seite übernommen werden." 929 926 SVR (1975a), S.53 927 Petsch, Gerhard (1972): Landschaftspflege und Forstwirtschaft, in: SVR (1972): Ruhrgebiet. Pläne. Programme. Projekte, Essen, S.45-48, hier: S.46; SVR (1975a), S.53; Bürklein, Klaus-Dieter (1990): Wie grün ist das Ruhrgebiet?, in: Allgemeine Forst Zeitschrift, 45. Jg. (1990), Nr.22-23, S.532; Von wegen "Monte Schlacko"!, in: KVR (Hg.) (1995), S.25 928 SVR (1958): Bericht über das Geschäftsjahr 1957, Essen, S.26; SVR (1961): Tätigkeitsbericht 1958-1960, Essen, S.80-82; SVR (1966), S.28 929 SVR (1959), S.19 8. Begrünungsaktion Ruhrgebiet und Emscher Landschaftspark 272 Bis in die 1970er Jahre hinein war die Begrünung zwar erfolgreich, aber durch etliche Rückschläge beeinträchtigt. Ursachen waren die unnatürli- chen Bodenverhältnisse, Haldenbrände, die zeitweilig günstige Baukon- junktur, aber auch die Wirtschaftskrise Mitte der 1960er Jahre. Die Begrünungsobjekte waren sehr verschiedenartig: die Trümmerberge der Nachkriegszeit, Schutt- und Müllkippen, Halden von Zechen und Hüt- ten, aber auch Bahndämme, Straßenböschungen, Wasserläufe, verwahr- loste Waldstücke, unrentable Wiesen, verlassenes Grabeland u.a.m.930 Die Anpflanzungen auf diesen Böden wollten nicht gedeihen und erforderten einen besonderen Aufwand bei der Pflege: "Bei den Begrünungsobjekten handelt es sich meist um außergewöhnliche und biologisch ungünstige Standorte. Infolgedessen müssen die Anpflanzungen, die gerade im Ruhrgebiet von hohem sozialhygienischen Wert sind, besonders sorg- fältig geplant, angelegt und laufend kontrolliert werden." 931 Dass am Ende der 1950er Jahre "nur etwa die Hälfte der vorhandenen Halden begrünt werden kann, liegt daran, daß der andere Teil noch beschickt wird oder vor dem Abbau als Grubenversatz steht oder im Innern brennt. Ein gewisser Teil ist auch wegen seiner ungünstigen Form nicht zu begrünen." 932 Anfang der 1960er Jahre zog der SVR-Landforstmeister Mellinghoff eine Zwischenbilanz. Danach waren "seit 1951 ... rd. 205 ha solcher Bergehalden bepflanzt worden ... Rd. 60 bepflanzte Hektar sind durch Abhaldung und Haldenbrand wieder verlorengegangen ... Rd. 85 ha sind geschlossen aufgewaldet, bei rd. 35 ha ist die Aufwaldung nur lückig gelungen, und bei rd. 25 ha ist die Bepflanzung noch zu jung, um sie entsprechend beurteilen zu können." 933 Grund für die Abhaldungen war der rege Tief- und Straßenbau, an den der Bergbau geeignetes Haldenmaterial mit Gewinn verkaufen konnte. "Auch begrünte Halden sind gelegentlich dafür abgebaut worden. Infolgedessen werden jetzt nur noch solche Halden in das Begrünungsprogramm aufgenommen, mit deren Abbau nicht gerechnet zu werden braucht." 934 Zur Verzögerung der weiteren Haldenbegrünung führte schließlich auch die Wirtschaftskrise Mitte der 1960er Jahre: "Im Hinblick auf die unsichere Konjunkturlage waren manche Industrieunternehmen nicht mehr bereit, sich an der Begrünung von Abfallkippen, Ödland und dergleichen zu beteiligen. Diese Tendenz wurde durch die steigenden Kosten für die Ausführungsarbeiten und die Pflanzenbeschaffung sowie für eine sachgemäße Pflege der jungen Anpflanzungen verstärkt." 935 Der Begrünungsprozess litt also nicht nur unter technischen Schwierig- keiten, sondern auch darunter, dass z.B. die Halden nach wie vor im Pri- vateigentum der Bergbauunternehmen standen, deren Umgang mit den Halden natürlich von drohenden Kosten oder eventuellen Erträgen abhän- gig war. Trotzdem konnten in den Geschäfts- und Tätigkeitsberichten immer wieder neue Erfolge bei der Begrünung gefeiert werden: 930 SVR (1959), S.20 und S.34 931 SVR (1965): Tätigkeitsbericht 1961-1964, Essen, S.64 f 932 SVR (1959), S.22 933 Mellinghoff (1968), S.15 f 934 SVR (1966), S.30 935 SVR (1965), S.64 f 8. Begrünungsaktion Ruhrgebiet und Emscher Landschaftspark 273 - bis 1958 waren über 400 Hektar Halden (Berge-, Schlacken-, Aschehalden u.a.) sowie 550 Hektar anderes Ödland o.ä. begrünt worden, - bis 1965 waren es insgesamt 1.289 Hektar, von denen 431 Hektar Haldenflächen waren. Hinzu kamen "landespflegerische Maßnahmen" mit rund "350 ha Neuzugang an unmittelbar wirksamer Grünsubstanz", - bis Anfang der 1970er Jahre war die begrünte Fläche auf 1.600 Hektar gewachsen, von denen 500 Hektar auf Halden entfielen. Zudem waren durch landespflegerische Maßnahmen weitere rund 1.120 Hektar Grünsubstanz neu geschaffen worden.936 8.2.3. Begrünung und Grunderwerb Ende der 1960er Jahre begann der Verband, selbst Grund und Boden zu erwerben. Den Anstoß hierzu gaben die Müllprobleme. Zunächst war in den 1950er Jahren vor allem die fachliche Beratung durch den Verband gefragt, um "Müllkippen ... usw. durch Gehölzpflanzungen abzuschirmen". Zum Teil "wurde diese Beratung durch Planskizzen er- gänzt", vereinzelt hat der Verband sogar "Bepflanzungspläne aufgestellt." Eine Reihe von Maßnahmen wurde im Rahmen der Begrünungsaktion realisiert, für andere hat der Verband bereits in den 1950er Jahren die ersten eigenständigen finanziellen Beihilfen vergeben, um "die Planung im Sinne des Verbandes zu beeinflussen und eine baldige Verwirkli- chung zu erreichen." 937 Bis Mitte der 1960er Jahre waren bereits 128 Hektar Abfallkippen begrünt worden,938 bevor 1968 mit der Zentraldeponie Emscherbruch eine völlig neue Phase der Abfallwirtschaft und der Deponiebegrünung einsetzte. Seitdem gilt eine Mülldeponie nur noch als "Zwischennutzung" im Rahmen einer längerfristigen Landschaftsplanung.939 Insofern war auch die Zentral- deponie keine einfache Müllkippe mehr, sondern der "Modellversuch einer Landschaftsveränderung im industriellen Verdichtungsraum des Ruhrgebietes durch planmäßige Landschaftspflege und -gestaltung", so der Untertitel eines Zwischenberichtes über dieses Vorhaben. Immerhin ist die damals geplante Ausstattung mit Sport- und Spielgeräten aus heu- tiger Sicht sehr beeindruckend. Seit dem Kauf des rund 260 Hektar großen Emscherbruches für rund 20 Mio. DM und dem erfolgreichen Verlauf des Modellvorhabens Em- scherbruch hat der SVR weitere Deponieflächen erworben und begrünt.940 Hinzu kam der Kauf von Bergehalden, nachdem die nordrhein-westfälische Landesregierung, die 1981 die Förderung der Begrünungsaktion eingestellt hatte, ein Förderprogramm für den Haldenaufkauf beschlossen hatte. Bereits in den 1980er Jahren 936 SVR (1959), S.19 und S.22; SVR (1961), S.80-82; SVR (1966), S.28; Petsch (1972), S.45-48 937 SVR (1959), S.26, S.36; vgl. SVR (1961), S.81; SVR (1970c), S.28 938 SVR (1966), S.28 939 Neufang, Heinz (1975): Vorwort, in: SVR (1975b): Der Emscherbruch. Modellversuch einer Landschaftsveränderung im industriellen Verdichtungsraum des Ruhrgebietes durch planmäßige Landschaftspflege und -gestaltung, Essen, S.7 940 SVR (1975a), S.29, S.51 8. Begrünungsaktion Ruhrgebiet und Emscher Landschaftspark 274 "wurden 13 Halden mit einer Gesamtgröße von ca. 170 ha erworben und mit einem Kostenaufwand von 2,2 Mio DM hergerichtet." 941 Die Gesamtbilanz für die Zeit von 1951 bis 1989, als die Begrünungsakti- onen ausliefen und die Internationale Bauausstellung Emscher Park star- tete, wird von Blaurock und Wipf kurz, aber eindrucksvoll zusammenge- fasst: "In 2583 Einzelmaßnahmen sind 3247 ha Halden- und Ödflächen für 13 Mio DM mit 34,5 Mio Stück Pflanzen aufgeforstet worden." 942 8.2.4. Renaturierung des Emschersystems Mit dem Dellwiger Bach in Dortmund-Lütgendortmund begann Anfang der 1980er Jahre der ökologische Umbau des Emschersystems. Vorausset- zung hierfür war die Aufgabe des Bergbaus im Einzugsbereich der Em- scher, wodurch allmählich 'der Berg zur Ruhe kommt' und die Bergsen- kungen abklingen. Jetzt wurde es möglich, die Abwasserfracht in eine un- terirdische Kanalisation zu verbannen, deren Rohre nicht mehr durch Brü- che bedroht sind, und oberirdisch nur noch Quell- und Niederschlagswas- ser fließen zu lassen. Hierfür werden oberirdisch die Betonsohlen der bis- herigen Abwasserkanäle beseitigt, belastetes Bodenmaterial wird ausge- hoben und deponiert, und die neuen Fließgewässer erhalten ein ge- schwungen verlaufendes Gewässerbett mit - soweit es die örtlichen Ver- hältnisse zulassen - einem verbreiterten, allgemein zugänglichen Ufer- randstreifen, der einen neuen Freiraum darstellt. Über den parallel ver- laufenden unterirdischen Kanalisationsrohren liegt im allgemeinen ein Rad- und Wanderweg. Wie gesagt, begann dieser Prozess Anfang der 1980er Jahre und bekam durch die Unterstützung von seiten der Internationalen Bauausstellung EmscherPark einen zusätzlichen Impuls.943 Diese sicherlich noch mehrere Jahre dauernde Verwandlung des Emschersystems aus einem lebens- feindlichen und gefährlichen Abwassernetz in naturähnliche Gewässer- läufe, an denen Kinder wieder spielen können, wird für die Emscherzone die wichtigste ökologische Verbesserung seit mehr als hundert Jahren sein. 8.2.5. Wiederaufbau von Landschaft durch die Internationale Bauausstellung Emscher Park Während die Begrünung bisher "der Heilung von Schäden in der Landschaft gewidmet",944 also nachsorgend war, ging die Internationale Bauausstellung Emscher Park (IBA) bei ihrem Start 1989 in die Offensive. Die landeseigene IBA- Planungsgesellschaft unter ihrem Geschäftsführer Karl Ganser versprach den "Wiederaufbau von Landschaft".945 941 Jolk (1990), S.558 942 Blaurock und Wipf (1990), S.541 943 Fachgebiet Städtebau (Hg.) (2008), S.54-73; Emschergenossenschaft (2006): Masterplan Emscher-Zukunft. Das Neue Emschertal, Essen 944 SVR (1966), S.40 8. Begrünungsaktion Ruhrgebiet und Emscher Landschaftspark 275 Im ökonomisch und ökologisch am stärksten belasteten nördlichen Teil des Ruhrgebietes hatte die IBA die Aufgabe, "konzeptionell, praktisch, politisch, finanziell und organisatorisch dem ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Umbau ... zukunftsweisende Impulse" 946 zu geben. Ihr Projektgebiet, der Emscherraum, lag zwischen dem Rhein im Westen und der Autobahn A1 im Osten, zwischen den Autobahnen A40 im Süden und A2 im Norden. Nachdem die IBA auf Beschluss der nordrhein- westfälischen Landesregierung im Jahr 1989 gestartet war, konnte sie zehn Jahre später, im Jahr 1999 die Abschlusspräsentation ihrer Projekte feiern. Ihr Leitprojekt Nr.1 war der EmscherLandschaftspark.947 Dieser Park sollte sich über die gesamte Region erstrecken. Er sollte zunächst die noch vor- handenen (im wesentlichen Verbands-) Grünflächen umfassen, die zumeist zwischen den Städten liegen und sieben "regionale Grünzüge" in Nord- Süd-Ausrichtung bilden. Sie nehmen eine Fläche von 320 qkm ein, das sind 40 Prozent des IBA-Gebietes. Darüber hinaus sollte ein neuer Ost- West-Grünzug entlang der Emscher und des Rhein-Herne-Kanals entwickelt werden und die bisherigen Grünzüge miteinander verbinden. Für jeden regionalen Nord-Süd-Grünzüg wurde eine "interkommunale Ar- beitsgemenschaft" eingerichtet, in der VertreterInnen der beteiligten Städte, des KVR, der IBA-Planungsgesellschaft und ein Planungsbüro zusammengearbeitet haben, um ein Konzept und konkrete Projekte zu entwickeln. Das Ergebnis waren rund fünfzig neue oder neu gestaltete Parks, die die IBA 1999 vorstellen konnte. Bei diesem "Wiederaufbau von Landschaft" haben sich unterschiedliche "Parktypen" herauskristallisiert: - industriell geprägte Landschaftsparks, - "wilder" Industriewald/Bracheparks, - Halden/Deponien/Landmarken, - Stadtparks in der Industrielandschaft, - Parks der vorindustriellen Kulturlandschaft.948 Doch anstelle der versprochenen Trendumkehr - "Der Freiraum wird nicht mehr nur gegen Inanspruchnahme durch Bebauung ver- teidigt, sondern spürbar vermehrt" 949 - zeigten sich eher zwiespältige Ergebnisse. 945 MSWV - Minister für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr des Landes Nordrhein Westfalen (Hg.) (1989): Internationale Bauausstellung Emscher-Park. Werkstatt für die Zukunft alter Industriegebiete. Memorandum zu Inhalt und Organisation, Düssel- dorf, S.35 ff 946 MSWV (Hg.) (1989), S.7 947 Die weiteren sechs Leitprojekte waren die ökologische Verbesserung des Emscher- Systems, der Rhein-Herne-Kanal als Erlebnisraum, Industriedenkmäler als Kulturträ- ger, Arbeiten im Park, neue Wohnformen und Wohnungen sowie neue Angebote für soziale, kulturelle und sportliche Tätigkeiten. 948 Internationale Bauausstellung Emscher Park (IBA) (Hg.) (1999a): Katalog der Pro- jekte, Gelsenkirchen, S.23ff; auf S.26 unterscheidet die IBA bei den Stadtparks noch zwischen Parks im Zusam- menhang mit Wohnungsbauprojekten, Parks im Zusammenhang mit Wohnungs- bau/Stadtteilentwicklung und Arbeiten-im-Park-Projekten. 949 MSWV (Hg.) (1989), S.36 8. Begrünungsaktion Ruhrgebiet und Emscher Landschaftspark 276 a. Industriell geprägte Landschaftsparks Besonders spektakulär waren und sind die großflächigen "industriell ge- prägten Landschaftsparks" auf Zechen- oder Industriebrachen, wie der Landschaftspark Duisburg-Nord, der Stadtpark West rund um die Jahr- hunderthalle in Bochum sowie die aus den Gartenschauen hervorgegan- genen Anlagen in Oberhausen, Gelsenkirchen und Lünen, die im "Katalog der Projekte" und in dem Katalog "Die Projekte 10 Jahre danach" be- schrieben sind.950 (Tabelle 8.3.) Tabelle 8.3. Industriell geprägte Landschaftsparks im Emscher Landschaftspark Parkname Grünzug Standort Träger Landschaftspark Duisburg-Nord A Duisburg Stadt Garten Osterfeld - OLGA '99 B Oberhausen Stadt Volksgolfplatz Jacobi B Oberhausen / Bottrop RVR Nordsternpark C Gelsenkirchen Stadt Stadtpark West D Bochum Stadt Stadtteilpark Recklinghausen II D Recklinghausen RVR Schleusenpark Waltrop F Waltrop RVR Seepark Lünen G Lünen Stadt Quelle: IBA (Hg.) (1999a), S.26, sowie Projektnummern 6, 13, 4, 9, 24, 53, 87, 11 Bei dem Landschaftspark Duisburg-Nord handelt es sich um das frühere Thyssen-Hochofenwerk Duisburg-Meiderich, das 1985 stillgelegt worden ist, sowie um die 1959 stillgelegte Zeche Friedrich Thyssen 4/8, zu der auch eine Kokerei gehörte, die 1980 abgerissen worden ist. Das Gelände war zu IBA-Zeiten über 200 Hektar groß und erhielt eine Vielzahl neuer Nutzungen: Ein Hochofen ist begehbar und dient als Aussichtspunkt, die Betonmauern der Erzbunker werden als Klettergarten genutzt, der Gaso- meter wurde mit Wasser gefüllt und ist jetzt ein Taucherparadies. In ver- schiedenen Hallen finden Theater-, Opern- und Filmvorführungen statt, das Hauptschalthaus wurde zu einem Cafe umgebaut, das frühere Ver- waltungsgebäude ist jetzt ein Jugend- und Ausbildungshotel. Die Freiflä- chen wurden zum Teil bepflanzt, zum Teil aber auch der Sukzession überlassen.951 Nicht ganz so vielfältig und groß sind die anderen Projekte. In allen diesen Parks blieben in unterschiedlichem Umfang ehemalige Betriebsgebäude und industrielle Anlagen bestehen, die teilweise als Ruinen weiter verfallen, teilweise aber auch modernisiert wurden, damit sie z.B. als Büro-, Gastronomie- oder Veranstaltungsräume wieder genutzt werden können. In ebenfalls unterschiedlichem Umfang wurden die Freiflächen gärtnerisch gestaltet, während Sukzessionsflächen hier eher selten sind. 950 IBA (Hg.) (1999a), S.26; Fachgebiet Städtebau, Stadtgestaltung und Bauleitplanung, Fakultät Raumplanung, TU Dortmund (Hg.) (2008): Internationale Bauausstellung Emscher Park. Die Projekte 10 Jahre danach, Essen 951 Fachgebiet Städtebau (Hg.) (2008), S.32-43; IBA (Hg.) (1999a), S.40-45; kritisch: Häpke, Ulrich (1993): IBA-Landschaftsplanung - Ästhetik der Zerstörung oder Pflege der Ressourcen?, in: Müller, Sebastian, und Klaus M. Schmals (Hg.) (1993): Die Moderne im Park? Ein Streitbuch zur Internationalen Bauausstellung im Emscher- raum, Dortmund, S.246-254; Müller, Sebastian (1993): Parks im Westen, ein Modell der "Ökologischen Regula- tion"?, in: Müller und Schmals (Hg.) (1993), S.255-278 8. Begrünungsaktion Ruhrgebiet und Emscher Landschaftspark 277 Ein besonderer Fall ist der Schleusenpark Waltrop, in dem die stillgelegten Schiffshebewerke am Dortmund-Ems-Kanal,952 die als mächtige Industrie- denkmäler jetzt zu den Westfälischen Industriemuseen gehören, die neue Schleuse und die dazugehörigen Außengelände liegen. Damit durchaus vergleichbar sind einige der anderen rheinischen und westfälischen In- dustriemuseen, z.B. die Zeche Hannibal in Bochum, die inzwischen auch als industriell geprägte Landschaftsparks bezeichnet werden könnten. b. Wilde Industriewälder oder Bracheparks An mehreren Standorten bildet der "wilde Industriewald", der heranwächst, wenn eine Industriefläche in Ruhe der Sukzession überlassen wird, den neuen Typ des "Bracheparks".953 Das Problem des Industriewaldes liegt darin, dass er bisher nur selten entstehen konnte. Sobald der Aufwuchs so hoch und so dicht ist, dass er im forstrechtlichen Sinne als Wald bezeichnet werden kann, steht er unter dem Schutz des Landesforstgesetzes. Wenn der Eigentümer eine derart bewachsene Industriebrache wieder als Gewerbefläche oder anders bau- lich nutzen will, braucht er eine Genehmigung zur Waldumwandlung und muss eine mindestens gleich große Fläche wieder aufforsten. Infolgedes- sen wird die Entstehung von Wald von vielen Eigentümern frühzeitig ver- hindert.954 Die vier IBA-Projektflächen bilden insofern eine Ausnahme, da sie nicht mehr im Besitz von Bergbau- oder Industrieunternehmen stehen, sondern dem Regionalverband oder dem landeseigenen Grundstücksfonds gehö- ren. Dies gilt für die Industriewaldflächen auf den ehemaligen Zechenge- länden Rheinelbe und Alma in Gelsenkirchen, für eine Halde der Zeche Zollverein XII und den früheren Sammelbahnhof Essen-Frintrop.955 Für die IBA EmscherPark ist der Industriewald besonders aus Kosten- gründen interessant. Eigentlich wollte die IBA den Freiraum im Ruhrgebiet deutlich vermehren, wofür in den umfangreichen Brachflächen auch ein geeignetes Potenzial vorhanden war bzw. weiterhin ist. Allerdings sind eine umfangreiche "Umgestaltung zu Parkanlagen und die damit verbundenen Ansprüche an Pflege und Verantwortlichkeit nur schwer finanzierbar. Im Wald wird dagegen nur ein geringeres Niveau an Ausbau und Sicherheit benötigt",956 weshalb wilde Industriewälder verhältnismäßig kostengünstig zu unterhal- ten sind. 952 Niewerth, Herbert (1999): Das Westfälische Industriemuseum "Altes Schiffshebewerk Henrichenburg", in: Ellerbrock, Karl-Peter (Hg.) (1999): Dortmunds Tor zur Welt. Ein- hundert Jahre Dortmunder Hafen, Essen, S.206-220; Häpke, Ulrich, und Manfred Walz (1999): Dortmund am Meer - Der Hafen als Impuls für Stadt und Region, in: Ellerbrock (Hg.) (1999), S.159-172 953 ausführlich hierzu: Günter; Roland, Janne Günter und Peter Liedtke (2007): Industrie- Wald und Landschafts-Kunst im Ruhrgebiet, Essen 954 Marmulla, Helmut (1993): Die Bedeutung des Waldes für Menschen im Ruhrgebiet, in: KVR (Hg.) (1993): Wald im Ballungsraum, Essen, S.36-39, hier: S.38; Priggen, Reiner (2004), in: Landtag Nordrhein-Westfalen. Plenarprotokoll 13/140 vom 15.12.2004, S.13606; Günter, Günter und Liedtke (2007), S.406 955 IBA (Hg.) (1999a), S.26 sowie Projektnummer 8 956 Fachgebiet Städtebau (Hg.) (2008), S.38 8. Begrünungsaktion Ruhrgebiet und Emscher Landschaftspark 278 Tabelle 8.4. Projekt Industriewald Ruhrgebiet Parkname Standort Fläche (ha) Constantin 10 Bochum / Herne 8,00 Viktor 3/4 Castrop-Rauxel 15,34 Emscher-Lippe 3/4 Datteln 12,79 Kokerei Hansa Dortmund 1,25 Hafen Minister Achenbach Dortmund 5,00 Zollverein Schacht I, II, VII, XII und Kokerei Essen 32,00 Matthias Stinnes Essen 3,00 Zeche Rheinelbe Gelsenkirchen 36,46 Zeche Alma Gelsenkirchen 25,23 Zeche Graf Bismarck Gelsenkirchen 21,03 Zeche Graf Bismarck 1/4, Halde Üchtingstraße Gelsenkirchen 13,60 Chemische Schalke Gelsenkirchen 2,80 Ewald-Fortsetzung Oer-Erkenschwick 24,50 König Ludwig 1/2 Recklinghausen 4,89 Südlich König Ludwig 1/2 Recklinghausen 10,30 General Blumenthal 11 Recklinghausen 8,90 Zeche Waltrop Waltrop 18,55 Summe (ha) 243,64 Quelle: http://www.wald-und- holz.nrw.de/55Wald_und_Mensch/Industriewald/3Flaechen/index.php (22.6.09) Um auf weiteren Flächen, auch ohne sie zu erwerben, die Wiederbewal- dung zu ermöglichen und den regelmäßigen Kahlschlag zu vermeiden, hat die Landesregierung vertragliche Vereinbarungen mit den betreffenden Eigentümern angestrebt. Darüber hinaus wurden Änderungen im Lan- desforstgesetz und im Landschaftsgesetz vorgenommen. In das Land- schaftsgesetz wurde die "Natur auf Zeit" eingeführt, die ohne naturschutz- rechtliche Kompensation und ohne Genehmigung zur Waldumwandlung abgeräumt werden darf, damit eine Industrie- oder Gewerbebrache wieder industriell oder gewerblich genutzt werden kann. Auf dieser Grundlage beteiligt sich seit Januar 2007 die Deutsche Steinkohle an dem Industrie- wald-Projekt.957 Inzwischen gehören 17 Parzellen mit einer Flächengröße von knapp 244 Hektar zum Industriewald-Projekt und werden durch das Regionalforstamt Recklinghausen betreut.958 (Tabelle 8.4.) c. Halden, Deponien, Landmarken Im IBA-Projektkatalog finden sich 15 Projekte, durch die 14 Halden und 2 Mülldeponien umgestaltet wurden. (Tabelle 8.5.) Zum Teil handelt es sich um Halden, wie die Halde Graf Schwerin in Castrop-Rauxel oder die Halde Großes Holz in Bergkamen, die nach erfolgreichen Aufforstungen und anderweitigen Begrünungen bereits seit längerem für die Öffentlichkeit zugänglich waren und im Rahmen der IBA neu gestaltet wurden. Zum Teil 957 Gesetz zur Änderung des Landschaftsgesetzes. Vom 3. Mai 2005, GV. NRW 2005, S.522-533, hier: Artikel I Nr.6 c (= § 4 Abs.3 Nr.7 LG NRW); Gesetz zur Änderung des Landschaftsgesetzes. Vom 3. Mai 2005, GV. NRW 2005, S.522-533, hier: Artikel II Änderung des Landesforstgesetzes (= § 43 Abs.1 LFoG); Gesetz zur Änderung des Landschaftsgesetzes sowie sonstiger Vorschriften. Vom 19. Juni 2007, GV. NRW 2007, S.226, hier: Artikel I Nr.4 (= § 4 Abs.3 Nr.3 LG), S.227; MUNLV (2007c): Industriewald Ruhrgebiet - Umweltministerium und Deutsche Stein- kohle AG schließen Vereinbarung zu Brachflächen, Pressemitteilung vom 17.01.2007, Düsseldorf 958 (13.11.08) 8. Begrünungsaktion Ruhrgebiet und Emscher Landschaftspark 279 geht es um Halden, die nach der Umgestaltung erstmalig für die Bevölke- rung geöffnet wurden. Tabelle 8.5. Halden, Deponien und Landmarken im Emscher Landschaftspark Name Grünzug Standort Träger Aussichtsberg Alsum A Duisburg Stadt Halde Hagenshof A Duisburg Stadt Stadtpark Rolandhalde B Oberhausen Stadt Mottbruch-Halde/Halde im Wandel C Gladbeck RAG/Stadt Haldenereignis Emscherblick/Tetraeder C Bottrop RVR Halde Zollverein IV/XI C Essen RVR Schurenbachhalde C Essen RAG/RVR Halde Rheinelbe C Gelsenkirchen LEG* Halde Rungenberg (C) Gelsenkirchen RAG/Stadt Halde Hoppenbruch D Herten RAG/RVR Halde Schwerin/Sonnenuhr F Castrop-Rauxel Stadt Halde Brockenscheidt F Waltrop Stadt Park am Technologiezentrum Lünen F Lünen Stadt Seepark Lünen G Lünen Stadt Halde Großes Holz G Bergkamen RAG/RVR * in Kooperation mit dem Forstamt Recklinghausen Quelle: IBA (Hg.) (1999a), S.26 sowie Projektnummern 32, 78, 8, 82, 90, 30, 64, 91, 42, 40, 11 In den meisten Fällen wurde dabei angestrebt, Halden in "Landmarken" umzuwandeln, von denen aus ein weiter Blick ins Ruhrgebiet möglich ist und die selbst aus weiter Entfernung erkennbar sein sollen. Dies erforderte eine auffällige Möblierung der Halden. Beispiele hierfür sind der 60 Meter hohe Stahltetraeder der Ingenieurgemeinschaft Christ und Bollinger auf der Halde Batenbrock in Bottrop, die Sonnenuhr auf Graf Schwerin sowie der Spurwerksturm auf der Halde Brockenscheidt, beide von Jan Bormann aus Castrop-Rauxel, und die rostige Stahlbramme von Richard Serra auf der Schurenbachhalde in Essen. Auf der Halde Hoppenbruch steht eine Windkraftanlage, umgeben von mehreren Stahlmonumenten als Informationsträgern, und die Halde Rheinelbe wurde zu einem Spiralberg umgebaut, zu dessen Gipfel die "Himmelstreppe" führt und auf dessen Spitze ein Monument aus Bruchstücken früherer Industriegebäude steht. Schließlich wurde die Halde Rungenberg zu einer Doppelpyramide aufge- schüttet, von deren Gipfeln aus zwei Spiegelscheinwerfer eine nächtliche Spitze aus Lichtstrahlen bilden. Im Unterschied hierzu sind andere Halden, wie die Halde Hagenshof und die frühere Mülldeponie Alsum, die bereits in den 1970er Jahren rekultiviert wurde, zu Grünanlagen für die benachbarten Wohngebiete ausgebaut und mit Sitzplätzen sowie Spielbereichen ausgestattet worden.959 Auf der Rolandhalde wurde sogar eine so genannte ökologische Kleingartenanlage eingerichtet.960 Auf der Halde Großes Holz sind Grillplätze angelegt worden, und die Halde Zollverein gehört zum Industriewald-Projekt. 959 Arbeitsgemeinschaft Regionaler Grünzug A (Hg.) (1994/95): Emscher Landschafts- park Regionaler Grünzug A. Dokumentation, Essen, insb. S.23 und S.27 960 Interkommunale Arbeitsgemeinschaft Regionaler Grünzug B (Hg.) (1995): Emscher Landschaftspark Regionaler Grünzug B. Dokumentation, Essen, S.21; Piementas, Peter (1997): Stadtteilpark Rolandhalde, in: Albertz, Peter, Brigitte Karhoff, Sebastian Müller und Volker Wilke (Hg.) (1997): ... zum stand der dinge ... Strukturwandel im Ruhrgebiet, Dortmund, S.118-120 8. Begrünungsaktion Ruhrgebiet und Emscher Landschaftspark 280 Unterstützt durch das Haldenkauf-Programm der Landesregierung hat der Verband bis 1995 bereits 19 Halden bzw. 24 Halden bis 1999 erworben.961 Alles in allem ist der Regionalverband im Jahre 2007 Eigentümer von 31 begrünten und gestalteten Halden, während weitere 35 Halden noch im Eigentum des Bergbaus, der Eisen- und Stahlindustrie sowie der Landes- entwicklungsgesellschaft stehen und auf ihre Erneuerung warten, z.B. für die Kulturhauptstadt 2010. Tabelle 8.6. Stadt- und Stadtteilparks in der Industrielandschaft im Emscher Landschaftspark Name Grünzug Standort Träger Stadtpark Roland B Oberhausen RVR/Stadt Kanaluferpark C Essen RVR Kanaluferpark Bismarck D Gelsenkirchen RVR Kunstwald Teutoburgia E Herne RVR Stadtrandpark Bodelschwingh F Dortmund Stadt Stadtteilpark Scharnhorst G Dortmund Stadt City-Park (G) Bergkamen Stadt Stadtteilpark Recklinghausen II D Recklinghausen RVR Gesundheitspark Quellenbusch B Bottrop Stadt Stadtpark Prosper III (B) Bottrop Stadt Park am Küppersbusch-Gelände (C) Gelsenkirchen Stadt Gartenstadt Seseke-Aue G Kamen Stadt Quelle: IBA (Hg.) (1999a), S.26 sowie Projektnummern 5 (Teutoburgia), 43, 53, 44, 59, 63, 67 d. Stadtparks in der Industrielandschaft Dabei handelt es sich um kleinere Parkanlagen mit einer Fläche von weni- ger als 25 Hektar. die teils eigenständig, teilweise im Zusammenhang mit anderen IBA-Projekten (Arbeiten im Park, Wohnungsbau, Stadtteilent- wicklung) entstanden sind. Eigenständigen Charakter haben die ersten sechs Anlagen in der Tabelle 8.6., während die daran anschließenden sechs Anlagen in Stadtteil- und Wohnungsbauprojekten liegen. Beim Kunstwald Teutoburgia handelt es sich um das Gelände der ehema- ligen Zeche Teutoburgia, das bepflanzt und mit Kunstinstallationen möbliert wurde, darunter verschiedene Orte, an denen Klänge und Geräusche ertönen. Bei den anderen Anlagen handelt es sich eher um 'klassische' Stadtparks und Stadtteilparks mit Spazierwegen, Ruhebänken und verein- zelten Spielgeräten für Kinder. e. Arbeiten im Park Insgesamt sind im Rahmen der IBA zwanzig Arbeiten-im-Park-Projekte geplant worden. Dabei handelt es sich um Gewerbegebiete auf ehemaligen Brachflächen mit einem hohen Freiraumanteil.962 In den folgenden zwölf Fällen sind die Freiräume innerhalb der Gewerbegebiete besonders groß oder besonders attraktiv gestaltet, dass sie nach Einschätzung der IBA die Qualität von Stadtparks haben. (Tabelle 8.7.) 961 Von wegen "Monte Schlacko"! (1995), S.24 f; KVR (2001): KVR-Jahresbericht 2000, Essen, S.59; RVR (Hg.) (2007): Haldenstandorte im Ruhrgebiet (2.1.09) 962 Walz, Manfred (1993): Schöne Neue Arbeitswelt, in: Müller und Schmals (Hg.) (1993), S.96-113 8. Begrünungsaktion Ruhrgebiet und Emscher Landschaftspark 281 Tabelle 8.7. Stadtparks in Arbeiten-im-Park-Projekten Name Grünzug Standort Träger Altstadtpark im Innenhafen (A) Duisburg Stadt Park im Technologiezentrum Umweltschutz B Oberhausen Stadt Gewerbe- und Wohnpark Holland (C) Bochum LEG Park am Innovationszentrum Wiesenbusch (C) Gladbeck Stadt Wissenschaftspark Rheinelbe C Gelsenkirchen LEG/Stadt Park im Stadtteilzentrum Sodingen E Herne Stadt Park am Innovationszentrum Herne E Herne Stadt Landschaftspark Erin E Castrop-Rauxel LEG/Stadt Gewerbepark Brockenscheidt F Waltrop LEG Park am Technologiezentrum Lüntec F Lünen Stadt Neue Evinger Mitte (F) Dortmund Stadt Wohn- und Gewerbepark Monopol G Kamen Stadt Quelle: IBA (Hg.) (1999a), S.26 sowie Projektnummern 28, 41, 23, 33, 30, 35, 37, 26, 42, 40, 27, 39 f. Parks der vorindustriellen Kulturlandschaft Zu den Parks der vorindustriellen Kulturlandschaft zählt die IBA unter an- derem das Gelände rund um den Mechtenberg, dem einzigen natürlichen Hügel im Emschertal, das landwirtschaftlich genutzt wird und Objekt meh- rerer Land-Art-Aktionen war. Ein neues Land-Art-Projekt ist für 2009 und 2010 in Arbeit. Auch die geplanten Stadtteilparks in Scharnhorst und Bo- delschwingh umfassen landwirtschaftliche Flächen, während die anderen Anlagen den Charakter von aufgelockerten Parkwäldern haben. In ihrem Erscheinungsbild knüpfen diese Anlagen durchaus an die vorindustriellen Hudewälder an, die in früheren Zeiten von den Markgenossenschaften als gemeinschaftliche Waldweide für ihre Schweine und Rinder genutzt wur- den. Allerdings haben sich diese aufgelockerten Parkwälder als gestalterisches Leitbild erst seit der Industrialisierung durchgesetzt, seitdem nämlich die Waldweide den Markenteilungen zum Opfer gefallen war. Insofern sind diese Parklandschaften Produkte des Industriezeitalters. Dies gilt erst recht für die agrarische Nutzung, die so, wie sie rund um den Mechtenberg, in Bodelschwingh und in Scharnhorst ausgeübt wird, ganz und gar nicht vorindustriell ist. Tabelle 8.8. Parks der vorindustriellen Kulturlandschaft Name Grünzug Standort Träger Gehölzgarten Ripshorst B Oberhausen RVR Gesundheitspark Quellenbusch B Bottrop Stadt Waldband Welheim C Bottrop RVR Landschaft Mechtenberg C Essen/Gelsenkirchen/Bochum RVR Landschaft Bladenhorst E Castrop-Rauxel / Herne RVR Stadtteilpark Scharnhorst G Dortmund Stadt Stadtrandpark Bodelschwingh F Dortmund Stadt Quelle: IBA (Hg.) (1999a), S.26 sowie Projektnummern 12, 44, 3, 5 Immerhin handelt es sich in diesen sieben Fällen um Parkanlagen, die nicht auf industriellen Brachflächen entstanden sind, sondern auf Flächen, 8. Begrünungsaktion Ruhrgebiet und Emscher Landschaftspark 282 die seit Generationen land- oder forstwirtschaftlich genutzt werden. (Ta- belle 8.8.) 8.2.6. Masterplan Emscher Landschaftspark 2010 statt Nationalpark der Industriekultur Am Ende der IBA-Laufzeit wurde intensiv darüber diskutiert, ob der IBA- Prozess und die von der IBA angestoßenen Entwicklungen fortgesetzt werden sollen und wie dies geschehen könnte. Die IBA selbst schlug vor, einen "Nationalpark der Industriekultur im Ruhr- gebiet" ins Leben zu rufen. Darin sollten Industriekultur und Industrienatur als "untrennbare Einheit" verstanden und im Sinne der "nachhaltigen Ent- wicklung" kreativ, aber "langsam, reifend" fortentwickelt werden. Dieser Nationalpark sollte - ähnlich wie in den Überlegungen von 1910 - nicht flächendeckend das gesamte Ruhrgebiet umfassen, sondern "aus einem Netzwerk von Arealen" bestehen. Nach Abschluss der IBA sollte die "Überführung des Emscher Landschaftsparkes in einen leistungsfähigen regionalen Träger" geschehen, der "den landschaftlichen Rahmen für den künftigen Nationalpark" sicherstellen und die weiteren Schritte zur Ein- richtung des Nationalparks managen sollte. Vorbild hierfür waren die "Ur- ban National Historical Parks" in den USA, in denen die lokale Wirtschafts- und Industriegeschichte mit Tourismus-Angeboten und aktueller Wirt- schaftsförderung verbunden werden. Bereits Ende 2002 hat sich der Initi- ativkreis für den Nationalpark wieder aufgelöst, da inzwischen "das Zu- sammenführen von Industrienatur und Industriekultur nicht länger auf der politischen Agenda" stand.963 Dabei, so Karl Ganser heute: "sollte nicht völlig in Vergessenheit geraten, dass wesentliche Teile der Landesre- gierung unmittelbar nach dem Ende der IBA einen Strich unter die ganze Angele- genheit ziehen wollten".964 Ähnlich dachten etliche Politiker und Verwaltungsvertreter aus den Kom- munen sowie im KVR, statt sich für eine Weiterentwicklung der IBA und für die Einlösung ihrer unerfüllten Versprechungen, wie der Freiraumvermeh- rung, einzusetzen. Diese Frage wurde überlagert von dem geradezu ural- ten Konflikt über die Verfassung des Ruhrgebietes: Sollten die Kommunen im Ruhrgebiet ihre Selbstständigkeit aufgeben und eine gemeinsame "Ruhrstadt" bilden? Oder sollte das Ruhrgebiet in einen Regierungsbezirk umgewandelt werden, mit dem bisherigen Kommunalverband als Bezirks- regierung? Oder sollte der Kommunalverband aufgelöst und durch eine IBA-ähnliche landeseigene Gesellschaft ersetzt werden? Die erste Zwischenlösung sah so aus, dass die IBA-Planungsgesellschaft aufgelöst wurde, der KVR unverändert blieb, ihm aber die neue landesei- gene Projekt Ruhr GmbH zur Seite gestellt wurde. Diese veranstaltete im Sommer 2001 einen Bilanzworkshop, dessen TeilnehmerInnen sich für die 963 IBA (1999b): Nationalpark der Industriekultur im Ruhrgebiet - Entwurf, Gelsenkirchen; Initiative für einen Nationalpark der Industriekultur im Ruhrgebiet - Auflösung, in: Forum Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur 1/2003, S.7 964 Ganser, Karl (2008): Grußwort, in: Fachgebiet Städtebau (Hg.) (2008), S.7; so auch: Günter, Günter und Liedtke (2007), S.313 f: "Als die IBA programmgemäß 1999 endet, haben viele Politiker und Verwalter mit Karl Ganser, der sie unbequem und raffiniert aus dem Schlaf riß, ihre 'kleine Rechnung offen' - können ihn aber nicht erreichen. Doch zur 'Strafe' verweigern die meisten die weitere Arbeit. ... hat die Lan- desregierung unter Wolfgang Clement und Peer Steinbrück kein rechtes Verhältnis mehr zur IBA. Sie könnte dieses einzigartige Projekt der ganzen Welt präsentieren. Und auch bei Wahlen dem Volk. Aber sie schweigt. Man kann fassungslos über den Gedächtnis-Verlust sein ..." 8. Begrünungsaktion Ruhrgebiet und Emscher Landschaftspark 283 Weiterentwicklung des Emscher Landschaftsparks aussprachen. Daraufhin erhielt die Projekt Ruhr den Auftrag, einen Masterplan für den Emscher Landschaftspark im Jahr 2010 aufzustellen. In diesem Zusammenhang konnte die Fläche des Emscher Landschaftsparks aufgrund von kommu- nalen Vorschlägen von bisher 320 qkm auf 457 qkm vergrößert werden, und nachdem bereits 178 Projekte und Teilprojekte realisiert worden wa- ren, konnten 248 neue, z.T. bereits laufende, z.T. noch geplante Projekte für den weiteren Parkaufbau konzipiert werden.965 Das Masterplanverfah- ren unter Leitung von Michael Schwarze-Rodrian war im November 2005 abgeschlossen, kurz bevor die Projekt Ruhr GmbH durch die neue CDU/FDP-Landesregierung aufgelöst wurde und sich nicht mehr um die Planumsetzung kümmern konnte. Inzwischen ist der KVR in den Regionalverband Ruhr (RVR) umgewandelt worden und nun auch für den Emscher Landschaftspark zuständig. Seit- dem ist es, wenn man von der Eröffnung der Halde Hoheward mit ihrem mächtigen Horizont-Observatorium im November 2008 absieht, um den Emscher Landschaftspark erheblich ruhiger geworden. 8.3. Funktionen der neuen Freiflächen Ähnlich wie andere Freiflächen haben auch die begrünten Brachflächen Funktionen im Bereich - des Ästhetischen, - des Emissions- und Immissionsschutzes sowie - von Freizeit und Erholung. Darüber hinaus liegen die besonderen Leistungen der begrünten Halden, Deponien und Industriebrachen - im Flächenrecycling sowie - in der Entsorgung und Camouflage von Abfällen und Altlasten. 8.3.1. Ästhetische Funktionen Die älteste und anscheinend wichtigste Funktion, die von allen Maßnahmen zur Begrünung erfüllt werden soll, ist die ästhetische Verbesserung des Landschaftsbildes. Allerdings haben sich die ästhetischen Vorstellungen erheblich gewandelt: von den traditionellen Bildern über ihre Kritik als Täuschung bis zu radikalen, formalen Forderungen. Das Ergebnis ist viel- fältig. a. Verschönerung der Stadtlandschaft Schon die Bepflanzung der Bahndämme in den 1920er Jahren war ein- deutig ästhetisch motiviert. Anlass war der "unschöne Anblick", den "weite Strecken hochgelegener Bahndämme und Einschnitte" boten.966 Bei der Begrünung in den 1950er Jahren sollten "häßliche Bauwerke ... abge- pflanzt, technische Anlagen mit Gehölzpflanzungen umgeben" und das 965 Projekt Ruhr GmbH (Hg.) (2005): Masterplan Emscher Landschaftspark 2010, Essen, S.13 und S.282; allerdings wurde der Parkbegriff erweitert, so dass er jetzt, mehr noch als zuvor, auch begrünte Gewerbeflächen umfasst 966 SVR (1928b), S.19 8. Begrünungsaktion Ruhrgebiet und Emscher Landschaftspark 284 Stadtbild im ganzen freundlicher gestaltet werden.967 Immerhin war die Begrünung ein Synonym für eine freundlichere Gestaltung. Damals hatte der SVR die Hoffnung, durch Grün Heimatgefühle erzeugen zu können: "Den im Ruhrgebiet zusammenströmenden Menschen, von denen ein großer Anteil Heimatvertriebene sind, ... sollte ... eine heimatliche Verbindung mit ihrer Umwelt ermöglicht werden. Zur Heimat gehört zunächst einmal die Behausung und dann deren nähere Umgebung." 968 Auch 1969, als die Bahndammbepflanzung wieder aufgenommen wurde, standen ästhetische Aspekte im Vordergrund: "Ziel ist es, das Bild des Ruhrgebietes zu verbessern (Verschönerung der Stadt- landschaft ...)", wofür "die das Landschaftsbild störende Substanz an den Hauptreisezugstrecken (alte Bauwerke, Zäune, Mauern, Lauben) zu entfernen" waren.969 Zwischenzeitlich war ebenfalls deutlich geworden, "daß Freiflächen um so eher der Verunstaltung und Vernachlässigung anheimfal- len, je geringer ihr landschaftlicher Reiz ist." 970 So erklärte Heinz Neufang, Direktor des Siedlungsverbandes Ruhrkohlen- bezirk, noch 1968: "Das Gesicht unserer engeren 'Industrielandschaft' ist hart und krustig, und von daher sind die Beziehungen der Menschen im Revier zu ihrer Landschaft vielfach abweisender Art." 971 Praktisch orientierte sich daher die Begrünung und Verschönerung des Ruhrgebietes an den Bildern der benachbarten Kulturlandschaften, an der aufgelockerten Parklandschaft des Münsterlandes im Norden und an den Wäldern des Bergischen und des Sauerlandes im Süden des Ruhrgebie- tes. Darauf deuten auch die Leitlinien für die Gestaltung der Halden hin, die sich von Spitz- und Stumpfkegelhalden mit steilen Böschungen über Tafelberge zu Landschaftsbauwerken entwickelt haben, damit sie nicht mehr als Fremdkörper in der Landschaft, sondern als natürliche Hügel erscheinen sollten. b. Kritik der Vor- und Enttäuschungen Als die IBA die Gestaltung zu einem zentralen Strategiebaustein machte, schien es so, als ob sie an diese Überlegungen anknüpfen würde: "Der neu geschaffene Freiraum wird gestaltet und auf diese Weise mit einem ho- hen Wert belegt, so daß eine spätere qualitätsmindernde Inanspruchnahme kaum noch zur praktischen Diskussion stehen wird." 972 Diese Strategie kann man in der Formel 'Freiraumschutz durch Gestaltung' zusammenfassen. Dahinter steht die Annahme, dass bei einer entspre- chend attraktiven Gestaltung die Interessen an der Erhaltung des betref- fenden Freiraum gewichtiger sein werden als mögliche Umnutzungsinte- ressen. Allerdings hat sich die IBA von der Orientierung an der land- und 967 SVR (1959), S.20; SVR (1966), S.29 968 SVR (1959), S.19; SVR (1966), S.27 969 SVR (1975a), S.53 970 SVR (1966), S.33; SVR (1959), S.24 971 Neufang, Heinz (1968): Vorwort, in: Knabe, W., K.Mellinghoff, F.Meyer und R.Schmidt- Lorenz (1968): Haldenbegrünung im Ruhrgebiet. Schriftenreihe Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk Nr.22, Essen, S.5 972 MSWV (Hg.) (1989), S.36 8. Begrünungsaktion Ruhrgebiet und Emscher Landschaftspark 285 forstwirtschaftlich geprägten Kulturlandschaft verabschiedet. Diese Tren- nung erscheint sogar als plausibel, ist es doch gerade diese gewohnte Landschaft, die am stärksten von Umnutzungen und Flächenverlusten betroffen ist und am wenigsten verteidigt wird.973 So sah Heinrich Böll schon 1958 in den vermeintlichen 'Überresten' der Landwirtschaft im Ruhrgebiet eine "Täuschung", eine "Vortäuschung von Natur" und forderte ihre Umwandlung in Parkanlagen: "Es gibt ihn noch, unverändert hübsch und echt: den vestischen Bauernhof, es gibt die Kuh vor dem Förderturm, weidende Schafe, säende, mähende Bauern, Garben und Ackerkrume, aber diese hübschen Bilder sind eine Täuschung (keine bewußte); ... sie wirken wie eine Täuschung, sehen aus, als wären sie bestellt, um fotografiert zu werden; sie wirken ... sentimental und verlogen, sie wirken eher schmerzlich als tröstend, weil sie keine Proportion zur Umgebung haben. Wenn man schon den Fortschritt proklamiert, sollte man an ihn glauben: die Häuser in die Höhe bauen - und aus den Äckern Parks machen; was man jetzt an Natur noch sieht, wirkt wie eine Vortäuschung von Natur, wie geplante Idylle, doch wahr- scheinlich wären die riesigen Weiden als Parks nützlicher." 974 Karl Ganser entwickelte den Gedanken der Täuschung weiter: "Was macht man, wenn die 'Versprechungen' in dieser Un-Landschaft bei näherer Untersuchung als 'Täuschung' entlarvt werden? Wenn aus der abgegrünten Auto- bahn der Verkehrslärm dringt anstelle des signalisierten Vogelgezwitschers? Wenn im vermuteten Bachtal anstatt eines munteren Bachgeplätschers ein offener stin- kender Abwasserkanal zutage tritt? ... Wenn unter einer hübsch anzusehenden Vegetation giftige Deponien liegen ... Soll man diese 'Enttäuschungen' durch 'täu- schende Gestaltung' erträglicher machen ...?" 975 Diese Fragen stellten die IBA vor das Problem, eine neue Gestaltung aus- findig zu machen. c. Authentizitätsfiktionen 976 Hierfür forderten Stephan Reiß-Schmidt, damals Abteilungsleiter beim KVR, und der IBA-Direktor Thomas Sieverts eine "authentische Formensprache ... Es muß eine Sprache sein, die nicht allein aus einem unreflektierten Harmoniebedürfnis und den archetypischen Sehnsuchtsbil- dern 'intakter Landschaften' konstruiert ist. Eine solche Sprache der Verdrängung und des Verbergens begegnet uns in den letzten Jahren verstärkt bei Versuchen der Landschaftsgestaltung im Ruhrgebiet: Die Feldgehölzkulisse kaschiert das Industriegebiet oder die Autobahn, die Bergehalden werden zu quasi natürlichen Landschaftsbauwerken, denen man ihre Funktion und Geschichte nicht mehr an- sehen soll, oberirdische Rohrleitungen werden grün lackiert, damit sie in der Land- schaft weniger auffallen, Bäche mäandrieren über den nunmehr verrohrten Schmutzwassersammlern".977 Nachdem Ganser noch nach dem Umgang mit derartigen Vortäuschungen von Natur gefragt hatte, haben Reiß-Schmidt und Sieverts die gesamte bisherige Landschaftsgestaltung im Ruhrgebiet als 'nicht-authentisch', als 973 Die tatsächlichen, natürlich über die ästhetischen Aspekte weit hinausgehenden Grün- de für den Verlust der traditionellen Kulturlandschaft habe ich im Kapitel 3 erörtert. 974 Böll, Heinrich, und Chargesheimer (1958): Im Ruhrgebiet, Frankfurt am Main, S.24 f 975 Ganser, Karl (1993): Kunst in der Emscher Landschaft?, in: Stadtbauwelt 117, S.606- 609, hier: S.607 976 zur kritischen Auseinandersetzung mit diesen ästhetischen Vorstellungen: Häpke, Ulrich (1999): Mehr Parks - Weniger Freiraum, in: Garten + Landschaft, 109.Jg. (1999), Heft 5, S.34-36, und Häpke (1993) 977 Reiß-Schmidt, Stephan, und Thomas Sieverts (1990): Auf dem Wege zum Emscher Landschaftspark. Wesen - Aufgaben - Verfahren, in: IBA (Hg.) (1990), S.10-26, hier: S.12 8. Begrünungsaktion Ruhrgebiet und Emscher Landschaftspark 286 unreflektiert harmonie-bedürftig und als Formensprache "der Verdrängung und des Verbergens" kritisiert. Immerhin räumen sie ein, dass die betei- ligten Menschen sich von "archetypischen Sehnsuchtsbildern", also von sehr tiefen menschlichen Bedürfnissen leiten lassen. Allerdings liegt für Reiß-Schmidt und Sieverts der planerische Bezugspunkt nicht in den Be- dürfnissen der Menschen, sondern im Raum und seiner Geschichte. Ihre Forderung lautet: "An die Stelle dieser Sprache des Verdrängens und Versteckens soll eine authen- tische Sprache der Landschaftsgestaltung treten, die die Geschichte dieses Rau- mes und die Struktur der urban-industriellen Landschaft anschaulich macht ... Eine solche authentische Sprache kann formal auf ein vielfältiges Repertoire zurück- greifen".978 Letztlich entscheidend sei dabei "das innovative Umgehen mit einigen wenigen primären Elementen, die für sich genommen simpel und banal erscheinen mögen." 979 Bevor er zu einem ähnlichen Ergebnis kommt, geht der IBA-Direktor Arno Sighart Schmid grundsätzlicher an das Problem heran, wenn er zunächst fragt: "Wie sieht der Park des 21. Jahrhunderts aus?", um dann den Blick auf ganze tausend Jahre (?!) auszudehnen:980 "Die Anforderungen an den Landschaftspark des kommenden Jahrtausends sind so komplex, vielschichtig und konträr, daß seine Form neu erfunden werden muss. Nicht mehr und nicht weniger ist die Aufgabe." Schmid kann sogar die ersten, wesentlichen Gestaltungselemente für die nächsten tausend Jahre nennen: Das "heterogene Siedlungsbild der Em- scherregion" erfordere nämlich "einfache, aber kräftige Ordnungsstrukturen wie Punkt, Linie und Raum." Etwas konkreter wurden die Landschaftsarchitekten Peter Latz und Donata Valentien.981 Sie hielten "geometrische Formen" in der Emscherzone für "dominant" und sahen einen "besondere(n) Reiz darin liegen, diese strenge Formensprache weiterzuentwickeln, zu verfremden und artifiziell zu überhöhen. ... Artifizielle, graphische und plastische Entwürfe lassen sich darstellen mit artenreichen, wilden Pflanzenbeständen; scheinbar naturnahe, organische Formen lassen sich verfremden durch strenge Pflanzenmuster." d. Neue Lösungen Letztlich wurden diese ästhetischen Fragen von der IBA weniger theore- tisch als praktisch angegangen, und zwar durch Wettbewerbe und Beteili- gungsverfahren. Was dabei herauskam, waren einige gartenkünstlerische Anlagen, deren Lebensdauer allerdings auf die Laufzeit der jeweiligen Gartenschau oder der Abschlusspräsentation beschränkt war. Seitdem dominieren die übli- chen, bei den früheren Begrünungsaktionen bereits bewährten Gehölze sowie Rasen- oder Wiesenflächen. 978 Reiß-Schmidt und Sieverts (1990), S.13 979 Reiß-Schmidt und Sieverts (1990), S.23 980 Schmid, Arno Sighart (1991): Emscher Park und Industrielandschaft, in: Garten + Landschaft, 101.Jg. (1991), Heft 10, S.16-19, hier: S.16 f; ähnlich: Schmid, Arno Sighart (1990): Verfahren und Ergebnisse, in: IBA (Hg.) (1990), S.1-9, hier: S.4 981 Latz, Peter, und Donata Valentien (1990): Positionen und Thesen zur Landschaftsent- wicklung im Emscherraum, in: IBA (Hg.) (1990), S.27-37, hier: S.35 f 8. Begrünungsaktion Ruhrgebiet und Emscher Landschaftspark 287 Hinzu kommen die der Sukzession mehr oder weniger überlassenen Flä- chen, die früher als 'ungepflegt' in Parkanlagen und anderen Grün- oder Erholungsflächen keinen Platz gehabt hätten. Hier deutet sich eine ähnli- che Um- und Aufwertung an, wie sie die Heide gegen Ende des 19. Jahr- hunderts erlebt hat, als sie aus einer unwirtlichen bis unheimlichen in eine romantische Landschaft und in ein Naturschutzobjekt verwandelt wurde.982 Weitere neue Gestaltungselemente sind einige geometrisch geformte, pyramiden-ähnliche Aufschüttungen, die nicht mehr versuchen, natürliche Hügel nachzuahmen, z.B. auf dem Rheinelbe-Gelände, die Halde Run- genberg oder die angeblich irische Landschaft auf dem Castrop-Rauxeler Erin-Gelände. Neu sind darüber hinaus die Möblierungen in den neuen Parkanlagen. Anders als in der Zeit der Stadt- und Volksgartenbewegung wurden jetzt natürlich nicht mehr Bismarck-Türme, Kaiser-Wilhelm-Büsten oder Kano- nen aus dem letzten Krieg aufgestellt. Allerdings kann ich nicht einschät- zen, ob die Symbolik der heutigen Gestaltungselemente beabsichtigt war: - eine rostige Stahlbramme, die noch nicht einmal im Ruhrgebiet produ- ziert worden ist, - Fundament-Blöcke aus früheren Industriegebäuden, die Herman Prigann zu Skulpturen aufeinandergestapelt hat, - ein begehbarer, stillgelegter Hochofen, - Treppen aus ehemaligen Grubenhölzern. Häufig sind es Überreste der Montanindustrien, so dass die neuen Parks nicht nur real, sondern auch bildlich aus den Trümmern der alten Industrien bestehen. Bezüge zu "Zukunftsindustrien", abgesehen vom Gesund- heitspark Quellenbusch und vom Windrad auf der Halde Hoppenbruch, fehlen. 8.3.2. Entsorgungs- und Camouflage-Funktion Unter den Grünanlagen sind nach wie vor Abraum, Abfälle und Altlasten verborgen. Insofern besteht eine wichtige Funktion der meisten begrünten Halden, Deponien und Industriebrachen darin, die zum Teil giftigen Ex- kremente der früheren Produktionsprozesse zu lagern und zu verstecken. Schon die ältesten, noch im 19. Jahrhundert auf einer Halde der Zeche Zollverein in Essen angepflanzten Robinien waren - so wird vermutet - "hauptsächlich zur Sicherung der steilen Böschungen" und damit zur Sta- bilisierung der Halde gedacht.983 Ähnliches gilt auch für die seit den 1950er Jahren zunächst von der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald und anschließend vom SVR begrünten Halden sowie für die vom Verband be- pflanzten Mülldeponien. Ende der 1960er Jahre setzt allerdings eine begriffliche Verschiebung ein. Anlass hierfür war die Planung der Zentraldeponie Emscherbruch, eine 982 Häpke, Ulrich (1990): Die Unwirtlichkeit des Naturschutzes, in: Kommune, Heft 2/1990, S.46-53; überarbeitet in: Scheinwelt Naturschutz. FLÖL-Mitteilungen Nr.1/1992, hg. vom BUND Nordrhein-Westfalen, Ratingen, S.10-33; Häpke, Ulrich, und Jörg Haafke (2001): Vom "Todfeind der Kreatur" zum Spielball naturschützerischer Forderungen. Zum Verhältnis von Naturschutz und Landwirtschaft und zu einigen Besonderheiten im Ruhrgebiet, in: Ditt, Karl, Rita Gudermann und Norwich Rüße (Hg.) (2001): Agrarmodernisierung und ökologische Folgen. Westfalen vom 18. bis zu 20. Jahrhundert. Forschungen zur Regionalgeschichte Band 40, Paderborn u.a., S.569-601 983 Blaurock und Wipf (1990), S.540 8. Begrünungsaktion Ruhrgebiet und Emscher Landschaftspark 288 zentrale Maßnahme, um die Probleme der Abfallbeseitigung im Ruhrgebiet zu lösen. Seitdem wird die Deponierung von Müll nur noch - wie ich finde: verharmlosend - als "Zwischennutzung" bezeichnet, als zeitlich begrenzte Phase in einem Prozess zur Entwicklung einer "Erholungszone".984 Dabei hat die hier ablaufende Landschaftspflege weiterhin die Funktion, die Deponierung von Müll zu ermöglichen, und zwar in doppelter Hinsicht: - zum einen ging es darum, die technischen Fragen beim Aufbau einer Mülldeponie zu lösen, von der möglichst wenige schädliche Umwelt- auswirkungen ausgehen sollen, - zum anderen sollte durch das Versprechen, dass nach wenigen Jah- ren ein attraktives Freizeitgelände entstehen werde, die Akzeptanz der Bevölkerung für die "Zwischennutzung" gewonnen werden. Die nach Abschluss der Deponierung aufgetragene unbelastete Boden- schicht, die die Grundlage der Freizeit- und Erholungseinrichtungen bildet, ist eine Sicherung und zugleich eine Tarnung, eine Camouflage des dar- unter liegenden Müllberges. Ähnliches gilt auch für die meisten neuen IBA-Parkanlagen. Für ein knap- pes Drittel der neuen Parks wurden zwei frühere Mülldeponien und etliche Halden neu gestaltet. Hier werden Abraum und Müll jeweils mit einem Mantel aus Bäumen, Sträuchern und Kunstwerken zugedeckt, wobei die Vegetation aufgrund der chemischen Bodenzusammensetzung und der Grundwasserferne auf nicht absehbare Zeit besondere Herausforderungen bewältigen muss. Bleibt zu hoffen, dass dem Abraum keine anderen Abfallstoffe untergemischt worden sind. Die Hälfte der neuen Parks liegt auf ehemaligen Zechengeländen und Industriebrachen. Mit einer hohen Wahrscheinlichkeit kommen auf diesen Standorten auch Altlasten vor. Dies gilt erst recht, wenn an ein früheres Bergwerk eine Kokerei angeschlossen war. Tatsächlich haben in den neuen Parkanlagen dreizehn Kokereien gestanden, während der IBA- Katalog der Projekte selbst nur acht Standorte einräumt und die aktuelle Übersicht über die "Projekte 10 Jahre danach" sogar nur fünf frühere Ko- kereien nennt. (Tabelle 8.9.) Über Teile der Risikoflächen wird also - zumindest der interessierten Öf- fentlichkeit gegenüber - ein Mantel des Schweigens ausgebreitet. Insofern erfüllen bereits die Projektkataloge die Camouflage-Funktion, zumindest einen Teil der Altlasten durch Verschweigen zu verbergen.985 Für gerade einmal acht Fälle finden sich in den beiden Projekt-Katalogen vorsichtige Hinweise auf Altlasten und ihre Sanierung. Diese Hinweise beginnen im IBA-Katalog mit dem Versprechen auf eine "Voraussichtliche ... Altlastenbehandlung" im Landschaftspark Duisburg-Nord, das zehn Jahre danach nicht mehr erwähnt wird, obwohl zwei Teerseen bis 2005 noch nicht saniert waren.986 Im Gewerbepark Zeche Waltrop mit der be- nachbarten Halde Brockenscheidt ist immerhin eine "Bodenaufbereitung" erfolgt.987 Kaum konkreter sind Aussagen wie "durch die vorherige Zechennutzung musste der kontaminierte Boden intensiv saniert werden" 984 Neufang (1975), S.7 985 für weitere Beispiele: Claus, Frank, und Christian Weingran (1993): Altlasten im Park - Nichts für die Öffentlichkeit?, in: Müller und Schmals (Hg.) (1993), S.217-230 986 IBA (1999a), Nr.6, S.45; FG Städtebau (2008), S.32-35; Projekt Ruhr GmbH (2005), S.302 987 IBA (1999a), Nr.42, S.163 8. Begrünungsaktion Ruhrgebiet und Emscher Landschaftspark 289 für den Gewerbe- und Wohnpark Holland in Bochum.988 Am Nordsternpark in Gelsenkirchen, der auf die Bundesgartenschau 1997 zurückgeht, be- wundern die späteren Dokumentatoren: "Bemerkenswert ist der kurze Zeit- raum, in dem das Projekt und die Sanierung von Altlasten umgesetzt wurde," ohne ein Wort über die Art und Weise der Sanierung - Dekonta- mination oder Sicherung - zu verlieren.989 Dass für das Stadtteilzentrum Sodingen und den dazu gehörigen Park für die "Geländeaufberei- tung/Altlastensanierung: 16 Mio DM" verausgabt wurden,990 sagt ebenfalls nichts über die Reichweite der Sanierung und ihren Erfolg aus. Die Aus- sage "Im Norden werden alte industrielle Aufschüttungen von Wiese be- deckt",991 deutet auf weiterhin vorhandene Altlasten hin. Dies gilt auch für den Volksgolfplatz Jacobi: "Die vorhandenen Altlasten wurden von der Ruhrkohle AG durch eine Ringdrainage mit Bodenwaschanlage behandelt. Große Teile der Fläche wurden mit Ber- gematerial und Böden überdeckt." 992 Tabelle 8.9. Neue Parkanlagen auf Kokereistandorten Parkname Kokerei / Bergwerk Stadt Volksgolfplatz Jacobi Jacobi I/II (1,2) Bottrop/Oberhausen Landschaftspark Duisburg-Nord Friedr. Thyssen (1) Duisburg Industriewald Alma Alma (1,2) Gelsenkirchen Industriewald Rheinelbe Rheinelbe (1) Gelsenkirchen Industriewald Zollverein Zollverein (1,2) Essen Nordsternpark Nordstern (2) Gelsenkirchen Garten Osterfeld Osterfeld (1,2) Oberhausen Stadtpark Prosper III Prosper (1) Bottrop Park im Stadtteilzentrum Sodingen Mont-Cenis (3) Herne Dienstleistungs- und Gewerbepark Erin Erin (3) Castrop-Rauxel Neue Evinger Mitte Minister Stein (1) Dortmund Gewerbepark Brockenscheidt Waltrop (3) Waltrop Park am Technologiezentrum Lünen Min. Achenbach (3) Lünen Quellen: (1) IBA (Hg.) (1999a), (2) Fachgebiet Städtebau (2008), jeweils die Projektnummern 4, 6, 8, 9, 13, 26; (3) (12.12.08) Konkreter sind die Hinweise auf den Landschaftspark Erin in Castrop- Rauxel, den Stadtpark Prosper III in Bottrop und das Rheinelbe-Gelände: - So gilt das neue Wohn- und Gewerbegebiet Prosper III "als 'Schnellläufer' des Brachflächenrecycling". Wesentliches Gestal- tungselement war von Anfang an der "Prosperpark" mit dem "Pros- perhügel". Darin sind die Altlasten des 26 Hektar großen Zechen- und Kokereigeländes enthalten, die mit dem Bodenaushub der Baugebiete überdeckt wurden. "Diese Art des Altlasten- und Bodenmanagements führt schließlich zu einer vergleichsweise unaufwendigen Gelände- aufbereitung." 993 - Ähnliches geschah im Dienstleistungs- und Gewerbepark Erin in Castrop-Rauxel. Nachdem ein Teil der Böden in einer niederländi- schen Verbrennungsanlage dekontaminiert worden ist, wurden die verbliebenen Altlasten vor Ort gesichert. Unter der beschönigenden 988 FG Städtebau (2008), Nr.23, S.78 989 FG Städtebau (2008), Nr.9, S.40 990 IBA (1999a), Nr.35, S.146 991 FG Städtebau (2008), Nr.35, S.107 992 IBA (1999a), Nr.4, S.36; FG Städtebau (2008), Nr.4, S.28 993 IBA (1999a), N.59, S.269; FG Städtebau (2008), S.218 8. Begrünungsaktion Ruhrgebiet und Emscher Landschaftspark 290 Bezeichnung "irische Landschaft" wurden zwei Hügel, Landschafts- bauwerke genannt, aufgeschüttet, in denen "die kontaminierten Böden der Fläche eingekapselt" wurden. Ein Beispiel "der nach damaligen Maßstäben innovativen Altlastensanierung".994 - Auch auf dem Rheinelbe-Gelände steht eine - inzwischen schon zugewucherte - Pyramide, unter der - sozusagen eingepackt in meh- rere Plastikfolien - giftige Kokerei-Schlämme verborgen sind. Hierzu warnt der Künstler Herman Prigann, der das Gelände mit Skulpturen aus Gebäudetrümmern und Holzstämmen ausgestattet hat, vor Erd- würmern, die in holländischen Kanälen Plastikfolien durchlöchert und dort die Bodenabdichtung zerstört haben, hier aber die Altlastensiche- rung in Frage stellen können.995 Hinzu kommen einzelne Bergehalden, die zugleich als Altlastendeponien dienen. So war die Deutsche Steinkohle AG gegenüber der Idee, die Rheinelbe-Halde in einen Spiralberg umzuwandeln, sehr aufgeschlossen, weil dadurch das Haldenvolumen beträchtlich zunahm und zusätzlich zu dem vorhandenen Bergematerial nun auch noch Bauschutt und Boden- aushub der Deponieklasse Z1 aufgeschüttet werden konnte.996 Dabei zeichnet sich Z1-Material dadurch aus, dass die Schadstoffgehalte im großen und ganzen dreimal so hoch sein dürfen wie die natürliche Boden- belastung, dass dieses Material aber nur in technische Bauwerken einge- baut werden darf, nicht aber z.B. in Wäldern.997 Nach diesen Vorbildern soll im Rahmen der Europäischen Kulturhauptstadt Ruhrgebiet 2010 eine geplante künstlerische Haldengestaltung explizit den Zweck erfüllen, dass schadstoffhaltige Materialien deponiert und ästhetisch camoufliert werden. Konkret sollen die behördlicherseits erteilten Schüttgenehmigungen für die Halde Lohberg-Nord in Dinslaken am Niederrhein, die vom auslaufenden Bergbau nicht mehr vollständig wahr- genommen werden können, für die Deponierung von Bodenaushub der Deponieklassen Z1 und Z2 genutzt werden. Dabei darf Z2-Material, das bei der Dekontamination von Altlasten anfällt, im großen und ganzen zehnmal so viele Schwermetalle und andere Schadstoffe enthalten wie unbelasteter Boden und muss deshalb durch eine undurchlässige Abdeckung gesichert werden. Die RAG Verkauf GmbH (inzwischen: RVG GmbH) rechnet mit einem Schüttvolumen von 40 Mio. Tonnen, aus dem bei Deponiepreisen von 3 Euro/Tonne ein Rohertrag von 120 Mio. Euro erzielt werden kann. Hierfür ist es allerdings nötig, die bisherigen Schüttrechte zu sichern: "Zur Aufrechterhaltung der von den Genehmigungsbehörden derzeit bewilligten Schüttkapazitäten wurde das Projekt 'Haldenkunst' im Gesamtkonzept Ruhr.2010 durch RAG Verkauf erfolgreich platziert. Ohne Implementierung in dieses Ge- samtkonzept bestünde die Möglichkeit, dass die Genehmigungsbehörden die Be- willigung für die Restkapazitäten nach Einstellung der Bergeschüttung auf diesen Halden streichen und eine sofortige Rekultivierung einfordern." 998 994 FG Städtebau (2008), Nr.26, S.84; vgl. auch: Häpke (1999) sowie Oldengott, Martin, und Wedig Pridik (1991): Erin - Arbeiten im Park, in: Garten + Landschaft, 101.Jg. (1991), Heft 10, S.42-44 995 Günter, Günter und Liedtke (2007), S.25 996 Günter, Günter und Liedtke (2007), S.32 997 Länderarbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) (2004): Technische Regel Boden, Stand 05.11.2004 (22.6.09) 998 Quelle ist eine "Geschäftsführungsvorlage" aus dem Bereich RAG Verkauf GmbH der evonik industries, die von der Initiative "Bürger gegen Bergbau" im Internet veröffent- licht worden ist: oder (1.1.09); Steinkohle. Abfall als Kunst, in: Der Spiegel, Heft 19/2008, S.20; RAG Verkauf bzw. RVG GmbH gehören zum Evonik-Konzern, dessen damaliger Chef Werner Müller bis zum Sommer 2008 zugleich Aufsichtsratsvorsitzender der Ruhr.2010 GmbH, einer der wichtigsten Förderer und zeitweiliger Sponsor des Kul- turhauptstadt-Vorhabens war. Ist das Haldenkunst-Projekt mit der Aussicht auf 120 Mio. Euro Rohertrag für Evonik die Gegenleistung? 999 SVR (1966), S.34; SVR (1959), S.26 1000 SVR (1975a), S.53 1001 SVR (1959), S.19; SVR (1966), S.27 1002 SVR (1959), S.20; SVR (1966), S.29 8. Begrünungsaktion Ruhrgebiet und Emscher Landschaftspark 292 Diese Bodenabdeckung bildet aus humanökologischer Sicht also einen Schutz für die ansonsten gefährdeten Menschen. 8.3.4. Flächenrecycling und Downcycling Durch die Begrünungsaktionen und Haldenbegrünungen sind bereits in der Zeit vor der IBA Emscher Park mehr als 3.200 Hektar Halden- und Ödlandflächen, die ansonsten nicht mehr nutzbar waren, durch Auffors- tungen und anderweitige Bepflanzungen in den gesellschaftlichen Pro- duktions- und Reproduktionsprozess zurückgeholt worden. Weitere Brachflächen wurden im Rahmen der IBA in rund vierzig neue Parkanlagen und einige neue Wohn- und Gewerbegebiete umgewandelt. Bis dahin waren diese Industrie- und Zechenbrachen für die meisten Men- schen 'verbotene' oder gefährliche Zonen, die man tunlichst meidet. Nur wenige Menschen haben sich, vielleicht um ihren Hund auszuführen, oder als abenteuerlustige Kinder auf diese Flächen gewagt. Das Recycling von Brachen ist eine technische Herausforderung. Dies gilt zweifellos für die Sicherung von Altlasten und erst recht für ihre Dekonta- mination, aber auch für ihre Bepflanzung. Bei den Halden ist es bereits die chemische Zusammensetzung des Bergematerials, die eine Begrünung erschwert. Hinzu kommen die für das Pflanzenwachstum ausgesprochen ungünstigen Wasserverhältnisse. So erhält eine Deponie "eine wasserundurchlässige Basisabdichtung zur Abschirmung nach unten. Dräna- gesysteme direkt oberhalb der Basisabdichtung fangen die Sickerwässer auf, sammeln sie und führen sie einer Behandlungs- oder Kläranlage zu. ... Durch die Deponierung wird der Standort grundsätzlich grundwasserfern, bleibt also vom Grundwasser unbeeinflusst." 1003 Auch jüngere Bergehalden verfügen über Dränagen und eine Untergrund- verdichtung, um die Risiken für das Grundwasser zu minimieren. Hinzu kommt, dass das Bergematerial nur geringe Wassermengen halten kann, die Haldenoberflächen schnell und häufig austrocknen und die meisten Pflanzen allein aufgrund der Haldenhöhe keine Verbindung zum Grund- wasser herstellen können. Die Pflanzen auf Halden und Deponien sind also vom Niederschlagswasser abhängig, das entweder in den Haldenkörper einsickert und dort ge- speichert wird oder von der neuen Bodenschicht festgehalten wird, die auf eine Deponie aufgetragen worden ist.1004 Auf diese Weise haben die früheren Begrünungsaktionen und die heutigen IBA-Parkprojekte dazu beigetragen, dass umfangreiche Zechen-, Industrie- und Infrastrukturbrachen recycelt wurden, d.h. dass sie wieder nutzbar gemacht und auch wieder in eine Nutzung gebracht wurden. Allerdings ließ sich ein gewisses 'down-cyceln' nicht vermeiden, insofern diese Flächen Stoffe enthalten, die für Mensch, Tier und Pflanze unverträglich sind, und einen äußerst ungünstigen Bodenwasserhaushalt aufweisen. 8.3.5. Freizeit- und Erholungsfunktion Für viele Nutzungen, vor allem für Baumaßnahmen, sind die Bodenver- hältnisse auf begrünten Halden, Deponien und etlichen recycelten Brachen 1003 Heimann (1990), S.573 und S.575 1004 Blaurock und Wipf (1990), S.541 f 8. Begrünungsaktion Ruhrgebiet und Emscher Landschaftspark 293 ungeeignet. Im Unterschied hierzu eröffnen sie jedoch neue Möglichkeiten für die Freizeit- und Erholungsnutzung. Seit Jahrzehnten gilt es als wichtige Aufgabe der öffentlichen Verwaltung, den Erholungsraum sicherzustellen, da "die physischen und psychischen Belastungen des Alltages in hochindustrialisierten Räumen durch die Erhaltung einer natürlichen Umwelt, durch Erholung in der freien Landschaft ausgeglichen werden müssen".1005 Ende der 1960er Jahre, als auch die Revierparks geplant wurden, rückte die Freizeit- und Erholungsplanung stark in den Vordergrund, jedenfalls in der Außendarstellung. Anlass hierfür war die bereits mehrfach erwähnte Planung der Zentraldeponie Emscherbruch, auf der nach Abschluss der Deponierung eine "Erholungszone" entwickelt werden sollte.1006 Dieser Prozess, bei dem die Deponieabdeckung freizeitgemäß modelliert, be- pflanzt und mit Spiel- und Sportgeräten ausgestattet wurde, machte sozu- sagen aus der Not eine Tugend und erhielt großen Zuspruch. Auch im Rahmen der IBA Emscher Park spielen die Freizeit- und Erho- lungsbedürfnisse eine bedeutende Rolle. Dabei sind die wichtigsten Akti- vitäten nach wie vor das Spazierengehen und seine Variationen, wie Jog- gen oder Walking. Hinzu kommt das Radfahren. Für diese Tätigkeiten bilden die neuen Parkanlagen durchaus attraktive Ziele, zumal sie nicht an den Siedlungsrändern, sondern im Kern der Emscherzone liegen und die innerstädtischen Erholungsmöglichkeiten verbessern. In einzelnen Fällen sind in den industriellen Landschaftsparks auch noch sportlichere Tätigkeiten möglich, wie das Klettern an den Wänden von früheren Industriebauwerken oder das Tauchen in einem gefluteten Ga- someter. Eine neue Errungenschaft, die dem umweltschädlichen untertägigen Bruchversatz im Bergbau und der Haldenwirtschaft zu verdanken ist, ist die Fernsicht, mit der jeder Aufstieg auf die künstlichen Berge in der flachen Emscherniederung belohnt wird. Seit der IBA wurden mehrere Halden in "Landmarken" verwandelt und durch verschiedene Aufbauten überhöht, die den Überblick verbessern und selbst aus großer Entfernung zu sehen sind. Moderne Kunstobjekte und Installationen, die häufig aus Relikten des Bergbaus sowie der Eisen- und Stahlindustrie hergestellt worden sind, können genauso bewundert werden wie die Ruderalvegetation auf Indus- triebrachen, die als ehemaliger Unkrautbewuchs durch die IBA die gera- dezu offizielle Anerkennung einer postindustriellen Variante von Heide- landschaften bekommen hat. Insofern wurden die Freizeit- und Erholungsmöglichkeiten im Ruhrgebiet durch die Begrünung und Möblierung von Halden und Deponien sowie durch die Umnutzung von montanindustriellen Brachen, vor allem im Zuge der IBA Emscher Park deutlich bereichert. 8.4. Nutzer und Entscheidungsträger Die begrünten Bahndämme, Brachen, Deponien und Halden haben eine Vielzahl von sehr unterschiedlichen Nutzern. Hierzu gehören nicht nur die erholungsuchenden Besucher der neuen Grün- und Parkanlagen. Hierzu gehören auch die Anwohner, die z.B. vor Staubimmissionen geschützt 1005 SVR (1959), S.5; SVR (1966), S.8 1006 Neufang (1975), S.7 8. Begrünungsaktion Ruhrgebiet und Emscher Landschaftspark 294 werden. Vor allem aber sind es die Betreiber der Halden und Deponien, die ihre Aufschüttungen durch den Bewuchs wirkungsvoll befestigen und so Verwehungen oder das Abrutschen des Materials verhindern können. Nutznießer sind ebenfalls die früheren Montanunternehmen, deren Altlas- ten durch die Begrünung - angeblich - hinreichend gesichert werden und nicht vollständig dekontaminiert werden müssen. Diesen Nutzern stehen die Entscheidungsträger gegenüber. Dabei haben sich die Entscheidungsstrukturen von der ersten Haldenbepflanzung bis zur IBA Emscher Park erheblich gewandelt. Als Ende des 19. Jahrhunderts die ersten Robinien auf der Halde der Ze- che Zollverein gepflanzt wurden, war dies eine rein unternehmensinterne Angelegenheit. Bezogen auf die Bepflanzung von Halden blieb diese Struktur bis Mitte des 20. Jahrhunderts erhalten. Als sich der SVR in den 1920er Jahren erfolgreich für die Begrünung von Bahndämmen einsetzte, waren neben ihm auch die Reichsbahnverwaltung als Eigentümerin der Bahndämme sowie die Kommunen beteiligt, die die Kosten für die Pflanzarbeiten übernahmen bzw. die Arbeitskräfte stellten. Die Begrünung der Bahndämme war also ein Gemeinschaftswerk von drei Entscheidungsträgern, die sich gegenseitig unterstützt und 'in die Pflicht' genommen haben. Als diese Aktion Ende der 1960er Jahre wieder aufgenommen wurde, hat sich mit der Landesregierung und ihren Förder- geldern ein neuer Entscheidungsträger beteiligt. Die Begrünungsaktionen in den 1950er und 1960er Jahren waren ähnlich organisiert. Die maßgeblichen Entscheidungsträger waren die Grundei- gentümer, in den meisten Fällen also die Bergbauunternehmen, wobei die Bergbehörden die Haldenbetriebspläne zu genehmigen hatten. Von ihrer Entscheidungskompetenz haben die Bergwerke in etlichen Fällen aber auch zum Nachteil der Begrünung Gebrauch gemacht, indem sie bereits bepflanzte Halden 'abgehaldet' haben, um das Haldenmaterial gewinn- bringend an den Straßenbau zu verkaufen.1007 Das unternehmerische Privateigentum an den Haldengrundstücken war also für Rückschläge bei der Begrünung verantwortlich. Als der SVR begann, die zu bepflanzenden Flächen und Objekte selbst zu erwerben, veränderten sich die Entscheidungsstrukturen erneut. Die Ent- scheidungskompetenzen des Bergbaus und der anderen Unternehmen endeten mit dem Grundstücksverkauf. Von diesem Augenblick an lagen die praktischen Maßnahmen zur Begrünung und die Entscheidung darüber in einer Hand, nämlich in der des SVR bzw. KVR. Beratend wurden weiterhin die Kommunen einbezogen, die ja auch in den Gremien des Verbandes vertreten waren. Auch die Landesregierung als Fördermittelgeber war in die Kauf- und Begrünungsentscheidungen einbezogen. Mit der IBA Emscher Park wurden die Entscheidungsstrukturen ein weite- res Mal verändert. Von nun an war - neben den Grundeigentümern - die IBA ein ebenfalls maßgeblicher Entscheidungsträger, weil der so genannte 'IBA-Stempel', also die Anerkennung eines Vorhabens als IBA-Projekt die Voraussetzung für Landes-Fördergelder war. Gesteuert wurde die IBA von einer landeseigenen Planungsgesellschaft, die formell von parlamentarischen Entscheidungen unabhängig war, mit Karl Ganser als Geschäftsführendem Direktor. Ihm zur Seite standen knapp 30 MitarbeiterInnen sowie zunächst sechs Direktoren, die zur Halb- zeit durch 18 "Korrespondenten" ersetzt wurden. Hinzu kamen 1007 SVR (1966), S.30 8. Begrünungsaktion Ruhrgebiet und Emscher Landschaftspark 295 - der Aufsichtsrat, der aus vier Vertretern der Landesregierung und einer Arbeitnehmervertreterin bestand; - das Kuratorium unter Leitung des NRW-Ministerpräsidenten Johannes Rau, in dem "Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens" mitarbeiteten, die "die Bauausstellung fördern und ihre Präsentation unterstützen"; - der Lenkungsausschuss, in dem die Landesregierung (11 Sitze), die Bundesregierung (1 Sitz), die Kommunen (9), der Kommunalverband (1) und die Emschergenossenschaft (1), Unternehmen (3) und Wirt- schaftsorganisationen (3), Gewerkschaften (2) sowie die Bereiche Planung, Architektur, Naturschutz und Wissenschaft (7) vertreten wa- ren. Dieser Lenkungsausschuss war das offizielle Entscheidungsgre- mium, das "über die Aufnahme von Projekten und die Entwicklung der IBA insgesamt" zu entscheiden hatte;1008 - sieben IKAGs, d.h. für jeden Nord-Süd-Grünzug gab es eine Interkom- munale Arbeitsgemeinschaft, in der Vertreter der an dem regionalen Grünzug beteiligten Kommunen sowie ein Planungsbüro zusammen- gearbeitet haben.1009 Den praktischen Start der IBA bildete ein offener Projektaufruf, der von Kommunen, Unternehmen, Vereinen und Verbänden sowie von Bewohne- rInnen des Ruhrgebietes wahrgenommen wurde. Mehrere hundert Pro- jektvorschläge wurden eingereicht, deren genaue Zahl meines Wissens letztlich nie ermittelt wurde. Das Auswahlverfahren war für die interessierte Öffentlichkeit nicht transparent. Äußerst wichtig für die Auswahlentschei- dungen war der Geschäftsführer Karl Ganser, auch wenn er - formal be- trachtet - dem Lenkungsausschuss nur Beschlussvorschläge vorlegte, der dann die maßgeblichen Entscheidungen traf. Zu beachten ist, dass für jedes Projekt nicht nur ein Beschluss, sondern eine ganze Reihe von Ent- scheidungen zu treffen waren, an denen neben der IBA Emscher Park auch das Landesministerium für Stadtentwicklung oder das Landesum- weltministerium als Fördermittelgeber, die Kommunen sowie die Grundei- gentümer und Projektträger beteiligt waren. Bei vielen Projekten, wie beim Landschaftspark Duisburg-Nord, begann die Arbeit mit einem Wettbewerb, der manchmal öffentlich, manchmal be- schränkt war und in dem Planungsteams Ideen und erste Pläne vorlegten. Nach den Urteilen der Preisgerichte wurde über die Wettbewerbsergeb- nisse bei der IBA, in den Kommunen, nicht zuletzt in den Kommunalpar- lamenten und bei den Projektträgern weiter beraten. Dort wurde das schließlich zu verfolgende Konzept beschlossen, bevor Aufträge zur ge- nauen Ausarbeitung und Realisierung vergeben wurden.1010 In mehreren Fällen, so auch beim Landschaftspark Duisburg-Nord, fanden intensive Bürgerbeteiligungen statt, die weit über die üblichen Beteiligun- gen an der Bauleitplanung hinausgingen. Ein besonderes Beispiel ist die Halde Graf Schwerin in Castrop-Rauxel. Hier fand eine Ideenwerkstatt nicht nur für ausgewählte Künstler, sondern auch für interessierte Anwoh- ner statt. Daran schloss sich ein gemeinsamer Workshop von Künstlern, Anwohnern und der Jury an. Nach einer weiteren Diskussion der Work- shop-Ergebnisse im Rat hat dann die Stadt die Aufträge zur konkreten 1008 IBA (Hg.) (1996): Werkstatt für die Zukunft von Industrieregionen. Memorandum der Internationalen Bauausstellung Emscher Park 1996-1999, Gelsenkirchen, S.56-65 1009 Oldengott, Martin (1994): Neue Form der Zusammenarbeit: Grünzug F, in: Garten + Landschaft, 104.Jg. (1994), Heft 7, S.25-28 1010 vgl. z.B.: Forßmann, Jörg (1991): Landschaftspark Duisburg-Nord, in: Garten + Land- schaft, 101.Jg. (1991), Heft 10, S.20-24 8. Begrünungsaktion Ruhrgebiet und Emscher Landschaftspark 296 Planung und Realisierung vergeben.1011 Vergleichbar bürgernah waren auch die Planungen für den Mechtenberg im Städtedreieck Essen, Gelsenkirchen und Bochum. Auch wenn eine intensive Bürgerbeteiligung letztlich nur für wenige Park- projekte veranstaltet wurde, waren mit dem Lenkungsausschuss, den Kommunen, den Projektträgern und den Preisgerichten zahlenmäßig viele Akteure, die zugleich viele gesellschaftliche Gruppen repräsentierten, für die Entscheidungen verantwortlich. Insofern konnten sich die IBA-Park- projekte auf eine breite gesellschaftliche Zustimmung stützen, so dass im Nachhinein auch niemand offen dagegen auftreten kann. Wenn man die Nutzer und die Entscheidungsträger vergleicht, zeigen sich mehrere Überschneidungen. Für die Halden, Deponien und Altlasten gilt, dass die Entscheidungsträger in Gestalt der Betreiber, Eigentümer oder Verursacher zugleich die wich- tigsten Nutznießer der Begrünung sind, die ihnen andere, technische Maßnahmen zur Sicherung und Entgiftung ersparen. Die erholungsuchenden Nutzer hingegen sind an den Entscheidungen über die Begrünung unmittelbar nicht beteiligt. Eine Ausnahme sind einzelne Einrichtungen wie der Landschaftspark Duisburg-Nord, dessen Anwohner sich zu einem Verein zusammengeschlossen haben, der auf die Entwicklung des Landschaftsparks Einfluss zu nehmen versucht. Auch bei den anderen Parkanlagen der IBA EmscherPark konnten die Anwohner einen indirekten Einfluss ausüben, vor allem im Rahmen von Informationsveranstaltungen und vereinzelten Workshops. Die Belange der Erholungsuchenden wurden allerdings nur insofern berücksichtigt, wie sie von den beteiligten Experten, den Planern, Jurymitgliedern, Verwal- tungsvertretern und Lokalpolitikern, vertreten wurden. Der Zuspruch, den die Anlagen in den letzten Jahren erfahren haben, ist ein deutlich positives Indiz. Diese Beteiligung und Berücksichtigung galt aber nur für den Aufbau der einzelnen Anlagen, nicht für ihren Betrieb. Daher konnte auch nicht ver- hindert werden, dass der Landschaftspark Duisburg-Nord eine Teilfläche an ein nicht unbekanntes Möbelhaus verloren hat - hoffentlich nicht der Anfang eines Erosionsprozesses. 8.5. Regelwerk und Instrumente Bei den verschiedenen Begrünungsaktionen, die man auch als Revitalisie- rung von Brachflächen bezeichnen kann, kamen vor allem leistungspoliti- sche Instrumente, also Fördermittel, und organisatorische Maßnahmen, wie die Gründung von Institutionen mit bestimmten Kompetenzen, zum Einsatz. Seit dem Ende der 1960er Jahre spielten aber auch ordnungspo- litische Instrumente, wie Gebote und Verbote, eine wichtige Rolle. 8.5.1. Ordnungspolitische Aspekte Nachdem der SVR schon 1959 und erneut 1966 ein Merkblatt über "die Schüttung und Begrünung von Halden" veröffentlicht hatte,1012 hat die 1011 Walz, Manfred (1999): Kunstlandschaften - Zerstören oder besetzen?, in: Müller, Sebastian, und Rita A. Herrmann (Hg.) (1999): Inszenierter Fortschritt. Die Emscher- region und ihre Bauausstellung, Bielefeld, S.73-88, hier: S.81 f 8. Begrünungsaktion Ruhrgebiet und Emscher Landschaftspark 297 Landesregierung 1967 eine förmliche Richtlinie für die Neuanlage und Erweiterung von Bergehalden erlassen, um den schlimmsten Umwelt- problemen der bisherigen Schüttungen entgegenzuwirken. Nach diesen Vorgaben, die seitdem mehrfach weiterentwickelt wurden, sollten Halden zunächst als "terrassierte Tafelberge" und später als "Landschaftsbau- werke" gestaltet werden. Seitdem war auch ihre Begrünung Pflicht. Diese musste im Rahmen von Betriebsplänen umgesetzt und von der Bergauf- sicht kontrolliert werden.1013 Für den Aufbau von Deponien erschien 1969 das erste Merkblatt, dem mehrere verbesserte Regelwerke folgten.1014 Für die Freiraumpolitik ist wichtig, dass diese Richtlinien und Regelwerke in jedem Fall die abschließende Begrünung von Halden und Deponien vorschreiben. Praktisch wurden diese ordnungsrechtlichen Regelungen allerdings durch leistungspolitische Angebote ergänzt. Vergleichbare Regelungen für andere Brachflächen bestanden nicht.1015 Das wichtigste, allerdings hinderliche Instrument zum Schutz von begrün- ten Brachflächen war der Waldschutz durch das Landesforstgesetz von 1969. Darin wurde der Waldbegriff auf "jede mit Waldbäumen bestockte Fläche" (§ 1 Abs.1) ausgedehnt, unabhängig davon, ob sie "zur Erzeugung von Holz dient oder dazu bestimmt ist",1016 was zuvor für die Waldei- genschaft entscheidend war. Durch diese Regelung wurde, wie oben schon erwähnt, der Bewuchs auf Brachflächen allerdings nicht geschützt. Stattdessen haben die montanindustriellen Flächeneigentümer den Auf- wuchs regelmäßig beseitigt, um die Entstehung von Wald zu verhindern. Um den Brachflächenbewuchs wirksamer zu schützen, wurde daher die ordnungspolitische Regelung nicht etwa verschärft, sondern gelockert. In das Landschaftsgesetz und in das Landesforstgesetz wurde die "Natur auf Zeit" eingeführt. Danach erhalten die Eigentümer von brachliegenden In- dustrie- oder Gewerbeflächen das Recht, den zwischenzeitlichen Pflan- zenbewuchs zu beseitigen, wenn die Flächen wieder industriell oder ge- werblich genutzt werden. Einerseits werden die Flächeneigentümer da- durch von der Pflicht zur Ersatzaufforstung befreit, was ökologisch nachteilig ist, während sie andererseits dazu bewogen werden, die spon- tane Begrünung ihrer Brachflächen auf unbestimmte Zeit zuzulassen, was ökologisch vorteilhaft ist. 1012 in: SVR (1959), S.39 f; SVR (1966), S.47 f 1013 Zulassung von Bergehalden im Bereich der Bergaufsicht. RdErl. vom 4.9.1967, MBl. NRW 1967. S.1689; Richtlinien für die Zulassung von Bergehalden im Bereich der Bergaufsicht. RdErl. vom 13.7.1984, MBl. NRW 1984, S.931; Landesoberbergamt Nordrhein-Westfalen (1985): Grundsätze für die Anlegung und Wiedernutzbarmachung von Bergehalden im Bereich der Bergaufsicht. Rdvfg. vom 28.06.1985 - Az. 51.1.11-8 (SB 1. A 2.19); Landesoberbergamt Nordrhein-Westfalen (1991): Grundsätze für die Anlegung und Wiedernutzbarmachung von Bergehalden des Steinkohlenbergbaus. Rdvfg. vom 22.7.1991 - Az. 19.6-11-2 1014 MUNLV (o.J. - 2005): Deponiestatusbericht Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, S.48 ff 1015 Die Pflanzgebote aufgrund des Baugesetzbuches und des Landschaftgesetzes haben weniger den Zweck, eine Begrünung durchzusetzen, als vielmehr die Anpflanzungen in Bebauungsplan-Gebieten zu ordnen; § 178 Pflanzgebot und § 179 Rückbau- und Entsiegelungsgebot - Baugesetzbuch (BauGB) in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. September 2004 (BGBl. I S.2414), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 21. Dezember 2006 (BGBl. I S.3316) 1016 Diese Definition war enthalten in der Ersten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zum Schutz des Waldes (Waldschutzverordnung) vom 28. November 1950, GV.NW S.195 8. Begrünungsaktion Ruhrgebiet und Emscher Landschaftspark 298 8.5.2. Leistungspolitische Aspekte Von Anfang an kamen leistungspolitische Instrumente zur Förderung der Begrünung zum Einsatz. Dies gilt bereits für die Bepflanzung von Bahndämmen in den 1920er Jah- ren, als die Reichsbahnverwaltung, der SVR und die Kommunen die Kos- ten untereinander aufgeteilt haben. Allerdings lässt sich bei dieser Aktion nicht unterscheiden, wer wen gefördert hat. Bei der Bahndammbegrünung in den 1970er und 1980er Jahren wurden die Kosten gedrittelt, indem die Landesregierung, der Verband und die Bundesbahn jährlich jeweils 200.000 DM bereitgestellt haben. Die Kom- munen mussten sich an diesen Anpflanzungen nicht mehr beteiligen. Auch für die anderen Begrünungsaktionen nach dem Zweiten Weltkrieg hat im wesentlichen das Land Nordrhein-Westfalen Fördermittel zur Verfügung gestellt, die zeitweise um Gelder des SVR aufgestockt wurden. Diese Fördermittel kamen Kommunen und Unternehmen zugute, die im allgemeinen die Arbeitskosten für die Anpflanzungen übernehmen muss- ten. Diese Förderung hat das Land Anfang der 1980er Jahre eingestellt. Danach bot die Landesregierung ein besonderes Haldenaufkaufprogramm an, um den Erwerb von Halden durch den KVR zu fördern, nachdem sie die Kommunen und den Verband schon seit den 1950er Jahren beim Er- werb von Grünflächen unterstützt hatte. Mit dem Start der IBA Emscher Park wurden solche und ähnliche Förder- maßnahmen in einem neuen Programm, dem Ökologieprogramm Em- scher-Lippe (ÖPEL) gebündelt. Daraus wurden die landschaftsgestalten- den Maßnahmen der IBA zu bis zu 80 Prozent gefördert. Auch nach Ab- schluss der IBA wurde das "ÖPEL" von der Landesregierung weitergeführt. 8.5.3. Organisatorische Aspekte Zu den ersten organisatorischen Maßnahmen gehört - nach der Gründung des SVR - die Verwaltungsvereinbarung zwischen dem SVR und der Reichsbahnverwaltung in den 1920er Jahren. Hierdurch wurden - projekt- bezogen - feste Kooperationsstrukturen zwischen diesen beiden Akteuren und der jeweiligen Kommune geschaffen. Dieses Modell wird in den 1970er und 1980er Jahren durch eine neuerliche Verwaltungsvereinbarung zwischen der Bundesbahndirektion Essen und dem SVR wieder auf- genommen, mit der Landesregierung als weiterem Partner und Geldgeber. Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg gibt es ein 'intermediäres Intermezzo': Die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW), keine Behörde, sondern ein Verein, dem neben Forstleuten, Verwaltungsbeamten und Lehrern auch Unternehmen der Montanindustrie angehörten, erhält den Auftrag zur Organisation der Haldenbegrünung. Das bedeutete praktisch, dass die SDW ihre bergbaulichen Mitglieder dazu bewegen sollte, den damals ver- breiteten Forderungen nach Aufforstungen auf ihren eigenen Flächen auch Taten folgen zu lassen. Ab 1958 war der Verband der alleinige Organisator und hat bei seinen Begrünungsaktionen immer wieder neue Kooperationen mit den jeweiligen Grundeigentümern, zumeist Kommunen oder Bergbauunternehmen, auf- gebaut. Das Planungs- und Auswahlverfahren war kooperativ: "In Zusam- menarbeit mit Stadtverwaltungen und interessierten Grundeigentümern" sowie in "enger Zusammenarbeit mit Zechen und Hütten" wurden loh- 8. Begrünungsaktion Ruhrgebiet und Emscher Landschaftspark 299 nenswerte Flächen ausgewählt, und "nach gemeinsamer Planung" wurde die jeweilige Begrünung realisiert.1017 Auch wenn diese Kooperationen noch nicht so bezeichnet wurden, handelte es sich bereits um Formen von Public-Private-Partnership zu Gunsten der Begrünung. Diese Partner- schaften haben Abhaldungen im einseitigen Interesse von Bergbauunter- nehmen, die das Haldenmaterial gewinnbringend an den Straßenbau ver- kauft haben,1018 allerdings noch nicht verhindern können. Für Rückschläge bei der Begrünung war also das unternehmerische Privateigentum an den Haldengrundstücken verantwortlich. In der Folgezeit wurden die Beziehungen wieder vereinfacht, insofern der Verband - nachdem die Umsetzung des jeweiligen Haldenbetriebsplanes abgeschlossen war - als Käufer von Halden auftrat und die weitere Begrü- nung in eine weitgehend verbandsinterne Angelegenheit verwandelte. Mit dem Start der IBA Emscher Park wurde jedoch die Komplexität der organisatorischen Strukturen erheblich erhöht: - Die erste Maßnahme bestand in der Gründung der IBA Emscher Park GmbH mit ihrer Geschäftsführung, ihren MitarbeiterInnen, ihrem Di- rektorium, das zur Halbzeit durch so genannte Korrespondenten er- setzt wurde, und ihren Gremien. Hierzu gehörten der Aufsichtsrat, das Kuratorium und der Lenkungsausschuss als förmliche Entschei- dungsinstanz. Von landesparlamentarischen Entscheidungen war die IBA als GmbH formell unabhängig. - Weitere feste Strukturen waren die Zusammenarbeit zwischen der IBA und dem KVR sowie die bereits erwähnten Interkommunalen Ar- beitsgemeinschaften (IKAGs) für die einzelnen regionalen Grünzüge, in denen Vertreter der an dem regionalen Grünzug beteiligten Kom- munen sowie ein Planungsbüro zusammengearbeitet haben. - Temporäre Strukturen waren Werkstätten bzw. Workshops, Wettbe- werbe und ihre Preisgerichte sowie verschiedene Veranstaltungen zur Bürgerbeteiligung. - Hinzu kam natürlich die Zusammenarbeit der IBA mit den Projektträ- gern, bei der in Form von Verträgen besondere Qualitätskriterien fest- gelegt wurden. Darüber hinaus haben interessierte BewohnerInnen des Ruhrgebietes eigene Vereine gegründet, um auf die IBA, ihre Projektauswahl und auf die Entwicklung einzelner Projekte Einfluss zu nehmen. Für die Parkent- wicklung oder einzelne Parkelemente haben sich vor allem folgende Ver- eine eingesetzt: - Förderverein Teutoburgia und Kunstverein Teutoburgia in Herne, - Duisburger Interessengemeinschaft Nordpark, in der mehrere Ver- bände und Vereine zusammengeschlossen sind, wie z.B. das Ge- schichtszentrum Hüttenbetrieb und der Deutsche Alpenverein, Sektion Duisburg, - Erin-Förderturmverein in Castrop-Rauxel, - Gesundheitspark Quellenbusch e.V. in Bottrop, - Stadtpark Rolandhalde e.V. in Oberhausen, - Förderverein Bergbau- und Industriegeschichte Recklinghausen e.V. und der - Grabelandverein "Grüne Aue e.V." in der Gartenstadt Seseke-Aue in Kamen. 1017 SVR (1958), S.26; SVR (1959), S.22; SVR (1961), S.80-82 1018 SVR (1966), S.30 8. Begrünungsaktion Ruhrgebiet und Emscher Landschaftspark 300 Hinzu kam der "Initiativkreis Emscherregion e.V.", kurz "IBA von unten" genannt, in dem sich verschiedene Initiativen aus dem 'alternativen' Spekt- rum zusammengeschlossen hatten und der auf mehreren Konferenzen auf Defizite der IBA hingewiesen hat.1019 Nach Abschluss der Planung und der Baumaßnahmen gingen die meisten Parkanlagen in die Trägerschaft der Kommunen über und werden seitdem genauso wie die Stadtparks von den zuständigen kommunalen Ämtern oder Betrieben betreut. Einige Kommunen haben eigene Gesellschaften gegründet, die die Parkverwaltung übernehmen, genauso wie der KVR bzw. der jetzige RVR die Betreuung der Halden der eigenbetriebsähnlichen Ruhr Grün GmbH übertragen hat. Hinzu kommen die oben genannten Vereine, die in unterschiedlichem Umfang an der Parkbetreuung beteiligt sind. 8.6. Ergebnisse Während seit der Industrialisierung immer mehr Freiraum in Siedlungsflä- che umgewandelt wird, wird zugleich die verbrauchte Landschaft in Gestalt von Brachflächen, Mülldeponien und Abraumhalden aus dem Pro- duktionsprozess wieder ausgeschieden. Immerhin wurde bereits Ende des 19. Jahrhunderts begonnen, Halden zu begrünen, vermutlich, um ihre Böschungen zu befestigen. Seitdem haben die Versuche, die verbrauchte Landschaft zu revitalisieren und als Frei- raum zurückzugewinnen, vier Phasen durchlaufen: - die Bepflanzung von Bahndämmen seit den 1920er Jahren, - die Begrünungsaktion Ruhrgebiet und die Haldenbegrünung nach dem Zweiten Weltkrieg, - die Verbindung von Grunderwerb und Landschaftsentwicklung durch den SVR bzw. KVR seit dem Ende der 1960er Jahre und - der Wiederaufbau von Landschaft im Emscher Landschaftspark seit 1989. Die begrünten Objekte erfüllen mehrere Funktionen. In allen Fällen geht es um die ästhetische Verbesserung des Landschaftsbildes. Darunter wurde zunächst eine Annäherung an die Landschaftsbilder im Umfeld des Ruhrgebietes verstanden, weshalb z.B. Halden wie natürliche Hügel ge- staltet werden sollten. Während der Internationalen Bauausstellung Em- scher Park wurde dieses Verständnis problematisiert. Seitdem werden Bergehalden und Altlastendeponien in der Form von Pyramiden aufge- schüttet, werden Haldengipfel durch künstlerische Stahlkonstruktionen oder Lichtinstallationen überhöht und Gebäudetrümmer sowie andere Re- likte der Montanindustrie zu neuen Kunstwerken montiert. Ganz ähnlich wie zu Beginn der Industrialisierung die unwirtlichen bis unheimlichen Hei- delandschaften in romantische Naturschutzobjekte umgewandelt worden sind, so werden jetzt die Ruderalvegetation und die "wilden" Wälder auf Brachflächen als "Industrienaturen" aufgewertet. Die künstlerische Um-Gestaltung und Um-Interpretation von Halden, De- ponien und anderen Brachen dient aber nicht nur der Landschaftsver- 1019 Diedrich, Lisa, Harry Lausch und Marie-Rose Joos (1994): Verpaßt die IBA ihre Chancen, in: Garten + Landschaft, 104.Jg. (1994), Heft 7, S.35-36; Albertz, Karhoff, Müller und Wilke (Hg.) (1997) 8. Begrünungsaktion Ruhrgebiet und Emscher Landschaftspark 301 schönerung, sondern auch der Entsorgungs- und Camouflage-Funktion, Müll, Abraum und Altlasten zu verstecken. Besondere Beispiele hierfür sind der Prosperhügel in Bottrop, die irische Landschaft in Castrop-Rauxel und der Spiralberg in Gelsenkirchen. Bis in die 1970er Jahre sind die Begrünungen ausnahmslos auf Förder- maßnahmen zurückzuführen: angefangen mit dem Gemeinschaftswerk von Reichsbahn, SVR und Kommunen zur Bahndammbepflanzung über die Förderprogramme der Landesregierung zur Haldenbegrünung und für die Begrünungsaktion Ruhrkohlenbezirk bis zum heutigen Ökologieprogramm Emscher-Lippe (ÖPEL). Erst später wurden ordnungspolitische Instrumente entwickelt. Seit 1967 gibt es Richtlinien für den Aufbau und die Gestaltung von Bergehalden, die bei den Haldenbetriebsplänen beachtet werden müssen und schrittweise weiterentwickelt wurden. 1969 erschien das erste Merkblatt über den Aufbau von Deponien, dem mehrere verbesserte Regelwerke folgten. Für die Freiraumpolitik ist wichtig, dass diese Richtlinien und Regelwerke in jedem Fall die abschließende Begrünung von Halden und Deponien vorschreiben. Besondere Gestaltungsmaßnahmen oder künstlerische In- stallationen gehen natürlich über die ordnungspolitischen Möglichkeiten hinaus und können, wie während der IBA, nur mit zusätzlichen Fördermit- teln realisiert werden. Natürlich bedarf es passender organisatorischer Maßnahmen, um die ord- nungspolitisch geforderten und leistungspolitisch geförderten Begrünungen auch umzusetzen. Für kleinere Projekte reichen Verwaltungsvereinba- rungen, d.h. Verträge zwischen den kooperierenden Behörden, aus. An- sonsten sind Planfeststellungs- und Betriebsplanverfahren erforderlich, an denen betroffene Behörden und fachlich zuständige Bundes- und Lan- desinstitute beteiligt werden müssen, während Bürger und bürgerschaftli- che Organisationen eine untergeordnete Rolle spielen. Im Rahmen der IBA wurden diese Verfahren modifiziert, insofern sämtliche IBA-Gremien, viele - teilweise internationale - Experten und häufig auch AnwohnerInnen beteiligt wurden, allerdings nicht um die übliche Begrü- nung, sondern um eine besondere Gestaltung zu erreichen. Inzwischen fungiert der RVR, genauer: seine Ruhr Grün GmbH, als Träger der Halden. Alle anderen neuen Parks werden zumeist von den Kommu- nen, d.h. den zuständigen kommunalen Ämtern oder Betrieben betreut. In einigen Fällen sind aber auch Vereine von interessierten Anwohnern an der Parkverwaltung beteiligt, die vereinzelt sogar die Hauptverantwortung tragen. Aus der Sicht des Common-Property-Ansatzes ergibt sich ein zwiespältiges Bild. Wenn man von den wenigen, von Nutzerzusammenschlüssen, d.h. Vereinen getragenen Einrichtungen absieht, kann man die neuen Parks nicht als Common-Property-Institutionen bezeichnen. Seit Fertigstellung der Anlagen sind die NutzerInnen nicht unmittelbar, sondern bestenfalls indirekt über ihre Rolle als WählerInnen an den park-relevanten Entscheidungen beteiligt. Die Kommunalparlamente und die Verbandsver- sammlung fällen die maßgeblichen Beschlüsse. Die neuen Parkanlagen haben die gleiche Stellung wie Stadtparks. Dass auf einem Teil des Land- schaftsparks Duisburg-Nord eine Möbelfirma angesiedelt wurde, ist daher nicht überraschend. Bezogen auf die Parkentwicklung im Rahmen der IBA kann man aber von einen hohem Grad von "common decisions" sprechen, also von einer gro- 8. Begrünungsaktion Ruhrgebiet und Emscher Landschaftspark 302 ßen Zahl von Beteiligten, die einen breiten regional-gesellschaftlichen Konsens repräsentieren. Nichtsdestotrotz: was die neuen Freiräume auf absehbare Zeit vor dem Zugriff durch andere Nutzungen schützt, das sind die statischen Probleme, die eventuelle Baumaßnahmen auf Halden und Deponien verhindern, sowie ihre Camouflage-Funktion für die in ihnen versteckten Altlasten. 9. Zusammenfassung: Freiraumschutz durch Common-Property-Institutionen? 303 9. Zusammenfassung: Freiraumschutz durch Common-Property-Institutionen? Als die Bodennutzung zwischen 1822 und 1835 zum erstenmal quantitativ erhoben wurde, wurden im Kern-Ruhrgebiet noch mehr als 60 Prozent aller Flächen als Acker- und Gartenland, Wiesen und Weiden genutzt. Heute ist es nur noch ein gutes Viertel. Waldflächen hatten damals einen Anteil von 21 Prozent. Heute sind es immerhin wieder fast 17 Prozent. Das so genannte Ödland nahm fast 14 Prozent der Flächen ein, hatte aber in Gestalt von teilweise verheideten Flächen, die gemeinschaftlich als Viehweide und zur Holzgewinnung genutzt wurden, noch einen land- und forstwirtschaftlichen Charakter, ganz anders als die heutigen Halden, In- dustriebrachen und anderweitig ungenutzten Flächen, die zusammen 3 Prozent ausmachen. Wege und Gewässer haben ihren Flächenanteil von 2,5 auf fast 16 Prozent gesteigert, und die bebauten Flächen sind von 1,1 Prozent auf über 30 Prozent gestiegen. Tabelle 9.1. Flächennutzung im Kern-Ruhrgebiet 1822/35 und 2008 1822/35 2008 Nutzungsart Fläche (ha) Anteil (%) Anteil (%) Fläche (ha) Nutzungsart Landwirtschaftliche Nutzfläche 128.131 62,2 27,4 56.216 Landwirtschaftsfläche Forst 42.613 20,7 16,6 34.185 Waldfläche Ödland 27.745 13,5 3,0 6.159 Brachen insgesamt 5,6 11.409 Erholungsfläche Wege und Gewässer 5.108 2,5 12,5 25.677 Verkehrsfläche 3,4 6.983 Wasserfläche Bebaut 2.284 1,1 29,1 59.873 Gebäude und Freifläche 1,1 2.233 Betriebsfläche 1,3 2.733 Flächen anderer Nutzung insgesamt 205.881 100,0 100,0 205.468 insgesamt Quellen: Meier (1961), Tabelle II; LDS NRW (2008a); eigene Berechnungen Die mit diesem Landschaftswandel verbundenen Freiraumverluste wurden in einigen Städten im Ruhrgebiet bereits um 1860 als Problem angesehen, das Gegenmaßnahmen erforderte. Ähnlich war das Problembewusstsein in Ballungsräumen wie New York, Wien oder Berlin. Demgegenüber sind die Freiraumverluste in Nordrhein-Westfalen erst seit den 1970er Jahren ein landespolitisches Thema, als das Landschaftsge- setz debattiert wurde, während der Bundestag und die Bundesregierung erst seit 1997 und 1998 einen Handlungsbedarf sehen, als der eine den bundesweiten Freiraumverbrauch von 120 Hektar bis 2010 auf 12 Hektar, die andere bis 2020 auf 30 Hektar pro Tag reduzieren wollte. Seitdem hat sich auf der Bundes- und Landesebene praktisch nichts ge- ändert. Strittig sind nach wie vor die erforderlichen Maßnahmen, obwohl - wie der Bundestagsausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgen- abschätzung feststellte - das Problem 9. Zusammenfassung: Freiraumschutz durch Common-Property-Institutionen? 304 "nicht auf das Fehlen effizienter planerischer Instrumente zurückzuführen (ist), sondern auf den mangelnden politischen Willen der Akteure, diese anzuwenden." 1020 In der politischen Diskussion und in diesbezüglichen Gutachten stehen drei verschiedene Typen von Handlungsoptionen. Sie reichen von schärferen planungs- und ordnungsrechtlichen Ansätzen, z.B. Flächenobergrenzen, die von den Aufsichtsbehörden gegenüber den Kommunen verbindlich durchgesetzt werden müssten, über steuer- und abgabenpolitische Instrumente, z.B. Versiegelungsabgaben, bis zu Privatisierungsmaßnah- men, z.B. handelbare Flächennutzungsrechte. 9.1. Commons - Problem oder Lösungsansatz ? Die Einschätzung, die diesen Vorschlägen zugrunde liegt, sieht in der Umwelt und in ihren Bestandteilen ein öffentliches Gut, das niemandem gehört und deshalb von allen vergeudet wird. Im Jahr 1996 erinnerte die damalige Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung in ihrem Städtebaulichen Bericht an die entsprechende These von der "Tragik der Allmende", die der Ökologe Garrett Hardin 1968 in den USA aufgestellt und öffentlichkeitswirksam vertreten hatte. Ein historischer Rückblick zeigt, dass diese These in Deutschland bereits seit dem 18. Jahrhundert 'hegemonialen' Charakter hat, seitdem Landesherren wie Friedrich II. von Preußen die Teilung von Allmenden, Marken oder Gemeinheiten betrieben. Wenn die verschiedenen Umweltprobleme ihre Ursache wirklich in der skizzierten "Tragik" haben, dann scheinen zu ihrer Lösung entweder die Privatisierung von Umweltressourcen, wie beim Kohlendioxid-Emissions- handel, oder direkte und indirekte staatliche Eingriffe nötig zu sein, wie Verbote, finanzielle Abgaben oder Fördermittel. Die Debatte über die "Tragedy of the Commons" löste in den USA und anderen Ländern eine umfangreiche empirische Erforschung von Com- mons, von Allmende- oder Gemeinschaftsgütern wie Fischvorkommen, Weiden oder Wäldern aus, insbesondere in der Dritten Welt. Das Ergebnis war die Entdeckung von mehreren Merkmalen, die stabile Common-Pro- perty-Institutionen aufweisen. Diese Merkmale geben an, unter welchen Umständen Umweltressourcen von größeren Gruppen von Menschen ge- nutzt werden können, ohne dabei übernutzt zu werden. Zu den wichtigsten Merkmalen gehört, - dass diese Ressourcen ihren Nutzern bestimmte Leistungen erbrin- gen, dass diese Leistungen für die Nutzer wichtig sind und dass die Nutzer die Leistungsgrenzen kennen, also den Punkt, an dem die Nutzung in die Zerstörung umschlägt. - dass die Nutzer, also die Menschen, die an der dauerhaften Nutzbar- keit der Ressorce interessiert sind, auch die Entscheidungen über das Schicksal der Ressource treffen können. - dass ein Regelwerk und Strukturen zur Lösung von Nutzungskonflikten vorliegen. Da man auch den Freiraum als ein öffentliches Gut, genauer: als ein Gut mit einem hohen Öffentlichkeitsgrad ansehen kann, das zur selben Zeit von größeren Gruppen von Menschen genutzt werden kann, stellt sich die Frage nach der Anwendbarkeit des Common-Property-Ansatzes. Dabei 1020 Ausschuss (2007), S.8 und S.125 9. Zusammenfassung: Freiraumschutz durch Common-Property-Institutionen? 305 geht es zunächst noch nicht um eine freiraumpolitische Strategie, sondern um einen Rückblick und um eine Analyse: die Interpretation und Erklärung der Freiraumentwicklung aus der Sicht des Common-Property-Ansatzes. Zu fragen ist, ob sich in den verschiedenen Freiraumtypen Common-Pro- perty-Merkmale wiederfinden lassen und inwieweit diese vielleicht mit der Stabilität der betreffenden Freiräume zusammentreffen. 9.2. Freiraumverluste und ihre Gegenbewegungen im Ruhrgebiet von 1822 bis 2008 Ausgangspunkt sind die tatsächlichen Freiraumverluste und ihre Gegen- bewegungen im Ruhrgebiet, die sieben, sich überschneidende Phasen durchlaufen haben: 1. Die erste Phase reichte bis in die 1870er/1880er Jahre. In dieser Zeit sind die Bau- und Verkehrsflächen im Kern-Ruhrgebiet um rund 10.000 Hektar gewachsen. Zugleich fanden umfangreiche Marken- und Gemein- heitsteilungen statt, die unter anderem den privaten Acker- und Gartenflä- chen, Wiesen und Weiden zugute kamen. Dabei haben der Adel und manche Kommunen, z.B. Dortmund, erhebliche Flächengewinne erzielt. Aber auch die Zahl der nunmehr formell selbstständigen Landwirte, dar- unter auch Arbeiterbauern und ehemalige Heuerlinge mit Klein- und Kleinstbesitz, ist gestiegen. Proteste gegen die Separationen, wie die Bo- chumer "Vöderevolution", haben die Teilungen verzögert, aber nicht ver- hindern können. Im Ergebnis sind vor allem Wälder und andere Baumbe- stände geschrumpft und - durch die Parzellierung und Privatisierung des Markenlandes - die Voraussetzungen für die anschließenden Stadterwei- terungen geschaffen worden. 2. In der zweiten Phase, die in den 1860er Jahren begann und ungefähr bis zum ersten Weltkrieg dauerte, haben sich die Bau- und Verkehrsflä- chen verdoppelt und erreichten jetzt einen Flächenanteil von 18 Prozent. Zugleich begannen die industriellen Brachflächen zu wachsen. Die Wälder verloren weitere Flächen, jetzt aber büßte auch die Landwirtschaft mehr als 20.000 Hektar ein und der bis heute andauernde Rückgang der bäuer- lichen Betriebe begann. In dieser Zeit entstand im Ruhrgebiet die erste erfolgreiche Gegenbewegung gegen die in den Städten immer deutlicher spürbaren Freiraumverluste: die Volksgarten- und Stadtparkbewegung. Getragen wurde sie von bürgerschaftlichen Vereinen und Aktiengesell- schaften sowie von einigen Kommunen. Sie erreichten, dass zwischen 1864 und den 1930er Jahren rund hundert öffentliche Stadtparks, Stadt- und Volksgärten im Ruhrgebiet angelegt wurden. Da jedoch die bürger- schaftlichen Gruppen die laufenden Kosten für die Parkpflege nicht auf- bringen konnten, wurden alle Anlagen nach wenigen Jahren von den Kommunen übernommen. 3. Die dritte Phase hatte ihre Anfänge bereits Ende des 19. Jahrhunderts und ihren Schwerpunkt im Ersten Weltkrieg und in der Weimarer Republik. Bau- und Verkehrsflächen sowie industriebedingte Brachen nahmen weiter zu, während Wald- und Agrarflächen zurückgingen. Neben einer Agrarpolitik, die die Landwirte in Notzeiten strengen Lieferpflichten unterwarf und später versuchte, sie vor preissenkenden Importen zu schützen, sind in diesem Zeitraum sechs freiraumpolitische Innovationen bemerkenswert: 9. Zusammenfassung: Freiraumschutz durch Common-Property-Institutionen? 306 - Nachdem es auch im Ruhrgebiet schon Bürger- und Armengärten gegeben hatte und viele Arbeiterfamilien von Landwirten und Indus- trieunternehmen kleinere Parzellen als Feldgärten gepachtet hatten, schlossen sich in den 1890er Jahren die ersten Kleingärtner zu Verei- nen zusammen. Die in Sachsen entstandene Schrebergartenbewe- gung hatte das Ruhrgebiet erreicht. Da sie besonders in den Kriegs- jahren für die Obst- und Gemüseversorgung unverzichtbar waren, wurden sie staatlicherseits durch vorteilhafte Regelungen für die Kleingartenpacht unterstützt. - Nachdem Metropolen, wie New York, Wien und Berlin, mit einer umfassenderen Freiraumpolitik begonnen hatten, zogen Kommunal- und Regierungsvertreter 1910 für das Ruhrgebiet den Aufbau eines "Nationalparks" in Erwägung. Ein Gutachten wurde in Auftrag gege- ben, blieb zunächst folgenlos und bildete zehn Jahre später eine Grundlage für die Einrichtung des Siedlungsverbandes Ruhrkohlen- bezirk, der die Siedlungsentwicklung im Ruhrgebiet koordinieren sollte. Hierfür bekam der Verband unter anderem die Kompetenz, Freiflächen als "Verbandsgrünflächen" festzusetzen und vor Bebauung zu schützen. - Weil allerdings die Wälder weiterhin abnahmen und landesweite Schutzmaßnahmen politisch nicht durchsetzbar waren, erhielt das Ruhrgebiet 1922 ein besonderes Baumschutzgesetz,1021 das weitere Waldverluste zugunsten der Industrie und der Nahrungsmittel produ- zierenden Landwirtschaft jedoch nicht völlig verhindern konnte. - Darüber hinaus bemühte sich der Verband um die Aufforstung geeig- neter Flächen und erreichte in Kooperation mit der Reichsbahn eine umfangreiche Bahndammbegrünung. - Weitere neue Parks wurden angelegt, zunehmend als öffentliche Be- schäftigungsmaßnahme für Erwerbslose. Häufig handelte es sich jetzt um "Volksparks", bei denen die Ausstattung mit Sportanlagen im Vor- dergrund stand. - Schließlich erreichten auch die Gartenschauen das Ruhrgebiet. 1929 wurde mit der Essener "Gruga" die erste gartenkünstlerisch besonders gestaltete Parkanlage eröffnet. 4. Die Zeit des Nationalsozialismus, seine Kriegsvorbereitungen und der Zweite Weltkrieg waren im Ruhrgebiet eine Zeit des freiraumpolitischen Stillstandes und Rückschlages. Die Bau- und Verkehrsflächen nahmen weiter zu, während die Landwirtschaft und die Wälder Flächen verloren. Zugleich wurden die Landwirte einer immer schärferen Zwangswirtschaft unterworfen. Trotzdem haben sich die bäuerlichen Betriebe weitgehend gehalten, während Klein- und Kleinstbetriebe aufgaben. Die Kleingarten- bewegung und die Anlage von Parks gerieten ins Stocken. 5. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war zunächst der Wiederauf- bau angesagt. Bis zum Ende der 1960er Jahre wuchsen die Bau- und Verkehrsflächen um 15.000 Hektar, während die Landwirtschaft in einem ähnlichen Umfang schrumpfte. Die Agrarpolitik setzte zwar den Schutz der Land- und Ernährungswirtschaft vor preissenkenden Importen fort, forderte und förderte aber eine stärkere Produktivitätsentwicklung. Es begann ein Strukturwandel, der Klein- und Mittelbetriebe zum Aufgeben bewog und - bei abnehmenden Flächen - die verbleibenden Betriebe sowie die Produktion wachsen ließ. Demgegenüber erlebte die Kleingartenbewegung nach dem Krieg einen neuen Aufschwung, bevor sich während des 1021 Darüber hinaus war das Baumschutzgesetz auch in anderen Ballungsräumen und in Kurgebieten gültig. 9. Zusammenfassung: Freiraumschutz durch Common-Property-Institutionen? 307 "Wirtschaftswunders" ein Teil der Gartenfreunde wieder zurückzog. Die Wälder verloren noch einmal rund 2.000 Hektar. Mit begrenztem Erfolg und etlichen Rückschlägen bemühte sich der Siedlungsverband um die Begrünung von Halden und anderen industriellen Brachen. Die Park- entwicklung stockte mit Ausnahme der vier großen Gartenschauen, die in Essen und Dortmund stattfanden und dem Wiederaufbau des Gruga-Ge- ländes sowie des Westfalenparkes dienten. 6. Die Wirtschaftskrise gegen Ende der 1960er Jahre brachte einen Um- schwung. Es begann die allmähliche Deindustrialisierung des Ruhrgebie- tes. Während Politik und Verwaltung sich um die Ansiedlung von neuen Einwohnern und Unternehmen bemühten, nahmen die Bau- und Ver- kehrsflächen weiter zu und zwar zu Lasten der Landwirtschaft. Hier war der Produktivitätsfortschritt so erfolgreich, dass Agrarüberschüsse, aber auch Sozialbrachen, wirtschaftlich nicht mehr nutzbare Agrarflächen, ent- standen. Trotzdem nahmen die Produktion und die Tierbestände auf den verbleibenden Betrieben zu, während die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe weiter sank. Auch das Interesse an Kleingärten ließ nach. In die- sen Zeiten hat der Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk zwei Initiativen ergriffen: - Er hat ein regionales Freizeitkonzept mit fünf Revierparks sowie weite- ren Freizeitstätten und -zentren entworfen. Implizit knüpften diese Pläne an die früheren Volksparks an. Die Einrichtungen umfassten vielfältige Spiel- und Sportanlagen sowie Grün- und Gehölzflächen für die Entspannung in der Natur. Insgesamt ein Konzept, das die Naher- holungsmöglichkeiten für die Ruhrgebietsbevölkerung verbesserte. - Seit den 1968er Jahren kauft der Verband Wälder und Grünflächen, Deponien, Halden und Brachen, um sie zu begrünen. Seitdem nehmen die Waldflächen wieder zu. Zuvor hatten Bergbauunternehmen als Eigentümer aufgeforstete Halden immer wieder "abgehaldet", wenn sie den Abraum als Baumaterial verkaufen konnten. Zudem hatten etliche Kommunen die mit Fördermitteln erworbenen Grünflächen für ihre Bodenvorratspolitik genutzt und in Bauland verwandelt. 7. Mit der "Wende" um 1990 beginnt die vorerst letzte, noch laufende Phase der Freiraumentwicklung. Die Siedlungstätigkeit setzt sich fort, aus- nahmslos auf Kosten der Agrarflächen. In der Agrarpolitik beginnt ein Systemwechsel, indem nicht nur der bisherige Schutz vor preissenkenden Importen abgebaut, sondern die Agrarpolitik selbst systematisch die In- landspreise senkt. Direkte Transferzahlungen an die Landwirte sollen die Ertragseinbußen ausgleichen. Gleichzeitig nimmt im Ruhrgebiet die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe weiter ab, und zwar derart, dass jetzt auch die Tierbestände sinken und die Agrarproduktion im Ruhrgebiet zu- rückgeht. Vielfältige lokale und regionale Initiativen zur Stärkung der Ruhrgebietslandwirtschaft durch neue Qualitätsprodukte, neue Dienst- leistungen und öffentlichkeitswirksame Aktivitäten haben noch keine spür- baren Auswirkungen auf den Strukturwandel, geschweige denn auf die Flächenverluste. Demgegenüber ist - ungefähr parallel zur Entwicklung der Arbeitslosigkeit - das Interesse an Kleingärten wieder gestiegen. Parkan- lagen nehmen ebenfalls zu, vor allem seitdem die Internationale Bauaus- stellung Emscher Park den Emscher Landschaftspark als Dachmarke kreiert und darunter eine größere Zahl von örtlichen Landschaftsparks ge- schaffen hat. Auf Industriebrachen wachsen "wilde" Industriewälder heran. 9. Zusammenfassung: Freiraumschutz durch Common-Property-Institutionen? 308 9.3. Freiraumfunktionen im Ruhrgebiet Warum aber zeigen mehrere Freiraumtypen eine, zumindest zeitweise Zunahme, während die Freiraumentwicklung im Ruhrgebiet insgesamt und vor allem die der landwirtschaftlichen Flächen negativ verlaufen ist? Zunächst geht es um die Leistungen oder Funktionen der Freiräume, um ihre Bedeutung für die Nutzer und um die Leistungsgrenzen der Ressource Freiraum. Dabei liegt die Gefahr nicht so sehr in einer quantitativen Übernutzung durch zu viele Erholungsuchende, was etwa mit der Überfi- schung der Kabeljaubestände vergleichbar wäre, sondern darin, dass Frei- räume gleichzeitig mehreren Funktionen dienen und dass diese Frei- raumfunktionen in Konflikt zueinander geraten können. So geht von der Funktion der potenziellen Baulandreserve eine ständige Bedrohung aus, während die anderen Funktionen, die die betrachteten Freiraumtypen er- füllen, zumeist miteinander harmonieren, sich vereinzelt aber auch wider- sprechen. Dies soll der folgende Überblick zeigen. 1. Die größte Vielfalt erreichen die Parkanlagen. Sie dienen der Erho- lung, nicht nur in Gestalt von Spaziergängen. Sie bieten Kindern Möglich- keiten zum Spielen, Klettern, Turnen. Jugendliche und Erwachsene können sich - je nach der Parkausstattung - mehr oder weniger sportlich betätigen. Der früher wichtige Milchausschank und die Trinkwasserkräne spielen heute keine Rolle mehr. Parkanlagen verbessern das Mikroklima und bieten Lebensräume für diverse Tiere. Durch ihre Gestaltung können sie ästhetische Bedürfnisse erfüllen. Ihre Möblierung und ihr Pflanzeninventar erfüllen häufig politisch-symbolische Funktionen und ermöglichen zum Teil zusätzliche Erlebnisse, wie eine weite Aussicht. Von Anfang an haben Parkanlagen auch die touristische Bedeutung, auswärtige Besucher anzulocken und ein positives Image zu erzeugen. Zugleich sind Parkanlagen wichtige Standortfaktoren innerhalb der Städte für 'gehobene' Wohngebiete mit entsprechend hohen Mieten oder Kaufpreisen. Schließlich schaffen Parkanlagen Arbeitsplätze in den Bereichen Garten- bau, Pflege und Verwaltung. In den letzten Jahren ist die für das regionale Image äußerst wichtige Funktion der Tarnung von nicht mehr nutzbaren Restflächen, ja sogar von Altlasten hinzugekommen, gemäß dem Motto: “Es ist alles so schön grün hier". 2. Bei den Kleingärten spielte der Anbau von Obst und Gemüse lange Zeit die entscheidende Rolle und war in Kriegszeiten sogar lebenswichtig. Heute eröffnen Kleingärten - nach etlichen Skandalen in der Ernährungs- wirtschaft - die Chance, kostengünstig unbelastete Lebensmittel zu erzeu- gen. Kleingärten bieten den Kleingärtnerfamilien, aber auch ihren Besu- chern Erholung und Entspannung. Kinder finden Spielmöglichkeiten und können Naturerfahrungen sammeln. Kleingärten können eine Kompensa- tion für eher beengte Wohnverhältnisse und fehlende Hausgärten sein. Das Kleinklima wird verbessert und die umliegenden Wohngebiete werden aufgewertet. In der Weimarer Republik konnten Erwerbslose im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen bei der Anlage neuer Kleingärten beschäftigt werden, heute werden manche 'Tafeln' von Kleingärtnern un- terstützt. Kleingärtnervereine sind Orte der Selbstverwaltung, der Demo- kratie im Kleinen und der Integration. Allerdings beklagen manche Betei- ligte, dass abweichende Meinungen und Pluralität zu wenig geachtet wer- den. 3. Die Verbandsgrünflächen haben aufgrund des jeweiligen Verbandsgesetzes die Aufgabe, der Erholung und - seit 1979 - einem ausgewogenen Naturhaushalt zu dienen. In der politischen Debatte bei der 9. Zusammenfassung: Freiraumschutz durch Common-Property-Institutionen? 309 Verbandsgründung und in der praktischen Verbandsarbeit ist aber deutlich geworden, dass die Verbandsgrünflächen weitere wichtige Funktionen erfüllen. Sie verbessern die lufthygienische Situation und das Kleinklima im Ballungsraum. Sie haben produktive Funktionen, insofern sie land- und forstwirtschaftliche Flächen umfassen, und dienen dem Bodenschutz sowie dem Wasserhaushalt. Für die Siedlungsentwicklung im Ballungsraum haben die Verbandsgrünflächen eine Trenn- und Gliederungsfunktion, bilden aber auch eine Flächenreserve. 4. Wälder haben zunächst die Aufgabe, Holz zu erzeugen und ihren Eigentümern, wenn der Waldbesitz groß genug ist, ein regelmäßiges Ein- kommen und dem kleinen Waldbesitzer ein gelegentliches Einkommen zu verschaffen. Unzureichende Preise und Absatzprobleme sind für die Waldbesitzer ärgerlich und bedeuten, dass die Bäume noch nicht gefällt werden, sondern weiter wachsen und älter werden. Darüber hinaus erfüllen die Wälder - je nach Standort - eine Vielzahl von Schutzfunktionen, die - bei besonderer Bedeutung - seit den 1970er Jahren in Waldfunktionskarten festgehalten sind. Zu diesen Wohlfahrtswirkungen gehören unter anderem der Wasser- und der Immissionsschutz. Angesichts des anthropogenen Treibhauseffektes wird immer wichtiger, dass Bäume Kohlenstoff speichern und Kohlendioxid abbauen. Seit dem allgemeinen Waldbetretungsrecht, das mit dem Landesforstgesetz von 1969 eingeführt wurde, dienen alle Wälder der Erholung. Konflikte treten allerdings auf, wenn Holz geerntet und Bäume gefällt werden, entweder weil an diesen Orten natürlich die Wege zeitweise gesperrt werden müssen oder weil die interessierte Bevölkerung um den Waldbestand fürchtet und protestiert. In den letzten Jahrzehnten wurde eine alte Funktion der Wälder reaktiviert, nämlich die Residualfunktion oder Resteverwertung. Gemeint ist, dass in früheren Zeiten die Wälder auf den Flächen stehen blieben, die für den Garten- und Ackerbau sowie für Gebäude ungeeignet waren. Heute entstehen immer mehr Wälder auf Industriebrachen, Halden und Deponien, die baulich oder wirtschaftlich nicht genutzt werden können. Hinzu kommen Aufforstungen auf Agrarflächen im Rahmen von ökologischen Kom- pensationsmaßnahmen. 5. Die landwirtschaftlichen Flächen dienen vornehmlich der Produktion von Lebensmitteln. Allerdings gehen die Produktivitätssteigerungen einher mit Agrarüberschüssen, Preissenkungen, zeitweiligen Flächenstillegungen sowie mit Konflikten zwischen der landwirtschaftlichen Nutzung und den potenziellen ökologischen Funktionen der Agrarflächen. Fatal ist, dass aufgrund vieler Studien der Konflikt zwischen Landwirtschaft und Umwelt in der Öffentlichkeit inzwischen als Normalfall gilt. Hinzu kommen Probleme zwischen Landwirten und Erholungsuchenden, die durch freilaufende Hunde und gelegentliche Felddiebstähle reale Schäden verursachen und häufig kein Verständnis für landwirtschaftliche Arbeiten haben. Wenn man die Funktionen der untersuchten Freiraumtypen miteinander vergleicht, fallen einige funktionale Unstimmigkeiten und Imageprobleme auf, die vor allem die Agrarflächen betreffen und sicherlich zu den Gründen für ihre Verluste gehören. Demgegenüber tragen die "Resteverwertung" und die Camouflage-Funktion gegenüber Altlasten zum aktuellen Wachstum der Parkanlagen und der Waldflächen bei. 9. Zusammenfassung: Freiraumschutz durch Common-Property-Institutionen? 310 9.4. Der Einfluss der Nutzer auf freiraum-bezogene Entscheidungen Neben der funktionalen Bedeutung einer Ressource liegt ein weiteres wichtiges Merkmal von Common-Property-Institutionen darin, dass die Nutzer, die an der dauerhaften Nutzbarkeit einer Ressource interessiert sind, auch die maßgeblichen Entscheidungen über diese Ressource tref- fen. Dies war und ist beim Freiraum im Ruhrgebiet - von wenigen Aus- nahmen abgesehen - nicht der Fall. Die Ausnahmen waren die bürgerschaftlichen Vereine und Aktiengesell- schaften, die Ende des 19. Jahrhunderts, Anfang des 20. Jahrhunderts die ersten Stadtparks und Volksgärten angelegt haben. Die Vereins- und Ge- sellschaftsmitglieder waren die Entscheidungsträger und es kann ange- nommen werden, dass sie selbst auch die Nutzer ihrer Parks waren. Da aber ihre finanzielle Kraft nicht ausreichte, um die Parkpflege dauerhaft zu bestreiten, wurden alle Parkanlagen früher oder später von den Kommu- nen übernommen. Seitdem sowie aufgrund des Planungsrechtes vom Fluchtliniengesetz bis zum heutigen Baugesetzbuch sind die kommunalen Parlamente die wichtigsten Entscheidungsträger über den Freiraum. Hinzu kommen übergeordnete Behörden, die ebenfalls für etliche Freiraum verbrauchende Planungen verantwortlich sind. Auf deren Entscheidungen haben die betroffenen Freiraumnutzer im all- gemeinen nur einen indirekten Einfluss, z.B. als Wähler oder Leserbrief- schreiber. Darüber hinaus gibt es aber bei jedem Freiraumtyp zusätzliche Mechanismen, die den Einfluss der Nutzergruppen stärken oder schwä- chen. Am einfachsten erscheinen die Verhältnisse bei den städtischen Parkan- lagen. Hier ist die Kommune nicht nur für ihre Stadtplanung zuständig, sondern zugleich auch Park-Eigentümer. In einem Stadtpark ein Theater zu bauen, einen Park zu verkleinern, um eine Straße zu verbreitern, auf einem Teil eines Landschaftsparkes ein Möbelhaus anzusiedeln - damit ist jeweils nur ein Entscheidungsträger, nämlich das kommunale Parlament befasst, auch wenn es innerhalb der Verwaltung Konflikte zwischen den jeweils zuständigen Ämtern geben mag. Dass Freiräume, die zugleich in kommunalem Eigentum stehen, einem großen Risiko von Flächenverlusten ausgesetzt sind, hatte sich bereits in den 1960er Jahren gezeigt, als die Kommunen ein ungefähres Zehntel ihrer mit Fördermitteln erworbenen Grünflächen selbst in Bauland umwandelten. In allen diesen Fällen waren und sind die Parknutzer, vor allem also die Erholungsuchenden in die Ent- scheidungen nicht einbezogen. Komplizierter werden die Verhältnisse, a. wenn Freiflächen nicht der Kommune, sondern einem anderen Eigentümer gehören, b. wenn Freiflächen einen Träger haben, der den Kommunen übergeord- net ist, und c. wenn die Freiflächennutzer über Mitbestimmungsrechte verfügen. Einge idealtypische Konstellationen sollen im folgenden durchgespielt werden. a1. Ein großer Teil der Freiflächen gehört Land- und Forstwirten oder ihren Verpächtern. Für diese land- und forstwirtschaftlichen Flächen bilden kommunale Planungen und Gesetze nur Rahmenbedingungen. Grund- 9. Zusammenfassung: Freiraumschutz durch Common-Property-Institutionen? 311 sätzlich hat nämlich der Grundeigentümer die abschließende Entschei- dungskompetenz inne. Allerdings erleben diese Flächen einen gewaltigen Wertzuwachs, wenn die kommunale Planung an ihrer Stelle ein Baugebiet vorsieht. Einem entsprechenden Kaufangebot durch einen Investor kann sich ein Land- oder Forstwirt bzw. sein Verpächter schwerlich entziehen, was einen Teil der land- und forstwirtschaftlichen Flächenverluste erklärt. Für die Erholungsnutzer gilt, dass sie in diese Planungen und Entschei- dungen nicht wirksam einbezogen sind.1022 a2. Wenn land- oder forstwirtschaftliche Flächen von einer übergeordne- ten Planung im Bereich der Infrastruktur, z.B. von einer Straßenplanung, betroffen sind, kommt es zwar nicht zu einer Bodenwertsteigerung. Wenn aber der Land- oder Forstwirt seine Flächen erhalten will, gerät er unter einen großen politischen Druck, der z.B. von den Befürwortern der neuen Straße ausgeübt wird. Mit Glück findet er die Unterstützung durch einen Umweltverband wie den BUND, mit Glück wird eine solche Planung ge- richtlich gestoppt. Aber zumeist wird die übergeordnete Planung durchge- setzt, was die anderen land- und forstwirtschaftlichen Flächenverluste er- klärt. Der Land- oder Forstwirt sowie die Erholungsuchenden sind auch in diese Planungen nicht einbezogen. a3. Insbesondere seit dem Ende der 1960er Jahren gibt es im Forstbe- reich und bei den Parkanlagen einen neuen Nutzertypus, der Bergbau- und Industrieunternehmen sowie den Regionalverband bzw. seine Vorgänger umfasst. Ihr Nutzen besteht in der temporären Begrünung von Brachflächen, im Erosionsschutz für Halden und Deponien sowie in der Tarnung von Altlasten durch Bäume, die überdies das unternehmerische Image verbessern. Dabei ist der eventuelle unternehmerische Einfluss auf die kommunalen und übergeordneten Entscheidungsträger für die Siche- rung dieser Park- und Waldflächen nicht so wichtig wie die mangelnde Eignung der Böden für anderweitige Nutzungen. b1. Etwas komplizierter ist die Situation der Revierparks. Ihre Träger sind jeweils eigene Gesellschaften, denen der Regionalverband sowie ein bis zwei "Belegenheitskommunen" angehören. Im allgemeinen haben die Re- vierparkgesellschaften ihre Flächen von den Kommunen gepachtet. Diese Struktur bedeutet, dass die Beteiligten durch Verträge miteinander ver- bunden sind. Damit haben sie sich selbst und ihre Vertragspartner gebun- den, woraus eine gewisse Sicherheit für diese Parkanlagen resultiert. Für eine eventuelle Verkleinerung eines Revierparks wäre der Beschluss eines Kommunalparlaments völlig unzureichend. Nötig wäre vielmehr eine Eini- gung zwischen den Gesellschaftern bzw. Vertragspartnern, was prinzipiell allerdings nicht ausgeschlossen werden kann. Anzunehmen ist, dass die Revierparkbesucher, die in die Revierpark-Beiräte berufen worden sind, auf solche Fragen keinen Einfluss haben. b2. Da die meisten Freiräume zugleich Verbandsgrünflächen sind, kommt ein weiteres Sicherungsinstrument zum Tragen. Auch wenn der Verband - anders als bis 1979 - keine Fluchtlinien- oder Bebauungspläne zur Frei- raumsicherung mehr aufstellen und bei der kommunalen Bauleitplanung nur noch als Träger öffentlicher Belange auftreten kann - trotzdem müssen die Kommunen ihre Grünflächen zunächst aus dem Verbandsverzeichnis löschen lassen, bevor sie diese bebauen dürfen. In früheren Zeiten waren bis zu 50 Prozent der für solche Löschungen zuständigen und stimmbe- 1022 Das Rederecht auf Bürgeranhörungen und die Möglichkeit, Bedenken und Anregun- gen vorzubringen, sind keine wirksamen Beteiligungen, da die vorgebrachten Positio- nen von den Entscheidungsträgern bei der so genannten Abwägung zumeist kurzer- hand "weggewogen" werden. 9. Zusammenfassung: Freiraumschutz durch Common-Property-Institutionen? 312 rechtigen Verbandsausschussmitglieder Vertreter von Unternehmen und Wirtschaftsverbänden. Inzwischen haben solche Interessenvertreter nur noch beratende Stimmen, denen immerhin eine ebenfalls beratende Stimme aus Naturschutzkreisen gegenübersteht. Es kommt hinzu, dass die Mitglieder der heute zuständigen Verbandsversammlung nicht mehr nur ihre Herkunftskommunen vertreten, sondern - vor allem bei den kleineren Parteien - über regionale, ruhrgebietsweite Listen ins Ruhrparlament delegiert werden und daher den ökologisch und naherholungs-relevanten Freiraumschutz im Ruhrgebiet vielleicht eher im Blick haben als eine lokale Bauinvestition. c1. Noch kompliziertere Strukturen bestehen im Kleingartenbereich. Auch hier sind die Kommunen die wichtigsten Planungsträger, die das Gelände einer Kleingartenanlage durchaus für andere Nutzungen vorsehen können, was gelegentlich auch geschieht. Zugleich sind die Kommunen zumeist die Eigentümer der kleingärtnerisch genutzten Flächen. Trotzdem leben die Kleingärtner in einer relativ großen Sicherheit, da die Kommunen mit den Bezirks- oder Stadtverbänden oder mit den einzelnen Vereinen unbefristete Pachtverträge über die Anlagen geschlossen haben, wobei die einzelnen Kleingärtner Unterpächter sind. Durch die Konstruktion der Unterpachtverträge ist ausgeschlossen, dass einzelne Kleingärtner bei einer Überplanung ihrer Parzelle einen Bodenwertzuwachs realisieren können. Das gleiche gilt für die Pachtverträge der Vereine oder Verbände mit den Kommunen. Insofern können Kleingärtner kein Interesse an der Umnutzung ihres Geländes haben und - wenn sie nicht unter Leerständen leiden - sich dagegen zur Wehr setzen oder ein Ersatzgelände verlangen. c2. Unter den Wäldern und Parkanlagen im Ruhrgebiet gibt es aber auch Fälle wie den Lütgendortmunder Volksgarten und den Castroper Stadt- garten, die durch eine S-Bahn-Trasse bzw. durch eine Wohnbebauung beschädigt, wenn nicht sogar zerstört werden sollten, aber durch bürger- schaftliche Initiativen, nämlich die "Aktion Volksgarten" und den Verein "Hände weg vom Stadtgarten Castrop-Rauxel e.V." gerettet wurden. Auch in diesen Fällen wurden die Wald- und Parknutzer nicht in die planerischen Entscheidungen einbezogen, haben sich aber ungefragt eingemischt. Durch organisierte, öffentlichkeitswirksame politische Aktionen, die über die Beteiligung an Bürgeranhörungen hinausgingen, ist es ihnen gelungen, einen politischen Druck aufzubauen, der die Entscheidungsträger zum Einlenken bewog. Durch das Instrument der politischen Aktion entstanden Verhältnisse, als ob die Nutzer formelle Mitbestimmungsrechte hätten. Zumindest ein Potenzial zur Einmischung von Nutzern besteht vor allem bei Parkanlagen, denen Fördervereine oder Freundeskreise zur Seite stehen. 9.5. Gefährdete und gesicherte Freiräume Unter den untersuchten Freiräumen im Ruhrgebiet kristallisieren sich also einige stärker gefährdete und einige besser abgesicherte Typen heraus, wobei das Gros der Freiraumnutzer - von Anhörungen abgesehen - formell von fast allen Entscheidungen ausgeschlossen ist. Die folgende Liste ent- hält die Freiraumtypen in der Reihenfolge zunehmender Sicherheit. Die am stärksten gefährdeten Freiräume sind die landwirtschaftlich ge- nutzten Flächen. Bei ihnen treten Imageprobleme und funktionale Un- stimmigkeiten auf, und ihre Eigentümer geraten bei entsprechenden kom- munalen oder übergeordneten Planungen unter einen erheblichen öko- 9. Zusammenfassung: Freiraumschutz durch Common-Property-Institutionen? 313 nomischen oder politischen Druck. Nur in Ausnahmefällen hat ein Protest der Betroffenen gegen solche Planungen Erfolg. Den forstwirtschaftlich genutzten Flächen geht es nur unwesentlich besser. Die Pflicht zu Ersatzaufforstungen und naturschutzrechtlichen Kom- pensationsmaßnahmen können die Planungs- und Entscheidungsträger nach wie vor nicht davon abhalten, Straßen und Leitungen durch Wälder zu schlagen. Nur in Ausnahmefällen können die Waldeigentümer ihren Baumbestand retten und solche Planungen verhindern. Auch wenn kommunale Parkanlagen von vielen Planungen nicht berührt werden, gehören sie im Konfliktfall zu den stark gefährdeten Freiräumen, da die Planungs- und Parkträgerschaft in einer Hand liegt, nämlich beim Kommunalparlament. Eine größere Sicherheit genießen Freiräume, wenn ihre Träger den Kom- munen übergeordnet ist. Das ist der Fall bei den Revierparks, denen die Kommunen und der Regionalverband als Gesellschafter angehören, und deren Gelände die Kommunen aufgrund von vertraglichen Bindungen nicht einfach überplanen können. Ähnliches gilt für die Verbandsgrünflächen, die erst durch einen Beschluss der Verbandsversammlung gelöscht werden können, an der inzwischen immerhin ein Naturschutzvertreter beratend teilnimmt. Eine förmliche Beteiligung der Nutzer führt zu einer zusätzlichen Sicherheit: Dies gilt vor allem für die Kleingärten, wenn ihre Nutzer vereinsmäßig organisiert sind und ihre Nutzung durch unbefristete General- und Unter- pachtverträge mit der jeweiligen Kommune als Grundeigentümer gesichert haben. Dieser vertraglichen steht die politische Sicherung von Freiräumen gegen- über, die in Einzelfällen durch öffentlichkeitswirksame politische Aktionen von entsprechend organisierten Parknutzern erreicht werden kann. Die derzeit größte Sicherheit allerdings erreichen neue Wälder und Park- anlagen auf Flächen, die aufgrund ihrer Bodeneigenschaften für bauliche Nutzungen nicht geeignet sind bzw. bei denen die Camouflage von Alt- lasten ein besonders wichtiges Ziel ist. Diese Ergebnisse bestätigen den Common-Property-Ansatz, demzufolge gemeinschaftlich, durch größere Gruppen von Menschen genutzte Res- sourcen eine weitgehende Stabilität erreichen können, wenn die Ressour- cen wichtige Funktionen erfüllen und wenn ihre Nutzer über maßgebliche Entscheidungsrechte verfügen. Die untersuchten Beispiele genauso wie der Common-Property-Ansatz machen deutlich, dass - unabhängig von neuen ordnungsrechtlichen und leistungspolitischen Steuerungsinstrumenten - eine geregelte und starke Nutzerbeteiligung an planerischen Entscheidungen über land- und forst- wirtschaftliche Flächen, Parkanlagen und andere Grünflächen den Frei- raumschutz deutlich stärken könnte. Grund genug, sich wieder an die Idee der "Parkvereine" für den Emscher Landschaftspark zu erinnern. 9. Zusammenfassung: Freiraumschutz durch Common-Property-Institutionen? 314 10. Tabellenverzeichnis 315 10. Tabellenverzeichnis Tabelle 1.1. Entwicklung der Bau- und Verkehrsflächen im Kern-Ruhrgebiet seit 1822 11 Tabelle 3.1. Entwicklung der landwirtschaftlichen Flächen im Ruhrgebiet seit 1822 27 Tabelle 3.2. Abgeschlossene Teilungen in westfälischen Kreisen seit 1822 40 Tabelle 3.3. Bewertung von Biotoptypen nach ihrem Alter 60 Tabelle 3.4. Landwirtschaftliche Betriebe im Ruhrgebiet in den Jahren 1949 - 1990 nach ihrer Flächenausstattung (Hektar) 64 Tabelle 3.5. Tierhalter, Viehbestände und Milcherzeugung im Ruhrgebiet 1950 und 1990 66 Tabelle 3.6. Landwirtschaftliche Betriebe im Ruhrgebiet von 1990 bis 2007 nach ihrer Flächenausstattung (Hektar) 76 Tabelle 3.7. Tierhalter, Viehbestände und Milcherzeugung im Ruhrgebiet in den Jahren 1990 und 2003 77 Tabelle 4.1. Entwicklung der Waldflächen im Ruhrgebiet seit 1822 94 Tabelle 4.2. Kauf von Waldgrundstücken durch Kommunen im Ruhrgebiet und staatliche Zinszuschüsse in den Jahren 1928 und 1929 106 Tabelle 4.3. Waldflächen und städtische Waldflächen in Ruhrgebietskommunen 125 Tabelle 5.1. Historische Kloster- und Kirchengärten im Ruhrgebiet 145 Tabelle 5.2. Ehemalige Kurparks im Ruhrgebiet 145 Tabelle 5.3. Kaisergärten im Ruhrgebiet 151 Tabelle 5.4. Stadtparks und Volksgärten im Ruhrgebiet 152 Tabelle 5.5. Ehemalige Friedhöfe als Stadtparks im Ruhrgebiet 153 Tabelle 5.6. Stadtpark-ähnliche Wälder im Ruhrgebiet 153 Tabelle 5.7. Weitere Stadtparks im Ruhrgebiet 154 Tabelle 5.8. Kleinere stadtpark-ähnliche Anlagen im Ruhrgebiet 155 Tabelle 5.9. Volksparks im Ruhrgebiet 156 Tabelle 5.10. Revierparks im Ruhrgebiet 158 Tabelle 5.11. Gartenschauen im Ruhrgebiet seit 1929 160 Tabelle 5.12. Botanische Gärten im Ruhrgebiet 166 Tabelle 6.1. Gartenland und Stallung als Zubehör der Wohnung in den Städten des westfälischen Ruhrgebietes am 1. Dezember 1905 186 Tabelle 6.2. Kleingärtnervereine und -gruppen im Ruhrgebiet nach ihrem Gründungsjahr 190 Tabelle 6.3. Kleingärtnervereine, Mitglieder und Kleingärten in Essen 192 Tabelle 7.1. Verbandsgrünflächen - Zu- und Abgänge von 1921 bis 1932 228 Tabelle 7.2. Verbandsgrünflächen und ihre Veränderung von 1950 bis 2002 (in Hektar) 229 Tabelle 7.3. Anzahl der Wirtschaftsvertreter in der Verbandsversammlung 1920 und 1929 238 Tabelle 7.4. Grundeigentum des SVR, KVR und RVR (in Hektar) 1968-2007 249 Tabelle 7.5. Verbandseigener Grundbesitz nach Nutzungsarten am Jahresende 2003 250 Tabelle 8.1. Öd- und Unland im rechtsrheinischen Ruhrgebiet 1893-2008 258 Tabelle 8.2. Neuzulassung von Halden und ihre Grundflächen, soweit aktenkundig, von 1860 bis 1968 262 Tabelle 8.3. Industriell geprägte Landschaftsparks im Emscher Landschaftspark 276 Tabelle 8.4. Projekt Industriewald Ruhrgebiet 278 Tabelle 8.5. Halden, Deponien und Landmarken im Emscher Landschaftspark 279 Tabelle 8.6. Stadt- und Stadtteilparks in der Industrielandschaft im Emscher Landschaftspark 280 Tabelle 8.7. Stadtparks in Arbeiten-im-Park-Projekten 281 Tabelle 8.8. Parks der vorindustriellen Kulturlandschaft 281 Tabelle 8.9. Neue Parkanlagen auf Kokereistandorten 289 Tabelle 9.1. Flächennutzung im Kern-Ruhrgebiet 1822/35 und 2008 303 10. Tabellenverzeichnis 316 11. Abkürzungsverzeichnis 317 11. Abkürzungsverzeichnis Abs. Absatz Az. Aktenzeichen Bd. Band Bek. Bekanntmachung BGBl. Bundesgesetzblatt BNatSchG Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz - BNatSchG) vom 20. Dezember 1976, BGBl. I S.3574, ber. 1977, S.650 BUND Bund für Umwelt und Naturschutz e.V. DDP Deutsche Demokratische Partei DISP Dokumente und Informationen zur Schweizerischen Orts-, Regional- und Landesplanung Diss. Dissertation DNVP Deutschnationale Volkspartei DVP Deutsche Volkspartei EG Europäische Gemeinschaften EU Europäische Union EWG Europäische Wirtschaftsgemeinschaft f folgende FBG Forstbetriebsgemeinschaft FRG Gesetz zur Funktionalreform G Gesetz GEP Gebietsentwicklungsplan GrdstVG Grundstücksverkehrsgesetz GS Gesetzsammlung GV Gesetz- und Verordnungsblatt ha Hektar Hg. Herausgeber hg. herausgegeben IBA Internationale Bauausstellung EmscherPark ILS Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung des Landes Nordrhein-Westfalen Jg. Jahrgang k. königlich KGO Kleingarten- und Kleinpachtlandordnung vom 31. Juli 1919, RGBl. 1919 S.1371 KVR Kommunalverband Ruhrgebiet KVR-G Gesetz über den Kommunalverband Ruhrgebiet, neugefasst durch Artikel 10 des Zweiten Gesetzes zur Funktionalreform (2. FRG) vom 18. September 1979, GV.NW. S.552, hier: S.554-560 (im folgenden: KVR-G) LDS Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik Nordrhein-Westfalen LEP Landesentwicklungsplan LFoG Landesforstgesetz LG Landschaftsgesetz LÖBF Landesanstalt für Ökologie, Bodenordnung und Forsten des Landes Nordrhein-Westfalen MBl. Ministerialblatt MELF Minister für Ernährung, Land- und Forstwirtschaft des Landes Nordrhein- Westfalen MSWV Minister für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr des Landes Nordrhein Westfalen MUNLV Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen N.F. Neue Folge Nr. Nummer NRW Nordrhein-Westfalen NS Nationalsozialismus NW Nordrhein-Westfalen o.J. ohne Jahr(esangabe) ÖPEL Ökologieprogramm Emscher-Lippe RdErl. Runderlass Rdvfg. Rundverfügung Red. Redaktion RFR '85 Regionales Freiraumsystem Ruhrgebiet von 1985 RGBl. Reichsgesetzblatt RVR Regionalverband Ruhr 11. Abkürzungsverzeichnis 318 RVRG 2004 Gesetz über den Regionalverband Ruhr (RVRG), in der Fassung des Gesetzes zur Stärkung der regionalen und interkommunalen Zusammenarbeit der Städte, Gemeinden und Kreise in Nordrhein- Westfalen. Vom 3. Februar 2004 (GV.NRW S.96), hier: Artikel V, geändert durch Gesetz vom 16. November 2004 (GV.NRW S.644) (im folgenden: RVRG 2004) RVRG 2007 Gesetz über den Regionalverband Ruhr (RVRG), in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Februar 2004 (GV.NRW S.96), geändert durch Gesetz vom 16. November 2004 (GV.NRW S.644), geändert durch Gesetz vom 5. April 2005 (GV.NRW S.351), geändert durch Gesetz vom 5. Juni 2007 (GV.NRW S.212) (im folgenden RVRG 2007) S. Seite SDW Schutzgemeinschaft Deutscher Wald SVR Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk SVR-G 1920 Gesetz, betreffend Verbandsordnung für den Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk. Vom 5. Mai 1920, Preußische Gesetzsammlung 1920 (Nr. 11898), S.286-306 (im folgenden: SVR-G 1920) SVR-G 1958 Zweites Gesetz zur Abänderung des Gesetzes betr. Verbandsordnung für den Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk. Vom 3. Juni 1958, GV.NW. S.249-251 (im folgenden: SVR-G 1958) TU Technische Universität WWG Waldwirtschaftgemeinschaft z.B. zum Beispiel zit. n. zitiert nach 12. Literatur 319 12. Literatur 12.1. Bücher und Aufsätze Ackermann (1953): Kreditprobleme der Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft in Nordrhein-Westfalen, in: MELF (Hg.) (1953), S.29-34; Adam, K., W.Nohl und W.Valentin (1986): Bewertungsgrundlagen für Kompensati- onsmaßnahmen bei Eingriffen in die Landschaft, Düsseldorf Akademie für Raumforschung und Landesplanung (Hg.) (1975): Städtisches Grün in Geschichte und Gegenwart, Forschungs- und Sitzungsberichte, Band 101, Hannover Albers, Helene (1999): Die stille Revolution auf dem Lande. 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S.189-196 Forstgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (Landesforstgesetz). Vom 29. Juli 1969, GV. NW. S.588 Gesetz über das Beschlußverfahren im Gebiet des Siedlungsverbandes Ruhrkoh- lenbezirk. Vom 2. Dezember 1949, GV.NW. S.309 Gesetz über den Kommunalverband Ruhrgebiet, neugefasst durch Artikel 10 des Zweiten Gesetzes zur Funktionalreform (2. FRG) vom 18. September 1979, GV.NW. S.552, hier: S.554-560 (im folgenden: KVR-G) Gesetz über den Regionalverband Ruhr (RVRG), in der Fassung der Bekanntma- chung vom 3. Februar 2004 (GV.NRW S.96), geändert durch Gesetz vom 16. November 2004 (GV.NRW S.644), geändert durch Gesetz vom 5. April 2005 (GV.NRW S.351), geändert durch Gesetz vom 5. Juni 2007 (GV.NRW S.212) (im folgenden RVRG 2007) Gesetz über den Regionalverband Ruhr (RVRG), in der Fassung des Gesetzes zur Stärkung der regionalen und interkommunalen Zusammenarbeit der Städte, Gemeinden und Kreise in Nordrhein-Westfalen. Vom 3. Februar 2004 (GV.NRW S.96), hier: Artikel V, geändert durch Gesetz vom 16. November 2004 (GV.NRW S.644) (im folgenden: RVRG 2004) Gesetz über die Abänderung des Gesetzes betr. Verbandsordnung für den Sied- lungsverband Ruhrkohlenbezirk vom 5. Mai 1920 (GS. S.286) in der Fassung des Gesetzes vom 29. Juli 1929 (GS. S.91). Vom 28. November 1947, GV.NW. S.95 Gesetz über die Erklärung der Rechtsunwirksamkeit von Wahlen zur Verbands- versammlung des Siedlungsverbandes Ruhrkohlenbezirk. Vom 6. April 1933, Preußische Gesetzsammlung 1933, S.97 (Nr. 13865) Gesetz über die Organisation der Landesverwaltung - Landesorganisationsgesetz (LOG.NW.) - Vom 10. Juli 1962, GV.NW. S.421-425 Gesetz über die Übertragung von Zuständigkeiten der Provinzial-(Kommunal-) landtage, der Verbandsversammlung des Siedlungsverbandes Ruhrkohlenbe- zirk und der Kreistage auf die Provinzial-(Landes-)ausschüsse, den Ver- bandsausschuß und die Kreisausschüsse. Vom 17. Juli 1933, Preußische Gesetzsammlung 1933, S.257 f (Nr. 13944) Gesetz über die weitere Anpassung des Gesetzes, betreffend Verbandsordnung für den Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk vom 5. Mai 1920 (Gesetzsamml. S.286) an die Grundsätze des nationalsozialistischen Staates. Vom 25. Mai 1936, Preußische Gesetzsammlung 1936, S.113 f (Nr. 14334) Gesetz über forstwirtschaftliche Zusammenschlüsse vom 1. September 1969, BGBl. I S.1543 Gesetz über gesetzliche Handelsklassen für Erzeugnisse der Landwirtschaft und Fischerei vom 17.12.1951, BGBl. I S.970 Gesetz über Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur und zur Sicherung land- und forstwirtschaftlcher Betriebe (Grundstücksverkehrsgesetz - GrdstVG) vom 28.7.1961, BGBl. I. S.1091 Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz - BNatSchG) vom 20. Dezember 1976, BGBl. I S.3574, ber. 1977, S.650 Gesetz zum Schutze des Waldes. Vom 31. März 1950, GV. NW. S.63 f Gesetz zur abschließenden Regelung von Einzelfragen aus Anlaß der kommunalen Neugliederung (Neugliederungs-Schlußgesetz). Vom 26. November 1974, GV.NW. S.1474-1478, hier: § 15 Gesetz zur Änderung der Gemeindeordnung, der Kreisordnung und anderer kom- munalverfassungsrechtlicher Vorschriften des Landes Nordrhein-Westfalen. Vom 11. Juli 1972, GV.NW. S.218-223, hier: Artikel IV Gesetz zur Änderung der Gemeindeordnung, der Kreisordnung und anderer kom- munalverfassungsrechtlicher Vorschriften des Landes Nordrhein-Westfalen. Vom 29. Oktober 1974, GV.NW. S.1050 ff, hier: Artikel IV 12. Literatur 344 Gesetz zur Änderung der Gemeindeordnung, der Kreisordnung, der Landschafts- verbandsordnung und des Gesetzes betreffend Verbandsordnung für den Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk. Vom 27. Juni 1978, GV.NW. S.268-271, hier: Artikel IV Gesetz zur Änderung des § 4 des Preuß. Gesetzes zur Erhaltung des Baumbe- standes und Erhaltung und Freigabe von Uferwegen im Interesse der Volks- gesundheit vom 29. Juli 1922. Vom 1. Dezember 1949, GV. NW. S.301 Gesetz zur Änderung des Landesplanungsgesetzes. Vom 8. April 1975, GV.NW. S.294-297 Gesetz zur Änderung des Landschaftsgesetzes sowie sonstiger Vorschriften. Vom 19. Juni 2007, GV. NRW 2007 Nr.14, S.226, hier: Artikel I Nr.4 (§ 4 Abs.3 Nr.3 LG), S.227 Gesetz zur Änderung des Landschaftsgesetzes. Vom 3. Mai 2005, GV. NRW 2005, S.522-533 Gesetz zur Änderung des Ordnungsbehördengesetzes. Vom 8. Juli 1969, GV.NW. S.526-528, hier: Art. I Nr.19 und Art. II Gesetz zur dritten Änderung des Gesetzes zur Erhaltung des Baumbestandes und Erhaltung und Freigabe von Uferwegen im Interesse der Volksgesundheit vom 29. Juli 1922 (Gesetzsamml. S.213). Vom 7. April 1933, Preußische Gesetzsammlung 1933, S.99 (Nr. 13866) Gesetz zur Erhaltung des Baumbestandes und Erhaltung und Freigabe von Ufer- wegen im Interesse der Volksgesundheit. Vom 29. Juli 1922, Preußische Gesetzsammlung 1922, S.213-217 (Nr. 12331) Gesetz zur Erhaltung des Waldes und zur Förderung der Forstwirtschaft (Bundes- waldgesetz). Vom 2. Mai 1975, BGBl. I S.1037 Gesetz zur fünften Änderung des Gesetzes zur Erhaltung des Baumbestandes und Erhaltung und Freigabe von Uferwegen im Interesse der Volksgesundheit vom 29. Juli 1922 (Gesetzsamml. S.213). Vom 21. September 1937, Preußische Gesetzsammlung 1937, S.89 Gesetz zur Sicherung der Verwaltung des Siedlungsverbandes Ruhrkohlenbezirk. Vom 4. Juni 1923, Preußische Gesetzsammlung 1923, S.275 (Nr. 12518) Gesetz zur Sicherung der Verwaltung des Siedlungsverbandes Ruhrkohlenbezirk. Vom 4. Juli 1933, Preußische Gesetzsammlung 1933, S.230 f (Nr. 13926) Gesetz zur Sicherung des Naturhaushalts und zur Entwicklung der Landschaft (Landschaftsgesetz - LG). Vom 18. Februar 1975, GV.NW 1975, S.190 Gesetz zur Sicherung des Naturhaushalts und zur Entwicklung der Landschaft (Landschaftsgesetz - LG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. Juni 1980, GV.NW. S.374 Gesetz zur Übertragung der Regionalplanung für die Metropole Ruhr auf den Regionalverband Ruhr. Vom 5. Juni 2007, GV. NRW S.212-214 Gesetz zur vierten Änderung des Gesetzes zur Erhaltung des Baumbestandes und Erhaltung und Freigabe von Uferwegen im Interesse der Volksgesundheit vom 29. Juli 1922 (Gesetzsamml. S.213). Vom 9. Oktober 1934, Preußische Gesetzsammlung 1934, S.400 Gesetz, betreffend die Anlegung und Veränderung von Straßen und Plätzen in Städten und ländlichen Ortschaften. Vom 2. Juli 1875, Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten 1875 (Nr. 8375), S.561-566 (im folgen- den: Fluchtliniengesetz) Gesetz, betreffend Bildung einer Genossenschaft zur Regelung der Vorflut und zur Abwasserreinigung im Emschergebiet. Vom 14. Juli 1904, Gesetzsammlung S.175 Gesetz, betreffend die Umlegung von Grundstücken in Frankfurt a.M, vom 28. Juli 1902, Gesetzsammlung S.273 Gesetz wegen Abänderung des § 13 des vorbenannten Gesetzes, vom 8. Juli 1907, Gesetzsammlung S.259 Gesetz, betreffend Verbandsordnung für den Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk. Vom 5. Mai 1920, Preußische Gesetzsammlung 1920 (Nr. 11898), S.286-306 (im folgenden: SVR-G 1920) Getreidegesetz vom 24.11.1951, BGBl. I S.900 Grundstücksverkehrsgesetz in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnum- mer 7810-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 12. Literatur 345 108 des Gesetzes vom 17. Dezember 2008 (BGBl. I S.2586) geändert worden ist Kleingarten- und Kleinpachtlandordnung vom 31. Juli 1919, RGBl. 1919 S.1371 Kontrollratsgesetz Nr.45. Aufhebung der Erbhofgesetze und Einführung neuer Bestimmungen über land- und forstwirtschaftliche Grundstücke vom 25. Feb- ruar 1947, Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland, S.256, online in: (30.6.09) Länderarbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) (2004): Technische Regel Boden, Stand 05.11.2004, online in: (22.6.09) Landesentwicklungsplan III. Umweltschutz durch Sicherung von natürlichen Lebensgrundlagen (Freiraum, Natur und Landschaft, Wald, Wasser, Erholung) (LEP III '87), Bek. d. Ministers für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft vom 15.9.1987, MBl. NW. S.1676 Landesforstgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (Landesforstgesetz - LFoG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. April 1980, GV.NW S.546-557 Landesoberbergamt Nordrhein-Westfalen (1985): Grundsätze für die Anlegung und Wiedernutzbarmachung von Bergehalden im Bereich der Bergaufsicht. Rdvfg. vom 28.06.1985 - Az. 51.1.11-8 (SB 1. A 2.19) Landesoberbergamt Nordrhein-Westfalen (1991): Grundsätze für die Anlegung und Wiedernutzbarmachung von Bergehalden des Steinkohlenbergbaus. Rdvfg. vom 22.7.1991 - Az. 19.6-11-2 Landwirtschaftsgesetz vom 5.9.1955, BGBl. I S.565 Milch- und Fettgesetz vom 28.2.1951, BGBl. I S.135 Minister für Landes- und Stadtentwicklung des Landes Nordrhein Westfalen (MLS) (Hg.) (1982): Bergehalden. Rahmenvertrag zwischen dem Land Nordrhein Westfalen und der Ruhrkohle AG, MLS-Kurzinformationen 3/82, Düsseldorf Richtlinien für die Zulassung von Bergehalden im Bereich der Bergaufsicht. RdErl. vom 13.7.1984, MBl. NRW 1984, S.931 Verordnung Nr.103: Bodenreform, in: Military Government Gazette Germany, British Zone of Control, Nr.21 (1947), S.595, online in: Zentrales Verzeichnis Digitalisierter Drucke Verordnung Nr.189: Änderung der Verordnung Nr.103 der Militärregierung (Boden- reform), in: Military Government Gazette Germany, British Zone of Control, Nr.28 (1949), S.1097, online in: Zentrales Verzeichnis Digitalisierter Drucke Vieh- und Fleischgesetz vom 25.4.1951, BGBl. I S.272 Wohnungsgesetz. Vom 28. März 1918, Preußische Gesetzsammlung 1918 (Nr. 11637), S.23-37 Zuckergesetz vom 5.1.1951, BGBl. I S.47 Zulassung von Bergehalden im Bereich der Bergaufsicht. RdErl. vom 4.9.1967, MBl. NRW 1967. S.1689 Zweites Gesetz zur Abänderung des Gesetzes betr. Verbandsordnung für den Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk. Vom 3. Juni 1958, GV.NW. S.249-251 (im folgenden: SVR-G 1958) 12.4. Schreiben und Emails Arenberg Nordkirchen GmbH, Meppen, Frau Elke Frye , Email vom 10.6.08 August-Thyssen-Stiftung Schloss Landsberg, Essen (Kettwig), Herr Karl-Heinz Rau, Schreiben vom 25.6.08 Bezirksverband Castrop-Rauxel/Waltrop e.V., Peter Hermenau: Vereine im Bezirksverband, Fax vom 07.04.04 Bezirksverband der Kleingärtner e.V. Bottrop, Frau Karin Draga: Schreiben vom 23.04.04 mit Anlage Bezirksverband Witten der Kleingärtner e.V., Heinz-Günter Sattler: Schreiben vom 21.04.04 Forstbetriebsgemeinschaft Hattingen-Sprockhövel, Herr Heinrich Korfmann, Schreiben vom Juni 2008 12. Literatur 346 Gelsendienste, Herr Ulrich Schwarz, Zeichen: GD-TS-FB/Sch, Scheiben vom 23.06.2008 Graf von Merveldt'sche Forstverwaltung, Dorsten-Lembeck, Graf Merveldt, Schreiben vom 1.7.08 Gräflich Nesselrodesche Verwaltung, Ruppichteroth-Herrnstein, Herr Kreysern, Schreiben vom 4.6.08 Grün und Gruga Essen, Herr Norbert Bösken , Email vom 28.5.09 Hamborner Aktiengesellschaft, Duisburg, Frau Leppek, Schreiben vom 28.7.09 Kleingartenverein Rosenhain am Reinersbach e.V., Frau Petra Ciofani: Schreiben ohne Datum Kleingartenverein Ruhraue, Jürgen Wittenschläger , Email vom 12.08.04 Kleingartenverein Schönefeld, Carola Riesler , Email vom 25.08.04 Kleingärtner-Verein Oberhausen-Buschhausen, Herr Kawelke: Schreiben vom 19.08.04 Klöckner-Werke AG, Dortmund, W.Möller, Schreiben vom 17.6.08 Kreis Recklinghausen, Fachdienst Immobilienangelegenheiten, Frau Ulrike Hoffmann , Email vom 24.6.08 Kreis Unna, Herr Hörner, Schreiben vom 9.6.08 Kreisverband Mülheim an der Ruhr der Kleingärtner e.V., Frau Eva Löwe: Schreiben vom 12.04.2004 mit Anlage Kreisverband Oberhausen der Kleingärtner e.V., Herr Becker: Schreiben vom 06.08.04 (per Fax) Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik Nordrhein-Westfalen (LDS NRW), Henseler (1996): Schreiben vom 29.1.1996, Zeichen 341.311321, Anlage: Begriffsbestimmungen. Bodenflächen in NRW nach Nutzungsarten der Vermessungsverwaltung Montan-Grundstücksgesellschaft mbH, Essen, Frau Kristina Guntsch, Schreiben vom 27.6.08 Regionalverband Ruhr. RVR Ruhr Grün. Herr Werner Meemken, Zeichen: 10-0-1- 0-1571/08, Schreiben vom 13.6.08 Regionalverband Ruhr. Der Regionaldirektor. Herr Grenz, Zeichen 5-2: Verbandsgrünfläche, Schreiben vom 27.07.2005, Anlagen: Verbandsgrünflächen (1932-1974); Overkamp, Stefan (GISWORKS) (2003): Datenbankauswertung zum Verbandsverzeichnis Grünflächen, 27.01.2003 Regionalverband Ruhr. Sabine Rethemeier, Grafik des RVR-Grundbesitzes, Email vom 20.07.07, Anhang: Grundbesitz des RVR.xls Stadt Bochum. Garten- und Friedhofsamt: DKG-Anlagen und KLG-Vereine im Stadtgebiet Bochum, Stand 31.12.82 (interne Tabelle) Stadt Bochum. Grünflächenamt: Schreiben vom 04.04.05, Geschäftszeichen 67214, Kleingartenanlagen im Stadtgebiet Bochum, Stand: Januar 2005 Stadt Castrop-Rauxel, Stadtgrün und Friedhofswesen, Herr Martin Wrede, Zeichen 67, Schreiben vom 26.5.08 Stadt Dortmund, Regiebetrieb Stadtgrün, Herr Spieß: Schreiben vom 27.07.2004 (Zeichen: 67/2-SGM 0) mit Anlage Stadt Dortmund, Herr Sebastian Vetter , Email vom 6.6.08, Anhang: Statistik-Waldfläche-12-070122.XLS; Stadt Haltern, Amt für Planung und Umwelt, Servicegruppe Freiraum- und Umweltplanung, Herr Dirk Wember , Email vom 3.6.08 Stadt Hamm, Umweltamt, Sachgebiete Jagd, Fischerei und Wald, Frau Ute Wiedemann , Email vom 28.5.08 Stadt Kamen, Fachbereich Planung, Bauen, Umwelt, Herr Karsten Harrach , Email vom 27.5.08 Stadt Lünen, Herr Thomas Herkert , Email vom 4.6.08 Stadt Mülheim an der Ruhr, Stabsstelle für nachhaltige Waldentwicklung und Oberförsterei, Frau Schäfer, Schreiben vom 27.5.08 12. Literatur 347 Stadt Schwerte, Herr Christoph Jendrusch , Email vom 10.6.08 Stadt Waltrop, Stabsstelle Umweltschutz, Herr Kempkes, Schreiben vom 3.6.08 Stadt Werne, Abt. 65 - Wirtschaftsförderung, Liegenschaften, Herr Franz-Josef Haselhoff , Email vom 28.5.08 Stadtverband Essen der Kleingärtnervereine e.V.: Schreiben vom 5.12.03, Anlage: Gründungsjahre der Vereine, Stand 31.10.2003 ThyssenKrupp Real Estate GmbH, Essen, Herr Heinz Frenken , Email vom 13.6.08 Wendzinski, Gerd, Schutzgemeinschaft deutscher Wald. Kreisverband Dortmund, Schreiben vom 1.2.08 (mit Anlagen) Zentraler Betriebshof Herten, Bereich Grün, Bereichsleitung, Frau Elke Günther , Email vom 27.5.08 12.5. Gespräche Forstbetriebsgemeinschaft Bottrop, Herr Behrendt, Geschäftsführer, Telefongespräch am 3.7.08 Forstbetriebsgemeinschaft Ruhrtal und Waldbauernverband-Bezirksgruppe Ruhrgroßstädte, Herr Klaus Dominik, Geschäftsführer, Gespräch am 14.4.08 in Mülheim Haus Vogelsang GmbH, Datteln, Herr Gösling, Bereichsleiter Forst, Telefongespräch am 1.7.08 Montan-Grundstücksgesellschaft mbH, Essen, Frau Kristina Guntsch, Telefongespräch am 1.7.08 Regionalverband Ruhrgebiet, Herr Peter, Förster für Witten und Hagen, Gespräch am 10.6.08 in Witten RWE AG, Essen, Herr Becker, Telefongespräch am 1.7.08 Schutzgemeinschaft Deutscher Wald. Kreisverband Bochum, Herr Lothar Kühnen, Geschäftsführer und Förster bei der Stadt Bochum, Telefongespräch Mitte Februar 2008 Stadt Dortmund. Umweltamt, Herr Sebastian Vetter, Telefongespräch am 6.6.08 Stadt Hagen. Forstamt, Herr Horst Heicappel, Forstamtsleiter, Gespräch am 3.7.08 in Hagen Stadt Herne. Fachbereich Stadtgrün, Herr Bernhard Mockenhaupt, Gespräch am 2.6.08 in Herne Stadt Unna. Umweltamt, Herr Röttger, Telefongespräch am 6.11.08 Zentraler Betriebshof Gladbeck, Herr Bernhard Schregel, Fachbereichsleiter, Gespräch am 30.6.08 in Gladbeck 12.6. Internetadressen Bottrop, Waldpädagogisches Zentrum: und Dinslaken, Haldenkunst Lohberg-Nord: oder (1.1.09) Dortmund, Gut Königsmühle: (22.4.09) Dortmund, Schultenhof: (22.4.09) Dortmunder Klimaschutzwälder: aufforstung. DEW21 und Stadt Dortmund pflanzen neue Wälder, in: publik.de, Nr.01, Februar 2006, (2.7.08); Dortmunder Stadtwald: (2.7.08) Duisburg, Ingenhammshof und Landschaftspark Duisburg-Nord: (22.4.09) Duisburg: Wald in Duisburg - Wald für Duisburg (mehrere Seiten) (2.7.08) 12. Literatur 348 Essen-Margarethenhöhe: Artikel in (4.6.09) Forstbetriebsgemeinschaft Ruhrtal: (16.5.08) Hagen. Forstamt der Stadt Hagen (4.7.08) Industriewald: (22.6.09) Kleingärtner: Bezirksverband Hamm-Unna der Kleingärtner: (03.08.2004) Kleingärtner: Bezirksverband Marl der Kleingärtner: , und (2.10.2004) Kleingärtnerverein Bochum-Ehrenfeld: (22.11.2003) Kleingärtnerverein Gartenstadt Waltrop: (22.11.2003) Kleingärtnerverein Henrichenburg: (25.11.2003) Kleingärtnervereine in Duisburg: (22.11.2003) Kleingärtnervereine in Herne-Wanne: (23.11.2003) Lünen. Städtischer Wald - Landesforstgesetz (2.7.08) Mülheimer Waldgeschichte (2.7.08) Oberhausen: Liebe Waldbesucherinnen ... (2.7.08) Recklinghausen, Schulbauern- und Naturschutzhof: (22.4.09) RVR - Regionalverband Ruhr: Umweltbildung beim RVR , , Schloss Landsberg (Ratingen): Artikel in (4.6.09) Schwerz: (23.06.2009) Selm: Waldschule Cappenberg: Erklärung 349 Erklärung Hiermit versichere ich, dass ich die vorliegende Dissertation selbstständig und ohne unerlaubte Hilfe angefertigt und andere als die in der Dissertation angegebenen Hilfsmittel nicht benutzt habe. Alle Stellen, die wörtlich oder sinngemäß aus veröffentlichten oder unveröffentlichten Schriften entnommen sind, habe ich als solche kenntlich gemacht. Kein Teil dieser Arbeit ist in einem anderen Promotions- oder Habilitationsverfahren verwendet worden. Kassel, im August 2009 Ulrich Häpke