Stadt – Planung – Studium Perspektive 21 U N I K A S S E L V E R S I T Ä T Online Nr. 1 – Fachbereich 6 Architektur, Stadtplanung, Landschaftsplanung Die Herausforderungen der Zukunft sind un-erhört Stadt—Planung—Studium – Perspektive 21 Die Herausforderungen der Zukunft sind un-erhört Aus Anlass des Abschieds von Prof. Klaus Pfromm hat die Arbeits- gruppe Stadt- und Regionalplan im Februar 2001 ein Kolloquium organisiert, das von Prof. Ingrid Lübke moderiert wurde. Drei Thesen/ Themenkomplexe, von Klaus Pfromm vorgetragen, bildeten die Dis- kussionsgrundlage des Kolloquiums: 1. Die Städte schrumpfen und wachsen zugleich. 2. Die Stadt verschwindet in der Region. 3. Die deregulierte Stadt braucht mehr Planung. Zu jedem dieser Themen waren jeweils ein Kollege und eine frühere Studentin oder ein früherer Student des Kasseler Studiengangs mit sehr unterschiedlichen Praxiserfahrungen zu einem Korreferat eingela- den: • Dipl.-Ing. Fritz Schuhmacher, Kantonsbaumeister der Stadt - Basel/Schweiz (GhK 1980) • Dipl.-Ing. Andrea Sölle, Abteilungsleiterin für Stadtentwicklung der Treuhand Liegenschaftsgesellschaft mbH. (GhK 1983) • Dipl.-Ing. Regina Sonnabend, Projektkoordinatorin der Stiftung Bauhaus Dessau (GhK 1992) • Prof. Dr. Klaus Kunzmann, Universität Dortmund • Prof. Dr. Dieter Frick, Universität Berlin • Prof. Dr. Ulf Hahne, Universität Kassel. In der anschließenden Diskussionen über die Entwicklung der Stadt – unter den Stichworten Schrumpfung, Migration, Segregation – sowie über die Rolle der Planung – unter den Stichworten Deregulierung, Development, Internationalisierung – wurden auch neue Anforderun- gen an die Ausbildung von Planerinnen und Planern sowie Vorschläge für deren Veränderung formulieren. 1 Herausgeber: Universität Kassel Fachbereich 6 Architektur, Stadtplanung, Landschaftsplanung Kassel 2003 Infosystem Planung, Universität Kassel Henschelstr. 2, 34109 Kassel T 0561 804-2016, Fax 0561 804-2232 info_isp@uni-kassel.de www.isp.uni-kassel.de 2 Stadt—Planung—Studium Perspektive 21 Die Herausforderungen der Zukunft sind un-erhört Inhaltsverzeichnis Ingrid Lübke Vorwort 5 Dr. Detlev Ipsen Zum Abschied in die Zukunft denken 8 Die Städte schrumpfen und wachsen zugleich 11 Regina Sonnabend Schrumpfung und Planung: Anmerkungen aus einer ostdeutschen Perspektive 13 Dr. Klaus Kunzmann International sein oder nicht sein? 19 Die Stadt verschwindet in der Region 36 Dr. Ulf Hahne Un-erhörte Herausforderung Regionalentwicklung 37 Die deregulierte Stadt braucht mehr Planung 42 Dr. Dieter Frick Planung in der deregulierten Stadt 44 Andrea Sölle Die deregulierte Stadt braucht mehr Planung 49 Zusammenfassung der Diskussion 53 Michael Glatthaar und Anke Kaschlik mit Antworten von Klaus Pfromm Schrumpfung – Migration – Segregation 53 Stadt – Region – Architektur 57 Deregulierung – Planung – Developement 61 Vita Klaus Pfromm 65 AutorInnen 68 HerausgeberInnen 69 3 Prof. Ingrid Lübke Vorwort "Die Herausforderungen der Zukunft sind unerhört", unter diesem Motto stand das Abschiedskolloquium für und mit Klaus Pfromm, zu dem der Fachbereich Stadt- und Landschaftsplanung der Universität GH Kassel am 2. Februar 2001 eingeladen hatte. Wer Klaus Pfromm erlebt hat, mit ihm gearbeitet und von ihm gelernt hat, hört in diesem Statement seinen unverkennbaren Tonfall und sieht seine fröhlich pro- vozierenden Augen vor sich. Kein Wunder, denn nicht nur der Titel, sondern auch die inhaltliche Struktur des Kolloquiums sind von unse- rem emeritierten Kollegen, der sich noch längst nicht zur Ruhe gesetzt hat, entworfen und entscheidend geprägt. Neben den Fragen der Nachhaltigkeit in der Stadtentwicklung, denen er sich besonders in den letzten Jahren gewidmet hat, zählten für Klaus Pfromm die Qualität der Ausbildung und die Studienreform zu seinen besonderen Anliegen. Er gehörte zu den Männern und Frauen der ersten Stunde an der neu gegründeten Gesamthochschule Kassel. Seit 1972 hat er hier den integrierten Studiengang A–S–L (Architektur, Stadtplanung, Landschaftsplanung) mit aufgebaut. Später erarbeitete er gemeinsam mit den Kollegen Dr. Dieter Frick und Dr. Klaus Kunz- mann die Rahmenprüfungsordnung für die Stadt- und Raumplaner- ausbildung in der BRD, das berühmt-berüchtigte grüne Heft. Und während seiner letzten Dekanatsperiode (1995–1997) ergriff er die Initiative zu einer "Reform der Reform", zur Aktualisierung der Stu- dien- und Prüfungsordnung hier in Kassel. Dieser Anstoß hat sich zu einem mehrjährigen Prozess ausgeweitet, der hoffentlich in diesem Jahr erfolgreich abgeschlossen wird. Der Untertitel des Kolloquiums "Stadt – Planung – Studium; Perspek- tive 21" verrät den Kontext zu der noch laufenden Debatte. Die pro- jektorientierten Kasseler wissen nicht nur das Festliche mit dem Nütz- lichen zu verbinden, sondern für den Emeritus des Fachgebietes Stadt- und Regionalplanung eröffnete sich mit diesem Kolloquium auch die Chance, aus seiner Sicht die Entwicklungstendenzen in den Städten zu interpretieren und seine Ideen über die zukünftigen Studi- eninhalte noch einmal darzulegen und zur Diskussion zu stellen. Klaus Pfromm kommentiert die aktuellen Veränderungen in der Entwick- lung der Stadt mit drei Statements: 5 1. Die Städte schrumpfen und wachsen zugleich 2. Die Stadt verschwindet in der Region 3. Die deregulierte Stadt braucht mehr Planung Diese drei Statements betrachten die Entwicklung der Stadt und die Rolle der Planung unter sehr unterschiedlichen Blickwinkeln. In einem Thesenpapier, das gleichzeitig als Grundlage für das Kolloquium diente, hat Klaus Pfromm seine Positionen zu den 3 Themenfeldern weiter ausgeführt. Mit den teilweise provozierenden Thesen wollte Klaus Pfromm eine Debatte entfachen, in der die neuen Anforderun- gen an Planung und Ausbildung in enger Wechselbeziehung mit den veränderten städtischen Entwicklungsdynamiken begriffen werden: "Die Stadt ändert ihre Struktur. – Die Planung verändert sich. – Wie wird das Studium geändert?" Zu jedem Themenkomplex waren jeweils eine frühere Studentin oder ein früherer Student des Kasseler Studiengangs mit ganz unterschiedliche Praxiserfahrungen und ein Kollege zu einem Korreferat eingeladen. Unbeschwert, ohne den Zwang zur praktischen Umsetzung, konnte der Emeritus auf die Korreferate und die kurze öffentliche Diskussion reagieren und seine Schlussfolgerungen für die Zukunft der Planung und des Studiums darlegen: die Antworten von Klaus Pfromm. Mit der vorliegenden Dokumentation des Kolloquiums werden die unterschiedlichen Ansätze zur Bewertung der aktuellen Aufgaben der Stadt- und Regionalplanung ebenso wie die Vorschläge für die Verän- derung der Ausbildung von Planerinnen und Planern einem breiteren Kreis von Fachleuten zugänglich gemacht. Die Dokumentation folgt im Prinzip dem Konzept des Kolloquiums: Nach einer Einleitung durch den Dekan Prof. Dr. D. Ipsen sind für jeden Themenkomplex die The- sen von Klaus Pfromm und die Korreferate im Wortlaut nachlesbar mit einer Ausnahme. Der Beitrag von Prof. Dr. Kunzmann – ursprüng- lich auf das Thema der schrumpfenden Stadt bezogen – wurde von ihm in Richtung auf die aktuellen Anforderungen an die Internationa- lisierung des Studiums überarbeitet. Unter dem Titel: "International sein oder nicht sein? Wie muss die Ausbildung von RaumplanerInnen in Deutschland auf die Herausforderungen der Globalisierung reagie- ren?" nimmt dieser Beitrag einige Aspekte der Diskussion zur Refor- mierung des Studiums auf und entwickelt sie weiter. Die Diskussion zu den Themenblöcken und die Abschlussdiskussion sind in Kapitel 4 zusammenfassend dargestellt. Während des Kollo- 6 quiums wurde der Bedarf nach einer breiten öffentlichen Diskussion über die zukünftigen Aufgaben von Planung für den Erhalt und die Verbesserung der Lebensqualität in den Stadtregionen, aber auch im Verhältnis zur Rolle von ArchitektInnen, InvestorInnen und PolitikerIn- nen mehrfach unterstrichen. Mit den Anregungen, die während des Kolloquiums vorgetragen wurden, – wie z.B. die "Verflüssigung der Planung" oder die Ausbildung von Architekten und Planern als "Urbanisten", will diese Dokumentation ihren bescheidenen Beitrag leisten zu einer kreativen Debatte über die Zukunft der Planung. Den StudentInnen Thomas Gogol, Doreen Köhler, Marco Link, Silke Schuster und Ulrich Seyfahrt sowie der Kollegin Christine Hoffmann sei herzlich gedankt für ihre tatkräftige Unterstützung bei der Durch- führung des Kolloquiums. Besonderer Dank gilt den wissenschaftli- chen MitarbeiterInnen Michael Glatthaar und Anke Kaschlik für ihre unermüdliche Mitarbeit bei der Vorbereitung, Durchführung und Dokumentation des Kolloquiums. 7 Dr. Detlef Ipsen, Dekan (Einleitung) Zum Abschied in die Zukunft denken Dass Klaus Pfromm zu seinem zumindest formellen Abschied vom Fachbereich für Stadt – und Landschaftsplanung ein Kolloquium über die Zukunft der Planerausbildung organisiert hat, liegt in der Kontinui- tät seiner Arbeit an diesem Fachbereich. Als Mann der ersten Stunde hat er sich immer um die Entwicklung und die Zukunft dieses Fachbe- reiches gekümmert und gestritten. Und gerade heute ist es besonders wichtig, die Zukunft der Planung und der Planerausbildung neu zu entwerfen. Zugegeben wir haben im Moment mehr Fragen als Antworten. Und schlimmer noch: Um der Verunsicherung über die Rolle der Planung in einer komplexen, sich schnell verändernden Welt zu begegnen, wer- den alte Dualismen neu erfunden. Da wird wieder mal der künstleri- sche Entwurf der wissenschaftlichen Planung gegenüber gestellt, da wird Ästhetik gegen Rationalität ausgespielt und das Lied der Praxis gegen die Theorie angestimmt, so als wäre nicht schon seit langem die Einsicht formuliert worden, dass es der Widerspruch und das Widersprüchliche ist, das uns befähigt, komplexe Probleme zu lösen. Der Hang zur dualistischen Reduktion der Komplexität hat leider sehr praktische Folgen. Eine Professur für Landschaftsgeschichte und Ästhetik wird gegen den Bedarf nach Planung und praktischen Ent- wurf gestellt, als sei das Wissen um Ästhetik und Geschichte der ver- meidbare Luxus einer Ausbildung zu Planung und Entwurf. Ganz nebenbei und ungewollt wird den Studierenden signalisiert: Wer plant und entwirft braucht wenig Wissen. Und ganz gegen die Geschichte unseres Fachbereichs, der sich stets multidisziplinär verstanden hat und sich damit in Deutschland ein deutliches, streitbares Profil geben konnte, wird einer disziplinären Verengung das Wort geredet. Diese Tendenzen sind überaus gefährlich für die weitere Entwicklung der Planungsdisziplin, der Ausbildung von Planern und Architekten im Allgemeinen und für die Marktfähigkeit unseres Fachbereiches in Kas- sel. Die Universität Kassel und damit der Fachbereich liegen in einer kleinen und wenig dynamischen Region. Wenn wir nur für die interes- sierten Schüler dieser Region attraktiv sind, wird die Zahl der Studie- renden bald wieder sinken. Gerade in der Provinz braucht man eine 8 klares und in Deutschland und den angrenzenden europäischen Län- dern (und darüber hinaus) für bestimmte Studierende attraktives Pro- fil. Dieses Profil muss sich bilden, indem man sich mit den großen und kleinen Problemen der Zukunft beschäftigt. Ohne dass wir die Zukunft voraussehen könnten, zeichnet sich ab, dass die Welt eher komplexer als einfacher wird. Die Verflechtung der europäischen Länder lässt neue Schwerpunkte und Entwicklungskorri- dore entstehen. Die tendenzielle Abnahme der Bevölkerung in den meisten Ländern Europas dürfte in den nächsten fünfzig Jahren erhebliche Wanderungsbewegungen auslösen. Ganze Landstriche werden sich entleeren, Städte werden verfallen. Andere Stadtregionen werden wachsen. Es wird Städte mit hundert verschiedenen Kulturen geben. Was können Stadträume für einen Beitrag leisten, um diese kulturelle Komplexität produktiv zu bewältigen oder gar als Potenzial zu nutzen. Neue Landschaften werden entstehen, sekundäre Urwäl- der und Savannen. Welche Chancen und Gefahren sind damit ver- bunden, was bedeutet dies für die Landwirtschaft, den Forst, den Tourismus? Das Klima wird sich in Mitteleuropa in den nächsten fünf- zig Jahren um 2 Grad erwärmen. Was bedeutet dies für die großen Flusssysteme, was bedeutet dies für das Wetter und die damit verbun- denen Extremereignisse? Wie eigentümlich naiv wirkt in diesem Zusammenhang die Frage, ob denn Planung noch notwendig sei. Wenn man denn Blick ein wenig ausweitet und über Kassel, Hessen und Deutschland hinausschaut, verstärkt sich für mich der Eindruck der Weltfremdheit mancher Diskussionen in diesem Hause. Cairo ist vier Flugstunden von Frankfurt entfernt. Diese Megastadt wächst jähr- lich in der Größenordung einer Stadt wie Kassel. Das meiste davon ist selbstregulierte Stadtentwicklung wie fast überall in Asien, Afrika und Südamerika. Glaubt man im Ernst, es gehe uns nichts an, was Pla- nung und Architektur in solchen Systemen für eine Rolle spielt? Die Frage ist nicht, ob man Planung braucht, sondern welche Planung gebraucht wird. Muss es ein neues Planungsparadigma geben wie den Funktionalismus oder sollte auch die Planungstheorie pluralistisch werden. Auch hier gilt: Es ist nicht die Frage, ob die praktische Pla- nung theoretisch fundiert sein muss, sondern um welche Theorie es sich handelt. Ich bin mir sicher, dass die folgenden Beiträge und Diskussionen dazu beitragen, die richtigen Fragen zu stellen und die Korridore der Ant- worten abzustecken. Ich selbst bin der Ansicht, dass es gerade die 9 Verschränkung von wissenschaftlich-systematischer Analyse und gegenständlichem Entwurf ist, die den Beitrag für die Gestaltung der zukünftigen Raumentwicklung leisten kann, den man von einer aka- demischen Planerausbildung erwarten darf. 10 Die Städte schrumpfen und wachsen zugleich Klaus Pfromm, Einführung Die deutschen Städte werden in der Summe, bei Fortschrei- bung der aktuellen Entwicklung und einer jährlichen Zuwanderung von 100.000 Personen, in 50 Jahren bis zu 15 Mio. Einwohner verlieren. Bis 2050 wird die Überalte- rung von 23 % auf 35,8 % weiter zunehmen (Statistisches Bundesamt). Wenn einige Städte ihre Verluste dämpfen können, werden andere um so stärker schrumpfen. In allen Städten wird überproportional der Verlust deutscher, wohlhabender Bür- ger fortschreiten und der Anteil der Einwanderer steigen. In den ostdeutschen Städten, bestimmt von Abwanderung und Wirt- schaftsschwäche, schlagen sich Planer zunehmend mit den Folgepro- blemen der Schrumpfungsprozesse herum. Aber immer gerade soweit, wie die Auswirkungen aktuell wirksam werden. Zunächst mit überflüssigen Kindergärten, dann mit entleerten Schulen und nun mit dauerhaftem Wohnungsleerstand. Der demographische Strukturwan- del wird alle Bereiche des städtischen Lebens verändern und vor allem in der Wohnungspolitik und für die Infrastrukturausstattung erhebli- che Anpassungsänderungen verlangen. Planungsmodelle werden erforderlich für eine Stadt, in der die Bevölkerung schrumpft und sich in ihrer Zusammensetzung dramatisch wandelt. Wenn es der deutschen Politik gelingt den Bevölkerungsschwund durch Einwanderung zu bremsen, werden 200.000 Einwanderer pro Jahr die Einwohnerzahl 2050 auf 70 Millionen stabilisieren, das wer- den in der Summe 10.000.000 Personen sein, im oberen und vor allem im unteren Beschäftigungssektor. Diese Zuwanderer und ihre Kinder werden in erster Linie in den wirtschaftlich starken Städten wohnen und arbeiten, auszubilden und zu integrieren sein. In den zentralen Stadtquartieren wird ihr Anteil deutlich über 50 % betra- gen. Nach den Erfahrungen in Einwanderer-Städten wird die Segrega- tion der Ethnien mit dem Ansteigen ihrer Mitglieder zunehmen. Kann unter diesen Umständen das Modell direkter, individueller Inte- gration aufrecht erhalten werden oder muss auch planerische Vor- sorge getroffen werden für einen gestuften Prozess, ausgehend von 11 gewollt ethnisch dominierten Stadtquartieren und ihren besonderen Ansprüchen und Leistungsmöglichkeiten? Die demografische Entwicklung wird überlagert vom Wandel der Arbeitswelt und der Lebensstile. Die global orientierte Wirtschaft ver- langt von Betrieben und Personal erhebliche Mobilität. Standorte von Unternehmen, Arbeitsplätzen und Beschäftigten werden häufiger betrieblichen Anforderungen angepasst. Die lokale Wirtschaft wird im Dienstleistungssektor angepasst und erweitert werden müssen. Der Betreuungsbedarf für Senioren wird steigen und sich ausdifferenzie- ren. Die Konkurrenzfähigkeit der Städte im nationalen und internatio- nalen Standortwettbewerb, aber auch zwischen den Städten, wird entscheidend von differenzierten, auch neuen Wohnangeboten, von Dienstleistungsqualität, von qualifizierten Arbeitskräften und vom lokalen Verwaltungs- und Planungsklima abhängen. Die räumliche Segregation der relativ homogenen Stadtbevölkerung verstärkt sich entlang der Trennungslinien von Vermögen, Berufsquali- fikation und Ausländeranteil und spaltet die Stadt in sichere, saubere Quartiere und gefährliche und verwahrloste Orte. Dem Mischungspa- radigma der Planung steht eine sich weiter segregierende städtische Struktur gegenüber. Der Arbeits-, Konsum- und Freizeitstil der Indu- strie-Dienstleistungsnationen ist zunächst zukunftszerstörend. Den- noch gilt, dass in den Städten die Aussichten für einen Weg zur Nach- haltigkeit am größten sind. Am wichtigsten ist sicher die zivilgesell- schaftliche und politische Entwicklung bescheidener Lebensführung. Doch auch für die Planung muss die Entwicklung von wirksamen Instrumenten zur zukunftsfähigen Verstärkung und Ausgestaltung der Innenentwicklung intensiviert werden. Als wesentliches Element der Stabilisierung stadtgesellschaftlicher Verantwortung und Sicherheit ist die Bildung von Wohneigentum erkannt. Nun muss das planerische Wohlfahrtsparadigma der Fürsorge für Benachteiligte durch die Unter- stützung der Normalhaushalte ergänzt werden. 12 Regina Sonnabend Schrumpfung und Planung: Anmerkun- gen aus einer ostdeutschen Perspektive I. Spätestens seit der Veröffentlichung des Berichtes der Regierungskommis- sion „Wohnungswirtschaftlicher Struk- turwandel in den neuen Bundeslän- dern“ im November 2000 sind die dra- matischen Einwohnerverluste und in deren Folge eklatante Leerstände im Geschosswohnungsbau ostdeutscher Städte (derzeit ca. 1 Millionen Woh- nungen) und die Frage, wie Schrump- fung zu steuern sei, in der Fach- und Politikdebatte. Sachsen und seit kurzem auch Sachsen-Anhalt verlangen von den betroffenen Kommu- nen Stadtentwicklungskonzepte, die den Stadtumbau als möglichst geordneten Rückzug aus der Fläche begleiten und anleiten sollen. Nur dann sind die Landesregierungen bereit, den seit Mitte der 90er Jahre von der Wohnungswirtschaft zunehmend geforderten Abriss von Wohnungen – die Kommission empfiehlt jetzt den Rückbau von 300–400 Tausend Wohnungen in Ostdeutschland – zu subventionie- ren. Kaum liegen nun erste Rahmenkonzepte vor, machen Städte wie Leip- zig erste Erfahrungen mit dem Widerstand von Wohnungsgesellschaf- ten gegen die kommunalen Pläne für den stadtverträglichen Rückbau: Was unter städtebaulichen Aspekten als sinnvolle „Arrondierung“ von Stadtteilen – und das meint hier Reduktion in Größenordnungen – betrachtet wird, trifft im konkreten Fall wesentliche Teile des Bestan- des einer Gesellschaft und bedeutet möglicherweise deren entgültiges wirtschaftliches Aus, das den betroffenen Unternehmen jedoch auch drohen kann, wenn sie den Leerstand unangetastet lassen. Denn die mit dem Leerstand verbundenen Kosten sind von den Unternehmen nicht länger zu finanzieren. In dieser Situation kommen Hoffnungen und Kalküle der Wohnungsunternehmen ins Spiel, dass jeder Bankrott eines Konkurrenten die Chancen der verbliebenen Unternehmen im Wettbewerb um immer weniger und wählerischer werdende Kunden 13 auf dem kommunalen Wohnungsmarkt erhöht, der mittlerweile ein reiner Mietermarkt ist. Die Struktur der Immobilienwirtschaft in Ost- deutschland (die ja gleichzeitig mit dramatischen Leerständen bei Gewerbe- und Handelsimmobilien konfrontiert ist) wird sich am Ende dieses Marktbereinigungsprozesses, der mittel- und langfristig abläuft, vollständig verändert haben. Die Erfahrungen mit den Privatisierungen der ostdeutschen Industrie- unternehmen durch die Treuhand in den 90er Jahren lassen erwarten, dass Kommunen in Zukunft mit völlig neuen, wahrscheinlich häufig wechselnden, rein ökonomisch operierenden Partnern am Tisch sit- zen, die attraktive Bestände insolventer und zwangsversteigerter Wohnungsunternehmen in den kommenden Jahren aufkaufen wer- den. Deren Absichten werden sich kaum an gesamtstädtischen oder teilräumlichen Entwicklungsvorstellungen sondern an eigenen betriebswirtschaftlichen Interessen orientieren. Qualifizierte städtische Entwicklungskonzepte, die Positionen zur Entwicklung der Kommu- nen verdeutlichen, sind ein wichtiges Instrument, den Dialog nicht zuletzt mit diesen neuen Akteuren zu bestreiten. Sie müssen aber auch Spiegel einer nüchternen Bestandsaufnahme und zukunftsbezo- genen Selbstvergewisserung der Städte sein. II. „Unsere Kultur kann Schrumpfung nicht denken“, sagte unlängst der Architekturkritiker Wolfgang Kil. „Kann Planung Schrumpfung lenken?“ ließe sich im Anschluss fragen. Die Planungsdisziplin hat im 20. Jahrhundert über lange Zeit nur Konzepte und Instrumentarien zu Steuerung von Zuwächsen entwickelt. Die Hinwendung der Planung zum Thema der Bestandsentwicklung und -pflege, nicht nur in Traditi- onsinseln, die den touristischen Blick auf sich ziehen, sondern auch in Stadtteilen mit besonderen ökonomischen, sozialen und/oder Umweltproblemen, ist eine Errungenschaft der letzten beiden Deka- den. Sie macht deutlich, dass die Disziplin in der Vergangenheit fähig war zu Reformen und Anpassungsleistungen an eine veränderte Reali- tät der Industriegesellschaft. Anfang der 80er Jahre gerieten Planungskonzepte mit umfassendem Regulierungsanspruch ins Hintertreffen, während projektorientierte, inkrementalistische Modelle und gleichzeitig prozessorientierte, kooperative Planungsstrategien, die zwischen Staat, Markt und priva- ten Akteuren vermitteln, ins Handlungsrepertoire innovativer Planung Eingang fanden. Seit einiger Zeit gibt es Indizien für eine Renaissance von wieder umfassenderen Planungskonzeptionen. Darauf weist nicht 14 nur die Forderung nach Stadtentwicklungskonzepten für die Einbet- tung von flächenhaftem Wohnungsabriss in ostdeutschen Städten hin. Auch die Versuche zur Vernetzung, Abstimmung und Steuerung regionaler Entwicklungen im Rahmen gemeinsam ausgehandelter und vereinbarter Entwicklungsziele und Modellprojekte, mit denen Vorteile im globalen Wettbewerb von Wirtschaftsregionen erzielt werden sol- len, sind Ausdruck des Bedarfs an stärker integrierten, qualitativ aus- gerichteten Konzeptionen zur regionalen Profilbildung. Angesichts ablaufender räumlicher Restrukturierungen in Europa vor dem Hintergrund demografischer Entwicklungen und der sich weiter globalisierenden Ökonomie, wie sie hier auch von Klaus Pfromm skiz- ziert worden sind, ist die Frage wichtig, ob die planerischen Leitbilder und Werkzeuge ausreichen, Entwicklungen „anzuleiten“ oder zu ori- entieren, und wie sich die Ausbildung in den Planungsdisziplinen auf die neuen Herausforderungen einzustellen hätte. Planung kann auf die „Radikalisierung“ räumlicher Entwicklungen, die sich einerseits als zunehmende Urbanisierung wirtschaftlich pro- sperierender Stadtregionen und andererseits als weitgehende Deurba- nisation und Deökonomisierung von strukturschwachen Räumen dar- stellt, nur indirekt und bedingt Einfluss nehmen. Das muss sie tun mit einem differenzierten Register von Strategien, die in Ansätzen bereits entwickelt sind, aber zukünftig viel entschiedener weitergedacht und operationalisiert werden müssen. Ostdeutschland bietet derzeit vielleicht den Modellfall für den Abschied vom grundgesetzlichen Postulat der Herstellung von gleich- wertigen Lebensbedingungen, der maßstabbildend für die räumliche Planung im Nachkriegsdeutschland war. Das Nachvereinigungs- deutschland ist nicht die erweiterte alte Bundesrepublik, sondern ein neues Land mit deutlichem Wohlstandsgefälle West-Ost: Die Aussicht auf bessere Verdienstmöglichkeiten und Arbeitsplätze zieht verstärkt junge, gut ausgebildete Ostdeutsche nach Westdeutschland, die dort einen Teil des Bruttoinlandproduktes erwirtschaften, das in Transfer- zahlungen zur Stabilisierung, langfristigen Entwicklung und Restruk- turierung nach Ostdeutschland zurückfließen wird. Die bis 2015 vom Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung prognostizierte räumli- che Entwicklung für die Bundesrepublik zeigt das weitere Leerlaufen großer Teile von Mecklenburg-Vorpommern, Nordbrandenburg, Sach- sen-Anhalt, Thüringen und Sachsen zugunsten weniger ostdeutscher Wachstumsregionen vor allem um Berlin und im sächsischen Städte- raum zwischen Leipzig, Dresden und Chemnitz. Im Vergleich dazu hat 15 Westdeutschland solchen Bevölkerungsschwund in den nächsten 15 Jahren „nur“ für das Ruhrgebiet, das Saarland und die Schwäbische Alb zu erwarten. III. „Schrumpfung planen“ erfordert nicht einfach das Einlegen des „Rückwärtsganges“ zur Umkehrung von Wachstumsplanungen: Etwa Abriss des Geschosswohnungsbaus in der chronologischen Reihen- folge seiner Errichtung. – Es ist nicht zu erwarten, dass im Ergebnis der hier für Ostdeutschland skizzierten Schrumpfungsprozesse sukzes- sive die Stadterweiterungen des 20. Jahrhunderts abgetragen wer- den, und sich auf diese Weise die Kerne der europäischen Stadt wie- dergewinnen lassen, obwohl das Sehnsüchte mancher Akteure sind. Vielmehr wird sich die Fragmentierung des Stadtraumes fortsetzen und vergrößern in einem Maß, das unsere Vorstellungskraft derzeit wahrscheinlich noch übersteigt: Man könnte an Siedlungsschollen denken, die auf der Brache schwimmen wie letzte Fettaugen auf einer ansonsten mageren Suppe. Die Verinselung von Stadt in Fragmente unterschiedlicher Prosperität und baulicher Dichte wird den Raum bestimmen sowohl in absolut schrumpfenden wie auch denjenigen Städten, die durch Suburbanisierung flächenmäßig weiter wachsen. Auf diese Verdünnung und Entdichtung kann Politik mit der Formie- rung und Förderung von regional operierenden Gemeinden und Städ- ten reagieren: Eingemeindungen sind ein Instrument der kurzfristigen Entspannung des Problems. Der Versuch, im Zuge regionalisierter Wirtschaftspolitik strategische Kooperationen und Entwicklungsvorha- ben innerhalb von Regionen anzuregen, ist eine weitere Strategie, die jedoch bisher zu wenig innovative Entwicklungen hervorbringt und von den Städten nur zögernd als Chance für neue Entwicklungsim- pulse begriffen wird. Welche Leitbilder/Ansätze können den ostdeutschen Stadtumbau anleiten im Sinne der „Schrumpfung als Chance“ und des Erhalts von kommunaler Handlungsfähigkeit und Stärkung der Zivilgesellschaft? Wichtig sind aus meiner Sicht: - Förderung und Stärkung von regionalen Netzwerkstrukturen moder- ner Produktion und Dienstleistungen im Verbund mit der Entwick- lung von Forschungs- und Bildungseinrichtungen - Zulassen und Unterstützen von „Ökonomien in Nischen“ und infor- meller Arbeit, die den Charakter von akzeptierten „Sonderwirt- schaftsformen und -räumen“ annehmen könnten. Infrastrukturell- landschaftsbezogene Planungskonzepte, die Logistik und Vernet- 16 zung sowie differenzierte Freiraumqualitäten als robustes, strategi- sches Entwicklungsgerüst definieren, optimieren, herstellen oder erhalten: Was übrig bleibt (und neu dazu kommt) an Funktionen, Nutzungen, Gebäuden, Aktivitäten, ist auf dieses Basisgerüst zu beziehen - Im Kontext solcher Infrastruktur-, Landschafts- und Freiraumgerü- ste müssten Städtebau und Architektur konzeptionell begriffen werden als Herstellung eines mehrdimensionalen, offenen Raumes, der Wohnen, Arbeiten und Freizeit überlagert und verdichtet. Die- ses Konzept lässt sich prinzipiell im Bestand wie im Neubau verfol- gen. Allerdings geht es dabei um andere und neue urbane Leitbil- der als das der nutzungsgemischten europäischen Stadt. - Motivation von (Frei)Raumaneignung als Steigerung des Konsums vorhandener leergefallener Flächen zum fast „Nulltarif“ - Unterstützung für Eigeninitiativen, die wirtschaftliche Impulse geben und/oder den demokratischen und sozialen Aktionsraum der Stadt dichter, vielfältiger machen und stärken - Moderation von Interessenskonflikten und Auseinandersetzungen um die Nutzung und Gestaltung von städtischen Räumen und Res- sourcen, die auch auftreten, wenn „zu viel Raum“ vorhanden ist - Interkommunale und regionale Kooperation zur Bündelung von Ressourcen und Abstimmung von ökonomischen, räumlichen und sozial-ökologischen Entwicklungen - Schrumpfende Städte und Regionen müssen ihre Zukunft als „abgespecktes“ und höchst qualitätvolles Programm neu erfinden. Maßgebend für die Entwicklung schrumpfender Städte und Regio- nen sind die gleichen Trends, denen sich prosperierende Stadtregio- nen stellen müssen: Wissen und Bildung, Informatisierung und Miniaturisierung von Produktion als Basis der neuen Ökonomie, Telematisierung des Arbeitens und Wohnens, Ausdifferenzierung und gleichzeitige Homogenisierung von sozialen Milieus, die gesteigerte Erlebnis- und Ereignisorientierung als Motiv gesell- schaftlicher Praxis sind hier zu nennen. IV. Für die Hochschulen und ihre Ausbildung in den Planungsdiszipli- nen ergibt sich meines Erachtens die Herausforderung, neben einem grundständigen Studium, das architektonisch-urbanistische, land- schaftsplanerische und raumplanerische Methoden und Strategien vermittelt, eine breite Spezialisierung in den angedeuteten Richtun- gen zu ermöglichen, die von der Regionalentwicklung über das 17 Immobilienmanagement bis zum Quartiersmanagement reicht. Das ist ein Spektrum, das von einzelnen Hochschulen kaum vorgehalten wer- den kann. Ich würde eine Chance darin sehen, wenn sich Universitä- ten mit planungsrelevanten Studienangeboten national und auf euro- päischer Ebene vernetzen und abgestimmte Curricula entwickeln, die in einem solchen internationalen Hochschulverbund studiert werden können und zu anerkannten Abschlüssen führen. Das würde die Kon- zentration von Kompetenzen und Profilierungen einzelner Planungs- fakultäten zu lassen, die sich weniger konkurrierend als kooperierend mit anderen Anbietern in einer europäischen Planungsbildungsland- schaft behaupten. Die weitere Durchsetzung der neuen Kommunika- tions- und Informationstechnologien unterstützt ein derartiges Kon- zept transnationaler Ausbildung. 18 Dr. Klaus Kunzmann International sein oder nicht sein? Wie muss die Ausbildung von Raumplanerinnen in Deutsch- land auf die Herausforderungen der Globalisierung reagieren? Überarbeiteter Text des Vortrages aus Anlass des Abschiedskolloqui- ums für Klaus Pfromm zum Thema “Stadt- Planung- Studium: Per- spektive 21. an der Universität/Gesamthochschule Kassel am 02-02- 2001 1. Das neue Interesse an der Internationalisierung der Hochschulen in Deutschland Seitdem die überregionalen Zeitungen mit immer neuen Aufforderun- gen an die sehr mit sich selbst und ihren Gremien befassten Hoch- schulen, doch den globalen Zug nicht zu verpassen, die politische Öffentlichkeit alarmiert haben, vergeht keine Woche, in der nicht neue Initiativen zur Internationalisierung deutscher Hochschulen angekündigt werden. Das Thema Globalisierung ist daher auch an deutschen Universitäten zu einem aktuellen hochschulpolitischen Thema geworden. Die Europäische Kommission hatte schon vor Jah- ren die Notwendigkeit zur Überwindung nationaler Bildungsgrenzen postuliert. Die von ihr angestoßenen europäischen Austauschpro- gramme ERASMUS und SOCRATES haben ihre ermunternde Wirkung auf Studierende in Europa nicht ver- fehlt, doch für ein Semester ins Ausland zu gehen. Auch ein immer größerer Anteil von Studentinnen* aus Deutschland tut dies. Natürlich möchten alle am liebsten nach Großbritannien, schon der Spra- che wegen. Aber auch Frankreich, Italien, Spanien, Schweden und die Niederlande sind nicht viel weniger attraktiv. Darüber hinausfinden sich dann doch immer weniger, die nach Portugal, Polen, Finnland oder Griechenland gehen wollen, es sei denn sie studieren Sprach- oder Kulturwissen- schaften. Aber auch der deutsche akademische Auslandsdienst und die Deutsche Forschungsgemeinschaft bieten Anreize für die Einrich- tung internationaler Studiengänge an und immer mehr Hochschulen 19 in Deutschland, allen voran die Fachhochschulen, bieten Programme an, in deren Verlauf ein Auslandsemester vorgesehen ist. Raumplanerinnen, jedenfalls die, die in der Tradition der Architektur- ausbildung standen, hatten schon immer neugierige Blicke über den nationalen Raum geworfen. Sie stehen Auslandsaufenthalten sehr offen gegenüber, weil sie wissen, dass die alle Lebensbereiche durch- dringende Globalisierung erhebliche Auswirkungen auf die Entwick- lung von Städten und Regionen in Europa hat. Sie sind wissbegierig, was in anderen Ländern geschieht, sie erhoffen sich neue Anregun- gen und kommen, nachdem sie mit distanziertem Blick von außen die deutsche Planungslandschaft neu schätzen gelernt haben, mit neuen Ideen zurück. Oft sind die Studierenden an den Fakultäten für Raum- planung bereits sehr viel internationaler orientiert, als diejenigen, die sie in die Geheimnisse der Raumplanung als Wissenschaft oder als Beruf einweihen. Und sie lesen natürlich auch in den Medien und Anzeigen, jedenfalls in solchen aus dem Bereich der Wirtschaftswis- senschaften, dass Auslandserfahrung bei der Bewerbung um eine attraktive Stelle heute bereits unverzichtbar ist. International sein oder nicht sein ist also für sie gar keine ernsthafte Frage. Sie sind es bereits. In diesem Beitrag geht es daher auch nicht darum, die Notwendigkeit der Internationalisierung der Ausbildung von Raumplanerinnen noch einmal zu begründen. Es geht um zweierlei. Zunächst geht es darum, Anregungen dafür zu geben, wie deutsche Studierende auf die wach- senden internationalen Anforderungen des Berufsfeldes Raumpla- nung in deutschen Städten und Regionen sinnvoll vorbereitet werden, aber auch, wie sie auf einem europäischen Arbeitsmarkt konkurrenz- fähig werden bzw. bleiben. Zum anderen geht es aber auch darum, darauf hinzuwirken, dass sich die Planungsfakultäten in Deutschland in Zukunft sehr viel mehr darum bemühen, ausländische Studierende nach Deutschland zu holen bzw. für Deutschland zu interessieren. Wie, das soll in diesem Beitrag auch angesprochen werden. 2. Warum ist Globalisierung auch ein Thema für die Raumplanung? Das Warum bedarf im Grunde keiner ausführlichen Begründung mehr. Die Auswirkungen, die Globalisierung auf die Entwicklung von Städten und Regionen in Deutschland hat, sind schon tausendfach beschrieben worden. Es sind im Wesentlichen die folgenden Heraus- forderungen, mit denen insbesondere die großen Stadtregionen kon- frontiert sind: 20 Die Stadtregionen in Deutschland sind, wie die anderer Länder Euro- pas auch, einem zunehmenden internationalen Standortwettbewerb um Investoren, Investitionen, Arbeitsplätze und qualifizierte Arbeits- kräfte ausgesetzt. Sie reagieren darauf mit einer nicht immer sehr rationalen außenorientierten Stadtpolitik („Stadt-Außenpolitik“), einer Politik der spektakulären großen Projekte und medienwirksamer Ereignisse, die nicht ohne polarisierende Folgen für die kommunale Stadt-Innenpolitik bleibt. Weltweit aktive Ketten von Markenunternehmen in Handel und Dienstleistung verdrängen immer mehr alteingesessene Familienunter- nehmen von ihren traditionellen Standorten in den Innenstädten. Damit passen sich die Erscheinungsformen von Innenstädten und Ein- kaufszentren einem nivellierenden internationalen Profil an, wenn nicht lokale Baustrukturen und bauliche Symbole so stark sind, dass sie die unaufhaltsame Internationalisierung urbaner Baustrukturen auch weiterhin dominieren. Die globalen Verflechtungen von Wirtschaftsunternehmen verändern die Standortlogik lokaler Unternehmen. Sie nutzen in zunehmendem Maße Produktionsstandorte in Billiglohnländern und suchen für ihre Forschungs- und Entwicklungszentren die Nähe von renommierten Forschungseinrichtungen oder „lifestyle“-Regionen, auch wenn ihre (immer kleiner werdenden) Hauptverwaltungen in der Regel am tradi- tionellen Standort verbleiben. Die Stadtregionen müssen sich, und sie tun dies im Zusammenhang mit offeneren Grenzen in Europa auch immer mehr, auf die Zuwande- rung von einer zunehmende Zahl von ausländischen Bürgern unter- schiedlicher Herkunftsländer einlassen, die aus anderen kulturellen Lebenszusammenhängen stammen und daher auch ganz andere Anforderung an eine mehr und mehr erforderliche multikulturelle Stadtpolitik und städtische Infrastruktur stellen. Mit einer wachsenden Zahl an Migranten breiten sich ethnisch geprägte lokale Ökonomien in fast allen europäischen Stadtregionen weiter aus. Es entstehen räumlich begrenzte Cluster und inhaltlich spezialisierte Stadträume, die ganz andere stadtentwicklungspolitische Herangehensweisen erfordern. Mit dem unbegrenzten Zugang zu globalen Informationen und Wis- sen internationalisieren sich die Wertesysteme der Bürger. Regionale und nationale Traditionen verlieren gegenüber mediengekürten Lebensstilen und kurzlebigen Moden an Bedeutung. Dies wirkt sich 21 auf alle Bereiche des urbanen Lebens aus. Der Niedergang der öffent- lichen städtischen Badeanstalten und der Aufstieg der privaten Spaß- bäder und Badeanstalten ist nur ein Beispiel dafür. Freizeit ist in der globalisierten Wohlstandsgesellschaft zu einem vom Markt bestimm- ten Konsumgut geworden, das durch stark vorgeprägte, an interna- tionalen Trends orientierte Freizeitangebote regionale Traditionen immer weiter verdrängt. Städte sehen sich gezwungen, die Balance im Spannungsfeld von unterhaltungsorientiertem „Urban Entertain- ment“ und regionalen bildungsbezogenen Kulturangeboten zu hal- ten. Planerinnen, die im öffentlichen Sektor in Städten und Regionen arbeiten, oder als Entwickler, Consultants oder Forscher für öffentli- che und private Institutionen und Investoren tätig sind, müssen sich mit diesen internationalen Wirkungen auf ihr Aufgabenfeld in Städ- ten und Regionen auseinandersetzen. Sie müssen darauf reagieren und innovative Strategien entwickeln und durchsetzen. Dies über- steigt den alten Kanon von Lehrinhalten, die in der Vergangenheit im wesentlichen an den „städtebaulichen“ Anforderungen des Referen- dariats ausgerichtet waren und meist auch noch sind. 3. Warum studieren so wenige Ausländerinnen an deutschen Hochschulen? In den letzten Jahrzehnten ist es schwierig geworden, ausländische Studierende nach Europa, nach Deutschland einzuwerben. Woran liegt es? Diese Frage stellen sich derzeit sowohl die Europäische Union, wie einzelne, nicht- englischsprachige Länder Europas, nach- dem sie wahrgenommen haben, dass der Sog internationaler Eliten in die USA, langfristig erhebliche Nachteile für Wissenschaft und Wirt- schaft in Europa mit sich bringt. Während jeder deutsche Studierende gerne ein Aufbaustudium an einer der bekannten Elite-Hochschulen der Vereinigten Staaten machen möchte, gibt es beispielsweise nur sehr wenig nordamerikanische Studierende, die denselben Wunsch äußern, dies in Europa oder in Deutschland zu tun, sieht man von Studierenden im Bereich Architektur oder Musik einmal ab, wo Europa immer noch ein Wunschort für weiterbildende Studien ist. Für viele asiatische Studierende sind die USA selbstverständlich das Land mit der höchsten Priorität für ein Auslandsstudium, jedenfalls im Bereich der Wirtschafts- und Gesellschaftswissenschaften, aber auch für Ingenieur- und Planungswissenschaften. Erst wenn ein amerikani- sches Stipendium nicht zu erhalten ist, wird ein deutsches als Trost- pflaster akzeptiert. 22 Die zentralen Gründe sind schnell aufgezählt: Sprache, Image, Marke- ting, Studienstrukturen, Internationale Präsenz und Arbeitsmarkt. Nie ist es ein Grund allein, immer ist es eine Kombination von Gründen, warum deutsche Hochschulen nicht vorne auf der Wunschliste von Studierenden aus aller Welt stehen, trotz aller Bemühungen von DAAD und Humboldt-Stiftung. Deutsch als Studiensprache Deutsch wird in immer weniger Ländern als Fremdsprache gelehrt und gelernt, als Wissenschaftssprache hat sie in den letzten Jahrzehn- ten ihre Bedeutung ganz verloren. Ein Studium in Deutschland ist mit ganz wenigen Ausnahmen (beispielsweise der Studiengang SPRING an der Universität Dortmund) ohne den Nachweis von Deutschkennt- nissen nicht möglich. Einzelne englische Lehrveranstaltungen, die inzwischen an Hochschulen angeboten werden, lösen dieses Problem auch nicht. Und noch sind nicht alle Lehrenden an deutschen Univer- sitäten in der Lage, anspruchsvolle Lehrveranstaltungen in englischer Sprache anzubieten. (Es war ja in der Vergangenheit auch kein Krite- rium bei Berufungen.) Selbst das weitgehend kostenlose Studium in Deutschland ermutigt nur wenige ausländische Studierende, auch deutsch zu lernen (Vielleicht ist ja auch das, was billig ist, nichts wert!). Inflexible Studienstrukturen Die wenig gegliederten Studienstrukturen des deutscher Hochschulsy- stems erfordern sehr lange Studienzeiten. Eine Studiendauer von zehn und mehr Jahren bis zum Abschluss eines ingenieurwissenschaftlichen Doktorats (und ohne diesen begehrten Titel wollen nur wenige asiati- sche Studierende nach Hause kommen) ist nicht ungewöhnlich. Hier zeichnen sich inzwischen erste Änderungen ab, die es, zusammen mit internationalen Anerkennungsverfahren, ausländischen Studienbe- werberinnen leichter machen, für nur eine begrenzte Zeit nach Deutschland zu kommen. Wenig zielgruppenorientierte Studienangebote Für Studierende aus dem Ausland wurden in der Vergangenheit nur wenige Programme angeboten, die auf deren Bedürfnisse ausgerich- tet waren. Es galt die Regel; ausländische Studierende müssen das ler- nen, was auch deutsche Studierende lernen müssen. Dies war und ist, 23 insbesondere im Vergleich mit angloamerikanischen Hochschulen, nicht besonders einladend. Geringe internationale Präsenz deutscher Wissenschaftler Mit Ausnahmen, sind deutsche Wissenschaftler, insbesondere in den Ingenieur-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, vergleichsweise wenig in internationalen Fachöffentlichkeit präsent und bekannt. Das hat etwas mit Sprachfähigkeit zu tun, aber auch mit ihrer auf den deutschen Markt beschränkten Veröffentlichungspraxis, aber vielleicht auch damit, dass deutsche Hochschulen erst in jüngster Zeit damit begonnen haben, ihre Fakultäten zu evaluieren. Hinzu kommt, dass die internationale Verlagslandschaft, die Autoren fördert und verlegt, sehr stark auf den angloamerikanischen Autorenmarkt zurück greift, und in Bibliotheken ausländischer Hochschulen im Ausland in der Regel nur wenig deutschsprachige und auf Deutschland bezogene Literatur zu finden ist. Ungenügende Marketing Aktivitäten deutscher Hochschulen Angesichts dauerhaft gesicherter staatlicher Förderung und geregelter Zuweisung von Studierenden hatten es deutsche Hochschulen nie nötig, sich auf dem nationalen oder gar globalen Bildungsmarkt zu verkaufen. Das Image deutscher Hochschulen im Ausland ist in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich schlechter geworden. Ein viel gele- sener amerikanischer Studienführer nennt lediglich die Universität Hei- delberg als empfehlenswert, was wohl mehr mit Mark Twain zu tun hat, der so brillant über das deutsche Studentenleben in Heidelberg geschrieben hat, als mit einer rationalen Bewertung der deutschen Hochschullandschaft. Hierbei spielt auch eine Rolle, dass deutsche Hochschulen erst spät und mit völlig unzureichenden Mitteln aktive Alumni- Organisationen eingerichtet und gefördert haben, wiederum ganz im Gegensatz zu den massiven Kampagnen amerikanischer Hochschulen. Geringe Attraktivität deutscher Studienorte Nur wenige deutsche Studienorte sind für Ausländerinnen auch als Wohnorte international attraktiv. Die Klischee-Standorte stehen dabei natürlich ganz vorne: Berlin ist natürlich an erster Stelle, insbesondere seit der Wiedervereinigung, München und Hamburg sind gefragt, 24 vielleicht auch noch Bonn, Köln, Aachen, Heidelberg oder Göttingen, aber darüber hinaus hängt es schon meist nur noch von persönlichen und fachwissenschaftlichen Netzen ab, warum ein bestimmter Studi- enort in Deutschland gewählt wird. Kein deutscher Arbeitsmarkt für die Zeit danach Studierende aus dem Ausland, insbesondere solche aus Entwicklungs- ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas, sollten nach dem Stu- dium in Deutschland, so die allgemeine Ansicht und Sprachregelung, in ihre Heimatländer zurückkehren, um dort beruflich tätig zu wer- den, sei es im akademischen Ausbildungsbereich, im öffentlichen Dienst oder in der Privatwirtschaft. Diese ideologische Festlegung, wenig durchlässige Einwanderungsbestimmungen und eine geringe Neigung deutscher Institutionen, universitär ausgebildete Auslände- rinnen nach Abschluss ihres Studiums zu beschäftigen, machen es ausländischen Studierenden sehr schwer auf dem deutschen Arbeits- markt Fuß zu fassen. (Im Grund müssen sie immer nachweisen, dass sie in ihrer Heimat politisch verfolgt werden oder sie müssen einen Deutschen oder eine Deutsche heiraten.) Dies mindert die Attraktivität deutscher Hochschulen erheblich. Erst in jüngster Zeit werden (und nicht zuletzt aus Angst vor dem Zerfall des deutschen Rentensystems) Änderungen der Einwanderungspolitik breit erörtert. Die Tatsache, dass Deutschland bald 10 Millionen Einwohner weniger haben wird, erleichtert die Integrationsbemühungen. Für den Bereich der Raumplanung treffen alle diese Gründe zu Erschwerend kommt allerdings noch hinzu, dass Raumplanung als eigenständiger Studiengang ohnehin nur an fünf Standorten in Deutschland studiert werden kann. Die Zahl ausländischer Studieren- der an diesen Fakultäten/Fachbereichen ist erschreckend gering (abge- sehen vom englischsprachigen SPRING an der Universität Dortmund, der fast ausschließlich auf Studierende aus Entwicklungsländern aus- gerichtet ist). Warum ist dies so? In der internationalen Fachliteraturs- zene ist die Dominanz angloamerikanischer Meinungsbildung im Bereich der Raumforschung erdrückend. Nur wenige deutsche Auto- ren werden international wahrgenommen und gelesen. Viele deut- sche Diplomarbeiten und Dissertation enthalten eine Fülle von Hin- weisen auf amerikanischer und englische Veröffentlichungen, in ame- rikanischen Arbeiten sind in der Regel keine Hinweise auf deutsche 25 Autoren zu finden. Dies hat mit der Sprache zu tun, mit der Qualität der Fachliteratur hat es absolut nichts zu tun, denn dort wo eng- lischsprachige Autoren sich mit einzelne Aspekten der Raumplanung in Deutschland befassen, sind sie in der Regel auch voller Begeiste- rung über einzelne Erfolge der Raumplanung in Deutschland. Aber die mangelnde Rezeption ist eine Tatsache, die kein gutes Licht auf die deutsche Fachöffentlichkeit auf dem Gebiet der Raumplanung wirft. Kein Trost sollte es sein, das dies in Frankreich und in Italien natürlich auch nicht viel anders ist. Für die Raumplanung kommt weiterhin noch hinzu, dass das deut- sche Raumplanungssystem sehr praktisch orientiert ist und sich nur auf die akademische Brillanz zurückzieht. Damit wird aber auch die Ausbildung in hohem Maße auf die Berufsfertigkeit innerhalb des deutschen Planungssystems ausgerichtet (wobei das Studium auch als Voraussetzung für das Referendariat im öffentlichen Dienst dient), auf etwas was es in dieser staatlich regulierten Form im dominierend angloamerikanischen Kontext nicht gibt, wo die Berufsverbände selbst die Ausbildung kontrollieren, nicht aber der Staat. Für ausländi- sche Studierende baut dies eine zusätzliche Hürde auf. Noch etwas: Es ist erstaunlich, wie wenige Türken in Deutschland im Berufsfeld Raumplanung tätig sind, obwohl die Zahl derer, die einen türkischen Pass haben oder aus türkischen Familien stammen, nicht unerheblich ist, und es ja auch stadtpolitische Probleme gibt, mit denen türkisch sprechende Planer vielleicht besser umgehen können. Natürlich hat dies mit den Berufspräferenzen von türkischen Studie- renden zu tun (Raumplanung ist kein Traumfach für Türkinnen), auch mit den geringen Bemühungen von Planungsfakultäten, sich um sol- che Studierende zu bemühen. Es hat aber natürlich vor allem mit den Einstellungsgewohnheiten und den Sprachanforderungen des öffentli- chen Dienstes zu tun, der für Ausländerinnen nur schwer zugänglich ist. Vielleicht wird die neue „Einwanderungspolitik“ auch daran etwas ändern, aber solang der öffentliche Sektor eher abgebaut als neu qualifiziert wird, stehen die Chancen schlecht für ausländische Plane- rinnen. So bleibt im Moment eigentlich nur die Hoffnung, dass private Planungs- und Forschungsbüros Planerinnen aus dem Ausland einstel- len. International agierende Beratungsunternehmen und Entwickler tun dies ohnehin. Sobald aber die Staaten Osteuropas Mitglieder der Europäischen Union werden und die Freizügigkeitsregelungen für Arbeitskräfte auch für Planerinnen gelten, wird sich vielleicht auch daran etwas ändern. 26 4. Die Ausbildung von Raumplanerinnen internationalisieren Für die zukünftige Ausbildung von Raumplanerinnen an den wenigen deutschen Ausbildungsstätten für Raumplanung ergeben sich daraus neue Anforderungen. Aber wie sollen die „internationalen“ Qualifika- tionen in der Ausbildung gestärkt werden? Soll/muss ihre Ausbildung den Trends und Moden internationaler Raumentwicklung folgen, oder muss sie, im Gegenteil, lokale und regionale Traditionen noch viel stärker dagegensetzen? Sie muss natürlich beides tun. Die Internatio- nalisierung der Lebensstile und Produktionsweisen ist nicht aufzuhal- ten, schon gar nicht durch regionalisierende Strategien einer konser- vativ-reaktionären Regionalisierung. Raumplanung auf allen Hand- lungsebenen muss dies konstatieren und die erforderlichen Konse- quenzen daraus ziehen und die Ausbildungsprogramme müssen dar- auf vorbereiten. Viel schwerer ist es hingegen, die Studiengänge für Raumplanung an deutschen Hochschulen auch für Ausländerinnen attraktiv zu machen. Dies wird letztlich nur dann gelingen, wenn die Studiengänge modularisiert werden, damit die Studienzeiten über- schaubarer werden. Die Studienzeiten für ausländische Studierende bis zum „Doktor“ sind es oft zehn und mehr Jahre (und sie werden auch nicht kürzer, wenn die Inhalte in Englisch gelehrt werden). Studiengänge modularisieren Die (nicht gerade durch unzureichende Sachkenntnis geprägte) hoch- schulpolitische Diskussion um die Modularisierung des deutschen Hochschulsystems wird über kurz oder lang dazu führen, dass auch in Deutschland eine Aufteilung des Studiums in Bachelor-, Master- und Doktorats-Studiengänge erfolgt. (Und damit wird über kurz oder lang, auch die Anerkennung der Fachhochschulen als Universitäten erfolgen, so wie es Großbritannien ja schon seit langem praktiziert, weil die Unterscheidung in Theorie- und praxisorientierte Studien- gänge schon heute nicht mehr stimmt und sie in Zukunft nicht mehr viel Sinn macht. Eigentlich müssten die Fachhochschulen praxis-orien- tierte Aufbaustudiengänge anbieten.) Einzelne Hochschulen haben sich auch schon auf dem Weg gemacht, solche Strukturen einzufüh- ren (TU Hamburg-Harburg, TU Berlin). Für ingenieurwissenschaftliche Studiengänge hat dieses Modell den Nachteil, dass es den deutschen Grad eines Diplom-Ingenieurs mit einem Master Abschluss im anglo- amerikanischen System gleichsetzt, was, von Ausnahmen vielleicht abgesehen, nicht richtig ist. Es gibt im internationalen Bereich inzwi- schen eine (ausschließlich finanziell legitimierte) Schwemme von 27 Master-Studiengängen, die schon nach neun Monaten den Master Titel verleihen. Dabei wird darüber hinweg gesehen, dass dieser Titel auf der Grundlage einer sehr viel kürzeren Schulbildung und eines eher der gymnasialen Oberstufe vergleichbaren Bachelor Studiums verliehen wird. Im Grunde genommen müsste das für Deutschland (und für Österreich und die Schweiz) angemessene Modell 4 + 4 + 4 (vier Semester Bachelor, vier Semester Master und vier Semester Diplom) heißen. Doch diese Modularisierung ist (nach der Anerkennung der Beschlüsse in Bologna) politisch nicht mehr zu erreichen. Also wird es in Zukunft noch mehr als in der Vergangenheit davon abhängen, wo ein Abschluss erworben wurde. Und dieses „wo“ wird dann mehr von einem geschickten und effektiven Universitäts-Marketing, als von der Qualität eines Studiengangs abhängen. Ein Master Degree des MIT in Cambridge oder an der UCLA wird in Europa einfach nicht mehr hin- terfragt. Er gilt per se als exzellent, auch wenn er eine Planerin für eine Tätigkeit in einem deutschen Planungsamt nicht in jedem Fall ausreichend befähigen würde. Mit der Umstellung auf das internatio- nale Modell modularisierter Studiengänge werden sich im Lauf der Jahre auch alle deutschen Planungsfakultäten abfinden müssen. Sie sollten dies, wenn sie ihr Prestige erhalten wollen mit intensiven und umfassenden Universitäts-Marketing-Bemühungen verbinden, was mehr ist als Hochglanz-Broschüren und „cool“ gestylte aktuelle „Websites“. Und sie sollten sich untereinander darüber abstimmen, welche international interessanten und glaubhaften Spezialisierungen sie jeweils anbieten sollten. Berufspraktisch oder forschungsorientiert ausbilden? Ausbildungsstätten von Raumplanerinnen müssen in erster Linie prü- fen, inwieweit Studieninhalte der Ausbildung überhaupt noch zusätz- licher Internationalisierung bedürfen. Denn was heißt: Internationali- sierung der Lehre? Im Idealfall bedeutet es natürlich, dass alle Lehrin- halte auch jeweils mit einer internationalen Dimension vermittelt wer- den, dass also Entwicklungen im Ausland referiert, fremdsprachige Literatur aus dem Ausland herangezogen, andere Herangehensweisen vorgestellt und die Studierenden mit anderen Instrumenten der Raumordnungs- oder Stadtpolitik bekannt gemacht werden. Die Grenzen einer derartigen Internationalisierung sind offensichtlich. Wie soll, wie kann die Auswahl aus der Fülle der Informationen getroffen werden? Was sind die Kriterien der Auswahl? 28 Da ist noch ein Dilemma: Die Planerinnenausbildung an deutschen Universitäten ist von ihrer Struktur her im großen und ganzen noch immer vorrangig darauf ausgerichtet, hochqualifizierte Fachleute für den öffentlichen Dienst auszubilden. Als sie Ende der sechziger Jahren eingerichtet wurden, war es schon offensichtlich, dass eine städtebau- liche Vertiefung im Rahmen einer Architektur-, Bauingenieur- oder Geodäsieausbildung nicht mehr ausreichte, um die anspruchsvollen Anforderungen des öffentlichen Dienstes zu erfüllen. Weitsichtige Pla- ner, wie Gerd Albers in München und Erich Kühn in Aachen setzten sich daher sehr früh für eine eigenständige Planerinnenausbildung ein, wie sie im angloamerikanischen Raum ja damals schon etabliert war. Mit Ausnahme von Berlin konnte eine eigenständige Ausbildung (ein Vollstudium der Raumplanung) damals nur sehr langsam und nur an wenigen Universitäten verwirklicht werden. Dies gelang, für dieje- nigen, die mit Entscheidungsprozessen in Hochschulen vertraut sind, nicht ganz überraschend, nur an neuen Hochschulen (Dortmund, Kai- serslautern, Kassel und Hamburg-Harburg) wo keine Architekturfakul- tät eine Neuorientierung oder die Aufspaltung blockierte. Aufgrund ihrer doch sehr großen Flexibilität haben die bestehenden Voll-Studiengänge der Raumplanung seit den 80erJahren, nicht zuletzt gedrängt von weitsichtigen Studierenden damit begonnen, auch nicht-öffentliche Arbeitsfelder für sich zu erschließen. Dies wie- derum hat die Fakultäten veranlasst, immer mehr neue Bausteine in das Studium einzubringen (z.B. Gewerbeplanung, Projektmanage- ment oder Projektentwicklung). Neben der Berücksichtigung nicht- staatlicher Arbeitsfelder in der Ausbildung von Raumplanerinnen wird nun auch noch die internationale Dimension wichtig. Während der Blick über den Zaun im Rahmen des Architekturstudiums nie ein Pro- blem war, stellt es doch ganz neue Anforderungen an die Lehre in der Raumplanung. Die zentrale Frage dabei ist zunächst, ob „deutsche“ Inhalte einfach etwas um internationale Perspektiven erweitert wer- den können, oder ob ganz neue Bausteine entwickelt werden müs- sen. Letztlich geht es aber noch viel weiter, es geht um die gesamte Richtung, also vor allem darum, ob die Ausbildung in Deutschland weiterhin vor allem auf das „öffentlich- regulierende“ Berufsfeld Raumplanung vorbereiten soll, oder, ob sie, wie dies an den renom- mierten Universitäten in den USA und anderen Ländern schon sehr viel länger geschieht, ausschließlich forschungsorientiert geschehen soll. Bislang haben die bestehenden Studiengänge den Spagat zwi- schen berufspraktischer und forschungsbezogener Ausbildung sehr 29 gut bewältigt. Werden sie dies auch in Zukunft können, oder zwingen sie auch neue hochschulpolitische Zwänge (internationale Berufungs- kriterien, internationale Evaluierung auf der Basis eingeworbener Drittmittel und internationaler Veröffentlichungen etc.) dazu, der For- schungsorientierung gegenüber der Praxisorientierung den Vorrang zu geben (was sie aufgrund der Explosion des Wissens ohnehin schon tun müssten). Lehrinhalte internationalisieren Internationalisierung der Lehrinhalte heißt in der Raumplanung zunächst vor allem, die europäische Ebene, also die der Europäischen Union als eine weitere Handlungsebene zu betrachten und sie in die Ausbildung einzubringen. Es geht insbesondere darum die vertikalen Prozesse, die eine zunehmende Verlagerung von raumrelevanten Sek- torpolitiken auf die europäische Ebene (Umweltpolitik, Verkehrspoli- tik, Wettbewerbspolitik) mit sich bringen, zu behandeln. Dies ist wich- tig, während es trotz aller Freizügigkeitsregelungen des Arbeitsmark- tes keinen Sinn macht, die Raumordnungsstrukturen in anderen Län- dern systematisch abzuhandeln. Dies erfordert viel zu umfassende Kenntnisse anderer Länder, die nicht nebenbei und zusätzlich zu ver- mitteln sind. Und wenn Studierende dies tun möchten, können sie sich auch selbst entsprechend vertiefen. Wie überhaupt, angelsächsi- schen Erfahrungen folgend, das angeleitete Selbststudium in Zukunft, gerade was internationale Aspekte der Raumplanung anbelangt, eine zentralere Rolle einnehmen muss. Individuelle Interessen sind, was „Internationalität“ anbelangt aus biographischen und sprachlichen Gründen ohnehin oft sehr unterschiedlich, sei es, weil der Vater Aus- länder ist, weil das Sommerhaus der Mutter in Spanien steht, weil eine neue Freundin Interesse an Polen entfacht oder weil eine Zufalls- bekanntschaft ein interessantes Praktikum in Frankreich ermöglicht hat. Letztlich wichtig bei allen Überlegungen zur Internationalisierung der Lehre ist nur der Blick von außen zurück auf das System der Raumplanung in Deutschland. Ein solcher distanzierter Blick schafft oft wichtige neue Einsichten in gewohnte Planungszusammenhänge. Kreative Freiräume im Studium schaffen Studiengänge der Raumplanung sind aus durchaus nachzuvollziehen- den Gründen – dies hat insbesondere etwas mit den Zulassungsbedin- gungen zum Referendariat Städtebau zu tun – auf einen mehr oder weniger ausgeprägten Kanon ausgerichtet (der allerdings ebenso oft 30 mehr aus den strukturellen Bedingungen einer Fakultät abgeleitet wird, als aus planungstheoretischen Überlegungen). Veränderte Pla- nungskulturen und die neue internationale Dimension erfordern inhaltliche Freiheiten aber vor allem sehr viel größere Freiräume für Kreativität und forschendes Lernen im Studium. Dies kann auf vielerlei Art und Weise geschehen, über anspruchsvolle Studienprojekte, über die Stärkung des raumplanerischen Entwerfens oder über die Beteili- gung von Studierenden an lokalen Forschungsprojekten. Und es muss auch auf die „Additions-Philosophie“ verzichtet werden, die an man- chen Fakultäten praktiziert wird, nach der jede neue Praxisanforde- rung zu einem neuen Lehrfach wird, ohne dass gleichzeitig ein altes, überholtes aus dem Studienverlaufsplan gestrichen wird. Insbeson- dere wird es aber in Zukunft darauf ankommen, und nur dann kann auch die internationale Ausweitung des Studiums bewältigt werden, wenn Studierende lernen, wie sie in Zeiten der Informationsüberflu- tung – und querschnittsorientierte Planerinnen sind dafür besonders anfällig – Informationen also notwendiges Wissen auswählen können. Dies muss gelehrt werden und wird in der Regel wiederum nur pro- jektbezogen geschehen können, wenn es nicht auf das traditionelle Meister-Schüler-Verhältnis rückgeführt werden soll. Die Kommunikationsfähigkeit stärken Auch ohne den zusätzlichen Druck, den internationale Herausforde- rungen für Städte und Regionen mit sich bringen, verlangt raumpla- nerisches Handeln von den Studierenden heute schon die besondere Fähigkeit zur Kommunikation, also die Fähigkeit, einzelnen Zielgrup- pen, planerische Ziele, Inhalte und Sachzwänge anschaulich zu ver- mitteln, in fachlichen wie in den politischen Abstimmungsprozessen Anliegen vorzutragen und Aushandlungsprozesse zwischen unter- schiedlichen Akteuren zu moderieren, aber auch Konsens herbeizu- führen und strategische Allianzen zu formen. Kommunikationsfähig- keit heißt aber auch Zuhören lernen, mit einfachen Worten und Bil- dern sprechen und schreiben lernen. Und es heißt, gerade beim Blick über den nationalen Raum, eigene Erfahrungen, Ziele und Wünsche nicht auf andere kulturelle Lebensräume zu übertragen. 31 Den Lehrkörper internationalisieren Zur Internationalisierung der Ausbildung muss es selbstverständlich Praxis werden, dass Lehrende aus dem Ausland an den Fakultäten tätig sind. Dies kann durch die Berufung von ausländischen Spitzen- wissenschaftlerinnen geschehen, was aber angesichts der in der Praxis (nicht in der Theorie!) noch immer bestehenden Hemmnisse des deut- schen Personalrechts im öffentlichen Dienst besonderer Anstrengun- gen und Begründungen bedarf, also Mühe macht und viel Zeit kostet. Es könnte auch dadurch erreicht werden, dass es leichter gemacht wird, Planstellen mit wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen aus dem Ausland zu besetzen. Und es kann aber auch einfach durch Gastpro- fessuren und Gastseminare erfolgen. Hierbei liegt das Problem meist darin, dass solche Einladungen in der Regel als freiwillige und zusätzli- che Lehrangebote betrachtet werden, weil ausländische Dozentinnen meist nicht in Routineprüfungen eingebunden werden können. Studi- enordnungen und Kapazitätsverordnungen lassen dafür wenig Spiel- räume. Es ist also immer der Initiative von Einzelnen überlassen, sol- che Dinge möglich zu machen und solche Veranstaltungen zu besu- chen. Wenn dann aber Studienstrukturen ganz solche Angebote zu freiwilligen Wahlangeboten machen, dann ist keine Gewähr gegeben, dass sich die Studierenden angesichts der ohnehin kaum zu bewälti- genden Informationsangebote in einem Studium der Raumplanung gerade dafür entscheiden, es sei denn der Gast gehört zu den inter- nationalen Stars auf ihrem Gebiet. Aber vielleicht müssen sich auch deutsche Hochschulen an kleinere Klassen gewöhnen, wie es an den viel bewunderten amerikanischen Elite-Hochschule die Regel ist, wo eine Seminargröße von 10 in einem Graduierten-Studiengang selbst- verständlich akzeptiert wird. Aber dort gibt es auch keine anonyme Kapazitätsverordnung, die ohne Rücksicht auf das Semester, in der eine Veranstaltung stattfindet, die Klassengröße regelt, sondern nur einen Dekan, der sein Budget rechtfertigen muss und als Person dafür sorgt, dass das Lehrangebot den Anforderungen des Faches ent- spricht. Noch ein paar Anmerkungen zur Unterrichtssprache: An vielen Hoch- schulen gibt es derzeit dem Zeitgeist huldigende Bemühungen, die mangelnde Internationalisierung deutscher Universitäten durch eng- lischsprachigen Unterricht zu erreichen. Solange dies nur darin gipfelt, dass überholte Routinevorlesungen zusätzlich noch in schlechtem Englisch gehalten werden sollen, macht dies keinen Sinn. Grundsätz- lich ist natürlich davon ausgehen, dass Englisch die internationale 32 Wissenschaftssprache der Zukunft sein wird. Dies ist bedauerlich, aber nicht mehr aufzuhalten. Dies bedeutet indes nicht, dass auch die erste Berufssprache in Deutschland Englisch sein wird, schon gar nicht auf der mittleren Arbeitsebene im öffentlichen Dienst. Selbstverständlich sollten alle Berufstätigen mit einem akademischen Abschluss in der Lage sein, sich beruflich, wie privat in Englisch (vielleicht sogar trotz kommender Übersetzungsprogramme in einer weiteren Fremdspra- che) auszudrücken. Es ist aber nicht Aufgabe der Universität die Grundlagen für die allgemeine Sprachfähigkeit in Englisch zu legen. Englischsprachige Vorlesungen für deutsche Studierende an der Uni- versität sollten in der Regel aber doch von Lehrenden abgehalten wer- den, deren Muttersprache Englisch ist (“native speaker”), oder die zumindest über umfassende Lehrerfahrungen an englischsprachigen Universitäten im Ausland verfügen. Die Verwirklichung solcher Anregungen wird nicht selten durch eine Vielzahl von Regelungen des Alltagslebens an deutschen Hochschulen erschwert, die in Zeiten der Europäisierung einfach keinen Sinn mehr machen: Da erlaubt es das deutsche Reisekostengesetz nicht, dass ausländische Bewerberinnen um Professuren auch die Reisekosten vor Übertritt der deutschen Grenzen erstattet bekommen, oder die Nebentätigkeitsverordnung erlaubt keine kontinuierlich berufsprakti- sche Nebentätigkeit im Herkunftsland einer ausländischen Dozentin. Mitunter muss auch bei Einstellung einer ausländischen Mitarbeiterin gegenüber dem Personalrat der Nachweis geführt werden, das keine inländische Bewerberin zur Verfügung stand. Oder, weil die Prüfungs- sprache Deutsch ist, kann eine nur Englisch sprechende Dozentin nicht berufen werden, wenn sie nicht deutsch prüfen kann. Aber auch die Missachtung von Richtwerten, wie Raumausstattung pro wissenschaftlicher Planstelle oder Kapazitätsverordnungen für das Ver- hältnis von Studierenden zu Lehrenden ist, wenn es um auslandsbezo- genen Initiativen geht, immer mit zusätzlichem Begründungsaufwand und unsicherem Ergebnis zu rechtfertigen, es sei denn, die Kunst des Kungelns mit den Spitzen der Verwaltung steht auf einem hohen Niveau. Wer da keine Nerven hat, hat schon die Auslandsschere im Kopf, bevor er initiativ wird und einen Fachkollegen bei einem netten Abendessen überredet, nach Deutschland zu kommen. Lange Zeit mussten beispielsweise auch Verträge für internationale Forschungs- vorhaben erst ins Deutsche übersetzt werden, bevor sie die Hoch- schulverwaltung akzeptierte, die natürlich keine Mittel für die Über- setzungskosten zur Verfügung stellen konnte, weil so etwas nicht vor- 33 gesehen war. Die Liste der zermürbenden bürokratischen Regelungen des deutschen Personalrechts im Hochschuldienst ließe sich leicht fort- setzen. Die kleinen und großen Hindernisse, flexibel und spontan auf internationale Herausforderungen zu reagieren, konnten bislang nur mit sehr kreativen und extrem selbstbewussten und gutwilligen Ver- waltungsangestellten umgangen werden, die sich dafür einsetzen, dass auslandsorientierte Aktivitäten möglich werden und die nicht nur prüfen, warum sie vielleicht doch nicht machbar sind. Hinzu kommt ja auch noch die Tatsache, dass Fakultäten für oder mit Raumplanerinnen in der Regel nicht zu den mächtigen Fakultäten einer Technischen Universität gehören. Dazu sind ihre Drittmittelum- sätze im Vergleich zu den harten Ingenieur- oder Naturwissenschaften zu gering. Sie mussten sich daher immer schon innerhalb der Hoch- schulen rechtfertigen (was eine Fakultät für Mathematik oder Maschi- nenbau nie musste). Also haben Raumplanungsfakultäten auch kein hochschulpolitisches Gewicht und wenig Verbündete im Verteilungs- kampf zwischen den Fakultäten. Hinzu kommt, dass die starke Intro- vertiertheit der Planungsfakultäten, also die intensive Auseinanderset- zung um interne inhaltliche wie strukturelle Prioritäten dazu geführt hat, dass sie in hochschulöffentlichen Strukturen wenig präsent waren, und damit wenig Anerkennung gefunden haben (keine rich- tige Ingenieurwissenschaft, keine internationale Forschungsorientie- rung, aber auch keine seriöse Gesellschaftswissenschaft etc.). 5. Gemeinsam internationalisieren Viele der hier gemachten Anregungen bedürfen aktiver Fakultäten und aktiver Leitungsgremien, die sie auch verwirklichen möchten und die die Prioritäten so setzen, dass sie schrittweise umgesetzt werden können. Dies wird angesichts des ausgeprägten Individualismus, tra- dierter Konsensstrukturen, und eines gewissen Fächeregoismus in den meisten Planerinnenstudiengängen nicht leicht sein. Der Reformstau an manchen Fakultäten ist groß, der Generationenwechsel ist im Gange und die jeweils gut begründeten Anforderungen an die Reform der Reform und die Modernisierung des Raumplanerinnenstu- diums beherrschen die internen Debatten um strukturelle und inhaltli- che Veränderungen. In dem Moment, in dem sich die Absolventinnen eines Vollstudiums der Raumplanung in der beruflichen Praxis weitge- hend durchgesetzt und etabliert haben, sind die Fakultäten der Raum- planung schon wieder vor einer Krise. Die Internationalisierung ihrer Studiengänge ist eine Chance. Das hochschulpolitische Umfeld an 34 deutschen Universitäten, das die Internationalisierung nun auf ihre politischen Fahnen geschrieben hat, wird sich für die Fakultäten vor- teilhaft auswirken, die nun mit Nachdruck die Initiative ergreifen. Viel- leicht macht es daher auch Sinn, dass sich die wenigen Planungsfakul- täten in Deutschland zusammensetzen und überlegen, wie sie gemeinsam die notwendigen inhaltlichen und strukturellen Anforde- rungen zu besseren Internationalisierung ihre Ausbildung aufeinander abstimmen können. Ihre individualisierten internationalen Netze kön- nen dafür nützlich sein. * Ich habe in diesem Beitrag, um der „political correctness“ Tribut zu zollen, die weibliche Form verwendet. Planer sollen sich damit nicht ausgeschlos- sen fühlen. * Für kritische Anmerkungen, die Peter Ache, Carl-Heinz David, Fabian Kum- kar, Sebsatian Müller, Ursula Stein, Peter Schmeling, Katarina Saemann, Simon Güntner, und Kristina Zahlner zu einer früheren Fassung gemacht haben, möchte ich mich sehr herzlich bedanken. 35 Die Stadt verschwindet in der Region Klaus Pfromm, Einführung Der Lebensraum der Stadtbürger ist die Region, für die Wahl von Wohnort, Arbeitsplatz, Konsumstrecke und Freizeitzielen spielen kom- munale Grenzen keine und Reisekosten eine immer geringere Rolle. Wohl aber bewirken sie ausgrenzend eine soziale Desintegration, die von Präferenzentscheidungen der Vermögenden und Bevorzugten genutzt und verstärkt werden. Die fiskalischen Grenzen verfestigen dann die regionale Disparität von armen Kernstädten und reichen Vor- orten. Der Prozess der Deurbanisierung, der Ausbreitung der Stadtfunktio- nen in die Region, ist mit Dekonzentration, Abnahme der Nutzungs- dichte, Zunahme des Verkehrs, Erhöhung des Energiebedarfs, Fort- schreiten der Segregation und Fortsetzung des Flächenverbrauchs ver- bunden. Die besonderen Vorteile der Europäischen Stadt gehen verlo- ren, die Urbanität verschwindet. Globalisierung bedeutet dann: die Innenstädte werden von konzen- trierten Dienstleistungsaktivitäten, Einwanderern, ihren Kindern, Benachteiligten und Armen bestimmt sein, umgeben von einer Region anspruchsvoller Arbeitsplätze, neuer Dienstleistungen und ausgedehnten Wohnquartieren des deutschen Mittelstandes und des Reichtums. Aufgeteilt in getrennten, konkurrierenden Verwaltungs- grenzen kann die Stadtregion weder die dringend erforderlichen öko- logischen Verbesserungen erreichen, noch den Herausforderungen der globalisierenden Wirtschaft begegnen, noch die notwendige soziale Gerechtigkeit sicherstellen; der Gemeinwohlanspruch der Poli- tik verkümmert. Das kommunale Verwaltungsregime muss der Regio- nalisierung von Wirtschaftsraum und Lebensverhältnissen angepasst werden. Nur so können regionale ökonomische Strukturen gestärkt, regionale Wirtschaftskreisläufe realisiert, die Energie- und Ressourcen- verschwendung reduziert und die Siedlungsstruktur zukunftsbestän- dig entwickelt werden. Solange das nicht gelingt, sind die Kernstädte gut beraten, wenn sie Abwehrmaßnahmen ergreifen, die den Pla- nungsparadigmen der Stadtplanung widersprechen, wie Erhöhung des Verkehrswiderstandes in Einfallstraßen oder exzessive Bereitstel- lung von Wohnbauland für vermögende Stadtflüchter. 36 Dr. Ulf Hahne Un-erhörte Herausforderung Regionalentwicklung „Die Herausforderungen der Zukunft sind unerhört“, sagt Klaus Pfromm. Un-erhört ist auch die Herausfor- derung des Themenfeldes „Die Stadt verschwindet in der Region“ für die Stadt- und Regionalentwicklung – und offenbar auch für die Profession der Stadt- und Regionalplaner. Es ist kein Wunder, dass all die Stel- len, die derzeit im Bereich von Regionalmanagement, Stadt-Umland-Kooperationen, Regionalentwicklung ausgeschrieben werden, nicht von Stadtplanern, son- dern von Geographen, Ökonomen oder gar Juristen besetzt werden, weil die Ausbildung von Stadtplanern noch zu sehr dem Gedanken der europäisch geschlossenen Stadt und dem Mythos der Reurbanisation nachhängt. Hier gibt es also – um es mit Schuma- cher zu sagen – eine „Wahrnehmungsfalle“. Zu wenig wird sich mit dem Phänomen der Region auseinandergesetzt – und resignative Burgmentalität, wie sie Klaus Pfromm mit seiner ironischen Forderung nach exzessiver Mobilisierung der letzten innerstädtischen Baulandre- serven äußert, ist sicherlich kein Zukunftsweg, der Aspekten der Nachhaltigkeit gerecht wird. Bedeutungsgewinn der Region Der Bedeutungszuwachs der Region ergibt sich aus einem zweifachen Druck heraus: Einerseits vergrößert die zunehmende Wirtschaftsver- flechtung über große Distanzen hinweg – gemeinhin als Globalisie- rung bezeichnet – den Maßstab, mit dem auf Städte und Regionen geschaut wird. Wer sich in Singapur vorstellt, wird kaum damit begin- nen, er käme aus Oberellenbach. Der Blick fällt also auf größere Räume und diese müssen sich im großräumiger werdenden Wettbe- werb um Investoren, Bürger und Gäste positionieren. Hiermit wird der Druck von außen, sich als Region zu organisieren, immer größer. Zum anderen wächst der Druck auf die Region von innen heraus: Auf- grund der Faktoren Wohlstand, Mobilität und Bodenpreise ziehen Bürger und Investoren aus der Stadt in das Umland und bilden so eine 37 Region mit zahlreichen innerregionalen Verflechtungen heraus. Dies erfordert ein anderes Regime, um die wachsende Kluft zwischen armer Kernstadt und reichem Speckgürtel auszugleichen. Kein Verschwinden der Stadt Allerdings: Die Stadt wird nicht in der Region verschwinden. Die Region ersetzt nicht die Stadt, wenn man unter Stadt die hochspezia- lisierten Funktionen von Dienstleistern, von Kultur- und Sozialangebo- ten sieht, die im Umland bei abnehmender Siedlungsdichte einfach nicht mehr zu realisieren sind. Eine Dispersion von Urbanität in den Brei der Zwischenstadt wird es so nicht geben, allerdings Maßstabs- vergrößerung und Dezentralisierung von Funktionen – einhergehend mit Segregation oder um es härter auszudrücken: einhergehend mit ökonomischer und sozialer Polarisierung in der Region. Die Umland- bürger freuen sich am preiswerten Wohnen in aufgelockertem Umfeld, nutzen die Leistungen der Stadt wie Theater, Science Centre oder Zoo, ohne deren Defizite mittragen zu müssen. Kernfunktionen und damit finanzielle Lasten werden in der Kernstadt verbleiben. Kernlast ist insbesondere die Sozialhilfe, die von den Kom- munen aufgebracht wird. Damit nicht unsinniger kleinräumiger Wett- bewerb um die letzten Bauwilligen die letzten Moneten der Städte raubt, sind neue Lösungen notwendig. Arme Kernstädte – reicher Speckgürtel. Die derzeitige Finanzverfas- sung verstärkt die regionalen Disparitäten. Die Stadt ist fiskalisch gesehen allein nicht mehr lebensfähig. Die Umschichtung der öffentli- chen Haushalte (Verlagerung von Aufgaben auf die kommunale Ebene, Sozialhilfelasten, Steuerreform) sind nur weitere Schritte zur Haushaltssperre und zur Bewegungslosigkeit der Stadtpolitik. Letzter Ausweg ist die enorme Baulandmobilisierung, um ein paar Einfamili- enhäuser entstehen zu lassen. Das ist ein schlechter Weg, dessen Ende allerdings wegen knapper Flächen absehbar ist. Ideen zur Lösung des Stadt-Umlandproblems Drei Reformwege werden derzeit diskutiert: Gebietsreform – Funktio- nalreform – Finanzreform. Eine erneute Gebietsreform, ausgeprägt etwa als Regionalstadt, wird aus politischen Gründen gescheut. Die politische Eigenständigkeit der Kommunen ist ein hohes Gut, das noch am ehesten zum Engagement der Bürger führt. Leichter fällt eine Funktionalreform, in der nur Verwaltungen zusammengelegt werden, um durch größere Einheiten Kosten zu sparen. Die Vorteile 38 der Effizienzsteigerung in der Verwaltung sollen allen Regionsbürgern zugute kommen, sie können reichen von A wie Abfall über G wie Gesundheit bis zu Z wie Zulassungsstelle. Der dritte Ansatz wäre eine Finanzreform, welche eine völlig neue Basis für die kommunale Organisation schafft und etwa ein ökologi- sches Belohnungssystem für Flächenrecycling und eigene Heberechte für Kommunen vorsieht. Dies erscheint – noch – undenkbar in Zeiten der Verteilungskämpfe zwischen den föderalen Ebenen. Die derzeit herrschende Hauptströmung sucht Verbesserungen durch eine Funktionalreform, um durch Kosteneffizienz Bewegungsspiel- raum zu gewinnen und eine andere Lastenverteilung in der Region zu erreichen. Charme haben diese Ansätze insbesondere, wenn die Hauptlast der Kernstädte, die Sozialhilfeausgaben, auf die Region übertragen und somit auf breitere Schultern verteilt wird. Ob derar- tige auf die Verwaltungseffizienz orientierte Ansätze ausreichen, eine gemeinschaftliche Entwicklung der Region voranzutreiben, lässt sich leicht an den ersten Bemühungen anschauen, die alle zu kurz greifen, seien es: - Ballungsraumgesetz Frankfurt - Region Hannover - Verband Region Stuttgart. Schwächen des Modells Region Hannover Schauen wir uns das viel gelobte Modell Region Hannover an: Zwar wird ein auf den ersten Blick effizientes Verwaltungsmodell mit demo- kratischen Gremien erschaffen, aber es bleiben deutliche Defizite. Drei seien benannt: - Es ist nicht gelungen, die Finanzhoheiten zu verändern, d.h. der Speckgürtel wird weiter seine Vorteile ausspielen können. - Es ist nicht gelungen, das kommunale Flächenmanagement in eine regionale Hand zu verlagern, z.B. wird das Instrument des regionalen Flächennutzungsplans nicht eingesetzt. - Es ist nicht gelungen, den kommunalen Wettbewerb um Betriebsansiedlungen zu unterbinden. In all diesen Feldern sind also Kernprobleme der Regionalentwicklung ausgespart worden. Die entscheidende Frage ist nämlich nicht, ob die Verwaltung effizienter wird, sondern ob eine nachhaltige regionale Entwicklung gelingt. Dazu müsste man sich etwa die tatsächlichen regionalen Verflechtungen ansehen, um zu beurteilen, ob die Regi- onsgrenzen richtig gesetzt sind. Schon die EXPO-Region hatte einen 39 anderen Zuschnitt und bildet etwa den realen Pendlerverflechtungs- raum ab (Celle, Hildesheim, Nienburg). Mit der jetzigen Abgrenzung der Region Hannover, bestehend aus Stadt- und Landkreis Hannover, wird man also nicht zu einem verkehrs- und flächensparenden regio- nalen Management gelangen. Eher ist zu erwarten, dass erneut, etwa weitere 20 Jahre später eine Diskussion über eine noch größere Ver- waltungseinheit beginnt, weil die Außengrenzen der Region schon jetzt zu klein gewählt sind. Es fehlt also an Anreizen und Sanktionen, geeignet in der Region zusammenzuarbeiten. Da springt das Modell Hannover aus meiner Sicht zu kurz. Neue Identifikationsräume? Auch wird die Suche nach Verwaltungseffizienz nicht zu einem Identi- fikationsraum mit überregionaler Ausstrahlung führen. Man wohnt eher in Linden als in der Region Hannover. „Der Lebensraum der Stadtbürger ist die Region“, sagt Klaus Pfromm zu recht. Aber wird die Region zum identitätsstiftenden Raum? Ist es die regio oder das administrative Territorium? Wer identifiziert sich mit dem „Verband Großraum Stuttgart“? Wir sollten also unterscheiden zwischen verwaltungseffizienter und bürgerorientierter Lösung. Ich bin eher skeptisch, dass diese jemals übereinstimmen. Raum und Regio sind Syntheseleistungen der Men- schen, nicht der Verwaltungen. Auch der demokratische Anstrich mit einem direkt gewählten Parlament erhöht den Einfluss der Bürger auf die Regionalentwicklung nicht, weil Transparenz und Fühlbarkeit feh- len – im Gegensatz etwa zu direkten Bürgerentscheidungen wie in der Schweiz. Regionalentwicklung braucht formelle und informelle Instrumente Und schließlich wird die Funktionalreform á la Hannover nicht die wichtigen Felder der zukunftsgerichteten Regionalentwicklung ange- hen, die mit den Stichworten Vernetzung der regionalen Akteure, Schaffung kreativer Milieus und Regionalmanagement angedeutet werden können. Regionalentwicklung lässt sich eben nicht verordnen, sondern erfordert das aktive Zusammenbringen von Akteuren und Ideen. Eine Funktionalreform sichert nicht ein abgestimmtes, leitbild- gestütztes Vorgehen in der Region, sondern braucht weitergehende Instrumente. 40 Der Bedeutungszuwachs der Region ist die Chance für eine solche neue Zusammenarbeit in der Region. Ob es um das Zusammenführen regionaler Stoffströme oder die Clusterbildung in Ökonomie, Bildung und Forschung geht, in jedem Falle sind Managerinnen und Manager für diese Aktionen und Projekte erforderlich. Sie müssen die regiona- len Entwicklungskonzepte, ihre Arbeitsgruppen und ihre Projekte begleiten, organisieren und mit Impulsen beleben. Neue Ausbildungsinhalte Für eine solche regionale Selbststeuerung der Region reichen die for- malen Instrumente nicht aus. Regionalentwicklung braucht natürlich einerseits solche formalisierten Flanken wie eine institutionalisierte Regionalplanung, um den Rahmen der Entwicklung abzustecken. Sie braucht daneben aber auch informelle Ansätze, um die Projekte der Akteure in partizipativen Prozessen in die Ziele der Region einzubetten und zielgerichtet voranzutreiben. Hier liegen die neuen Handlungsfel- der für Stadt- und Raumplaner, die viel zu wenig von der bisherigen Ausbildung abgedeckt werden. Das Beherrschen der informellen Instrumente wird erforderlich – auf lokaler wie auf regionaler Ebene: Es gilt ebenso lokale Agenden, Bür- gergutachten, Stadtteilentwicklungen anzuregen wie regionale Kooperationen einzuleiten, Akteursnetzwerke zu knüpfen, Entwick- lungsprozesse zu gestalten. Die regionale Zusammenarbeit ist nicht nur den eingangs geschilder- ten Zwängen der Globalisierung geschuldet, sie ist auch ein wesentli- cher Aspekt der Nachhaltigkeit. Denn lokal sind Stoff-, Energie- und Wirtschaftskreisläufe kaum zu schließen, aber auf regionaler Ebene macht das Zusammenführen loser Enden schon sehr viel mehr Sinn. Dies ist keine Ordnungsaufgabe klassischer Planung, sondern eine Entwicklungsaufgabe, die unterschiedliche Akteure, Organisationen und Interessen zusammenbinden muss. Hier liegt eine Aufgabe, die nicht nur analytischen, planerischen und methodischen Verstand erfordert, sondern auch hohe kommunikative Fähigkeiten. Die Ausbil- dung muss diese Bereiche – und zwar gerade auch im Hinblick auf die Verständigung in der Region – mehr ins Blickfeld tun. Der Fachbereich Stadt- und Landschaftsplanung tut dies inzwischen. Wer darüber mehr erfahren will, der sei herzlich eingeladen, das neue Vertiefungs- studium der „Nachhaltigen Regionalentwicklung“ des Fachbereiches Stadt- und Landschaftsplanung zu besuchen, das wir in Witzenhausen eingerichtet haben. 41 Die deregulierte Stadt braucht mehr Planung Klaus Pfromm, Einführung Die Stadt ist heute neben den tiefgreifenden Wandlungen, denen ihre demographische und soziale Struktur, ihr Wirtschaftssystem und ihre räumliche Organisation unterworfen ist, auch von erheblichen Verän- derungen ihrer politischen Steuerung geprägt. In der stadtpolitischen Regulierung wird das rechtsförmige Abwägen von Privatinteresse und Gemeinwohl immer mehr eingeschränkt und durch freihändiges Aushandeln der Interessen ersetzt. Die Deregulie- rung ist vor allem geprägt von Projektorientierung der Investitionspoli- tik und dem Verlangen der emanzipierten Zivilgesellschaft nach Mit- sprache. Die Ansiedlungs- und Investitionsprojekte von Dienstleistung und Industrie, von Einkaufs- und Entertainment-Zentren durchschlagen alle Pläne vorsorgender Ordnungspolitik und Standortstrategie. Glo- balisierung und Unternehmenskonzentration kennen keine örtliche Verantwortung und entziehen sich erfolgreich kommunaler Entwick- lungspolitik. Die Finanzschwäche der Kommunen zwingt sie auf jedes Investitionsangebot einzugehen, aber auch Entscheidungsvorberei- tung und Planung Privaten zu überlassen. Die finanzielle Abhängigkeit hat die Kommunen allerdings auch gezwungen ökonomische Bedingungen in der Stadtentwicklung zu berücksichtigen. Der Anspruch der städtischen Bürgerschaft auf Mit- sprache und Vetorecht ist weitgehend akzeptiert, hat aber zur bekannten Akkumulation von Vetopower geführt und meist Planun- gen, Projekte gegen den Willen örtlicher Gruppen undurchführbar gemacht, auch wenn sie der Zukunftsfürsorge und dem Ausgleich gesamtstädtischer Disparitäten dienen. Häufiger als Abwehrerfolge sind allerdings immer noch Erfolge in der Korrektur unangepasster Planungen. Durch die Deregulierung im Planungsrecht sind die Kernaufgaben der Stadtplanung und ihre ausdifferenzierten Ergänzungsmaßnahmen, aber auch die Befreiungsmöglichkeiten, in die verstärkte Verantwor- tung der Kommunen gestellt. Das hat in den Städten und Gemeinden zunächst eher zur Schwächung der planerischen Vorsorge als zur 42 Übernahme der größeren örtlichen Verantwortung für die Zukunfts- vorsorge geführt. Nicht zuletzt wird der Aufwand für strategische und längerfristige Planung als Sparpotential angesehen und genutzt. Wenn man die neuen planerischen Möglichkeiten der Kommunen betrachtet, etwa "sonstige" städtebauliche Pläne (u. a. Teile einer lo- kalen Agenda), städtebauliche Verträge, Public-Private-Partnership, Enteignungsrechte in der Entwicklungsmaßnahme, erscheinen die Regulierungsinstrumente der Städte durchaus geeignet, die Planungs- aufgaben der Zukunft zu bewältigen. Zumal auch die Verfügung über Konversionsflächen neue Lösungsmöglichkeiten eröffnet. Heute ist die Stadtplanung, als Regulierungsprozess, sicher nicht in der Lage ihre Planungsinstrumente problemadäquat anzuwenden. Zunächst werden die strukturellen Probleme der Stadtentwicklung unterbewertet, das kommunalpolitische Entscheidungssystem ist geschwächt und dann überschatten die aktuellen finanziellen Pro- bleme alle anderen, seien sie für die Zukunft noch so gravierend. Die Planungsverfahren sind den geänderten Rahmenbedingungen nicht angepasst, sie dauern zu lange, sind zu teuer und ihre Ergebnisse überzeugen nicht, vielleicht sind sie auch nicht problemadäquat. Setzt man Planungsergebnis mit Dienstleistung oder Produkt gleich, verwandeln sich die Mängelrügen in ganz gewöhnliche Probleme der Betriebsführung, und werden der Anwendung des QM-Verfahrens und anderer Verfahren zur Leistungssteigerung und Kostenreduktion von Organisationen zugänglich. Systematisches Qualitätsmanagement müsste die stadtplanerische Leistung planbar und kontrollierbar machen und in Verbindung mit einem Informationsmanagement den ständigen Austausch an gewonnenen Erfahrungen und Wissen in der planenden Verwaltung als lernender Organisation sicherstellen kön- nen. Kommunikationstechnik könnte nicht nur den Informationsaus- tausch zwischen den Akteuren des öffentlichen, des privaten und des gemeinnützigen Sektors regelmäßig entwickeln, sondern auch die Kooperation der planenden Verwaltung als Planungsteam sichern. Bleibt die Frage, ob Dienstleistungsmanagement auch geeignet ist die Kernaufgaben der Planung zu befördern, öffentliches Interesse durch- zusetzen und dem Gemeinwohl zu dienen. 43 Dr. Dieter Frick Planung in der deregulierten Stadt 1. Stadt – Planung – Studium. Die Stadt in ihrer Entwicklung ist der Gegenstand unserer Arbeit als Stadtplaner. Planung ist unser Metier, auch unsere Methode. Das Studium der Stadt, Ihrer Entwicklung und der Methoden zu ihrer Planung ist lebenslange Aufgabe der Stadtpla- ner von der Studentin im ersten Semester über die Frauen und Män- ner der Praxis bis zum alt gedienten Professor an der Schwelle zur Emeritierung – und selbstverständlich auch noch danach. Planung ohne Perspektive ist weder sinnvoll noch möglich. Dies scheint mir eine mögliche Logik der Überschrift für dieses Kolloquium zu sein. 2. Was Klaus Pfromm als die deregulierte Stadt beschreibt, hat gegen- über der regulierten Stadt (vielleicht war das die Stadt der Moderne zwischen 1920 und 1975) den Vorteil, dass sich die Kräfte der Ent- wicklung, von Einwohnern, von Gewerbetreibenden und Investoren ausgehend, freier entfalten können. Es hat aber zugleich den Nach- teil, dass bei mangelnder oder unqualifizierter Steuerung der mögli- che Beitrag dieser Kräfte zum Entstehen eines jeweils sichtbaren Gesamtergebnisses und zu dessen Zukunftsfähigkeit nicht zu Stande kommt. Selbstverständlich meint "Gesamtergebnis" im positiven Fall ebenso sehr die soziale, volkswirtschaftliche und ökologische wie die baulich-räumliche Dimension, die Gestalt der Stadt. 3. Ich bin mir nicht sicher, ob die heutige Stadt in Mitteleuropa tat- sächlich mehr Planung braucht. Ganz sicher braucht sie aber eine andere und eine besonders qualifizierte Planung. Bei der Suche danach will ich hier nicht der Politik, auch nicht der Kommunalpolitik den schwarzen Peter zuschieben, die teils unter Zwängen steht, teils einer Kirchturmperspektive folgt und teils kurzfri- stig-opportunistisch ist. Ich will vielmehr danach Ausschau halten, welchen Beitrag zu einer anderen und besonders qualifizierten Pla- nung wir denn als Stadtplanerinnen und Stadtplaner leisten könnten. Wir haben aus der möglichst guten Kenntnis des Gegenstandes und der Methoden heraus zwar kein Monopol, aber jedenfalls die Ver- pflichtung, der Stadtgesellschaft und ihren politischen Repräsentanten 44 neue Konzeptionen vorzulegen und sie von deren Sinnhaftigkeit zu überzeugen. Je eher wir zeigen können, dass diese Konzeptionen nicht nur dem Gemeinwohl, sondern auch den vielen Einzelnen ( Ein- wohnern, Gewerbetreibenden, Investoren) besser dienen als bisherige Pläne, und je eher wir deutlich machen können, wie sie praktisch zu verwirklichen sind, umso mehr haben wir Aussicht auf Erfolg in unse- rer Arbeit. Offenbar hat sich das Selbstverständnis unserer Profession seit dem Ende der Moderne insofern verändert, als nicht mehr einfach die "richtigen" Konzeptionen ex kathedra verkündet werden können, sondern mit den Beteiligten und Betroffenen verhandelt werden müs- sen. Klaus Pfromm hat diesen Aspekt gebührend erwähnt. 4. Auf jeden Fall brauchen wir besonders qualifizierte Konzeptionen. Worin sollte diese neue Qualität bestehen? Sie bedarf aus meiner Sicht (1) der Theorie, d.h. einer reflektierten Kenntnis des Planungsge- genstandes in seinen meist komplexen Zusammenhängen sowie kla- rer und begründbarer Leitvorstellungen. Und sie bedarf (2) neuer Methoden in der Organisation des Planungsprozesses von der Pro- blembestimmung bis zur Implementierung. Klaus Pfromm hat genannt: Qualitätsmanagement, Informationsmanagement und Dienstleistungsmanagement. Dazu gehört der intelligente und diffe- renzierte Einsatz der Instrumente, über die wir, da stimme ich zu, im Prinzip ausreichend verfügen. Die von ihm genannten Kernaufgaben der Stadtplanung sind allerdings, jenseits von Organisation, gar nicht so neu. Es lohnt sich dennoch, sie immer wieder neu zu durchdenken. 5. Wenn wir den "deregulierten" Zustand der Stadt als gegeben neh- men und die in ihm liegenden Vorteile begrüßen, dann müssen wir die Nachteile auszuräumen suchen. Ich will hier im folgenden auf zwei Punkte eingehen, die mir dazu wichtig erscheinen. Der eine ist die Notwendigkeit einer strikten Unterscheidung zwischen Rahmen- setzung und Rahmenausfüllung. Zum Beispiel: ein städtebaulicher Plan ist gut, wenn er einerseits eine tragfähige Konzeption für die baulich-räumliche Entwicklung in einem Gebiet formuliert, anderer- seits genügend Spielraum lässt für die einzelnen Akteure, die den Spielraum ausfüllen. Diese Dialektik hat eine räumliche und eine zeitli- che Dimension. Räumlich sichert der Spielraum den einzelnen Akteu- ren, den Investoren und Architekten Bewegungsfreiheit bei ihren Bau- 45 maßnahmen zu und ermöglicht für das Plangebiet bauliche Vielfalt. Zeitlich ermöglicht er Anpassung und Veränderung während eines längeren Entwicklungsprozesses, solange wie das Gebiet besteht. Schließlich schafft er klare Bedingungen für die öffentliche und pri- vate Nutzung. Allerdings muss die Rahmensetzung präzise genug sein und strikt eingehalten werden, um eine funktionsfähige baulich- räumliche Organisation zu sichern und um aus der Vielfalt der Einzel- maßnahmen dauerhaft Stadtstruktur und Stadtbild (oder Stadtgestalt) entstehen zu lassen. Das gilt auf den verschiedenen Ebenen: der Gesamtstadt, des Stadtteils oder Quartiers und des Baublocks oder Straßenabschnitts jeweils analog. Selbstverständlich ist der zu set- zende Rahmen nicht als starr anzusehen sondern als eine mit sich ver- ändernden Entwicklungsbedingungen behutsam fortzuschreibende längerfristige Strategie. Gute Beispiele, wenn auch so nicht wieder- holbar, gibt es aus der Vormoderne: etwa das Paris des Barons Hauss- mann, wo eine sehr strenges Regelwerk verbunden mit wirksam ein- gesetzten Instrumenten die Aktionen einer weitgehend liberalisierten Bau- und Bodenwirtschaft steuern konnte. Das Ergebnis lässt sich bis heute betrachten. Die Moderne hat der Dialektik zwischen Rahmen- setzung und Spielraum, zwischen Festlegung und Variation, zwischen Regel und Ausnahme gewollt oder ungewollt eine Absage erteilt, sie irgendwann gar nicht mehr verstanden. Wir müssen diese Dialektik heute neu entwickeln und pflegen, auch gegen eine innerhalb und außerhalb der Profession verbreitete Aversion entweder gegenüber strikten Regeln oder gegenüber sogenannter Investorenplanung. Das öfters beklagte Springen in der Stadtplanung von Projekt zu Projekt ist dann schädlich, wenn diese sich außerhalb eines konzeptionellen Zusammenhangs für die räumliche Gesamtentwicklung bewegen. Im übrigen ist eine lebendige Stadtentwicklung das Produkt von vielen und vielfältigen großen und kleinen Projekten, wenn sie denn inner- halb eines klar bestimmten Regelwerks ihre Beiträge zur Gesamtent- wicklung leisten. 6. Ein qualifiziertes Ergebnis auf der Grundlage des Prinzips von Rah- mensetzung und Rahmenausfüllung kann nur dann entstehen, wenn, was man am historischen Beispiel Paris auch zeigen kann, damit eine klare inhaltliche Konzeption, eine Leitvorstellung verfolgt wird. Dies ist mein zweiter Punkt. In Bezug auf Leitvorstellungen oder gar Leitbilder werden in Erinnerung an ihre Rolle in der Zeit der Moderne öfters 46 Bedenken geäußert. Solche Bedenken haben den Vorteil, dass wir nicht vorschnell und unreflektiert, sozusagen gläubig einer Leitvorstel- lung folgen. Sie haben den Nachteil, dass wir mangels klar definierter und begründeter Leitvorstellungen das Feld dem sogenannten Trend überlassen, zum Beispiel dem ungebremsten "Landverbrauch" in Folge des hoch subventionierten Baus von Einfamilienhäusern und Betriebsstätten an den Peripherien und deren einziger Verkehrser- schließung durch das ebenfalls hoch subventionierte Automobil. Ich bin der Meinung, dass wir Leitvorstellungen brauchen, andernfalls wären wir machtlos gegenüber dem Trend, hätten keine Beurteilungs- grundlage in Bezug auf zu fördernde und zu verhindernde Entwick- lungen und keine klaren Anhaltspunkte für Auswahl und Einsatz geeigneter Instrumente. 7. Wenn man ein wenig schwarz-weiß malen will, und das tue ich hier, kann man als heraufziehende Leitvorstellung die der "kompak- ten Stadt" als Gegenbild zur "Zwischenstadt" oder die "europäische Stadt" als Gegenbild zur "amerikanischen Stadt" ausmachen. Stich- worte oder Maßstäbe der in vollem Gang befindlichen Diskussion sind etwa: Landverbrauch, Energieverbrauch, Stoffkreislauf; kulturelle Eigenständigkeit, soziale Integration, kreative Milieus; Siedlungs- dichte, Funktionsmischung, Nutzungsvielfalt, öffentlicher Raum; Kon- zentration, Dezentralität, stadtverträgliche Mobilität (Tharun/Bördlein 2000, Apel u.a.1997). Das sind nicht einfach Schlagworte, dazu gibt es ortsbezogene Programme und sehr konkrete Ausarbeitungen, z.B. die Strategien "compacte stad" in Amsterdam oder "kompakt, urban, grün" in München. Im übrigen ist die Leitvorstellung der "kompakten Stadt" keineswegs nur eine zentralstädtische, sondern genau so eine regionale, also nicht der These zwei von Klaus Pfromm "die Stadt verschwindet in der Region" entgegengesetzt. "Kompakte Stadt" kann auch in relativ kleineren Siedlungseinheiten verwirklicht sein, die in der Region verteilt liegen und durch ein intelligentes Ver- kehrssystem miteinander verbunden sind. Ein zusätzliches Gewicht gewinnt die Leitvorstellung der "kompakten Stadt" unter den Bedin- gungen von Schrumpfung und Innenentwicklung. Ich kann das hier nur andeuten 47 8. Ich fasse zusammen: mehr Planung bedeutet andere und beson- ders qualifizierte Planung , bedeutet die Stärkung der Dialektik zwi- schen strenger Rahmensetzung und genügend Spielraum für die Rah- menausfüllung, bedeutet den Mut zur Formulierung klarer Leitvorstel- lungen, zu ihrer Verteidigung auch gegen den Trend. Es kann nicht sein, dass wir als Stadtplaner uns an der "atemberaubenden Tatenlo- sigkeit der Verantwortlichen" (Klaus Schmals 2000) beteiligen. Wir sollten hingegen mit genügend Selbstbewusstsein diejenigen intellek- tuellen, administrativen und politischen Mittel einsetzen, die uns zur Verfügung stehen. Referenzen: Apel, Dieter u.a., 1997. Kompakt, mobil, urban: Stadtentwicklungs- konzepte zur Verkehrsvermeidung im internationalen Vergleich. Ber- lin: Deutsches Institut für Urbanistik. Schmals, Klaus, 2000. Die zivile Stadt, in: Wentz, Martin (Hrsg.), Die - kompakte Stadt. Frankfurt am Main/New York: Campus, S. 30–46. Tharun, Elke; Ruth Bördlein, 2000. Die kompakte Stadt. Ein Fit- nessprogramm für den internationalen Wettbewerb?, in: Wentz, Mar- tin (Hrsg.), a.a.O., S. 56–66. 48 Andrea Sölle Die deregulierte Stadt braucht mehr Planung Der sprachliche Widersinn der Überschrift provoziert. Er provoziert zum Nachdenken und zum Widerspruch. Im folgendem Beitrag werde ich nicht über fachbezogene Inhalte meiner planerischen Arbeit der vergangenen Jahre sprechen, sondern über meine persönliche Wahr- nehmung in meinem Arbeitsumfeld. Wir brauchen nicht mehr Pla- nung, sondern eine andere Planung. Anhand einiger Thesen und Fest- stellungen nach nunmehr 17 Jahren Berufstätigkeit möchte ich iro- nisch pointierter und vielleicht auch in polarisierender Form zur Aus- bildung, zum beruflichen Selbstverständnis und den Erfahrungen aus der Praxis als Stadtplanerin Stellung nehmen. 1. Große Projekte werden nicht mehr von der Stadt geplant, sondern aus der Privatwirtschaft in die Stadt transplantiert Das Risiko für die Stadt liegt vor allem darin, dass die Stadtplaner mit Beurteilung der wirtschaftlichen Tragfähigkeit überfordert sind. Ich bin ausgebildet worden unter der Vorgabe, die Interessen der nicht privi- legierten Bevölkerungsschichten ausreichend zu berücksichtigen und zu vertreten, jede Veränderung in der Stadt und auf dem Land zu ver- mindern, seine bauliche Erneuerung ausschließlich als kommunale oder gemeinnützige Investition zur Kenntnis zu nehmen. Kurz die Hal- tung der Ausbildung war streng konservativ. Der private Investor war der Gegner, dessen Projekte es zu verhindern galt. Die Berufsbilder und Feindbilder waren klar. Nun die Berufs- und Feindbilder sind erheblich durcheinander gera- ten. Planung war ein politischer Prozess, es gab eine mündige Bürger- schaft. Großprojekte wie die Startbahn West, Atomkaftwerke oder Autobahntrassen polarisierten und füllten die Zeitungen. Und heute? Die städtische Bürgerschaft ist entweder in das Umland gezogen oder einfach nicht mehr wahrnehmbar. Ich erkenne die kritischen Bürger nicht mehr. Mitsprache und Einfluss wird nur da in Anspruch genom- men, wo individuelle Interessen berührt scheinen. Die Entwicklung der Gesamtstadt interessiert nur noch wenige. Mir fehlen die 49 Ansprechpartner. Die Ausbildung der Stadtplaner ist nicht mehr gleichzusetzen mit einer ausreichenden Qualifizierung: Geographen und Bauingenieure sind anpassungsfähiger und vielseitig einsetzbar, nicht so dogmatisch und umsetzungsorientiert. Die Stadtplaner wer- den mittlerweile gemessen an anderen Berufsgruppen, aber auch an ihren Kollegen anderenorts. Sie müssen sich bewähren, werden eingeschätzt und müssen ihre Leistung bewerten lassen. Das wird von vielen als Zumutung empfunden. Der private und der öffentliche Bauherr erwartet heute umfas- sende Beratungsleistung: Renditeanalysen, Portfoliomanage- ment, Nutzungsanalysen, Marktuntersuchungen, Projekt- steuerung, juristische Beratung, Koordination, Moderation und vieles mehr. Gleichzeitig erfahren wir Konkurrenz durch den Generalplaner, der das Rundumsorglospaket verspricht. Und das wollen inzwischen nicht nur die privaten sondern auch die öffentlichen Auftraggeber: Plane und setze die Ergebnisse um. 2. Für welche Rolle wird der Stadtplaner ausgebildet? Als Vertreter der öffentlichen Hand in der Verwaltung, als Vertreter des Eigentümers bei den großen Immobiliengesellschaften wie Woh- nungsbaugesellschaften, Bahn, Post, Vitewa, IVG, TLG, Versicherun- gen, den Liegenschaftsfonds der Kommunen oder der Länder, als Ver- treter des Bauherrn bei größeren Bauvorhaben, als Vertreter der Finanzies bei Tochtergesellschaften der Banken, oder als Generalist, der in der Funktion des freischaffenden Planers alle bedienen muss?. Das Rollenverständnis wird sich ändern müssen, weil die Rahmenbe- dingungen sich ändern. Die öffentliche Hand verfügt praktisch über keine Mittel mehr zur Investition. Das ist grundsätzlich nichts neues. Neu ist, dass sie auch niemals mehr Geld haben wird. Wir als Stadtplaner müssen immer mehr mit Partnern kooperieren, denen wir uns fremd fühlen. Ich arbeite seit vielen Jahren in einer Firma, in der ich mich nicht fremd, aber unter "Nichtgleichen" fühle, - in der sozialen Ausrichtung - der beruflichen Ethik - in der Lebensführung, dem Lebensstil - bei den Umgangsformen - bei den kulturellen Erfahrungen 50 Hier gibt es erhebliche Differenzen, die nicht besser zu beurteilen sind, sie sind einfach sehr anders. Dieses Andersein erfordert einen anderen fachlichen Austausch, eine andere Form der Kommunikation. Herr Kunzmann hat in seinen Ausführungen in Bezug auf die ethni- schen Verständigungsprobleme gesagt, dass wir lernen müssen in ein- fachen Bildern zu sprechen, um uns verständlich zu machen. Darüber hinaus hat er uns aufgefordert, nicht aufzuhören "neugierige Blicke über den Gartenzaun zu werfen". Mir hat das sehr gut gefallen. Wie konditioniert mich die Universität, auch in einer Welt der Nicht- gleichen, zu kommunizieren und mich durchzusetzen ohne mich anzupassen? Meine Gesprächspartner sind Juristen, Volkswirte, Bän- ker, Makler, Betriebswirte, Verkäufer, sie denken ausschließlich unter ökonomischen Kriterien. Wie groß ist die Renditeerwartung, wie hoch ist das Wertschöpfungspotential, wie weise ich die wirtschaftliche Tragfähigkeit nach, wie schaffe ich Ertragssicherheit, wie stelle ich die Kostensicherung dar? Nachdenklich macht mich die Beobachtung, dass in schwierigen Zei- ten – also heute – intellektuelle Nachdenker und kritische Nachfrager nicht mehr erwünscht sind. Zu Rate gezogen werden verstärkt diejeni- gen, die angeben jedes Problem lösen zu können: der Immobilienspe- zialist, der Generalist, der Generalplaner und der Großschwätzer. Ich empfinde es manchmal an der Grenze des Erträglichen. 3. Ausblick Wer wird zukünftig die Entwicklung unserer Städte bestimmen? Über- lassen wir das Feld den Generalisten, den Halbwissensträgern? Wir sprechen bisher nur von der universitären Ausbildung. Es etablieren sich zunehmend private Immobilienschulen. Institute werden gegrün- det und Netzwerke initiiert, die scheinbar an denen der Universitäten vorbeigehen. Die Abschlüsse dieser vorwiegend privaten und mit hohen Gebühren belegten Einrichtungen werden als Qualifikation nicht nur akzeptiert, sondern zunehmend nachgefragt. Das Netzwerk bezieht die Vertreter der großen Immobiliengesellschaf- ten mit ein und bietet über zahlreiche Veröffentlichungen ein Forum zur Diskussion und Meinungsmache. Die Universitäten werden Seitens der Initiatoren nicht ausgeschlossen; sie selbst sind es, denen der Kon- takt oder die Zusammenarbeit schwer zu fallen scheint. Aus den Publikationen und Veranstaltungen lässt sich erkennen, dass sich die Betrachtungsweise verstärkt auf Teilstücke der Stadt konzentriert, also 51 der Verlust einer übertragenden Betrachtungsweise der Stadt als Gan- zes deutlich wird. Das was wir als soziale Verantwortung bezeichnen und verstehen, existiert nur noch als ökonomischer Wert. 4. Städtische längerfristige Planungen durch die Kom- munen – Kommunale Planung Es wird eine weitgehendere Qualifizierung erforderlich sein, um die- sen Aufgaben gerecht zu werden. Für die Städte wird es katastrophal sein, wenn den Planungen privater Bauherrn nichts mehr entgegen- gesetzt werden kann. 52 Zusammenfassung der Diskussionen Michael Glatthaar, Anke Kaschlik mit Antworten von Klaus Pfromm Die lebhaften Diskussionen im Anschluss an die Statements und die Abschlussdiskussion werden unter den von Klaus Pfromm eingeleite- ten Themenfeldern zusammenfasst. Die Themenfelder sind in der Dis- kussion erweitert und verknüpft worden, deshalb wurden die Über- schriften der Diskussionsthemen, getreu der inhaltlichen Ausrichtung, ausgeweitet, die getrennte Darstellung wird jedoch wegen der besse- ren Übersichtlichkeit fortgesetzt. Auf einen direkten Urheber-Verweis der Beiträge wird verzichtet. Klaus Pfromm hat am Ende der Abschnitte jeweils ein Schlusswort: Antworten von Klaus Pfromm. Einige Zitate geben das Spektrum der Diskussion wieder. Schrumpfung – Migration – Segregation Die Schrumpfung der Stadtbevölkerung, wie sie hier diskutiert wurde, umfasst zwei Problemlagen, die sich in ihren Konsequenzen für die Städte und Regionen überlagern: Dies ist die seit langem andauernde Abwanderung aus den Städten ins Umland (zumeist mit für das Umland positiven finanziellen Effekten), die aktuell zusätzliche Brisanz durch den allgemeinen Bevölkerungsrückgang in Deutschland erhält und nur durch Einwanderung aufgefangen oder gemildert werden kann. Im Wesentlichen wurden die vom Schrumpfungsprozess für die Städte ausgehenden Probleme drei nicht konsequent trennbaren Themen- komplexen zugeordnet: Erstens schränken die sich aus sinkenden Bevölkerungszahlen ergebenden geringeren Steuereinnahmen die finanziellen Handlungsspielräume der Städte ein. Zweitens ergeben sich aus der Abwanderung der Besserverdienenden strukturelle Verän- derungen wie Polarisierung der Stadtgesellschaft und Homogenisie- rung räumlicher Bereiche in der Stadtregion. Drittens bedingen die Folgen der Abwanderung wie z.B. Wohnungsleerstand, höhere Ver- kehrsaufkommen und nicht ausgelastete Infrastrukturen oft auch Ver- änderungen in der baulich-räumlichen Struktur der Stadt. Daraus ergeben sich für die Stadtpolitik und die Stadtgesellschaft neue Hand- lungszwänge, die sich aufgrund der notwendigen Integrationsleistun- gen der Städte für die Einwandernden weiter verschärfen. Mit Einwanderung wurde ein Themenbereich angesprochen, der die PlanerInnen zwingt, ihr europäisch-deutsches Selbstverständnis von 53 Stadt zu überdenken und zu erweitern, um die Vorgänge der Zuwan- derung und Integration überhaupt verstehen zu können. Damit ist nicht nur verbunden, Deutschland als Einwanderungsland zu akzep- tieren, sondern auch weitergehende Integrationsstrategien zu entwik- keln, als es mit dem bisherigen System der sozialen Sicherung ange- strebt war. Hierfür wurden neue Analysemethoden als erforderlich erachtet, die neben der sozialen Schichtung auch ethnische und kul- turelle Differenzierungen bewerten können, um daraus entspre- chende Integrationsstrategien entwickeln zu können. Dabei wurde das Quartier als wesentliche Handlungsebene identifiziert, denn es ist – aufgrund des Bedeutungsverlustes des Arbeitsmarktes für die Inte- gration – die aktuell und künftig funktionsfähige Integrationsebene. Dies werde durch die Ausrichtung und schon erste ablesbare Erfolge des Förderprogramms "Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf – die soziale Stadt" wirkungsvoll unterstrichen. Das sehr unterschiedliche Maß der Schrump- fung in den Städten erfordert eine differen- zierte Betrachtung. Konstatiert wurde aber, dass in den ostdeutschen Städten die Schrumpfung am weitesten fortgeschritten ist und dass sie in den westdeutschen Städten insgesamt dieses Ausmaß und diese Geschwindigkeit kaum erreichen wird. Jedoch wird es auch hier – mit großen regionalen Unterschieden – zu Phänomenen wie Leerständen, Fragmentierung des Stadtraums, Verinselung der Stadt- struktur und – bis auf wenige Ausnahmen – zur Verdünnung bzw. Entdichtung vor allem der Nutzungen, sehr wahrscheinlich aber auch der baulichen Struktur kommen. Für diese auch im Westen zu erwar- tenden Folgen der Schrumpfung und für erfolgreiche und weniger erfolgreiche Strategien zur Bewältigung ist der Osten derzeit schon ein ergiebiges Lernfeld. Die Entleerung der Städte wurde auch als ein politisches Problem erkannt: Die politische Position der Kernstadt ist zu schwach, um sich im regionalen Kräftespiel durchzusetzen. Andererseits wurden aber regionale Kooperationen, Zweckverbände oder auch Eingemeindun- gen als notwendige Maßnahmen zur Konsolidierung der Kernstädte genannt, deren Ausbau und Institutionalisierung unablässig notwen- dig ist. Dabei wurde zu bedenken gegeben, dass derartige Strategien zwar helfen könnten, die finanziellen Belastungen der Kernstädte zu 54 Wir müssen lernen, dass wir als Pla- ner nicht die Aufgabe haben, die Zustände der Stadt dauernd zu be- werten. Detlef Ipsen mildern bzw. diesbezüglich einen regionalen Ausgleich zu schaffen, innerstädtische Problemlagen wie sozialräumliche Segregation und die ökologische Folgen der Suburbanisierung blieben dadurch jedoch weitgehend ungelöst. Auch die Ausweisung von (Eigenheim-) Bau- land auf allen zur Verfügung stehenden Flächen in den Gemarkungen der Kernstädte greift oft zu kurz und ist möglicherweise sogar kontra- produktiv, da sie für weite Teile der bebauten Stadt mit einer Minde- rung der Lebensqualität z.B. durch verbaute Kaltluftschneisen und weitere Wege in die Erholungslandschaft einhergeht. Der allgemeine Bevölkerungsrückgang wurde auch als Chance für die Entwick- lung in Deutschland diskutiert: Neben den von Regina Sonnabend angespro- chenen kleinteiligen Ansätzen zur Nut- zung der Schrumpfung als Chance, die die interessanten Beispiele aus den ostdeutschen Städten belegen, wurde in der Diskussion auch geringe Bevölkerungsdichte insgesamt als Chance betrachtet, die in verschiedenen Ländern einem hohen Lebensstandard nicht im Wege steht. Ob dabei das angeführte Beispiel Norwegen (das z.B. über bedeutende Bodenschätze verfügt und eine andere Siedlungstradition hat) wirklich auch für mitteleuropäische Verdichtungsräume Bestand haben kann, blieb jedoch unbeantwortet. Zumal die (Wieder-) Ver- dünnung der Bevölkerung nicht nur ökologische Probleme wie wei- tere Entfernungen mit sich bringt, sondern zusätzliche Belastungen wie z.B. den Umgang mit vorhandenen überproportionierten und auf- wendig zu unterhaltenden Infrastrukturen beinhaltet. Das in der Diskussion sichtbar gewordene weite Meinungsspektrum verdeutlicht die pro- blematische Situation, vor die die Schrump- fung nicht nur die Städte, sondern auch die Planung stellt. Planerische Strategien sind bis- her immer noch auf Erweiterung oder auch Stadtumbau ausgelegt, Strategien zum Umgang mit der Schrumpfung müssen erst entwickelt werden. Als eine wichtige Methode dafür wurde die Arbeit mit Szena- rien herausgestellt, die die Chancen und Risiken der jeweiligen Ent- wicklungsrichtungen für unterschiedliche AkteurInnen und gesell- schaftliche Gruppen bewerten können. Das Durchspielen verschiede- ner Szenarien würde so die zu bewältigenden Aufgaben und notwen- digen Verknüpfungen und Kooperationen zu identifizieren helfen. 55 Nicht überall ist Los Angeles. In Chicago entdecken die Kinder der Suburbanisie- rung und die High-Tech-Firmen die Lofts der altindustriellen Innenstadt. Ingrid Lübke “Schrumpfung planen“ erfordert nicht einfach das Einlegen der „Rückwärtsganges“. Regina Sonnabend Aus dem diskutierten Themenspektrum wurden immer wie- der auch Rückschlüsse auf notwendige Veränderungen im Studium gezogen: Klaus Kunzmann verdeutlichte mit sei- nem Statement die Notwendigkeit der Internationalisie- rung der deutschen Hochschulen und des Studiums, wohingegen in der Diskussion eher neue oder veränderte Studieninhalte in den Mittelpunkt gestellt wurden. Antwort von Klaus Pfromm Was mir für die Entwicklung von Studium und Lehre am interessantesten erscheint – alles andere ist natürlich noch viel interessanter – aber für mich war die These, dass das europäisch- deutsche Selbstverständnis der Stadt in Zukunft nicht mehr ausrei- chen wird, die Ansprüche an die Städte in Europa, der Migration, zu verstehen, und dass wir deshalb im Studium drastisch unsere europa- und deutschlandzentristischen Stadtgeschichte und Stadttheorie erweitern müssen. Was ich wichtig fand war, dass wir eine neue Quartiersanalyse brau- chen. Die ganzen sozialstufig und sehr von Flächenstrukturen und Gebäudenutzungen bestimmen Quartiersanalysen, die wir aus unse- rer Theorie kennen, können nicht die ethnische Differenzierung und die kulturelle Differenzierung in einem Quartier erfassen. Die Internationalisierung des Studiums, bezogen auf die Ausdifferen- zierung unterschiedlicher Stadtentwicklungen und internationaler Berufsfelder wird man endlich ernst nehmen und anpacken müssen. Noch drei Punkte: Erstens: Ein wunderbar programmatischer Satz: Wir müssen Schrumpfen denken und dann Planen lernen. Und ich glaube, dass das eine wahnsinnig spannende Aufgabe für die Hochschulen ist. Und zweitens: Wir sind bereits, in Ostdeutschland, auf einer Aufhol- jagt, weil dort schon Probleme behandelt werden müssen für die adäquate Instrumente fehlen und die sich im Westen langsam entwik- keln werden. Und deshalb finde ich es wunderbar zu sagen: Wir wer- den in Zukunft Ostdeutschland als Vorreiter des Schrumpfens zu stu- dieren haben. Dort müsst ihr hingehen, dort kann man sehen, wie sich die Sache auswirkt. Und drittens fand ich noch die Formulierung ausgezeichnet: Dass man in der Stadt eigentlich die Kultur, Forschung und Wissenschaft als städtische Produktivitätskraft viel offensiver in die Überlegungen ein- beziehen muss. Jeder will natürlich Kultur und Wissenschaftler haben 56 – aber, dass sie nicht nur lobenswerte „fremde“ Institutionen sind, sondern eine städtische Infrastruktur und Einbindung brauchen und als Ressource genutzt werden müssen, das finde ich ganz besonders wichtig. Auf die Diskussion um die städtische Wohnbaupolitik im Zeichen ver- stärkter Konkurrenz mit dem Umland bin ich sehr gespannt Stadt – Region – Architektur Ausgelöst durch den Beitrag von Fritz Schumacher diskutierten die TeilnehmerInnen des Kolloquiums das Verhältnis von Planung und Architektur vor dem Hintergrund einzelner Projekte. Weitgehender Konsens bestand darüber, dass bestimmte Qualitäten der ArchitektIn- nen – hier vor allem die Fähigkeit zum räumlichen Denken – mehr von der Planungsdisziplin aufgenommen werden müssten. Kritisch ange- merkt wurde in diesem Zusammenhang, dass zwischen dem, was namhafte ArchitektInnen wie z.B. Rem Kolhaas schreiben und dem, was sie bauen ein großer Unterschied bestehen. Dies ist nicht nur auf den Produktionsdruck zurückzuführen, sondern ergibt sich durch eine zu kurz gefasste Übertragung der ästhetischen Qualitäten von Archi- tektur, die in Realitäten umgesetzt mehr räumliche Tiefe haben müss- ten, als es Fassadenzeichnungen hervorbringen. Im Hinblick auf Erfahrungen aus europäischen Nachbarländern wurde gefordert, dass in Deutschland ArchitektInnen und StadtplanerInnen als UrbanistInnen ausgebildet werden müssten. Denn es geht gerade nicht darum, die ArchitektInnen als Stadtdetail-EntwerferInnen auszu- bilden und den StadtplanerInnen zu vermitteln, dass sie sich mit Strukturplanungen begnügen können, sondern es muss eine gemein- same Austauschform gefunden werden, bei der beide ihre Ideen und Ansätze konstruktiv einbringen können. Als Urbanistik wurde hierbei verstanden, dass baulich-räumliche Qualitäten mit stadtplanerischen Ansätzen zu verknüpfen sind (seien), z.B. indem die ArchitektInnen früher in den Umsetzungsprozess einbezogen werden. Vor dem Hintergrund der Diskussion um die Ausbildung von PlanerIn- nen und ArchitektInnen wurde das Ausbildungsmodell der Fachberei- che Architektur und Stadt- und Landschaftsplanung der Universität GH Kassel als guter Ansatz herausgestellt, bei dem die Kooperation 57 und das gemeinsame Bearbeiten von Projekten von vornherein erlernt werden kann. Der zweite Teil der Diskussion wurde durch den Beitrag von Ulf Hahne angeregt, in dem er betonte, dass es für die Regionalentwicklung nicht ausreicht, nur einzelne Projekte zu betrachten. Vielmehr muss die Region als Ganzes gesehen werden, mit all ihren regionalen Austauschprozes- sen. Denn durch die Betrachtung von kleinteiligen und sektoralen Pro- zessen oder Projekten geht der Anspruch zur Steuerung von Entwick- lungen verloren. PlanerInnen müssen Nachhaltigkeit in der Region definieren und dies ist nur zu schaffen, wenn Planerausbildung gleich- zeitig Regionalausbildung ist. Im Weiteren wurde die Diskussion um die Region im Spannungsfeld zwischen Lebensgefühl und Lebens- raum geführt. Als Lebensraum der Bevölkerung wird die Region und nicht nur die Stadt angesehen. D.h. die Aktionsräume der BewohnerInnen (Verteilung der Wohn-, Arbeits- und Freizeitorte) orientieren sich nicht an kommunalen Grenzen. Andererseits wurde festgestellt, dass das “Lebensgefühl” der Bevölke- rung mit der Stadt verbunden ist, da die Region dies nicht vermittle. Als teils positives Beispiel für die stärkere Berücksichtigung der Region wurde Hannover genannt, wo über vielfältige Aktionen versucht wird, die Region erlebbar zu machen. Angerissen wurde auch die Frage der Form regionaler Zusammenarbeit zur Lösung der Stadt-Umland-Probleme: Die Eingemeindung wurde als wahr- scheinlich bester, aber politisch kaum durchsetzbarer Weg genannt. Des Weiteren sind Kooperationen und Zweckverbände diskutiert worden. Unabhängig von den jeweiligen Kooperationsformen, ob Zweckverband, regionale Gebietskörper- schaft etc. mit je spezifischen Vor- und Nachteilen, wurde mehrfach herausgestellt, dass eine Verstärkung der Konkurrenz zwischen der Kernstadt und den Umlandkommunen, z.B. durch massive Wohnbau- flächenausweisung auf städtischem Gebiet, keinen Weg in Richtung einer Problemlösung darstellt. Letztlich können die vielfältigen Stadt- Umland-Probleme nur innerhalb einer stadtregionalen Kooperation dauerhaft und für beide Seiten Gewinn bringend gelöst werden. 58 Wir müssen für die Stadt begeistern. Harald Kissel Wir brauchen eine Ausbildung, die Urbanistik beinhaltet. Fritz Schumacher Wenn wir Regionalentwicklung in Projekten denken, geben wir den Planungs- anspruch völlig auf. Ulf Hahne In Bezug auf das viel diskutierte Beispiel der Region Hannover wurde hierzu kritisch angemerkt, dass zwar die Schaffung eines effizienten Verwaltungssystems vorgesehen ist, die finanziellen Ungleichgewichte zwi- schen Zentralstadt und dem soge- nannten Speckgürtel aber weiterhin bestehen. Auch der Wettbewerb zwi- schen den Kommunen, das “Kirch- turmdenken”, habe nicht abgenommen, so dass nach wie vor kein gemeinsames Flächenmanagement und deshalb weiterhin Konkur- renz der Wirtschaftsförderungen besteht. Die Region Hannover wurde vor diesem Hintergrund als “Scheinlösung” dargestellt. Zur Frage nach neuen bzw. besseren Instru- menten zur Steuerung der Stadt-Umland-Pro- bleme ergab sich das einhellige Urteil, dass keine neuen Instrumente benötigt werden, die vorhandenen müssen nur konsequenter genutzt und angewendet werden. Jedoch wurde die Weiterentwick- lung von planerischen Instrumenten zur zeitnahen und problemad- äquaten Lösung von Problemen gefordert. Die Planung muss dynami- siert werden. Dies bedeutet z.B., dass der Flächennutzungsplan nicht mehr als ein statisches Planwerk fungieren soll, sondern dass intensiv über Formen der Dynamisierung der Flächennutzungsplanung nach- gedacht werden muss, also die Frage zu behandeln ist, wie die Ände- rungen zu standardisieren sind und wie Planung in einem permanen- ten Prozess gefasst werden kann. Die TeilnehmerInnen waren sich dar- über einig, dass auch dies nicht ohne eine verbindliche stadtregionale Kooperation, in welcher Form auch immer, umgesetzt werden kann. Antwort von Klaus Pfromm Hier ist die Zusammenfassung schwierig: Dass die Region Planungsraum sein muss, darüber sind wir uns ja alle einig. Aber es muss gelten, was Hahne gesagt hat: Die Region, das ist mehr als eine Verwaltungsstruktur, das sind vielfältige, fundamentale Austauschprozesse, und deshalb: Planerausbildung muss Regionalaus- bildung sein. Es darf in der Ausbildung und der Planerdiskussion nicht nur darum gehen, wie die Regionalreform einmal, in ferner Zukunft, aussehen 59 Die Ästhetik von Architektur ist eine andere als die Ästhetik von Stadt. Albert Pinkvohs Was Rem Kolhaas schreibt und was er baut ist ein großer Unterschied. Gehen Sie mal nach EURALILL, das ist nicht gerade die schöne Stadt, die wir uns alle wünschen. Klaus Kunzmann muss. Darum darf es erst in zweiter Linie gehen, sondern es geht jetzt darum, den unwürdigen Prozess der Entleerung der Stadt in die Region zu beenden und der ist hier und heute politisch fest abgesi- chert – durch die kommunale Grenze. Und er läuft, geschützt durch die Diskussion um die Regionalreform und die damit geweckten Hoff- nungen, wie geschmiert. Also das ist der Unterschied. Und ich bin dafür, dass man im Studium nicht nur diese eigentlich richtige „Gut- menschenposition“ denkt: Regional ist besser als kommunal und wir wollen Regionen in Kassel, in Deutschland, in Europa und deshalb beschäftigen wir uns damit. Sondern die Tatsache zur Kenntnis nimmt, wir haben eine segregierte Situation und es muss mit der umgegangen werden. Und dazu fand ich die Formulierung von Fritz Schumacher ganz toll, diese Harmonisierungsfalle. Ja es wird ständig über die Regionalisierung geredet, am meisten von den Politikern aus der Region, die aus Kassel (ich rede jetzt von unserer Region) sind eigenartig stumm, weil sie nämlich keine Kraft haben. Die anderen sit- zen auf ihrem Steuersäckel und von dort oben herunter blasen sie ununterbrochen Vorschlägen, darüber, wie man kommunizieren soll und wie man Reform macht und immer große Töne über Regionalbe- wusstsein, und währenddessen bieten sie immer neue „kleine“ Par- zellen von 900 m² , 1000 m² an, mit denen sie Kasseler Bürger und Steuerzahler hinter ihre Mauer locken. Das, meine ich, muss man wirklich beachten. Und deshalb finde ich auch die Formulierung „Ver- kehrsfalle“ von Schumacher so interessant. Und dass er das auf den öffentlichen Nahverkehr bezieht -Donnerwetter- Dass der öffentliche Nahverkehr die Ausblutung in die Region befördert, das kann wohl nur ein selbstbewusster Stadt-Baseler in den Vordergrund stellen. Das ist auch so eine These, die wir aufnehmen sollten und da sind alle sofort dagegen. Schön. Die Nachhaltigkeitsfalle finde ich einen genauso interessanten Punkt. Die kompakte Stadt, die reurbanisierte Stadt ist ökologisch. Und des- halb muss man in dieser Stadt nicht auch noch ökologische Inseln zu außerordentlich hohen gesellschaftlichen Kosten aufrecht erhalten. Die These, die ich hier gerne haben möchte: Holzt den Stadtwald ab, baut Häuser. Damit will ich es jetzt gut sein lassen. Aber doch noch zum Abschluss: Ich bin auch in der Regionalreform für eine radikale Lösung: Ulf Hahne hat gesagt: „Region ist kein Lebensgefühl, aber eine Stadt ist ein Lebensgefühl“ und deshalb muss eingemeindet werden. 60 Deregulierung – Planung – Development Dieter Frick benannte in seinem Statement Vor- und Nachteile der Deregulierung der Planung. Die anschließende Diskussion über die Möglichkeiten bzw. Notwendigkeiten zur Steuerung durch Planung verlief kontrovers: Auf der einen Seite wurde die Notwendigkeit zur Rahmensetzung, innerhalb derer sich dann die Ent- wicklung frei vollziehen kann, als adäquates Steue- rungsinstrument angesehen. Als gut funktionie- rende Beispiele dafür wurden die Planung für die kompakte Stadt Amsterdam aus den 80er Jahren und das Stadtentwicklungskonzept “München – kompakt, urban, grün” angeführt, wohlwissend, dass es sich hierbei um reiche Städte mit Ansiedlungsdruck von Unternehmen handelt und entsprechend die Umsetzung von Rahmenvorgaben einfacher realisierbar ist. Auf der anderen Seite wurde die Meinung vertreten, dass die Rahmensetzung selbst flexibel sein muss, um auf Verän- derungen reagieren zu können; der Rah- men ist als Perspektive zu verstehen. Die Rahmensetzung in dieser Interpretation ist demnach eher als Formulierung des Möglichen denn als Festlegung von Grenzen, in die sich die Entwicklung zu fügen hat, zu sehen. Eine weitere Kontroverse der Diskussion entspannte sich um die Mög- lichkeiten der Städte in ihren heutigen zumeist schwachen Positionen, die Rah- mensetzung längerfristig zu tragen und umzusetzen: Es wurde in Frage gestellt, ob die Städte und ihre politisch Verant- wortlichen aktuell überhaupt noch in der Lage oder Willens sind, einen Rahmen zu setzen und dann die beabsichtigte Füllung auch in der direkten Auseinandersetzung mit Investoren durchzusetzen. In diesem Zusammenhang wurden notwendige, nicht ganz neue Qualifikationen von PlanerInnen angesprochen. Sie sind gefordert, die Rahmensetzung zu dynamisieren, um sie flexibel, den im Zeitverlauf veränderlichen Anforderungen entsprechend, fortzu- schreiben. Daraus ergeben sich für die Planung zusätzliche Arbeitsfel- der, die wesentlich durch Kooperationen und Kommunikation geprägt sind. Zudem ist die Auseinandersetzung mit den Ansichten und Not- 61 Rahmenplanung ist nicht der goldene Bilderrahmen. Dieter Frick Klaus, du hättest das Kolloquium zwei Jahre früher machen müssen, dann hätte man die Professur nicht mehr für Stadt- und Regionalplanung ausgeschrieben, sondern als C5-Professur für die räumliche Betreuung der Stadt. Fritz Schumacher Im Moment wissen wir vielleicht noch, wo wir hin wollen. Ich befürchte, in 20 Jahren wissen wir selbst das nicht mehr. Hajo Schuy wendigkeiten der Arbeit von DeveloperInnen/InvestorInnen erforder- lich; alte “Feindbilder” müssen überwunden werden, um überhaupt in fruchtbare Kooperationen mit DeveloperInnen treten zu können. Andrea Sölle gab für diese Fragestellung in ihrem Statement einen weiteren wichtigen Punkt zu bedenken: private Immobilienschulen haben mit großen Immobiliengesellschaften ein gemeinsames Forum für Diskussion und “Meinungsmache” geschaffen, in das sich die Universitäten nicht einklinken. Die Einmi- schung der Universitäten ist jedoch mit Blick auf die soziale Verantwortung von Stadtentwicklung dringend gebo- ten, da sich die Interessenkonzentration der Initiatoren auf kleine Teil- bereiche der Stadt konzentrieren und weitere Zusammenhänge nicht oder ungenügend beachtet werden. Aus der Feststellung, dass Planung schon lange nicht mehr nur Planerstellung bedeu- tet, sondern Kreativität und phantasievolles Kräftebündeln verlangt, wurden in der Dis- kussion auch neue Anforderungen an die Ausbildung formuliert: So muss das Studium auf die Sichtweisen anderer Berufsgruppen vorbe- reiten und die Befähigung zu qualifizierter Diskussion sicher stellen. Erst dann sind PlanerInnen in der Lage, ihrer Aufgabe als Politikbera- terInnen gerecht zu werden und dafür zu sorgen, dass die Politik sich nicht (z.B. durch perfekte Bilder oder Arbeitsplatzversprechen) blen- den lässt. Als eine wesentliche Aufgabe von PlanerInnen wurde dar- über hinaus das dogmenfreie Ausschauhalten nach Verbündeten zum Aufbau der lebenswerten Stadt und ihre feste Einbindung in die Ver- antwortung für die Stadt herausgestellt. Diese Einbindung, insbeson- dere die von InvestorInnen aber auch die der Öffentlichkeit, muss möglichst frühzeitig geschehen. Es wurde die Forderung erhoben, dass dieje- nigen, die in der Stadt Geld verdienen, auch für ihre Entwicklung Verantwortung über- nehmen sollen. Als gutes Beispiel hierfür wurde BMW mit der Entwicklung und Umsetzung des Verkehrskon- zeptes in Augsburg angeführt. Weniger problematisch ist die Verant- wortungsübernahme bei lokal oder regional verankerten Akteuren, die sich für “ihre” Städte mit verantwortlich fühlten, denn letztlich sei das Image der Stadt auch ihres. Investoren hingegen, die von 62 Wir müssen dogmenfrei nach Verbündeten beim Aufbau der lebenswerten Stadt Ausschau halten. Detlef Ipsen Am Anfang waren die Developer unsere Feinde, heute sind sie eine Adresse für einen Arbeitsplatz Klaus Kunzmann Wir können nicht einfach einen Deckel auf eine Situation setzen, die uns nicht mehr passt, wir müssen sie weiterentwickeln Hans-Ulrich Plaßmann “Außen” kommen, fehlt regionale Verantwortung. Entsprechend schwieriger ist ihre Einbindung in die Verantwortung für die Stadt, in der sie (mehr oder weniger zufällig) investierten; zusätzlich werden neuen InvestorInnen seitens der PolitikerInnen z.T. unverantwortliche Zugeständnisse gemacht. Aber auch über DeveloperInnen wurden neue Erfahrungen berichtet: neben der üblichen Projektentwicklung auf der Grünen Wiese, sind demnach Entwicklungen auszumachen, die sich in Richtung Stabilisierung der Innenstädte, Förderung von Urbanität und auch längerfristige Abschreibungen bewegen. Um dies zu erkennen und für die Qualität der Stadt zu nutzen, müssen die deutschen Raumplanungsfakultäten den Blick nach Außen richten. Nur dann ist zu erreichen, dass PlanerInnen weiterhin Einfluss nehmen und die Zukunft der Städte mit gestalten können. Die ungeheure Ausdehnung des Spektrums an notwendigen Qualifi- kationen und Spezialisierungen von PlanerInnen, wie sie in der Diskus- sion zum Ausdruck kam, ist kaum von jeder einzelnen Hochschule zu vermitteln: Als notwendig wurde deshalb eine Zusammenarbeit, Ver- netzung und Arbeitsteilung der Hochschulen erachtet, um den aktuel- len und künftigen Anforderungen in ihrer erforderlichen Differenzie- rung Rechnung tragen zu können. Antwort von Klaus Pfromm Mit einigen Vorbehalten und einer gehörigen Portion Skepsis sind sich doch alle einig, dass Planung für die nützliche Entwicklung sowohl der wachsenden als auch der schrumpfenden Städte eher unverzicht- bar ist. Dass die Stadtplanerinnen und Planer als Hüter des Gemein- wohls erkannt werden und in dieser Rolle auch von Developern und Investoren akzeptiert werden, wirft eine schwierige Frage auf. Wie wird das Gemeinwohl bestimmt, wenn es nicht politisch korrekt im politischen Entscheidungsprozess der Kommune festgelegt wird. Hier bedarf es eines staatsbürgerlichen Engagements der Planerinnen und Planer, das auch im Studium sich bilden muss. Mit Recht postuliert der Entwurf zur Kassler Studienordnung als ein Ziel der Ausbildung die Orientierung der Berufstätigkeit an gesellschaftlichen Bedürfnissen und Konflikten und fordert politisch verantwortliches Handeln. Mit dem immer stärkeren Einfluss von Investoren und Projektentwick- lern auf planerische Entscheidungen wird der im Bauplanungsrecht festgelegte Entscheidungsprozess aufgebrochen. Ziele und Zwecke folgen privaten Interessen und die Konzentration der politischen Dis- kussion auf Einzelprojekte befördert die Beschränkung auf wirtschaft- 63 lich bestimmte Einzelaspekte; umfassende strukturelle Überlegungen werden als störend empfunden und nicht selten ausgeklammert. Planung muss immer mehr, statt längerfristige, lineare Zielplanung zu verfolgen, zum strategischen Inkrementalismus1 entwickelt werden. Das bedeutet, ein komplexes, verflüssigtes Planungssystem muss systematisch, dem Allgemeinwohl und planerischer Sachkenntnis ver- pflichtete strategische Ziele in renitente Entscheidungsprozesse der informellen2 Kommunikation einbringen. Ich möchte noch etwas zu den Auswirkungen dieser Aufgaben auf das Studium bemerken. Unsere Position „Planung ist Kommunika- tion“ ist längst aus der handwerklichen Phase in handlungswissen- schaftliche Kompetenz gekommen. Wir lehren Moderation, Media- tion, dialogische Planung. Aber wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass andere inzwischen Methoden und Verfahren für unsere eigene Arbeit und Kooperation zur Verfügung stellen. Am meisten haben mich die Fortschritte in der Technik der Qualitätssicherung bei Dienst- leistungen und dabei auch der Gruppenarbeit beeindruckt. Und schon steht uns an der Hochschule die nächste Herausforderung ins Haus, die komputergestützte lernende Organisation. Wie können wir auf die Weiterentwicklung unseres Lehr- und Forschungsbetriebs mit die- sen Hilfsmitteln verzichten? Wenn sie noch Mängel haben, wer könnte sie besser überwinden als die lernende Gemeinschaft der Uni- versität. 1 Karl Ganser bezeichnet damit planerisches Handeln, das nicht aus übergeordneten Plänen abgeleitet, sondern, mehr oder weniger förmlich vereinbarten Leitzielen abgeleitet ist. 2 Im Gegensatz zu den geregelten Verfahren der förmlichen Bauleit- planung. 64 Klaus Pfromm 8.9.1935 wurde ich in Ziegenhain, heute Schwalmstadt, geboren. Zur Familie von Gertrud und Adam Pfromm, Regierungsoberinspektor, kamen noch zwei Geschwister. Aus der Qual der Schulanstalt, Real- gymnasiums Treysa, gelang mir über eine Maurerlehre und ein abge- brochenes Architekturstudium 1958 die Flucht an die Hochschule für Gestaltung in Ulm. Die Fixierung der Bauabteilung auf Rationalisie- rung und Industriealisierung war unbefriedigend. Über eine intensive Beschäftigung mit der Methodologie kam ich zur Stadtplanung, wir Studenten kreierten unser eigenes Stadtplanungsstudium, und ich schloss das Studium mit der Diplomarbeit „Die Bedeutung von Richt- werten in der Planung“ bei Horst Rittel, Rainer Mackensen und Hans Paul Bahrdt 1962 ab. In Ulm lernte ich Renate Grünwald kennen, studierte und arbeitete mit ihr, und wir gründeten 1964 eine Familie, die wir 1966 durch Frie- derike und 1970 mit Eric komplettierten. 1978 trennten wir uns. 1961, noch vor Abschluss des Studiums ging ich als stadtplanerischer Berater des Stadtbaumeisters nach Winterthur in die Schweiz, bis 1966 baute ich die Stadtplanungsabteilung auf. Bei Flächenauswei- sungen und Standortplanungen versuchten wir die Richtwertplanung zu überwinden, was sicher am erfolgreichsten mit der auf einer detail- lierten Bevölkerungsprognose beruhenden Schul- und Kindergarten- Planung gelang. Entscheidenden Einfluss auf mein Planungsverständ- nis hatte die Mitarbeit in der Regionalplanung Winterthur und Umge- bung, in der politisch-kommunikative Prozess der Planung alles bestimmte. 1966 holte mich Rolf Gutmann an den Lehrstuhl Architektur und Städtebau der ETH. Ich hatte ein wenig in der Architekturzeitschrift „Werk“ und der Beilage der Nationalzeitung, Basel, publiziert und bearbeitete in der Folge auch einige Gutachten, z.B. Sechs metropoli- tane Regionen, vergleichendes Gutachten für den Planungsstab der Staatskanzlei Nordrhein-Westfalen, mit Renate Pfromm. Am Lehrstuhl vertrat ich den Lehrbereich Stadtplanung und entwik- kelte 1970 als Oberassistent mit das Lehrkonzept des „Lehrcanapés“ L.Burchhardt–R.Gutmann, später mit Rainer Senn. Wir versuchten uns in Teamteaching, initiierten das Selbststudium an „problemorientier- 65 ten“ Aufgabenstellungen, die in Teams bearbeitet wurden und auch zu „A4-Arbeiten“ führen durften. Interessant: Die „computerge- stützte Revitalisierung“ der Schweizer Dorfschule. 1972 erhielt ich den Ruf auf den Lehrstuhl Stadt- und Regionalpla- nung an der Gesamthochschule Kassel, damals noch als Kunsthoch- schulprofessor. Die von den Studenten geforderte Beschäftigung mit den gesell- schaftlichen Bedingungen und der politischen Bestimmung von Pla- nung, ihr Verlangen nach einem selbstbestimmten Studium erlaubten uns die Realisierung einer inhaltlichen und formalen Studienreform in noch heute erstaunlichem Ausmaß. Das umfasste neben der Lehrtätigkeit auch die Integration der Vorläu- ferinstitutionen: Architekturabteilung der Kunsthochschule, Innenar- chitektur-Abteilung der Werkkunstschule, Architekturabteilung der Fachhochschule, die Durchsetzung eines universitären Hochschulab- schlusses für unsere Studenten und die Entwicklung des Integrierten Studiengangs Architektur, Stadtplanung und Landschaftsplaung, mit der Gründung der Studienfachrichtung Stadtplanung. Die Mitglied- schaft in den Gremien der Hochschule und der Abteilung, deren Ver- tretung nach außen und die Arbeit am Curriculum des Studiengangs und in der Studienreformkommission Raumplanung rückte Admini- stration ins Zentrum meiner Tätigkeit, eine Sisyphusarbeit. So gelang es uns 1980 nicht die Eintragung unserer StadtplanerInnen in die hes- sische Städtebau-Architekten-Liste durchzusetzen. Jetzt, nach 20 Jah- ren, wird die hessische Stadtplanerliste eingeführt. 1996 ergriff ich die Initiative zur „Reform der Reform“; Studien- und Prüfungsorganisation sollten an unsere Erfahrungen und an die Erfor- dernisse der Zeit angepasst werden. Der Prozess dauert an und ist bis heute nicht zu Ergebnissen gekommen. Bei unserem Bemühen um die Bestimmung der ehemaligen Henschel- fabrik am Holländischen Platz als Zentralstandort der jungen Hoch- schule entstand die „Arbeitsgruppe Stadt“. Die Kollegen der Stadt- und Landschaftsplanung kooperierten in wechselnder Besetzung seit 1977 zur Bearbeitung von Forschungsvorhaben, Gutachten und Pla- nungen. 1983 heiratete ich die Architektin Cornelia Issmer, 1985 kam Benja- min hinzu. Wir bauten uns ein Haus und pflanzten einige Bäumchen. 66 Mit wechselnder Besetzung habe ich die AG Stadt seit 1980 als Pla- nungsbüro fortgesetzt. Durch die Abwicklung einiger umfassenden Stadtplanungsprozesse, am interessantesten war der komplette Neu- aufbau der Planung für das thüringische Heilbad Bad Liebenstein, gewann ich unverzichtbare Impulse für die Lehre. Seit 2000 wird die AG Stadt von Dieter Hennicken geleitet. 2000 bin ich in Ruhestand versetzt worden und betreibe die Urbani- stik, das Studium der städtischen Lebensart und ihrer Selbstregulie- rung, als Liebhaberei. 67 Die AutorInnen Dr. Dieter Frick Studium der Architektur in München und Berlin, Diplom 1960; Promotion 1973; von 1971 bis 1998 Professor für Stadt- und Regionalplanung an der TU Berlin (em.), verschiedene Gastprofessuren. Dr. Ulf Hahne Studium der Volkswirtschaftslehre in Kiel, Diplom 1980; Promotion 1985 an der Uni- versität Kiel; seit 1999 Professor für Nach- haltige Regionalentwicklung an der Univer- sität Gh Kassel. Dr. Klaus R. Kunzmann Studium der Architektur und des Städte- baus in München, Diplom 1967; Promotion an der TU Wien 1971; seit 1993 Professor für Europäische Raumplanung ans der Uni- versität Dortmund; verschiedene Gastpro- fessuren. Fritz Schumacher Studium der Stadtplanung in Kassel, Diplom 1980; seit 1994: Kantonsbaumei- ster der Stadt Basel, Leiter des Hochbau- und Planungsamtes; seit 1997 Lehrbeauf- tragter der ETH Zürich. Andrea Sölle Studium der Stadtplanung in Kassel, Diplom 1983; seit 1992 Angestellte der Treuhand Liegenschaftsgesellschaft mbH, seit 1995 dort Abteilungsleiterin für Stad- tentwicklung. Regina Sonnabend Studium der Stadtplanung in Kassel, Diplom 1992; seit 1992 wissenschaftliche Mitarbeiterin der Stiftung Bauhaus Dessau, seit 2000 Projektkoordinatorin der Stiftung Bauhaus Dessau. 68 Die HerausgeberInnen Michael Glatthaar Studium der Stadt- und Regionalplanung in Oldenburg, Diplom 1997; seit 2000 wissen- schaftlicher Mitarbeiter im Fachgebiet Stadt- und Regionalplanung der Universität Gh Kassel. Anke Kaschlik Studium der Stadtplanung in Kassel, Diplom 1997; seit 2000 wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachgebiet Kommunale Entwicklungsplanung der Universität Gh Kassel. Ingrid Lübke Studium der Architektur und Städtebau in Berlin, Diplom 1969; seit 1996 Professorin für Kommunale Entwicklungsplanung an der Universität Gh Kassel. 69 Stadt – Planung – Studium Perspektive 21 U N I K A S S E L V E R S I T Ä T Online Nr. 1 – Fachbereich 6 Architektur, Stadtplanung, Landschaftsplanung Die Herausforderungen der Zukunft sind un-erhört