Universität Gesamthochschule Kassel Institut für Berufsbildung Mathematiklehren in der Berufsschule Fachunterricht und Lehrerbildung Herausgegeben von Werner Blum, Karlheinz Fingerle, Gerhard Gerdsmeier Berufs- und Wirtschaftspädagogik • Band 24 Titelaufnahme: Mathematiklehren in der Berufsschule : Fachunterricht und Lehrerbildung / Hrsg. von Werner Blum, Karlheinz Fingerle, Gerhard Gerdsmeier. – Kassel : Gesamthochschul-Bibliothek, 1998. (Berufs- und Wirtschaftspädagogik ; Bd. 24) ISBN 3-88122-952-3 Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die Rechte für die einzelnen Beiträge liegen bei den Auto- ren, für die vorliegende Sammlung bei den Herausgebern. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes bedarf der Zustimmung der Rechteinhaber. Sofern eine elektronische Version dieses Sammelwerkes auf einem Server bereitgestellt wird, sind Vervielfältigungen nur zum persönlichen Gebrauch gestattet. Universität Gesamthochschule Kassel • Institut für Berufsbildung Berufs- und Wirtschaftspädagogik • Band 24 Kassel: Gesamthochschul-Bibliothek, 1998 ISBN 3-88122-952-3 Bezugsbedingungen: Preis: 10,00 DM (Unverb. Preisempfehlung; Preisänderungen vorbehalten) Porto und Versandkosten werden gesondert berechnet Bestellungen an: Institut für Berufsbildung der Universität Gesamthochschule Kassel Arbeitsgruppe Didaktik der beruflichen Bildung Heinrich-Plett-Straße 40 34109 Kassel Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis ......................................................................................................... 3 Vorwort .......................................................................................................................... 5 Karlheinz Fingerle Einleitung zum Tagungsband .................................................................................. 7 Tagungen des Arbeitskreises „Mathematik in der beruflichen Bildung“ ................................. 7 Anforderungen an Mathematik-Lehrende in der (Teilzeit-)Berufsschule .............................. 10 Verwendung von Mathematik im fachkundlichen Unterricht ................................................ 15 Werner Blum Zur universitären Ausbildung von Mathematiklehrern für berufliche Schulen . 19 1 Problemstellung und Überblick .............................................................................................. 19 2 Die Kasseler Berufsschullehrerausbildung ........................................................................... 20 3 Zur Konzeption des Studienfachs Mathematik ..................................................................... 22 3.1 Zum Fach Mathematik im beruflichen Schulwesen .............................................. 22 3.2. Fachinhaltliche Studienziele .................................................................................. 23 3.3. Fachdidaktische Studienziele ................................................................................ 24 4 Zur curricularen Ausgestaltung des Fachs Mathematik....................................................... 25 4.1 Die derzeitigen Kasseler Studienpläne .................................................................. 25 4.2 Zur „Didaktik der Berufsschulmathematik“ .......................................................... 27 4.3 Einige Erfahrungen ................................................................................................. 30 5 Literatur................................................................................................................................... 31 Hans-Jürgen Deckert Anforderungen an Mathematik-Lehrende in der (Teilzeit-)Berufsschule aus der Sicht der 2. Phase der Lehrerausbildung im kaufmännisch-verwaltenden Berufs- feld ........................................................................................................................... 33 0 Einleitung und Übersicht........................................................................................................ 33 1 Inhalte und Ziele des Lerngebietes „Wirtschaftsrechnen“ .................................................... 36 2 Zur Rolle der Informationsverarbeitung nach dem „Rahmenlehrplan“ ............................... 37 3 Unterrichtliche Modelle zum Lerngebiet „Wirtschaftsrechnen“........................................... 38 3.1 Zuordnung zu funktionsbezogenen Lehr-Lern-Bereichen ..................................... 38 3.2 EDV-gestütztes Wirtschaftsrechnen am Beispiel .................................................. 39 3.3 Diskontrechnen – fächerübergreifend .................................................................... 45 4 Konsequenzen für die Lehrerbildung ..................................................................................... 46 Literaturangaben........................................................................................................................ 47 Inhaltsverzeichnis4 Gerhard Gerdsmeier Ökonomische Theorie, Mathematik und kaufmännischer Unterricht................. 49 1 Vorüberlegungen ..................................................................................................................... 49 1.1 Erste Zielbeschreibung ............................................................................................ 49 1.2 Mögliche Gründe für die Vernachlässigung der Theorieebene ............................. 50 1.3 Didaktische Einordnung und Präzisierung der Zielsetzung ................................. 52 1.4 Methodische und instrumentelle Hinweise............................................................ 53 Analyseobjekt .................................................................................................... 53 Auswahl des thematischen Beispiels ............................................................... 54 Repräsentationsebenen des analysierten Inhalts ........................................... 55 2 Das thematische Beispiel „Geldwert“..................................................................................... 56 2.1 Fachliche Anmerkungen zum Begriff des Geldwerts ............................................ 56 Definitionen und Grundmodell ........................................................................ 56 Begriffsbildung im Modellkontext eines Individuums – Gedankenexperi- mente ................................................................................................................. 58 Begriffsbildung im Kontext von Gruppen – empirisch-pragmatische Inter- pretationen ........................................................................................................ 61 Begriffsbildung im volkswirtschaftlichen Kontext ......................................... 62 2.2 Didaktische Zwischenbemerkungen ....................................................................... 64 2.3 Analyse ausgewählter Textbeispiele zum Thema „Geldwert“............................... 66 Textbeispiel 1 ................................................................................................... 66 Textbeispiel 2 .................................................................................................... 70 Textbeispiel 3 .................................................................................................... 73 2.4 Zusammenfassung ................................................................................................... 77 Anhang: Textbeispiele................................................................................................................ 79 Textbeispiel 1: Inflation und Deflation......................................................................... 79 Textbeispiel 2: Geldwert, Geldschöpfung, Geldpolitik................................................. 81 Textbeispiel 3: Die Messung des Geldwertes ............................................................... 86 Textbeispiel 4: Lesen einer Graphik aus der Tageszeitung ........................................ 89 Volker Jatho Mathematik in der Teilzeit-Berufsschule des Berufsfeldes Metall aus unterrichts- praktischer Sicht ..................................................................................................... 93 1 Die Situation der Mathematik in der Teilzeit-Berufsschule des Berufsfeldes Metall ........ 93 2 Anforderungen an Mathematik-Lehrende in der Teilzeit-Berufsschule aus der Sicht von Theorielehrern des Berufsfeldes Metall ................................................................ 97 3 Möglichkeiten zur inhaltlichen Erweiterung mathematischer Themen in der Teilzeit-Berufsschule des Berufsfeldes Metall .................................................................... 103 4 Literatur................................................................................................................................. 110 Vorwort Im Auftrag des Arbeitskreises „Mathematik in der beruflichen Bildung“ der Gesell- schaft für Didaktik der Mathematik veröffentlichen wir hiermit eine Auswahl von – teilweise überarbeiteten – Beiträgen zu den Herbsttagungen des Arbeitskreises in den Jahren 1994 und 1995. Wir danken den Autoren für die Überlassung ihrer Bei- träge für diesen Band. Die abgedruckten Aufsätze knüpfen an den Diskussions- stand der Jahre 1994 und 1995 an. Ihr Inhalt ist aber auch heute unverändert ak- tuell. Eine Übersicht über die Beiträge zu den genannten Tagungen und die Aufsät- ze in diesem Band wird in der folgenden Einleitung gegeben. Der Arbeitskreis „Mathematik in der beruflichen Bildung“ hat nach den beiden in diesem Band dokumentierten Arbeitstagungen neue Themen aufgegriffen und trifft sich weiterhin regelmäßig zur Vorstellung, Diskussion und Kritik einschlägiger Ar- beiten. Die Kooperation der Fachdidaktiken der beruflichen Bildung soll fortgesetzt werden. Interessenten sind eingeladen, sich unter http://www.uni-giessen.de/gdm/arbkreis.htm über die laufenden Aktivitäten des Arbeitskreises zu informieren. Werner Blum Karlheinz Fingerle Gerhard Gerdsmeier Arbeitsgruppe Didaktik der beruflichen Bildung der Universität Gesamthochschule Kassel Karlheinz Fingerle Einleitung zum Tagungsband: Mathematiklehren in der Berufsschule Fachunterricht und Lehrerbildung Tagungen des Arbeitskreises „Mathematik in der beruflichen Bildung“ In der Gesellschaft für Didaktik der Mathematik (GDM) gibt es einen Arbeitskreis „Mathematik in der beruflichen Bildung“ (MabeB-AK), der im Frühjahr 1979 ge- gründet wurde und dem Mitglieder aus Schule, Hochschule, Studienseminar und Lehrerfortbildung angehören. Der Arbeitskreis diskutiert Analysen und Konzepte für den mathematischen Unterricht in der Berufsbildung – mit einem Schwerpunkt auf dem Unterricht in der Teilzeit-Berufsschule. Wie die GDM sucht auch der Ar- beitskreis dabei das Gespräch mit der Erziehungswissenschaft, insbesondere der Berufs- und Wirtschaftspädagogik, und mit den Vertretern der Didaktiken beruf- licher Fächer. Dies ist nach der Neuordnung der gewerblichen und der kaufmän- nisch-verwaltenden Ausbildungsberufe und der veränderten Rahmenlehrpläne der Kultusministerkonferenz für die Berufsschule bedeutender geworden, weil in vielen Ausbildungsgängen der (Teilzeit-)Berufsschule ein als besonderes Unterrichtsfach ausgewiesenes „Fachrechnen“ (auch „Technische Mathematik“, „Wirtschaftsrech- nen“ o. ä.) in der Regel nicht mehr existiert. Die aus der Sicht traditioneller Stun- dentafeln als „Weg-Integration des Faches Mathematik in die berufskundlichen Fä- cher“ zu beschreibende Situation bietet im Blick auf die Entwicklung beruflicher Kompetenzen in neuen berufsbezogenen Inhalts- und Fachstrukturen Chancen zur Aneignung von mathematischen Inhalten und Kompetenzen durch die Berufsschü- ler. Es gilt, sowohl die Studierenden des Wahlfaches Mathematik, die Referendare mit dem Fach Mathematik, als auch die Lehrer der berufskundlichen Fächer in den Universitäten und den Seminaren zur Ausbildung der Studienreferendare an be- ruflichen Schulen auf diese Aufgaben vorzubereiten. Ob und wie dies unter Bewah- rung bewährter Komponenten früherer Ausbildungskonzepte möglich ist, wird ebenfalls im Arbeitskreis diskutiert. Gemeinsam ist die Aufgabe, die künftigen Leh- rer zu einem fachlich und didaktisch fundierten und reflektierten Unterrichtshan- deln zu befähigen. Karlheinz Fingerle8 Der Arbeitskreis hat den Ertrag seiner ersten Arbeitstagungen im Jahre 1985 ver- öffentlicht.1 Der damals gewählte Untertitel „Analysen und Vorschläge zum Fach- rechenunterricht“ ist wegen der Veränderungen in der Berufsausbildung für die ge- genwärtige Arbeit zu eng. Mathematischen Fachunterricht gibt es zwar weiterhin in den verschiedenen Formen beruflicher Vollzeitschulen und in einigen Bundeslän- dern, die nicht alle Strukturen der KMK-Vorgaben übernommen haben. Doch im (Teilzeit-)Berufsschulunterricht der seit Ende der achtziger Jahre neugeordneten Ausbildungsberufe werden berufsbezogene mathematische Inhalte von den Lehrern der berufskundlichen Fächer unterrichtet. Mathematik als Sprache der Naturwis- senschaft, der Ökonomik, der technischen Wissenschaften kann zum Verständnis beruflicher Inhalte und zur Begründung von Entscheidungen in beruflichen Hand- lungssitutationen beitragen. Doch müssen die in der (Teilzeit-)Berufsschule mathe- matische Inhalte unterrichtenden Lehrer angemessen auf diese Aufgabe vorbereitet werden. Um dies zu leisten, sind Konzepte für die erste und zweite Phase der Leh- rerausbildung auf die neuen Aufgaben auszurichten. Auch gilt es die Zusammen- arbeit zwischen den Fachdidaktiken beruflicher Fächer über die Verwendung von Mathematik im fachkundlichen Unterricht anzuregen, so daß wechselseitig das in- haltliche und didaktische Verständnis gefördert wird und gemeinsame didaktische Konzeptionen und Modelle für den Unterricht in Berufsschule entwickelt werden können. Bei alledem gilt es nicht zu vergessen, daß Lehrer nicht nur fachliche und didaktische, sondern auch pädagogische Aufgaben haben, so daß sich die Arbeit der Lehrer nicht auf Unterricht reduzieren läßt. Die Tagung des Arbeitskreises im Herbst 1994 in Saarlouis stand unter dem Thema Anforderungen an Lehrende in der (Teilzeit-)Berufsschule. Es wurden folgen- de Vorträge gehalten: • Studienrat Volker Jatho (Kleve): Anforderungen aus der Sicht eines praktizie- renden Lehrers, • Studiendirektor Hans-Jürgen Deckert (Saarlouis / Dillingen): Anforderungen aus der Sicht der Lehrerausbildung, 2. Phase: kaufmännisch-verwaltendes Berufsfeld, • Universitätsprofessor Dr. Werner Blum (Universität Gh Kassel): Mathemati- sche Anforderungen aus der Sicht der Hochschule und • Universitätsprofessor Dr. Karlheinz Fingerle (Universität Gh Kassel): Berufs- pädagogische Anforderungen aus der Sicht der Hochschule. 1 Peter Bardy, Werner Blum, Hans-Georg Braun (Hrsg.): Mathematik in der Berufsschule. Analysen und Vorschläge zum Fachrechenunterricht. Essen: Girardet, 1985. Einleitung 9 Die Tagung im Herbst 1995 in Siegen behandelte das Thema Verwendung von Mathematik im fachkundlichen Unterricht. Der Arbeitskreis hatte einen Ver- treter der Didaktik der Wirtschaftswissenschaft und einen Vertreter der Berufs- und Fachdidaktik Elektrotechnik eingeladen, Vorträge mit folgenden Themen zu halten: • Universitätsprofessor Dr. Gerhard Gerdsmeier (Universität Gh Kassel): Fort- schreibungen ökonomischer Inhalte in der kaufmännischen Ausbildung und Analyse der mathematischen Dimensionen dieser Inhalte und • Universitätsdozent Dr. Artur Willi Petersen (Universität Gh Kassel):2 Die technische Mathematik im berufsbezogenen Unterricht des Berufsfeldes Elektro- technik im Spannungsfeld von Fachstruktur und Integrationsansätzen. Vier Vorträge dieser beiden Arbeitstagungen sind in dem vorliegenden Band – zum Teil in veränderter Fassung – abgedruckt. Über die beiden weiteren Vorträge wird in diesem einleitenden Text kurz referiert. Im Auftrag des Arbeitskreises veröffent- lichen die drei Bandherausgeber damit weitere Ergebnisse des Arbeitskreises.3 Bis auf einen Referenten sind alle genannten Vortragenden entweder an der Kasse- ler Universität als Hochschullehrer tätig oder haben einmal an der Universität Kassel Mathematik als Wahlfach für das Lehramt an beruflichen Schulen studiert. Die drei Herausgeber haben im Sommersemester 1990 ein gemeinsames Seminar für Wirtschaftspädagogen mit folgendem Thema geleitet: „Formeln, Graphen, Ta- bellen und andere mathematische Modelle in wirtschaftsberuflichen Fächern“.4 Sie haben ein großes Interesse, die damals begonnene Diskussion fortzusetzen. Die Herausgabe des vorliegenden Bandes soll dazu beitragen. 2 Jetzt: Universitätsprofessor an der Bildungswissenschaftlichen Hochschule Flensburg – Univer- sität. 3 Daß der Band mit mehrjähriger Verspätung erscheint, ist nicht den Autoren anzulasten. Sie ha- ben die Manuskripte sehr früh vorgelegt. Die Beiträge sind aber nach wie vor relevant und aktuell. 4 Protokolle zum Seminar Gerdsmeier / Blum / Fingerle im SS 1990: Formeln, Graphen, Tabellen und andere mathematische Modelle in wirtschaftsberuflichen Fächern. Kassel: Universität Gesamt- hochschule, 1992. (Berufs- und Wirtschaftspädagogik: Berichte aus Seminaren und Projekten; Bd. 2) Karlheinz Fingerle10 Anforderungen an Mathematik-Lehrende in der (Teilzeit-)Berufsschule Im ersten Vortrag der Herbsttagung 1994 skizzierte Volker Jatho die Situation des Mathematikunterrichts in der (Teilzeit-)Berufsschule in den Metallberufen. Nach der Neuordnung der industriellen und handwerklichen Metallberufe wurden die mathematischen Inhalte in die berufsbezogenen Fächer integriert, also nicht mehr in einem Unterrichtsfach „Fachrechnen“ oder „Technische Mathematik“ ge- trennt ausgewiesen. Diese Inhalte werden in der Regel von Lehrern der jeweiligen beruflichen Fachrichtung unterrichtet. Durch diese Neuordnung wurden die mathe- matischen Inhalte nicht gravierend geändert. Unter der Vorgabe, fachübergreifend und handlungsorientiert zu unterrichten, sind jedoch andere Unterrichtsmethoden zu wählen. Die im Beruf benötigte Mathematik ist mit dem Ziel der Handlungskom- petenz vor oder mit den technologischen Inhalten zu erarbeiten. Durch das Lösen von Anwendungsaufgaben soll zum Verständnis technischer Systeme und der mit ihnen durchzuführenden Prozesse hingeführt werden. Facharbeitern sind, so Jatho, in der Berufsarbeit benötigte mathematische Inhalte so zu vermitteln, daß sie zu technologisch und ökonomisch angemessenen Entscheidungen befähigt werden. Seit der Neuordnung der Metallberufe müssen die Berufsschüler Aufgaben lösen, die in komplexe technische Kontexte eingebettet sind. Für die Theorielehrer in der (Teilzeit-)Berufsschule treten an die Stelle mathematikdidaktischer Überlegungen technikdidaktische Entscheidungen. Nicht-berufsbezogene Anteile der Technischen Mathematik sind nicht mehr Inhalte des Berufsschulunterrichts, sondern müssen schon in der Sekundarstufe I gelernt sein – oder in Stützkursen vermittelt werden. Alle in der (Teilzeit-)Berufsschule unterrichtenden Lehrer müssen über fachliche und methodische Informationen zur berufsschulrelevanten Mathematik der techni- schen Fächer verfügen. Doch zeigen sich hier noch Defizite. Mathematischer För- derunterricht darf nicht „Pauken“ von Mathematikaufgaben sein. Mit der Vorberei- tung auf Prüfungsaufgaben müßten auch allgemeine Lernziele des Mathematikun- terrichts angestrebt werden, so daß sich die Berufsschüler das erforderliche mathe- matische Wissen tatsächlich aneignen können. Mathematikdidaktische Fragen werden nach Auffassung Jathos von der Technik- didaktik weitgehend vernachlässigt. Die Fächerintegration in der (Teilzeit-)Berufs- schule erfordere auch eine Zusammenarbeit der korrespondierenden Fachdidakti- ken auf der Hochschulebene. Mathematik als Sprache der technischen Wissenschaft Einleitung 11 könne über das bloße Ausrechnen von Formeln einen erheblichen Beitrag zum Ver- stehen im Technikunterricht leisten. Traditionelle Inhalte der Berufsschulmathe- matik seien allerdings nicht geeignet, in komplexen beruflichen und außerberuf- lichen Handlungssituationen mathematisch gestützt Entscheidungen zu begrün- den. Es gelte daher anwendungsbezogen mathematische Zuordnungsvorschriften im Unterricht als Black Boxes einzusetzen und in der Schule auf die Herleitung die- ser Zuordnungsvorschriften für den technisch-physikalischen Prozeß zu verzichten. Durch diesen didaktischen Ansatz werde im Unterricht für die Berufsschüler ein Feld nützlicher mathematischer Anwendungen geöffnet. Nicht jede Formel müsse im Unterricht restlos mathematisch aufgeklärt werden. Aufgabe der Mathematikdi- daktik sei es, solche Black Boxes zu sammeln und für den Unterricht zu entwickeln. Der Beitrag Jathos ist in einer überarbeiteten Fassung in diesen Band unter dem Titel Mathematik in der Teilzeit-Berufsschule des Berufsfeldes Metall aus unterrichtspraktischer Sicht aufgenommen. (Vgl. S. 93–111.) Im zweiten Vortrag der Herbsttagung 1994 stellte Hans-Jürgen Deckert die ver- änderten Aufgaben der Ausbildung in Fachseminaren „Mathematik“ für die Lehr- amtsanwärter an wirtschaftsberuflichen Schulen vor. Durch die Neuordnung der Berufsausbildung im kaufmännisch-verwaltenden Berufsfeld entfällt nach den Vor- gaben der Kultusministerkonferenz ein eigenständiges Fach „Wirtschaftsrechnen“ in der kaufmännischen (Teilzeit-)Berufsschule. Die Ausbildung der Referendare muß diese Änderung ebenso berücksichtigen wie den verbindlichen Einsatz der In- formations- und Kommunikationstechniken und phasenweisen fächerverbindenden und fachübergreifenden Unterricht. Der Beitrag Deckerts stellt die Aspekte des Wirtschaftsrechnens im Rahmenlehrplan der Kultusministerkonferenz für die Bü- roberufe vor, greift das Thema der Integration informationstechnischer Inhalte auf und zeigt an drei Unterrichtsbeispielen, wie die Vorgaben auf der Grundlage eines Lehrplans realisiert werden können, der die bisherige Teilung der Unterrichtsfä- cher nicht mehr kennt. Die Ausbildung der Referendare in den Fachseminaren „Wirtschaftsmathematik“ und die Lehrerfortbildung müssen, so Deckert, angesichts der Einbettung des Wirt- schaftsrechnens in andere Fächer Schwerpunkte setzen, die durch Anregung der Methodenvielfalt, die flexible Wahl von Lösungsverfahren, das Anregen und Auf- greifen von Schüleraktivitäten, mehr Veranschaulichungen und Visualisierungen, Aufdecken von mathematischen Hintergründen, sowie Förderung von mehr Re- chenfähigkeit als Beitrag zur Problemlösefähigkeit beschrieben werden. So können Lehrer befähigt werden, Mathematik in den wirtschaftskundlichen Fächern als Unterrichtsprinzip zu realisieren. Der Beitrag Deckerts ist in einer überarbeiteten Karlheinz Fingerle12 Fassung in diesen Band unter dem Titel Anforderungen an Mathematik-Leh- rende in der (Teilzeit-)Berufsschule aus der Sicht der 2. Phase der Lehrer- ausbildung im kaufmännisch-verwaltenden Berufsfeld aufgenommen. (Vgl. S. 33–48.) Der dritte Vortrag der Herbsttagung 1994 wurde von Werner Blum gehalten. Am Beispiel der Berufsschullehrerausbildung an der Universität Kassel stellte er ein Mathematikstudium vor, das befähigen soll, sowohl in beruflichen Vollzeitschulen als auch in Teilzeit-Berufsschulen mathematische Inhalte kompetent zu unterrich- ten. Für einen fachlich sicheren und selbständigen Unterricht im beruflichen Schul- wesen sollen die folgenden Qualifikationen im Studium erworben werden: fachli- cher Durchblick und Überblick, Fähigkeit zur Analyse und Reflexion und ein akti- ves und positives Verhältnis zur Mathematik. Im fachdidaktischen Studium sollen die Studierenden didaktisch orientierte Sachanalysen wesentlicher mathematischer Schulstoffe kennenlernen. Sie sollen fähig werden, die Auswahl mathematischer Schulstoffe zu beurteilen, Lernvoraussetzungen und Lernschwierigkeiten zu ken- nen und zu diagnostizieren sowie angemessene methodische Maßnahmen zu wäh- len. Schließlich sollen sie auch lernen, Medien im Mathematikunterricht angemes- sen einsetzen zu können. Eine kritische Überprüfung und Bewertung der Kasseler Berufsschullehrerstudiengänge zeigte, daß sich die vorgestellte Konzeption grund- sätzlich bewährt hat. Doch sollten künftig in den fachinhaltlichen Lehrveranstal- tungen die Praxisbezüge besser verdeutlicht werden. Weil in der Schulpraxis erwar- tet wird, daß in der Teilzeit-Berufsschule jeder Lehrer berufskundlicher Fächer ma- thematische Inhalte unterrichten kann, schlägt Blum vor, einen Teil des Lehrange- bots zur Berufsschulmathematik nicht nur den Studierenden des Wahlfachs Mathe- matik, sondern allen Studierenden für das Lehramt für berufliche Schulen anzubie- ten. Der Beitrag Blums ist in einer durchgesehen Fassung in diesen Band unter dem Titel Zur universitären Ausbildung von Mathematiklehrern für beruf- liche Schulen aufgenommen. (Vgl. S. 19–31.) Im vierten Vortrag stellte Karlheinz Fingerle einige Aspekte der Ausbildung der Berufspädagogen an der Hochschule vor, die grundsätzlich für die Studierenden al- ler Lehrämter gelten. Fingerle erinnerte an die von der Bildungskommission des Deutschen Bildungsrates im Strukturplan für das Bildungswesen im Jahre 1970 veröffentlichte Beschreibung des Berufsbildes des Lehrers, dessen Aufgaben Leh- ren, Erziehen, Beurteilen, Beraten und Innovieren umfassen.5 In der Empfehlung 5 Deutscher Bildungsrat: Strukturplan für das Bildungswesen. Stuttgart: Klett, 1970. (Empfeh- lungen der Bildungskommission), S. 217–220. Einleitung 13 zur Neuordnung der Sekundarstufe II habe die Bildungskommission die „Tätig- keitsmerkmale und Qualifikationen“ der Lehrenden konkretisiert und dabei Her- ausforderungen beschrieben, denen sich Lehrer an beruflichen Schulen auch heute noch stellen müssen: „In Kursen unterschiedlicher Zielsetzung und in wechselnden Lerngruppen müssen sie auf unterschiedlichen Anspruchsniveaus wissenschaftsorientiertes Lernen anbahnen, strukturieren und einüben und dabei die situations- und altersspezifischen Interessen und Bedürfnisse der Jugendlichen berücksich- tigen können.“6 Dies ist oft abbilddidaktisch mißverstanden worden. Wissenschaftsorientierung heißt jedoch nicht, eine fremde Systematik an die Jugendlichen heranzutragen. Denn schon die Bildungskommission forderte, daß die Lehrenden fähig sein müs- sen, „den Grundsatz handlungs- und reflexionsbezogenen Lernens zu verwirkli- chen“.7 Fingerle forderte, daß die künftigen Lehrer an beruflichen Schulen befähigt werden müssen, die Jugendlichen beim selbständigen Lernen zu unterstützen. Dies sei – so bemerkte er im Anschluß an Rolf Dubs – für die Lehrkräfte meist schwerer als herkömmlicher Unterricht. Jedoch stehe die Förderung selbständigen Lernens nicht im Gegensatz zum Frontalunterricht, für den Studierende ebenfalls vorberei- tet werden müßten.8 Mit Antonius Lipsmeier vertrat Fingerle die Auffassung, daß Fachkompetenz eine wesentliche Voraussetzung dafür ist, daß Berufsschullehrer innovationsfähig werden.9 Zur Realisierung von Innovationen gehörten allerdings auch Arbeitsbedingungen, die mit dem Begriff der Autonomisierung der Berufs- schule umschrieben werden können.10 Fingerle wies die Auffassung zurück, daß die Fächerstruktur der Schule aus den Schneidungen und Abgrenzungen der Hochschuldiziplinen abgeleitet werden könn- te. Besonders im beruflichen Schulwesen bestätige sich, daß Schulfächer eigene Traditionen haben und ganz anders abgegrenzt werden als Universitätsdisziplinen 6 Deutscher Bildungsrat: Zur Neuordnung der Sekundarstufe II. Konzept für eine Verbindung von allgemeinem und beruflichem Lernen. Bonn, 1974. (Empfehlungen der Bildungskommission), S. 98. 7 Ebd., S. 100. 8 Vgl. hierzu: Rolf Dubs: Selbständiges Lernen: Liegt darin die Zukunft? In: Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik. Bd. 89 (1993), H. 2, S. 113–117. – Rolf Dubs: Versuch einer Differenzie- rung von polarisierenden Aussagen über Lehrformen (Unterrichts-Methoden) und über den Füh- rungsstil des Lehrers im Klassenzimmer. In: Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik. Bd. 87 (1991), H. 6, S. 443–445. 9 Antonius Lipsmeier: Berufsschullehrer-Studiengänge im Kontext von Bedarfsdeckung und Pro– fessionalisierung. In: Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik. Bd. 88 (1992), H. 5, S. 358 bis 378. 10 Vgl. Antonius Lipsmeier: Die Arbeitsbedingungen der Berufsschullehrer … In: Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik. Bd. 87 (1991), H. 1, S. 3 f. Karlheinz Fingerle14 und oft auch andere Inhalte haben als gleichnamige Fächer der Sekundarstufe I und anderer Schulformen der Sekundarstufe II. Zudem müsse bedacht werden, daß Lehrgänge, Kurse, Projekte der Schulen – insbesondere der Berufsschulen – curri- cular oft an Themen und Aufgaben ausgerichtet sind, die nicht fachsystematisch bestimmt sind. Für das Studium zur Vorbereitung auf die Tätigkeit als Lehrer an Berufsschulen bedeute dies, eine Unbestimmtheit hinsichtlich der künftigen Rele- vanz der studierten Fächer „aushalten“ zu müssen und insbesondere das Erforder- nis, sich für die Erschließung solcher Gebiete offen zu halten, die in Studium und Lehrerberuf, in der Berufsschule und in der betrieblichen Ausbildung mit ganz an- deren „fachlichen Etiketten“ versehen sind. Im Studium des Wahlfachs Mathematik sollten künftige Berufsschullehrer Mathematik als Mittel kennenlernen, die Welt, insbesondere berufliche Situationen, zu erschließen. Berufspädagogik könne den Stellenwert der Mathematik in einem übergreifenden Zusammenhang beruflichen Lernens klären. Selbstverständlich hat das Studium der Berufspädagogik noch viele andere Aufga- ben und Ziele. Mit den Studium für andere Lehrämter hat es einen gemeinsamen Kern erziehungs- und gesellschaftswissenschaftlicher Inhalte. Defizitär ist aller- dings die Vorbereitung auf Situationen und Aufgaben, die als sozialpädagogisch charakterisiert werden können. Solche Situationen gibt es in allen beruflichen Schulen. Perspektivlosigkeit, mangelnde intrinsische Motivation und gravierende Störungen des Unterrichts können zum Beispiel auch in Beruflichen Gymnasien gefunden werden, auch wenn zum Thema Sozialpädagogik meist eher Stichworte wie Ausländer, Arbeitsimmigranten, Asylanten, Gewalt usw. genannt werden. Fingerle forderte, daß alle Berufspädagogen in der Universität sozialpädagogische Pflichtveranstaltungen besuchen sollten. Fingerle schloß seine Aufführungen mit dem Hinweis, daß auf dieselbe Art noch viele fachliche und pädagogische Bereiche des Studiums benannt werden könnten. Die Vorbereitung der Lehrer auf ihre Berufstätigkeit stehe immer wieder in der Si- tuation, daß das Studium unter Stoff-Fülle zu „ersticken“ drohe. Die Hochschulen müssen daher eine Auswahl treffen. Dies sollte um so leichter fallen, als Studien zwar formal durch Prüfungen abgeschlossen werden, inhaltlich aber prinzipiell un- abgeschlossene Prozesse sind. Der Vortrag Fingerle wurde auf der Grundlage eini- ger Stichworte frei gehalten und ist über das hier Berichtete hinaus nicht ausge- arbeitet worden. Eine systematische Behandlung des Themas müßte die neueren Reformvorschläge zur Lehrerausbildung einbeziehen und würde damit den inhaltli- chen Rahmen dieses Bandes sprengen. Einleitung 15 Verwendung von Mathematik im fachkundlichen Unterricht Im ersten Vortrag der Herbsttagung 1995 beschrieb Gerhard Gerdsmeier den Zu- stand des Fachunterrichts in der Teilzeitberufsschule (zum Beispiel für Industrie- kaufleute oder Großhandels- und Außenhandelskaufleute): Bei der Umwandlung ökonomischen Wissenschaftswissens in Kaufmannswissen werde die Verschrän- kung von ökonomischen und mathematischen Dimensionen fast unkenntlich. Gerdsmeier stellte eine Typologie wirtschaftsberuflicher Fachinhalte (Zwiebelscha- lenmodell) vor, das fünf Schalen unterschied: • „Richtiges“ Handeln im Umgang mit Sachen, Geräten, Menschen und Informa- tionen, • situativ angemessene Interpretation und Erweiterung der Handlungen, • funktionale Tugenden, • Verstehen wirtschaftlichen Handelns und gesamtwirtschaftlicher Prozesse und • ethische Reflexion wirtschaftlichen Handelns. Diese Typologie diente Gerdsmeier als Rahmen für die Analyse ausgewählter Schulbuchbeispiele zur Führung und Bedarfsplanung, zur Preisbildung auf Märk- ten, zur Konjunktur und zur Geldwertstabilität. Als Ergebnis der Analyse hielt Gerdsmeier fest, daß die Schulbuchtexte dem Postu- lat der Wissenschaftsorientierung folgen, aber in zweifacher Hinsicht scheitern: Die reproduktiv-reduktionistisch-illustrative Grundhaltung versperre den Blick auf den empirischen Gehalt und die Bedeutung disziplinärer Fragestellungen. Weltverste- hen werde nicht gefördert. Die Reproduktion der Konstruktionen der Ökonomik mißlinge, so daß am Ende mehr auf die Alltagslogik der Schüler vertraut werde. Die Logik der konstruktiven Elemente könne so nicht verstanden werden. – Gerds- meier setzte gegen diese Fehlformen der Schulbuchökomik einen Ansatz, Unter- richtseinheiten oder Lehrgänge immer so anzulegen, daß alle fünf genannten Scha- len angesprochen werden. Dadurch könne verhindert werden, daß zusammenhang- loses Wissen und erklärungsarme Beschreibungen von Methoden, Normen usw. an- geboten würden. Da Schüler nicht zu Wirtschaftswissenschaftlern ausgebildet werden sollten, gebe es keinen Grund, wie bisher einen Gesamtüberblick über das Lehrgebäude anzubieten. Vielmehr solle versucht werden, ein Verständnis für die Art zu wecken, in der Ökonomen sich die Welt denken, und wo die Grenzen ihrer Erklärungen liegen. An ausgewählten Beispielen könnten die Schüler sich am besten in die Konstruktionen eindenken, indem sie selber Konstruieren, selber Mo- Karlheinz Fingerle16 dellierungen entwickeln. Gerdsmeier erwartet, daß diese Modellierungen, die teil- weise sogar den wissenschaftlichen gleichwertig sein könnten, überwiegend mathe- matikhaltig und eine Anwendung für die Mathematik seien. Dies könne auch die mathematikdidaktischen Sorgen ausräumen, in den ökonomischen Unterrichten würde die Mathematik „weginterpretiert“. Dieser Bericht kann nur wenige Facetten aus Gerdsmeiers Vortrag ansprechen. Es liegt eine umfangreiche Ausarbeitung des Vortrags als Manuskript vor, die aber nicht in diesen Band aufgenommen worden ist. Statt dessen ist hier ein Beitrag ab- gedruckt, in dem nur Aspekte des ursprünglichen Vortrags ausgearbeitet werden. Anderes – insbesondere das Zwiebelschalenmodell – werden die Teilnehmer der Ta- gung vermissen; es soll auf andere Weise publiziert werden. Zum Inhalt des hier aufgenommenen Aufsatzes: Gerdsmeier hält wirtschaftswissen- schaftliche Inhalte in einen doppelten Sinn für mathematikhaltig. Zur ersten Ebene der kaufmännischen Situationsbewältigung, des Umgangs mit Geld, liegen – bezo- gen auf den kaufmännischen Unterricht – viele mathematikdidaktische Arbeiten vor. Die Wirtschaftsdidaktik kann hier an einen bemerkenswerten mathematik- didaktischen Diskussionsstand anknüpfen. Anders ist die Situation auf der zweiten Ebene, der Auseinandersetzung mit den ökonomischen Theorien. Gerdsmeier stellt fest, daß das Verhältnis von ökonomischer Theorie und Mathematik insbesondere im Blick auf den Wirtschaftslehreunterricht bisher kein Interesse der Mathematik- didaktiker gefunden hat. Er beschreibt dieses Verhältnis, wie es sich in Schul- büchern (und damit auch im Schulalltag) vorfinden läßt. Er nennt verschiedene Gründe, durch die sich die bisherige Vernachlässigung der Theorieebene durch die Mathematikdidaktik erklären ließe. In der Überwindung des bisherigen reduktio- nistisch-abbilddidaktischen Ansatzes sieht er eine Chance, das Verständnis der Lernenden zu fördern. An ausgewählten Problemstellungen könnten Schüler zum Modellbilden zu Wirklichkeitsausschnitten (Eigenproduktionen) angeregt werden. Dazu wäre es förderlich, wenn die Schüler soweit mathematisch befähigt wären, daß sie diesen Prozeß ökonomischer Modellierung zugleich als einen Prozeß mathe- matischen Modellierens auffassen könnten. Gerdsmeier stellt die in der Literatur zu findenden Bestimmungen des Ausdrucks Geldwert vor: im Modellkontext eines Individuums, im Kontext von Gruppen und im volkswirtschaftlichen Zusammen- hang. In didaktischer Absicht können diese Bestimmungen auf das Vorwissen und die Fähigkeiten von Berufsschülern bezogen werden. Hier zeigen sich u. a. Möglich- keiten, Alltagsdenken in bewußtes Denken zu überführen oder durch das Ermun- tern zu Eigenproduktionen Gründe, Anforderungen und Leistungsfähigkeit des Modellierens mit den Schülern zu analysieren. Einleitung 17 Die untersuchten Textbeispiele zum Thema Geldwert zeigen, daß die bisherige Pra- xis gerade diese Chancen verfehlt. Drei ausgewählte Schulbuchtexte zeigen ein ab- bilddidaktisches Grundverständnis. Der ergebnisorientierte Instruktionsmodus der Texte erschwert oder verhindert das ökonomische Verständnis und reduziert den Mathematikgehalt bis zur Unkenntlichkeit. Das dritte Beispiel aus einem Text zur Fortbildung von Mathematiklehrern zeigt, daß für das Sachrechnen entwickelte Konzeptionen nicht auf die Beschäftigung mit ökonomischen Modellen übertragen werden sollten. Gerdsmeiers Beitrag ist in diesem Band unter dem Titel Ökonomi- sche Theorie, Mathematik und kaufmännischer Unterricht zu finden. (Vgl. S. 49–78.) Dem Aufsatz ist eine Dokumentation der analysierten Textbeispiele beigegeben. (Vgl. S. 79–91.) Der zweite Vortrag der Herbsttagung 1995 wurde von Artur Willi Petersen gehal- ten. Die mit der Neuordnung der Metall- und Elektroberufe in den achtziger Jahren veröffentlichten Rahmenlehrpläne für die metall- und elektrogewerblichen Berufs- schulen haben nach Petersen inhaltliche und methodische Defizite der curricularen Struktur- und Fachvorgaben nicht überwunden. Die Unterschiede und Gemeinsam- keiten zwischen den alten Ansätzen des Fachkunde-, Fachzeichnen- und Fachre- chen-Unterrichts zum neueren Fach Technische Mathematik seien didaktisch nur unzureichend reflektiert worden. Obwohl mit der Neuordnung der industriellen Me- tall- und Elektroberufe fächerübergreifender, integrierter, ganzheitlicher und hand- lungsorientierter Unterricht gefordert ist, seien in den curricularen Vorgaben die alten Strukturen der Fachsystematik nicht überwunden worden. Über die didak- tische Bedeutung und die Inhalte der Technischen Mathematik müsse nachgedacht werden. Petersen zeigte, daß nicht nur die fachliche Verengung auf Technik im Sin- ne der Ingenieurwissenschaft wenig mit der Berufsarbeit des Facharbeiters zu tun hat, sondern auch die Versatzstücke ingenieurwissenschaftlichen Rechnens wenig zum Verstehen beitragen. Erstaunlich sei, wie wenig Lehrer über die zu behandeln- den Gegenstände wissen (und wissen können). Petersen belegte dies an der mathe- matischen Formel zum Dynamo. Um solche Mängel zu überwinden, plädiert Peter- sen für einen didaktischen Ansatz, der von komplexen Anlagen ausgeht, die unter der Perspektive der Facharbeit analysiert werden sollten. In diesem Kontext favori- siert er ein in den fachlichen Unterricht integriertes mathematisches Lernen und nicht eine an einer mathematischen Systematik orientierte Lernsequenz. Petersen hat zu seinem Vortrag nur ein kurzes Thesenpapier vorgelegt. Er hat aber an anderen Stellen einschlägige Darstellungen und Analysen publiziert – zum Bei- spiel in seinem Aufsatz „Die Gestaltung einer arbeitsorientierten Fachbildung im Karlheinz Fingerle18 Berufsfeld Elektrotechnik aus curricularer Sicht.“11 Seine Kritik an den Rahmen- lehrplänen bringt er mit folgender Aussage auf den Punkt: „An der Gestaltung der Lerngebiete ist eine vorrangige und einseitige Orientierung an spezifi- schen Technikthemen und einer systematischen Fachstruktur nicht zu übersehen. Auf dieser Grundlage kann traditionell isoliertes Fachwissen vermittelt werden, welches weitgehend ei- nem Abbild der Fachwissenschaft entspricht, nicht jedoch fachbildendes Berufswissen, welches sich am Bildungsauftrag und den Handlungsanforderungen der Facharbeit orientiert.“12 Daß Technik über berufliche Facharbeit mitgestaltet wird, gerät so völlig aus dem Blick. Dagegen läßt sich Petersen in seinem Konzept der arbeitsorientierten Rah- menplangestaltung von dem Ziel der Mitgestaltung der Arbeitswelt leiten. ——— 11 Willi Petersen: Die Gestaltung einer arbeitsorientierten Fachbildung im Berufsfeld Elektrotech- nik aus curricularer Sicht. In: Antonius Lipsmeier, Felix Rauner (Hrsg.): Beiträge zur Fachdidaktik Elektrotechnik. Stuttgart: Holland & Josenhans, 1996. (Beiträge zur Pädagogik für Schule und Be- trieb; Bd. 16), S. 277–306. 12 Ebd., S. 288. Werner Blum Zur universitären Ausbildung von Mathematiklehrern für berufliche Schulen 1 Problemstellung und Überblick Mein Thema ist die erste Phase der Mathematiklehrerausbildung für berufliche Schulen. Dabei sind Lehrer gemeint, die das Fach Mathematik im gesamten beruf- lichen Schulwesen unterrichten (können), d. h. sowohl an Teilzeit-Berufsschulen (dort dann Fachrechnen, Fachmathematik oder in die berufliche Fachkunde inte- grierte Mathematik) als auch an Vollzeit-Berufsschulen, von Berufsfachschulen über Fachschulen und Fachoberschulen bis zu Beruflichen Gymnasien. Ich halte ein solch umfassendes, auf das gesamte berufliche Schulwesen bezogenes Qualifi- kationsspektrum für sinnvoll und notwendig. Weder ist ein Berufsschullehrer ohne adäquate Mathematikausbildung in der Lage, in der Teilzeit-Berufsschule oder gar in Vollzeitschulen kompetent mathematische Inhalte zu unterrichten1, noch können nur für Vollzeitschulen ausgebildete (womöglich am rein gymnasialen Vorbild ori- entierte) Mathematiklehrer kompetent die elementaren mathematischen Themen der Teilzeit-Berufsschule vermitteln. Eine solche Mathematiklehrerausbildung ist (in einer bundesweit wohl einmaligen Weise) an der Universität Gesamthochschule Kassel realisiert. Darüber will ich in diesem Aufsatz berichten. Das Thema könnte daher auch lauten „Zur Konzeption der Berufsschullehrerausbildung in Mathematik an der Kasseler Universität“. Wenn im folgenden von „Berufsschullehrer“ die Rede ist, ist stets im vorhin genannten Sinne „Lehrer für das gesamte berufliche Schulwesen“ gemeint. Ich beschreibe da- bei in Abschnitt 2 den allgemeinen Rahmen dieser Ausbildung. Hier nenne ich auch spezielle Details wie Stundenzahlen, um den Bericht möglichst konkret zu machen. 1 Ich weiß, daß trotzdem Tausende Lehrer ohne eine solche Mathematikausbildung im alltägli- chen Berufsschulunterricht mathematische Inhalte unterrichten und sich dabei nach Kräften mü- hen, ich weiß auch, daß (sozial-)pädagogische und fachkundliche Kompetenzen oft noch wichtiger sind, aber der mathematische Unterricht kann nur so gut sein wie die entsprechende Qualifikation des Lehrers. Werner Blum20 Diese Details spielen jedoch im weiteren keine wesentliche Rolle, wichtiger sind die konzeptionellen Aspekte. Diese werden in Bezug auf das Fach Mathematik in Ab- schnitt 3 dargestellt. Orientiert am zukünftigen Berufsfeld werden hier fachinhalt- liche und fachdidaktische Studienziele genannt. Schließlich werden in Abschnitt 4 konkrete Studienpläne und eine ausgewählte Didaktik-Lehrveranstaltung vorge- stellt sowie einige Erfahrungen referiert. 2 Die Kasseler Berufsschullehrerausbildung An der Universität Gesamthochschule Kassel gibt es Diplom-Studiengänge für Berufspädagogik und für Wirtschaftspädagogik. Hier werden Studenten in einem Hauptfach (Elektro- oder Metalltechnik bzw. Wirtschaft) und einem Wahl- fach entweder zu zukünftigen Berufsschullehrern ausgebildet oder auf gewisse nichtschulische Schwerpunkte (wie Betriebliche Aus- und Weiterbildung, Berufliche Rehabilitation oder Internationale Berufspädagogik) vorbereitet. Das Studium dauert einschließlich eines Praxissemesters neun Semester. Eines der möglichen Wahlfächer im Berufsschullehrerstudium ist Mathematik, mit einem Volumen von 40 der insgesamt 160 Semesterwochenstunden bei der Berufspädagogik (hier hat Mathematik als zum Hauptfach „affines“ Wahlfach also nur einen Anteil von einem Viertel am Studium) bzw. mit 54 der 160 Semesterwochenstunden bei der Wirt- schaftspädagogik (als „nicht-affines“ Wahlfach hier also mit einem Anteil von etwa einem Drittel). Die Kasseler Universität hat seit ihrer Gründung 1971 neuartige Lehrerstudien- gänge etabliert, deren konstitutive Elemente richtungsweisend waren und inzwi- schen von vielen Universitäten übernommen worden sind. Auch die Berufsschul- lehrerstudiengänge entsprechen diesem „Kasseler Modell der Lehrerbildung“. Seine Charakteristika sind insbesondere: • Berufsfeldorientierung: Vorausgesetzt wird eine bewußte Entscheidung des Studenten für den Lehrer- beruf und für die gewählten Fächer. Das Studium ist ausgerichtet auf die zu- künftige Berufspraxis, bei den Berufs- und Wirtschaftspädagogen also auf das berufsbildende Schulwesen (in seiner ganzen Breite). Das erziehungs- und gesellschaftswissenschaftliche „Kernstudium“ hat einen Anteil von fast einem Viertel am Stundenvolumen (die beiden Fächer haben zusammen drei Viertel), wobei bei den Berufsschullehrerstudiengängen natürlich die Berufs- und Wirt- schaftspädagogik einen besonderen Studienschwerpunkt bildet. Zur universitären Ausbildung von Mathematiklehrern für berufliche Schulen 21 • Einbezug von Schulpraxis: Verpflichtend sind ein fünfwöchiges Schulpraktikum in der vorlesungsfreien Zeit sowie semesterbegleitende schulpraktische Studien in beiden Fächern. Sämtliche schulpraktischen Veranstaltungen werden durch Vorbereitungs-, Begleit- und Nachbereitungsseminare wissenschaftlich betreut. • Zentrale Rolle der Fachdidaktik: Die Fachdidaktik ist die Berufswissenschaft des Fachlehrers. Sie stellt das Bin- deglied dar zwischen der Fachwissenschaft, den Erziehungs- und Gesellschafts- wissenschaften und der Schulpraxis. Daher sind in allen Fächern Fachdidaktik- Professuren eingerichtet, und zwar (bis auf eine Ausnahme) im selben Fach- bereich wie das zugehörige Fach. Für einige Wahlfächer in den Berufsschul- lehrerstudiengängen sind in Kassel – einmalig in Deutschland – sogar spezi- fische berufsschulbezogene Fachdidaktik-Professuren eingerichtet worden, so auch eine für das Fach Mathematik. Im Wahlfach Mathematik der Berufsschul- lehrerstudiengänge hat die Mathematikdidaktik einen Umfang von 12 der 40 bzw. 54 Semesterwochenstunden. • Durchlässigkeit zwischen verschiedenen Studiengängen: Es gibt gemeinsame Studienelemente für die verschiedenen Lehrerstudiengänge (Grundschule, Haupt- und Realschule, Gymnasium, Berufsschule, und zwar be- züglich Fachinhalten, Fachdidaktik und Erziehungs- / Gesellschaftswissenschaf- ten) wie auch für Lehrer- und zugehörige fachbezogene Diplomstudiengänge (bei den Berufsschullehrerstudiengängen sind das also im Hauptfach der Diplom- Ingenieur- bzw. der Diplom-Ökonomie- und im Wahlfach z. B. der Diplom- Mathematik-Studiengang). Das erleichtert einen Wechsel des Studiengangs. Die Berufsschullehrer-Diplomstudiengänge sind 1983 eingerichtet worden. Schon seit 1973 gab es jedoch Berufsschullehrerstudiengänge in Kassel, allerdings nur in Form von viersemestrigen Aufbaustudien für graduierte Ingenieure bzw. Betriebs- wirte. Die eben genannten Charakteristika galten schon für diese Aufbaustudien- gänge. Auch hier schon konnten sich Studenten für das Wahlfach Mathematik ent- scheiden (bei einer gegenüber heute sehr eingeschränkten Liste möglicher Wahl- fächer). Die Konzeption dieses Wahlfachs war sehr ähnlich zur derzeitigen, nur das Volumen war mit 32 Semesterwochenstunden geringer2. Aufbaustudiengänge existieren faktisch auch heute noch im Rahmen der Diplom-Studiengänge für Berufs- bzw. Wirtschaftspädagogik, denn Fachhochschulabsolventen erhalten Aner- 2 Bzgl. Details zum Wahlfach Mathematik im Rahmen der Kasseler Aufbaustudiengänge vgl. Blum (1974). Werner Blum22 kennungen von Studienleistungen im Hauptfach und können ein auf sechs Seme- ster verkürztes Studium absolvieren. 3 Zur Konzeption des Studienfachs Mathematik Eine Lehrerbildung, für die Berufsfeldorientierung konstitutiv ist, muß Studenten auf die tatsächliche wie auch auf eine wünschbare Schulpraxis hin vorbereiten, d. h. ihnen die zur Ausübung ihres zukünftigen Lehrerberufs erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Einstellungen vermitteln. Dazu ist zuerst ein Blick auf das Fach Mathematik in den verschiedenen Schulformen innerhalb des beruflichen Schul- wesens nötig. Auf dieser Grundlage können dann fachinhaltliche und fachdidak- tische Studienziele identifiziert werden. 3.1 Zum Fach Mathematik im beruflichen Schulwesen Die zu unterrichtende Mathematik ist in den einzelnen Schulformen des berufli- chen Schulwesens ganz unterschiedlich ausgeprägt (vgl. die Übersichten von Blum 1979 und Sträßer 1996). In beruflichen Vollzeitschulen gibt es i. a. ein Fach Ma- thematik, dessen Curricula vergleichbar sind mit denen an entsprechenden sog. all- gemeinbildenden Schulen, d. h. an Realschulen und Gymnasien (bzgl. Details siehe Bardy u.a. 1988). In Teilzeit-Berufsschulen gibt es teilweise noch Fachrechnen als Fach oder Kur- se in berufsbezogener Mathematik („Technische Mathematik“ oder „Wirtschafts- mathematik“), die Tendenz ist jedoch, die mathematischen Inhalte in die berufliche Fachkunde zu integrieren (man könnte sagen, die Mathematik „wegzuintegrieren“). Wünschbar ist für mich ein Fach „Praktische Mathematik“, das eng mit den anderen Fächern verbunden ist, jedoch einen stimmigen, eigensystematischen Aufbau der relevanten mathematischen Inhalte und die (Weiter-)Entwicklung adäquater Grundvorstellungen durch Verwendung geeigneter fachmethodischer Hilfsmittel er- laubt (dies ist in Blum 1976 für das Berufsfeld Elektrotechnik und in Blum 1981 für das Berufsfeld Metalltechnik ausgeführt; eine entsprechende Konzeption ist auch für das Berufsfeld Wirtschaft und Verwaltung möglich, wie der Beitrag von Denner- lein / Manthey / Pörksen 1985 zeigt). Der zukünftige Lehrer soll für alle Schulformen kompetent sein. Insofern muß er einerseits Mathematik auf Realschul- und auf Gymnasialniveau unterrichten kön- nen, bis hin zu Leistungskursen. Andererseits muß er Fachrechnen oder „Prakti- Zur universitären Ausbildung von Mathematiklehrern für berufliche Schulen 23 sche Mathematik“ in der Teilzeit-Berufsschule unterrichten können, also elemen- tare, mit beruflichen Kontexten eng verbundene mathematische Inhalte wie Drei- satz-, Prozent- und Zinsrechnen, Formelumstellen oder Flächen- und Volumen- berechnungen. Das erfordert ein breites Qualifikationsspektrum. Hierzu müssen fachinhaltliche und fachdidaktische Studien zusammenwirken. 3.2 Fachinhaltliche Studienziele Im fachinhaltlichen Studium sollen die Studenten ein angemessenes Bild der im beruflichen Schulwesen ihrer Fachrichtung relevanten Mathematik gewinnen und die Fähigkeit erwerben, im späteren Beruf fachlich sicher und selbständig unter- richten zu können. Dazu gehören insbesondere folgende Qualifikationen (in Anleh- nung an Kirsch 1980). a) Fachlicher Durchblick, d. h. genügend tiefe Kenntnisse des relevanten ma- thematischen Schulstoffs und dessen Einbettung in einen umfassenden fachsyste- matischen Rahmen. Ein Beispiel: Kennen der mathematischen Hintergründe verschiedener Einfüh- rungsmöglichkeiten für exponentielle Prozesse und Exponentialfunktionen, etwa (vgl. Blum / Törner 1983) über eine schrittweise Erweiterung des Definitions- bereichs oder als funktionale Beschreibung bestimmter Wachstumsprozesse sowie auf höherem Niveau über Folgen bzw. Reihen oder als Lösungen einer Differentialgleichung, einschließlich der Zusammenhänge zwischen diesen Zu- gängen. b) Fachlicher Überblick, d. h. genügend breite mathematische Kenntnisse, auch im außermathematischen „Umfeld“. Beispiele: Kennen von Anwendungsbezügen in Alltag und Umwelt – wie etwa eine mathematische Beschreibung und Erklärung der EAN-Strichcodes oder des Regenbogens – sowie in anderen Fächern und Disziplinen, insbesondere auch im Hauptfach - wie z. B. funktionale, speziell proportionale Modellierun- gen von Stromstärke-Spannungs- oder Menge-Preis-Zusammenhängen. c) Fähigkeit zu Analyse und Reflexion Ein Beispiel: Fachliche Beurteilung von Schüleräußerungen oder von Formu- lierungen im Fachrechenbuch bei der Charakterisierung von proportionalen Beziehungen mittels „Zum Doppelten … das Doppelte …“ bzw. „Je mehr … desto mehr .…“ als adäquat bzw. inadäquat (vgl. Blum 1987). Werner Blum24 d) Aktives und positives Verhältnis zur Mathematik Beispiele: Unerwartete Schüleräußerungen – wie der Vorschlag, den Ablei- tungsbegriff über lim ( ) ( ) h f x h f x h h→ + − − 0 2 einzuführen – sollten den (zukünftigen) Lehrer nicht verunsichern, sondern zum eigenen Nachdenken und zu Sachklä- rungen herausfordern. Fachlich unbefriedigende Passagen oder gar Fehler in Lehrbüchern – wie die Bemerkung in einem Buch, die ebengenannte Definition sei äquivalent zur üblichen lim ( ) ( ) h f x h f x h→ + − 0 – sollten den Lehrer ärgern und zu selbständigen Verbesserungsvorschlägen motivieren. Insgesamt soll die Ausbildung den Studenten zu einem fachlich vollwertigen Ma- thematiklehrer in der beruflichen Sekundarstufe II qualifizieren. Deshalb läuft die Fachausbildung in Kassel auch gemeinsam mit den Gymnasiallehrerstudenten (die aufgrund ihres höheren Stundenvolumens zusätzlich noch weitere mathematische Vertiefungsveranstaltungen absolvieren). 3.3 Fachdidaktische Studienziele Im fachdidaktischen Studium sollen die Studenten Einsichten erwerben über die Beziehungen der im fachinhaltlichen Studium kennengelernten Mathematik zum Mathematikunterricht und über wesentliche Bedingungen des Lernens und schü- lergerechten Unterrichtens von Mathematik. Dazu gehören insbesondere folgende Qualifikationen. a) Kenntnis didaktisch orientierter Sachanalysen der wesentlichen mathema- tischen Schulstoffe Ein Beispiel: Kennen verschiedener Grundvorstellungen vom Prozentbegriff – „Von Hundert“, „Hundertstel“, „Bedarfseinheiten“ – sowie von entsprechenden Methoden der Prozentrechnung – „Von-Hundert-“, „Operator-“, „Dreisatz-“, „For- meleinsetz-“Methode (vgl. DIFF, BS 1 1983). b) Fähigkeit zur Rechtfertigung mathematischer Schulstoffe und zu begründe- ten curricularen Entscheidungen Ein Beispiel: Kennen und Beurteilen verschiedener Rechtfertigungen (etwa: „pragmatisch“, „formal“, „kulturbezogen“) zur Behandlung des Satzes von Pytha- goras in der Berufsfachschule und Fähigkeit zur adäquaten Einbettung dieses Satzes in den Geometrieunterricht. Zur universitären Ausbildung von Mathematiklehrern für berufliche Schulen 25 c) Einsicht in Vorgänge des Mathematiklernens Ein Beispiel: Kennen typischer Vorstellungen und Schwierigkeiten von Schülern mit Variablen – beim „Gegenstands-“, „Einsetzungs-“ und „Kalkülaspekt“ (vgl. Malle 1993) –, von möglichen Ursachen hierfür sowie von adäquaten methodi- schen Maßnahmen zur Überwindung von Lernhindernissen und zum Aufbau adäquater Grundvorstellungen. d) Kenntnis von Möglichkeiten und Grenzen des Einsatzes von Medien, ins- besondere von Computern Ein Beispiel: Kennen und Beurteilen des Galton-Bretts, der Idee des „Römischen Brunnens“ sowie von existierender Software zur Einführung und Anwendung von Binomialverteilungen. Auch im fachdidaktischen Bereich erfolgt der größere Teil der Kasseler Ausbildung (bezogen auf die typischen Sek.II-Inhalte Analysis, Stochastik, Lineare Algebra und Analytische Geometrie) gemeinsam mit den Gymnasiallehrerstudenten, während ein anderer Teil (bezogen auf Berufsschulinhalte wie Dreisatz- und Prozentrechnen, Algebra und Geometrie) für Berufs- und Wirtschaftspädagogikstudenten gesondert erfolgt (für diese allerdings gemeinsam, d. h. es gibt keine weitere Trennung in die beiden Studiengänge). 4 Zur curricularen Ausgestaltung des Fachs Mathematik 4.1 Die derzeitigen Kasseler Studienpläne Nach den in Abschnitt 3 genannten Studienzielen sind fast alle Studieninhalte naheliegend. a) Fachinhaltlicher Bereich: Der für alle Berufsschullehrerstudenten gemeinsame Pflichtbereich, der die schuli- schen Sek.II-Inhalte abdeckt, umfaßt • Differential- und Integralrechnung einer und mehrerer reeller Variabler, • Lineare Algebra und Analytische Geometrie, • Statistik und Wahrscheinlichkeitsrechnung. Für Berufspädagogen kommt hinzu eine Veranstaltung • Ebene und räumliche Elementargeometrie, Werner Blum26 denn dies ist für alle Arten gewerblich-technisch ausgerichteter Schulen wichtig, und für Wirtschaftspädagogen • Arithmetik und Algebra, auch als Einführung in mathematisches Denken anhand der Hintergründe der schulischen Zahl- und Größenbereiche (denn das Hauptfach enthält hier nur ver- gleichsweise wenig Mathematik, wodurch ja Mathematik „nicht-affines“ Wahlfach mit höherem Stundenumfang ist), sowie eine geeignete Veranstaltung zur • Informatik. Neben diesem Pflichtbereich gibt es einen Wahlbereich, in dem die Studenten ihre mathematischen Kenntnisse verbreitern und vor allem in einem selbstgewählten Gebiet vertiefen. Für den Wahlbereich stehen bei den Berufspädagogen 8 und bei den Wirtschaftspädagogen 12 Semesterwochenstunden zur Verfügung. Kanonische Vertiefungsgebiete sind Angewandte Analysis für Berufspädagogen und Stochastik oder Operations Research für Wirtschaftspädagogen, doch sind z. B. auch Vertiefun- gen in Algebra oder Geometrie möglich. Zum Vertiefungsbereich gehört auch ein fachinhaltliches Seminar, in dem die Studenten sich selbständig mit einem mathe- matischen Teilgebiet auseinandersetzen und es für ihre Kommilitonen aufarbeiten. b) Fachdidaktischer Bereich: Der Pflichtbereich für alle Studenten umfaßt • Allgemeine fachdidaktische Grundlagen wie Lernziele, Begriffslernen, Modellieren und Problemlösen, Medieneinsatz oder Methoden zur Unterrichtsplanung sowie • Didaktik des Sachrechnens, • Didaktik der Arithmetik/Algebra, • Didaktik der Geometrie, • Didaktik der Analysis, • Didaktik der Linearen Algebra und Analytischen Geometrie, • Didaktik der Stochastik. Die Grundlagen werden dabei in die ersten stoffdidaktischen Veranstaltungen integriert. Der Vertiefung dient noch ein fachdidaktisches Seminar. Die derzeit empfohlenen Kasseler Studienpläne sehen damit bei einem auf 6 Seme- ster (3. bis 8. Studiensemester) angelegten Wahlfachstudium so aus wie in Tabelle 1 dargestellt (links: nur für Berufspädagogik; rechts: nur für Wirtschaftspädagogik; Mitte: für beide). Zur universitären Ausbildung von Mathematiklehrern für berufliche Schulen 27 Sem. Berufspädagogik Wirtschaftspädagogik 3 • Analysis I • Didaktik der Berufsschulmathematik I • Arithmetik/Algebra I 4 • Analysis II • Didaktik der Berufsschulmathematik II • Arithmetik/Algebra II 5 • Lineare Algebra/Analytische Geometrie I • Didaktik der Oberstufenmathematik I 6 • Geometrie • Didaktik der Oberstufenmathematik II • Informatik I • Vertiefung 7 • Vertiefung • Stochastik I • Didaktik der Oberstufenmathematik III • Vertiefung 8 • Vertiefung • Fachinhaltl. Seminar • Fachdid. Seminar • Vertiefung • Fachinhaltl. Seminar • Fachdid. Seminar — Tabelle 1: Die Kasseler Studienpläne — 4.2 Zur „Didaktik der Berufsschulmathematik“ Unter diesem Titel läuft eine zweisemestrige Lehrveranstaltung mit je 2 Semester- wochenstunden, die ausschließlich für Berufs- und Wirtschaftspädagogen angebo- ten wird (in jedem Semester eine). Da es sich hier um eine außerhalb von Kassel nicht vorfindbare Veranstaltung handeln dürfte, der zudem eine zentrale Rolle in der Kasseler Berufsschullehrerausbildung zukommt, soll sie hier grob beschrieben werden. Um eine bessere Vorstellung zu erhalten, hier zunächst eine Inhaltsübersicht3: 3 Natürlich können einzelne Detail-Inhalte von Jahr zu Jahr variieren. Werner Blum28 I. Dreisatzrechnen • Lösungsmethoden für Dreisatzaufgaben • Sachanalyse (proportionale und antiproportionale Zuordnungen, Darstellungen) • Zum Größenbegriff • Analyse und Kritik von Fachrechenbüchern • Didaktische Diskussion Dreisatzrechnen • Analysen und methodische Vorschläge zum Kettensatz II. Prozent- und Zinsrechnen • Grundvorstellungen vom Prozentbegriff • Sachanalyse Prozentrechnen • Lösungsmethoden für Prozentaufgaben • Didaktische Diskussion Prozentrechnen • Mehrfache prozentuale Zuschläge und exponentielle Prozesse • Sachanalyse und Diskussion Zinsrechnen • Sachanalyse und Diskussion Effektivzins III. Funktionen • Sachanalyse Funktionsbegriff und Eigenschaften • Didaktische Diskussion lineare Funktionen • Didaktische Diskussion quadratische Funktionen • Sachanalyse und didaktische Diskussion Exponentialfunktionen • Sachanalyse und didaktische Diskussion Logarithmusfunktionen (inkl. log. Skalen) IV. Gleichungen und Ungleichungen • Sachanalyse Variablenbegriff • Empirische Untersuchungen zum Variablenbegriff • Sachanalyse Terme und Gleichungen • Didaktische Diskussion Gleichungslehre • Sachanalyse Formeln und Formelumstellungen • Didaktische Diskussion Umgehen mit Formeln • Didaktische Diskussion lineare und quadratische Gleichungen • Schulbuchanalyse zur Gleichungslehre • Sachanalyse lineare Gleichungssysteme • Sachanalyse Ungleichungen und Ungleichungssysteme • Didaktische Diskussion Lineares Optimieren • Konstruktion einer Lernsequenz zum Linearen Optimieren Zur universitären Ausbildung von Mathematiklehrern für berufliche Schulen 29 V. Geometrie • Sachanalyse Satz des Pythagoras und diverse Beweise • Didaktische Diskussion der Beweise • Konstruktion einer Lernsequenz zum Satz des Pythagoras • Sachanalyse Trigonometrie und trigonometrische Funktionen (u. a.: Bogen- maß) • Schulbuchanalysen zur Trigonometrie • Sachanalyse Kreisumfang und -inhalt VI. Curriculare Aspekte • Inhaltsübersicht Mathematik in Teilzeit-Berufsschule bzw. Berufsfach-/ Be- rufsaufbauschule • Lösung und Diskussion Abschlußprüfungsaufgaben • Curriculare Prinzipien für Berufsschulmathematik • Lehrplananalysen • Vorstellung alternativer Konzeptionen zur Berufsschulmathematik • Diskussion von Aufgabenbeispielen Die Veranstaltung zielt auf die Entwicklung fachdidaktischer Kenntnisse und Fä- higkeiten, wie sie in Abschnitt 3.3 beschrieben sind, bezogen auf die Inhalte der Be- rufsschul- und Berufsfachschulmathematik. Zudem dient die Veranstaltung gleich- zeitig als eine Einführung in die Mathematikdidaktik. Zu diesem Zwecke sind meh- rere allgemein-fachdidaktische Exkurse eingebaut (in obiger Inhaltsliste nicht aus- gewiesen), u. a. zu: • Ziele des Mathematikunterrichts • Darstellungsarten • Didaktische Prinzipien • Taschenrechner- und Computereinsatz im Mathematikunterricht • Anwendungen und Modellbildung im Mathematikunterricht • Grundvorstellungen von mathematischen Inhalten • Präformales Beweisen Konkrete Bezugsliteratur zur Stoffdidaktik von Kap. I und II sowie von Teilen von IV sind die Studienbriefe zum Sachrechnen des Deutschen Instituts für Fernstudien (DIFF 1983–89). Bei Kap. VI kann u. a. Bardy / Blum / Braun (1985) herangezogen werden. Ansonsten dienen die gängigen Didaktik-Monographien (wie z. B. Vollrath 1994) als Begleitliteratur. Werner Blum30 4.3 Einige Erfahrungen Inzwischen liegen in Kassel mehr als zwanzigjährige Erfahrungen mit solchen Be- rufsschullehrerstudiengängen vor. Um die Erfahrungen zu systematisieren, habe ich von 1992 bis 1994 das Wahlfach Mathematik im Wirtschaftspädagogik-Studien- gang einer kritischen Überprüfung unterzogen4. Dabei sind u. a. Absolventen, Fachleiter, derzeit Studierende und Lehrende befragt worden und ist das Kasseler Curriculum mit den Curricula aller anderen deutschen Universitäten, die einen entsprechenden Studiengang anbieten, verglichen worden. Ein wesentliches Ergebnis ist, daß sich die Konzeption offenbar bewährt hat, insbe- sondere auch aus Sicht der Schulpraxisanforderungen. Das gilt für alle konstituti- ven Elemente wie Berufsfeldorientierung mit Fachdidaktik- und Schulpraxis-Antei- len oder Durchlässigkeit (vgl. Abschnitt 2). Verbesserungsmöglichkeiten ergaben sich nicht aus dem Vergleich mit anderen Universitäten, sondern aus Anregungen aus der Schulpraxis. So scheinen die fachinhaltlichen Lehrveranstaltungen nicht genügend deutlich zu machen, wozu die Mathematik in der Praxis (Schule wie auch Alltag / Umwelt / Wirtschaft / Technik) dienen kann. Die fachinhaltlichen und fach- didaktischen Veranstaltungen (Beispiel: Analysis I und Didaktik der Analysis) sollten stärker miteinander verbunden werden. Eine weitere Anregung betrifft die Berufsschuldidaktik. Da es in der Schulpraxis offenbar das Axiom gibt, daß jeder Lehrer (unabhängig von seinen Fächern) mathematische Inhalte in der Teilzeit- Berufsschule unterrichten kann (siehe Fußnote 1), sollte jeder Lehrer in der uni- versitären Ausbildung hierauf wenigstens rudimentär vorbereitet werden. Insofern bietet es sich an, die Berufsschuldidaktik (siehe Abschnitt 4.2) in zwei Teile aufzu- teilen: Einen Teil mit Inhalten der Teilzeit-Berufsschule (Kap. I, II, Teile von IV und VI), der für sämtliche Berufsschullehrerstudenten angeboten wird, und einen Teil mit Inhalten der Berufsfach-/ Berufsaufbauschule (Kap. III, V, Teile von IV und VI) speziell für Studenten mit Wahlfach Mathematik. Dieser Vorschlag ist auf- grund formaler Probleme bis heute nicht verwirklicht, eine Realisierung ist nicht absehbar. Hier zeigt sich, daß selbst innovativ angelegte Studiengänge im Laufe der Zeit änderungsresistent werden können. 4 Projekt „Evaluation und konzeptionelle Weiterentwicklung des Wahlpflichtfachs Mathematik im Studiengang Wirtschaftspädagogik“, finanziert durch Lehrfördermittel der Universität Kassel. Zur universitären Ausbildung von Mathematiklehrern für berufliche Schulen 31 5 Literatur Bardy, Peter; Blum, Werner; Braun, Hans-Georg (Hrsg.): Mathematik in der Be- rufsschule. Essen: Girardet, 1985. Bardy, Peter et al.: Mathematik in der beruflichen Bildung. In: Bardy, Peter; Kath, Fritz; Zebisch, Hans-Jürgen (Hrsg.): Schriftenreihe technic-didact, Diskussionsfeld Technische Ausbildung. Alsbach: Leuchtturm, 1988, S. 141–252. Blum, Werner: Das Wahlpflichtfach Mathematik innerhalb der Aufbaustudiengän- ge für „Berufsschullehrer“ an der Gesamthochschule Kassel. In: Die Deutsche Be- rufs- und Fachschule Bd. 70 (1974), H.6, S. 473–478. Blum, Werner: Mathematik in der Berufsschule – Curriculare Probleme, aufgezeigt am Beispiel des Berufsfeldes Elektrotechnik. In: Die Deutsche Berufs- und Fach- schule Bd. 72 (1976), H.9, S. 671-686. Blum, Werner: Mathematikunterricht in berufsbildenden Schulen der Sekundar- stufe II. In: Beiträge zum Mathematikunterricht 1979. Hannover: Schroedel, 1979, S. 72–81. Blum, Werner: Fachrechnen / Technische Mathematik. In: Bonz, Bernhard; Lips- meier, Antonius (Hrsg.): Beiträge zur Fachdidaktik Maschinenbau. Stuttgart: Holland & Josenhans, 1981, S. 85–106. Blum, Werner: Einige didaktische Aspekte im Umfeld des Themas „Proportionen“. In: Die berufsbildende Schule Jg. 39 (1987), H. 10, S. 608–617. Blum, Werner; Törner, Günter: Didaktik der Analysis. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1983. Dennerlein, Jörg; Manthey, Hasso; Pörksen, Sönke Harm: Überlegungen zu einer Neuorientierung des mathematischen Unterrichts in der Teilzeit-Berufsschule im Berufsfeld Wirtschaft und Verwaltung. In: Bardy / Blum / Braun 1985, S. 72-91. Deutsches Institut für Fernstudien (DIFF): Studienbriefe Mathematik, Sachrech- nen für Lehrer an Berufsschulen, BS 1–7. Tübingen, 1983–89. Kirsch, Arnold: Zur Mathematik-Ausbildung der zukünftigen Lehrer – im Hinblick auf die Praxis des Geometrieunterrichts. In: Journal für Mathematik-Didaktik Jg. 1 (1980), H.4, S. 229–256. Malle, Günther: Didaktische Probleme der elementaren Algebra. Braunschweig: Vieweg, 1993. Sträßer, Rudolf: Professionelles Rechnen? Zum mathematischen Unterricht in Be- rufsschulen. In: mathematica didactica. Jg. 19 (1996), H. 1, S.67–92. Vollrath, Hans-Joachim: Algebra in der Sekundarstufe. Mannheim: Bibliograph. Institut, 1994. Hans-Jürgen Deckert Anforderungen an Mathematik-Lehrende in der (Teilzeit-)Berufsschule aus der Sicht der 2. Phase der Lehrerausbildung im kaufmännisch-verwaltenden Berufsfeld 0 Einleitung und Übersicht In den Fachseminaren für die Lehramtsanwärter an wirtschaftsberuflichen Schulen sollen fachwissenschaftliche Inhalte für Zwecke des Fachunterrichts aufbereitet werden. Bei dem zentralen Thema, der Planung des Unterrichts, sind insbesondere die folgenden Elemente zu berücksichtigen (Landesseminar Saarland 1992, S. 7 f.): (1) Konkretisierung und Begründung der Unterrichtsziele auf der Grundlage der Lehrpläne, (2) Thematisierung, Anordnung, Abgrenzung und Strukturierung der Unterrichts- inhalte, (3) Auswahl der Unterrichtsformen, -verfahren und -stufen, der Interaktions-, Sozial- und Arbeitsformen sowie der didaktischen Prinzipien, (4) Entwurf und Auswahl der Medien, (5) Entwurf und Darstellung unterrichtlicher Handlungsverläufe, (6) Organisation des Unterrichts. Die durch die KMK-Rahmenvereinbarung über die Berufsschule vom März 1991 getroffenen Aussagen über die Aufgaben der Berufsschule mit der Forderung nach Handlungskompetenz als Leitziel der beruflichen Bildung (vgl. Bundesverband 1991 a, S. 266/67) gelten speziell auch als Vorgabe für die „Neuordnung der Büro- berufe“. Der bereits verabschiedeten Verordnung über die Berufsausbildung zum Bürokauf- mann / zur Bürokauffrau sowie zum Kaufmann / zur Kauffrau für Bürokommunika- tion soll die Neuordnung bzw. Aktualisierung weiterer Ausbildungsberufe folgen: Kaufmann / Kauffrau für Warenwirtschaft, Kaufmann bzw. Kauffrau im Groß- und Hans-Jürgen Deckert34 Außenhandel, Industriekaufmann / -kauffrau, Bankkaufmann bzw. Bankkauffrau, Informatikkaufmann / -kauffrau (ehemals Datenverarbeitungskaufmann / -kauf- frau) u. a. Federführend dabei ist das Bundesinstitut für Berufsbildunng (BIBB) in Berlin. Auf schulischer Seite liegt die Zuständigkeit bei der Kultusministerkonferenz. Durch den jeweiligen „Rahmenlehrplan“ der KMK und die daraus entwickelten Lehrpläne auf der Ebene der Bundesländer ergeben sich für die Strukturelemente des Mathematikunterrichts in der kaufmännischen Berufsschule einschneidende Änderungen vor allem dadurch, daß a) ein eigenes Fach „Wirtschaftsrechnen“ nicht mehr existiert, b) der Einsatz neuer Informations- und Kommunikationstechniken als verbindlich zu betrachten ist, c) zumindest phasenweise fächerverbindender und fächerübergreifender Unterricht ermöglicht werden soll. In Dokumentationen und Beiträgen aus den 80er Jahren zum Themenkreis „Ma- thematik im berufsbildenden Schulwesen des kaufmännisch-wirtschaftlichen Be- reichs“, herausgegeben durch – das Deutsche Institut für Fernstudien an der Universität Tübingen (DIFF), – das Institut für Didaktik der Mathematik an der Universität Bielefeld (IDM), – die Universität Klagenfurt (Schriftenreihe „Didaktik der Mathematik“), – den Arbeitskreis „Mathematik in der beruflichen Bildung“ (MabeB-AK), sind im Rahmen einer umfassenden Bestandsaufnahme die Probleme des Fachun- terrichts „Wirtschaftsrechnen“ dargestellt und „offene Fragen“ formuliert worden. Durch die „Neuordnung der Büroberufe“ hat sich der Katalog der Anforderungen an Mathematik-Lehrende in der Berufsschule erweitert, wobei also curriculare Aspek- te in den Vordergrund rücken. Auswirkungen ergeben sich sowohl im Hinblick auf die Themenauswahl in den Fachseminaren „Mathematik“ als auch hinsichtlich der Entwürfe von Lehrübun- gen, Lehrproben und des eigenen Unterrichts auf Seiten der Referendare. Die folgenden Überlegungen gelten aber auch für Maßnahmen der Lehrerfortbildung, zumal Fachleiter ohnehin auch in der 3. Phase der Lehrerbildung maßgeblich mit- wirken. Anforderungen an Mathematik-Lehrende in der (Teilzeit-)Berufsschule 35 Im 1. Kapitel des Aufsatzes werden die wesentlichen Punkte des „Rahmenlehrpla- nes für die neugeordneten Büroberufe“, soweit sie das Lerngebiet „Wirtschaftsrech- nen“ betreffen, genannt. Der 2. Abschnitt beschäftigt sich mit den Intentionen wirtschaftsberuflicher Bil- dungsgänge im Hinblick auf die informationstechnische Integration, die sich auf die Vorbereitung für den EDV-Einsatz im Unterricht anderer Fächer und Lerngebiete, somit auch des „Wirtschaftsrechnens“, bezieht. Im 3. Kapitel des Beitrages wird an drei Beispielen aufgezeigt, wie die curricularen Vorgaben in fachunterrichtliche Konzepte umgesetzt werden können. Neben tradi- tionelle Aktionsformen sollten dabei in jüngerer Zeit entwickelte Handlungsmuster (Lehr-Lern-Arrangements), wie Fallstudie, Planspiel, Projektunterricht u. ä., treten (vgl. Achtenhagen / John 1992; Kaiser / Kaminski 1994). Das erste Beispiel soll verdeutlichen, wie wirtschaftsmathematische Inhalte und Ziele auf der Grundlage eines Lehrplans realisiert werden können, der nicht mehr von der herkömmlichen Fächereinteilung „Betriebswirtschaftslehre / Buchführung / Wirtschaftsrechnen / Sozialkunde / Datenverarbeitung“ ausgeht, sondern dessen Aufbau, wie bereits teilweise auf Länderebene verwirklicht, sich an betrieblichen Funktionsbereichen orientiert. Am Beispiel des Themenkreises „Abschreibungsrechnen“ wird anschließend gezeigt, wie entscheidungsorientierter wirtschaftsmathematischer Unterricht unter Berück- sichtigung geeigneter Anwendersoftware gestaltet werden sollte. Als ein wesentliches Kennzeichen handlungsorientierten Lernens gilt das Lernen in Zusammenhängen (vgl. Bundesverband 1991 b, S. 96 f.). Zur Realisierung dieses Grundsatzes reicht Fachunterricht nicht aus, ganzheitliches Lernen setzt vielmehr fächerübergreifenden Unterricht voraus. Am Beispiel des „Diskontrechnens“ lassen sich Querverbindungen zu den wirt- schaftsberuflichen Kernfächern, wie Betriebswirtschaftslehre und Buchführung sowie Angewandte Datenverarbeitung ziehen, aber auch Bezüge zum gesamtwirt- schaftlichen Geschehen, thematisiert in der Volkswirtschaftslehre und Sozialkunde, herstellen. Als problematisch könnte sich aus Sicht der Mathematik die naheliegende Forde- rung erweisen, möglichst viele Fächer auf die Person eines Lehrers zu konzentrie- ren (vgl. Stein / Weitz 1992, S. 11). Hans-Jürgen Deckert36 1 Inhalte und Ziele des Lerngebietes „Wirtschaftsrechnen“ nach dem „Rahmenlehrplan“ Wörtlich heißt es dazu unter 3. Rechnungswesen (Bundesverband 1990, S. 52 ff.): • „Im ‚Rechnungswesen‘ vermittelt die Berufsschule Kenntnisse und Fertigkeiten in der Erfassung, Aufbereitung und Auswertung von Informationen zur Pla- nung, Steuerung und Kontrolle betrieblicher Vorgänge. • Wirtschaftsrechnen soll im Interesse eines entscheidungs- und problemorien- tierten Unterrichts in das ‚Rechnungswesen‘ integriert werden. • Die Schülerinnen und Schüler sollen befähigt werden, die Verfahren des Rech- nungswesens unter Nutzung der kaufmännischen Rechentechniken und des Einsatzes von Informations- und Kommunikationstechniken anzuwenden.“ Praxisbezug soll den Unterricht bereichern und aktualisieren und die Verbindung zwischen den Lernorten „Betrieb“ und „Schule“ herstellen. Ein Abbild der Realität kann hergestellt werden, indem im Unterricht auf Daten idealtypischer Modell- unternehmen zurückgegriffen wird. Durch die Integration von Buchführung und kaufmännisches Rechnen in der Weise, daß einzelne Lerngebiete des Wirtschafts- rechnens buchhalterischen Lerninhalten zugeordnet werden, ist beabsichtigt, rech- nerische Probleme in einen größeren Zusammenhang zu stellen und somit den instrumentellen Charakter des kaufmännischen Rechnens zu verdeutlichen (vgl. Kultusministerium NRW 1994, S. 75). Die Frage: „Wieviel kaufmännisches Rechnen braucht der Auszubildende?“ ist durch den „Rahmenlehrplan“ insofern beantwortet, als eine Reduzierung der her- kömmlichen Lerngebiete auf folgende mathematikbezogenen Lerninhalte fest- geschrieben wird: Unter 1. Einführung in das Rechnungswesen heißt es (Bundesverband 1990, S. 54): „Werden Dreisatz-, Währungs-, Verteilungs-, Durchschnitts- und Prozentrechnen nicht grundsätzlich in das Rechnungswesen integriert vermittelt, ist die berufs- bezogene Anwendung dieser Formen des Wirtschaftsrechnens im Rahmen dieser Einführung zu vermitteln.“ Unter 3.1 Beschaffungs- und Absatzwirtschaft werden genannt: • Bezugskalkulation • Kalkulation des Verkaufspreises Unter 3.2 Zahlungsverkehr/Finanzwirtschaft: • Zinsrechnung • Diskontrechnung Anforderungen an Mathematik-Lehrende in der (Teilzeit-)Berufsschule 37 Unter 3.4 Anlagenwirtschaft: • lineare Abschreibung • degressive Abschreibung • Abschreibung nach Leistung Unter 4. Statistik: • graphische Darstellungsformen • statistische Rechenverfahren (Gliederungszahlen, Durchschnittswerte, Mittel- werte, Verhältniszahlen) angewandt auf Kennziffern aus dem betrieblichen Leistungsprozeß, aus dem Jahresabschluß der Betriebe, auf innerbetriebliche Daten und auf Daten zur Situation der Gesamtwirtschaft Unter 6. Kosten- und Leistungsrechnung: Kostenträgerstückrechung • Kalkulation in Abhängigkeit vom Wirtschaftszweig – Kalkulation im Handel – Kalkulation bei Fertigungsbetrieben • Kalkulation in Abhängigkeit von Fertigungsverfahren – Divisionskalkulation – Äquivalenzziffernrechnung – Zuschlagskalkulation – Maschinenstundensatzrechnung • Vor- und Nachkalkulation Ebenfalls unter 6. ist die Deckungsbeitragsrechnung eingeordnet. Unter 7. Planungsrechnung schließlich ist mit dem Zusatzgebiet „Controlling“ ein aktueller Themenkreis aufgenommen. In der Verantwortung eines Controllers liegt es, daß ein betriebswirtschaftlich aus- sagefähiges Rechnungs- und Informationswesen durch Bereitstellen von statisti- schen Kennzahlen und Kennzahlensystemen aufgebaut werden kann. 2 Zur Rolle der Informationsverarbeitung nach dem „Rahmenlehrplan“ Zur Datenverarbeitung enthält der „Rahmenlehrplan“ u. a. folgende Aussagen (Bundesverband 1990, S. 62): • „Ziel der schulischen Ausbildung ist es, zur Anwendung von Systemen der auto- matisierten Datenverarbeitung (DV) zu befähigen. Die allgemeine Einführung in Hard- und Software der DV dient also dem Erwerb einer instrumentellen Fähig- keit, die Grundlage und Voraussetzung dafür ist, DV-Technologie als Werkzeug zur Lösung kaufmännischer Aufgaben nutzen zu können. • Branchen- und berufstypische Sachverhalte können dabei sowohl in der Wahl von Beispielen im Rahmen dieser Einführung aufgegriffen als auch in den Unterricht zu den Lerngebieten ‚Rechnungswesen‘, …, einbezogen werden (Integrationsprinzip).“ Hans-Jürgen Deckert38 Und im Lernzielkatalog heißt es u. a.: „Die Schülerinnen und Schüler sollen • im Computer ein ‚Werkzeug‘ für kaufmännische Arbeiten sehen, das ihnen be- sonders bei Entscheidungsprozessen nützlich sein kann, • … ein Tabellenkalkulationsprogramm sachgerecht bedienen lernen.“ Der „Rahmenlehrplan“ geht somit von der Überlegung aus, daß der Einsatz einer geeigneten Software, entweder in Form professioneller oder didaktisch-strukturier- ter Programme, der Forderung nach Handlungsorientierung und Praxisnähe ent- spricht und somit bessere Voraussetzungen für die Informationsauswertung schafft (vgl. Kultusministerium NRW 1994, S. 75 f.). Das Lerngebiet „Datenverarbeitung“ stellt nach Inhalt und Umfang einen neuen Baustein für kaufmännische Berufe dar, dieser ist so ausgelegt, „daß er bei weite- ren Neuordnungen verwendet werden kann“ (Hansis 1992, S. 8). 3 Unterrichtliche Modelle zum Lerngebiet „Wirtschaftsrechnen“ 3.1 Zuordnung zu funktionsbezogenen Lehr-Lern-Bereichen Ausgehend von betrieblichen Funktionsbereichen, wie Beschaffung / Lagerhaltung, Absatz, Personalwesen, Finanzierung und Investition, Unternehmensplanung und Rechnungslegung, ließe sich die folgende Lehr-Lern-Organisation aufbauen: 1. Anschaffung einer neuen Maschine • Kauf oder Leasing? • Tilgungsplan wegen teilweiser Fremdfinanzierung • Abschreibungsplan (geometrisch-degressiv / linear) • Lohnt sich die Investition (Kostenvergleichsrechnung)? • Optimale Nutzungsdauer 2. Kauf von Zubehörteilen/Rohstoffen/Waren • Angebotsvergleich (Bezugskalkulation) • Liefererskonto « Kontokorrentkredit (Effektivverzinsung) • Lagerhaltung (optimale Bestellmenge) 3. Durchführung einer Werbeaktion • Rentabilitätsberechnung (Kapitalwertmethode) 4. Verkauf von Handelswaren/Fertigerzeugnissen • Kalkulation des Verkaufspreises im Handel bzw. bei Fertigungsbetrieben (Kalkulationsfaktor) • Kostenträgerzeitrechnung • Deckungsbeitragsrechnung Anforderungen an Mathematik-Lehrende in der (Teilzeit-)Berufsschule 39 5. Abwicklung des Zahlungsverkehrs mit Kunden • Gewährung von Rabatt und Skonto • Berechnung von Verzugszinsen • Annahme von Kundenwechseln (Diskontabrechnung) 6. Jahresabschlußrechnungen • Inventur mit Bewegungsbilanz • Bilanzkennziffern (Liquidität, Deckungsgrad) 7. Lohn- und Gehaltsabrechnung • Zeitlohn, Akkordlohn, Prämienlohn 8. Betriebsstatistik • Häufigkeitsverteilungen • Mittelwerte • Streuungsmaße • Trendberechnungen 3.2 EDV-gestütztes Wirtschaftsrechnen am Beispiel der Abschreibungsrechnung Im Rahmen des betrieblichen Funktionsbereiches „Anlagenwirtschaft“ nimmt die Abschreibungsrechnung eine zentrale Stellung ein, liefert sie doch nicht zuletzt wichtige Daten für Management-Informationssysteme mit integrierter Datenver- arbeitung (vgl. Staehle 1989). Die skizzierte Unterrichtseinheit (vgl. Deckert 1994, Bd. 2, S.25 ff.) orientiert sich an dem folgenden realen Problem: Eine maschinelle Anlage im Anschaffungswert (A) von 100.000,– DM soll in den Jahren der Nutzung (n = 1, 2, 3, …, t = 10) unter Anwendung des Höchstsatzes von i = 30% für die geometrisch-degressive Abschreibung von beweglichen Anlagegütern auf den Restwert (R) „Null“, also voll, abgeschrieben werden. Unterrichtliche Voraussetzungen: Die Schüler / Schülerinnen können die Gleichungen zur Berechnung der Restwerte Rn bzw. Abschreibungsbeträge an in der expliziten Form anwenden: • Lineare Abschreibung: R A n in = ⋅ − ⋅( )1 mit i t= 1 bzw. a A in = ⋅ oder a A tn = Hans-Jürgen Deckert40 • Buchwertabschreibung: R A in n = ⋅ −( )1 bzw. a A i in n= ⋅ ⋅ −( ) −1 1 Geplante Lernstufen: (1) Stufe der Motivation a) Bei Anwendung der geometrisch-degressiven Abschreibung wird der Rest- wert „Null“ nicht erreicht: Begründungen: • Bei der Abschreibung mit p% vom Restwert bleiben jeweils (100 – p)% des Restwertes übrig. • Nachweis (z. B. bei Berufsschülern mit Fachoberschulabschluß oder Abitur): Die Gleichung R A in n = ⋅ −( ) =1 0 besitzt keine reelle Lösung. b) Gesetzestext [§ 7; Absatz 3, Einkommensteuergesetz (EStG)]: „Der Übergang von der Absetzung für Abnutzung in fallenden Jahresbeträ- gen zur Absetzung für Abnutzung in gleichen Jahresbeträgen ist zulässig. In diesem Fall bemißt sich die Absetzung für Abnutzung vom Zeitpunkt des Übergangs an nach dem dann noch vorhandenen Restwert und der Restnut- zungsdauer des einzelnen Wirtschaftsguts.“ (2) Stufe der Erarbeitung a) Entwickeln einer Lösungsidee für den Übergangszeitpunkt bei Wechsel der Abschreibungsmethode: „Stichworte“: Abschreibung als gewinnmindernder Aufwand – steuerpflichti- gen Gewinn durch hohe Abschreibungsbeträge gering halten (Überschüsse fi Ersatzinvestitionen!) b) „Übertragen“: Dasjenige Abschreibungsjahr gilt als optimaler Zeitpunkt für den Methoden- wechsel, in dem der lineare Abschreibungsbetrag den Betrag für die Wert- minderung übersteigt, der sich bei Fortsetzung der Buchwertabschreibung ergeben würde. Anforderungen an Mathematik-Lehrende in der (Teilzeit-)Berufsschule 41 c) Lösung finden durch systematisches Probieren (Hilfsmittel: Taschenrechner): R0 100.000,– a1 30.000,– R1 70.000,– a2 21.000,– R2 49.000,– a3 14.700,– R3 34.300,– a4 10.290,– R4 24.010,– a5 7.203,– R5 16.807,– 16.807,00 : 5 = a6 5.042,10 > 3.361,40 R6 11.764,90 11.764,90 : 4 = a7 3.529,47 > 2.941,23 R7 8.235,43 8.235,43 : 3 = a8 2.470,63 < 2.745,14 R8 5.764,80 a9 1.729,44 R9 4.035,36 a10 1.210,61 R10 2.824,75 — Tabelle 1 — (3) Stufe der informationstechnischen Integration Propädeutik: Rekursive Darstellung der Abschreibungsarten zwecks Übertragung in die elektronische Rechenblattstruktur (hier: Tabellenkalkulationsprogramm: EXCEL): Lineare (konstante) Abschreibung = Abschreibung vom Anschaffungswert (1) R A0 = (2) R R A tn n = − −1 ; n = 1, 2, 3, ..., t Hans-Jürgen Deckert42 Geometrisch-degressive Abschreibung = Abschreibung vom Buchwert (1) R A0 = (2) R R in n= ⋅ −( )−1 1 ; n = 1, 2, 3, …, t Abschreibung mit Methodenwechsel Anschaffungswert 100.000 DM Degr. AfA-Satz 30,00 % Nutzungsdauer 10 Jahre Schrottwert 0 DM Linear Geometrisch-degressiv Abschreibungsplan Jahr AfA Restwert AfA Restwert AfA Restwert 1 10.000 DM 90.000 DM 30.000 DM 70.000 DM 30.000 DM 70.000 DM 2 10.000 DM 80.000 DM 21.000 DM 49.000 DM 21.000 DM 49.000 DM 3 10.000 DM 70.000 DM 14.700 DM 34.300 DM 14.700 DM 34.300 DM 4 10.000 DM 60.000 DM 10.290 DM 24.010 DM 10.290 DM 24.010 DM 5 10.000 DM 50.000 DM 7.203 DM 16.807 DM 7.203 DM 16.807 DM 6 10.000 DM 40.000 DM 5.042 DM 11.765 DM 5.042 DM 11.765 DM 7 10.000 DM 30.000 DM 3.529 DM 8.235 DM 3.529 DM 8.235 DM 8 10.000 DM 20.000 DM 2.471 DM 5.765 DM 2.745 DM 5.490 DM 9 10.000 DM 10.000 DM 1.729 DM 4.035 DM 2.745 DM 2.745 DM 10 10.000 DM 0 DM 1.211 DM 2.825 DM 2.745 DM 0 DM — Tabelle 2 — Durch Variieren der Parameter (evtl. unter Einbeziehen von Gewinnsteuern) kann die Intention nach entscheidungsorientiertem Unterricht wesentlich un- terstützt werden. (4) Phase der Anwendung Erfolgt der Wechsel von der geometrisch-degressiven zur linearen Abschrei- bungsmethode im Nutzungsjahr m (m e N), in dem die Bedingung am (linear) > am (geometrisch-degressiv) erfüllt ist, so gilt (vgl. Tabelle 1): R t m A i im m− − − − > ⋅ − ⋅1 1 1 1 ( ) ( ) bzw. R t m R pm m − − − − > ⋅1 11 100( ) . Anforderungen an Mathematik-Lehrende in der (Teilzeit-)Berufsschule 43 Durch Äquivalenzumformungen erhalten wir schließlich die Ungleichung: m t p > + −1 100 . Die entsprechende „Praktikerformel“ für den optimalen Übergangszeitpunkt lautet: m t p0 2 100 = + −    . Durch „[ ]“ wird dabei ausgedrückt , daß für mo diejenige ganze Zahl zu wählen ist, die kleiner oder gleich t p + −2 100 ist. (5) Stufe der Visualisierung Durch Variation der Darstellungsebenen kann der Lehrende wesentlich dazu beitragen, auf Seiten der Lernenden den Erkenntnisgewinn zu steigern und deren Problemlösefähigkeit zu fördern. Die in den bisher genannten Unterrichtsstufen eingeplanten Repräsentations- ebenen lassen sich dadurch erweitern, daß man auf die Fähigkeit der „Neuen Medien“, wirtschaftsmathematische Sachverhalte durch graphische Darstel- lungen besonders gut veranschaulichen zu können, zurückgreift. Die folgende Seite enthält drei mit dem Computeralgebra-System MATHCAD erstellte Schaubilder. Durch die Abbildung 1 wird festgehalten, daß nach 10jähriger Buchwert- abschreibung ein Restwert von DM 2.824,75 übrig bleibt. Die Abbildung 2a zeigt den Restwertverlauf bis zum günstigsten Zeitpunkt des Wechsels der Abschreibungsmethode. Abbildung 2b schließlich veranschaulicht die Abschreibung auf den Restwert „Null“, der dadurch erreicht wird, daß, ausgehend vom Buchwert 8.235,43 DM nach Ablauf von 7 Abschreibungsjahren, für die restlichen 3 Nutzungsjahre mit konstanten Abschreibungsbeträgen in Höhe von DM 2.745,15 DM gerechnet wird (siehe auch Tabellen 1 und 2). Wie bei der mit EXCEL erstellten Tabelle 2, so gilt auch hier: Bei Eingabe neuer Zahlenwerte werden die Graphiken sofort aktualisiert, die Lernenden können also unter Anleitung experimentieren und verschiedene Szenarien prüfen. Die Darstellungsebene wird somit gleichzeitig zur Aktionsebene. Hans-Jürgen Deckert44 Anforderungen an Mathematik-Lehrende in der (Teilzeit-)Berufsschule 45 3.3 Diskontrechnen – fächerübergreifend 1. Betriebswirtschaftslehre a) Der Wechsel als Kredit- und Zahlungsmittel b) Bestandteile des gezogenen Wechsels c) Annahme des Wechsels d) Verwendung des Wechsels usw. 2. Rechnungswesen 2.1 Wirtschaftsrechnen • Diskontieren eines einzelnen Wechsels • Diskontieren mehrerer Wechsel • Gutschrift von Wechseln zum mittleren Verfalltag • Berechnung des Wechselbetrages zum Schuldausgleich 2.2 Buchführung [Buchungen im Wechselverkehr] 3. Datenverarbeitung [EXCEL-Programm zu „Summarische Diskontabrechnung unter Berücksichti- gung des Mindestdiskonts“] Anmerkung: Am Beispiel des Diskontrechnens läßt sich die Forderung nach Flexibilität bei der Entwicklung von Lösungsstrategien besonders gut verdeutlichen. Anknüpfend an Vorkenntnisse der Lernenden aus dem schulischen Unterricht und Erfahrungen aus dem Berufsleben führt der Sachverhalt: „Beim Diskontieren eines Wechselbetrages schreibt die Bank den Betrag gut, der sich nach Abzug von Zinsen (Diskont) für die Zeit zwischen Verfalltag und Ankaufstag ergibt“ nach schrittweisem Formalisieren zu folgendem „Gleichungsgerüst“: Wechselbetrag Diskont Wechselbarwert Wechselbetrag Wechselbetrag Laufzeitdiskontsatz Wechselbarwert Wechselbetrag Wechselbetrag Diskontsatz Tage Wechselbarwert W W i t B W i t B − = − ⋅ = − ⋅ ⋅ = − ⋅ ⋅ = ⋅ − ⋅ = 360 360 1 360 ( ) Hans-Jürgen Deckert46 Unter Verwendung der in der jeweiligen Aufgabenstellung gegebenen Daten läßt sich der Barwert unmittelbar und der Wechselbetrag (Ausgleichswechsel) nach einfacher Umformung berechnen. 4 Konsequenzen für die Lehrerbildung Die durch den „Rahmenlehrplan“ vorgegebene Einbettung des „Wirtschaftsrech- nens“ in das Fach „Rechnungswesen“ birgt die Gefahr in sich, daß dieses Lehr-Lern- gebiet „wegintegriert“ werden könnte. Diese Sorge, die auch anläßlich der Herbsttagung 1994 des MabeB-Arbeitskreises in Saarlouis ausgesprochen wurde, stützt sich zum einen auf Äußerungen von Fach- lehrern für „Buchführung“ („Rechnen läuft nebenher“) und zum anderen auf die Tatsache, daß das Rechnungswesen-Lehrbuch für den Unterrichtenden nach wie vor ein wichtiges Leitmedium darstellt. In den Fachseminaren „Wirtschaftsmathematik“ des Referendariats und in Ver- anstaltungen zur Lehrerfortbildung sind daher folgende Schwerpunkte zu setzen: • Der Unterricht muß durch Methodenvielfalt geprägt sein. Dies setzt den Ver- zicht auf die noch häufig (auch in den Lehrbüchern) praktizierte Stufenfolge „Musterbeispiel – Merksatz – Übung“ und die Abkehr vom starren Rechen- schema voraus. • Das isolierte Trainieren von Rechentechniken (Regelwissen / Dreisatzroutine) muß durch Flexibilität bei der Wahl der Lösungsverfahren ersetzt werden. So müssen Anfragen von Lernenden mit mittlerem Abschluß, Fachoberschul- abschluß und Abitur der Art: „Kann man auch anders rechnen“ aufgegriffen und für entprechende Schüleraktivitäten bei der Fortführung des Unterrichts ge- nutzt werden (vgl. Abschnitt 3.3). • Dem Prinzip der Anschaulichkeit muß im Fachrechenunterricht durch Ein- satz von Graphiken, Ablaufdiagrammen, Struktogrammen u. ä. breiterer Raum gegeben werden. Dabei sind die Möglichkeiten der Visualisierung durch den Computer in die Unterrichtsplanungen mit einzubeziehen. Anforderungen an Mathematik-Lehrende in der (Teilzeit-)Berufsschule 47 • Informationstechnische Integration setzt voraus, daß der mathematische Hintergrund des jeweiligen Themenkreises völlig aufgedeckt wird. Außerdem ist – ähnlich wie bei Automatisierungsprojekten der betrieblichen Praxis – sinn- voller EDV-Einsatz nur möglich, wenn die entprechenden manuellen Rechen- fertigkeiten auf Seiten der Anwender (Schüler/-innen) gegeben sind. • Im Zusammenhang mit dem Einsatz von Anwendersoftware sollte die Chance einer Verlagerung von Rechenfertigkeit zu mehr Rechenfähigkeit (Problem- lösefähigkeit) genutzt werden, wobei allerdings ein sehr behutsames Vorgehen im Unterricht geboten ist.. • „Mathematik“ darf im Hinblick auf den Fachunterricht wirtschaftskundlicher Fächer nicht ausschließlich den Rang einer „Hilfsfunktion“ einnehmen, sondern muß in angemessener Weise Unterrichtsprinzip bleiben. 5 Literatur1 Achtenhagen, Frank (Hrsg.); John, Ernst G. (Hrsg.): Mehrdimensionale Lehr-Lern- Arrangements. Wiesbaden: Gabler, 1992. Aebli, Hans: Grundlagen des Lehrens. Stuttgart: Klett, 1987. Bachmann, Winfried: Konzepte der didaktischen Reduktion aus handlungsorien- tierter Sicht. 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(Sonder- schriftenreihe des VLW; Heft 30) 1 Das Verzeichnis enthält außer den im Text erwähnten Titeln eine Auswahl weiterer relevanter Literatur. Hans-Jürgen Deckert48 Bundesverband der Lehrer an Wirtschaftsschulen (VLW): Handlungsorientierter Unterricht. Wolfenbüttel: Heckners, 1991. (Sonderschriftenreihe des VLW; Heft 33). (1991 b) Cyrmon, W.: Algebraprogramme und Tabellenkalkulation im Unterricht. Wien: Hölder-Pichler-Tempsky, 1993. Deckert, Hans-Jürgen: Wirtschaftsmathematik. Bd. 1 / 2. Pfungstadt: Kamprath- Helene, 1994. Gudjons, Herbert: Handlungsorientiert Lehren und Lernen. Bad Heilbrunn: Klink- hardt, 1992. Hansis, Hermann: Die Neuordnung der Büroberufe aus der Sicht des Rahmenlehr- planausschusses. In: Winklers Flügelstift, 1992, Heft 1, S. 3–10. Helmke, Andreas; Schrader Friedrich W.: Was macht erfolgreichen Unterricht aus? In: Praxis Schule 5–10, 1993, Heft 1, S.11–13. Kaiser, Franz-Josef; Kaminski, Hans: Methodik des Ökonomie-Unterrichts. Bad Heilbrunn: Klinkhardt, 1994. Kell, Adolf; Schanz, Heinrich (Hrsg.): Computer und Berufsbildung. Beiträge zur Didaktik neuer Informations- und Kommunikationstechniken in der kaufmänni- schen Berufsbildung. Stuttgart: Holland & Josenhans, 1994. (Beiträge zur Pädago- gik für Schule und Betrieb; Band 15) Kultusministerium des Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.): Richtlinien und Lehr- pläne für den Bildungsgang „Bürokaufmann / Bürokauffrau“. Frechen: Ritterbach, 1994. Landesseminar (LS) für das Lehramt an beruflichen Schulen des kaufmännisch- wirtschaftlichen Bereichs im Saarland: Merkblatt zur Ausbildung und Zweiten Staatsprüfung. Völklingen: 1992, S. 7–8. Pädagogisches Zentrum (PZ) des Landes Rheinland-Pfalz (Hrsg.): Schlüsselqualifi- kationen im Bereich der berufsbildenden Schulen. Bad Kreuznach: PZ, 1989. (Schriftenreihe „Pädagogik zeitgemäß“, Heft 5) Staehle, Wolfgang: Funktionen des Managements. Stuttgart: Haupt, 1989. Stein, Helmut; Weitz, Bernd O.: Lernen in Zusammenhängen. Bad Homburg: Gehlen 1992. (Sonderdruck aus „Wirtschaft und Gesellschaft im Beruf“, Heft 6/1990 bis Heft 1/1992) Terhart, Ewald: Lehr-Lern-Methoden. Eine Einführung in Probleme der methodi- schen Organisation von Lehren und Lernen. Weinheim: Juventa, 1989. Gerhard Gerdsmeier Ökonomische Theorie, Mathematik und kaufmännischer Unterricht 1 Vorüberlegungen 1.1 Erste Zielbeschreibung Wirtschaftswissenschaftliche Inhalte sind ganz überwiegend in einem doppelten Sinne mathematikhaltig. Einerseits faßt die Ökonomik ihren Gegenstand so, daß es letztlich immer um „den Umgang mit Geld und geldwerten Dingen“ geht (J. Robin- son); es ist geradezu der Trick der Ökonomen, die Vielfalt von Welt im Medium des Geldes vergleichbar zu machen, im Rahmen monetärer Beschreibungen und Pro- blemstellungen Entscheidungen zu treffen, die dann auf die vielfältige Welt zurück- wirken, aber auch künftige, monetär beschreibbare Situationen beeinflussen. (Ebene der kaufmännischen Situationsbewältigung) Andererseits versucht die Ökonomik Theorien über den Gegenstand zu bilden. Zur herrschenden Lehre ist dabei ein der Newtonschen Physik nachempfundenes, sehr komplex angelegtes Theoriegebäude geworden, das als Neoklassik bezeichnet wird. Seine Aussagen sind in den anspruchsvollsten Formulierungen ausnahmslos ma- thematisch formuliert, was ein theoretisches Reden, ohne mathematische Aus- drucksweisen zu verwenden, in gewissen Grenzen durchaus zuläßt. (Ebene der Theorie)1 1 Die „bloße“ Zweiteilung der Ökonomik, die hier vorgenommen wird, genügt dem hier verfolgten Zweck und beansprucht keine darüber hinausgehende Zweckmäßigkeit. Betrachtet man die Ökono- mik mehr aus der Sicht der Unterrichte und ihrer didaktischen Problemstellungen und weniger aus der Sicht der Disziplin, gelangt man z. B. zu ganz anderen Einteilungen. Vgl. z. B. G. Gerdsmeier (Hrsg.): Schulbuch ohne Schule 2. Arbeitsteilung. Vorreden zu einer Wirtschaftsdidaktik. Kassel 1990. (Berufs- und Wirtschaftspädagogik. Bd. 12) , S. 61–64. Außerdem sei angemerkt, daß die Theorieebene an späterer Stelle (Kap. 1.4) weiter unterteilt wird. Gerhard Gerdsmeier50 Für die Ebene der Situationsbewältigung ist – bezogen auf kaufmännischen Unter- richt – das Verhältnis von Ökonomik und Mathematik insbesondere dank einer Fülle mathematikdidaktischer Arbeiten gut untersucht. Unter der Rubrik des Sachrechnens werden hier für das Berufsfeld Wirtschaft und Verwaltung (wie auch für andere Berufsfelder) viele arbeitsweltspezifische Problemstellungen iden– tifiziert, mathematisch bewältigt und im Hinblick auf wünschbare oder vorfindbare Lehr-Lern-Prozesse analysiert. Der Wirtschaftsdidaktiker mag hier die eine oder andere Überlegung beisteuern wollen – zur Relevanz einiger Problemstellungen, zu deren Verknüpfung mit anderen Fragestellungen, zu den Implikationen einzelner Lösungen usw. – aber im Grunde ist ein bemerkenswerter Diskussionsstand er- reicht. Ungelöst bleibt eher die Frage, wie diese mathematik- und wirtschaftsdidak- tischen Vorstellungen Unterricht und Lernende erreichen können. Ganz anders ist die Situation auf der Ebene der Theorie. Das Verhältnis von Öko- nomik und Mathematik wird im Hinblick auf Wirtschaftslehreunterrichte m. W. nirgends zum Thema gemacht. Dieses Verhältnis, wie es sich im Schulalltag (bzw. hilfsweise in Schulbüchern) vorfinden läßt, zu beschreiben und ansatzweise zu ana- lysieren, ist Ziel des vorliegenden Beitrags. Es geht nicht darum, irgendwelche di- daktische Vorschläge zu unterbreiten. 1.2 Mögliche Gründe für die Vernachlässigung der Theorieebene Sucht man nach möglichen Erklärungen für das Desinteresse insbesondere der Ma- thematikdidaktiker an mathematikdidaktischen Fragen auf der Ebene der ökono- mischen Theorie, so stößt man auf einige z. T. disparate Erscheinungen, die in ihrer Verschränkung Gewicht erlangen können. Ich denke dabei an folgendes: • Auch Ökonomen täuschen sich gern über den bloß logischen Charakter der von ihnen als Theorie bezeichneten idealen Modelle, deren Aussagen sich anders als in der idealen Physik Newtonscher Prägung nicht kontrolliert so relativieren lassen, daß hinlänglich genaue Prognosen möglich werden. Ökonomen bedienen sich bei ihren Prognosen, wenn sie empirisch gehaltvoll sein sollen, faktisch an- derer (z. B. ökonometrischer) Aussagensysteme und Instrumente (z. B. Befra- gungen zu Indikatoren). (Ich werde diese beiden Ausrichtungen künftig sprach- lich als reine Theorie bzw. als empirisch-pragmatische Modellierung unterschei- den.) Ökonomische Theorie, Mathematik und kaufmännischer Unterricht 51 Da der reinen Theorie von vielen Ökonomen oder Wirtschaftspädagogen „irgend- wie doch etwas“ empirischer Gehalt zugeschrieben wird, werden die als für das ökonomische Verständnis am wichtigsten angesehenen Modelle zu etwas er- klärt, das Schüler lernen sollten. Dabei verbinden sich überwiegend abbild- didaktische Grundentscheidungen mit folgender Tendenz: Je weniger leistungs- fähig Schüler im Urteil der Lehrer / Schulbuchautoren sind, desto stärker wird das jeweilige Modell in dem Sinne „didaktisch reduziert“, daß der Modellcharak- ter und die Mathematikhaltigkeit zurückgenommen werden und im Grenzfall nur noch einige weitgehend unverbundene und unbedingte Implikationen des Modells mitgeteilt werden (die dann i. d. R. zugleich als empirisch gehaltvoll gemeint scheinen). (Vgl. dazu Textbeispiel 1) Derartige Darstellungen sind in Unterrichten und Schulbüchern m. E. recht ver- breitet, und es wäre daher verständlich, wenn auch Mathematikdidaktiker in ihnen die Mathematikhaltigkeit des Gemeinten nicht mehr entdecken würden. • Die zweite Betrachtung ist völlig entgegengesetzt: Bei dem Bemühen, in der rei- nen Theorie logisch wahre Aussagen zu generieren, war und ist die Mathematik hilfreich. Für die Mathematik mag man hier eine bloße Hilfsfunktion ausma- chen: Es geht dann um das bloße Formalisieren von etwas außermathematisch weitgehend fertig Modelliertem, das für mathematisches Modellieren und Ler- nen keine interessante Perspektive mehr eröffnet. Bei dieser Betrachtung wird m. E. zum einen übersehen, daß in den letzten hundert Jahren in die Welt der reinen Theorie zahlreiche Annahmen eingeführt worden sind, die nicht durch Merkmale des ökonomischen Gegenstandes, sondern durch solche der Mathematik angeregt worden sind. Zum anderen werde ich in Kap. 1.3 zu zeigen versuchen, daß bei dieser Sichtweise die didaktischen Möglichkeiten zu defensiv veranschlagt werden. • Die reinen Theorien wollen bestimmte Aspekte des ökonomischen Gegenstandes allgemein beschreiben. Präferiert wurden dabei in der Vergangenheit Modelle, die eine (Gleichgewichts-)Lösung haben. Vielfach wurde die Konstruktion auf ein Gleichgewicht hin ausgerichtet. Typische Fragestellungen des Theoretikers sind dann die, ob tatsächlich ein Gleichgewicht existiert, ob es stabil ist, welche Veränderungen die Werte bestimmter Variablen im Prozeßverlauf erfahren usw. Gerhard Gerdsmeier52 Derartige Fragestellungen sind zwar sehr mathematikhaltig, aber sie sind für Schüler nicht unmittelbar relevant. Insofern wäre es verständlich, wenn Mathe- matikdidaktiker sie nicht aufgreifen würden. • Da die idealen Modelle Aspekte der Welt nur allgemein beschreiben wollen, ent- halten sie keine konkreten Fragestellungen, für deren Lösung irgendetwas – wie z. B. im Sachrechnen üblich – berechnet werden müßte. Wenn in Verbindung mit den Modellen etwas gerechnet wird, dann handelt es sich i. d. R. um das Durchrechnen von Beispielen zur Demonstration bestimmter in die Modelle eingebauter Effekte. Insoweit bietet die reine Ökonomik keinen Anwendungs- bezug. • Vor dem Hintergrund geringer Anwendungsmöglichkeiten wäre es plausibel, wenn Mathematikdidaktiker Modellierungen in der reinen Theorie eher darauf- hin sichten, ob sich ihnen irgendwelche mathematisch interessanten Aspekte abgewinnen lassen. Die in den Modellierungen angesprochene Sache träte dann zurück. (Vgl. dazu Textbeispiel 4) 1.3 Didaktische Einordnung und Präzisierung der Zielsetzung Meine persönlichen Hoffnungen über die Rolle, die die Mathematikdidaktik bei der Lösung wirtschaftsdidaktischer Probleme spielen könnte, enthalten anderes als die vorstehend beschriebene Zurückhaltung. Aus einigen Gründen und Setzungen, die ich an dieser Stelle nicht ausbreiten möchte, glaube ich, daß eine für Schüler ver- ständige Auseinandersetzung mit großen Teilen der reinen Theorie und des mit ihnen verbundenen Denkstils auf der Basis eines reduktionistisch-abbilddidakti- schen Ansatzes kaum gelingen kann. Andererseits glaube ich, daß einerseits die reinen Theorien unbeschadet ihres bloß logischen Charakters mittelbar sehr reale Folgen für die Mitglieder einer Marktwirtschaft haben, daß andererseits Teilaspek- te von ihnen mehr oder weniger unreflektiert auf das Alltagsdenken einwirken.2 Aus diesem Grund scheint mir die Beschäftigung mit reinen Theorien im Unterricht lohnend. Aufgrund einiger Schulprojekte fühle ich mich zu der Erwartung ermutigt, daß ein der Sache wie dem Verständnis der Lernenden angemessener Weg dann beschritten wird, wenn Schüler sich durch sorgsam gewählte Problemstellungen anregen las- 2 Man denke hier beispielsweise an die meist gedankenlos verwendete Phrase: „Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis“, über die z. T. bereits Sechsjährige verfügen. Ökonomische Theorie, Mathematik und kaufmännischer Unterricht 53 sen, zu Wirklichkeitsausschnitten selbst ein Modellbilden, das allgemeinere Aussa- gen impliziert, zu versuchen. Es geht dabei nicht um ein Nacherfinden ganz be- stimmter Modelle der reinen Theorie: Die Eigenproduktionen lassen sich später fast immer sehr einfach und produktiv zu den „professionellen Lösungen“ in Beziehung setzen. Erfahrbar werden vor allem die Notwendigkeiten, weitreichende Annahmen in die Überlegungen einzubeziehen, die Schwierigkeiten, die Annahmen sinnvoll zu verknüpfen, und die Grenzen dessen, was am Ende über den Wirklichkeitsaspekt gesagt werden kann. Und für diesen Prozeß des eigenständigen Konstruierens würde ich es förderlich finden, wenn die Schüler ihn aufgrund ihrer mathematischen Fähigkeiten zugleich als Prozeß mathematischen Modellierens auffassen könnten, weil ergiebigere Er- gebnisse möglich würden. Beispielsweise habe ich den Eindruck, daß die meisten Schüler in kaufmännischen Teilzeitklassen dazu neigen, die Monotonie in Zuord- nungen von Größen mit deren Proportionaltät gleichzusetzen. Aber selbst, wenn sie sich der Differenz bewußt wären und erkennen würden, daß eine umgangssprach- lich gehaltene Je-desto-Aussage mit ungeradem Verhältnis zwischen zwei Größen (G, P) in einem bestimmten Modellierungszusammenhang sinnvoll als antipropor- tinale Zuordnung spezifiziert werden kann, wüßten sie m. E. noch nicht, daß sie als G P = 1 geschrieben werden kann. Derartige Kenntnislücken begrenzen die kon- struktiven Möglichkeiten. Ich kann im Augenblick nicht belegen, daß meine Erwartungen berechtigt und mathematikdidaktisch ergiebig sind. Ich kann nur dazu einladen, derartige Mög- lichkeiten zu prüfen. Dazu mag es hilfreich sein, sich gegenwärtig vorfindbare For- men des schulischen Umgangs mit Inhalten aus dem Gebiet der reinen Theorie be- wußt zu machen. Zu nichts anderem möchte der nachfolgende Text eine Hilfestel- lung geben. 1.4 Methodische und instrumentelle Hinweise Analyseobjekt Da mir für eine Situationsanalyse z. Z. keine geeigneten Unterrichtsmitschnitte vorliegen, werden Auszüge aus Schulbüchern und Lehrtexten herangezogen. Das scheint mir eine tragfähige Approximation zu sein, weil sich m. E. zeigen ließe, daß zwischen jenen Merkmalen in den Lehrmitteln, die die stofflichen Routen und ver- wendeten Instruktionstypen charakterisieren, und den formal entsprechenden Gerhard Gerdsmeier54 Merkmalen in den Unterrichten eine materiell recht hohe Übereinstimmung be- steht. Ausgewählt wurden vier Texte, die alle denselben Gegenstand behandeln. Sie un- terscheiden sich darin, daß ein Text von Mathematididaktikern (Textbeispiel 4) und die drei anderen von Ökonomen bzw. verschiedenen Wirtschaftspädagogen (Text- beispiele 1–3) verfaßt wurden. Diese drei Beispiele unterscheiden sich besonders hinsichtlich der Erkennbarkeit der Mathematikhaltigkeit und des Modellcharakters sowie in den inhaltlichen Schwerpunktsetzungen. Außerdem haben die Texte ver- schiedene Adressaten: Schüler in Teilzeitklassen (Beispiel 1 und 3), Schüler im Wirtschaftsgymnasium (Beispiel 2) und Lehrer an beruflichen Schulen (Beispiel 4). Auswahl des thematischen Beispiels Die Auswahl eines Beispiels aus der Fülle der vorhandenen Modelle in der reinen Theorie ist einerseits etwas willkürlich, andererseits nicht ganz gleichgültig, weil das Beispiel die Ergebnisse immer etwas einfärben wird. Vieles scheint zunächst dafür zu sprechen, ein in der reinen Theorie besonders zentral eingestuftes Kon- strukt auszuwählen (z. B. das Modell der vollständigen Konkurrenz). Ausdruck die- ser Zentralität ist aber, daß diese Konstrukte die Implikationen sehr vieler anderer Modelle aufnehmen und wieder eigene an andere weitergeben, so daß bereits ihre Sachanalyse sehr aufwendig ist. Entscheidend sind daher andere Gesichtspunkte geworden: • Das Beispiel sollte fachlich nicht zu kompliziert und einigermaßen isolierbar sein. • Für das Beispiel sollte es in verschiedenen Lehrmitteln abweichende Darstellun- gen geben. • Das Beispiel sollte mathematikhaltig sein und dabei eine gewisse Vielfalt ma- thematischer Zugänge enthalten.3 3 Vgl. zu diesem Aspekt die Angaben am Ende von Kap. 2.1. Ökonomische Theorie, Mathematik und kaufmännischer Unterricht 55 • Das Beispiel sollte die Möglichkeit bieten, mehrere Repräsentationen, die sich nach Personen, Informationsgehalt, inhaltlichen Akzenten usw. unterscheiden (s. u.), in die Betrachtung einzubeziehen. Das Thema Geldwert erfüllt die vorstehenden Kriterien, wenn man berücksichtigt, daß es theoriegeschichtlich wesentlich darum gegangen ist, den Ausdruck so mit In- halt zu füllen, daß die als wertbestimmend angesehenen Faktoren ins Blickfeld ge- raten. Diese Faktoren sind in der sog. Quantitäts„theorie“ gebündelt und ihrerseits durch weitere Faktoren „erklärt“ worden, so daß sich von hier Übergänge zu Infla- tionstheorien, Geldangebots- und Nachfragetheorien, Portfoliotheorien, Beschäfti- gungstheorien usw. ergeben.4 Repräsentationsebenen des analysierten Inhalts Die reinen Theorien, mit denen ich mich hier beschäftige, sind und bleiben nicht ganz „rein“, wenn man berücksichtigt, daß sie bewußt oder unbewußt in verschiede- nen Kontexten „zur Anwendung kommen“, wodurch sich qualitative Veränderungen und andersartige Verknüpfungen mit anderem Wissen ergeben. Das ideale Modell, für das es den Nobelpreis für Ökonomie gibt, ist nicht deckungsgleich mit dem Kon- strukt, das dem Ökonomiestudenten mitgeteilt wird, es ähnelt auch nur in einigen Punkten den pragmatischen Überarbeitungen, die ein Empiriker vornimmt, oder den Vorstellungen, die sich Schüler im Alltag gebildet haben. Ich habe es bei didaktischen Analysen (zu theoretischen Inhalten) häufig nützlich gefunden, folgende Ebenen zu unterscheiden: • ökonomische Alltagskonstruktionen • Schulbuchökonomik • akademische Lehrbuchökonomik5 4 Ein besonderer Reiz zur Auswahl dieses Gegenstandes bestand zudem darin, daß Didaktiker, Schulbuchautoren und Lehrer eine dogmengeschichtlich frühe, heute theoretisch obsolete, aber sehr simple Variante der Quantitätstheorie (vgl. dazu näher Anm. 7) als eine empirisch gehaltvolle Realitätsbeschreibung vermitteln, was sie mit einem wahrgenommenen Zwang zur „didaktischen Reduktion“ begründen. Für diese Analyselinie war am Ende kein Raum mehr. 5 Diese Repräsentationsebene wird im vorliegende Text keine bedeutende Rolle spiele. Sie wird eher am Rande einige Male erwähnt. Gerhard Gerdsmeier56 • ideale Modellökonomik • empirisch-pragmatische Ökonomik Diese Unterscheidungen geben nur Orientierungen. Einerseits ist das den Ebenen zuzuordnende Wissen recht heterogen. Andererseits sind die Grenzen zwischen den Ebenen nicht immer scharf zu ziehen. Trotzdem möchte ich versuchen, diese Ebe- nen nachfolgend zu verwenden.6 2 Das thematische Beispiel „Geldwert“ 2.1 Fachliche Anmerkungen zum Begriff des Geldwerts Definitionen und Grundmodell Für die Begriffsbestimmung des Ausdrucks Geldwert werden in der ökonomischen Literatur zwei Definitionen herangezogen. Einmal wird als Wert „einer Geldein- heit“ die „Gütermenge“ festgelegt, die „man“ für diese Geldeinheit erwerben kann. Als äquivalent damit wird eine Aussage angesehen, die in der Formulierung etwas elaborierter ist: Bei „irgendwie entstandenen“ Preisen entspricht der Wert einer Geldeinheit (aus der vorhandenen Geldmenge) dem Quotienten aus einer „irgend- wie bestimmten“ Gütermenge und einer „irgendwie bestimmten“ Geldmenge. Diese Formulierung macht sinnfällig, warum der Ausdruck Kaufkraft einer Geldeinheit mit dem des Geldwerts synonym verwendet wird. In einer zweiten Betrachtungsweise wird der Wert einer Geldeinheit als Kehrwert des Preisniveaus einer „irgendwie bestimmten“ Gütermenge aufgefaßt. Beide Defi- nitionen sind gleichwertig, wenn in ihnen die Ausdrücke über die Gütermenge, Geldmenge, Geldeinheit und Preise (bzw. das Preisniveau) in der Sache jeweils gleich gefüllt werden. In der zweiten Definition wird – spiegelbildlich zur ersten – bei „irgendwie als gegeben angenommenen“ Güter- und Geldmengen der Wert einer Geldeinheit als abhängig von der Höhe eines „irgendwie bestimmten“ Preisniveaus angesehen. Mathematisch gesprochen wird hier zwischen den Größen Geldwert und Preisniveau eine antiproportionale Zuordnung zugrunde gelegt. 6 Zu weiteren Analysegesichtspunkten vgl. Kap. 2.2. Ökonomische Theorie, Mathematik und kaufmännischer Unterricht 57 Obwohl die Definitionen vermuten lassen, es gehe den Ökonomen darum, in bestimmten Situa- tionen den Geldwert zu ermitteln, betrachten sie einen einzelnen ausgerechneten Wert als etwas ziemlich Nichtssagendes. Interessiert ist man i. d. R. eher daran, wie sich der Geldwert im Laufe der Zeit verändert (bei empirischem Interesse) bzw. wie sich die Variation einzelner Variablen (wie Preise oder Geldmengen) auf den Geldwert auswirkt (bei analytischem Interesse). Bei genauerem Hinsehen kann man feststellen, daß die Definitionen diesem analytischen Inter- esse Rechnung tragen, wenn man bereit ist, sie zugleich als Kristallisationspunkt einer Modell- bildung aufzufassen. Zum einen lassen sich nämlich für jeweils zwei der in den Definitionen zusammengebundenen Größen Wertpaare bilden, die über Veränderungen der zugeordneten Größe bei Änderungen der Ausgangsgröße informieren, wenn alle anderen Größen als unverändert angenommen werden. Daß dabei aus logischen Gründen das in den Definitionen durchscheinende Modell interpretativ um weitere Gesichtspunkte anzureichern ist, wird uns gleich noch beschäftigen. Zum anderen sind die den Geldwert definierenden Komponenten der beiden Definitionen dog- mengeschichtlich sehr früh einander gleichgesetzt worden. Dagegen ist im Rahmen einer logi- schen Analyse (d. h. der reinen Theorie) nichts einzuwenden; ob es im Rahmen einer empiri- schen Betrachtung zulässig oder auch nur praktikabel ist und welche Schlüsse es zulassen wür- de, soll uns an dieser Stelle nicht interessieren. Bezeichnet man das Preisniveau, die Gütermen- ge und die Geldmenge mit den Zeichen P, Q und M, ergibt sich für die Gleichsetzung: 1 P Q M = . Dieser Ausdruck gilt als eine frühe Fassung der Quantitätstheorie7 Ich betone das aus zwei Gründen: Erstens verdeutlicht die quantitätstheoretische Bündelung der Variablen, daß das Bemühen um die begriffliche Füllung des Ausdrucks „Geldwert“ stets auch ein Bemühen um Modellbildungen war. Zweitens bleibt festzuhalten, daß diese Modelle volkswirtschaftliche Modelle waren. Daraus folgere ich, daß wesentliche Bedeutungsschichten 7 Die Quantitätstheorie betont den Gesichtspunkt der proportionalen Zuordnung von Geldmenge und Preisniveau und macht daher vor allem Geldmengenausweitungen für Inflationen verant- wortlich. Das hier wiedergegebene einfache Modell hat im Laufe der Zeit etliche Reformulierungen und Verfeinerungen erfahren, ohne daß der Grundgedanke verändert worden wäre. Seit den 60er Jahren sind insbesondere die quantitätstheoretischen Vorstellungen der sog. Chicago Schule um Milton Friedman herum geldpolitisch wirksam. Nachzutragen bleibt, daß die hier wiedergegebene Gleichung gar nicht kausal gedeutet werden dürf- te, weil sie nur einen Definitionszusammenhang festhält. Dennoch unterlaufen Autoren, die sie be- schreiben, fast regelmäßig kausale Aussagen. Ich sehe darin einen Beleg für die gleich zu diskutie- rende Vorstellung, daß sich die Bedeutung der Modellierung nur in Gedankenexperimenten, also in prozessualen Momenten erschließen läßt. Gerhard Gerdsmeier58 verloren zu gehen drohen, wenn einer der Aspekte oder gar beide in einer unterrichtlichen Bear- beitung des Begriffs nicht mehr präsent wären. Begriffsbildung im Modellkontext eines Individuums – Gedankenexperimente Die im vorstehenden Abschnitt vorgestellten Definitionen des Geldwerts erzwingen weitergehende Interpretationen, wenn das in ihnen Ausgedrückte erschlossen wer- den soll. An was und an wen ist gedacht, wenn von „man“, von „irgendwie bestimm- ten“ Geldeinheiten / Gütermengen / Geldmengen und Preisniveaus die Rede ist? Wie ist der Ausdruck „Gütermenge, die man sich für eine Geldeinheit kaufen kann“ zu interpretieren, wenn sich – praktisch gesprochen – in der Bundesrepublik allein die Zahl der Markenartikel auf mehrere Millionen beläuft? Ist bei einer komparati- ven Beschäftigung mit dem Geldwert an „zeitlose“ Variationen einzelner Einfluß- faktoren gedacht, oder werden den Variationen unterschiedliche Perioden unter- legt, um Zeitverläufe ins Modell zu integrieren? Entscheidet man sich für Periodi- sierungen, ist wiederum zu prüfen, was das für die sonstigen Größen bedeuten soll usw. Um die zahllosen interpretativen Möglichkeiten zu begrenzen (und gelegentlich mit dem illegitimen Verweis auf einen zu beachtenden Realismus der Modellannah- men), sind bestimmte Akzentsetzungen und Bündelungen in den Modellierungen gebräuchlich geworden. Akzentuierend ist dabei vor allem die Entscheidung über den Personenkreis geworden, für den Fragen des Geldwerts erörtert werden. In einer ersten Variante wird versucht, den Kontext eines Individuums zu model- lieren. Sie findet sich besonders häufig in Lernmitteln.8 Es wird dann etwa zu fol- gendem Gedankenspiel eingeladen: Wie verändert sich für die Person X der Wert einer Geldeinheit, wenn die Preise sämtlicher Güter seines „Warenkorbs“ sich bei sonst gleichen Bedingungen z. B. verdoppeln? Interessant für uns sind hier weder die konkrete Frage nach der Geldwertände- rung, noch ihre Lösung, sondern die Art der Rahmung der Fragestellung und die 8 Diese Variante gerät nicht notwendig in Widerspruch zu der vorstehend geäußerten Annahme, daß nur der volkswirtschaftliche Kontext die „eigentliche“ Bedeutungsschicht des Begriffs erhelle. Der individuelle Kontext kann durchaus als Einstieg in verallgemeinernde Überlegungen aufgefaßt werden. Ökonomische Theorie, Mathematik und kaufmännischer Unterricht 59 Folgen dieser Rahmung. Ich möchte sie zum Anlaß nehmen, auf einige Gesichts- punkte ( z. T. nochmals) ausdrücklich hinzuweisen: • Die Fragestellung und ihre Rahmung fordern zu einem Gedankenexperiment auf, was für den ökonomischen Denkstil im Kontext der reinen Theorie charak- teristisch ist – gleichgültig, ob es eher um die Konstruktion oder das Ver- ständnis von Modellen geht. Das Gedankenexperiment besteht darin, die Folgen einer angenommenen Datenvariation „logisch zwingend“ abzuleiten. Damit das gelingen kann, müssen zahlreiche Annahmen eingeführt werden, die die reale Situation – hier: der Person X – , die wir gar nicht kennen, ideal verzeichnen. Untersucht man allein den in der Fragestellung enthaltenen Ausdruck „die Prei- se sämtlicher Güter seines Warenkorbes“, von denen angenommen wird, daß sie sich verdoppeln, fällt auf, daß zusätzliche Annahmen erforderlich werden. Ist mit dem Ausdruck gemeint, daß der Preis einer jeden Ware sich verdoppelt hat, oder hat man sich vorzustellen, daß es für den einen Warenkorb einen Gesamt- preis gibt, oder ist es nur irgendein Durchschnittswert? Darf man überhaupt davon ausgehen, daß das Individuum einen spezifischen, feststehenden Waren- korb hat? Kennt es ihn …? Man mag das im ersten Moment als Haarspaltereien abtun. Es hat sich dogmen- geschichtlich aber gezeigt, daß manche dieser Unterscheidungen konstitutiv für ganze Teilklassen idealer Modelle geworden sind. Außerdem werden die denk- baren Auslegungen in dem Augenblick wichtig, in dem versucht wird, für einzel- ne theoretische Ausdrücke irgendeine möglichst plausible und praktikable empi- rische Interpretation zu (er)finden. • Die Gedankenexperimente vergleichen verschiedene Situationen. Die Ökonomen geben den Situationen häufig eine zeitliche Dimension und sprechen dann von einander folgenden Perioden, zwischen denen die Ausprägung bestimmter Va- riablen verglichen wird. Die Periodisierung ist dann eine stillschweigend die gewählte Rahmung ergänzende Annahme. Letztlich kann man sich vieles denken, was das Gedankenexperiment beeinflus- sen könnte. Deshalb wird die solche denkbaren Einflüsse ausschaltende Gene- ralklausel eingeführt, daß alle anderen denkbaren Faktoren als im Zeitablauf unverändert angesehen werden sollen. Gerhard Gerdsmeier60 Es zeigt sich m. E. zweierlei. Erstens: In einem Gedankenexperiment werden, wenn es logisch überzeugen soll, sehr viel mehr oder qualitativ angereichertere Annahmen verwendet, als das in der Definition bzw. deren Rahmung zunächst erkennbar ist. Zweitens: Versuche einer Person, eine Begriffsbestimmung, die aus der reinen Theorie erwachsen ist, für sich vorstellbar und handhabbar zu machen, erzwingt die erneute Verknüpfung des Begriffs mit der Modellwelt der reinen Theorie. • Manchmal sind Situationsanalysen empirisch gemeint – ohne daß die Differenz zu den logischen Analysen immer ganz deutlich gemacht würde. Verwendet wer- den dann empirische Daten (oder Zahlenbeispiele) und Tendenzaussagen. Z. B.: „In den letzten 3 Jahren sind die Preise im Durchschnitt um 2,5 % jährlich ge- stiegen, ohne daß sich die wirtschaftliche Lage der meisten Arbeitnehmerhaus- halte ansonsten wesentlich verändert hat. Wie ist die Kaufkraftentwicklung zu beurteilen?“ Auch hier sind Rekonstruktionen über die gegebenen Informationen hinaus er- forderlich: Welche Vorstellungen soll man sich zu den Ausdrücken „durch- schnittlich“, „im wesentlichen unverändert“, „die meisten Haushalte“, „wirt- schaftliche Lage“ usw. machen, was bedeuten verschiedene Deutungen jeweils für das Ergebnis und wie vertragen sich diese Deutungen mit den Fakten? • Zwei Gesichtspunkte möchte ich noch hervorheben. Man gewöhnt sich sehr schnell an die in der Ökonomik üblich gewordenen Auslegung des Begriffs „Geldwert“, die sich nur an objektivierbaren Merkmalen der (individuellen) Situation orientiert. Mindestens genauso plausibel wäre es, den Geldwert aus subjektiven Wertschätzungen abzuleiten; ein Milliardär würde einer Geldein- heit dann möglicherweise einen geringeren Wert beimessen als ein Sozialhilfe- empfänger. Diese Bedeutungsschicht, die den Wert aus der subjektiven Bewer- tung der Ergebnisse der Geldverwendung erklärt, wird von den Ökonomen aus- gesondert und terminologisch mit dem Ausdruck des Nutzens des Geldes verbun- den. In der oben eingeführten Rahmung, die die einen Geldwert definierende Größen in den Lebenskontext eines Individuums versetzt, entsteht das Problem, daß zwischen den Ausdrücken (individuelle) Geldmenge und individuelles Einkom- men keine Trennschärfe mehr besteht. Gleiches gilt für die Ausdrücke (subjektiv zugängliche) Gütermenge und individueller Warenkorb, denn letzterer beruht auf Standardisierungen nach Art und Menge. Insofern ist zu fragen, ob die hier Ökonomische Theorie, Mathematik und kaufmännischer Unterricht 61 gewählte Rahmung nicht eher den Wert eines individuellen Einkommens cha- rakterisiert als den Wert des Geldes. Begriffsbildung im Kontext von Gruppen – empirisch-pragmatische Interpretationen Das zuletzt angesprochene Problem einer Begriffsverengung durch eine zu enge Rahmung wird auch dann nicht überwunden, wenn die Rahmung auf eine größere Zahl von Individuen, auf bestimmte Gruppen, ausgedehnt wird. Faktisch spielt die Bildung von Gruppenkontexten heute eine überragende Rolle, und die Probleme werden dabei methodisch sehr reflektiert bearbeitet. Diese Sorgfalt resultiert aus der Entscheidung, empirische Interpretationen des Geldwerts und seiner Verände- rungen in dieser Rahmung vorzunehmen. Man könnte sagen, daß der Bereich der reinen Theorie völlig verlassen werde und sich alles auf empirisch-pragmatisches Denken konzentriere, wenn nicht einerseits der Begriffskern auch hier logisch be- stimmt bliebe und andererseits ein formal stimmiger Bezugsrahmen für die anson- sten zu isolierten pragmatischen Setzungen benötigt würde. Außerdem produzieren die empirisch-pragmatischen Festlegungen selbst wieder ideale Annahmen, wenn mit Hilfe der gewonnenen Daten die Welt interpretiert werden soll.9 Der Grundgedanke besteht hier darin, bestimmte Gruppen zu identifizieren und zu charakterisieren (z. B. den Vierpersonen-Arbeitnehmerhaushalt mit mittlerem Ein- kommen bei einem Verdienenden). Für eine solche Gruppe versucht man dann ei- nen „repräsentativen“ Warenkorb empirisch zu ermitteln, dem dann periodenweise ein gewichteter Durchschnittspreis zugeordnet und der i. d. R schließlich als Preis- index ausgedrückt wird. Nimmt man nun die Werte dieses Preisindexes als Reprä- sentanten eines für diese Gruppe spürbaren Preisniveaus, kann man aufgrund der antiproportionalen Zuordnung unmittelbar auf den für diese Gruppe relevanten Geldwert schließen. Hinter diesem Vorgehen stehen zahlreiche Verfahrensschritte und Setzungen, auf die ich nicht eingehen möchte. (Die Setzungen zu entdecken, könnte eine Aufgabe an Schüler sein.) 9 Man kann sich das leicht klar machen, wenn man sich überlegt, daß in einer quirrligen Wirt- schaftswelt für bestimmte Verbrauchergruppen – mehr oder wenig lange – konstante Konsummu- ster unterstellt werden müssen und entsprechend lange Lebenszyklen einzelner Produktangebote, um etwas über Kaufkraftveränderungen sagen zu können. Gerhard Gerdsmeier62 Unter dem Gesichtspunkt der Begriffsbildung bleibt eine gruppenbezogene Rah- mung problematisch. Z. B.: • Die in der reinen Theorie allgemein gehaltene Definition, die den Wert einer Geldeinheit ohne Bezug auf eine irgendwie eingeschränkte Verwendung aus- drückt, wird durch die gruppenbezogenen Auslegungen verzerrt. • Auch hier wird eher der Wert des durchschnittlichen Einkommens einer Gruppe gekennzeichnet. • Die interpretative Verallgemeinerung der gruppenbezogenen Werte auf Perso- nengruppen, die mit der bei der Wertermittlung zugrunde liegenden nicht über- einstimmen, ist ebenso unbefriedigend wie die Verknüpfung mit Werten solcher Variablen, die aufgrund z. T. abweichender Annahmen ermittelt wurden (z. B. durchschnittliche Arbeitsentgelte). • Möchte man den Geldwert über den Quotienten aus Güter- und Geldmenge be- stimmen, läßt sich den Personengruppen keine spezifische Geldmenge zuordnen. Begriffsbildung im volkswirtschaftlichen Kontext Die gruppenbezogene Rahmung des Ausdrucks „Geldwert“ ist heute in der wirt- schaftlichen und wirtschaftspolitischen Diskussion dominant und in der empiri- schen Ökonomik konkurrenzlos. Das liegt u. a. daran, daß die volkswirtschaftliche Konstruktion des Begriffs Empiriker vor schier unlösbare Probleme stellt. Das än- dert aber nichts daran, daß die volkswirtschaftliche Konstruktion für das begriff- liche Grundverständnis und die reine Theorie dominant geblieben ist. Wenn hier dennoch auf eine Beschäftigung mit dieser Rahmung verzichtet wird, so deshalb, weil sie in den Schulbüchern kaum jemals ernstlich vertreten ist. Wollte man sich auf diese Betrachtung einlassen, könnte man an dem oben bereits hergestellten Zusammenhang von Geldwert und von der naiven Form der Quanti- tätstheorie, 1 P Q M = , anknüpfen. Es ließe sich dann zeigen, daß die Geldmenge M hier nicht zwingend, wie erforderlich, als Strömungsgröße aufgefaßt ist. Das würde korrigiert, wenn sie als Geldangebot in der Periode – M v⋅ – umgedeutet würde, indem die durchschnittliche Umschlagshäufigkeit v des Geldes berücksichtigt wird. Ökonomische Theorie, Mathematik und kaufmännischer Unterricht 63 Mit diesem Geldvolumen würden aber nicht nur die Endprodukte finanziert, son- dern auch sämtliche Zwischenprodukte, was man sich dann insgesamt als das Han- delsvolumen H vorzustellen hat. Das Modell würde sich zu 1 P H M v = ⋅ verändern.10 Für prognostische Betrachtungen über die Werte von 1 P ist dieses Modell aus heu- tiger Sicht zu schlicht. Es kämen nun präzisierend verschiedene Geldangebots- und Geldnachfragetheorien ins Blickfeld oder Theorien der Vermögensanlage (Portfolio- Ansätze), weil Geld als zinslose Vermögensform aufgefaßt werden kann, deren Um- fang zu anderen Anlageformen in ein „günstiges Verhältnis“ zu setzen ist, oder spe- zielle, meist mehrfaktorielle Inflationstheorien oder … Geht man dem Bemühen der Ökonomen nach, dem Begriff „Geldwert“ eine mög- lichst gehaltvolle Interpretation zu geben, erschließen sich einem weite Bereiche der Makroökonomik. Es wäre dies einmal eine andere stoffliche Route als jener in den Schulbüchern etwas ausgetretene Pfad, der den Stoff immer wieder nach Poli- tikbereichen (Geld-, Fiskalpolitik) oder Zielfeldern (Beschäftigung, Wachstum …) sortiert. Stellt man abschließend die Frage nach der Mathematikhaltigkeit des Gegenstan- des, bieten sich folgende Punkte an: • Proportionale und antiproportionale Zuordnungen der definitorisch erfaßten Größen • Konstruktion und Interpretation von Preisindizes; Verknüpfung von Indizes • Konstruktion und Interpretation von Funktionen, die Preisniveaus / Preis- niveauveränderungen „erklären“. 10 Es sind insbesondere die Größen v und H, die Empiriker vor unlösbare Aufgaben stellen. v läßt sich eigentlich nur rechnerisch ermitteln, wenn die Werte der anderen Größen bekannt sind – was aber der Intention zuwiderläuft, den Wert von P aus den als bekannt gesetzten Werten von M, v und H zu prognostizieren. Gerhard Gerdsmeier64 2.2 Didaktische Zwischenbemerkungen Ich möchte das im vorangegangenen Kapitel als Sache Beschriebene punktuell zu „den“ Schülern in Beziehung setzen, bevor die Schulbuchtexte betrachtet werden. Die Thesen drücken eher Vermutungen und persönliche Beobachtungen aus als harte Fakten. 1. Jugendliche bringen bereits ein implizites Wissen über den Geldwert mit. Daß 100 DM nicht mehr so viel wert sind wie zuvor, wenn eine bestimmte Gütermen- ge dafür nicht mehr gekauft werden kann, weil die Güterpreise gestiegen sind, ist eine Folgerung, zu der Berufsschüler auch ohne unterrichtliche Unterwei- sung in der Lage sind. Ich bezeichne das einmal als den logischen und vorver- ständlichen Kern des Begriffs. Er ist auch hinreichend, wenn Schüler abschätzen sollen, wie sich „der“ Geldwert ändert, wenn „die“ Preise sich z. B. verdoppeln. 2. Die Verallgemeinerung der von Schülern für Zahlenbeispiele vorgenommen Ab- schätzungen über Geldwerte dürften i. d. R. in Je-desto-Behauptungen über Preise und Geldwerte (oder Geldmengen und Geldwerte) einmünden. Diese Aus- sagen werden von ihnen m. E. eigenständig weder als antiproportionale (propor- tionale) Zuordnung identifiziert, noch könnten sie die antiproportionale Zuord- nung von P und G als G P = 1 ausdrücken. 3. Das in der antiproportionalen Zuordnung der Größen angelegte Komparative (bzw. das in den didaktisch motivierten Fragen nach den Folgen der Variation einer Größe angelegte Interesse an Differenzen) erleichtert Schülern die kogni- tive Beschäftigung mit dem Begriff des Geldwerts, charakterisiert ihn aber nur implizit über die Bestimmung von Geldwertveränderungen. 4. Die Aktivierung und Anwendung des logischen und vorverständlichen Begriffs- kerns gelingen besonders leicht, wenn für Gütermenge, Geldeinheit, Preise usw. konkrete Exempel eingesetzt werden (100 DM, 50 Liter Benzin usw.). Diesem Vorteil steht der Nachteil entgegen, daß das Verständnis der allgemeinen Be- deutung des Begriffs – im weitesten Sinne: der Wert irgendeiner Geldeinheit in der Volkswirtschaft im Hinblick auf eine noch gar nicht konkret festgelegte Ver- wendung – eher erschwert wird, weil das Beispiel die Schüler in der Regel vor dem Problem (aber auch vor der Problemlösefähigkeit) „schützt“, die bei allge- meinerer Begriffsverwendung vorhandenen Interpretationsspielräume durch Ökonomische Theorie, Mathematik und kaufmännischer Unterricht 65 Setzungen schließen zu müssen, um logisch zwingende Aussagen zu gewinnen. – Auf diesen Zusammenhang ist bei der Diskussion der individuellen Rahmung eingegangen worden. 5. Bei unbestimmt gelassener Verwendung des Begriffs des Geldwerts werden Schüler, wenn sie mit dem Begriff nach subjektivem Empfinden verständig um- gehen wollen, interpretative Setzungen vornehmen. Dieser Prozeß ist ihnen, wenn sie eher logisch-vorverständlich an die Sache herangehen, i. d. R. nicht be- wußt. Diesen Vorgang bewußt zu machen, ihn auch über Aufgabenstellungen ge- zielt anzusprechen, kann ein Ziel von Unterricht sein. M. E. wäre es der Mo- ment, in dem Alltagsdenken in methodisch bewußtes (insofern wissenschafts- bestimmtes) Denken überführt wird. Die reflexive Beschäftigung mit den letztlich „heroischen“ Annahmen im Kon- text ökonomischer Fragestellungen bedeutet m. E. zugleich, mit den Eigenschaf- ten des ökonomischen Denkstils vertraut zu werden. 6. Berufsschüler sind durchaus in der Lage, an Beispielen oder individuellen Kon- texten festgemachte Verständnisse über den Geldwert daraufhin zu prüfen, un- ter welchen verschiedenen Bedingungen die Vorstellungen auf größere Perso- nengruppen ausgedehnt werden können (bzw. in welcher Hinsicht die Vorstel- lungen geändert werden müssen). Überwiegt bei einem solchen Auftrag das Interesse des Lehrers an der Sensibili- sierung für den ökonomischen Denkstil, wird vermutlich weniger der bloße Nachvollzug der in der Ökonomik konventionell gewordenen Vorgehensweise im Vordergrund stehen als das Ermuntern zu Eigenproduktionen, an denen die Gründe, Anforderungen und Leistungsfähigkeit des Modellierens analysiert wer- den können. 7. Wird der Geldwert in gruppenbezogener Rahmung diskutiert, sind die Grundge- danken dieser Modellierung für Schüler m. E. einfach zu verstehen. Schwieriger scheinen mir das Verständnis über die Konstruktion der Preisindizes und die In- terpretationen einzelner Periodenwerte (insb. im Vergleich zu anderen Werten) zu sein. Auch dürfte vielen nicht unmittelbar einsichtig sein, warum der Preis- index in der Ausgangsperiode den Wert 100 zugeordnet bekommt. 8. Die Diskussion des Geldwerts in der volkswirtschaftlichen Rahmung ist für Schüler m. E. recht anspruchsvoll – insbesondere wenn die Betrachtung nicht bei der explikativ überholten Frühform der Quantitätstheorie endet. Gerhard Gerdsmeier66 9. Bei der Begriffsbildung sehe ich einige Unschärfen und Schwierigkeiten voraus. Sie betreffen die Unterscheidung von Geldwert und Geldnutzen, von Geldwert und Wert des Einkommens, von Bestands- und Strömungsgrößen und von Defi- nitions- und Verhaltensgleichungen. Vor dem Hintergrund dieser Einschätzungen sollen die Textbeispiele insbesondere auch auf folgende Gesichtspunkte hin betrachtet werden: • fachliche Korrektheit und Informationsgehalt • Explizitheit der Definition • verwendete Rahmungen und deren Verknüpfung • Verknüpfung verschiedener Wissensbereiche (Alltagswissen, empirisch-pragma- tisches Wissen, „reines“ Theoriewissen …) • verwendete Lehrstrategien zur Erhellung des ökonomischen Denkstils • Möglichkeiten für die Schüler zu eigenen konstruktiven Aktivitäten. 2.3 Analyse ausgewählter Textbeispiele zum Thema „Geldwert“* Textbeispiel 1 11 Der Text stammt von einem Autorenteam, das nach dem Erscheinen der KMK-Rah- menpläne für die wichtigsten kaufmännischen Berufe ab 1978 über 30 verschiedene Schulbücher veröffentlicht hat, die eine nennenswerte Verbreitung bis in die 90er Jahre hinein erfahren haben. Der hier ausgewählte Textabschnitt zum Geldwert und (in Teilen) zur Inflation ist schwer zu besprechen. Er enthält viele Mängel, fachliche Ungenauigkeiten oder Un- klarheiten, vermengt Argumentationslinien, macht für das Entstehen von Sachver- halten dieselben, nur anders bezeichneten Sachverhalte verantwortlich u. ä. Das ist bedauerlich, weil mit einer volkswirtschaftlichen Rahmung der Begriffsbildung eine * Die Textbeispiele sind diesem Beitrag als Anhang beigegeben. 11 Aus: Kurt Gönner u. a.: Allgemeine Wirtschaftslehre und Spezielle Betriebswirtschaftslehre. Bad Homburg v. d. H.: Gehlen 1986, S. 281 f. Ökonomische Theorie, Mathematik und kaufmännischer Unterricht 67 anspruchsvoller Zugang gewählt wird und auch Ansätze zu „Gedankenexperimen- ten“ enthalten sind. Im einzelnen gilt: • Eine explizite Begriffsbestimmung des Ausdrucks „Geldwert“ fehlt. Man mag in den Je-desto-Aussagen eine implizite Definition sehen. („Je mehr Geld im Ver- gleich zur Gütermenge im Umlauf ist, desto weniger Güter können wir für eine Geldeinheit erwerben, desto geringer ist also der Geldwert.“ S. 281) Auf die Pro- blematik, daß Annahmen (über die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes, über ei- ne Periodisierung der Größen wegen denkbarer autonomer Veränderungen der Werte der Größen im Zeitablauf, über die Höhe der Preise, über die Bezugsein- heit „wir“ usw.) eingeführt werden müssen, damit die Aussage als logisch wahr akzeptiert werden kann, wird nicht eingegangen. Da die zitierte Aussage (und damit zugleich das insgesamt zum Geldwert Gesag- te) das Alltagswissen von Schülern nicht übersteigt, werden diese den Satz ver- mutlich „verstehen“, sofern sie die Häufung unanschaulicher fachlicher Terme nicht abschreckt. Das Verständnis könnte allerdings durch die den Je-desto-Aussagen vorgeschal- teten Darstellungen beeinträchtigt sein. Dort drückt das Verhältnis von Geld- und Gütermenge nicht den Geldwert aus, sondern „bestimmt“ eine sog. „Knapp- heit des Geldes“. Diese Verwendung des Knappheitsbegriffs ist sachlich unge- rechtfertigt und beruht auf einer didaktischen Erfindung. Eine Eigenschöpfung ist auch die nebulöse „allgemeine Wertschätzung des Geldes“, die wiederum auf der Knappheit beruhen soll. Diese Argumentationen sind Ausdruck von Schul- buchökonomik. Bemerkenswert ist, daß an keiner Stelle ein Zusammenhang zwischen Geldwert und Preisniveau explizit hergestellt wird. Der Zusammenhang wird von den Verfassern möglicherweise auch gar nicht als konstitutiv wahrgenommen, weil sie Inflation als „Prozeß ständiger Preissteigerungen mit sinkendem Geldwert“ (S. 282) definieren, was offensichtlich sinngleiche Ausdrücke häuft, aber Vielfalt vortäuscht. Gegen diese Auslegung spricht, daß sie das Thema Inflation an die Geldwert-Definition anschließen. Der Abschnitt über die Geldwertbestimmung endet mit einer Tautologie: Hier wird der Geldwert mit seinen Synonym, der Kaufkraft, erklärt. Gerhard Gerdsmeier68 • Für die Begriffsbestimmung wird überwiegend eine volkswirtschaftliche Rah- mung gewählt. Allerdings springt der Text unvermittelt zwischen verschiedenen Rahmungen. Zu Beginn erscheint in Ansätzen eine Gruppenebene (jeder Arbeit- nehmer), die verengt sich zu einer individuellen Perspektive (der einzelne Ar- beitnehmer). Der Text wechselt dann unvermittelt zur volkswirtschaftlichen Rahmung (Knappheit, Allgemeine Wertschätzung des Geldes usw.). Diese Rah- mung wird wiederum aufgeweicht durch Verweise auf unbestimmte Gruppen (man, wir). Die weiteren Darstellungen bleibt volkswirtschaftlich ausgerichtet. Betrachtet man das in den Rahmungen Gesagte qualitativ, fällt folgendes auf: Der Eingangseinfall besteht darin, die Verteilung der Ergebnisse wirtschaftli- cher Tätigkeit auf die Produktionsfaktoren (verengt auf den Faktor Arbeit) zu thematisieren, wobei die Ansprüche als in Geldbeträgen ausgedrückt aufgefaßt werden. (Daß der erste Satz sich empirisch nicht erhärten läßt und bestenfalls eine regulierende Idee wiedergibt, übergehe ich.) Dies ist ein akzeptabler Ansatzpunkt, in die Begriffsbestimmung einzuführen. Erwartet hätte man dann allerdings nach der didaktischen Problematisierung, „was mit dem Geld anzufangen sei, müsse geprüft werden“, daß Preise, Infla- tionen u.ä. ins Spiel gebracht worden wären. Stattdessen wird eine in diesem Zusammenhang deplazierte12 Fragestellung eingeführt, ob nämlich die Arbeit- geber, nachdem sie die Arbeitnehmer in Geld entlohnt haben, bereit sein wer- den, den Arbeitnehmern ihre Produkte gegen Geld zu verkaufe. Insgesamt zeigt sich m. E., daß erstens eingeführte Einfälle zur Begriffsbestim- mung nicht durchgehalten und durchgearbeitet und daß verschiedene Rahmun- gen nicht sinnvoll aufeinander bezogen werden. • Eine explizite Verschränkung verschiedener, gleichwohl mitzudenkender The- menkreise (Geldwert, Inflation und Inflationsmessung, Bestimmungsfaktoren von Geldmengen u. ä.) findet nicht statt. Allenfalls kann man von einigen addi- tiven Informationen sprechen. Die Kennzeichnung inflationärer Prozesse und deren quantitätstheoretische Deutung werden mit dem Aspekt des Geldwerts nicht verknüpft – trotz der volkswirtschaftlichen Rahmung. 12 In der Ökonomik ist im Rahmen von Geldnachfrage- und Portfoliotheorien sehr ausführlich über die Frage nachgedacht worden, warum Individuen bereit sind, Vermögen in der zinslosen Form des Geldes zu halten, was die von ihnen als optimal angesehene Höhe an liquiden Mitteln bestimmt und was sie tun werden, wenn diese optimale Höhe überschritten wird, aber für diese Diskussion wurden im Schulbuch die Voraussetzungen nicht geschaffen. Ökonomische Theorie, Mathematik und kaufmännischer Unterricht 69 Die Unzulässigkeit, die sog. Verkehrsgleichung als prognostische Aussage über Preishöhen zu verwenden, wird ebenso wenig thematisiert wie der veraltete Sta- tus dieses engen Ansatzes innerhalb moderner Geld- und Inflationstheorien. Auf die wohl fehlerhaften, zumindest aber unscharfen Inflationsdefinitionen soll nicht weiter eingegangen werden. • Der Text lädt Schüler nicht zu Gedankenexperimenten ein. Er fordert nicht zu eigenem Konstruieren oder zur Analyse der Voraussetzung für die Gültigkeit von Modellaussagen auf. Er enthält im Gegenteil durchgängig eine Instrukti- onsform, die auf die möglichst umstandslose „Hinführung zu Lehrsätzen“ ange- legt ist. Dabei wird versucht, jeweils (nur) soviel (entproblematisierten) Kontext einzuführen, daß die Herleitung eines angestrebten Lehrsatzes als plausibel durchgehen könnte. Äußerliches Merkmal dieser Ableitungsargumentation sind hier die wiederkehrenden Ausdrücke „also“, „d. h.“, „nun“ sowie die Relativierun- gen „allerdings“, „aber“ … Die Ableitungsargumentation mißlingt hier m. E. weitgehend. Dafür scheinen mir drei didaktische Tendenzen verantwortlich. Erstens zeigt sich eine völlig unkritische abbilddidaktische Haltung gegenüber Aussagensystemen der Öko- nomik, die in ihren speziellen Voraussetzungen nicht betrachtet werden. Zwei- tens werden die Aussagensysteme als für Lernende zu schwierig angesehen; in- haltlich „irgendwie“ reduzierte, hinsichtlich der Prämissen, Verknüpfungen und Definitionen unschärfere Aussagen werden demgegenüber für verständlicher gehalten und bevorzugt. Drittens konzentriert sich das didaktische Denken auf die Suche nach Wegen, die als Lernergebnis angestrebten Aussagen dennoch als möglichst plausibel und zwingend erscheinen zu lassen – ohne in eine kritisch- (re)konstruktive Beschäftigung mit den Inhalten einzutreten. Dieses abbilddidaktisch-reduktionistische Vorgehen ist m. E. in Lehrmitteln und Unterrichten, die sich mit ökonomischer Theorie befassen, sehr verbreitet. Das Ergebnis halte ich für eine Schulbuchökonomik, die einer wissenschaftlichen Überprüfung m.E. weder auf der Ebene der Inhalte noch auf der Ebene der in- tendierten Aneignungen standhält. • Damit ist auch das Verhältnis von Alltags-, Theorie- und empirisch-pragmati- schem Wissen gekennzeichnet: Das Generieren des Schulbuchwissens als einem Wissenstyp eigener Art verhindert, daß die verschiedenen Wissensformen sinn- voll und durchsichtig aufeinander bezogen werden. Der Jargon ist weitgehend dem Theoriewissen entnommen, die Substanz überschreitet vermutlich nur Gerhard Gerdsmeier70 unerheblich das von den Schülern mitgebrachte Vorverständnis und kognitive Vermögen. • Die Mathematikhaltigkeit des Gegenstandes wird bei dieser Vorgehensweise nicht genutzt, den Gehalt einzelner Aussagen präziser zu fassen; sie ist weitge- hend „wegreduziert“. Es verbleiben die unproblematisierte Verkehrsgleichung und drei Je-desto-Aussagen, deren Gültigkeit wegen der nicht entfalteten Prä- missen offen bleibt. Textbeispiel 213 Das Beispiel stammt aus einem verbreiteten Lehrwerk für das berufliche Gymna- sium, das z. Z. immer noch in der 1. Auflage von 1985 vertrieben wird. Es ist dem Teilband entnommen, der die „Bestimmungsgründe der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung“ behandelt. Mit dem ausgewählten Text beginnt – nach einem kurzen einleitenden Überblick – das Buch. An das Textbeispiel schließen sich noch ca. 3 Seiten Text an, auf denen die verschiedene vom Statistischen Bundesamt unter- schiedene Haushaltstypen sowie die für sie ermittelten Preisindizes skizziert und etliche Grenzen in der Aussagefähigkeit einzelner Indizes referiert werden. Eine Auseinandersetzung mit Inflationstheorien und speziell mit der Quantitätstheorie des Geldes fehlen im Buch, was erstaunt, weil der Darstellung der Geldpolitik viel Raum gegeben wird. Der Text ist stark von dem Versuch getragen, den Gegenstand möglichst weitge- hend so zu behandeln, wie er Ökonomiestudenten einführend vorgetragen wird: Bezugspunkt ist also die akademische Lehrbuchökonomik, eine abbilddidaktische Reduktionsform, die Plausibilität stark aus einer fachlichen Systematik zu gewin- nen sucht. Vor diesem Hintergrund ist der ausgewählte Text fachlich wenig zu be- mängeln. Zu bemängeln ist allenfalls, daß – über eine knappe Definition des Geld- werts hinaus – eine volkswirtschaftliche Rahmung bei der Begriffsbildung vermie- den wird. • Eine Definition wird eingeführt. Der Geldwert wird explizit und verträglich mit der Fachliteratur festgelegt als „reziproker Wert des Preisniveaus“ (S. 15). Eine 13 Aus: Uwe Taenzer: Ökonomie 2. Wirtschaftspolitik. Ein Lehr- und Arbeitsbuch. Stuttgart / Dresden. Ernst Klett Verlag für Wissen und Bildung, 9. Aufl. 1995 (1. Aufl. 1985), S. 14–16. Ökonomische Theorie, Mathematik und kaufmännischer Unterricht 71 Herleitung des mathematisch abgefaßten Ausdrucks „ Geldwert 1 Preisniveau = “ allein aus den vorangestellten Informationen, insb. aus der unbedingten Aussa– ge „Bei steigendem Preisniveau sinkt der Geldwert, bei fallendem steigt er“, scheint mir für die meisten Schüler an beruflichen Schulen eine Überforderung zu sein. Es fehlen Zwischenschritte, präzisierende Annahmen und vermutlich mathematikdidaktische Hilfestellungen. Auch die im nachgestellten Beispiel berechneten Werte, wonach ein 18,3%iger Preisanstieg gegenüber dem Basisjahr des Indexes einem 15,5%igem Kaufkraft- verlust entspreche, werden einen mathematisch Ungeübten nicht von der Not- wendigkeit überzeugen, eine antiproportionale Zuordnung zugrunde zu legen. • Die Begriffsbestimmung erfolgt weitgehend in gruppenbezogener Rahmung. Al- lerdings werden die in die Konstruktion von Haushaltstypen, Warenkörbe und Preisindizes einfließenden Bedingungen nur ansatzweise offengelegt – z. T. nachträglich in einer Auflistung von Aspekten, die die Aussagekraft der Indizes begrenzen. Die Bedeutung dieser kritischen Anmerkungen für die empirisch- pragmatische Interpretation des Ausdrucks Geldwert wird nicht heraus- gearbeitet. Einleitend findet sich zudem eine individuelle Rahmung. Aus Hinweisen auf die Grenzen der Verallgemeinerungsfähigkeit individueller Konstellationen wird abgleitet, warum zu gruppenbezogenen Betrachtungen überzugehen ist, die sich auf größere Verbrauchergruppen und standardisierte Güterzusammenstellun- gen stützen. Die Begrenzung der Betrachtung auf Verbrauchersituationen mag ungewollt eine Bedeutungsverschiebung des Ausdrucks Geldwert zu „Wert einer Einheit ausgegebenen Einkommens“ nach sich ziehen. • Der Text ist empirisch-pragmatisch akzentuiert, indem er sich auf die Frage der Konstruktion von Preisindizes und der Messung ihrer Veränderungen konzen- triert. Das Einleitungsbeispiel beschreibt daneben Alltagsurteile über Geldwert- änderungen; hier greift der Verfasser zudem selbst auf Alltagsurteile über das Verhältnis von Geldwert und Preisänderungen zurück. Dieses Wissen wird nicht hinsichtlich stillschweigender Prämissen befragt. Gerhard Gerdsmeier72 Da auf eine volkswirtschaftliche Rahmung ganz verzichtet wird wie auch auf Ansätze zur Erklärung von Preisänderungen, ist der für ökonomischen Theo- rieunterricht zentrale Konstruktionstyp nicht vertreten. • Die Lehrstrategie wechselt, ist aber überwiegend instruierend. Es beginnt – zi- tierend – mit einem Gedankenspiel über die Kaufkraftentwicklung einer Geld- einheit im Zeitablauf. Diese Idee wird aber nicht konstruktiv aufgegriffen: Die von einer Mehrheit von Befragten geäußerte Einschätzung, die Kaufkraft sei voraussichtlich gesunken, mag als Tendenzaussage zutreffen, für den speziellen Fall dieses Individuums kann aber zunächst einmal gar nichts gesagt werden. Insoweit ist denen zuzustimmen, die das äußern. Man könnte hier nun weiter fragen, was man wissen müßte, um es entscheiden zu können, was der Einstieg in eine reflektierte Rekonstruktion des Geldbegriffs sein könnte. Der Weg wird im Text nicht beschritten. Dort wird die von der Mehrheit der Be- fragten geäußerte Einschätzung zu einer Tendenzaussage verallgemeinert und als Übergang in die Thematik genutzt, die dann ergebnisbezogen bearbeitet wird. Dabei werden z. T. Zwischenschritte eingelegt, um die Plausibilität der intendierten Ergebnisse zu sichern. Das gelingt qualitativ m. E. besser als im Beispiel 1, hat aber auch deutliche Grenzen durch den Verzicht auf jegliche Problematisierung von Sachverhalten, die sich nicht haarscharf auf der vorgesehenen stofflichen Route befinden. So be- greift man m. E. z. B., warum zur Messung von Preisindizes Warenkörbe fest- gelegt werden. Man versteht aber ohne Zusatzinformationen z. B. nicht, warum welche Warenkörbe gebildet werden, wie verläßlich die Ergebnisse sind, wo die Grenzen in der Aussagefähigkeit über den Geldwert liegen, ob Preisvergleiche zwischen Ländern überhaupt sinnvoll möglich sind, da sie unterschiedliche Kon- sumgewohnheiten haben usw. Es ist dies ein Nebenprodukt der ergebnisbezoge- nen Argumentationsform. Sie ist linear-sequentiell14 und der Instruierende ent- scheidet (meist vorweg), welche Sachverhalte vertieft angesprochen werden. Er glaubt voraussagen zu können, was Verstehensvoraussetzung und was Vertie- fung ist. In einer offeneren, problemorientierteren Instruktionsform, die auf die Fähig- keit und Bereitschaft der Lernenden zu konstruktiven Eigenleistungen setzt, 14 Dieser Begriff ist – wie der des Gleichzeitig-Flächigen – einem Beitrag von Klaus Schneidewind entlehnt. Vgl.: Schneidewind, Klaus: Der doppelte Praxisbezug. Spezifikum der Arbeitslehre. In: Die Arbeitslehre, 12. Jg. (1981), H. 4, S. 174-178. Ökonomische Theorie, Mathematik und kaufmännischer Unterricht 73 würde demgegenüber die Thematik in ihren verschiedenen Elementen eher flächig-gleichzeitig15 in den Blick genommen. In den Denkmäandern16 selbst würde entschieden, was als eine zu lösende Teilfrage angesehen wird und was man durch welche Annahmen zunächst nicht weiter beachtet. • Die Mathematikhaltigkeit des Gegenstandes bleibt im Text erkennbar. Es wird aber nicht mathematisch argumentiert. Mathematische Ausdrücke und Dar- stellungsformen bleiben instrumentell für die ökonomische Argumentation. Sie stützen in diesem Sinne die ergebnisorientierte Vorgehensweise: Einige ökono- mische Aussagen und Methoden können auf diese Weise präziser formuliert werden. Andererseits scheint mir, daß der antiproportionale Charakter in der Zuordnung von Geldwert und Preisniveau, die mathematische Form ihrer Darstellung, die Eigenschaften antiproportionaler Zuordnungen u.ä. von den Lernenden vermut- lich nicht ohne Hilfestellung durchschaut werden können. Auch die Konstruk- tion der Preisindizes könnte Anlaß für Schülerfragen geben. Warum taucht in der Laspeyres-Formel die Zahl 100 auf? Wieso werden Differenzen mal in Index- punkten, mal in Prozentsätzen ausgedrückt und sind Indexpunkte zugleich Pro- zentsätze? Wie entsteht für die Periode t-1 oder eine andere Vorperiode der Laspeyres-Index, wenn für ihn als Ausgangsjahr t0 gewählt wurde? Usw. Textbeispiel 317 Der Text stammt aus einem Buch für diverse kaufmännische Berufe. Das Buch wurde etwa zur selben Zeit auf den Markt gebracht wie die beiden vorstehend dis- kutierten. Der Text erweitert das Beispiel 1 in wirtschaftsdidaktischer Sicht nicht wesentlich: Die ergebnisorientierte Instruktionsform, die sich mit einer abbilddi- daktisch-reduktionistischen Vorgehensweise verbindet, führt inhaltlich zu Darstel- lungen, die sachlich und didaktisch nicht zu akzeptieren sind. Allerdings wird die 15 Vgl. Anm. 14. 16 Vgl. zur Idee didaktischer Mäander Gerhard Gerdsmeier: Einleitung zu Longa Odem. Fundstük- ke und Mäander (unter Mitarbeit von Sigrid Bednarz u. a.), Kassel 1995. (Berufs- u. Wirtschaftspäd- agogik: Berichte aus Seminaren und Projekten, Bd. 16), S. 7–23. 17 Allgemeine Wirtschaftslehre für die Ausbildungsberufe: Bankkaufmann, Bürokaufmann, Fach- gehilfe in steuer- und wirtschaftsberatenden Berufen, Industriekaufmann, Kaufmann im Groß- und Außenhandel, Schiffahrtskaufmann/Schiffahrtskauffrau, Versicherungskaufmann. (Verfasser: Wolfgang Grill, Hubert Reip unter Mitarb. v. Heinz Goebel). Bad Homburg v. d. H., 4. überarb. u. erweit. Aufl., Verlag Dr. Max Gehlen 1982, S. 275 f. Gerhard Gerdsmeier74 Mathematikhaltigkeit des Gegenstandes offensichtlicher gelassen. Insofern gibt es Berührpunkte zum Beispiel 2. Was diese Gemengelage für den mathematischen Aspekt heißt – und nur das – soll kurz beleuchtet werden. • Die antiproportionale Zuordnung von Geldwert und Preisniveau wird additiv- auflistend neben zwei darin implizierte Je-desto-Aussagen über die gleichen Grö- ßen gestellt. (Diese Art der Stoffvermehrung wiederholt sich auf der nicht wie- dergegebenen S. 277, auf der Inflation durch die Spiegelstrich-Auflistung cha- rakterisiert wird, daß dann zum einen das Preisniveau anhaltend ansteige und zum anderen die Kaufkraft des Geldes anhaltend sinke.) • Es wird für die Ermittlung des Preisniveaus eine Durchschnittsrechnung un- terstellt, deren Verfahren unklar bleibt. Das, was am Ende des Abschnitts (S. 275 unten) in einer Sprachschöpfung der Verfasser als „Kaufpreis des Waren- korbs“ bezeichnet wird, ist kein Preisindex, sondern bei konstruktiver Lesart das durchschnittliche Ausgabenvolumen für Konsumgüter einer „Mehrheit von Verbrauchern“. Der Kaufpreis des Warenkorbs wird von Statistikern vorgeblich „gleich 100“ gesetzt. Über die Verfahrensvorschrift „Dreisatz“ wird aus den drei Vorgaben – 100 %, Kaufpreis des Warenkorbs in dieser und in der Folgeperiode – dann vorgeblich der Preisindex der Lebenshaltung ermittelt. Ich denke, daß diese Art, den Preisindex Laspeyres (so wie er im Beispiel 2 wie- dergegeben wurde) verständlich zu machen, auch in mathematikdidaktischer Per- spektive nicht überzeugen kann. Die mathematische Ebene des Gegenstandes wird m. E. einer ähnlich reduktionistischen und einer an Schematismen orientierten Vorgehensweise unterworfen wie die ökonomische Dimension des Gegenstandes. Ökonomische Theorie, Mathematik und kaufmännischer Unterricht 75 Textbeispiel 418 Das letzte Beispiel ist keinem Wirtschaftslehrebuch entnommen, sondern Fern- studienmaterial des DIFF zur Mathematik. Ausgewählt wurde aus dem Studien- brief BS 1 zum Sachrechnen von Lehrern an Berufsschulen eine Textpassage, die sich auf das Erstellen und Lesen von Tabellen und Graphiken bezieht und an einem Beispiel Möglichkeiten aufzeigt, Schüler im Lesen einer Graphik aus der Tages- zeitung zu üben. Ich möchte mich dabei auf die Teilaufgabe f konzentrieren, weil sie sich ausdrück- lich mit der Kaufkraft befaßt. • In den Ausführungen im Punkt f (wie auch in den anderen Punkten) ist nichts enthalten, woran ein Ökonom fachlich Anstoß nehmen müßte. Alles, was gefragt und erläutert wird, ist zulässig und korrekt. Allerdings hat die Fragestellung für Ökonomen etwas Künstliches. Es macht ohne weitere Kontextangaben ökono- misch keinen Sinn, ein Jahr in der Vergangenheit zu ermitteln, in dem die Kauf- kraft etwa so groß war wie im Bezugsjahr. • Zudem wird der Ökonom eine Zuordnung, die lediglich prozentuale Lohn- und Preisveränderungen berücksichtigt, wie das im Schaubild und daran anknüp- fend in der Aufgabe anzutreffen ist, vermutlich als zu eng empfinden. Er würde z. B. nach der prozentualen Veränderung der Arbeitsproduktivität im dargestell- ten Zeitraum fragen, weil es ein wesentliches Ziel von Arbeitnehmern in Tarif- verhandlungen ist, an Produktivitätszuwächsen zu partizipieren. Die Frage wäre, ob und inwieweit das gelungen ist. • Vor diesem Hintergrund wird besonders deutlich, daß im Text die Kaufkraft sehr speziell und abweichend von den ökonomischen Handbüchern definiert und dadurch implizit die beschriebene Situation verharmlost wird. Nach den gängi- gen Begriffsbestimmungen bedeutet jeder Anstieg des Preisniveaus Kaufkraft- verlust. Er erfolgte demnach in jedem Jahr, über das die Tabelle berichtet, und es kann dann keine zwei Jahre mit etwa gleicher Kaufkraft geben. Diese Geldentwertung ist durch nichts, also auch nicht durch Lohnsteigerungen zu kompensieren. Die Lohnsteigerungen legen fest, welchen Anteil die Arbeiter 18 Deutsches Institut für Fernstudien an der Universität Tübingen (Hrsg.): Sachrechnen für Lehrer an Berufsschulen. BS 1 Rechnen mit Größen. Dreisatzrechnen. (Erarb. v. K. Baulig, G. Preiß), Tübingen 1983, S. 47 f. Gerhard Gerdsmeier76 am realen Wirtschaftswachstum „eigentlich“ erhalten sollen; dieser Anteil wird durch eine Geldentwertung geschmälert. In einer real wachsenden Wirtschaft mit gleichzeitig inflationären Prozessen – also in einer auf die BRD tendenziell zutreffenden Situation über all die Jahre hin – scheint es befremdlich, wenn Erhalt der Kaufkraft im bloßen Inflationsausgleich gesehen wird: Diese Begriffs- bildung legt nahe, einen relativ sinkenden Anteil für die Arbeiter am Gesamt der Güter und Dienste als „Norm“ festschreiben zu wollen. Ich unterstelle den Verfassern nicht diese Absicht, aber der Text verengt den Aspekt des Geldwerts durchaus folgenreich auf den der Kaufkraft des Lohns (bzw. des als Lohn gezahlten Geldes). • Zu der wiedergegebenen Graphik würde der Ökonom zudem anstelle des in Auf- gabe f formulierten Problems vordringlich eine Reihe anderer Fragen stellen, um zu begreifen, was dort materiell gesagt wird. Der Anstieg welcher Preise wird dort beschrieben? Um welche Tarifabschlüsse geht es, und nach welchem Verfahren wurden aus verschiedenen Abschlüsse die wiedergegebenen Jahres- werte ermittelt? Wie wurden dabei jene Tarifbestandteile berücksichtigt, die nicht direkt in Geld bewertet sind? Sind durch die beiden Zahlenreihen in etwa dieselben Haushalte charakterisiert? Im Text wird eine problembezogene Argumentation vorgestellt, wobei die Teilauf- gabe f mir recht anspruchsvoll erscheint. Die Problematisierungen beziehen sich auf den mathematischen Aspekt der Darstellung. In ökonomischer Sicht wird der empirisch-pragmatische Aspekt des Gegenstandes angesprochen. Dieser Aspekt wird selbst aber nicht problematisiert. Das dem Gegenstand empirisch-pragmatisch abgewonnene Beispiel interessiert als Anwendungsfall, Schüler in der Fähigkeit zu schulen, Graphiken zu lesen. Dazu werden Aufgaben zum Anwendungsfall formuliert, die im Hinblick auf die Schu- lung der mathematischen Fähigkeiten als ergiebig eingestuft werden. Die in den Anwendungsfall eingeschlossene „ökonomische Sache“ bleibt für die mathematik- didaktischen Intentionen lediglich instrumentell; die für das bessere ökonomische Verständnis der Sache hilfreichen Problematisierungen bleiben unentfaltet. Ökonomische Theorie, Mathematik und kaufmännischer Unterricht 77 2.4 Zusammenfassung Die aus Wirtschaftslehrebüchern entnommenen ersten drei Beispiele charakterisie- ren m.E. nicht nur für eine Fülle anderer Bücher die Darstellung theoretischer In- halte, sondern illustrieren m.E. auch den abbilddidaktischen Umgang vieler Lehrer mit diesen Gegenständen. Insofern darf auch der in den Beispielen durchgängig do- minante ergebnisorientierte Instruktionsmodus als repräsentativ gelten. ( Im Un- terricht entspricht ihm das durch eine Abfolge vieler kleinschrittiger Lehrerfragen gesteuerte Abarbeiten der vom Lehrer vorweg bestimmten stofflichen Route.) Keiner der drei Texte regt demnach einen kritisch-(re)konstruktiven Umgang mit ökonomischen Gegenständen oder ihren wissenschaftlichen Modellierungen an, wie das eingangs (Kap. 1.3) als wünschbar herausgestellt wurde. Andererseits glaube ich, daß die von Lehrern angeregten Lehr-Lernsituationen vielfältiger sind als die Schulbuchtexte und daß zahlreiche Situationen anzutreffen sind, die in ihrer kon- struktiven Anlage überzeugen. Der ergebnisorientierte Instruktionsmodus geht in allen drei Beispielen mit einem abbilddidaktischen Grundverständnis einher. In den Beispielen 1 und 3 höhlen weitreichende „didaktische“ Reduktionen der Inhalte – sie sind das Gegenteil von „didaktisch angestoßenen“ Konstruktionen über Wirklichkeit durch die Schüler – das Mitgeteilte so aus, daß fachlich nicht mehr vertretbare und für Schüler m.E. nicht mehr verständliche Texte entstehen. Die Mathematikhaltigkeit des behan- delten Gegenstandes wird im Beispiel 1 ebenfalls bis zur Unkenntlichkeit „redu- ziert“. Im Beispiel 3 bleibt sie zwar erkennbar, aber sie wird weitgehend ins Um- gangssprachliche und Schematische rückversetzt. Das schärft weder das ökono- mische noch das mathematische Verständnis der Sache. Ich vermute hinter diesen Vorlieben für reduktionistische Lehrstrategien die Befürchtung, die Anstrengung des Konstruierens und / oder Durchdenkens von Modellen überfordere Schüler – gleichgültig, ob die Modelle mehr auf ökonomisches oder mehr auf mathematisches Verstehen abstellen. Insofern profitiert bei einer reduktionistischen Strategie, die für die mathematische Seite meistens in Rechenschematismen einzumünden scheint, auch die ökonomische Seite nicht: Die Darstellung der Sachverhalte wird nicht präziser oder vielfältiger, selbst wenn die Mathematikhaltigkeit erkennbar bleibt. Beispiel 2 orientiert sich nach „oben“, versucht also abbilddidaktisch möglichst weit an die Reduktionsform „akademische Lehrbuchökonomik“ heranzukommen. In der Gerhard Gerdsmeier78 ergebnisorientierten, reproduktiven Argumentationsform verfehlt es aber das m.E. wichtige Ziel, den ökonomischen Denkstil durchschaubar zu machen. Die Mathe- matikhaltigkeit des Gegenstandes wird im Textbeispiel zwar nicht zum Thema, ist aber erkennbar. Sie wird mathematikdidaktisch nicht reflektiert, sondern ebenfalls abbilddidaktisch eingearbeitet – also so, wie man es „andernorts“ vorfindet. Da die akademische Lehrbücher den z. T. sehr umfangreichen mathematischen Darstel- lungen nur instrumentellen Charakter einräumen, ist es verständlich, daß diese Sichtweise auf das Schulbuch durchschlägt. Das vierte Beispiel ist mit den anderen Exempeln nur begrenzt vergleichbar. Es ist hinsichtlich des Umgangs mit der mathematischen Ebene didaktisch naturgemäß sehr reflektiert und richtet sich zweitens nicht an Schüler, sondern an Lehrer. Die hier ausgewählte Textpassage enthält aber Aufgaben, die für Schüler entwickelt wurden. Hier fällt nun auf, daß die für das Sachrechnen übliche Konzeption, Vorge- hensweisen zu entwickeln, die es Schülern erleichtern, konkrete Probleme in Beruf und Alltag mathematisch zu bewältigen, sich im Grunde auf die Beschäftigung mit idealen ökonomischen Modellen m. E. nicht übertragen läßt. Es fehlen die konkre- ten Probleme. Das führt dazu, das an die ökonomischen Gegenstände und ihre Dar- stellungen mathematische Fragestellungen herangetragen werden. Jetzt ist es ten- denziell die Ökonomik, die instrumentalisiert wird. Wir haben also gegenwärtig die etwas paradoxe Situation, daß Wirtschafts- und Mathematikdidaktik aus zum Teil sehr ähnlichen Zielvorstellungen heraus in bezug auf wirtschaftliche Unterrichte an beruflichen Schulen kooperieren wollen, daß die beiden Perspektiven bei den theoretischen Inhalten derzeit aber nicht zu- sammenfinden, weil aus der Perspektive, die gerade didaktisch räsonniert, die jeweils andere für zu unproblematisch gehalten wird. Im Ergebnis bedeutet das – insbesondere auf der Ebene der Unterrichte – eine wechselseitige Instrumentali- sierung. Das ist sicher kein guter Befund – weder das, was die Kooperation der Didaktiken angeht, noch das, was die Folgen im Unterricht sind. Ich habe dazu im Augenblick keine praktischen Vorschläge zu machen und könnte nur wiederholen, was in Kap. 1.3 schon gesagt wurde. Ich verweise daher an diese Ausführungen zurück. Anhang: Textbeispiele Textbeispiel 1 8.4.1 Inflation und Deflation* 8.4.1.1 Die Kaufkraft des Geldes – Geldwert Durch die Entlohnung in Form von Geld erhält jeder, der zur Produktion beigetragen hat, einen seinem produktiven Beitrag entsprechenden Anteil an der Gesamtheit der hergestellten Güter. Er hat nun die Freiheit, aus der Masse der Güter diejenigen auszuwählen, die seinen Bedürfnissen am besten entsprechen. Dies gilt allerdings nur, solange er die Gewähr hat, daß er sich für sein Geld die benötigten Güter auch tatsächlich kaufen kann. Das hängt aber davon ab, ob andere den Erwerb von Geld so hoch schätzen, daß sie bereit sind, dafür Güter herzugeben. Die allgemeine Wertschätzung des Geldes beruht also auf seiner Knappheit. Diese Knappheit wird im wesentlichen durch das Verhältnis der vorhandenen Geldmenge zur Menge der produzierten Güter bestimmt. Je kleiner die Geldmenge im Vergleich zur Gütermenge ist, desto mehr Güter kann man sich für eine bestimmte Geldeinheit kaufen, desto größer ist also der Wert des Geldes. Umgekehrt: Je mehr Geld im Vergleich zur Gütermenge im Umlauf ist, desto weniger Güter können wir für eine Geldeinheit erwerben, desto geringer ist also der Geldwert. Der Wert des Geldes wird ausschließlich von seinem Tauschwert bestimmt, d.h. von seiner Kaufkraft. 8.4.1.2 Das Wesen der Inflation Unter Inflation versteht man einen Prozeß ständiger Preissteigerung mit sinkendem Geldwert, d. h. laufender Verringerung der Kaufkraft. Dabei handelt es sich nicht um den Anstieg einzelner Preise, sondern um den des Preisniveaus, also der Preis- indizes (siehe S. 273 f.). Anders ausgedrückt kann man definieren: Inflation liegt dann vor, wenn das nominelle Sozialprodukt innerhalb eines Jahres gegenüber dem realen Sozialprodukt um mehr als 1 % steigt oder: Infla- tion entsteht, wenn innerhalb einer Periode die Gesamtnachfrage nach Gütern und Dienstleistungen größer ist als das reale, in Preisen der vorgehenden Periode ausgedrückte Angebot. * Aus: Kurt Gönner u.a.: Allgemeine Wirtschaftslehre und Spezielle Betriebswirtschaftslehre. Bad Homburg v. d. H.: Gehlen 1986, S. 281 f. Ökonomische Theorie, Mathematik und kaufmännischer Unterricht80 8.4.1.3 Die Ursachen der Inflation Monetäre, von der Geldmenge abhängige Ursachen Wird die Gütermenge eines Jahres als Handelsvolumen (H) und der durchschnittliche Preis dieser Güter mit P bezeichnet, dann stellt das Produkt aus H · P den Gesamtpreis des Handelsvolumens dar, zu dessen Erwerb die entsprechende Menge an Bar- und Buchgeld (G) benötigt wird. Hieraus ergibt sich die Gleichung: G = H · P. Hierbei wird davon ausgegangen, daß das Handelsvolumen auf einmal abgesetzt worden ist. Tatsächlich wird aber die Güterproduktion nach und nach abgesetzt. Die Verkaufserlöse fließen in die Betriebe, wo das Geld erneut zur Vergütung der produktiven Beiträge der Haushalte verwendet wird. Die Empfänger können hierfür erneut Güter erwerben, deren Erlös dann wieder für produktive Zwecke verwendet wird usw. Je rascher das Geld wieder in Umlauf gebracht wird, je größer also die Umlaufgeschwindigkeit (U) des Geldes ist, desto kleiner kann die Geldmenge sein, die zum Umsatz des Handelsvolumens benötigt wird. Aus dieser Überlegung ergibt sich die Verkehrsgleichung als wichtige Bestimmungsgröße für das allgemeine Preisniveau. Geldmenge G · Umlaufge- schwindigkeit U = Handelsvolumen H · Durchschnitts- preise P Textbeispiele 81 Textbeispiel 2 1. Geldwert, Geldschöpfung, Geldpolitik** 1.1 Die Messung des Geldwertes (Binnenwert) In Erhebungen wurde einem repräsentativen Bevölkerungsquerschnitt unterschiedlicher Alters- stufen ab 16 Jahren folgende Frage gestellt1 : „Stellen Sie sich einmal vor, jemand verlegt heute 100,-- DM und findet sie in zehn Jahren wieder. Was meinen Sie: wird er sich dann für die 100,-- DM so viel kaufen können wie heute oder mehr oder weniger?“ Er wird sich weniger dafür kaufen können Ebensoviel wie heute Mehr als heute Unmöglich zu sagen 1956 (Oktober) 55 % 5 % 5 % 35 % = 100 % 1958 (März) 60 % 5 % 5 % 30 % = 100 % 1962 (April) 70 % 4 % 4 % 22 % = 100 % 1963 (Nov.) 67 % 2 % 1 % 30 % = 100 % 1964 (August) 71 % 2 % 1 % 26 % = 100 % 1968 (Febr.) 69 % 6 % 3 % 22 % = 100 % Offensichtlich hatte schon vor 20 Jahren der größte Teil der Bevölkerung bei relativ geringen Infla- tionsraten realisiert, daß der Geldwert keine konstante Größe ist. Bei sich beschleunigender Geld- entwertung in den 70er Jahren wird ein noch geringerer Bevölkerungsanteil der „Geldillusion“, d. h. der Vorstellung, der Geldwert sei konstant, unterlegen sein. Darin schlägt sich die Erfahrung nie- der, daß von Jahr zu Jahr für einen konstanten DM-Betrag eine sinkende Anzahl von Gütereinhei- ten gekauft werden konnte, daß der Binnenwert der DM, also die Kaufkraft, permanent sank, von 1950 bis 1980 um mehr als die Hälfte. Angesichts der Vielzahl von Waren und Dienstleistungen, die zu unterschiedlichen Preisen auf den Märkten angeboten werden, ist es nicht möglich, die Kaufkraft des Geldes an den Preisbewegungen für ein Gut oder eine Gütergruppe zu messen. ** Aus: Uwe Taenzer: Ökonomie 2. Wirtschaftspolitik. Ein Lehr- und Arbeitsbuch. Stuttgart / Dresden. Ernst Klett Verlag für Wissen und Bildung, 9. Aufl. 1995 (1. Aufl. 1985), S. 14–16. 1 Elisabeth Noelle-Neumann: Geldwert und öffentliche Meinung. In: Clemens August Andreae, Karl Heinrich Hansmeyer und Gerhard Scherhorn, Hrsg.: Geldtheorie und Geldpolitik, Günter Schmölders zum 65. Geburtstag, Berlin 1968, S. 43. Ökonomische Theorie, Mathematik und kaufmännischer Unterricht82 Beispiel: Die Preise für Taschenrechner sind in den letzten Jahren drastisch gefallen, die Preise für Automobile dagegen erheblich gestiegen. Würde der Binnenwert des Geldes an den Preisen für Taschenrechner gemessen, wäre die Kaufkraft gestiegen, würde er dagegen an den Preisen für Autos gemessen, wäre er gesunken. Der Geldwert oder die Kaufkraft des Geldes muß daher am allgemeinen Preisniveau gemessen werden. Ihm wird der sogenannte Preisindex der Lebenshaltung zugrunde gelegt. Bei steigendem Preisniveau sinkt der Geldwert, bei fallendem steigt er. Die Kaufkraft des Geldes kommt also im reziproken Wert des Preisniveaus zum Ausdruck: Kaufkraft des Geldes (Geldwert) = 1 Preisniveau Beispiel: In der Bundesrepublik Deutschland ist der Preisindex für die Lebenshaltung von 1980 bis September 1984 von 100 auf 118,3 gestiegen. Daraus errechnet sich der Geldwert von September 1984 im Vergleich zu 1980 wie folgt: 1 1 183 0 845 , , .≈ Im Beispiel hatten also, auf das Ausgangsjahr 1980 bezogen, 100,-- DM im September 1984 nur noch einen Wert von 84,5 DM. Die Kaufkraft des Geldes ist also in diesem Zeitraum durch Preissteige- rungen um etwa 15 % gesunken. Die folgende Tabelle gibt die Entwicklung des Preisniveaus der wichtigsten westlichen Währungen im Zeitraum von 1967 bis 1983 wieder. Aus der Tabelle wird unter anderem auch deutlich, daß die DM von den genannten Währungen den geringsten Geldwertverlust in dem Berichtszeitraum zu verzeichnen hatte. Textbeispiele 83 Preisindex für die Lebenshaltung (1980 = 100) Länder 1967 1969 1971 1973 1975 1977 1979 1981 1983 Bundesrepublik Deutschland 56,9 58,9 64,1 72,4 82,0 88,7 94,9 106,3 115,6 Belgien 44,4 47,3 51,3 57,8 73,5 85,9 93,7 107,6 126,0 Dänemark 32,9 36,8 41,4 48,3 60,9 73,8 89,0 111,7 131,5 Frankreich 34,0 37,8 42,0 47,8 60,8 72,9 88,1 113,4 139,0 Griechenland 24,9 25,6 27,1 32,7 47,1 59,8 80,1 124,5 181,5 Großbritannien 23,6 26,1 30,3 35,5 51,1 69,0 84,8 111,9 127,1 Irland 22,9 25,7 30,3 36,6 51,8 69,4 84,6 120,4 155,8 Italien 25,1 26,1 28,8 33,7 46,9 64,1 82,5 117,8 157,3 Luxemburg 47,9 50,2 55,0 61,4 74,5 87,3 94,1 108,1 128,4 Niederlande – – 52,6 61,5 74,2 86,0 93,5 106,7 115,9 Österreich 49,2 52,1 56,9 65,1 77,3 87,6 94,0 106,8 116,3 Schweden 37,0 38,7 44,5 50,3 60,7 74,6 88,0 112,1 132,6 Schweiz 56,6 59,4 65,6 76,1 89,1 91,8 96,1 106,5 115,9 Japan 35,5 39,3 44,9 52,4 72,9 86,1 92,6 104,9 109,6 Kanada 41,1 44,7 47,5 53,5 65,8 76,4 90,8 112,5 131,8 USA 40,5 44,5 49,1 53,9 65,3 73,5 88,1 110,4 120,9 Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland 1984, S. 722 f. Da das Ziel des Wirtschaftens in der Bedürfnisbefriedigung gesehen wird, liegt es nahe, für die Bestimmung des Preisindex für die Lebenshaltung die Preise solcher Waren und Dienstleistungen auszuwählen, die von den privaten Haushalten typischerweise nachgefragt werden, und alle jene Güter auszuschließen, die nicht direkt Bedürfnisse der Haushalte befriedigen, etwa Zuchtpferde, Panzer, Baumaschinen usw. Der Preisindex für die Lebenshaltung. Der Preisindex der Lebenshaltung stellt also keinen ein- fachen Durchschnittspreis dar, bei dem die Preise der in dem Warenkorb berücksichtigten Güter und Dienstleistungen addiert und durch die Anzahl dividiert werden, vielmehr wird der Anteil der Güter und Dienstleistungen in den Verbrauchsausgaben berücksichtigt; der Preisindex ist ein gewogener oder gewichteter Durchschnittspreis. Der Warenkorb muß die haushaltstypische Gütermengenwahl Ökonomische Theorie, Mathematik und kaufmännischer Unterricht84 widerspiegeln, damit der Preisindex der Lebenshaltung für die Entwicklung des Preisniveaus und des Geldwertes aussagefähig ist. „Die Preise für jede einzelne im Warenkorb enthaltene Position werden monatlich in rd. 22 000 Geschäften in mehr als hundert Orten erfragt. Aus den so festgestellten Preisen werden Landes- und Bundesdurchschnittspreise errechnet. Aus ihnen läßt sich ermitteln, wieviel der Warenkorb des Basisjahres im Erhebungszeitpunkt kostet.“1 Um lediglich Veränderungen des Preisniveaus (P) zu erfassen, wird von einem in seiner Zusammen- setzung konstanten Warenkorb ausgegangen, d.h., der mengenmäßige Anteil der einzelnen Güter am Warenkorb, die Gewichtung (q), wird als konstant fingiert; dabei werden konstante Verbrauchs- gewohnheiten unterstellt. Das Jahr, in dem entsprechend den Verbrauchsgewohnheiten die gütermäßige Zusammensetzung des Warenkorbs festgelegt wird, wird als Basisjahr bezeichnet. Der Geldbetrag, der im Basisjahr durchschnittlich notwendig war, um den Warenkorb zu kaufen, wird mit der Indexzahl 100 bewertet. Aus dem Vergleich des für den Kauf des Warenkorbs notwendigen Geldbetrages im Berichtsjahr und dem für den gleichen Warenkorb im Basisjahr aufzuwendenden Geldbetrag läßt sich der Preisindex der Lebenshaltung berechnen. Nach Laspeyres wird der Preisindex ( PL ) nach folgender Formel berechnet: P q p q pL i i i i = ⋅ ⋅ ⋅ ∑ ∑ 0 1 0 0 100 Beispiel: Es wird angenommen, daß der Warenkorb nur aus drei Gütern besteht. Die Gewichtung der Güter im Warenkorb ist rein willkürlich, soll jedoch haushaltstypisch sein. Die Preise der Waren sind dem Statistischen Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland 1984, S. 519, entnommen. Basisjahr ist 1980. 1 Helmut Lipfert: Einführung in die Währungspolitik, München 1969, S. 12. Textbeispiele 85 Waren Preise je kg in DM Gewichtung der Güter Wert des konstanten Warenkorbs im Basisjahr p 0 (1980) im Basisjahr p 1 (1983) q 0 im Basisjahr p q 0 0 ⋅ im Berichtsjahr p q 1 0 ⋅ Rindfleisch zum Schmoren 15,66 17,94 1 15,66 17,94 Butter 9,36 10,64 2 18,72 21,28 Roggenbrot 2,58 2,95 5 12,90 14,75 47,28 53,57 Im Beispiel betrug 1983 der Preisindex der Lebenshaltung 114,15 PL = ⋅ =     53 97 47 28 100 114 15 , , , . Folglich hätte sich die Lebenshaltung in der Zeit von 1980 bis 1983 um 14,15 Indexpunkte verteuert, oder – anders formuliert – für den gleichen Warenkorb von 1980 hätte 1983 ein Haushalt 14,15 % mehr zahlen müssen. Ökonomische Theorie, Mathematik und kaufmännischer Unterricht86 Textbeispiel 3 10.3.4 Die Messung des Geldwertes*** Der Geldwert (Binnenwert = Wert im Inland) kann über die Tauschkraft des Geldes ge- messen werden. • Der Wert des Geldes ist gestiegen, wenn für einen bestimmten Geldbetrag nach einiger Zeit mehr Güter als bisher erworben werden können. Der Wert des Geldes ist gesunken, wenn weniger Güter für den gleichen Geldbetrag erworben werden können. Es kommt dabei nicht darauf an, ob ein bestimmtes einzelnes Gut billiger oder teurer geworden ist. • Bei der Messung des Geldwerts wird von einem Durchschnitt aus den Preisen vieler Güter ausgegangen. Eine logisch exakte Berechnung müßte alle Preise in der Volkswirtschaft in diese Berechnung einbeziehen. Das Ergebnis könnte man als das Preisniveau der Volks- wirtschaft bezeichnen: - Ist das Preisniveau gestiegen, ist der Geldwert gesunken. - Ist das Preisniveau gesunken, ist der Geldwert gestiegen. - Der Geldwert ist der reziproke (umgekehrte) Ausdruck des Preisniveaus Würden tatsächlich alle Preise in einer Volkswirtschaft in eine Durchschnittsrechnung einbezogen, wäre das Ergebnis zwar logisch richtig, der so errechnete Geldwert würde aber nicht viel aussagen. Wer keinen Kaviar ißt, weil er sich ihn gar nicht leisten kann, dem nützt es nichts, wenn der Kaviar- preis sinkt. Sein Geld wird deutlich dadurch nicht mehr wert. Für verschiedene Personen haben die Preise bestimmter Waren ganz unterschiedliche Bedeutung. Es gibt deshalb gar keinen einheitli- chen Geldwert, der für alle gleich ist. *** Aus: Allgemeine Wirtschaftslehre für die Ausbildungsberufe: Bankkaufmann, Bürokaufmann, Fachgehilfe in steuer- und wirtschaftsberatenden Berufen, Industriekaufmann, Kaufmann im Groß- und Außenhandel, Schiffahrtskaufmann / Schiffahrtskauffrau, Versicherungskaufmann. (Verfasser: Wolfgang Grill, Hubert Reip unter Mitarb. v. Heinz Goebel). Bad Homburg v. d. H., 4. überarb. u. er- weit. Aufl., Verlag Dr. Max Gehlen 1982, S. 275 f. Textbeispiele 87 Haushaltsbuch für die Statistik: Zur Beobachtung der Einnahmen- und Ausgaben- entwicklung in Privathaushalten werden Familien verschiedener Einkommensschichten und Größen- klassen vom Statistischen Landesamt Baden-Würt- temberg mit der Führung von Haushaltsbüchern beauftragt. Nach einer Mitteilung des Amts werden dringend städtische Vierpersonenhaushalte von Arbei- tern und Angestellten mit einem Bruttoeinkommen von 1900 bis 2200 Mark zur Mitwirkung gesucht. Es kom- men dabei Ehepaare mit zwei Kindern bis zu etwa 14 Jahren in Betracht. Der Ehemann sollte den Familien- unterhalt im wesentlichen bestreiten. • Für die Mehrheit der Verbraucher wird der Geldwert entscheidend von dem Durch- schnittspreis bestimmt. Um diesen Durch- schnitt berechnen zu können, muß zunächst einmal festgestellt werden, für welche Güter und Leistungen ein Haushalt seine Ver- brauchsausgaben verwendet. Die Zusammen- fassung dieser Güter und Leistungen wird als Wa- renkorb bezeichnet. Für jedes im Warenkorb enthaltene Gut wird der Preis an verschiedenen Orten des Landes festgestellt und daraus ein Durchschnittspreis ermittelt. Dieser Durch- schnittspreis wird mit der im Warenkorb enthal- tenen Menge dieses Gutes multipliziert. Die Sum- me der so ermittelten Ausgaben für jedes im Warenkorb enthaltene Gut ergibt den Kaufpreis des Warenkorbs • Der Kaufpreis des Warenkorbs wird in regelmäßigen Abständen berechnet. Um die Entwicklung deutlicher anzuzeigen, setzt die Statistik den Kaufpreis für den Waren- korb in einem bestimmten Jahr gleich 100 %. Es ist das Basisjahr der Statistik. In einem Dreisatz wird für die folgenden Jahre das Ausmaß der Steigerung oder Senkung der Kosten der Lebenshaltung ermittelt. Kostet ein Warenkorb im Jahr 1978 z. B. 1000,-– DM, im Jahr 1979 aber 1200,– DM, ist der Preisindex für die Lebenshaltung auf 120 gestiegen. • Der Preisindex für die Lebenshaltung gilt immer nur für eine Familie, die ihr Geld in etwa für die Güter und Leistungen ausgibt, die in dem Warenkorb enthalten sind. Die Zusammen- setzung des Warenkorbs ändert sich mit der Größe der Familie und der Höhe des Einkommens. Deshalb werden vom Statistischen Bundesamt verschiedene Preisindices für die Lebens- haltung berechnet, denen unterschiedliche Haushaltssituationen zugrunde liegen: 1. Preisindex für alle privaten Haushalte. Haushalte mit verschiedenen Größen und verschie- denen Einkommen werden nach ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung berücksichtigt. 2. Preisindex für die Lebenshaltung eines 4-Personen-Haushalts von Angestellten und Beamten mit höherem Einkommen. Ökonomische Theorie, Mathematik und kaufmännischer Unterricht88 3. Preisindex für die Lebenshaltung eines 4-Personen-Arbeitnehmerhaushalts mit mittle- rem Einkommen des alleinverdienenden Haushaltsvorstandes. 4. Preisindex für die Lebenshaltung eines 2-Personen-Haushalts von Renten- und Sozial- hilfeempfängern. 5. Preisindex für die einfache Lebenshaltung eines Kindes. Der Warenkorb wird von Zeit zu Zeit an veränderten Geschmack, neue Produkte und andere Lebensgewohnheiten angepaßt. Damit wird ein neues Basisjahr gewählt. Die neueste Zusammen- setzung des Warenkorbs bezieht sich auf 1976 Zusammensetzung der Warenkörbe 1962, 1970 und 1976: 1962 1970 1976 Anteile in % Nahrungs- und Genußmittel 39,8 33,3 26,7 Verkehr, Auto, Post, Telefon 7,7 10,5 14,8 Wohnungsmiete 11,0 12,6 13,3 Hausrat, Möbel u.ä. 11,7 11,4 10,0 Urlaub, Versicherungen u.a. 3,8 7,4 9,4 Kleidung, Schuhe 12,0 10,1 8,7 Bildung und Unterhaltung 6,4 6,1 7,9 Heizung, Strom, Gas 4,1 4,6 4,9 Körper- und Gesundheitspflege 3,4 4,0 4,3 Textbeispiele 89 Textbeispiel 4 B 15 Lesen einer Graphik aus der Tageszeitung**** In der Abbildung werden die in den Lohnrunden beschlossenen prozentualen Lohnerhöhungen und die prozentualen Preisanstiege gegenüber dem jeweiligen Vorjahr für die Jahre 1973 bis 1982 darge- stellt. Die Graphik ist einer Tageszeitung entnommen. Eine Beantwortung eines Teils der folgenden Fragen erfordert bereits komplexe Kenntnisse und Fähigkeiten. a) Was bedeuten die schwarzen Zahlen, mit denen das Band beschriftet ist? Lösung: Sie geben an, um wieviel Prozent sich die Löhne gegenüber dem Vorjahr erhöht haben. b) Was bedeuten die weißen Zahlen in den Säulen? Lösung: Sie geben an, um wieviel Prozent die Preise gegenüber dem Vorjahr gestiegen sind. **** Aus: Deutsches Institut für Fernstudien an der Universität Tübingen (Hrsg.): Sachrechnen für Lehrer an Berufsschulen. BS 1 Rechnen mit Größen. Dreisatzrechnen. (Erarb. v. K. Baulig, G. Preiß), Tübingen 1983, S. 47 f. Ökonomische Theorie, Mathematik und kaufmännischer Unterricht90 c) In welchem Jahr wurde die Teuerungsrate gegenüber dem Vorjahr erstmals durch die Tarif- abschlüsse nicht ausgeglichen? Lösung: Das war 1981. In der Graphik erkennt man das daran, daß an dieser Stelle das Band zum erstenmal von einer Säule „durchstoßen“ wird. Die Teuerungsrate gegenüber 1980 betrug 5,9 %: die Tarifabschlüsse ergaben eine Lohnerhöhung um 4,8 % gegenüber 1980. d) In welchem Jahr ist die Differenz zwischen Tarifabschluß und Preisanstieg am größten? Lösung: Am größten ist die Differenz 1974: Dort liegt das Band am höchsten über der zuge- hörigen Säule. e) Um wieviel Prozent sind von 1972 bis 1982 die Preise gestiegen, um wieviel Prozent die Löhne? Lösung: Den prozentualen Preis- bzw. Lohnanstieg seit 1972 erhält man nicht aus der Summe der einzelnen Prozentsätze, sondern durch das Produkt der einzelnen Wachstumsfaktoren (vgl. Studienbrief BS 2 „Prozentrechnen, Näherungsrechnen“). Wachstumsfaktor für die Preise von 1972 bis 1982: 1 07 1 07 1 06 1 043 1 037 1 027 1 041 1 055 1 059 1 053 1 651, , , , , , , , , , ,⋅ ⋅ ⋅ ⋅ ⋅ ⋅ ⋅ ⋅ ⋅ ≈ Die Preise sind also um ca. 65 % gestiegen. Wachstumsfaktor für die Löhne von 1972 bis 1982: 1 103 1 13 1 07 1 058 1 067 1 052 1 048 1 069 1 048 1 04 1 934, , , , , , , , , , ,⋅ ⋅ ⋅ ⋅ ⋅ ⋅ ⋅ ⋅ ⋅ ≈ Die Löhne sind also um ca. 93 % gestiegen. f) Schätzen Sie, in welchem Jahr die Kaufkraft etwa so groß war wie 1982. Prüfen Sie Ihre Vermu- tung durch Nachrechnen. Lösung: Die Kaufkraft bleibt erhalten, wenn der (prozentuale) Lohnanstieg gerade so groß ist wie der (prozentuale) Preisanstieg. Gesucht ist also das Jahr, seit dem sich die Löhne etwa um den gleichen Prozentsatz erhöht haben wie die Preise. Einen Anhaltspunkt für die Schätzung erhält man aus der Graphik: Die beiden Längen, um die die Säulen von 1982 und 1981 über das Band herausragen, sind zu- sammen etwa so groß wie die Summe der beiden Abstände, die die Säulen von 1980 und 1979 vom Band haben. Man kann also vermuten, daß im Jahre 1978 die Kaufkraft etwa so groß war wie 1982. Durch Multiplikation der entsprechenden Wachstumsfaktoren erhält man: Textbeispiele 91 Preisanstieg Lohnanstieg von 1979 bis 1982 ca. 17,6 % ca. 16,5 % von 1978 bis 1982 ca. 22,5 % ca. 22,1 % von 1977 bis 1982 ca. 25,8 % ca. 28,5 % Die Vermutung war also richtig. Volker Jatho Mathematik in der Teilzeit-Berufsschule des Berufsfeldes Metall aus unterrichtspraktischer Sicht In diesem Beitrag sollen die Anforderungen beschrieben werden, die aus der Sicht der Berufsschule an Lehrer zu stellen sind, die in der Teilzeit-Berufsschule mathe- matische Inhalte unterrichten. Meine Ausführungen basieren im wesentlichen auf eigenen unterrichtspraktischen Erfahrungen als Lehrer im Berufsfeld Metall. Zu- nächst skizziere ich in einem ersten Schritt die Situation des Mathematikunter- richts nach der Neuordnung der Metallberufe. Mathematik in der Teilzeit-Berufs- schule ist in der Regel angewandte, sich den jeweiligen berufsbezogenen Inhalten unterordnende Mathematik und wird normalerweise von Lehrern unterrichtet, die über die Lehrbefähigung für die jeweilige berufliche Fachrichtung verfügen. Daher betrachte ich in einem zweiten Schritt die Mathematikanforderungen aus der Blick- richtung dieser Fachlehrer, die Mathematik lediglich im Rahmen ihres Hauptfa- ches studiert haben. Abschließend stelle ich in einem dritten Schritt dar, welche Möglichkeiten die Neuordnung der Metallberufe und der im Zuge dieser Neuord- nung geforderte handlungsorientierte Unterricht bietet, die traditionell in der Teil- zeit-Berufsschule vermittelten mathematischen Inhalte durch Einbringen von neu- en mathematikdidaktischen Elementen zu ergänzen. 1 Die Situation der Mathematik in der Teilzeit-Berufsschule des Berufsfeldes Metall In der Vergangenheit bestand der Fächerkanon des berufsbezogenen Bereichs der Teilzeit-Berufsschule im Berufsfeld Metall aus den Fächern Fachkunde oder Tech- nologie, Fachzeichnen und Fachrechnen, wobei das Fachrechnen oft auch als Tech- nische Mathematik bezeichnet wurde. Mit der Neuordnung der industriellen und handwerklichen Metallberufe Ende der achtziger Jahre kam es zu einer umfassen- den Neubearbeitung der Berufsschullehrpläne. Im Zuge dieser Neubearbeitung wurden die mathematischen Lerninhalte in den Lehrplänen nicht mehr in einem Fach Technische Mathematik explizit ausgewiesen, sondern in die berufsbezogenen Volker Jatho94 Fächer integriert und dort den korrespondierenden technischen Inhalten zugeord- net. Obwohl sich meine Ausführungen auf das Bundesland Nordrhein-Westfalen beziehen, sind sie der Tendenz nach auf fast alle Bundesländer übertragbar. In den Entwürfen der Lehrpläne für die neugeordneten industriellen Metallberufe (Kultus- minister NRW 1987, S. 45–46 und 1988, S. 42) finden sich tabellarische Aufstellun- gen über die den einzelnen technischen Fächern zuzuordnenden mathematischen Inhalte. Diese Aufstellungen sind allerdings in den nun verbindlichen Lehrplänen von 1991 nicht mehr enthalten (Kultusminister NRW 1991 a u. b). Als integrativ zu unterrichtende mathematische Inhalte sind aufgeführt: • Grundrechenarten im Bereich der reellen Zahlen, • Längen-, Flächen-, Volumenberechnungen, • Prozent- und Dreisatzrechnung, • lineare, rationale, nichtrationale und empirische Funktionen, • Potenzen und Wurzeln, • Strahlensätze, • Winkelberechnungen und Winkelfunktionen, • Satz des Pythagoras, • graphische Vektoraddition, • Grundbegriffe der Aussagenlogik. Die Zuordnung dieser mathematischen Inhalte zu den technologischen Fächern ist in diesem Zusammenhang nicht so interessant, ich verzichte daher auf ihre Dar- stellung. Vergleichen wir diese Aufstellung mit dem von Blum (1981, S. 87) im Rahmen von Fachrechenbuch- und Lehrplananalysen ermittelten Inhaltskatalog, so zeigt sich, daß hier lediglich die im Bereich der Neuen Technologien Anwendung findenden Grundbegriffe der Aussagenlogik als neuer mathematischer Inhalt zusätzlich einge- führt wurde. Nicht mehr explizit gefordert werden die Bereiche Termumformung, Gleichungslösen und Formelumstellen. Auch wenn wir zusätzlich in Rechnung stel- len, daß die Ausbildung im Bereich der computergesteuerten Werkzeugmaschinen den sicheren Umgang der Schüler mit kartesischen und Polarkoordinaten voraus- setzt, hat die Neuordnung der Metallberufe auf der Ebene der mathematischen In- halte für die unterrichtenden Lehrer keine gravierenden Änderungen gebracht. Der Ansatz der Neuordnung mit seiner Integration der mathematischen Inhalte in die berufsbezogenen Fächer und der gleichzeitigen Vorgabe, auch im berufsbezogenen Bereich zumindest partiell fächerübergreifend und handlungsorientiert zu unter- richten, führt allerdings zu erheblichen unterrichtsmethodischen Änderungen. So Mathematik in der Teilzeitberufsschule des Berufsfeldes Metall 95 ist die im berufsbezogenen Kontext erforderliche Mathematik im technologischen Fachunterricht mit den Schülern vorgängig oder parallel zu den technologischen Inhalten zu erarbeiten. Dies scheint meines Erachtens auch der Grund dafür zu sein, den Themenkomplex des Formelumstellens in den Lehrplanentwürfen nicht mehr eigenständig auszuweisen. Termumformungen, Gleichungslösen und Formel- umstellen können im Rahmen des neugeordneten Berufsschulunterrichts nur noch geübt werden. Schüler, die diese Kompetenzen von der abgebenden allgemeinbil- denden Schule nicht mitbringen, sind zu ihrem Erwerb auf Stützkurse angewiesen. Vor dem Hintergrund der zuvor beschriebenen Inhaltsebene vollzieht sich der nun fächerintegrierte Mathematikunterricht mit dem Ziel, die Handlungskompetenz der Berufsschüler zu entwickeln. Lerngegenstand in technischen Berufsfeldern ist die Technik in allen ihren Dimensionen (Kultusminister NRW 1991 a, S. 16–26). Leh- rer in der Teilzeit-Berufsschule haben daher die Aufgabe, die Schüler über die Funktion wichtiger technischer Systeme und die mit ihnen durchzuführenden tech- nologischen Prozesse aufzuklären. Für die Mathematik werden diese Ziele in der Unterrichtspraxis der Teilzeit-Berufsschule durch das Lösen von Anwendungsauf- gaben realisiert. In Abb. 1 habe ich zwei typische Mathematikaufgaben aus einer Facharbeiterprüfung für Industriemechaniker dargestellt (IHK Mittlerer Neckar 1992/93). Es ist nun zu klären, unter welcher Zielsetzung Mathematikaufgaben für die Teilzeit-Berufsschule konzipiert werden. Nach Grüner soll das Fachrechnen be- rufsnotwendige Rechenfertigkeiten vermitteln und zum Verständnis technischer Vorgänge beitragen (Blum 1981, S. 86). Berufsnotwendige Rechenfertigkeiten bezie- hen sich aber auf mathematisch gestützte Entscheidungen innerhalb technologi- scher Prozesse, die von Facharbeitern bei ihrer Berufsarbeit durchgeführt werden müssen. Bei dem in Abb. 1 als Beispiel dargestellten Fertigungsprozeß „Reiben“ muß entschieden werden, welcher Vorschub und welche Umdrehungsfrequenz an der Werkzeugmaschine einzustellen sind. Optimale Prozeßgestaltung fordert hier vom Facharbeiter die Kompetenz, diese Einstellgrößen ausgehend von den neuesten Herstellerrichtwerten errechnen zu können. Im Rahmen der Berufsausbildung müssen den Schülern alle die mathematischen Inhalte, die der Facharbeiter für die von ihm im Rahmen seiner Berufsarbeit durchzuführenden technischen Prozesse benötigt, auf einem Niveau vermittelt werden, das zu technologisch und ökono- misch angemessenen Entscheidungen führt. Volker Jatho96 F1 · 2 · pi · l = F2 · P F1 = 130 N Lösung: Formel: Größen: Handkraft Spannkraft F2 in N Hebellänge l = 150 mm Gewindesteigung P = 2 mm F2 = ________________ F1 · 2 · pi · 150 mm P = ___________________ 130 N · 2 · pi · 150 mm 2 mm = 61230 N = 61 kN vc = d · pi · n vc = 14,0 m/min Lösung: Formel: Größen: Schnittgeschwindigkeit Reibahlendurchmesser d = 20 mm Umdrehungsfrequenz n in min-1 n = ______ vc d · pi = _________________ 14 m 0,02 m · pi · 1 min = 222,9 min-1 Abb. 1: Beispiele mathematischer Aufgaben im Berufsfeld Metall Viele der im Rahmen des Mathematikunterrichts der Teilzeit-Berufsschule durch- geführten Berechnungen greifen über den engeren Tätigkeitsbereich des Facharbei- ters hinaus. So müssen Facharbeiter in der Regeln keine Kräfte an Maschinen- schraubstöcken berechnen, wie es bei der Prüfungsaufgabe in Abb. 1 gefordert wird. Mathematik in der Teilzeitberufsschule des Berufsfeldes Metall 97 Konstruieren und Berechnen von technischen Systemen ist Aufgabe von Ingenieu- ren und Technikern; Facharbeiter dagegen stellen im allgemeinen technische Syste- me auf der Basis von technischen Unterlagen her und halten sie instand. Nach Grüner soll das Rechnen in der Teilzeit-Berufsschule aber auch zum Verständnis technischer Vorgänge beitragen. Bei technischen Systemen wird ein naturwissen- schaftlicher, in der Metalltechnik meist physikalischer Effekt, so realisiert, daß das System die geforderte Funktion erfüllt. Da Mathematik den Systemumsatz quanti- fiziert, leistet sie einen Beitrag zum Verstehen der im Unterricht behandelten tech- nischer Systeme. Für den Maschinenschraubstock in Abb. 1 heißt das, daß die Schüler die Kraftvergrößerung am Bewegungsgewinde des Schraubstockes erken- nen sollen. Die Übersetzung der Handkraft F1 von 130 N in eine errechnete Spann- kraft F2 von über 60 kN ist von den Zahlenwerten her für die Schüler schon beein- druckend. Meines Erachtens schöpft die Beschränkung allein auf die Quantifizie- rung des Systemumsatzes die Möglichkeiten der Mathematik, einen Beitrag zum Verständnis der Funktionsprinzipien technischer Systeme zu leisten, bei weitem nicht aus. Im letzten Abschnitt werde ich daher, bezogen auf das Berechnungsbei- spiel „Maschinenschraubstock“ aus Abb. 1, Erweiterungsmöglichkeiten aufzeigen. Wie bereits in Abb. 1 angedeutet, spielt neben den Lehrplänen die von den Teilzeit- Berufsschülern vor der zuständigen Kammer abzulegende Lehrabschlußprüfung eine wichtige Rolle hinsichtlich der Inhalte und Methoden des Mathematikunter- richts im Berufsfeld Metall. Bis zur Neuordnung der Metallberufe unterschieden sich die Prüfungsaufgaben nur unwesentlich von den Aufgaben in den Fachrechen- büchern. Mit dem im Zuge der Neuordnung eingeführten Prüfungsfach Arbeits- planung, bei dem es zu einer Verschränkung von technologischen, zeichnerischen und mathematischen Prüfungselementen kommt, müssen die Berufsschüler nun auch mathematische Aufgabenstellungen lösen, die in komplexere technische Kon- texte eingebettet sind. 2 Anforderungen an Mathematik-Lehrende in der Teilzeit-Berufsschule aus der Sicht von Theorielehrern des Berufsfeldes Metall Die Lehrer für die berufsbezogene Fachtheorie müssen die mathematischen Inhalte gemeinsam mit ihren Schülern im Spannungsfeld zwischen Fächerintegration und der speziellen Struktur mathematischer Inhalte sowie zwischen Lehrplananforde- rungen und den Anforderungen der Lehrabschlußprüfung erarbeiten. Unabding- bare Voraussetzung dafür ist natürlich die inhaltliche mathematische Kompetenz der Lehrer. Da die Lehrer in der gewerblich-technischen Teilzeit-Berufsschule als Volker Jatho98 Hauptfach eine technische Fachrichtung mit hohen Mathematikanteilen studiert haben, ist die mathematische Fachkompetenz hinsichtlich der im vorhergehenden Abschnitt identifizierten mathematischen Inhalte unzweifelhaft gegeben. Anders sieht die Sachlage dagegen auf dem Gebiet der didaktischen Methodenkompetenz aus. Hier wurden der Teilzeit-Berufsschule insgesamt, also den Lehrern, den Lehr- plan- und den Fachrechenbuchautoren, von Seiten der Mathematikdidaktik erheb- liche Defizite vorgeworfen (Blum 1981, S. 90–96). Diese Kritik traf und trifft auf einen systematisch im Rahmen der Teilzeit-Berufsschule durchgeführten Mathe- matikunterricht wohl im wesentlichen zu. Mit der Neuordnung der Metallberufe wird in der Teilzeit-Berufsschule aufgrund einer Vereinbarung der Kultusministerkonferenz auf eine fachlich eigenständig unterrichtete Technische Mathematik verzichtet. Durch die Integration der natur- wissenschaftlichen und der mathematischen Inhalte in die Lernbereiche der tech- nologischen Unterrichtsfächer soll eine handlungsorientierte, fächerübergreifende Vorgehensweise auch bei der mathematischen Durchdringung technischer Proble- me verstärkt werden (Kultusminister NRW 1991 b, S. 8). Damit wandelt sich die Vermittlung der mathematischen Inhalte für die Lehrer der Teilzeit-Berufsschule von einem mathematikdidaktischen zu einem technikdidaktischen Problem. Anfor- derung an die Lehrer ist jetzt nicht mehr, mathematisch stimmige und nach mathe- matikdidaktischen Kriterien konzipierte systematische Kurse in Technischer Ma- thematik durchzuführen – was allerdings, wie die oben zitierte Kritik zeigt, auch in der Vergangenheit nur in Ausnahmefällen geschah – sondern das Aufsuchen von schüleradäquaten beruflichen Handlungssituationen und technologischen Lern- bereichen und deren Überprüfung auf Möglichkeiten zur Mathematisierung. Die Lehrer müssen dabei alternativ die folgenden zwei technikdidaktischen Fragen klären: Steht der entscheidungs- und prozeßorientierte Aspekt im Vordergrund, so ist zu prüfen, in welchem Umfang realistischerweise in der Praxis bei dem ausge- wählten Handlungs- und Lernbereich überhaupt gerechnet wird und, falls dies der Fall ist, auf welchem mathematischen Niveau dies geschieht. Gegebenenfalls erfor- derliche Reduktionen im Anspruchsniveau müssen primär nach technologischen Kriterien vorgenommen werden. Ist dagegen primär das Wirkprinzip eines techni- schen Systems zu erarbeiten, so sind die im System realisierten physikalischen und technologischen Effekte auf Schülerniveau durch mathematische Systemfunktionen zu beschreiben. Mathematik in der Teilzeitberufsschule des Berufsfeldes Metall 99 Handlungsorientierter, fächerübergreifender Unterricht im Berufsfeld Metall führt damit zu einem Wechsel der Problemlage. Technikdidaktische Entscheidungen der Lehrkräfte treten an die Stelle von mathematikdidaktischen Überlegungen, und seien diese in der Vergangenheit auch noch so rudimentär und methodisch unzu- länglich gewesen. Die nicht primär berufsbezogenen Komponenten der Technischen Mathematik werden mit der Neuordnung an den Mathematikunterricht in der Se- kundarstufe I zurückgegeben. Wenn auch die Lehrpläne diesen Umstand nicht aus- drücklich erwähnen, so sind doch die Aussagen der mit der administrativen Umset- zung der Neuordnung befaßten Schulaufsichtsbeamten, zumindest im Bereich der Bezirksregierung Düsseldorf, in dieser Hinsicht eindeutig. Nachdem in vielen Bun- desländern auch für die Hauptschulen ein zehntes Pflichtschuljahr eingeführt wur- de, ist der Verweis auf den Mathematikunterricht der Sekundarstufe I auch nicht leicht von der Hand zu weisen. Wenn die mit der Neuordnung der Metallberufe von den gemeinsam innerhalb einer Klasse unterrichtenden Lehrern als Pflicht einge- forderte Absprache ihrer Unterrichtsplanungen auch für den Bereich der mathe- matischen Inhalte realisiert wird, verlieren die Bedenken, die Blum (1981, S. 88) gegen einen fächerintegrierten Unterricht in Technischer Mathematik vorbringt, ihre Stichhaltigkeit. Nachdem zu Beginn der Neuordnung auch bei der Lehrer- schaft massive Einwände gegen eine integrative Behandlung von Mathematik und Technologie geäußert wurden, sind diese Bedenken der Lehrer meiner Einschät- zung nach mit der Zeit geschwunden. Es bleiben nach der Neuordnung der Metallberufe meines Erachtens drei genuin mathematikdidaktische Problemkreise offen, nämlich • das Problem der Aktualisierung von berufsschulrelevanten mathematischen Themen, deren Behandlung im Bereich der allgemeinbildenden Schulen zeitlich weiter zurückliegt, • das damit einhergehende Problem, daß die Lehrer in der Teilzeit-Berufsschule an die Mathematikkenntnisse ihrer Schüler nur dann sachgerecht anknüpfen oder diese entsprechend aktualisieren können, wenn sie den inhaltlichen und methodischen Stand der Mathematik in der Sekundarstufe I kennen, und • das Problem, die mathematischen Kompetenzen leistungsschwacher Schüler angemessen zu fördern. Für den Ausgleich unterschiedlicher Voraussetzungen und zur individuellen Förde- rung der Schüler, soweit diese nicht im fächerintegrierten Unterricht des technolo- gischen Bereichs geleistet werden kann, eröffnen die Lehrpläne der neugeordneten Volker Jatho100 Metallberufe die Möglichkeit, im Wahlbereich Kurse zur Stützung und Vertiefung anzubieten (Kultusminister NRW 1991 a, S. 29). Entscheidet sich die Schule dafür, mathematische Stützkurse anzubieten, dann sollte im Rahmen der Neuordnung der Metallberufe auch die Chance genutzt werden, mit der fachlichen und metho- dischen Fragwürdigkeit des alten Fachrechnens zu brechen. Lehrer, die in diesen Kursen unterrichten, müssen dann aber über die Kompetenz verfügen, unter Be- achtung verschiedener mathematikdidaktischer, besonders methodischer Vorschlä- ge und unter stetigem Anwendungsbezug mathematisch stimmige Kurssequenzen zu konzipieren (Blum 1981, S. 101). Dies ist aber nur möglich, wenn die Berufs- schullehrer nicht allein mit den mathematischen Inhalten, sondern auch mit den mathematischen Begriffe und Methoden vertraut sind, die ihre Schüler aus dem Mathematikunterricht der abgebenden allgemeinbildenden Schulen mitbringen. Im Umkehrschluß gilt diese Forderung natürlich auch für die Mathematiklehrer der allgemeinbildenden Schulen bezüglich ihrer Kenntnisse über die Mathematik- verwendung in der Berufsschule. Auf der Basis dieser methodischen Kenntnisse und Begriffe der Mathematik des allgemeinbildenden Schulwesens können die Stützkurs-Lehrer dann Förderkurse erarbeiten, wobei natürlich immer auch der berufsspezifische Anwendungsbezug und die Situation der Schüler in der Teilzeit- Berufsschule zu berücksichtigen sind. Bei einem fächerintegrativen Mathematikunterricht müssen im Interesse der Schü- ler aber alle in der Teilzeit-Berufsschule unterrichtenden Lehrer zumindest über knappe fachliche und methodische Informationen zur berufsschulrelevanten Mathe- matik der Sekundarstufe I verfügen. Im schulischen Alltag läßt sich nämlich immer wieder die Verwirrung der Schüler beobachten, wenn sie wie im allgemeinbildenden Schulwesen mit Proportionalitäten und Antiproportionalitäten rechnen, den Varia- blenbegriff und vieles mehr mitbringen und auf Lehrer treffen, die nur die starren Lösungsschemata der Schlußrechnung kennen oder noch von der „Unbekannten“ sprechen. Abhilfe könnte hier bereits durch eine schulinterne Lehrerfortbildung an den Berufsschulen geleistet werden, sich auf geeignete Unterlagen wie beispiels- weise die Studienbriefe der Deutschen Instituts für Fernstudien zum Sachrechnen für Lehrer an Berufsschulen stützt (DIFF, 1988). Kurzschlüssig wäre es jedoch, allein den Berufsschullehrern die Schuld an den beschriebenen Defiziten anzu- lasten. Vielmehr müssen die beim Übergang von der Sekundarstufe I in die Berufs- schule im Bereich des Mathematikunterrichts auftretenden Probleme sowohl von der schulorganisatorischen wie auch von der mathematikdidaktischen Seite ange- Mathematik in der Teilzeitberufsschule des Berufsfeldes Metall 101 gangen werden. Denkbar scheint es mir zu sein, für diese kritische Übergangsphase eine eigene mathematische „Schnittstellendidaktik“ zu konzipieren. Bleibt als letzter Problemkreis noch die mathematische Förderung lernschwacher Schüler. Die KMK-Rahmenlehrpläne gehen zwar vom Hauptschulabschluß als Eingangsqualifikation für eine Berufsausbildung aus (Kultusminister NRW 1991 a, S. 15). Berufsausbildungen im Berufsfeld Metall, und dies gilt auch für die anderen gewerblich-technischen Berufsfelder, werden aber für schulisch besser qualifizierte Jugendliche immer unattraktiver. Zunehmend besuchen somit Schüler die Fach- klassen des gewerblich-technischen Bereichs des dualen Systems, die auch nach einem neun- bis zehnjährigen Besuch der Sekundarstufe I erhebliche Defizite im mathematischen Bereich aufweisen. Natürlich verfügt die Berufsschule nicht über besondere methodischen Möglichkeiten, mit denen sie für die Mathematik das leisten könnte, was die Bemühungen der Mathematiklehrer in den Schulen der Sekundarstufe I schon nicht leisten konnten. Aber das Lernen im beruflichen Kontext schafft neue Anknüpfungspunkte, ordnet die Mathematik in neue Zusam- menhänge ein und kann so neu zum Mathematiklernen motivieren. Darüber hinaus ermöglicht es der fächerintegrierte Unterricht den Schülern, bei Klassenarbeiten die Mißerfolge in Mathematik durch Leistungen im technologischen Bereich auszu- gleichen. In vielen Fällen gelingt es, lernschwache Jugendliche soweit zu fördern, daß sie die Abschlußprüfungen der Kammern bestehen; was für sich genommen natürlich schon ein Erfolg ist. Praktisch erreicht werden solche Erfolge vielfach allerdings durch Konzentration des mathematischen Stützunterrichts, der oft durch Einzelun- terricht im Rahmen der von den Arbeitsämtern finanzierten Ausbildungsbegleiten- den Hilfen ergänzt wird, auf den Inhalt der Berufsabschlußprüfung im Fach Tech- nische Mathematik. Prüfungsbezogenes Lernen von Mathematik läuft allerdings Gefahr, sich auf das reine „Pauken“ von Mathematikaufgaben zu reduzieren. Eine handlungsorientierte mathematische Durchdringung technischer Probleme im Sin- ne des KMK-Rahmenlehrplanes (Kultusminister NRW 1991 b, S. 8) oder gar eine Förderung kognitiver Strategien oder intellektueller Techniken (Blum 1981, S. 96) kann ein derartiger Förderunterricht meines Erachtens nicht erreichen; das mathe- matische Wissen der Teilzeit-Berufsschule wird so nicht zum Eigentum der lern- schwachen Schüler. Hier kann die Mathematikdidaktik ansetzen und Förderungs- konzepte entwickeln, die auf das Bestehen der Berufsabschlußprüfung zielen, gleichzeitig aber auch die allgemeinen Lernziele des Mathematikunterrichts unter Volker Jatho102 den Bedingungen einer fächerübergreifenden Unterrichtsorganisation im Berufsfeld Metall nicht vernachlässigen. Die Lehrer in den Fachklassen des dualen Ausbil- dungssystems müssen dann in einem weiteren Schritt für solche mathematikdidak- tischen Förderungskonzepte für lernschwache Schüler soweit sensibilisiert werden, daß sie bereit sind, ihre unzweifelhaft vorhandenen Kompetenzen in diesem Ar- beitsbereich durch entsprechende Fortbildungsmaßnahmen zu ergänzen. Lehrer, die in der Teilzeitberufsschule mathematische Inhalte unterrichten, haben sich zusammenfassend gesagt zwei Anforderungsbereichen zu stellen. Schwerpunkt nach der Neuordnung der Metallberufe ist natürlich die im Unterricht der techno- logischen Fächer integrativ zu unterrichtende Mathematik. Wie oben ausgeführt, sind aber didaktische Probleme beim integrativen Mathematikunterricht im Berufsfeld Metall in erster Linie Probleme der Technikdidaktik und erst in zweiter Linie Probleme der Mathematikdidaktik. Mathematikdidaktische Fragen werden jedoch meines Wissens von der Technikdidaktik weitgehend ignoriert. Um die Anforderungen an Mathematik-Lehrende im Rahmen des fächerintegrierten Mathematikunterichts bezogen auf die jeweils zu unterrichtenden technologischen Inhalte zu formulieren, ist es zunächst erforderlich, daß die Technikdidaktik berufsschulbezogene Erkenntnisse mathematikdidaktischer Forschung in ihre didaktischen Konzepte aufnimmt. Fächerintegration auf der Ebene der Teilzeit- Berufsschule erfordert eben auch die Zusammenarbeit der korrespondierenden Fachdidaktiken auf der Hochschulebene. Integrierte mathematik- und technik- didaktische Konzepte besitzen meines Erachtens für die Teilzeit-Berufsschule eine hohe Relevanz und eröffnen der Mathematikdidaktik die Chance, mit ihrem Anliegen eines methodisch revidierten Mathematikunterrichts erstmals in die Teilzeit-Berufsschule vorzudringen. Der zweite Anforderungsbereich an Mathematik-Lehrende in der Teilzeit-Berufs- schule, der die Probleme an der Schnittstelle zwischen den Schulsystemen und die Förderung lernschwacher Schüler betrifft, stellt sich zur Zeit so dar, daß hier die Lehrer weitgehend auf eigene Erfahrungen zurückgreifen müssen. Im Rahmen der in Zusammenarbeit mit dem Landesinstitut für Schule und Weiterbildung in Soest durchgeführten Fortbildungsmaßnahme „Qualitätsentwicklung und -sicherung von Schule (QUESS)“ haben sich die Berufsbildenden Schulen in Kleve daher den Bereich des Schulübergangs von der Sekundarstufe I in die Teilzeit-Berufsschule, speziell auch bezogen auf das Fach Mathematik, als Arbeitsschwerpunkt gewählt. Wie und in welcher Form die Ergebnisse dieses seit ungefähr drei Jahren laufenden Fortbildungsprojekts veröffentlicht werden, ist zur Zeit noch nicht bekannt. Im Mathematik in der Teilzeitberufsschule des Berufsfeldes Metall 103 Bereich der Schulorganisation und auch der Schulaufsicht sind damit erste Initia- tiven zur Entwicklung einer „Schnittstellendidaktik Mathematik“ ergriffen worden. Hier eröffnet sich für die Mathematikdidaktik, die bisher am QUESS-Projekt nicht beteiligt ist, ein weiteres Feld der Konzeptentwicklung. 3 Möglichkeiten zur inhaltlichen Erweiterung mathematischer Themen in der Teilzeit-Berufsschule des Berufsfeldes Metall Die Neuordnung der Metallberufe führt zu einem methodisch und unterrichts- organisatorisch veränderten Mathematikunterricht in der Teilzeit-Berufsschule. Auf der inhaltlichen Eben haben sich aber, wie ich oben gezeigt habe, nur unwe- sentliche Änderungen ergeben. Es stellt sich nun die Frage, ob mit der Beschrän- kung auf die tradierten mathematischen Inhalte die Kompetenz der Teilzeit-Berufs- schüler, in beruflichen und außerberuflichen Situationen problemorientiert und sachgerecht zu handeln (Kultusminister NRW 1991 a, S. 16), ausreichend gefördert werden kann. Die Bedeutung der Mathematik im Bereich des technologischen Fort- schritts geht ja weit über eine reine Durchdringung technischer Probleme hinaus. Mathematik ist • die Basis aller Neuen Technologien, • die Grundlage viele Planungs- und Entscheidungsmodelle in allen gesellschaft- lichen Bereichen und • die Sprache, in der der wissenschaftliche Kern von Natur- und zunehmend auch Sozialwissenschaften festgeschrieben wird (Maaß / Schlöglmann 1992, S. 41). Ich meine, daß sowohl die im Lehrplan geforderte Handlungskompetenz, die ja nicht auf die Schule, sondern auf die komplexen Situationen des beruflichen und gesellschaftlichen Lebens zielt, wie auch die eben aufgezeigte wissenschaftliche Bedeutung der Mathematik, nach einer Ergänzung des traditionellen mathema- tischen Inhaltskatalogs der Teilzeit-Berufsschule verlangt. Abschließend möchte ich daher denkbare inhaltliche Erweiterungsmöglichkeiten kurz skizzieren. Aufgaben, wie der in Abb. 1 dargestellte Maschinenschraubstock, haben in der Rea- lität der Teilzeit-Berufsschule oft nur ansatzweise mit der Zielrichtung genutzt, Wirkprinzipien technischer Systeme zu klären. In der Regel wird einfach das Thema „Schraubenkraft berechnen“, jetzt in das neue Fach „Maschinen- und Gerätetechnik“ integriert, mit der Blickrichtung auf das Prüfungsniveau hin unterrichtet. Die Aufgabe ist gelöst, wenn die Spannkraft des Schraubstocks mit Volker Jatho104 der richtigen Formel aus den gegebenen Größen vom Schüler korrekt errechnet wurde. Das Wirkprinzip der Kraftumsetzung am Schraubentrieb braucht der Schüler beim Berechnen der Lösung nicht zu wissen. Mathematik als Sprache der technischen Wissenschaft kann aber über das Ausrechnen von Formeln hinaus einen erheblichen Beitrag zum Verstehen im Technikunterricht der Teilzeit- Berufsschule erbringen, wenn sie in neuere technikdidaktische Ansätze integriert wird. So ergeben sich für den, auch von den KMK-Rahmenlehrplänen empfohlenen und zur konstruktiven Weiterentwicklung vorgeschlagenen systemtechnischen Ansatz der Technikdidaktik (Kultusminister NRW 1991 a, S.33–36) vielfältige Mög- lichkeiten, mit mathematischen Verfahren und Begriffen Verstehensprozesse bei den Schülern zu fördern. Ein von mir in Anlehnung an Bader, Pötter und Sanfleber (1989, S. 109–138) erarbeiteter Vorschlag kombiniert beispielsweise die Denkwei- sen der modernen Dreisatzrechnung mit den Begriffen der Systemtechnik (Jatho 1995, S. 280–283). Die mathematisierte Systemfunktion, in Kombination mit den physikalischen Erhaltungssätzen, führt auf Proportionalitäten und Antiproportio- nalitäten und zeigt so den Schülern die Strukturgleichheit von Systemumsätzen in verschiedenen technischen Realisierungszusammenhängen auf. Für den Maschi- nenschraubstock aus Abb. 1 führt eine mathematisch-systemtechnische Analyse zu dem im folgenden dargestellten Ergebnis. Zur Sprechweise im nächsten Absatz ist anzumerken, daß unter Funktionen hier keine mathematischen sondern system- technische Funktionen, also die durch ein technisches System geleisteten Umsätze seiner Eingangsgrößen in die geforderten Ausgangsgrößen, verstanden werden. Beim Schraubstock wird das Prinzip des Bewegungsgewindes genutzt, um die Hauptfunktion „Werkstück spannen“ zu realisieren. Hauptumsatzgröße des Funk- tionselementes „Bewegungsgewinde“ ist die Energie in der Form von Verschie- bungsenergie. Da technische Systeme nach dem Energieerhaltungssatz Energie weder erzeugen noch vernichten können, lassen sich mittels Bewegungsgewinde nur die Komponenten des Energieumsatzes vergrößern oder verkleinern. Kompo- nenten der Energieform „Verschiebungsenergie“ sind der Weg s und die Kraft F. Der Energieerhaltungssatz fordert eine antiproportionale Zuordnung dieser beiden Energiekomponenten und führt, unter Vernachlässigung der Reibung und aller Gewindewinkel, zu der folgenden, bereits in Abb. 1 aufgeführten Produktgleichung: F l F P1 22⋅ ⋅ ⋅ = ⋅pi Für die Systemtechnik charakteristisch ist die Darstellung von Systemen, von Funktionseinheiten oder von Funktionselementen durch sogenannte Black Boxes. Mathematik in der Teilzeitberufsschule des Berufsfeldes Metall 105 Bei der Black-Box-Darstellung wird von allen baulichen Besonderheiten abstra- hiert, das zu analysierende System wird lediglich durch ein Rechteck – die Black Box – angedeutet, seine Ein- und Ausgangsgrößen werden durch Pfeile bezeichnet und die verbalisierte oder mathematisierte Systemfunktion wird in die Black Box geschrieben. In Abb. 2 und Abb. 3 ist für das Bewegungsgewinde das Prinzip der Energieerhaltung und die Grundfunktion „Kraft vergrößern“ als Black Box dargestellt. F2 E2 F1 E1 Kraft vergrößern Weg verkleinern • • s2s1 F1 F2 —— s1 s2 —— Abb. 2: Prinzip der Energieerhaltung am Bewegungsgewinde in Black-Box- Darstellung F1 F2 • s1 s2 —— vergrößern Abb. 3: Grundfunktion des Bewegungsgewindes in Black- Box-Darstellung Wesentlich für die systemtechnische Analyse technischer Systeme ist nicht das Be- rechnen von Zahlenwerten wie in der Prüfungsaufgabe „Maschinenschraubstock“ aus Abb. 1, sondern das qualitative Erkennen von Zusammenhängen. Dies ist er- reicht, wenn die Schüler den zugrundeliegenden Erhaltungssatz erkennen und die Ungleichungen der folgenden Tabelle aufstellen oder alternativ durch die Aussagen „wird kleiner“ und „wird größer“ verbalisieren können. Erhaltungsgröße vergrößern verkleinern E1 = E2 F1 < F2 2· p ·l > P Tab. 1: Qualitative Beschreibung des Energieumsatzes am Bewegungsgewinde Die für das Bewegungsgewinde skizzierte Analyse des Energieumsatzes läßt sich so auch auf den Umsatz der beiden anderen Erhaltungsgrößen Stoff und Information und auf beliebige Funktionselemente technischer Systeme übertragen. Für die Schüler ergibt sich immer die gleiche mathematische Struktur. Erhaltungssätze führen, wenn die Reibung nicht berücksichtigt wird, zu antiproportionalen Zuord- nungen (vgl. Abb. 2), die Grundfunktionen „Vergrößern“ und „Verkleinern“ führen zu proportionalen Zuordnungen (vgl. Abb. 3). Ergänzend zu den Black-Box-Darstel- lungen lassen sich die Systemumsätze mathematisch durch die entsprechenden Volker Jatho106 Funktionsgraphen visualisieren. Bader, Pötter und Sanfleber zeigen ergänzend auf, wie sich der Energieumsatz auch unter Berücksichtigung der Reibungsverluste am Funktionsgraphen darstellen läßt (1989, S. 114). Mathematisch gestützte System- analysen bieten darüber hinaus didaktisch gut nutzbare Anknüpfungspunkte für die Einführung des mathematischen Funktionsbegriffes innerhalb der Teilzeit- Berufsschule. Ein weiterer, relativ neuer technikdidaktischer Ansatz, der sich das „Denken in Zusammenhängen“ zum Ziel gesetzt hat, ist die Analyse von Logikstrukturen der Metalltechnik (Hermanns, Klemmstein 1994). Auch dieser Ansatz scheint über Möglichkeiten zu verfügen, durch Einbringen von Mathematik Prozesse des Verste- hens im Technikunterricht zu unterstützen. Erst die Integration von mathematik- didaktischen und technikdidaktischen Konzepten nutzt letztendlich das Explora- tions- und Erklärungspotential mathematischer Begriffe und Verfahren (Sträßer 1995, S. 52) und schafft für die Teilzeit-Berufsschule zusätzliche Rückgriffsmöglich- keiten auf die mathematischen Inhalte, die sich die Schüler in den allgemeinbilden- den Schulen erarbeitet haben. Ein weiteres didaktisches Problem für den Mathematikunterricht in der Teilzeit- Berufsschule ergibt sich aus dem Umstand, daß Mathematik in der praktischen Verwendung sowohl vom Kontext der Aufgabenstellung als auch von der verwende- ten Mathematik her wesentlich komplexer und komplizierter ist als die übliche Fachrechenbuch- und Prüfungsaufgabenmathematik. Fachrechenbücher erkaufen diese Reduktion durch Ausblendung wichtiger technologischer und physikalischer Phänomene. Beispielsweise wird bei Aufgaben wie dem Maschinenschraubstock aus Abb. 1 mit einer Schraubenkraftformel gerechnet, die gegenüber der im Techniker- und Ingenieurbereich verwendeten Formel technologisch und mathematisch ganz erheblich reduziert ist. Ein von Bader, Pötter und Sanfleber (1989, S. 135–136) er- arbeiteter technisch angemessener Zugang zur Berechnung der Umsätze am Bewe- gungsgewinde, der zumindest die Reibungsverhältnisse zwischen den Gewindeflan- ken berücksichtigt, ist in Abb. 4 dargestellt. Allerdings ist hier nicht die an einem Hebel angreifende Kraft F1 Eingangsgröße des Systems, sondern die am Flanken- durchmessers (= Durchmesser zwischen den beiden gegenüberliegenden mittleren Gewindetiefen) angreifende Umfangskraft Fu. Die Spannkraft F2 aus Abb. 1 wird mit Fv bezeichnet. Mathematik in der Teilzeitberufsschule des Berufsfeldes Metall 107 Abb. 4: Kraft vergrößern am Bewegungsgewinde unter Berücksichtigung der Reibung Durch Berücksichtigen der Reibung wird die mittels Bewegungsgewinde erzeugte Spannkraft erheblich kleiner als sie nach der Formel aus Abb. 1 errechnet wurde. Geht es nur um das Verstehen des Wirkprinzips des Bewegungsgewindes, so kön- nen größere Abweichungen aus didaktischen Gründen verantwortet werden. Die Lehrpläne des Landes Nordrhein-Westfalens für die neugeordneten Metallberufe fordern für die Schüler jedoch auch die Befähigung zur Technikgestaltung, didak- tisch realisiert durch synthetisch akzentuierte Konzeptionen wie Fertigungsauf- gaben und Konstruktionsaufgaben (Kultusminister NRW 1991 a, S. 22 u. 37). Wenn diese Forderung umgesetzt wird, müssen die Schüler im Unterricht auch kleinere Konstruktionen ausführen. Schon die technisch gesehen relativ einfache Konstruk- tion eines Maschinenschraubstockes führt dann aber, wenn gerechnet und nicht nur nach Gefühl konstruiert wird, zu völlig überdimensionierten Bauteilen. Bereits Volker Jatho108 dieses Beispiel zeigt, welches Problem bei entscheidungsorientierten Aufgaben- stellungen im handlungs- und projektorientierten Unterricht in Bezug auf die verwendete Mathematik auftreten kann. Die traditionellen Inhalte der Berufsschul- mathematik sind vom Niveau so weit reduziert, daß sie für die wesentlich komple- xeren beruflichen und außerberuflichen Handlungssituationen der Schüler in der Regel keine mathematisch gestützte sinnvolle Entscheidungsgrundlage bilden kön- nen. Dieser Spannungszustand zwischen den mathematischen Anforderungen in den Handlungssituationen der Teilzeit-Berufsschüler und ihrer durch Rechnen üblicher Berufsschulaufgaben gewonnenen mathematischen Kompetenz läßt sich meines Erachtens nur überwinden, wenn die Lehrer jeden zusätzlichen mathema- tischen Erklärungsbedarf ausblenden und gezielt auf schnell und leicht erreichbare Ergebnisse abstellen (Maaß, Schlöglmann 1994, S. 124). Mathematische Verfahren, die Entscheidungsfindung in komplexen Situationen des handlungsorientierten Unterrichts unterstützen, sollten daher als Black Boxes im Unterricht eingesetzt werden. Ähnlich wie bei dem oben skizzierten Einsatz systemtechnischer Black Boxes wird auch bei mathematischen Black Boxes lediglich der Umsatz der Ein- gangsgrößen in die Ausgangsgrößen betrachtet. Beschrieben wird dieser Umsatz durch einen mathematischen Ausdruck. Schwerpunkt des Black-Box-Einsatzes ist der anwendungsbezogene Kontext der mathematischen Zuordnungsvorschrift, während der technisch-physikalische Mathematisierungsprozeß für die Schüler ausgeblendet wird. Für unser Beispiel der Spannkraftberechnung am Bewegungsgewinde führt der Black-Box-Ansatz dazu, daß der für Teilzeit-Berufsschüler in der Regel nicht nach- vollziehbare Herleitungsprozeß der Spannkraftformel aus Abb. 4 bewußt ausge- blendet wird und nur die Formel und die aufgrund des Aufgabenkontextes in diese Formel einzusetzenden Größen betrachtet werden. In Abb. 5 ist der Prozeß der Spannkraftberechnung aus Abb. 4 als Black Box dargestellt, wobei die Umfangs- kraft Fu von mir entsprechend unseres Ausgangsbeispieles aus Abb. 1 durch die Handkraft F1 ersetzt wurde. Mit Hilfe dieser Black Box sind die Schüler in der Lage, einen realistischen Zahlenwert für die am Bewegungsgewinde vergrößerte Kraft zu berechnen. Eine technisch angemessene Schraubstockauslegung muß allerdings noch um hier nicht aufgeführte Black Boxes zur Berechnung der Schrau- be auf Ausknickung und der Gewindeflanken auf Flächenpressung ergänzt werden. Mathematik in der Teilzeitberufsschule des Berufsfeldes Metall 109 Kontext: Aus den Konstruktionsdaten der technischen Zeichnung: Hebellänge l = 150 mm Gewindenenndurchmesser d = 16 mm Gewindesteigung P = 2 mm Aus dem Tabellenbuch: Flankendurchmesser d2 = d – 0,5 · P = 15 mm Reibungsbeiwert (Stahl / Stahl, geschmiert) m = 0,1 Kontext P d2 µ l 2·F1· ·pi lF1 F2 Eingangs- größe Ausgangs- größe P+ d2 · ·pi µ vergrößern F1 = 130 N F2 = 18250 N Abb. 5: Spannkraftberechnung am Bewegungsgewinde in Black-Box-Darstellung Der mathematikdidaktische Black-Box-Ansatz eröffnet dem Unterricht in der Teil- zeit-Berufsschule ein breites Feld von interessanten, praxisorientierten und für die Schüler nützlichen mathematischen Anwendungen. Denkbar sind Black Boxes aus Gebieten wie dem Qualitätsmanagement, der technisch-wirtschaftlichen Bewertung von Projekten, der Wertanalyse oder, in Kombination mit der Technischen Kommu- nikation, dem Bereich der Teilebedarfsrechnung. Weitere Black Boxes sollten auch aus dem wirtschaftlichen Bereich kommen. Vorzuschlagen wären hier die Bereiche Kostenrechnung, Abschreibung, Finanzierung, einfache Investitionsrechnung oder Zuordnungsprobleme im Personalmanagement. Bezogen auf den außerberuflichen Bereich sollten Black Boxes zur Zinseszinsrechnung, zum Effektivzins, zur Dar- lehenstilgung, zur Einkommensteuer und zum Problemfeld der Versicherungen, speziell der Lebensversicherung, eingesetzt werden. Anzumerken sei hier noch, daß der oben aufgeführte Katalog mathematischer Inhalte der Teilzeit-Berufsschule keinerlei mathematische Anwendungen im wirtschaftlichen Bereich nennt. Meiner Ansicht nach verkennen die Lehrpläne hier die Bedeutung mathematisch gestütz- ter Entscheidungsmodelle im Bereich der Wirtschafts- und Betriebslehre. Aufgabe der Didaktik der Mathematik im beruflichen Schulwesen ist es meiner Ansicht nach, zu den vorgeschlagenen und zu weiteren möglichen Bereichen Black Boxes für den Einsatz in der Teilzeit-Berufsschule zu sammeln oder gegebenenfalls zu entwickeln und diese an geeigneter Stelle für die Lehrer der Berufsschule zu pu- blizieren. Der Einsatz von Black Boxes im primär technologischen Bereich mathe- matischer Anwendungen bedarf dagegen eigentlich nur des Mutes der Lehrer, auch mal Formeln aus Techniker- oder Ingenieurfachbüchern von den Schülern auf be- rufliche Entscheidungssituationen anwenden zu lassen. Nicht jede Formel muß zuvor im Unterricht lückenlos aufgeklärt worden sein. Berufsschullehrer werden aufgrund ihrer Ausbildung auch nicht annähernd so große Bedenken gegen einen Einsatz von Black Boxes haben, wie die Lehrer der allgemeinbildenden Schulen (Maaß, Schlöglmann, S. 133). Volker Jatho110 Sinnvoller handlungsorientierter Unterricht kann also eine Ausweitung der Mathe- matik auf neue Inhalte erfordern. Wie meine vorhergehenden Ausführungen zeigen, kann diese inhaltliche Ausweitung einmal unter dem Aspekt vorgenommen werden, von der Mathematik, unter Nutzung ihres Explorations- und Erklärungspotentials, einen Beitrag zum Verstehen im Technikunterricht leisten zu lassen. Der zweite Aspekt zielt auf das Handeln der Schüler in komplexen Situation ab. Komplexe Pro- blemstellungen erfordern komplexe Lösungsstrategien. Da die problemadäquaten Lösungsverfahren sowohl von der intellektuellen Kompetenz vieler Berufsschüler als auch vom Zeitrahmen her nicht lückenlos aufgeklärt werden können, eröffnet hier der mathematikdidaktische Black-Box-Ansatz Möglichkeiten zur schülergemä- ßen Erweiterung der in der Teilzeit-Berufsschule verwendeten mathematischen In- halte. Die aufgezeigten inhaltlichen Erweiterungs- und Ergänzungsmöglichkeiten deuten an, daß die Integration der Technischen Mathematik in die technologischen Fächer von der Didaktik der Mathematik im beruflichen Schulwesen Forschungs- und Entwicklungsarbeit mit neuer Schwerpunktsetzung fordert. Geeignete Unter- richtskonzepte für diese Schwerpunkte können meiner Ansicht nach allerdings nur im Dialog zwischen Mathematikdidaktikern und Technikdidaktikern sowie unter frühzeitiger Einbeziehung von Praktikern aus den Berufsschulen erarbeitet wer- den. 4 Literatur Bader, Reinhard; Pötter, Ernst ; Sanfleber, Helmut: Maschinen- und Gerätetechnik. In: Apweiler, Josef u. a.: Technologie Metall – Fachstufe 1: Industrie- / Werkzeug- mechaniker. Düsseldorf: Cornelsen, 1989, S. 109–145. Blum, Werner: Fachrechnen / Technische Mathematik. In: Bonz, Bernhard; Lips- meier, Antonius (Hrsg.): Beiträge zur Fachdidaktik Maschinenbau. Stuttgart: Holland & Josenhans, 1981, S. 85–106. 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Band 5: Kempkes, Hans-Peter: Das Konzept des offenen Schulbuches als Beitrag zur Curricu- lumentwicklung des Faches Wirtschaftslehre / Wirtschaftswissenschaften an der Sekundarstufe II. Kassel 1987. 356 Seiten. DM 15,00. Band 6: Tümmers, Jürgen: Türkei -– für Berufspädagogen, Studienmaterialien zur Sonderpäd- agogik der Berufsbildung. Unter Mitarbeit von Beyer / Cinar / Fouladi / Hoffhues / Koch / Purschke / Wilhelm. Kassel 1988. 647 Seiten. DM 58,00. Band 7: E. p . Sode: S chulbuch O hne S chule. 1. Bedürfnisse. Die unterdrückte Lust an der di- daktischen Reflexion. Kassel 1989. 334 Seiten. DM 15,00. Band 9: Lim, Se Yung: Die Ergebnisse der Lernortdiskussion und ihre Bedeutung für die Qualifi- zierung von gewerblich-technischen Arbeitskräften in der Republik Korea. Kassel 1989. 263 Seiten. DM 10,00. Band 10: Vergriffen.* Band 11: Runkel, Jakob: Das Studium saudiarabischer Graduierter im Magisterstudium an der Gesamthochschule Kassel -– Universität. Kassel 1990. 358 Seiten. DM 15,00. Band 12: Gerdsmeier, Gerhard (Hrsg.): S chulbuch O hne S chule. 2. Arbeitsteilung. Vorreden zu einer Wirtschaftsdidaktik. Kassel 1990. 219 Seiten. DM 15,00. Band 13: Spreth, Günter (Hrsg.): Berufsbildung im Jemen. Kassel 1992. 340 Seiten. DM 15,00. Band 14: Nölker, Helmut (Hrsg.): Berufsbildung in Saudi-Arabien. Kassel 1992. 350 Seiten. DM 15,00. Band 15: Kipp, Martin: Die berufliche Rehabilitation Behinderter in der ehemaligen DDR – Erfah- rungen aus einem studentischen Erkundungsprojekt an der Gesamthochschule Kassel von Lange / Nau / Reinhold 1993. Kassel 1993. DM 5,00. Band 16: Sacher, Gabriele: Unterrichtliche Lehrverhaltensweisen im Microteaching und die Aus- differenzierung ihrer inhaltlich-strukturellen Dimension vor dem Hintergrund einer psy- chologisch-didaktischen Theorie. Kassel 1993. 351 Seiten. DM 20,00. Band 17: Stach, Meinhard / Wiechmann-Schröder, Gabriele (Hrsg.): 20 Jahre Berufspädagogik an der Gesamthochschule Kassel. Studien- und Forschungsschwerpunkte, Rückblick und Perspektiven. Kassel 1994. 110 Seiten. DM 10,00. * Zweite, erweiterte Auflage: Kipp, Martin / Miller-Kipp, Gisela: Erkundungen im Halbdunkel. Einundzwanzig Studien zur Berufserziehung und Pädagogik im nationalsozialistischen Deutschland. Frankfurt am Main 1995. 594 Seiten. DM 48,00. Zu beziehen beim Verlag der G. A. F. B. Gesellschaft zur Förderung arbeitsorientierter Forschung und Bildung, Am Eschbachtal 50, 60437 Frankfurt am Main. Schriftenreihe Berufs- und Wirtschaftspädagogik Band 18: Denstorff, Claudia / Neumann, Gerd (Hrsg.): Konzepte für die betriebliche Aus- und Weiterbildung. Kassel 1994. 144 Seiten. DM 6,00. Band 19: Tümmers, Jürgen / Kraux, Axel / Barkey, Friedhelm (Hrsg.): Ganzheitliche Problem- orientierung in der sozialpädagogischen Ausbildung von Berufs- und Wirtschaftspädago- gen. Kassel 1995. 140 Seiten. DM 15,00. Band 20: Zimmerhackl, Silke: Persönlichkeitsentwicklung und Stigmatisierung und ihre Bedeu- tung für die berufliche Eingliederung Lernbehinderter. Hrsg.: Stach, Meinhard / Tüm- mers, Jürgen. Kassel 1995. 156 Seiten. DM 7,50. Band 21: Seyd, Wolfgang: „Pflege“ an der GhK. Kassel 1995. 109 Seiten. DM 10,00. Band 22: Schoenfeldt, Eberhard: Der Edle ist kein Instrument. Bildung und Ausbildung in Korea (Republik). Studien zu einem Land zwischen China und Japan. Kassel 1996. 383 Seiten. DM 20,00. Band 23: Winnefeld, Manfred: Bedarfsorientierte Managementausbildung in Entwicklungslän- dern – dargestellt an ausgewählten Organisationen im südlichen Afrika. Kriterien der Curriculumentwicklung unter besonderer Berücksichtigung systemtheoretischer For- schungsansätze. Kassel 1996. 362 Seiten. DM 20,00. Band 24: Blum, Werner / Fingerle, Karlheinz / Gerdsmeier, Gerhard (Hrsg.): Mathematik- lehren in der Berufsschule – Fachunterricht und Lehrerbildung. Kassel 1998. 111 Seiten. DM 10,00. Band 25: Gehle, Claudia: Strukturkonzept einer handlungsorientierten Fortbildung für steuerbe- ratende Berufe. Kassel 1997. 340 Seiten. DM 20,00. Band 26: Stach, Meinhard / Kipp, Martin / Wiechmann-Schröder, Gabriele (Hrsg.): Perspek- tiven und Internationalisierung der Berufspädagogik. Erweiterte Dokumentation einer Fachtagung aus Anlaß des 25jährigen Bestehens der Universität Gesamthochschule Kas- sel. Kassel 1997. 112 Seiten. DM 10,00. Band 27: Stach, Meinhard (Hrsg.): Bildung und Berufsbildung für Behinderte. Vergleich und Darstellung der Systeme ausgewählter Länder. Ergebnisse eines studentischen Projekts. Kassel 1998. 218 Seiten. DM 8,00. Demnächst erscheint: Band 8: Gerdsmeier, Gerhard: Der klassifikatorische Strukturkern. Bestellungen bzw. Anfragen an: Dr. Raimund Dröge Universität Gesamthochschule Kassel Institut für Berufsbildung Heinrich-Plett-Straße 40 34109 Kassel Unverbindliche Preisempfehlungen • Preisänderungen vorbehalten Porto- und Versandkosten werden gesondert berechnet.