Die Türkei als ungleiche Partnerin im Europäischen Hochschulraum Dissertation zur Erlangung des Akademischen Grades eines Dr. rer. pol. im Fachbereich 05 Gesellschaftswissenschaften der Universität Kassel vorgelegt von Gülan Yalçın Kassel, im Juni 2005 2 3 Inhaltsverzeichnis Vorwort 7 Einleitung 9 Anlass dieser Arbeit 11 Ziele dieser Arbeit 13 Methodisches Vorgehen und Struktur der Arbeit 14 Teil I Europäisierung im Spannungsfeld von Internationalisierung und Abgrenzung 16 1. Kontext der neuen Herausforderungen an die nationalen Hochschulsysteme in Europa 16 1.1 Internationalisierung und Globalisierung 16 1.1.1 Veränderter internationaler Arbeitsmarkt 22 1.1.2 Akademische Mobilität im Rahmen eines internationalisierten Arbeitsmarkts 24 1.1.3 Die grenzüberschreitende Bildung – Transnational Education 25 1.1.4 Das Dienstleistungsabkommen GATS 27 1.1.5 Ökonomisierung der Hochschulausbildung 29 2. Europäisierung der nationalen Hochschulsysteme 33 2.1 Einführung 33 2.1.1 Europäische Mobilitätsprogramme 34 2.1.2 Gestaltung einer europäischen Hochschulpolitik 36 2.1.3 Europäisierung der Hochschulen in der Forschungsliteratur 41 3. Der „Europäische Hochschulraum“ – Eine mögliche Antwort auf die globalen Herausforderungen? 44 3.1 Initiativen zur Gestaltung eines „Europäischen Hochschulraums“ 44 3.1.1 Erster Schritt: Die Sorbonner Deklaration 45 3.1.2 Die „Bologna-Erklärung“ 47 3.1.3 Die Botschaft von Salamanca oder die Stimme der Umsetzer 48 3.1.4 Das Prager Kommuniqué 50 3.1.5 Die Grazer Deklaration der europäischen Hochschulangehörigen 52 3.1.6 Berliner Bildungsministerkonferenz 56 3.2 Institutionalisierungsprozess des „Europäischen Hochschulraums“: Die Organisationsstruktur und die Akteure 57 3.2.1 Organisationsstruktur und Akteure des „Europäischen Hochschulraums“ 57 3.2.2 Die Akteure des „Europäischen Hochschulraums“ 59 4. Nationale Differenzierung – supranationale Konvergenz-bestrebungen im Zuge des „Europäischen Hochschulraums“ 65 4.1 Einführung 65 4.2 Differenzierungs- und Diversifizierungsdebatten 65 4.2.1 Huismans Beitrag zu Differenzierungsdebatten 68 4.2.2 Differenzierungstypen 70 4.2.3 Differenzierung als stabilisierender Faktor der nationalen Hochschulsysteme 73 4 4.3 Supranationale Konvergenzbestrebungen und nationale Differenzierungen im Kontext des „Europäischen Hochschulraums“ 74 4.3.1 Kooperations- und Verhandlungssysteme als Antrieb zu supranationalen Konvergenzbestrebungen 75 4.3.2 Nationale Differenzierung bzw. Diversifizierung und supranationale Konvergenzbestrebungen im Kontext des „Europäischen Hochschulraums“ 78 4.3.2.1 Veränderte Rolle der Nationalstaaten im Zuge der Europäisierung 78 4.3.2.2 Strukturelle Konvergenz und Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit 79 4.4 Neuere Debatten in der Hochschulforschung: Komplexität und Ausdifferenzierung 82 5. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen zur Europäisierung der Hochschulen im Spannungsfeld von Konvergenz und Abgrenzung 85 Teil II Das türkische Hochschulsystem auf dem Weg zum „Europäischen Hochschulraum“ 89 1. Die Entwicklung des Hochschulsystems bis 2004 in der Türkei 90 1.1 Die Entwicklung des Hochschulsystems vor 1981 90 1.2 Das Hochschulsystem nach 1981 92 1.3 Quantitative und strukturelle Hochschulentwicklungen seit 1981 95 1.4. Hochschulgesetz und Hochschulpolitik seit 1981 102 1.5 Die türkische Hochschullandschaft 2000 103 2. Kriterien des türkischen Hochschulsystems 109 2.1. Steigende Nachfrage nach einer Hochschulausbildung 109 2.2. Auswahl und Zulassung zum Studium 110 2.3 Heterogenität des türkischen Hochschulsystems 115 2.3.1 Qualitative Unterschiede zwischen den Universitäten des Landes 115 2.3.2 Regionale Verteilung und Ost-West- Gefälle 119 2.3.3 Diversifiziertes Hochschulsystem 122 2.4 Unterfinanzierung des Hochschulsystems 125 2.5. Ausbildung und Förderung des Hochschullehrernachwuchses 126 3. Jüngste Tendenzen der türkischen Hochschulentwicklung 130 3.1 Boom der privaten Universitäten 131 3.2 Internationalisierung der türkischen Universitäten nach 1990 136 3.2.1 Internationalisierung des Studiums durch die im Ausland ausgebildeten Nachwuchswissenschaftler und die Gründung von Studiengängen in Fremdsprachen 136 3.2.2 Mobilität der Studierenden und Lehrenden 138 3.3 Ausweitung des nationalen Hochschulsystems in den zentralasiatischen Raum 140 4. Erneute hochschulpolitische Annäherung an Europa 143 4.1 Vorgeschichte zur Europäisierung 144 4.2 Europäisierungsaktivitäten im Hochschulbereich nach 2000 146 5 5. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen: Zur Entwicklung des türkischen Hochschulsystems auf dem Weg zum „Europäischen Hochschulraum“ 147 Teil III Ungleiche Partner – Deutschland und die Türkei – bei der Gestaltung des Europäischen Hochschulraums 152 1. Einleitung 152 1.1 Kern- und Peripherieland in einem gemeinsamen Hochschulraum: Motivationen und die Hochschulsysteme 153 1.1.1 Gesellschaftliche, wirtschaftliche und soziokulturelle Unterschiede zwischen Deutschland und der Türkei 154 1.1.2 Unterschiede in den Hochschulsystemen 156 1.1.3 Gründe dem Bologna-Prozess beizutreten und der Implementationsprozess in Deutschland und der Türkei 158 2. Anerkennungsvereinbarungen und -praxis am Beispiel der ungleichen Partner Deutschland und Türkei 165 2. 1 Begriffsbestimmung und Systematisierung des Themenfeldes 165 2.2 Die Gestaltung der Anerkennungsvereinbarungen in Europa 168 2.2.1 Beitrag des Europarats und der EU-Kommission zur Verbesserung der Anerkennungsfragen 170 2.2.2 Die Lissabon-Konvention 171 2.3 Instrumente für die Anerkennungspraxis in Europa 174 2.3.1 Netzwerke zur Koordination von Gleichwertigkeitsabkommen: NARIC/ENIC 174 2.3.2 DAS ECTS 176 2.3.3 Das Diploma Supplement 178 2.4 Anerkennungsverfahren in Deutschland und der Türkei 181 2.4.1 Anerkennungsregelung in Deutschland 184 2.4.2 Anerkennungsregelung und -verfahren in der Türkei 187 2.4.3 Gegenüberstellung und Handlungsbedarf in beiden Ländern 190 3. Qualitätsbewertung und Qualitätssicherung in Deutschland und der Türkei im Zuge des „Europäischen Hochschulraums“ 193 3.1 Begriffsklärung 193 3.2 Gestaltung einer europäischen Qualitätskultur 195 3.3 Qualitätsbewertung und Akkreditierung im deutschen und türkischen Hochschulsystem 197 3.3.1 Qualitätssicherung und Akkreditierung in Deutschland 197 3.3.2 Qualitätssicherung und Akkreditierung in der Türkei 200 3.4 Tendenzen und Handlungsbedarf in der Qualitätsbewertung und - sicherung im Raum Europa 203 4. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen: Ungleiche Partner bei der Gestaltung des Europäischen Hochschulraumes. 206 6 Resümee: Besonderheiten und Dynamiken des Europäisierungsprozesses 210 1. Die Kerndynamiken und die Eigenheiten der Bologna-Europäisierung 210 1.1. Die Faszination Europa mobilisiert 210 1.2. Evidenz des Scheiterns: Ist das Glas halb voll oder halb leer? 215 1.3. Unscharfe Landkarten 216 2. Die ersten Wirkungen der Europäisierung für die nationalen Hochschulsysteme der ungleichen Partner 218 2.1. Deckmantel der Europäisierung: Bologna begründet vieles, erklärt wenig 218 2.2. Das Modell der Kern- und Peripherieländer 220 2.3. Die gängigen Denkstrukturen und Hochschulstrukturen stehen vor Veränderungen 222 2.4. Die ersten Reaktionen der Hochschulpraxis 224 2.4.1. Übergangschancen und -möglichkeiten 224 2.4.2. Differenzierung und Hierarchisierung der nationalen Hochschulsysteme 225 2.4.3. Verlust und Zugewinn 227 3. Neue Herausforderungen und Fragen an die Hochschulforschung durch die Europäisierung 227 Zusammenfassende Thesen 228 Fazit und Ausblick: 231 Verzeichnis der Abkürzungen 237 Literaturverzeichnis 239 7 Vorwort Bewegende Zeiten stehen den europäischen Hochschulen bevor. Neue Prozesse und neue Formen der Vereinigungen finden auf der Europäisierungsebene statt. Ein Blick über den Tellerrand zeigt, dass auch viel Ungleiches auf einander trifft. Viele Prozesse verlaufen gleichzeitig oder zeitversetzt. Mit der vorliegenden Arbeit habe ich durch die Verknüpfung von aktuellen hochschulpolitischen Themen – Europäisierung und ungleiche Partner – Neuland betreten. Der Beitrag dieser Arbeit liegt in der Formulierung von Fragen, die nicht der derzeitigen gängigen hochschulpolitischen Atmosphäre entsprechen und in dem Versuch diese zu beantworten. Möglich wurde meine Arbeit durch die Unterstützung von vielen Hochschulexperten, Familie und Freunden. An dieser Stelle möchte ich mich bei allen bedanken. Meine Doktormutter, Prof. Dr. Aylâ Neusel, Universität Kassel, stand mir über die gesamte Zeit hinweg und auch zuvor als engagierte und fördernde Betreuerin zur Seite. Sie begleitete meinen Arbeitsprozess mit konstruktiver Kritik und mit interessierter Offenheit gegenüber meiner Fragestellung und meiner Begeisterung für hochschulpolitische Themen, wodurch ich Raum für mehr Sicherheit, Klarheit und Wachstum erhielt. Ihr möchte ich besonders danken. Mein Dank gilt ebenfalls meinem Doktorvater, Prof. Dr. Ulrich Teichler, Universität Kassel, für die intensiven Beratungsgespräche, für sein Interesse am Thema sowie am Fortgang meiner Arbeit. Herr Teichlers Anregungen halfen mir, die Verknüpfung der Fragestellung zu optimieren, wofür ich ihm danke. Nach der Geburt meiner Tochter Sarah Aylin wäre die Arbeit ohne die große Unterstützung von zwei weiteren wichtigen Frauen in meinem Leben nicht in einer absehbaren Zeit möglich gewesen. Meiner Mutter Elmas Yalcin und insbesondere meiner Schwiegermutter Karin Jooß gilt mein Dank. Meiner restlichen Großfamilie Yalcin und Jooß danke ich für ihre geduldige Interesse und Verständnis durch die turbulente Zeit hinweg. Im Schaffungsprozess trug Christian Jooß durch den regen Austausch und den produktiven Diskussionen zum Gelingen der Arbeit bei. Ferner konnte die Arbeit durch „sein kürzer Treten“ und seine Unterstützung fertig gestellt werden. Mein persönlicher Dank geht an ihn. Auch den vielen Freunden, die mich von 8 Ferne und aus der Nähe durch diese Zeit begleitet haben möchte ich allen danken. Gülay Çalar danke ich insbesondere für die motivierenden Diskussionen und Anregungen. Außerdem gilt mein Dank Dr. Klaus Vowe für seine Unterstützung aus der Distanz. Frau Dr. Ute Lanzendorf danke ich für das entscheidende Gespräch. Für Unterstützung in allen Fragen standen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Wissenschaftlichen Zentrums für Hochschul- und Berufsforschung der Universität Kassel zu Verfügung, dafür danke ich Ihnen besonders. Helga Cassidy hat mit großer persönlicher Fürsorge die redaktionelle Bearbeitung des Manuskripts betrieben, vielen Dank. Mein besonderer Dank gilt ebenfalls Christiane Rittgerott die am Fortgang meiner Arbeit große Interesse gezeigt hat und für alle meine Nöte ein offenes Ohr hatte. Christiane Zwingers danke ich für die große Unterstützung bei Fertigstellung der Arbeit. Ihnen allen gilt mein Dank. Gülan Yalçın Göttingen, Juni 2005 9 Einleitung „Die 1990er Jahre waren das Jahrzehnt der Globalisierung: Kein anderes Wort wurde in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft so häufig verwendet, um Veränderungen zu erklären, Handlungen zu begründen und Interessen zu legitimieren.“ (Schmidt 2004: 29) Die Hochschulen weltweit, insbesondere die europäischen Hochschulen, stehen vor einem „radikalen Wandel“. Es ist die Rede von einem Paradigmenwechsel (Latzel/Kanaan 2001: 8). Der Wandel wird durch die Veränderungen auf dem internationalen Arbeitsmarkt, die rasanten technischen Fortschritte sowie die Verminderung der nationalen Barrieren innerhalb bestimmter Regionen ausgelöst und beschleunigt. Bedingt durch die externen Entwicklungen stehen die Hochschulen vor neuen Herausforderungen: Sie geraten zunehmend unter Druck, den Anforderungen der strukturellen Veränderungen auf dem internationalen Arbeitsmarkt gerecht zu werden, indem sie sich rekonstruieren. Die Umgestaltung wird von verschiedenen administrativen und politischen Ebenen zugleich mit unterschiedlichen Kompetenzverteilungen (auf den Ebenen der supranationalen, nationalen und akademischen Institutionen) und dementsprechend von unterschiedlichen Interessen getragen. Die weltweit neuen Herausforderungen an die Hochschulausbildung werden im Zusammenhang mit der Internationalisierung, Globalisierung und Europäisierung debattiert. Die Hochschulforschungsdebatten dokumentieren die Problematik, die Gesetzmäßigkeiten eines dynamischen Subsystems, wie es die Hochschule ist, zu benennen und daraus allgemeingültige Aussagen zu formulieren. Dies scheint die Grenzen der Hochschulforschung immer wieder aufs Neue zu fordern. Teichler bezeichnete den Forschungsgegenstand Hochschule als ein „inhärent instabiles Universum“ (Teichler 1993, zitiert nach Neave 1997/3: 142). Die Eigenheiten dieses Subsystems tragen maßgeblich zu der Schwierigkeit bei, in der Hochschulentwicklung von Gesetzmäßigkeiten zu sprechen. Folgende Punkte sind m. E. dafür mitverantwortlich:  Das Subsystem Hochschule ist kein eigenständiges System, es steht im wechselseitigen Verhältnis mit anderen Teilsystemen der Gesellschaft; 10  Das Subsystem steht in jedem nationalen Systemen unter Legitimierungsdruck und kann für sich keine allgemeingültige Definition seiner Rolle und Funktion abgeben;  Als Forschungsgegenstand ist die Hochschule ein relativ junger Bereich. Zurzeit sind wir Zeugen einer neuen Dimension von Internationalisierung der Hochschulbildung, deren Folgen erheblich weiter reichen als die früherer Internationalisierungsschübe. Die neuere Internationalisierung der Hochschulbildung reagiert auf die Globalisierung, die mit der Ökonomisierung in Verbindung steht (Teichler 2003: 20). Als ein weiterer Punkt ist die Transnationalisierung der Hochschulen zu nennen, die sich zu einem bedeutenden Teil des Hochschulsystems entwickelt. Im Rahmen verschiedener Austauschprogramme nahm in den letzten fünf Jahren die grenz überschreitende Mobilität erheblich zu. Aus diesen veränderten Bedingungen heraus entwickelt sich die Europäisierung der Hochschulausbildung und wird somit zu einem festen Bestandteil der Internationalisierung. Gleichzeitig aber ist die Europäisierung eine Reaktion auf die Globalisierung. Der Prozess der Internationalisierung, Globalisierung und Europäisierung der Hochschulpolitik wird von Akteuren begleitet, die auch als power broker bzw. als Agenten bezeichnet werden. Die Europäische Union, die OECD und die Weltbank treten vermehrt als transnationale bzw. supranationale Akteure in der Hochschulpolitik auf und beeinflussen die nationalen Hochschulpolitiken (Kehm/Pasternack 2001: 221). Wenn auch die Rolle der Welthandelsorganisation (WTO), insbesondere des General Agreement on Trade in Services (allgemeines Abkommen über Handel mit Dienstleistungen – GATS), als eine transnationale Organisation auf den ersten Blick nicht hinreichend deutlich wird, so wird sie doch die Zukunft der Hochschulen wesentlich mitgestalten (Scherrer/Yalçin: 2003). Die allgemeine Tendenz zur Ökonomisierung und Liberalisierung ist seit geraumer Zeit auch im Bereich der Hochschulbildung zu beobachten. Die weltweiten technischen Entwicklungen und erweiterten Nutzungsmöglichkeiten spielen dabei eine besondere Rolle (Latzel/Kanaan 2001: 9). 11 Die gemeinsamen Ziele zur Gestaltung der zukünftigen Hochschulbildung werden in Form von Erklärungen, Empfehlungen und Abkommen manifestiert, die auf den nationalen, bilateralen, multilateralen Ebenen und auf der Hochschulebene vereinbart werden. Die derzeitigen Konventionsvereinbarungen weisen auf die Neuaufteilung der Welt in „Bildungsräume“ hin, die im Wettbewerb zueinander stehen. Anlass dieser Arbeit Meine zentrale These leitet sich daraus ab, dass die neuen Herausforderungen an die nationalen Hochschulsysteme nicht mehr im Rahmen nationaler Hochschulpolitiken gelöst werden können. Da aber die gesellschaftlichen Entwicklungen von einem Welt- Hochschulsystem weit entfernt sind, suchen und finden wir auf der regionalen Ebene Lösungsansätze und Antworten auf die Herausforderungen. Eine dieser Antworten ist die Europäisierung der Hochschulen. Bereits im Jahre 1999 wurde von den europäischen Bildungsministern durch die Unterzeichnung der Bologna-Erklärung der „Europäische Hochschulraum“ initiiert. Die Bologna-Erklärung wiederum basiert auf der Sorbonner Erklärung, die ein Jahr zuvor unterzeichnet wurde. Heute findet die Europäisierung der Hochschulen nicht nur innerhalb der Grenzen der Europäischen Union statt, sondern darüber hinaus sind weitere europäische Länder und Anrainerstaaten in diesen Prozess involviert: Gemeinsam wird ein „Europäischer Hochschulraum“ gestaltet. Derzeit (2005) bewegt die Europäisierung im Rahmen des Bologna-Prozesses vieles in den nationalstaatlichen Hochschullandschaften, zugleich aber trägt dieser Prozess widersprüchliche Momente in sich. Zudem erfordert das Miteinander ungleicher Partnerländer bei der Gestaltung eines gemeinsamen „Europäischen Hochschulraums“ ein Überdenken des bisherigen Umgangs mit den Teilnehmerstaaten. Die Studie hat zum Ziel am Beispiel zweier ungleicher Partner – Deutschland und Türkei – die gemeinsam mit weiteren 38 Ländern die Gestaltung eines „Europäischen Hochschulraums“ bis 2010 auf ihre Hochschulagenden gesetzt haben, das Zusammentreffen von ungleichen Ländern in einem neuen Rahmen zu beleuchten. Deutschland steht für ein industrialisiertes Kernland der Europäischen Gemeinschaft, es 12 liegt auch geographisch im europäischen Zentrum. Die Türkei ist ein Schwellenland mit langjährigen Ambitionen, Mitglied der Europäischen Gemeinschaft zu werden. Die Entwicklungen dieses Landes in politischer, wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht machen es als Brückenland zu einem interessanten Partner in allen Bereichen. Politisch ist die Türkei ein verlässlicher NATO-Partner. Immer mehr sieht sich das Land als Vermittler zwischen dem Nahen Osten und Europa sowie aktuell auch zwischen dem Kaukasus und Europa. Die Bemühungen der Türkei, die Zusammenarbeit mit den islamischen Ländern zu intensivieren, der Versuch, eine Vollmitgliedschaft in der EU zu erlangen, sind einige ihrer Aktivitäten. Außerdem erlangte die Türkei eine neue geostrategische Bedeutung durch das Ende des Kalten Krieges. Die Türkische Republik gilt zudem als Staatsmodell für die ehemaligen GUS-Republiken, in denen große Bevölkerungsgruppen islamischen Glaubens sind und den Turkvölkern angehören. Die Anziehungskraft dieser so genannten Turkrepubliken1 begründet sich aus den großen Rohstoffvorkommen und den Marktpotentialen in dieser Region. Wirtschaftlich ist die Türkei einer der wichtigsten Handelspartner der EU und insbesondere Deutschlands. Mit ihrem großen Anteil an junger Bevölkerung ist sie auch für die transnationale Bildung ein interessantes Land. Abgesehen vom transnationalen Bildungsmarkt hat die Türkei ein Hochschulsystem, das in den europäischen Ländern relativ unbekannt ist. Ebenfalls weitgehend unbekannt ist in den europäischen Ländern, dass das türkische Hochschulsystem bereits von Anfang der 1930er Jahre bis in die 1950er Jahre hinein einen Europäisierungsprozess realisiert hat, der erst ab 1957 durch die wirtschaftlichen und kulturellen „Hilfspakete“ der USA abgelöst wurde. Damit begann das türkische Hochschulsystem sich dem angloamerikanischen System anzugleichen. Die erneute Europäisierung der türkischen Hochschulen beginnt nicht durch die Erklärung zur gemeinsamen Gestaltung eines „Europäischen Hochschulraums“, denn bereits im Vorfeld des Europäisierungsprozesses weist das türkische Hochschulsystem Phänomene wie Wettbewerbsfähigkeit, Internationalisierung und Globalisierung auf. Diese Phänomene sind in ihren Ausprägungen nicht identisch mit denen in einem industrialisierten Kernland. Seit den 1990er Jahren entwickelt sich in der Türkei ein 1 Die zentralasiatischen Länder sind: Aserbaidschan, Tadschikistan Kasachstan, Kirgisin, Usbekistan, Tadschikistan, Turkmenien. 13 sehr dynamisches Hochschulsystem, das von quantitativen und qualitativen Expansions- und Ausdifferenzierungsprozessen geprägt ist. Neben der erneuten Annäherung an die europäischen Hochschulen ist ein zunehmender Internationalisierungsprozess eigener Art – in Teil II dieser Arbeit näher ausgeführt – zu beobachten. Dieses stellt die türkische Hochschulpolitik und das Hochschulsystem vor neue Herausforderungen. Außerdem bietet das türkische Hochschulsystem ein Sammelbecken vielfältiger Entwicklungsrichtungen in einer globalisierten Welt. Nicht nur Okzident und Orient treffen hier aufeinander, sondern auch Europa und Zentralasien. Ziele dieser Arbeit In der vorliegenden Arbeit wird deskriptiv-analytisch die gemeinsame Gestaltung des „Europäischen Hochschulraums“ auf der Grundlage zweier ungleicher Partner dargestellt. Mit dieser Arbeit möchte ich nachzeichnen, wie unterschiedlich Deutschland und die Türkei die Einigungspunkte des Bologna-Prozesses umsetzen. Dabei muss berücksichtigt werden, dass die Auswirkungen des Bologna-Prozesses die widersprüchliche Entwicklung im hochschulpolitischen Bereich der Türkei noch verstärken werden: Auf der einen Seite des Hochschulsystems finden wir die Massenuniversitäten und auf der anderen die elitären Hochschuleinrichtungen angelsächsischer Prägung. Aber es sind auch andere positive Effekte zu nennen, zum Beispiel die zunehmende Mobilität türkischer Studierender und Wissenschaftler. Da die Türkei kein EU-Mitglied ist, war die Teilnahme an Mobilitätsmaßnahmen bisher mit größeren Schwierigkeiten verbunden. Durch die verstärkte Mobilität findet eine Annäherung auf der Bildungsebene statt – und nicht nur dort, sondern auch im soziokulturellen Bereich. Auf der gesetzlichen und hochschulpolitischen Ebene soll die Re-Europäisierung normativ analysiert werden, um die Umsetzungsabsichten des Unterzeichnerstaates der Bologna-Erklärung herauszukristallisieren. Hierzu liegen diverse policy papers und mehrere Entwürfe für ein neues Gesetz vor, das Anfang 2005 verabschiedet werden sollte, was aber bisher noch nicht geschehen ist. Das türkische Hochschulwesen ist ein sehr heterogenes System mit z. T. gegensätzlichen Entwicklungen. Hierzu soll der Frage nachgegangen werden, welchen 14 Stellenwert die Re-Europäisierung für die Hochschulen in der Türkei hat. Dabei sollen die Kernpunkte der Transformation der türkischen Hochschulen im Zuge des Bologna- Prozesses herausgearbeitet und diese mit den Entwicklungen in Deutschland verglichen werden. In Deutschland hingegen gibt es gegenwärtig eine größere Reformeuphorie, die neuere Entwicklungen im bisher „relativ“ homogenen Hochschulsystem auslöst: eine Hierarchisierung, Ökonomisierung und neuere Differenzierung. In der Zusammenführung der Ergebnisse der o. g. Forschungsabschnitte soll der Frage nachgegangen werden, wie der Beitrag der Türkei zur gemeinsamen Gestaltung des europäischen Hochschulraums aussehen kann und wie attraktiv die türkischen Hochschulen für den europäischen Hochschulraum sind. In der Umkehrung ergibt sich die Frage, welchen Gewinn die türkischen Hochschulen voraussichtlich durch die Transformation der Re-Europäisierung erwarten können. Methodisches Vorgehen und Struktur der Arbeit Das methodische Vorgehen in dieser Arbeit beruht auf der Literaturanalyse. Als Quellen werden Berichte aus Forschungsarbeiten, Protokolle, Berichte aus Arbeitsgruppen, Empfehlungen, Gutachten und Gesetzestexte, Presseerklärungen sowie „graue Literatur“ zum Thema ausgewertet. Diese Arbeit setzt sich aus drei Teilen zusammen: Im Teil I wird der Prozess der Europäisierung der Hochschulen im Spannungsfeld von Internationalisierung und Abgrenzung dargestellt. Der Bologna-Prozess ist der wesentliche Motor der Europäisierung. Ihm gehören derzeit 40 Länder an, die in ihrer geschichtlichen und finanziellen Entwicklung große Unterschiede aufweisen. Der Prozess der Harmonisierung, die seit der Bologna-Deklaration einen neuen Aufschwung erhalten hat, soll genauer beleuchtet werden. Der Institutionalisierungsprozess des „Europäischen Hochschulraums“ wird in Integrations- und Differenzierungsdebatten der Hochschulforschung eingebettet. Hierbei wird die Frage nach der Übertragbarkeit der Integrations- und Differenzierungskonzepte der Hochschulforschung auf einen supranationalen Rahmen, den „Europäische Hochschulraum“, hin untersucht werden. 15 Teil II dieser Arbeit stellt das türkische Hochschulsystem im Hinblick auf die Europäisierung dar. Im Fokus stehen die besonderen Merkmale des Hochschulsystems und die neueren Entwicklungen wie Internationalisierung, Ökonomisierung und die erneute Europäisierung. Im Teil III der Arbeit wird die Frage nach dem Umgang mit einem ungleichen Partner fokussiert, speziell hinsichtlich der Anerkennung der Studienleistungen und Studienabschlüsse und der Qualitätsbewertung und -sicherung. Dazu werden die bisherigen supranationalen bzw. nationalen Anerkennungskonventionen mit ihrem Beitrag für den Bologna-Prozess dargestellt und die neueren Entwicklungen im Anerkennungsverfahren und in der Anerkennungspraxis in Deutschland und der Türkei analysiert. Bei der Frage nach der Qualität stehen die neueren Entwicklungen auf der europäischen Ebene und die in Deutschland und in der Türkei im Vordergrund. Herausgearbeitet werden die Implementationsprobleme dieser beiden Beispielländer. Der Schlussteil arbeitet die Kerndynamiken der Europäisierung unter Bologna heraus und diskutiert diese im Hinblick auf die ungleichen Partner. 16 Teil I Europäisierung im Spannungsfeld von Internationalisierung und Abgrenzung 1. Kontext der neuen Herausforderungen an die nationalen Hochschulsysteme in Europa „Von Europäisierung ist ebenfalls oft die Rede, wenn es um Mobilität und Kooperation geht, aber darüber hinaus geht es auch um Aspekte der Hochschulintegration innerhalb der Region sowie um Fragen von Vielfalt und Konvergenz der Systeme einerseits und um Aspekte der Abgrenzung von anderen Regionen der Welt andererseits.“ (Teichler 2003: 20) 1.1 Internationalisierung und Globalisierung Die Bezeichnung „Internationalisierung“2 trat seit Anfang der 90er Jahre vermehrt in den Vordergrund der Hochschulforschungsliteratur und steht für viele politische und administrative Entscheidungen der letzten Jahre. Der Gebrauch und die definitorische Reichweite des Begriffs sind sehr weit angelegt, mit divergierenden Meinungen. Den heutigen Hochschulen wird bescheinigt, sie seien die „genuin internationalsten Organisationen moderner Gesellschaften“ (Lanzendorf/Teichler 2003: 220). Wenn von frühen ersten Hochschulen des Mittelalters die Rede ist, so wird von einer Universalität der Hochschulausbildung gesprochen, di von Friederichsmeier mit dem Verweis auf den Ausschluss von Frauen und besitzlosen Schichten von der Hochschulausbildung bis in das 20. Jahrhundert hinein entschärft und als „Gegenindizien zum universellen3 Wesen der Hochschulen“ eingebracht wird (Friedrichsmeier 2003: 14). Wenn heute die historische Entwicklung der Hochschulen in den „modernen“ bzw. industrialisierten Gesellschaften dargestellt wird, werden die Entwicklungen und der Beitrag der ersten hochschulähnlichen Einrichtungen des Nicht-Abendlandes für die Entwicklung der westlichen Wissenschaften außer Acht gelassen.4 2 Zu Internationalisierungsphasen in Deutschland siehe die Zusammenfassung von Kehm (Kehm 2003: 11). 3 Zur neueren Differenzierung der Universalität und Internationalität siehe Teichler (Teichler 2002: 3). 4 Interessant wäre sicherlich der These nachzugehen, ob die Gründung und die Übernahme des Nationalstaatenmodells aus dem Westen für die so genannten nicht industrialisierten Länder einen Rückschritt darstellen. Schwartzmann folgert im Hinblick auf die Hochschulentwicklung der letzten zwanzig Jahre in den nicht westlichen industrialisierten Ländern, dass das ein „zeitlich verzögertes Mitziehen“ aufzeigen würde. Und somit die Entwicklungen durchleben, die in den industrialisierten Ländern vonstatten geht (Schwartzmann 1992). Dem ist nicht ganz zuzustimmen, wie im Verlauf dieser Arbeit aufgezeigt wird, sind einige Entwicklungen, wie die Ökonomisierung und Hierarchisierung der Hochschulbildung in einigen industrialisierten Ländern nicht dermaßen ausgeprägt, wie in den nicht industrialisierten Ländern. 17 Die neueren Debatten über Internationalisierung beruhen auf den internationalen Trends in der Hochschulentwicklung der 90er Jahre; diese sind (van Vught et al. 2002; Teichler 1999a):  transnationale Mobilität von Studierenden, Wissenschaftlern sowie seit neuestem Hochschuladministratoren (Hahn 2004: 140);  Internationalisierung von Curriculum und Qualitätsbewertung;  interinstitutionelle Kooperation in Hochschulbildung und Forschung;  die Etablierung von internationalen Hochschulkonsortien;  grenzüberschreitende Hochschulbildung (Bildungsmarkt, Bildungsexport und -import) und der damit einhergehende weltweit zunehmende Wettbewerb;  der steigende Bedarf an international qualifizierten Absolventen (Teichler 1996: 435, zitiert nach van der Wende 2001: 433). Die konkreten Tendenzen der Hochschulentwicklung werden in der einschlägigen Fachliteratur als Internationalisierungsdefinitionen im weitesten Sinne zur Beschreibung der interinstitutionellen Reformprozesse auf unterschiedlichen Ebenen, in verschiedenen Formen und mit unterschiedlicher Gewichtung gebraucht. Generell wird Internationalisierung als Motor für die Studienstrukturreformen angesehen. Dazu Hahn im Kontext der deutschen Erfahrungen mit Internationalisierung. Die Internationalisierung sei „... ein multidimensionaler Prozess, der – in Interdependenz zu globalen, inter- und supranationalen Entwicklungen und durch erweiterte Referenznahmen – die systematische und nachhaltige Integration einer internationalen und interkulturellen Dimension in die Kernbereiche der Hochschulen und das gesamte Hochschulwesen impliziert und damit zum wesentlichen Bestandteil einer substanziellen Studien-, Studienstruktur- und Hochschulreform wird.“ (Hahn 2004: 140) Zunehmend wird Internationalisierung als inter- sowie transnationale Kooperationen von Hochschulen gesehen (van Vught et al. 2002: 110). Barblan ist der Ansicht, die heutige Internationalisierung werde von zwei Kulturen vorangetrieben, der UNESCO, der Kultur der Konventionen und von der WTO, der Kultur des Abkommens (Barblan 2002: 79). Für Teichler ist Internationalisierung ein dynamisches, sich inhaltlich wandelndes Erklärungskonzept zu den jeweilig aufkommenden Themen um die Hochschule; er zieht folgende positive Prognose für die Hochschulentwicklung: „Es geht nicht mehr allein um Mobilität von Personen, Verträge, Nutzung fremder Sprachen, Veröffentlichungen in ausländischen Publikationsorganen 18 u.a.m., sondern es geht zunehmend um Internationalität im Kern; in den Studienangeboten und Forschungsaktivitäten, um das Verstehen fremder Kulturen und Gesellschaften und anderer Wissenschaftsverständnisse.“ (Teichler 2002: 6f.) Kehm verortet den Internationalisierungsprozess – auf Europa fokussiert, wo er sich in fließender Interaktion mit der globalen Orientierung befindet – wie folgt (Kehm 2003: 8):  Internationalisierung von Studium und Lehre: Hier bezieht sich Kehm auf Teichler (2002) und hebt die „stoffliche Substanz“ oder den „Kern“ der Internationalisierung hervor. Dabei gehe es um die interkulturellen Kompetenzen der Studierenden, um die Stärkung inter- und transdisziplinärer Ansätze, die zugleich die Aspekte der Qualitätsentwicklung berühre (ebd.).  Herstellung international transparenter und kompatibler Strukturen: Dazu Kehm weiter: „(...), wie die Einführung gestufter Abschlüsse, Anerkennung und Akkreditierung, Kreditspunktsysteme und Modularisierung. Damit verbundene Ziele sind z. B. die Sicherung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit durch Vergleichbarkeit angesichts wachsender Differenzierung oder der Abbau von Barrieren für ausländische Studierende“ (ebd.).  Die Reformen in der Organisation der Hochschulen: Hierbei gehe es um die Stärkung der Hochschulleitung, die zum Teil in direkter Beziehung zum Internationalisierungsprozess stehe. Kehm folgert: „Die Ziele derzeitiger Organisationsreformen sind u.a. eine Steigerung der Wettbwerbs- und Leistungsfähigkeit sowie der Flexibilität in nationalen und internationalen Kontexten, die Steigerung der Attraktivität und Erleichterung des Zugangs für ausländische Studierende“ (ebd.).  Das Wesentlichste im Internationalisierungsprozess sei die Internationalisierung des Politikfelds Hochschule: „Neben die nationale Politik treten neue Akteure in Form von supranationalen oder internationalen Organisationen (EU, OECD, UNESCO, World Bank), die mit je eigenen Definitionen der Funktionen von Hochschulen und der Ziele von Hochschulbildung versuchen, Reformprozesse zu beeinflussen und Steuerungsziele mitzubestimmen“ (ebd.). Kehm fasst die Diskussionen um Internationalisierung wie folgt zusammen: „Internationalisierung reflektiert eine Weltordnung, die weiterhin noch von Nationalstaatlichkeit bestimmt ist, aber zu grenzüberschreitenden und zunehmend von strategischen Überlegungen bestimmten Kooperations- und Austauschbeziehungen zwischen Hochschulen führt“ (ebd.: 7). 19 Trotz der internationalen Tendenzen in der Hochschulbildung variiert der Kontext der „Internationalisierung“ substantiell innerhalb der Länder je nach wirtschaftlicher und politischer Kraft des Landes, der geographischen Lage, der dominierenden Kultur, der Qualität des Hochschulsystems, der Rolle der Landessprache auf der internationalen Ebene und der vergangenen Internationalisierungspolitik der Hochschulen (Kälvemark und van der Wende 1997)5. Die jeweiligen Interessen der nationalen Hochschulakteure und der Vertreter der Hochschulen selbst spielen eine besondere Rolle. Im Prozess der Internationalisierung behält der Nationalstaat nach wie vor die zentrale Rolle (Scott 1998: 126 zitiert nach Kehm 2003: 7). Die Rolle der Nationalstaaten ist in den Implikationsvorgaben des „angeblich neuen“ Prozesses zu beobachten. An dem Punkt kommt Teichlers positive Prognose an ihre Grenzen, da sich die Mobilität oder das „Verstehen fremder Kulturen und Gesellschaften und anderer Wissenschaftsverständnisse“ nach strategischen Gesichtspunkten entwickeln. Schon allein die neuere Tendenz der Mobilität, die sich in den reicheren Nationalstaaten von Norden nach Norden vollzieht, zeigt, dass eine uneingeschränkte universelle Wissenschaft nicht gegeben ist. Verstärkt wird die Aufteilung der Welt in zwei Wirtschafts- und Kulturräume. Van Vught et al. verzeichnen im Prozess der Internationalisierung, dass die „government policies“ erkannt haben, dass die Internationalisierung unmittelbar über die Hochschulen direkt verlaufen sollte. Außerdem wird auf die Notwendigkeit zur Schaffung alternativer Internationalisierungspolitiken hingewiesen, die die Hochschulen zu mehr als zur akademischen Mobilität motiviert (van Vught et al. 2002: 103). In erster Linie erwecken die verschiedenen Quellen den Eindruck großer inhaltlicher Unterschiede in der Herangehensweise an die Internationalisierungsdebatten. Einig sind sich alle führenden Diskutanten, dass die Internationalisierung Anlass und Mittel zu Veränderungen und Reformen in den Nationalstaaten war und ist. Der Internationalisierungsprozess hat in den Hochschulpolitiken die institutionelle Verflechtung in Form von Kooperationen, grenzüberschreitender Zusammenarbeit in Curriculumentwicklung und Wettbewerb eingeleitet. Damit ist Bewegung in die Hochschulen gekommen, die zwar sehr viele Möglichkeiten zur Neugestaltung, jedoch zugleich auch Risiken in sich trägt (siehe Resümee S. 215). Weiterhin scheinen sich die Debattenführern darin einig zu sein, dass die Internationalisierung der Hochschulen die Umsetzung und Verfestigung von Maßstäben 5 Zitiert nach Teichler 1999a. 20 und Werten des industrialisierten Nordens bedeute. Die anderen Teile der Erde kommen als Abnehmer im eigenen Land oder als Abnehmer vor Ort in Frage. In der Tendenz führt dies zur Aufteilung der Welt in, wie bereits erwähnt, Wirtschafts- und Kulturräume. Nicht weniger kontrovers findet eine Debatte über den Modebegriff „Globalisierung“ statt, die nicht unabhängig von dem großen Themenbereich „Internationalisierung“ gesehen werden kann. Globalisierung gehört zu den Schlagworten, die inflationär in diversen alltäglichen Kontexten auf uns prallen und die ein neues Zeitalter – insbesondere das nach dem Kalten Krieg – bezeichnen sollen. Für was der Begriff Globalisierung steht, ist so unklar und vielfältig wie sein Gebrauch. Globalisierung im Kontext der Hochschulen zu bestimmen, wird durch die Vielzahl der Herangehensweisen in der Hochschulforschungsliteratur zu einem spannenden Disput. Die konträren Herangehensweisen an die Bezeichnung „Globalisierung“ spiegeln die verschiedenen Interpretationen wider, die in ihren Ausführungen die Rolle und Funktion der Hochschulen in unseren Gesellschaften implizieren. Bei der Beantwortung dieser Fragen kristallisieren sich nach Teichler drei Erklärungsmodelle ab: 6 1. Die Auffassung von Globalisierung der Hochschulbildung sei ein „primär beschreibendes Konzept“ der neueren Entwicklungen und als Erklärungsmodell das harmloseste. Die „Globalisierung im Hochschulwesen wird als ein zu erklärender und empirisch zu erforschender Entwicklungstrend aufgefasst“ (Lanzendorf/Teichler 2003: 222). Hier wird die Hochschule als eine eigenständige Einheit angesehen, die ihre Rolle selbst bestimmt. Diese Interpretation liegt dem Standardisierungsmodell zu Grunde. 2. Die Globalisierung als kausale Kraft für die Hochschulentwicklung, die im engen Zusammenhang mit den ökonomischen, sozialen und politischen Entwicklungen steht, erklärt die zweite Interpretation, die den Zusammenhang von Teilsystemen der Gesellschaft mit in das Erklärungsmodell aufnimmt. Die Hochschule wird als ein Bestandteil des gesamtgesellschaftlichen Systems angesehen. Sie ist kausal mit den anderen Teilsystemen verbunden und wird von der Dominanz des Teilsystems der Wirtschaft beeinträchtigt. Dieses entspricht dem ökonomischen Modell. Im Bereich der Hochschulforschung gehören van Vught, van der Wende und Westerheijden zu den Vertretern dieses Ansatzes. „Globalisation generally relates to the liberalisation of trade and markets, although it also extends into the increasing interdependence, on an intercontinental scale, of other realms of activity (cultural, social, biological)“ (Friedman und Ramonet 1999, zitiert nach van Vught et al. 2002: 106). 6 Mündliche Mitteilung von U. Teichler an die Verfasserin vom Juni 2003. 21 3. In dem dritten Erklärungsmodell wird die Hochschule als ein „flexibles“ abhängiges Teilsystem angesehen, das sich je nach Bedarf und Wünschen der anderen gesellschaftlichen Teilsysteme reorganisiert. Dieses „Flexibilisierungsmodell“ wird von Teichler vertreten. Bei diesem Erklärungsmodell sind die Abhängigkeitskriterien und die Gesetzmäßigkeiten nicht bestimmt. Wie bereits erwähnt, zielt die Internationalisierung auf die institutionelle strukturelle Veränderung der Hochschulen in den Nationalstaaten ab. Globalisierung hingegen beschreibt einen Prozess, der die Internationalisierung mitgestaltet und die Richtung aufweist – sie ist der ideologisch-politische Rahmen der Internationalisierung. Teichler beobachtet zu Fragen von Globalisierung und Internationalisierung, dass in den europäischen Ländern vermehrt von Globalisierung der Hochschulen die Rede ist als von Internationalisierung. Dazu: „Nicht mehr Grenzüberschreitung bei Fortbestehen von Grenzen und Nationen wird gesehen, sondern ein Erodieren von Grenzen und nationalstaatlichen Einflüssen auf die Hochschulen – kurz: die allmähliche Entstehung eines Welt-Hochschulsystems“ (Teichler 2002: 8). Als Charakteristiken des Welt-Hochschulsystems nennt Teichler folgende Merkmale (ebd.):  eine starke Wettbewerbsbestimmung des Systems,  ein stark elitistisches System, bei dem die weniger erfolgreichen Institutionen entweder imitierten oder untergehen,  ein System mit hohem strukturellen Konvergenzdruck, um Transparenz zu sichern,  ein System, das von der Macht der Manager, hohem Effizienz- und hohem Nützlichkeitsdruck geprägt ist, und  eine starke Zunahme des transnationalen Verkaufs von Leistungen der Hochschulen. Neave geht auf die Folgen der Globalisierung ein und ist der Ansicht, dass die Wirkung der Globalisierung eindringlicher werde als die Industrialisierung, Urbanisierung und Säkularisierung zusammen (Neave 2002: 1). Wagenleiter sieht in den steigenden strukturellen Widersprüchen, die sich in der Ausweitung der Schere zwischen Arm und Reich zeigen, dass es sich bei dem „Phänomen Globalisierung auf dem Gebiet der Ökonomie und Kultur um nichts anderes als um (Neo-)Kolonialismus bzw. (Neo-)Imperialismus“ handelt (Wagenleiter 2003: 1). Als die Herausforderungen der Globalisierung der Hochschulbildung werden die Anforderungen an den internationalen Studentenmarkt (international student market), 22 die Rolle der neuen Technologien und die Förderung der transnationalen und grenzenlosen Bildung (borderless education) gesehen (van der Wende 2001: 434). Vergleichbares folgert Kehm über die Globalisierungsdebatten: „Globalisierung: reflektiert Prozesse des globalen Wettbewerbs und eine entscheidende Weltordnung, in der nationalstaatliche Grenzen eine zunehmend untergeordnete Rolle spielen oder gar sich aufzulösen beginnen und neue regionale Blöcke entstehen. Globalisierung ist verbunden mit der Entstehung der Wissensgesellschaft, die mit symbolischen Gütern, weltweiten Marken, Bildern als Waren und wissenschaftlich-technischem Know-how handelt (Scott 1998, S. 127)“ (Kehm 2003: 7). Wir befinden uns in einem Umstrukturierungsprozess, der sich, wie bereits gesagt, unter dem Einfluss des veränderten internationalen Arbeitsmarkts, der Mobilität der Studierenden und Wissenschaftler, der Expansion der Transnational Education und dem GATS vollzieht. Im Weiteren skizziere ich diese Entwicklungen, die die Bedingungen und Erscheinungsformen der Internationalisierung sind. Der Bereich der Globalisierung wird mit der Darstellung der Ökonomisierung der Hochschulbildung abschließen. 1.1.1 Veränderter internationaler Arbeitsmarkt Ein kurzer geschichtlicher Rückgriff zeigt, dass die weltweiten Strukturveränderungen von der Landwirtschaft zur industriellen Produktion, die im 19. Jahrhundert begann und sich im 20. Jahrhundert vollzog, insbesondere in den industrialisierten Ländern den Bedarf von relativ gering qualifizierten Arbeitskräften mit sich brachten. Der Wandel von der industriellen Produktion zur tertiären Produktion bzw. zum Dienstleistungssektor in den letzten zwei Jahrzehnten hingegen war und ist zum Teil mit größeren Anpassungsproblemen verbunden (Klodt 1997: 207, zitiert nach Bußmann 1999: 32). Die Nachfrage nach höher qualifizierten Arbeitskräften stieg stetig. Einer der wesentlichen Unterschiede zwischen der Industrialisierung und der Tertiarisierung ist die Voraussetzung von Qualifikationen bei international „wandernden“ Erwerbstätigen (ebd.). Kernpunkt der ökonomischen Entwicklung ist die zunehmende Konzentration und Zentralisation des Kapitals in den letzten Jahrzehnten, die zur Bildung von Weltmonopolen – so genannten Multis – führten (Engel 2003: 22; Mayer und Schmid 1993: 5). Damit begann und verbreitete sich die Internationalisierung der Produktion weltweit (z. B. VW, Daimler-Chrysler usw.), die wiederum die verstärkte Internationalisierung des Arbeitsmarktes mit sich brachte. Die rasanten technologischen Entwicklungen auf dem Gebiet der industriellen Produktion und des Kommunikationswesens vervielfältigten und beschleunigten nicht nur die Entwicklung der Handelsmärkte, sondern sie trugen dazu bei, dass ein 23 wachsender Teil der Lebens- bzw. Arbeitsbereiche in den handelbaren Märkten der Welt, z. B. zur „New Economy“ oder dem Dienstleistungssektor miteinbezogen wurden. Dieses Phänomen wird mit dem „Ende der Arbeitsgesellschaft“ umschrieben; das bedeute, dass im Rahmen der gegebenen ökonomischen Strukturen traditionelle, tauschwertbasierte Erwerbsarbeit endgültig nicht mehr zur Beschäftigungsgrundlage führe, sondern die Entwicklung hin zur sogenannten „Wissensgesellschaft“ gehe und sämtliche gesellschaftlichen Verhältnisse durch wissensbasierte Prozesse begleitet würden (Pasternack 2001: 95). Diese internationalen Arbeitsmärkte beschäftigen hochqualifizierte Arbeitskräfte, um ihre Wettbewerbspositionen zu sichern. So ist ein steigender Bedarf an Wirtschaftseinheiten, die diese Arbeitskräfte weltweit anziehen und auch in der jüngsten Zeit selbst ausbilden (z. B. Daimler-Chrysler), festzustellen. Die Sicherung von „Humankapital-Ressourcen“ wird für die Mehrheit der industrialisierten Länder, die für ihren Fortbestand auf dem Weltmarkt eine hochqualifizierte, wissenschaftsbasierte Bevölkerung benötigen, zur zentralen Frage (EURYDICE 2000: 7). Ebenso wird für die so genannten Entwicklungsländer die Bereitstellung optimaler Bedingungen – verlässliche Infrastruktur, billige und leicht zugängliche Rohstoffe und gut ausgebildeten Fachkräfte – von immanenter Bedeutung sein, um internationales Kapital und ausländische Firmen anzuziehen. Strukturveränderungen im Bereich der Hochschulen, das mit ihnen einhergehende veränderte Bewusstsein und bessere finanzielle Möglichkeiten in den Gesellschaften führten Anfang der 70er Jahre in den industrialisierten Ländern zu einer steigenden Nachfrage nach Hochschulbildung und somit letzten Endes zur „Massifizierung“ der Hochschule (Trow 1972). Studierte in den 50er Jahren in den Industrieländern eine kleine Elite von fünf Prozent eines Jahrgangs, so sind gegenwärtig in einigen Ländern bis zu 50 Prozent eines Jahrgangs immatrikuliert (Hahn 2004: 26f.). Die steigende Nachfrage nach einer Hochschulbildung führte zur Expansion in den industrialisierten Ländern, in den nicht industrialisierten Ländern zur vermehrten individuellen oder organisierten Mobilität der Studierenden und Akademiker. Aber im Zusammenhang mit Internationalisierung des Arbeitsmarktes nimmt das Phänomen der Mobilität der Studierenden und Wissenschaftler für die industrialisierten Länder eine qualitative Veränderung an. 24 1.1.2 Akademische Mobilität im Rahmen eines internationalisierten Arbeitsmarkts Unter dem Begriff der internationalen akademischen Mobilität wird die Mobilität von Studierenden, Lehrenden, Forschenden und Hochschuladministratoren subsumiert (ebd. 2004: 146). Eine jüngere Art der Mobilität ist die „virtuelle Mobilität“, die sich innerhalb kurzer Zeit zu einer der bedeutendsten Formen des internationalen wissenschaftlichen Austauschs entwickelte (siehe dazu Kapitel 1.1.3 in diesem Teil). In der Hochschulforschung werden zwei Mobilitätsformen unterschieden: die „organisierte Mobilität“, die im Rahmen eines Förderprogramms mit finanzieller und institutioneller Unterstützung vollzogen wird, und die „individuelle Mobilität“, die ohne jegliche finanzielle und institutionelle Unterstützung stattfindet und die sowohl ins Ausland gehende Studierende als auch Akademiker umfasst (List 1997: 22). Die akademische Mobilität, die unorganisiert und im kleineren Rahmen innerhalb einer kleinen Elite in der Wissenschaft schon immer stattfand, erlangte durch die weltweit gestiegene Aufmerksamkeit, auch als potentielle Kunden, d.h. Studierende, die für das Studium finanziell selbst aufkommen, in den letzten zwanzig Jahren an Bedeutung. Die Anforderungen und die Erwartungen der internationalen Mobilität setzte die Hochschulen hinsichtlich Struktur und Inhalt unter Veränderungsdruck. Die relativ gestiegenen Zahlen der mobilen Studierenden, Akademiker und aktuell auch Hochschulangehörigen seit den 1980er Jahren verdeutlichen auch die Wechselwirkung im Wandlungsprozess von Wirtschaft/Arbeitsmarkt und Hochschulausbildung. Im Jahre 1980 gab es weltweit 930.000 Auslandsstudenten, deren Zahl sich im Jahre 1993 auf 1,35 Millionen erhöhte, davon kamen zwei Drittel aus den so genannten Entwicklungsländern (ebd.: 8). Hier mahnt Teichler zur Vorsicht an, und widerspricht der Aussage, dass die Mobilität der Studierenden weltweit zugenommen habe – nach den absoluten Zahlen sicherlich nicht. Dazu Teichler: „Die Zahl der im Ausland Studierenden stieg von etwa 500.000 um 1970 auf etwa 1,6 Millionen Mitte der neunziger Jahre, aber die Gesamtzahl der Studierenden in der Welt stieg ähnlich an. So blieb der Anteil der im Ausland Studierenden an allen Studierenden mit knapp zwei Prozent relativ konstant“ (Teichler 2002: 4). Mitte der 1990er Jahre verlagerte sich die Mobilität von „Gleichen“ zu den „Besten“ unter den „Gleichen“, d.h. die Studierenden in den industrialisierten Ländern begannen vermehrt ein Auslandsstudium oder Teilstudium in einem anderen industrialisierten Land aufzunehmen (Hahn 2004: 172). Teichler bezeichnet dieses Phänomen als die 25 horizontale Mobilität unter als gleichwertig eingestuften Partnern, z. B. zwischen Industrienationen (Teichler 1999a: 5). Diese Verlagerung von der vertikalen zur horizontalen Mobilität führt zur vermehrten Kooperation und zum Austausch innerhalb der führenden Länder – USA, Großbritannien, Australien und Kanada – des internationalen Bildungsmarkts. Dieses neue Phänomen der Mobilität ist, dass sie von „Norden nach Norden“ an Bedeutung zugenommen hat. Unter dem Gesichtspunkt der „Bildungshilfe“ wurde bis in die 1980er Jahre Studierendenmobilität von Süden nach Norden gefördert. Seit den EU-Mobilitätsprogrammen7 ist die Förderung in Richtung „Norden nach Norden“ systematisierter organisiert. Die aktuelleren Entwicklungen zeigen eine Verlagerung der Studienförderung vom nichtgraduierten hin zum postgraduierten Studium (Hahn 2004: 173). Die wachsende Nachfrage nach Hochschulausbildung und die Bedeutungszunahme der grenzüberschreitenden Bildung führten mit der Entwicklung der Informations- und Kommunikationsmittel zu einer neueren Form der grenzüberschreitenden Bildungsanbieter, die im Weiteren dargestellt wird. 1.1.3 Die grenzüberschreitende Bildung – Transnational Education Grenzüberschreitende Bildungsangebote werden in der Fachliteratur als Transnational Education (TNE) bezeichnet. Präziser umfasst TNE „Studienangebote oder studienbezogene Dienstleistungen, deren Anbieter in einem anderen Land beheimatet sind als ihre Teilnehmer bzw. deren Anbieter überhaupt nicht mehr einem bestimmten Herkunftsland zuzuordnen sind“ (Lanzendorf/Teichler 2003: 222). In der Wirtschaftssprache würde TNE für Bildungsexport stehen. UNESCO/Council of Europe unterscheidet folgende Anbieterkonstellationen, die derzeit Hochschulbildung exportieren (zitiert nach ebd.): Collaborative Arrangements: Bei dieser Form bieten eine Hochschule oder ein sonstiger Studienanbieter ihre akademischen Dienste in Zusammenarbeit mit einem im Ausland ansässigen Studienanbieter an. Als Kooperationspartner „führt eine vor Ort ansässige Institution ganze Studiengänge, bestimmte Lehrangebote oder andere bildungsbezogene Dienstleistungen im Auftrag einer ausländischen Institution und nach deren Vorgaben durch“ (ebd.: 6). Im Bereich der Collaborative Arrangements wird nach Validierung, Franchising und nach Twinningformen unterschieden. Wenn eine Hochschule gegen 7 Siehe EU-Mobilitätsprogramme Kapitel 2.1.1. 26 Gebühr ein von einer ausländischen Hochschuleinrichtung angebotenes Studienprogramm oder einzelne Studienabschnitte bzw. nur bestimmte Studienmodule „als einem eigenen Lehrangebot gleichwertig“ anerkennt, wird diese Validierung genannt und sie gelte als die wichtigste Form der Collaborative Arrangements (vgl. und siehe für weitere Ausführungen ebd.: 223). Das Franchising findet laut Lanzendorf/Teichler statt, wenn eine Hochschule eine Einrichtung im Ausland autorisiert, „ein von ihr entwickeltes Studienangebot gegen eine Gebühr für einen bestimmten Zeitraum anzubieten und auch den entsprechenden Abschlussgrad zu verleihen“ (ebd.). Beim Twinningsystem geht es darum, dass die Studierenden „nach einem ersten, in ihrem Heimatland absolvierten Abschnitt eines ausländischen Studiengangs die letzten Studienjahre im Herkunftsland des Studiengangs absolvieren“ (ebd.: 224). Die zweite Hauptvariante sind die Non-Collaborative Arrangements: Hierbei handelt es sich um Bildungsdienstleistungsanbieter, die eigene Außenstellen im Ausland eröffnen. Lanzendorf/Teichler stellen folgende idealtypische Formen zusammen, die als Auslandscampus, Off-Shore Institution und als fliegende Fakultät bezeichnet werden (ebd.).8 Eine andere Form der weit verbreiteten grenzüberschreitenden Bildungsdienstleistung ist die virtuelle Bildung. Außerdem werden die Hochschulen, die an keinen Nationalstaat gebunden sind, in TNE integriert; diese sind die Corporate Institutions, die unternehmenseigene Studien anbieten, und die International Institutions (ebd.). Innerhalb kurzer Zeit haben sich weltweit differenzierte Angebotsformen gebildet, die die grenzüberschreitende Bildung in einen Weltmarkt einbetten und die hauptsächlich die OECD-Länder im Visier haben. Südostasien erweist sich derzeit als großer Abnehmer dieser Bildungsangebote (Hartmann 2003: 7). Der Einzug der transnationalen Bildung in die nationalen Bildungssysteme bringt grundlegende Veränderungen mit sich. Positive Folgen sind die Erhöhung der Zugangsmöglichkeiten, die größere Auswahl und die Förderung der Internationalisierung. Als negativ hingegen werden die Veränderungen der Standards 8 Siehe zu den technischen Ausführungen Lanzendorf/Teichler 2003: 7. 27 und traditionellen Bildungswerte gesehen, und auch die Verbraucher- und Abnehmerrechte bilden eine Herausforderung. Voneinander unabhängig entwickeln sich Transnational Education und GATS, die in intrinsischer Verbindung zueinander stehen. 1.1.4 Das Dienstleistungsabkommen GATS Das supranationale Abkommen GATS – General Agreement on Trade in Services – im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) gewinnt nicht nur innerhalb des TNE an Bedeutung, sondern es ist eine globale multilaterale Regulierungsebene (Enders et al. 2003: 32). Die Einrichtung eines internationalen Handels des Dienstleistungsabkommens GATS wurde 1994 in der sogenannten Marrakesch-Runde beschlossen und im Jahre 1995 als ein weiteres Rahmenwerk der Welthandelorganisation etabliert. Eine Neuverhandlung dieses Abkommens wurde festgelegt, die im Februar 2000 begann und sich über mehrere Jahre erstrecken wird. Die derzeit geführten und noch anstehenden Verhandlungen innerhalb der Mitgliedsländer schlagen die Richtung der zukünftigen Entwicklungen der europäischen Bildungspolitik und des europäischen Bildungsraums ein. Die Grenzen und die Reichweite der institutionellen und vertraglichen Vereinbarungen innerhalb der Europäischen Kommission und der WTO-Mitgliedsländer spielen sich in Form von funktionalen Differenzierungen ab. Das Rahmenwerk GATS baut auf der Philosophie der fortschreitenden Liberalisierung auf und umfasst zwölf Dienstleistungssektoren – neben der Bildung die Gesundheit, die Kommunikation usw. Die unter Punkt fünf eingeordneten Bildungsdienstleistungen werden in die fünf folgenden Subsegmente unterteilt:  primäre Bildungsdienstleistungen (im vorschulischen Bereich, z. B. an Kindergärten),  sekundäre Bildungsdienstleistungen (schulische und berufsbildende Angebote unterhalb der Hochschulen),  höhere (tertiäre) Bildungsdienstleistungen (z. B. Berufs- und Universitätsaus- bildung),  Erwachsenenbildung (allgemeine Bildung und berufliche Ausbildung), soweit sie nicht vom regulären System für höhere Bildung angeboten wird,  sowie andere Bildungsdienstleistungen (diese beziehen sich auch auf spezielle Bildungsangebote im primären und sekundären Bereich, soweit sie nicht dort aufgeführt sind). 28 Außerdem werden im GATS-Abkommen vier Erbringungsarten („modes“) des Dienstleistungshandels unterschieden: Mode 1: Grenzüberschreitende Erbringung: d. h. die Lieferung einer Dienstleistung von einem Land in das andere (z. B. E-Learning über das Internet); Mode 2: Nutzung im Ausland: d.h. die Erbringung einer Dienstleistung innerhalb eines Landes für Konsumenten eines anderen Landes (z. B. für Studierende aus dem Ausland); Mode 3: Kommerzielle Präsenz: d.h. die Erbringung einer Dienstleistung durch die kommerzielle Präsenz in einem anderen Land (z.B. die Gründung einer Sprachschule von Berlitz in Deutschland); Mode 4: Präsenz natürlicher Personen: d.h. die Erbringung einer Dienstleistung durch Personen, die sich zu diesem Zweck temporär in ein anderes Land begeben (z. B. muttersprachliches Lehrpersonal an einer Sprachschule) (Yalçın/Scherrer 2002: 11). Diese Aufteilung ermöglicht eine genauere Bestimmung der zu liberalisierenden Dienstleistung. So kann ein Land beispielsweise seine Liberalisierungsverpflichtungen im Bereich der Bildung gezielt auf die Erbringungsart Mode 2 „Nutzung im Ausland“ für Erwachsenenbildung einschränken. Außerdem ist jedem Mitgliedsland freigestellt, weitere Einschränkungen, z. B. eine staatsbürgerliche Eingrenzung des Personenkreises, vorzunehmen. Diese flexiblen Liberalisierungsverfahren sind mit komplexen technischen Details umwoben, die dem Ziel der fortschreitenden Liberalisierung untergeordnet sind.9 Das zweite Prinzip von GATS spiegelt den Charakter des Abkommens wider, der besagt, dass zwischen Gebietsfremden und Gebietsansässigen auf einem bestimmten Markt nicht diskriminiert werden darf. Hier soll die Chancengleichheit im Wettbewerb gewährleistet werden (Scherrer/Yalçın 2003). Regulierungen auf den verschiedenen Märkten, wie z. B. dem Waren- oder Dienstleistungsmarkt, waren in nationalen Gesetzgebungen verankert. Diese reichen jedoch im Umgang mit den internationalisierten Monopolen nicht aus. So werden, wie im Fall Bildung, Gesundheit usw., neue Erwerbsquellen erschlossen und werden zum Gegenstand der internationalen Verhandlungen im Rahmen von GATS. Hier geht es um die Erschließung und Aufteilung der Märkte. 9 Siehe zu weiteren Ausführungen Yalçın/Scherrer 2002; Hahn 2004; Enders et al. 2003; Scherrer/Yalçın 2003. 29 In diesem Zusammenhang wird in der Fachliteratur die Ökonomisierung der Bildung im Allgemeinen und die der Hochschulbildung im Besonderen beobachtet, die im folgenden Teil thematisiert wird. 1.1.5 Ökonomisierung der Hochschulausbildung „Genau wie es nicht möglich ist, nur ein wenig schwanger zu sein, ist es auch nicht möglich, die Profitökonomie in Grenzen zu halten.“ (Ribolits 2003). Nicht allein die chronische Unterfinanzierung der Hochschulbildung ist in vielen Nationalstaaten für die Privatisierung der Bildung verantwortlich, sondern der Einzug der neoliberalen Wirtschaftspolitik in allen Teilsystemen der Gesellschaft. Diese neoliberale Wirtschaftspolitik entfaltete sich spätestens seit dem Ende des Kalten Krieges in weiten Teilen der Erde und trägt dazu bei, dass sich ein Paradigmenwechsel vollzieht. Die eigentliche Wiederbelebung des Marktmodells begann mit Thatcher und Reagan. Mit der Verbreitung der Ideologie festigte sich die Auffassung, dass der Mensch als Humankapitel für die Industrie und seit GATS (1994) für den Dienstleistungssektor fungieren kann (Hartmann 2003: 4). Das flexibel einsetzbare Humankapital erlangt durch eine Hochschulausbildung die erforderlichen Qualifikationen. Wie bereits erwähnt, stiegen die Bedeutung und der Stellenwert einer Hochschulausbildung weltweit an. Lohmann ordnet und grenzt die gängigen Begriffe ein und versteht unter Privatisierung und Kommerzialisierung Folgendes: „Privatisierung aller Maßnahmen, die auf die Eliminierung öffentlicher Aufgaben der Universitäten zugunsten ihrer Umgestaltung in verlängerte Werkbänke von Wirtschaftsunternehmen zielen: darunter die Veränderung der Rechtsform, etwa in Stiftungshochschulen privaten Rechts (dazu BdWi 2001); die Besetzung universitärer Leitungspositionen durch mit Wirtschaftsvertretern besetzte Hochschulräte; die Bewirtschaftung auf dem Kapitalmarkt ihrer an sie übertragenen Liegenschaften durch die Universität zum Zweck von (kurzfristiger) Geldbeschaffung; das Abtreten von (weiterhin ja auch mit öffentlichen Geldern finanzierten) Forschungsergebnissen an Wirtschaftsunternehmen u. dgl. [und] Kommerzialisierung [als] die Orientierung der Studiengänge, Studienabschlüsse und Studieninhalte am ‚Markt‘; die Eliminierung nicht marktfähiger akademischer Fächer, Lehr- und Forschungsinhalte; die sogenannte leistungsabhängige Besoldung; die Schaffung von Zugangsrestriktionen zum Internet durch entsprechende technische Vorkehrungen und Unterwerfung der Content-Entwicklung unter die verschärften Regularien ‚geistigen Eigentums‘; die Erhebung ‚erfolgreichen Agierens am globalen Bildungsmarkt‘ zum obersten Gebot der Wissenschaftspolitik …“ (Lohmann 2004: o.S.). 30 Zwei wesentliche Punkte tragen zur vermehrten Ökonomisierung der nationalen Hochschulbildung mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten bei, die ideologisch- politischen Wesenseinheiten von neoliberaler Wirtschaftspolitik sind:  Deregulierung bzw. Dezentralisierung;  Privatisierung und Etablierung eines weltweiten Bildungsmarkts. Der Paradigmenwechsel in den 1990er Jahren wird von den Zauberwörtern Deregulierung bzw. Dezentralisierung begleitet. Die schwerfällige bürokratische Hochschulverwaltung, die im Zuge der Expansion ab Ende der 1960er und bis Ende der siebziger Jahre aufgebaut wurde, erweist sich im Kontext des Finanzmangels und des Anspruchs nach mehr Autonomie der Hochschulen als hinderlich, denn um sich im Wettbewerbsmechanismus behaupten zu können, bedarf es einer flexibleren Struktur. Die Deregulierungspolitik geht Hand in Hand mit der Dezentralisierungspolitik, die zugleich zur Zentralisierung auf der Ebene der Kontrolle und Standardsetzung führt. Kontrolle kann über transparentere und vergleichbare Strukturen erfolgen. Dieses wird von Hans Weiler markant formuliert: „Man kann eine Reihe von bildungspolitischen Modellen, die heutzutage in der Diskussion und auch in der praktischen Erprobung sind, sicher dahingehend charakterisieren, dass sich ein gewisses Maß von Deregulierung mit einem nicht unbeträchtlichen Maß von Zentralisierung vereinen. Und ich glaube, das ist in etwa auch das, was etwa in GB [Großbritannien], aber auch in gewisser Hinsicht in der deutschen Diskussion im Gange ist, dass der Ort bestimmter Entscheidungen auf die Bildungseinrichtung selbst verlagert wird – etwa Ressourcen-Entscheidungen, dass aber gleichzeitig das Aufsichtsgeflecht, die Matrix staatlicher Beaufsichtigung sich stärker zentralisiert und in zentralen Punkten formiert. (...) Eine solche Strategie hat natürlich auch wieder den Charme – wiederum aus der Sicht des Staates gesehen – den Charme einer nicht unbeträchtlichen Ressourcenersparnis, denn auch hier kann man sich nicht der Forderung nach zusätzlichen Ressourcen oder auch der Forderung nach gleichbleibenden Ressourcen dadurch entziehen, dass man sagt: es sind zwar weniger Ressourcen da und das tut uns auch furchtbar leid, aber zumindest dürft ihr das, was da ist, selber verwalten, selber darüber entscheiden. Ein Strickmuster der politischen Entscheidungen, das mit schöner Regelmäßigkeit und Häufigkeit in den bildungspolitischen Diskussionen, etwa der OECD- Länder, immer wiederkehrt“(Weiler (o. J.)). Eine aktive Rolle der Weltbank beim Paradigmenwechsel der letzten 20 Jahre wird hervorgehoben (Levidow 2000; Hartmann 2003). In Form einer Reform-Agenda hat die Weltbank die Bezeichnungen Deregulierung und Privatisierung an die Hochschulpolitik herangeführt und die vermehrte Umsetzung der freien Marktmechanismen empfohlen (Levidow 2000: 4). Die neoliberale Politik der Weltbank führte zum „freiwilligen“ Veränderungsdruck nicht nur in den OECD-Ländern, sondern sie war die Vorgabe der Strukturanpassungsprogramme (SAPs) bei der Kreditvergabe an die verschuldeten 31 Länder. Die Vorgaben der Weltbank bezüglich Einsparungen in den öffentlichen Haushalten führten gerade im Bildungsbereich häufig zu Mittelkürzungen. Die Vertreter der Kommerzialisierungsideologie haben 1994 durchgesetzt, dass der Bildungsbereich in dem GATS-Rahmenwerk mit aufgenommen wurde, wie bereits ausgeführt. Obwohl die Verhandlungen nicht abgeschlossen sind, hat sich der Bildungsmarkt mit jährlich steigendem Volumen formiert und verspricht einer der stark expandierenden Märkte zu werden. Die einschlägige Literatur gibt die Schätzungen der UNESCO wieder, dass das Bildungsmarktvolumen rund zwei Billionen Dollar mit steigender Tendenz umfasst (Ribolits 2003). Die Aufteilung der Hochschullandschaft in den „Europäischen Hochschulraum“ einerseits und in die globalen Marktführer wie USA, Australien und Neuseeland andererseits verdeutlicht die Konkurrenz innerhalb der führenden Industriestaaten. In USA stieg der Hochschulbildungsexport bereits auf den fünften Platz im Dienstleistungsbereich. Dazu Lohmann „Kombinierte Angebote aus Bildungs- und Internetdienstleistungen begründen schon heute den weitaus größten Teil der Nachfragehoffnungen, die sich die Betreiber und Anbieter des World Education Market (WEM) machen. Erstmals im Jahre 2000 durchgeführt, findet er im Mai 2002 zum dritten Mal statt, diesmal in Lissabon. Zu den Sponsoren zählen der British Council, die Extended Division Fernunterrichtsabteilung der Boston University, das European Institute for E- Learning (EIfEL), Bildungs- und Internetdienstleister Blackboard und eduventures, die von den Regierungen einiger Commonwealth-Länder gegründete Commonwealth of Learning, die OECD, die Weltbank und die EU (Lohmann 2002: 5). Lohmann sieht, dass es in der „vielbeschworenen Internationalisierung/Vergleichbarkeit von Studiengängen/Qualitätssicherung nicht zuletzt um ökonomische Konkurrenz und Dominanz auf einem hart umkämpften globalen Markt geht“ (Lohmann 2002: 2). Der „`verschärfte Wettbewerb um Mittel`“ habe sich als „Königsweg der marktgerechten weltweiten Transformation erwiesen“ (ebd.). In der „Markteuphorie“ haben die sonstigen „Unverträglichkeiten“ der Akteure der Mikro-, Meso- und Makroebene nach Kehm/Pasternack einen gemeinsamen Nenner gefunden: „Marksteuerung gilt als unentrinnbarer Sachzwang, nachdem vermeintlich allerorten ein allgemeines Staatsversagen erkennbar wird; und das ökonomische Prinzip wirkt euphorisierend, da es sowohl den alten Feind, die Planwirtschaft, überlebt hat, wie es sich auch in der New Economy, dem neuen Freund der globalisierten Welt, bewährt hat, und zwar, wie man bislang annimmt, erfolgreich“ (Kehm/Pasternack 2001: 226). 32 Gefahren sieht Altbach in den inhaltlichen Auswirkungen der Kommmodifizierung der Hochschulbildung in Bezug auf Implikationen auf unser Denken, auf Wissenschaft und Universität, über Besitz und Vermittlung von Wissen (Altbach 2002: 2). Nach Altbach wird die Rolle des Bürgers in der modernen Gesellschaft beeinträchtigt (ebd.). Zutreffender sei, dass eine Bereinigung der kleinbürgerlichen Klasse stattfinden werde und der größte Teil der Menschen einen akademischen Abschluss erlange. Die vorhandenen sozialen Ungleichheiten in der Hochschulbildung würden sich durch den freien Markt noch verschärfen (ebd.). Mit der Aussage Altbachs, dass sieben der zehn größten Fernuniversitäten in den Entwicklungsländern tätig seien, macht er auf die Kolonisierung der Entwicklungsländer durch Bildung aufmerksam (ebd.). Das Phänomen globaler „Wettbewerb“ ist in der Bildung kein vorübergehendes (Latzel/Kanaan 2001: 9), sondern ist der Motor für zukünftige Entscheidungen und Handlungen im Hochschulbereich. Die angelsächsischen Hochschulen haben durch die englische Sprache Wettbewerbsvorteile. Die private Hochschulbildung ist neben der ideologischen Prägung die „kostenneutralste Form für die Nationalstaaten die steigende Bildungsnachfrage zu befriedigen“ (Hartmann 2003: 5). Im Ökonomisierungsprozess findet eine Aufteilung der Welt in Bildungsräume und in den Markt für Bildung statt. In diesem Markt tritt die EU als Konkurrent mit auf. Die Europäisierung der Hochschulen ist ein relativ neues Thema der Hochschulforschung. Aber die Aktivität des Europarats zu kohärenten Hochschulstrukturen innerhalb der europäischen Länder, wie im Weiteren aufgezeigt wird, sind zum Teil fünfzig Jahre alt. Die Aktivitäten der EU hingegen umfassen die letzten zwanzig Jahre. 33 2. Europäisierung der nationalen Hochschulsysteme 2.1 Einführung In den hochschulpolitischen Debatten findet die Bezeichnung „Europäisierung“ neben den anderen Modebegriffen Internationalisierung und Globalisierung vermehrt Aufmerksamkeit. Der Zusammenschluss zu einem „Europa“ beginnt in den fünfziger Jahren aufgrund der wirtschaftlichen Vereinigung.10 Die Gestaltung des europäischen Binnenmarkts auf den Ebenen des „freien Flusses von Kapital, Waren, Dienstleistungen und Personen“ greift auf den bis dato den Nationalstaaten vorbehaltenen Bereich der Bildung ein (Wächter 1999: 60). Themen wie Europäisierung bzw. das Zusammenwachsen zu einer Region Europa nehmen immer klarere Gestalt an. Die politischen Vorstellungen eines gemeinsamen Bildungsraums nehmen in Form von Europäisierungsstrategien konkrete Konturen an. Die ersten Schritte zur Europäisierung der Hochschulen wurden innerhalb Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) bzw. EU-Mitgliedsländer und den einzelnen Hochschulen durch die Übertragung von Reformelementen anderer Hochschulsysteme in das eigene System, durch Anerkennung der im Ausland erbrachten Studienleistungen für den Abschluss an der Heimathochschule, durch europaweite Angleichung akademischer Strukturen und Abschlüsse, durch Internationalisierung der Curricula, durch Übernahme vergleichbarer Management- und Leistungsmodelle und durch gemeinsame Studienprogramme etc. unternommen (Teichler 1998; Blumenthal et al. 1996, Kehm/Pasternack 2001). Überwiegend wird der Begriff Europäisierung im Kontext der Hochschule mit den erfolgreichen Mobilitätsprogrammen in Verbindung gebracht. Die langjährigen Erfahrungen aus den Programmen ERASMUS/SOKRATES bilden nicht nur im Bereich der institutionellen Kooperation, sondern auch auf der Ebene der politischen Annäherung eine Basis für neuere supranationale Initiativen. In diesem Rahmen sind zu nennen:  die europäischen Mobilitätsprogramme,  die Gestaltung einer europäischen Hochschulpolitik sowie  die Europäisierung der Hochschulen – neue Herausforderungen im Lichte der Forschungsliteratur. 10 Für weitere Literatur siehe Lepsius (2000). 34 2.1.1 Europäische Mobilitätsprogramme Mit der Einrichtung der ersten Phase des europäischen Förderprogramms European Community Action Scheme for the Mobility of University Students (ERASMUS) durch die Europäische Gemeinschaft bzw. Europäische Union im Wintersemester 1987/88 bis 1989/90 begann im Hochschulbereich die Umsetzung des Ziels der Steigerung der studentischen Mobilität innerhalb der EU-Mitgliedsländer (Maiworm et al. 1993: 7). Zu Beginn nahmen 3.000 Studierende an dem Programm teil, in 1990/91 stieg die Anzahl der geförderten Studierenden auf 27.00011 an. Bereits im Jahre 2000 hielten sich in den europäischen Ländern über 100.000 Studierende zum Zwecke eines zeitweiligen Studiums außerhalb ihres Heimatstudienortes auf (Teichler 2003a: 316). Das ERASMUS-Programm gilt als erfolgreich, obwohl das Ziel, zehn Prozent der europäischen Studierenden einen Auslandsaufenthalt zu ermöglichen, nicht erreicht wurde (Kehm 2001a: 72). Die Entscheidung der Europäischen Kommission, das ERASMUS-Programm in das SOKRATES-Programm mit aufzunehmen, brachte thematische und formale Erneuerungen. SOKRATES ist ein europäisches Aktionsprogramm zur Förderung der Kooperation und Mobilität im gesamten Bildungsbereich (Kehm 2001a: 72). Die Förderung der „physischen Mobilität“, insbesondere der Studierenden, stand im Vordergrund der I. und II. Phase des ERASMUS-Programms. Im Rahmen des SOKRATES-Programms wurde versucht, die Mobilität in den breiteren Zusammenhang der institutionellen Kooperationsaktivitäten einzubetten, mit denen allen an der Hochschule angebotenen Studiengängen eine „europäische Dimension“ verliehen werden sollte (European Commission 2002: 3). Das SOKRATES-Programm wurde mit allen angegliederten Programmen, so auch mit dem ERASMUS-Programm, im Jahre 2000 bis 2006 verlängert. Derzeit sind mehr als 1.800 Universitäten (und sonstige Hochschuleinrichtungen) aus 31 Teilnehmerländern an dem ERASMUS-Programm beteiligt: die 15 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union; die drei Unterzeichnerländer des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR)- Abkommens (Island, Liechtenstein und Norwegen) sowie die zwölf assoziierten Länder Ungarn, Rumänien, die Tschechische Republik, die Slowakische Republik, Polen, Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Slowenien, Malta, Zypern und mittelfristig die Türkei (European Commission o. J.). 11 Diese Zahl beinhaltet die Studierenden, die an dem ähnlichen Programm LINGUA teilnahmen, mit der besonderen Förderung in Fremdsprachen (Teichler 2003a: 316). 35 Weitere Programme wurden von der Europäischen Gemeinschaft bzw. EU für die Einbeziehung der Nichtmitgliedsstaaten eingerichtet. Die Kooperationen mit sogenannten „Drittländern“ begannen speziell mit der Unterstützung des Transformationsprozesses der osteuropäischen Hochschulen nach dem so genannten „Mauerfall“ von 1989. Heute finden sich EU-Austauschprogramme mit Drittländern vorwiegend im Förderprogramm der Trans-European Mobility Programmes for University Studies (TEMPUS), das im Mai 1990 im Rahmen des PHARE- Programms12 aufgelegt wurde (Kehm et al. 1997: 2). Das PHARE-Programm wurde kurze Zeit nach dem „Mauerfall“ von der Europäischen Union zur wirtschaftlichen und sozialen Restrukturierung der osteuropäischen Länder entwickelt (ebd.: 1).13 Wie auch das ERASMUS-Programm hat das Tempus-Programm das Ziel, die internationale institutionelle Hochschulkooperation durch Förderung von Einzelprojekten und durch Förderung von Mobilität zu unterstützen. Gegenwärtig steht dieses Programm den osteuropäischen, den kaukasischen, mittelasiatischen und den westlichen Balkanländern offen (Kommission der Europäischen Gemeinschaften 2001: 2). Die erste Phase von TEMPUS wurde von 1990 bis 1993 durchgeführt, mit einer vierjährigen Verlängerung wurde das TEMPUS-Programm II von 1994/95 bis 1998 durchgeführt, eine nochmalige Verlängerung des TEMPUS II bis 2003 wurde im Jahre 1996 beschlossen (Kehm et al. 1997: 2). Ein weiteres EU-Programm ist das Amèrica Latina – Formaciòn Acadèmica (ALFA)- Programm, das die Hochschulkooperation zwischen 18 Ländern Lateinamerikas und den 15 EU-Mitgliedsstaaten fördert (Kommission der Europäischen Gemeinschaften 2001: 2).14 Organisierte und geförderte studentische Mobilitätsprogramme der EWG bzw. EU, die seit 1987 durchgeführt werden, verzeichneten bei den europäischen Studenten die größten Mobilitätserhöhungsraten (List 1997: 9; Dolezal 1992: 5; Teichler 2002: 5). Die meiste Mobilitätsaktivitäten vollziehen sich innerhalb der europäischen Mitgliedsstaaten binnen des „goldenen Dreiecks“ Frankreich, England und Deutschland ab (Kehm 2001a: 70). 12 PHARE: Poland and Hungary Aid for the Reconstruction of the Economy, klassisches Vor- Beitrittsinstrument der EU, das 1990 als Technisches Hilfsprogramm zugunsten der Länder Mittel- und Osteuropas aufgelegt wurde. 13 Im Jahre 1995 waren elf zentral- und osteuropäische Länder im PHARE- und zugleich im TEMPUS- Programm involviert: Albanien, Bulgarien, Tschechische Republik, Estland, Ungarn, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, Slowakische Republik und Slowenien (Kehm et al. 1997: 2). 14 Diese sind: Argentinien, Bolivien, Brasilien, Chile, Kolumbien, Costa Rica, Cuba, Ecuador, El Salvador, Guatemala, Honduras, Mexiko, Nicaragua, Panama, Paraguay, Peru, Uruguay und Venezuela. 36 Das neue Motto des ERASMUS-Programms „die Studierenden nach Europa und Europa zu allen Studierenden zu bringen“ belegt einen Richtungswechsel in der Europäisierungsstrategie der Europäischen Kommission (European Commission o. J.). Mit anderen Worten bedeutet das: Wenn die Studierenden nicht zu uns kommen, kommen wir zu ihnen. Dies betrifft vor allem die Studierenden, die nicht unmittelbar an Mobilitätsmaßnahmen teilnehmen (ebd.). Durch die Schwerpunktverlagerung soll die Mobilität der Studierenden nach wie vor gefördert werden, neu ist jedoch die Unterstützung zur Aufnahme der „europäischen Sichtweise“ in die Studiengänge und Studieninhalte. Die Motivation, einen Richtungswechsel in den europäischen Mobilitätsprogrammen vorzunehmen, könnte von zwei Aspekten getragen sein: erstens neue Bildungsmärkte zu erschließen und zweitens – nicht unabhängig davon – mit der „Unterstützung zum Aufbau der ‚europäischen Sichtweise‘“ europäische Standards und Maßstäbe zu etablieren. Die Erfahrungen aus den diversen Mobilitätsprogrammen flossen zu einer systematischen Hochschulbildungspolitik der EU zusammen. 2.1.2 Gestaltung einer europäischen Hochschulpolitik Der Beginn des Aktionsprogramms „Joint European Studies“ (1976), welches auf den „Dahrendorf-Bericht“ über das Bildungswesen in der EG vom Jahre 1974 aufbaut, war der Anfang der Bildungspolitik der Europäischen Gemeinschaft (Hahn 2004: 36). Ein weiterer Schritt zur europäischen Bildungspolitik folgte 1988 mit dem Beschluss, die Integration der europäischen Dimension in das Bildungswesen der Mitgliedsländer zu fördern. Den ersten erfolgreichen Einfluss erzielte die Kommission der Europäischen Gemeinschaft im Bereich der Hochschule Mitte der 1970er Jahre mit der Förderung der multilateralen Hochschulkooperation (ebd.). Ein weiterer Schritt folgte mit dem „Memorandum zur Hochschulbildung in Europa“ (1991). Neben der Betonung der besonderen Rolle der Hochschulausbildung für die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Integrität der Gemeinschaft wurde die Aufnahme einer europäischen Dimension in die Hochschulbildungsdebatten angeregt (Hahn 2004: 38). Mit der Berufung auf die Eigenständigkeit bei der Organisation ihrer Bildungssysteme sowie das selbstbestimmte Gestalten der Lehrinhalte haben die Mitgliedsländer die Harmonisierungsbestrebungen abgelehnt. Zu diesem Zeitpunkt schienen den Gemeinschaftsmitgliedern die Wahrung der sprachlichen und kulturellen Vielfalt ihrer 37 Hochschulbildung und die Ausdehnung des Subsidiaritätsprinzips auf das Bildungssystem von Bedeutung (ebd.). Mit der Ratifizierung des Maastrichter Vertrags (1993) wurde nicht nur die Europäische Gemeinschaft zu „Europäischen Union“ umbenannt, sondern ihr Mandat in Fragen der Bildung wurde auch erweitert (Wächter 1999: 59). Der Maastrichter Vertrag geht von der politischen Annahme aus, dass „grenzüberschreitende Kooperation auf dem Bildungssektor, insbesondere im Bereich der Hochschulbildung, die Wettbewerbsfähigkeit Europas stärken würde“ (Hahn 2004: 38). Im Wesentlichen wurde empfohlen, in den Bereichen der Hochschule, der Sprachförderung und Förderung der Mobilität der Studierenden, Akademiker und Lehrenden Förder- und Kooperationsbestrebungen innerhalb der Mitgliedsstaaten auszubauen (ebd.: 39). Die Verlagerung des Schwerpunkts der Europäischen Kommission auf gemeinsame Curriculumsentwicklung, die Einführung der europäischen Dimension, Anerkennungsfragen und die Förderung von Innovationen im Hochschulbereich durch thematische Netzwerke ist zum Voranbringen der Integration geplant (Kehm 2001a: 72). Auf der Ebene der Steuerung der Hochschulen ist seit Anfang der neunziger Jahre die Verschiebung der europäischen Hochschulpolitik von der staatlichen zentralen Planung und Kontrolle des Hochschulwesens zur Kontextsteuerung zu beobachten, was zur Bewegung an den gängigen Strukturen beitrug (Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kultur 1997: 7). Mit dem Beginn der Kontextsteuerung, nach deren Prinzipien den Hochschulen eigene Initiativen durch Rahmenrichtlinien zu gewähren sind, führte zur Einführung von „Globalhaushalten“. Die Verlagerung der Steuerung bedeutete weg von der input- hin zur output-orientierten Finanzierung der Hochschulleistungen und die Einführung von Bewertungsverfahren sowie die Erstellung von Erfolgsindikatoren (Lehr- und Forschungsevaluation) zur Messung von Qualität (ebd.: 8). Die Idee zur Konzipierung eines gemeinsamen europäischen Bildungsraums war seit Mitte der 1990er Jahre zu beobachten. Nach Neusel war die Intention die Steuerung der Hochschulen von den direkten nationalstaatlichen in supranationale indirekte Selbststeuerung überzugehen (ebd.: 7). Die indirekten Selbststeuerungsangelegenheiten laufen parallel zu den Debatten der Europäischen Kommission, dem Parlament und dem Rat zur Schaffung eines „Europa des Wissens“. Eine nuancierte Verlagerung in dieser Hochschulpolitik hin zu einer „Europäischen Wissensgesellschaft“ ist in den letzten Jahren zu beobachten. 38 Schrittweise wurden die europäischen Austausch- und Mobilitätsprogramme nicht nur für die Mitgliedsländer und die Mitglieder der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) bzw. den EWR geöffnet, sondern auch für die assoziierten Länder. Mit speziellen Förderprogrammen wurden die osteuropäischen Länder in ihrem Transformationsprozess in der Hochschulbildung unterstützt. Eine weitere Ausweitung der Förderprogramme wurde für den Mittelmeerraum eingeführt. Dieser Strategiewandel intendiert die Zusammenarbeit der EU mit den „Drittländern“ (Kommission der Europäischen Gemeinschaften 2001: 2). Der Artikel 149 EG-Vertrag regelt explizit den Umgang der EU-Mitgliedsstaaten mit den so genannten „Drittländern“, die nicht Mitglied der EU, EFTA oder EWR sind. Dazu heißt es: „Die Gemeinschaft und die Mitgliedsstaaten fördern die Zusammenarbeit mit dritten Ländern, um zur Entwicklung einer qualitativ hoch stehenden Bildung in Europa beizutragen“ (ebd.). Zur Intensivierung der Zusammenarbeit mit Drittländern hat die Kommission an das Europäische Parlament und den Rat Empfehlungen ausgesprochen. Hierbei wurden zwei Ziele im Bereich der Hochschulbildung genannt: a) Entwicklung qualitativ hoch stehender Humanressourcen in den Partnerländern und innerhalb der EG durch gegenseitige Förderung der Humanressourcen und b) Förderung der EG als weltweit wegweisendes Zentrum für Hochschul- und Berufsbildung wie auch für die wissenschaftliche und technologische Forschung (ebd.). Ein umfassendes Konzept legte die Europäische Union ein Jahr später, im Juli 2002, dem Europäischen Parlament und dem Rat als Beschlussvorschlag vor (Kommission der Europäischen Gemeinschaften 2002). In diesem wird der Bezug zu den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Lissabon (März 2000) hergestellt, worin hervorgehoben wird, „dass die Europäische Union mit einem Quantensprung konfrontiert ist, der aus der Globalisierung und den Herausforderungen einer neuen wissensbasierten Wirtschaft resultiert, und dass sie darauf reagieren muss“ (ebd.). In der Begründung der Beschlussvorlage wird von einer Beschränkung des Austausches im Bereich der Hochschulbildung nur auf die EU, ihre geographischen Grenzen oder auf das erweiterte Europa aufgrund der Anforderungen des „Zeitalters der Globalisierung und Interdependenzen“ abgeraten (ebd.). Es wird betont, dass die „Erhöhung der Attraktivität der europäischen Hochschulbildung für Studierende aus Europa und anderen Teilen der Welt“ das Anliegen der Kommission ist (ebd.). 39 Damit versucht die Europäische Union die politische Integrität der 1994 beschlossenen Öffnung der europäischen Hochschulen auf dem weltweiten Hochschulmarkt zu erreichen. Die Regulierung des viel versprechenden Marktes soll, wie bereits genannt, über GATS laufen. So haben auch die Europäische Gemeinschaft und ihre Mitgliedsstaaten bereits mit Abschluss des GATS-Abkommens (1994) im Bereich der tertiären Bildungsdienstleistungen die Verpflichtungen zur Gleichstellung ausländischer Bildungsdienstleister übernommen.15 Die EU hat bei den Verpflichtungen diese auf „privat finanzierte Ausbildungsleistungen“ eingeschränkt. In dem Verpflichtungsrahmen sieht es so aus, dass die EU-Mitgliedsstaaten durchgängig Marktzugang und Inländerbehandlung für die Erbringungsart 2, den Konsum im Ausland, gewähren. Vergleichsweise geringe Liberalisierungsverpflichtungen sind insgesamt für Modus 4 (Präsenz natürlicher Personen) übernommen worden. In der neuen Verhandlungsrunde – Ende Juni 2002 – forderte die EU von den USA die Marktöffnung im Bereich der „privat finanzierten höheren Bildungsdienstleistungen“ und signalisierte Verhandlungsbereitschaft im Bildungssektor gegenüber WTO-Partnern (siehe für Forderungen gegenüber der EU Enders et al. 2003: 17f.).16 Noch relativ unbekannt sind die Auswirkungen der weiteren Liberalisierungsforderungen von Seiten der EU. Nach Enders et al. gibt es eine „große Anzahl von Unsicherheiten“ für das Hochschulsystem (ebd.: 33). Die Einführung und die konsequente Weiterverfolgung der Förderprogramme durch die Europäische Union leisten einen erheblichen Beitrag zur Realisierung des Ziels der Schaffung einer „Europäischen Wissensgesellschaft“. Seitdem hat die Europäische Union beim Vorantreiben nationalstaatlicher Hochschulreformen vielmehr geleistet als die „Reformen und Reformversuche“ der europäischen Länder und sie bildet eine „stark konvergierende Kraft“ (Kehm/Pasternack 2001: 221). Der Vorschlag Clark Kerrs, des ehemaligen Präsidenten der University of California, „in der Hochschulpolitik der Europäischen Kommission die Tendenz der mühselig zu erreichenden inter- gouvernmentalen Abkommen so gering wie möglich zu halten und statt dessen auf die 15 Außerdem hat die Europäische Gemeinschaft in den primären, sekundären Bildungsdienstleistungen sowie in der Erwachsenenbildung Verpflichtungen übernommen, mit Ausnahme der Kategorie „andere Bildungsdienstleistungen“ (Yalçın/Scherrer 2003). 16 Enders et al. gehen davon aus, dass die EU bereits im Jahre 1994 im Gesamtpaket von GATS in einem anderen Sektor „Zugeständnisse der Verhandlungspartner“ erhalten hat: „Mit der Erfüllung einer Forderung kann nur dann gerechnet werden, wenn man bereit ist, Forderungen der Verhandlungspartner in gleicher Höhe zu erfüllen. Doch gerade das Bildungswesen kann nicht erwarten, dass andere Sektoren Liberalisierungsschritte zu seinen Gunsten unternehmen. Die Forderungen der Verhandlungspartner im Bildungssektor müssen daher mit größter Wahrscheinlichkeit innerhalb des Bildungssektors erfüllt werden“ (Enders et al. 2003: 17f.). 40 Unterstützung inter-institutioneller Kooperation und Wettbewerb zu setzen“, beginnt Früchte zu tragen (zitiert nach ebd.: 222). Bekannt ist, dass in der Konzipierungsphase einer europäischen Hochschulpolitik Lobbygruppen mitgewirkt haben. Bei einer näheren Betrachtung dieser Lobbyverbände und ihrer Wirkung in die Politik der Europäischen Kommission hinein wird die Reichweite und die Richtung ihres Wirkens deutlicher. Bienefeld nennt auf der europäischen Ebene zwei weitere Akteure der Hochschulpolitik, neben der Europäischen Kommission und dem Europarat den „European Round Table of Industrialists“ (ERT) und die CRE (Europäische Rektorenkonferenz) (Bienefeld 2000: 48). Bereits 1989 forderte die „einflussreich[st]e europäische Lobby-Gruppe“ ERT die Harmonisierung der Curricula in der EG bzw. EU. Der ERT fordert in seinem Bericht „Education and Competence in Europe“ u.a. die Verkürzung der Studienzeit, Schaffung von Evaluationssystemen, Erhöhung der Hochschulautonomie und Verstärkung der Verbindungen zwischen Hochschule und Industrie bzw. Arbeitswelt (Dalichow 1999: 35).17 Das Europäische Parlament hat ein umfangreiches Positionspapier beschlossen. Auf der einen Seite war das Positionspapier die Reaktion auf die Kritiken der Lobby-Gruppen, auf der anderen Seite auch auf die Konsequenzen, die aus den Erfahrungen der europäischen Hochschulentwicklung zu ziehen sind. In dem Papier einigte man sich zur Unterstützung und Förderung der diversen Programme und Initiativen zu mehr Konvergenz und Kohärenz der Universitäten in Europa. Gewünscht wird, dass der Prozess der „Mobilität und Anerkennung von Studienabschlüssen“ beschleunigt und erleichtert sowie die Flexibilisierung der Beschäftigungsverhältnisse gefördert wird (Amtsblatt der Europäischen Union 2001:18). 319.322/18). Neben der Förderung der Europäischen Master-Grade wird explizit auf die Stellung der Privatuniversitäten eingegangen. Private Universitäten oder Hochschuleinrichtungen werden als Teil des europäischen Bildungssystems angesehen (ebd.). Seit einiger Zeit beobachtet und beschäftigt sich die Hochschulforschung mit den neuen Begrifflichkeiten und damit zusammenhängenden Entwicklungen, die die europäischen Hochschulen vor neue Herausforderungen stellen. Im folgenden Kapitel wird eine 17 ERT und CRE haben ein gemeinsames Forum gegründet: European University-Industry Forum. Ihr Schwerpunktthema ist das „Lebenslange Lernen“ (Bienefeld 2000: 49). 41 Auswahl aus der Fachliteratur wiedergegeben, ohne den Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben. Sie betrifft die Veröffentlichungen von Anfang 2000 bis 2003. 2.1.3 Europäisierung der Hochschulen in der Forschungsliteratur Vorab ist von Bedeutung, dass in der einschlägigen Fachliteratur der Begriff „Region Europa“ vermehrt einzieht, ohne dass eine genaue geographische oder politische Zuordnung vorgenommen wird. Teichler formuliert drei Denkanstösse zum Thema „Europa“ (Teichler 2002: 8). Dieses ermöglicht eine differenziertere Betrachtung:  Europäisierung könnte als „Internationalisierung light“ verstanden werden. Die „kontrastierenden Erfahrungen“, die im Ausland gemacht werden können, und die Anerkennung von Studienleistungen können „leichter zwischen Nachbarn mit einer gewissen Grundähnlichkeit“ verwirklicht werden.  Ein gemeinsames Europa könnte mit dem weiteren Ausbau grenzüberschreitender Aktivitäten zu einem gemeinsamen Ganzen führen und so möglicherweise einen „Beitrag zur Entwicklung von ‚European Citizenship‘“ leisten.  Eine „Festung Europa“ hätte die Möglichkeit gegenüber den USA und Japan als Wirtschaftsmacht in Konkurrenz zu treten. Förderlich wäre in diesem Zusammenhang, die schon lange ausgesprochene Idee einer europäischen Forschungspolitik in die Tat umzusetzen (ebd.) Die „Europäisierung der Hochschulbildung“18 wird als eine hochschulpolitische Entwicklung beschrieben, die in der Konzipierungsphase den Fokus auf die Mitgliedsländer der Europäischen Union hatte. In der Wechselwirkung mit der weltweiten Internationalisierung und Globalisierung der Hochschulausbildung setzen sich die kulturellen und ideologischen Elemente der Europäisierung durch und integrieren auch außerhalb der EU-Länder. Die Europäisierung ist nach Teichler von ihrer Grundbedeutung her die „regionale Version“ von Internationalisierung oder Globalisierung“, wobei in der öffentlichen Diskussion häufiger das Erstere gebraucht würde (Teichler 2003: 20). Bei den Phänomenen der Europäisierung ginge es hier auch – wie bei Internationalisierung und Globalisierung – „um die Mobilität und Kooperation“ und darüber hinaus „auch um Aspekte der Hochschulintegration innerhalb der Region sowie um Fragen von Vielfalt und Konvergenz der Systeme einerseits und um Aspekte der Abgrenzung von anderen Regionen der Welt andererseits“ (ebd.). 18 Für politische und rechtliche Aspekte siehe Hahn 2004: 34. 42 Nach Van Vught et al. sollen im Prozess der Europäisierung die „Besonderheiten der Einzelsysteme erhalten [werden] und diese vergleichbar machen – sie will Einheit in der Vielfalt“ (Van Vught et al. 2002: 103). In Europa wurde der Bereich der government policies als die Erhöhung der akademischen Mobilität und die Förderung der inter-institutional co-operation verstanden und umgesetzt (ebd.). Die vermehrte Erkenntnis, dass die politischen Handlungen auch eine internationale Ebene benötigen, förderte den Trend zu einigen inter-governmental agreements (ebd.). Schink (1993) sah im bildungspolitischen Handeln der EU „policy entrepreneurship“ (zitiert nach Kehm/Pasternack 2001: 221). Ähnlich ist die Position von Castell, der im Prozess der Europäisierung eine Antwort, die hauptsächlich ökonomisch motiviert ist, sieht: „European integration is, at the same time, a reaction to the process of globalisa- tion and its most advanced expression. It is also the proof that the global econ- omy is not an undifferentiated system made up of firms and capital flows, but a regionalised structure in which old national institutions and new supranational entities still play a major role in organising economic competition, and in reap- ing, or spoiling, the benefits of it (Castells, 1998: 318; zitiert nach Van Vught et al. 2002: 109). Von verschiedenen Hochschulforschern wird im Prozess der Europäisierung von Entnationalisierung (Teichler 1998a), Entgrenzung und Demonopolisierung (Hahn 2004: 68 u. 87) gesprochen.19 Die Dezentralisierung der nationalstaatlichen Regelung führe zu besseren Voraussetzungen für die Durchsetzung von supranationalen Wettbewerbselementen (ebd.:222). Trondal stellt vier Hypothesen zur Europäisierung im Bereich der Forschungs- und Hochschulpolitik auf:  Europeanisation due to policy differences: Policy convergence reflects real and perceived differences between domestic and EU policy, accompanying domestic adaptational pressures,  Europeanisation due to institutional linkage: Policy convergence reflects institu- tional linkages across levels of governance,  Europeanisation filtered: Policy divergence reflects policy path-dependencies,  The virtual reality of europeanisation: Policy divergence reflects policy de- coupling accompanying mere symbolic policy convergence (Trondal 2002: 2). 19 Für weitere Ausführungen siehe Hahn (2004: 50-54). 43 Bereits 1998 wurde von vier europäischen Bildungsministern unabhängig von der Europäisierungspolitik der EU die Initiative zur Gestaltung eines gemeinsamen Europäischen Hochschulraums ergriffen (siehe Kapitel 3 in diesem Teil). Die EU wurde erst bei der Prager Ministerkonferenz neben anderen 31 Ländern (also stieg die Zahl der Bologna-Unterzeichner auf 32 Länder an) als ein weiteres Vollmitglied des Europäischen Hochschulraums anerkannt. Die eigenständige Initiative der Bildungsminister führte zur leichten Empfindlichkeit der EU, die aber durch die Vollmitgliedschaft im Jahre 2001 aufgehoben war. So ergab sich nach 2001, dass zwei bis dahin nebeneinander existierende Europäisierungspolitiken der Hochschulen zusammentrafen und sich nun gegenseitig befruchten. Die Konzipierung einer europäischen Hochschulpolitik seitens der EU und der Unterzeichnerländer des „Europäischen Hochschulraums“ kann im Rahmen einer Suche nach einer adäquaten Antwort auf die neuen Herausforderungen der Internationalisierung und Globalisierung gesehen werden. Der Zusammenschluss zum Europäischen Hochschulraum beruht auf der „Bologna-Erklärung“ – die in der italienischen Stadt Bologna (1999) unterzeichnet wurde – und dem ihr folgenden „Bologna-Prozess“, die im nächsten Kapitel dargestellt werden. 44 3. Der „Europäische Hochschulraum“ – Eine mögliche Antwort auf die globalen Herausforderungen? „In freier Vereinbarung schlägt der Bologna-Prozess ein Dach über die verschiedenen Hochschulsysteme des Kontinents. Die gemeinsame Willenserklärung ist politisch bindend, kann aber nicht eingeklagt werden. Einzige Druckmittel bleiben der Wettbewerb und die Transparenz.“ (Müller-Solger/Hendriks 2003: 8) Eines der Ziele zur Durchführung der europäischen Förder- und Austauschprogramme war und ist die Kompatibilität der Hochschulstrukturen innerhalb der Mitgliedsländer voranzubringen. Die Annäherung der EU-Bildungsminister war bis Mitte der 1990er Jahre von Zurückhaltung geprägt. Eine direkte Eingriffsmöglichkeit hat die EU- Kommission trotz der Ausweitung des Mandats in der Frage der Bildung nicht. Das Subsidiaritätsprinzip, Art. 3b des Maastrichter Vertrages (1993), verhindert die Intervention der EU in die nationale Bildungspolitik der Mitgliedsstaaten (Hahn 2004: 37). Somit konnte ein Harmonisierungsprozess nur von den Nationalstaaten selbst ausgehen. Dieser Prozess begann mit der Unterzeichnung der Sorbonner Erklärung. In diesem Kapitel behandle ich die Entstehung der Idee zu der Initiative der Europäischen Bildungsminister zur Bildung eines „Europäischen Hochschulraums“ und ihre Konzipierungsphase bis 2003. Darüber hinaus zeige ich den Beginn der Institutionalisierung der Initiative auf und gehe der Frage nach, inwieweit der Prozess der „Architektur des Europäischen Hochschulraums“ in die dezentralen supranationalen Verhandlungssysteme einzuordnen ist. Abschließend wird die Bedeutung und Rolle des „Europäischen Hochschulraums“ als eine mögliche Antwort auf die globalen Herausforderungen herausgearbeitet. 3.1 Initiativen zur Gestaltung eines „Europäischen Hochschulraums“ Von Seiten der Hochschulforschung kam Teichler Anfang der 1990er Jahre in seiner Untersuchung über die europäischen Hochschulsysteme zu der Schlussfolgerung, dass „das Fehlen einer Vereinheitlichungstendenz in Europa im Hinblick auf die Struktur von Studiengängen und Hochschultypen nicht als Bedrohung für europäische Mobilität anzusehen, sondern im Gegenteil als besondere Chance zu vielfältiger Erfahrung“ zu sehen sei (Teichler 1990: 114). Bereits Ende der 1990er Jahre erweist sich die Vielfalt als nicht förderlich bei der Kombination von Mobilität und Studiendauer sowie bei Fragen der Wettbewerbsfähigkeit und Reputation der europäischen Hochschulen bzw. Studiengänge. Der strategische Kooperationsgedanke fand vermehrt Aufmerksamkeit. Beschleunigt wurde dieser Prozess durch die zunehmenden Erscheinungsformen der 45 Internationalisierung und Globalisierung sowie durch den Liberalisierungsdruck von GATS, das zum einheitlichen Handeln auffordert. 3.1.1 Erster Schritt: Die Sorbonner Deklaration Die Unterzeichnung der Sorbonne-Erklärung am 25. Mai 1998 durch die Bildungsminister der Länder Frankreich, Deutschland, Großbritannien und Italien bildete einen ersten Schritt für weitere supranationale Kooperationsinitiativen einer kohärenten Hochschulpolitik. Anlass des Treffens war die 800-Jahr-Feier der Universität Sorbonne. Die Initiative ging von dem damaligen französischen Bildungsminister aus, der den ersten Entwurf eines Erklärungstextes in die Versammlung einbrachte. Unter der Überschrift „Joint declaration on harmonisation of the architecture of the European higher education system“ wurde die Erklärung von den deutschen, französischen, italienischen und englischen Bildungsministern unterzeichnet (Hackl 2001: 17). Die wesentlichen Einigungspunkte wurden aus den Erfahrungen der großen Austausch- und Kooperationsprogramme ERASMUS/SOKRATES transformiert und in der Erklärung als zu erreichende Ziele definiert. Diese sind: die Förderung der Mobilität, die Beschäftigungsfähigkeit der europäischen Bürger, die Anerkennung der akademischen Abschlüsse und die Einführung der europäischen Dimension in die Hochschulausbildung (Tauch 2002). Besonders betont wurde die Rolle der Hochschulen bei der Entwicklung der intellektuellen, kulturellen, sozialen und technischen Bereiche für die Erreichung dieser Ziele (Sorbonne Joint Declaration 1998). Die Unterzeichnerstaaten der Sorbonner Erklärung forderten weitere europäische Länder auf, bei der Gestaltung eines „Europäischen Hochschulraums“ mitzuwirken. Die Offenheit des Textes für Interpretationen und die genannten Kriterien des Dokuments weckten bei den Bildungsministern zahlreicher anderer europäischer Länder großes Interesse. Die Bologna-Erklärung ist in Form von allgemeinen Grundsätzen formuliert und hat keine vertragliche Bindung. Hackl fasst die Kriterien des Dokuments unter drei Punkten zusammen; diese betreffen  die Harmonisierung der Hochschulsysteme;  die zügige Umsetzung der Hochschulreformen in den Unterzeichnerstaaten (Deutschland und Frankreich)20 sowie  die Feststellung, dass die Sorbonne-Deklaration keine Einzelaktion war, sondern dass weitere Handlungen unmittelbar folgten, indem andere europäische Länder zur Teilnahme aufgefordert wurden (Hackl 2001: 20-21). 20 Großbritannien und Italien waren nicht so schnell bei der Umsetzung der Kriterien. 46 Zu dem zuletzt genannten Punkt fand eine Serie von Veranstaltungen statt. Bereits im Oktober 1998 wurde auf einem informellen Treffen der EU-Bildungsminister die Deklaration diskutiert. Zu diesem Treffen, auf dem gleichzeitig ein größeres Arbeitstreffen vorbereitet werden sollte, hatte Österreich eingeladen. Ebenso hatte Österreich die Vertreter der Hochschulen (Hackl nennt diese die Akademia) zu diesem Treffen gebeten. Diese Entscheidung, die Vertreter der Hochschulen einzuladen, erwies sich nach Hackl als sehr förderlich für den weiteren Ausbau eines „Europäischen Hochschulraums“ (ebd.: 22). Die Nichtunterzeichnerstaaten der EU und die Unterzeichnerstaaten (Deutschland, Frankreich, England und Italien) einigten sich auf die Erstellung einer Studie zur Bestandsaufnahme über die existierenden Hochschulstrukturen in den europäischen Ländern. Dazu wurde die Bildung einer Arbeitsgruppe vereinbart. Der Bildungsminister von Italien wiederholte die Einladung im Frühjahr 1999, in Bologna eine weitere Konferenz durchzuführen. Im Rahmen eines weiteren Treffens der Leiter von Hochschulabteilungen („Directors General of Higher Education“)21 und der „Chairmen of Rectors‘ Conferences“ der EU- Länder wurde die Arbeitsgruppe „Sorbonne Follow-up Working Group“ gegründet (ebd.). Sie setzte sich zusammen aus den Bildungsministern Österreichs, Deutschlands, Finnlands, Frankreichs und Italiens, Vertretern der Europäischen Kommission und der Confederation of European Union Rectors‘ Conferences; außerdem nahmen auch Vertreter der Association of European Universities (CRE) an diesem Treffen teil (ebd.). Zwischen Dezember 1998 und Mai 1999 fanden vier Treffen der Arbeitsgruppe statt. Nach Hackl hat sich bei dem ersten Treffen die Kommunikationsform innerhalb der Europäischen Kommission, der nationalen Bildungsminister und der akademischen Gemeinschaft etabliert (ebd.: 23). In dieser Einspielphase wurde in mehreren Schritten ein Entwurf für eine weitere Deklaration vorbereitet, die am zweiten Tag der Bologna- Konferenz von den Bildungsministern diskutiert und verabschiedet werden sollte. So wurde der zweite wichtige Schritt zur Architektur eines Europäischen Hochschulraums mit der Verabschiedung der „Bologna-Erklärung“ fortgesetzt. 21 „Directors General of Higher Education“ setzt sich aus den Zuständigen für die Hochschulbildung der EU-Länder zusammen und besteht seit der deutschen EU-Präsidentschaft 1994. Zweimal im Jahr wird getagt, einmal im Rahmen der Präsidentschaft und einmal zusammen mit der Confederation of European Union Rectors‘ Conferences und der Association of European Universities (CRE) (Hackl 2001: 22). 47 3.1.2 Die „Bologna-Erklärung“ Am 19. Juni 1999 unterzeichneten 29 europäische Bildungsminister die gemeinsame Erklärung zum „Europäischen Hochschulraum“ – die Bologna-Erklärung. Diese Erklärung wird derzeit als zentral für die weiteren Harmonisierungsbestrebungen erachtet. Aufbauend auf den Bestimmungen der „Sorbonne-Erklärung“ wurden die wesentlichen Ziele zur „Errichtung eines Europäischen Hochschulraums und die Förderung der europäischen Hochschulen weltweit als vorrangig“ angesehen (Länderbericht Bundesrepublik Deutschland 25.04.2002). Zur Implementierung der Ziele wurden folgende Einigungspunkte in die Kooperationsvereinbarung aufgenommen. Dazu heißt es in der Erklärung: 1. Einführung von leicht lesbaren und vergleichbaren Graden; 2. Einführung von gestuften Studiengängen; 3. Einführung von Leistungspunktsystemen (Credit Point Systems); 4. Förderung der Mobilität der Studierenden und Wissenschaftlern; 5. Europäische Zusammenarbeit in der Qualitätssicherung; 6. Stärkung der Europäischen Dimension in der Hochschulbildung (Bologna-Erklärung 1999). Die Unterzeichnerstaaten verpflichten sich bis 2010 die Einigungspunkte in ihren Hochschulsystemen umzusetzen. Zu den Erstunterzeichnerstaaten gehören alle EU- Mitgliedsländer: Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Portugal, Schweden, Spanien und das Vereinigte Königreich. Die Mitglieder der EFTA/EWA-Länder (Island, Liechtenstein und Norwegen) unterzeichneten die „Bologna-Erklärung“ ebenfalls. Außerdem haben sich die assoziierten Länder der EU, wie Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Schweiz, Slowakische Republik, Slowenien, Tschechische Republik und Ungarn zur Durchführung der Einigungspunkte verpflichtet. Ein weiteres Treffen der Bildungsminister wurde für das Jahr 2001 in Prag vereinbart. Zur „Bologna-Folgekonferenz“ in Prag sollten die Unterzeichnerstaaten Berichte über die Maßnahmen der jeweiligen Länder zur Implementierung des Bologna-Prozesses erstellen. Die Aktualisierung der Länderberichte sind für die weiteren Ministerkonferenzen vorgesehen. Die Bologna-Erklärung brachte 29 Länder an einen Tisch und bildete somit den wesentlichen Meilenstein bei der Architektur des Europäischen Hochschulraums. Die Beteiligten gingen mit Implementierungspunkten in den Koffern nach Hause und waren 48 durch die Vorlage ihrer Länderberichte bei dem nächsten Bildungsministertreffen zur Rechenschaft verpflichtet. In verschiedenen Arbeits- und Vorbereitungsgruppen sollte die Prager Konferenz vorbereitet werden. Vor Prag meldeten sich die europäischen Hochschulvertreter zu Wort, sie debattierten und formulierten ihre Positionen beim Treffen in Salamanca in Form einer Botschaft für Prag. 3.1.3 Die Botschaft von Salamanca oder die Stimme der Umsetzer Bis Salamanca debattierten und verhandelten die Vertreter der politischen Ebene um Konsens der Erklärungen. Auf dem Salamanca-Treffen Ende März 2001 haben über 300 Vertreter aus den Hochschulen der Unterzeichnerstaaten der Bologna-Deklaration und die Vertreter der wichtigsten Bildungsorganisationen unter der Überschrift die „Botschaft von Salamanca – Gestaltung des Europäischen Hochschulraums“ ihre Stellungnahme zu den Zielen, Grundsätzen und Prioritäten zum Ausdruck gebracht. Folgende Grundsätze wurden aus der Perspektive der Implementierenden an den Hochschulen zusammengefasst (Salamanca Convention 2001):  Autonomie und Rechenschaftspflicht der Hochschulen: Unter diesem Punkt werden die Hochschulen als autonome und verantwortliche Rechts-, Bildungs- und Sozialeinheiten definiert, die sich zu den Grundsätzen der Magna Charta Universitatum von 1988 bekennen und insbesondere dem Prinzip der akademischen Freiheit verpflichtet sind.  Wettbewerb der Hochschulen: Die Bereitschaft der europäischen Hochschulen, in einer wettbewerbsorientierten Umgebung ihre Tätigkeiten auszuführen, wird bekräftigt. Die Teilnehmer sind der Meinung, dass es im Wettbewerb qualitätsfördernde Mechanismen gebe und sind gegen die Reduzierung des Wettbewerbs auf Kommerzialität; d. h., dass Wettbewerb an den Hochschulen nicht gleich Kommerzialisierung bedeute. Die Hochschulvertreter sehen aber diese positiven Impulse auf der Grundlage der fairen Finanzierung und günstigen administrativen technischen Bedingungen realisierbar.  Bildung als öffentliche Verantwortung: Die europäische Tradition der Hochschulbildung begreift Bildung als öffentliche Verantwortung, bietet den offenen Zugang zu ersten sowie weiteren Stufen des Studiums an, fördert die Bildung zur persönlichen Entfaltung und lebenslanges Lernen. Die Betonung legten die Hochschulvertreter auf die soziale Relevanz der Hochschulausbildung auf kurze und lange Sicht. 49  Europäischer Hochschulraum bedingt die Konzipierung eines europäischen Forschungsraums: Die Konzipierung eines Europäischen Hochschulraums kann auf der Grundlage eines europäischen Forschungsraums zum Erfolg führen, da die Forschung die treibende Kraft der Hochschultätigkeit ist.  Organisation der Vielfalt: Die Vielfalt der europäischen Sprachen, der Hochschulsysteme und -inhalte werden als Herausforderung angesehen. Die Einigung auf einen gemeinsamen Nenner, bei einem Mindestmaß an Kohäsion und Entfaltung der Kompatibilität zu bringen, sollte das Ziel sein. Die Qualitätssicherung an den europäischen Hochschulen wurde zum zentralen Thema. So wird Qualität als grundlegender Baustein, als Bedingung für Vertrauen, Relevanz, Mobilität, Kompatibilität und Attraktivität des europäischen Hochschulraums gesehen (Salamanca Convention 2001: 14). Die Vertreter der europäischen Hochschulen äußerten ihre Bereitschaft bei der Realisierung der Bologna-Ziele ihren Einsatz zu leisten (Salamanca Convention 2001: 15). Außerdem wurde in Salamanca die Europäische Hochschulvereinigung (European University Association – EUA) gegründet, somit wurde das Salamanca-Treffen zur ersten Konferenz der europäischen Hochschulen.22 Sie wird als Interessensvertretung der europäischen Hochschulen gesehen, die bei den Regierungen und in der Gesellschaft ihre Positionen einbringen soll.23 Durch das Salamanca-Treffen wurde die „Bologna-Erklärung“ in den europäischen Ländern an die Hochschulen herangetragen, was zu umfangreichen Diskussionen führte und Reformbestrebungen auslöste. Nach Tauch findet in Salamanca die Einbeziehung aller Beteiligten, wie Hochschulen, Politik, Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften und Studierenden statt (Tauch 2002). Durch Salamanca hatten die Hochschulvertreter, die Hauptakteure bei der Implementierung der Erklärung, die Möglichkeit, ihre Anliegen und Positionen in der Prager Konferenz einzubringen. 22 Das zweite Treffen fand Ende Mai 2003 in Graz statt (siehe Kapitel 3.1.5 in diesem Teil). 23 Zur Rolle und Funktion von EUA siehe Unterpunkt 3.2.2. 50 3.1.4 Das Prager Kommuniqué Am 18./19. Mai 2001 fand in Prag die Bologna-Folgekonferenz statt. Damit wurde der sogenannte Bologna-Prozess eingeleitet. In Prag kamen 33 europäische Bildungsminister zusammen; hier wurde auch der erste Erfahrungsaustausch organisiert. Allgemein wurde von einer großen Bereitschaft der Unterzeichnerländer bei der Umsetzung der Ziele der „Bologna-Erklärung“ berichtet. So war das „Prager Kommuniqué“ eine Bekräftigung der Ziele der „Bologna-Erklärung“ und die erneute Betonung der Bedeutung von Mobilität, Qualitätssicherung und Akkreditierung, der Einführung der europäischen Dimension in der Bildung, des lebenslangen Lernens und der Beteiligung der Hochschulen und Studierenden bei der Schaffung des europäischen Hochschulraums (Gemeinsamer Bericht von KMK, HRK und BMBF 2002). Die Teilnehmer des Kommuniqués haben folgende Punkte als besonders wichtig hervorgehoben: die Einbindung der Studierenden, die Steigerung der Attraktivität und die Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Hochschulraumes (einschließlich transnational education) (Prager Kommuniquè 2001). In Prag fand der Öffnungsprozess für weitere Staaten wie Kroatien, Türkei und Zypern statt. Außerdem steht der Bologna-Prozess all jenen Ländern offen, die an den EU- Programmen SOKRATES, LEONARDO DA VINCI und TEMPUS/CARDS teilnahmeberechtigt sind.24 Somit stieg die Anzahl auf 32 Vollmitgliedsländer. Die Europäische Union wurde als ein weiteres Vollmitglied anerkannt. Die Organisationsstruktur des Bologna-Prozesses wurde erweitert: die European University Association (EUA) und die National Unions of Students in Europe (ESIB) erhielten den Beobachter-Status. Die nächste Ministerkonferenz wurde für September 2003 in Berlin vorgesehen. Das Berliner Treffen wurde von der Bologna-Follow-up Group und der Bologna- Preparatory-Group unter dem Vorsitz Deutschlands als Gastgeberland vorbereitet. Mit der Konferenzorganisation wurden die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) und der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) beauftragt. Folgende Themen wurden für das Ministertreffen in Berlin vorgeschlagen: 24 Siehe für die Teilnehmerländer Internet: URL: http://europa.eu.int/comm/education/programmes/socrates/socrates_en.html [Stand 23.05.2005]. 51  Kriterien einzugehender Verpflichtungen und aktualisierter Zielbeschreibungen für die künftige Aufnahme neuer Mitglieder;  Prinzipien einer europäischen Doktorandenausbildung und die Zusammenarbeit in diesem Bereich;  Mobilität der ForscherInnen und Verknüpfung der vorrangig bildungspolitischen Zielsetzungen des Bologna-Prozesses im Bereich Forschung;  eine stärkere Verknüpfung der „European Higher Education Area“ (EHEA) mit dem „Europäischen Forschungsraum“ (ERA) auf EU-Ebene durch eine von der EU-Kommission eingesetzte Arbeitsgruppe;  Zusammenarbeit und Verfahren der Qualitätssicherung in Europa (Versuch „good principles of accredition and evaluation“ auf europäischer Ebene zu formulieren und zu vereinbaren). Daneben sollten die Arbeiten im Bereich ECTS, europäische Bachelor- und Master- Strukturen sowie konkrete, augenfällige Fortschritte für die StudentInnen fortgeführt werden. In verschiedenen Unterzeichnerländern fanden Treffen zu Schwerpunktthemen statt. Neben der Bestandsaufnahme wurde die weitere Vorgehensweise im Implementationsprozess diskutiert. Diese Schwerpunktthemen waren Teilziele der „Bologna-Erklärung“, die in der nächsten Phase umgesetzt werden sollten. Folgende Punkte waren für den nächsten Zeitraum vorgesehen, somit auch Gegenstand der Treffen:  Akkreditierung und Qualitätssicherung;  Fragen der Anerkennung und Kreditsysteme (ECTS);  Entwicklung gemeinsamer Abschlüsse;  soziale Dimension, insbesondere bei den Mobilitätshindernissen;  Lebenslanges Lernen;  Einbindung von Studierenden;  Erweiterung des Bologna-Prozesses. Mit der Zeit bildeten sich innerhalb der Unterzeichnerstaaten der Bologna-Erklärung interregionale Kooperationen; so schlossen sich beispielsweise die baltischen und die nordischen Vereinigungen der Hochschulvertreter zusammen. Die Nordic University Leaders trafen sich mit Studierenden im August 2002 und verabschiedeten ein Statement mit der Überschrift „A Nordic Space For Higher Education“. Betont wurde die Bedeutung des Bologna-Prozesses bei der Gestaltung des Pan-Europäischen Prozesses. In diesem Zusammenhang wurde die Bereitschaft der 52 nordischen Länder bei der Unterstützung des Bologna-Prozesses bekräftigt. Außerdem wurde das Augenmerk auf die Kombination des Bologna-Prozesses mit der institutionellen Bereitschaft zur internationalen Kooperation mit den nicht europäischen Ländern gelegt. Ihre Position fassten die nordischen Univervitätsvertreter wie folgt zusammen: „The Bologna process must be one of recognition, not one of harmonisa- tion; a process of convergence, not one of uniformity“ (Nordic Space for Higher Educa- tion 2002: 1). 3.1.5 Die Grazer Deklaration der europäischen Hochschulangehörigen Ein zweites Treffen der EUA wurde im Mai 2003 in Graz abgehalten. Hierbei verabschiedeten Vertreter der europäischen Hochschulen die Grazer Deklaration mit der Überschrift „Die Phase nach Berlin: die Rolle der Universitäten Das Ziel 2010 und die Zeit danach“. Hier wurden die Entwicklungen der letzten Jahre aus der Perspektive der Hochschulvertreter, Hochschulleiter, Studierenden, Regierungsvertreter und Interessenten diskutiert und Positionen für das Bildungsministertreffen in Berlin formuliert (Wilson 2003: 12). Im Vergleich zu Salamanca nahmen an dieser Konferenz bereits 600 Vertreter teil. In der Deklaration wird die „zentrale Rolle“ für die Entwicklung der europäischen Gesellschaft hervorgehoben. Die Universitäten werden als Institutionen angesehen, die die europäische Kultur und die europäischen Werte pflegen (Graz Erklärung 2003). Ferner werden die einzelnen Forschungsleistungen der europäischen Universitäten, die auf Forschung basierende Bildung in den Universitäten und die Forschung im Verbund als notwendig für die Europäisierung erachtet. Die Studierenden stellen nach der Grazer Deklaration einen „wichtigen Partner der Universitäten“ dar. Dabei wurden die Vorteile des Bologna-Prozesses für die Studierenden benannt, so z. B. „die Einführung von flexibleren und individuellen Studienverläufen für alle Studierenden erleichtern, die Beschäftigungsfähigkeit von Absolventen verbessern“. Somit würden die Hochschulen für die Studierenden aus „Europa und anderen Kontinenten attraktiver“ werden. Die EUA hebt Folgendes hervor: „Europäische Universitäten sind weltweit aktiv und tragen zu Innovation und nachhaltiger wirtschaftlicher Entwicklung bei. Wettbewerbsfähigkeit und Exzellenz müssen in einem ausgewogenen Verhältnis zu sozialer Kohäsion und gerechtem Hochschulzugang stehen“ (Graz Erklärung 2003). Die Position der Teilnehmer des Graz-Treffens der EUA wurde unter folgenden Punkten zusammengefasst (Graz Erklärung 2003): 53  Universitäten als öffentliches Gut: Bei diesem Punkt wird die Einheit von Regierungen, Universitäten und Studierenden für die Realisierung „der langfristigen Vision eines Europas des Wissens“ bekräftigt. Die Universitäten sollen ermutigt werden ihre eigenen Profile zu entwickeln, aber auch unterschiedliche Finanzierungsquellen zu aktivieren. Betont wird: „Allerdings bleibt Hochschulausbildung in erster Linie eine staatliche Zuständigkeit, damit zentrale akademische und zivile Werte bewahrt werden, umfassende Exzellenz gefördert wird und die Universitäten in den Stand gesetzt werden, ihre Rolle als zentrale Partner in der sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung wahrzunehmen“ (Graz Erklärung 2003).  Forschung als integraler Bestandteil von Hochschulbildung: Die Verantwortung der Regierungen bei der Verzahnung zwischen dem Europäischen Hochschulraum und dem Europäischen Forschungsraum wird hervorgehoben. Dazu wurde empfohlen die „Doktoratsstudien als ‚dritte Stufe‘ im Bologna- Prozess“ anzusehen. Forschung und forschungsbasierte Ausbildung soll als ein fester Bestandteil der europäischen Universitäten gesehen werden. Verbesserung der akademischen Qualität durch Stärkung der Hochschulen: Der Vorschlag der EUA zum Thema ist die „koherente Strategie zur Qualitätssicherung in Europa“. Dazu heißt es weiter „die Universitäten [sind] für die Entwicklung einer internen Qualitätskultur selbst verantwortlich (…) und dass als nächstes die Qualitätssicherung auf der europäischen Ebene, unter Einbeziehung aller Beteiligten, weiterentwickelt werden muss“ (ebd.). Bei diesem Punkt werden einerseits, die „Führungsstärke, Qualität und strategisches Management“ der Universitäten als Bedingung „erfolgreicher Reformen“ gesehen. Dazu wird die Erhöhung der Universitätsautonomie durch die Regierungen als notwendig erachtet. In Form von Verträgen, die zwischen den Regierungen und den Universitäten ausgehandelt werden können, würde der Zeitraum der Erneuerungen bestimmt und unterstützt. Andererseits hätten aber auch die Universitäten die Verantwortung, eine „starke Leitung hervorzubringen und Führungsstrukturen zu schaffen, die es der ganzen Institution ermöglichten, strenge und effiziente Verfahren zur internen Qualitätssicherung, Verantwortlichkeit und Transparenz zu schaffen“. Außerdem wurde die Mitarbeit der Studierenden in den entsprechenden Kommissionen befürwortet. „Externe Partner sollten in Leitungskommissionen oder Beiräten vertreten sein“ (ebd.). „Die Einführung einer europäischen Dimension in der Qualitätssicherung dient vor allem dazu, unter Berücksichtigung der vielfältigen nationalen Kontexte und Fachdisziplinen das wechselseitige Vertrauen zu stärken und die Transparenz zu 54 erhöhen.“ Um zur Realisierung einer „wahrhaft europäischen Dimension in der Qualitätssicherung beizutragen“, schlägt die EUA vor, dass „Beteiligten und insbesondere die Universitäten gemeinsam“ ein `Komitee für Qualität in der Hochschulbildung in Europa` einrichten“ (ebd.).  Den Bologna-Prozess voranbringen: Unter diesem Punkt wurde Folgendes positioniert: Überregulierungen vermeiden, gemeinsame Deskriptoren für Studienstufen und -programme entwickeln. Bei der Einführung einer dreistufigen Studienstruktur sehen die Universitäten folgenden Handlungsbedarf: Die Einführung des ECTS sollte so erfolgen, dass Lerner-zentrierte und flexible Studienverläufe möglich sind und auch Lebenslanges Lernen einschließen. Die Forderung von EUA-Mitgliedern in Graz war: „Gemeinsame Definitionen für Qualifikationsrahmen und Lernergebnisse sollten auf europäischer Ebene erörtert und entwickelt werden; dabei sollten die Vorzüge der Vielfalt und die institutionelle Autonomie in der Lehrplangestaltung gewahrt werden“ (ebd.).  Mobilität und soziale Dimension: In der Graz-Deklaration wurden eine Reihe von Mobilitätshindernissen formuliert, und von den Regierungen verlangt, dass die gegenwärtigen Mobilitätshürden abgebaut werden. Dazu wird Folgendes aufgelistet:  Die „gesetzlichen Regelungen für die Förderung von Studierenden ergänzen, d. h. die Mitnahme von Stipendien und Darlehen ins Ausland zu ermöglichen, und die Bestimmungen zu Kranken- und Sozialversicherungen sowie Arbeitserlaubnisse verbessern“ (ebd.).  Mobilitätsanreize durch die Regierungen und Hochschulen schaffen, „indem sie die Unterstützung für Studierende (einschließlich sozialer Dienstleistungen, Unterbringung und Gelegenheiten zu Teilzeitarbeit), die akademische und berufliche Beratung, den Fremdsprachenunterricht und die Anerkennung von Abschlüssen verbessern“ (ebd.). Seitens der Hochschule wird der Wunsch zur Sicherstellung der Anwendungen von ECTS und Diploma Supplements geäußert. Außerdem wurden Forderungen zur Verbesserung in den folgenden Bereichen formuliert:  Brain drain vermeiden durch Verbesserung der Karriereverläufe von jungen Forschern und Hochschullehrern;  stärkere Beteiligungen von Frauen in Forschung und Lehre; 55  die Forschung zur Entwicklung des Europäischen Hochschulraums sollte verstärkt werden. Das Informationsdefizit über den Europäischen Hochschulraum sollte abgebaut werden;  Förderung der gemeinsamen Studienprogramme und -abschlüsse auf der Grundlage integrierter Curricula (ebd.).  Universitäten im Zentrum der Reformen (ebd.): Nach EUA wurde der Bologna-Prozess von der politischen Seite initiiert und aufgrund der aktiven „Beteiligung aller interessierten Partner“ habe der Prozess „stark an Dynamik“ gewonnen. Zugleich verweist EUA darauf, dass die Reformen nicht nur von oben verordnet werden können. Wichtiger wäre, um die Nachhaltigkeit der Reformen sicherzustellen, dass die Reformen „umfassend in die zentralen Aufgaben und Entwicklungsaufgaben der Hochschulen integriert werden“ (ebd.).  Als eine weitere Aktionslinie des Bologna-Prozesses wurde die Einbeziehung der Promotionsphase vorgeschlagen, mit dem Hinweis auf die „hohe Qualität der Ausbildung auf doktoralem und postdoktoralem Niveau an europäischen Universitäten“ (Wilson 2003: 13). Die Bedeutung der Grazer Erklärung liegt aus der Sicht der Aktivisten im Implementationsprozess in der Spezifizierung der inhaltlichen Themen des Bologna- Reformprozesses. Dazu wurde die Rolle der Hochschulen im Bologna-Prozess mit der Forderung nach Einigung auf „grundlegende Werte“, wie Chancengleichheit, demokratische Regelung des Hochschulzugangs, eine europäische Qualitätskultur sowie kulturelle und sprachliche Vielfalt, betont (Wilson 2003: 13). Im Punkt der Einbeziehung der „sozialen Dimension“ in den Bologna-Prozess herrscht Einigkeit mit den Forderungen der ESIB. Neben dem sozialen Aspekt der Mobilität geht es vor allem um den offenen, flexiblen Zugang zur Hochschulbildung und um das Prinzip der Solidarität der Bologna-Länder und ihrer Hochschulen. Hier fällt der Stichpunkt „Brain Drain“, d. h. die Abwanderung der besten Köpfe (ebd.). Die Einheit von „Lehre und Forschung“, die ein charakteristisches Merkmal für die Universitäten darstellt, soll laut EUA erhalten bleiben und verstärkt werden (ebd.). Wie im Weiteren zu lesen sein wird, wurden einige zentrale Fragestellungen in Berlin aufgegriffen. 56 3.1.6 Berliner Bildungsministerkonferenz Die Berliner Konferenz fand im September 2003 mit über 33 Bildungsministern und Gästen aus dem nicht europäischen Raum statt. In einer Abschlusserklärung wurde die zukünftige Bologna-Prozess-Politik beschlossen. Hierbei wurde die soziale Dimension des Bologna-Prozesses besonders hervorgehoben. Dazu heißt es: „Die Ministerinnen und Minister bekräftigen erneut die Bedeutung der sozialen Dimension des Bologna-Prozesses. Die Notwendigkeit, die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern, muss mit dem Ziel, der sozialen Dimension des Europäischen Hochschulraumes größere Bedeutung zu geben, in Einklang gebracht werden; dabei geht es um die Stärkung des sozialen Zusammenhalts sowie den Abbau sozialer und geschlechtsspezifischer Ungleichheit auf nationaler und europäischer Ebene. In diesem Zusammenhang bekräftigen die Ministerinnen und Minister ihre Auffassung, dass Hochschulbildung ein öffentliches Gut und eine vom Staat wahrzunehmende Verpflichtung ist. Sie betonen, dass die internationale Hochschulzusammenarbeit und der wissenschaftliche Austausch in erster Linie von akademischen Werten geprägt sein sollten“ (Berlin Kommuniqué 2003). Einigkeit findet sich unter den Ministerinnen und Ministern, dass eine engere Beziehung zwischen den Hochschul- und den Forschungssystemen ihrer Länder gefördert werden soll. Dies stellt eine neue Perspektive im Bologna-Prozess dar. In der Synergie des Europäischen Hochschulraums mit dem Europäischen Forschungsraum sehen die Berliner Konferenzteilnehmer eine größere Chance, die Grundlagen eines „Europa des Wissens“ zu festigen (Berlin Kommuniqué 2003). Als mittelfristige Ziele, um die ergriffenen Initiativen voranzubringen, werden folgende Punkte formuliert:  wirksame Qualitätssicherung;  tatsächliche Anwendung von gestuften Studienstrukturen sowie  verbesserte Anerkennungsverfahren von Studienabschlüssen und -abschnitten. Weiterhin wurden die Entwicklungen der Hauptthemengebiete der vorigen Konferenzen gewürdigt und deren Bedeutung nochmals hervorgehoben. Diese sind:  Hochschulen und Studierende;  Förderung der europäischen Dimension im Hochschulbereich;  Steigerung der Attraktivität des Europäischen Hochschulraumes;  Lebenslanges Lernen (Berlin Kommuniqué 2003). In Berlin wurden die Anträge von Albanien, Andorra, Bosnien-Herzegowina, des Heiligen Stuhls, von Russland, Serbien, Montenegro sowie der „ehemaligen Jugoslawischen Republik Mazedonien“ auf eine Mitgliedschaft bewilligt. Damit stieg die Mitgliederzahl des Europäischen Hochschulraums auf 40 europäische Staaten. Das nächste Ministertreffen wurde für Mai 2005 in Bergen (Norwegen) beschlossen. 57 Bis jetzt wurden die diversen Aktivitäten und die wichtigsten Beschlüsse dargestellt, im Folgenden wird der Bologna-Prozess im Hinblick auf seine Institutionalisierung und die beteiligten Akteure untersucht. 3.2 Institutionalisierungsprozess des „Europäischen Hochschulraums“: Die Organisationsstruktur und die Akteure „Wenn der Europäische Hochschulraum (EHR) Wirklichkeit werden soll, muss er sich von der Ebene offizieller Erklärungen und gesetzlicher Änderungen hin zu institutionellen Strukturen und Verfahren weiterentwickeln.“ (Reichert/Tauch 2003) Durch die Initiierung des Bologna-Prozesses beginnt ein umfassender Zusammenschluss von nationalen bzw. supranationalen Politikern, nationalen und supranationalen Vertretern und Organisationen der europäischen Hochschulen. Dieser Zusammenschluss erfolgt auf der Basis des Austauschs und der Kooperation (Kehm 2003: 7). Spätestens nach der zweiten Bildungsministerkonferenz in Bologna zeichnet sich der Institutionalisierungsprozess ab. Bei den Bildungsministerkonferenzen wird neben dem Austausch auch über die neuen supranationalen Hochschulpolitiken entschieden. Ein supranationales Netzwerk der dezentralen Kooperation in Form von Verhandlungssystemen tut sich in der Hochschulpolitik auf. Somit findet die Transnationalisierung der Hochschulpolitik statt. Die Organisationsstruktur und die beteiligten Länder an den Vorbereitungs- und Folgegruppen verdeutlicht dies. 3.2.1 Organisationsstruktur und Akteure des „Europäischen Hochschulraums“ In Prag wurde über die zukünftige Gremienstruktur und über das Verfahren zur Vorbereitung von Ministersitzungen im Rahmen des Bologna-Prozesses entschieden. Die Bildungsministerkonferenz ist das entscheidungstreffende Organ des Bologna- Prozesses. In ihr sind alle Bildungsminister der Unterzeichnerstaaten der Bologna- Erklärung vertreten. Außerdem nehmen, wie bereits oben erwähnt, Beobachter verschiedener Organisationen teil. Die Bildungsministerkonferenzen, die alle zwei Jahre stattfinden, werden von zwei Arbeitsgruppen, der Preparatory Group und der Follow- up Group, vorbereitet. Bei den Vorabtreffen wird die inhaltliche Ausrichtung der Konferenzen ausgearbeitet. Neben den politischen Administratoren gehören den Vorbereitungsteams auch Hochschulexperten an. Um eine bessere Koordinierung zu erzielen wird der Vorsitz der Vorbereitungsgruppe (Preparatory Group) von dem jeweiligen Präsidialland der EU geführt (Gemeinsamer Bericht von KMK, HRK und BMBF 2002). Weitere Teilnehmer der Preparatory Group 58 sind die Vertreter der Gastgeberländer sowohl der vorangegangenen Ministertreffen als auch des folgenden Ministertreffens, Vertreter zweier weiterer EU-Mitgliedsstaaten (jeweils vorangegangene und nächstfolgende EU-Präsidentschaft) sowie zweier Nicht- EU-Mitgliedsstaaten. Die Europäische Union genießt eine besondere Stellung und nimmt als Vollmitglied an den Sitzungen teil; ebenso sind auch die Beobachter von EUA (European University Association), ESIB (National Unions of Students in Europe), EURASHE (European Association of Institutions in Higher Education) und dem Europarat bei den Sitzungen anwesend. Abbildung 1: Aufbau der Preparatory Group25 Full members Chair (Host of the next ministerial meeting) EU- Presidency Host of the previous ministerial meetings Previous EU- Presidency Incoming Presidency Two non EU countries European Commission Observers Council of Europe, EUA, EURASHE, ESIB Quelle: Eigene Zusammenstellung nach Meeting of the Bologna follow-up group, Brussel 13.09.2001. Outcome of proceedings vom 27.09.2001. Mit der Errichtung der Follow-up Group (Bologna-Gruppe) nimmt der Institutionalisierungsprozess des „Europäischen Hochschulraums“ Konturen an. Erwartungsgemäß wurde in Berlin über die zukünftige Struktur des Folgeprozesses entschieden. Die Follow-up-Gruppe wurde mit der Umsetzung der im Kommuniqué aufgeführten Punkte beauftragt. Neben allen Vertretern der Mitgliedsstaaten ist auch die Europäische Union in die Follow-up-Gruppe involviert. Als weitere beratende Beobachter wurden United Nations Educational, Scientifical, and Cultural Organization (UNESCO/CEPES), der Europarat, European University Association (EUA), European Association of Institutions in Higher Education (EURASHE) sowie National Unions of Students in Europe (ESIB) genannt (siehe Kapitel 3.2.2. in diesem Teil). Seit Berlin (2003) ist UNESCO/CEPES als weiterer Beobachter aufgenommen. Den Vorsitz hat die EU-Ratspräsidentschaft, und der stellvertretende Vorsitz wird von dem Land, das die nächste Ministerkonferenz ausrichtet, geleitet. Mindestens zweimal im Jahr soll die Follow-up-Gruppe tagen. Ferner soll die Arbeit der Follow-up-Gruppe von einem „Ausschuss, der ebenfalls von der EU-Ratspräsidentschaft geleitet wird, die Arbeit zwischen den Treffen der Follow-up-Gruppe koordinieren“ (Berlin Kommuniqué 2003). 25 Diese wurde in Berlin als „a board“ und vom BMBF als Ausschuss bezeichnet (siehe dazu: Berlin Kommuniqué 2003). 59 Außer diesen supranationalen Arbeitsgruppen gibt es in jedem Mitgliedsland der „Bologna-Erklärung“ eine nationale Kontaktstelle, die das Steuerungsgremium für die weitere Umsetzung ist. Diese wird von der jeweiligen EU-Präsidentschaft geleitet. Die jährlichen Länderberichte der Unterzeichnerstaaten dienen zum Informationsaustausch zwischen den Mitgliedsländern. Die gemeinsamen Berichte, die mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Kommission und EUA in Auftrag gegeben und mit dem Titel „Trends in Learning Structures II-III“ veröffentlicht werden, bilden die umfassende schriftliche Dokumentation über den Stand der erreichten Implementierung und die noch notwendigen Schritte zur Verwirklichung der Ziele. In diesen Berichten sind auch die politischen Forderungen der beteiligten Akteure enthalten. Die Akteure des Bologna-Prozesses gestalten die inhaltliche Seite der formalen Organisationsstruktur. Diese werden im Folgenden dargestellt. 3.2.2 Die Akteure des „Europäischen Hochschulraums“ Die Initiative für die Sorbonne-Deklaration ging von den vier europäischen Bildungsministern aus, wie bereits genannt, Italien, Deutschland, Frankreich und England, die zugleich eine wichtige Rolle bei der Gestaltung der EU-Politik innehaben. Neben den Unterzeichnerländern des Bologna-Prozesses verdeutlicht die Vollmitgliedschaft der Europäischen Kommission und ihr Engagement bei verschiedenen unterstützenden Aktivitäten das Interesse der Kommission am europäischen Harmonisierungsprozess. Ein weiterer wichtiger Akteur ist der Europarat. Wie bereits erwähnt, wurde die Europäische Union erst 2001 in Prag Vollmitglied des Bologna-Prozesses. Aber sie nahm zum ersten Mal nach dem Sorbonner Treffen an dem Treffen der „Directors General of higher education“ und der „Chairmen of Rectors‘ Conferences of the EU-Member States“ im Oktober 1998 teil. Zum ersten offiziellen Vorbereitungstreffen der weiteren Konferenz im Dezember 1998 wurde berichtet, dass die Europäische Union den Auftrag zur Erstellung eines Berichts mit dem Titel „Trends in Learning Structures in Higher Education“ an die „Confederation of EU Rectors‘ Conferences“ erteilt habe. Dieser Bericht sollte einen Überblick über die Hochschulstrukturen der EU-Länder und der EFTA/EWA-Länder im Hinblick auf Divergenz und Konvergenz geben (Hackl 2001: 23). Die Europäische Union schlug vor, den Vorsitz der Arbeitsgruppe dem jeweiligen Vertreter des Präsidiallandes der EU zu übertragen; dieser Vorschlag wurde angenommen (ebd.). Diesem Verfahren zufolge 60 werden die Bologna-Unterzeichnerstaaten aus den Nicht-EU-Ländern so lange warten müssen, bis ihre Vollmitgliedschaft in der EU besiegelt ist und ihr Land den Präsidialstatus erhält. Eine organische Verbindung ergibt sich nicht nur aus der Vollmitgliedschaft der Europäischen Kommission im Bologna-Prozess, sondern insbesondere durch die Funktionen und Aufgaben, die sie in diesem Prozess einnimmt. Zur Begründung der Vollmitgliedschaft der Europäischen Kommission wird in dem Länderbericht Deutschlands (Stand 24.04.2002) die „bessere Verzahnung mit der Bildungsarbeit in den Gremien der Europäischen Union“ betont (Gemeinsamer Bericht von KMK, HRK und BMBF 2002a: 1). Nach Hackl (2001) bringt die Europäische Union durch die Verwaltung der jahrelangen Förder- und Austauschprogramme (ERASMUS/SOKRATES) umfangreiche Erfahrungen mit. Ferner verfügt sie durch die Erstellung von Vergleichsstudien über fachliche und personelle Kompetenzen, die die einzelnen Nationalstaaten nicht zur Verfügung stellen können. Zur Vorbereitung des Ministertreffens in Berlin 2003 hat die Europäische Union unter der Überschrift „From Prague To Berlin – The EU Contribution“ (European Commission 2002a) einen Fahrplan für das Studienjahr 2002/2003 veröffentlicht, der im Rahmen des Bologna-Prozesses als Beiprogramm verfolgt werden soll. Dieser sieht die weitverbreitete Einführung der Diploma Supplements zur Vergleichbarkeit und Anerkennung von Abschlüssen und die Einführung des European Credit Accumulation System für lebenslanges Lernen vor. Unter dem Einigungspunkt „Fördern der Mobilität“ wurde die Socrates-ERASMUS-Student Charter vereinbart, deren Inhalt die Rechte und Pflichten der mobilen Studierenden umfasst, die volle Anerkennung ihrer Leistungen gewährt sowie festschreibt, dass keine Studiengebühren erhoben werden. Außerdem ist die Entwicklung eines European Virtual University-Modells geplant, um die physikalische und virtuelle Mobilität zu kombinieren. Bei der Förderung der Qualitätskultur (quality culture), ist die Zusammenarbeit mit der EUA vorgesehen, die in einem Pilotprojekt den Universitäten die internen Qualitätssicherungsmechanismen vermitteln soll, um so die Universitäten auf die externe Evaluation vorzubereiten. In diesem Zusammenhang ist eine weitere Aktion Scheme on European Higher Education Quality Evaluation geplant, die die regulierten Berufe (wie Medizin) und die nicht regulierten Berufe (wie Wirtschaftsmanager) evaluieren soll (ebd.). Unter dem Einigungspunkt „Einführung der europäischen Dimension“ baut die Europäische Union 61 die European Master and Doctoral Courses aus. Bereits im akademischen Jahr 2002/2003 werden europaweit im Master- und Doktorandenbereich Kurse angeboten. Die Attraktivität des „Europäischen Hochschulraums“ soll durch eine gemeinsame Datenbank, die die Arbeits- und Bildungsmöglichkeiten in den europäischen Ländern zusammenfasst und leicht zugänglich macht, verbessert werden. Wie bereits erwähnt, ist das europäische Doktorandenprogramm eines der wesentlichen vorgesehenen Verhandlungsthemen in Berlin. Die gemeinsame Vereinbarung der Europäischen Kommission und des Rats zur Förderung der Hochschulkooperation mit Drittländern ist ein weiterer Schritt, der zur Attraktivitätsförderung gedacht ist. Ein Synergieeffekt wird innerhalb des „Europäischen Hochschulraums“ und des „Europäischen Forschungsraums“ (2002) erwartet. Der „Europäische Forschungsraum“ wurde von der Europäischen Kommission ins Leben gerufen (European Commission 2002a). Wie bereits dargestellt, war dies einer der Grundsätze, die in Salamanca (2001) gefordert wurden. Der Europarat ist eine der ältesten und bedeutendsten internationalen Organisationen; er hat seit den 1960er Jahren mehrere Konzepte zu Erziehung, Bildung und Kultur in Form von Kulturkonventionen ausgearbeitet (Europarat o. J.).26 Nach dem Zweiten Weltkrieg trug der Europarat zur „Aussöhnung der beteiligten Länder“ bei. Und auch nach 1989 hat der Europarat durch seine Bildungs- und Kulturpolitik geholfen, die Beziehungen zwischen West- und Osteuropa wieder aufzunehmen (ebd.). Ferner entwickelte der Europarat viele Programme, die besonders auf die Länder des Kaukasus und Südosteuropas ausgerichtet waren. Zu den Zeilen des Europarats heißt es „50 Jahre nach ihrer Verabschiedung ist die Konvention ihrem Ziel treu geblieben, das gegenseitige Verständnis unter den Völkern und die Achtung der kulturellen Vielfalt zu fördern, die europäische Kultur zu erhalten und den grundlegenden Werten des Europarates Rechnung zu tragen“(ebd.). Die Aktivitäten des Europarats im Bereich der Erziehung und Bildung beziehen sich auf die Frage: Wie kann die Schule für Menschenrechte und Grundfreiheiten eintreten und die pluralistische Demokratien stärken? Dazu werden Projekte durchgeführt, Austauschprogramme installiert und Veröffentlichungen herausgegeben. Das Ziel im Bereich der Hochschulbildung ist, „Hochschule und Forschung in Europa auf der Grundlage gemeinsamer demokratischer Grundsätze und auf den Werten der akademischen Tradition Europas einschließlich der Freiheit von Lehre und Forschung und der Selbstverwaltung der akademischen Einrichtungen zu entwickeln“ 26 Siehe für Konventionen des Europarats Internet: URL: http://www.coe.int/T/E/Cultural_Co- operation/education/Higher_education/General/0004_ref_texts.asp#TopOfPage [Stand 09.03.2005]. 62 (Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur Österreich o. J.). Zur Verwirklichung der Ziele hat der Europarat folgende Schwerpunkte definiert:  „die Förderung der Erziehung zum sozialen Zusammenhalt in einer Kommunikationsgesellschaft;  die Anwendung des Abkommens (Nr. 165) über die Anerkennung von Qualifikationen im Hochschulbereich in der europäischen Region;  die Reform des Hochschulwesens in Südosteuropa, die Unterstützung des Zugangs zur Hochschulausbildung und  die Wahrung der Autonomie sowie  die Erhaltung der akademischen Tradition an den europäischen Universitäten;  der Beitrag zur Schaffung eines europäischen Hochschulraums (Bologna- Prozess) (ebd.). Die Zusammenarbeit der Universitäten ist eine der wichtigsten Aktivitäten, die sich aus der Kulturkonvention ableitet (Brunelli 2002). Bereits in den fünfziger Jahren hatte der Europarat in folgenden Bereichen drei Konventionen verabschiedet: der Zugang zu Universitäten, die Studienzeiten an den Universitäten sowie die Anerkennung der Hochschulqualifikationen (ebd.). Mit der Zeit wurden diese Konventionen überarbeitet und durch weitere Bestimmungen ergänzt. Im Bereich der Anerkennung hat der Europarat in Zusammenarbeit mit der UNESCO in den 1990er Jahren die Konvention überarbeitet. Die Folge aus der Überarbeitung war, dass das europäische Netzwerk der nationalen Informationszentren (ENIC-Netzwerk; siehe Teil III Kapitel 2.3.1) eingerichtet wurde und drei Jahre später die „Lissabon-Konvention zur Anerkennung der Qualifikationen im Hochschulbereich in der europäischen Region“ verabschiedet wurde (Brunelli 2002). Der Europarat spielt eine wichtige Rolle bei der Frage der gegenseitigen Anerkennung von Studienleistungen und Hochschulabschlüssen (siehe Teil III Kapitel 2). Der Europarat hat im Zusammenhang mit dem Bologna-Prozess im April 2002 eine Veranstaltung mit dem Thema „From Lisboa to European Higher Education Area – Recognitions Issues in the Bologna-Process“ durchgeführt (Gemeinsamer Bericht von KMK, HRK und BMBF 2002: 1). Bruneli, vom Bundesamt für Bildung und Wissenschaft (Schweiz), folgert für den Europarat: „In enger Zusammenarbeit mit der UNESCO und der Europäischen Kommission wirkt der Europarat somit als bedeutendes Forum für die Entwicklung der Anerkennungspolitik, indem er zur Umsetzung der Lissabonner Konvention und des ENIC-Netzwerks beiträgt. Er übernimmt auch eine Brückenfunktion zwischen den Ländern, die sich am Bologna-Prozess beteiligen, und den 63 Signatarstaaten der Kulturkonvention, die aus dem Prozess Nutzen ziehen können“ (Brunelli 2002). Außer der Europäischen Union und dem Europarat sind, wie bereits erwähnt, folgende intermediale Akteure in den Prozess involviert:  die European University Association (EUA) in Genf und Brüssel;  die European Association of Institutions in Higher Education (EURASHE) in Brüssel;  die National Unions of Students in Europe (ESIB) in Brüssel. Als intermedialer Akteur ist die European University Association (Europäische Universitätsvereinigung) zu bezeichnen, die ein Zusammenschluss von „Confederation of EU Rectors‘ Conferences“ und „Association of European Universities“ (CRE) ist. Die EUA wurde im März 2001 in Salamanca gegründet. An der Gründungsveranstaltung nahmen über 300 Hochschulen und die wichtigsten Organisationen teil. Die Bestrebung der EUA ist, die „symbolische und praktische Handlung“ sowie mehr Gehör bei den Regierungen und Gesellschaften bei der Gestaltung ihrer Zukunft zu schaffen.27 Im Status des Beobachters stellt sie Kontakte zwischen europäischen Hochschulen und Hochschulvereinigungen in Lateinamerika sowie in der Asien/Pazifik-Region im Rahmen des Bologna-Prozesses her (Gemeinsamer Bericht von KMK, HRK und BMBF 2002: 2). Das Hauptziel der EUA ist „die umfassende Beteiligung der Hochschulen am Bologna- Prozess“ (Wilson 2003: 12). Weiterhin ist EURASHE im Bologna-Prozess als Beobachter mit vertreten. EURASHE wurde im Jahre 1990 gegründet. EURASHE ist eine internationale Vereinigung, die die Interessen der europäischen Hochschulbildungsinstitutionen mit den Sektoren der Colleges/Polytechnics und Universitäten der beruflichen Ausbildung (Universities of Professional Education) vertritt. Ferner werden Forschungen zu den Bachelor-/Masters- Studiengängen durchgeführt (EURASHE 2003). Das Hauptziel von EURASHE sind „Dienstleitungen“, wie die Förderung des Erfahrungsaustausches zwischen ihren Mitgliedern sowie die Erstellung von Entwicklungsstudien der Hochschulbildung, gegenüber ihren Mitgliedern zu erbringen (EURASHE o. J.). Im Juni 2003 wurden auf der Jahrestagung von EURASHE folgende Schwerpunkte formuliert:  the continued improvement and quality assurance of Professional Higher Educa- tion, 27 Internet: URL: http://www.unige.ch/eua/En/Publications/Thema/Message_D.pdf [11.04.2005]. 64  the high sustainable employability of graduates at all exit levels and the relevance of programmes to the labour market,  the unabated access of all graduates to continue education to all existing levels and degrees and to engage in life-long learning,  the relation between teaching and research/applied research and the promotion of research specifically aimed at professional competencies (ebd.). Die Bedeutung von EURASHE liegt in ihrem Beitrag zum Thema der „Beschäftigung“ („emplobility“). Auf der Ebene der studentischen Vertretung ist „National Unions of Students in Europe“ (ESIB) beteiligt. ESIB ist eine Dachorganisation von 50 nationalen Studentenvereinigungen aus 36 Ländern. Nach eigenen Angaben repräsentieren sie über 10 Millionen Studierende.28 Die Ziele der Vereinigung sind die Vertretung und die Förderung der Interessen der Studierenden auf der europäischen Ebene in den Bereichen Bildung, Soziales, Wirtschaft und Kultur. Die relevanten Organisationen, mit denen sie ihre Interessensverhandlungen durchführen, sind die Europäische Union, der Europarat und die UNESCO. Seit dem Prager Kommuniqué ist ESIB offizielles beobachtendes Mitglied des Bologna-Prozesses. ESIB organisiert im Rahmen des Bologna Process Committee verschiedene Schwerpunkttreffen, auf denen die neueren Entwicklungen diskutiert und ESIBs Positionen formuliert werden. Die Ergebnisse werden im Zwei- Monate-Rhythmus in ihrem Newsletter veröffentlicht. Die Koordinatoren aus Lateinamerika, der Karibik, aus Mexiko und Brasilien, die durch einen gemeinsamen Aktionsplan seit 2002 mit dem Bologna-Prozess in Verbindung standen, haben in Berlin als weitere Beobachter teilgenommen (Bologna-Process o. J.). Ob sich in dieser Konstellation der Akteure des Bologna-Prozesses, in dem „Zusammenspiel einzelner und verschiedener Akteure“ eine Logik herausbildet und welche Logik sich daraus entwickeln wird, ist noch abzuwarten (Teichler-Vortrag im Colloquium Sommersemester 2002). Was sich derzeit abzeichnet, ist die Etablierung von supranationalen Kooperations- und Verhandlungssystemen im Bereich der tertiären Hochschulbildung, die im Kapitel 4.3.1 diskutiert wird. Im nächsten Kapitel werde ich den Bologna-Prozess im Kontext der Differenzierungs- und supranationalen Konvergenzdebatten aufgreifen. 28 Für weitere Informationen siehe Internet: URL: http://www.esib.org/ [25.05.2005]. 65 4. Nationale Differenzierung – supranationale Konvergenz-bestrebungen im Zuge des „Europäischen Hochschulraums“ 4.1 Einführung Allgemein gelten die europäischen Hochschulen als differenziert und diversifiziert in der Hochschulforschungsliteratur (Teichler 1990; Goedegebuure et al. 1993). Im vorherigen Kapitel wurde jedoch aufgezeigt, dass die Gestaltung eines „Europäischen Hochschulraums“ mit dem Ziel der strukturellen Konvergenz eine neue Phase in den nationalen Hochschulsystemen eröffnet und sie vor neue Herausforderungen stellt. In diesem Kapitel wird der Verlauf der Differenzierung- sowie Diversifizierungsdebatten, die im Kontext der nationalen Hochschulsysteme geführt wurden, dargestellt. Der Aspekt der supranationalen Konvergenzbestrebungen – im Rahmen des Bologna-Prozesses – sollen mit den national geprägten Differenzierungsdebatten in Zusammenhang gebracht werden. Zum Abschluss dieses Kapitels wird das Thema „Hochschulreform als Komplexitätsproblem“, welches in den Hochschuldebatten neu ist, im Rahmen der neueren Entwicklungen aufgegriffen (siehe dazu Kehm/Pasternack 2001; Pasternack 2004). 4.2 Differenzierungs- und Diversifizierungsdebatten Anfang der 1970er Jahre unternahm Trow (1974) die ersten Systematisierungen der Hochschulentwicklung. Er entwarf das Modell der „Elitenbildung“ und der „Massenuniversitäten“; später ergänzte er diese mit dem Modell der „universellen Hochschulbildung“ (zitiert nach Teichler 1995 (ETH): 13). Trows Messkriterium war die Studierquote eines Jahrgangs. Ab Mitte der 1970er Jahre leistete B. Clark mit seiner Arbeit zur Dimension der Differenzierung die ersten Versuche, die Expansion an den nationalen Hochschulsystemen zu erklären (Clark 1978: 2). Clark (1977) unterscheidet die Hochschulsysteme a) nach Stadien des Studiums (Kurzstudium, undergraduate-Studium, Graduiertenstudium); b) nach Aufsicht (öffentlich mit einer einflussreichen staatlichen Ebene, öffentlich mit mehreren einflussreichen staatlichen Ebenen, privat) und c) nach der Zahl der wichtigsten Hochschultypen (zitiert nach Teichler 1990: 32). In den 1980er Jahren nahmen die Differenzierungsdebatten zu, und mehrere Hochschulforscher äußerten sich zu diesem Thema. Sie brachten unterschiedliche 66 Erklärungsansätze und weiteten diese mit der Zeit aus. Gleich Anfang der 1980er Jahre entwarf Stadtman (1980) einen Katalog zu den Vorzügen der Differenzierung der Hochschulsysteme (zitiert nach Goedegebuure et al. 1993: 381). Dieser Katalog ergänzte die Definition der Begriffe „Differenzierung“ bzw. „Diversifizierung“ und verdeutlichte die Funktion der Differenzierung (zitiert nach ebd.):  Differenzierung erhöht die den Lernenden zur Verfügung stehenden Wahlmöglichkeiten.  Sie ermöglicht praktisch höhere Bildung für jeden.  Sie passt die Bildung den Bedürfnissen und Fähigkeiten des Einzelnen an.  Sie ermöglicht den jeweiligen Hochschulen, Auftrag und Zielsetzungen selbst zu bestimmen und ihre Aktivitäten zu begrenzen.  Sie entspricht den Anforderungen einer in sich selbst komplexen und differenzierten Gesellschaft.  Sie wird zur Grundvoraussetzung von Freiheit und Autonomie der Hochschulen. In dieser Zeit baute B. Clark seine „internal perspectives“ der Differenzierung aus und sah nach wie vor die Fachrichtungen als einen Motor der Differenzierung. Seine Argumentation beruhte auf der Beobachtung, dass die Ausdifferenzierung der Disziplinen von der permanenten Trennung der Arbeitsgebiete konditioniert sei. Die Zunahme des professionellen Wissens und der Fachkenntnisse führe ausnahmslos zu Differenzierung, Mannigfaltigkeit und struktureller Desintegration innerhalb und zwischen den Hochschulinstitutionen (zitiert nach Lynn Meek et al. 1996: 207). Mitte der 1980er Jahre entwickelte Trow „Typologien (...) nach den zugrunde liegenden Werthaltungen der politischen und planerischen Akteure“ (zitiert nach Teichler 1990: 32). Hierbei unterschied er die „meritocrats“ im Vergleich zu den „egalitarians“ bzw. die „unitarians“ im Vergleich zu den „pluralists“ (ebd.). In Anlehnung an Metzger (1987) greift Clark den Unterscheidungsprozess der Disziplinfragmentierung auf und fasst Folgendes zusammen:  subject parturition (development of new fields out of old) – persönliche Krea- tivität (Produktivität);  program affiliation (attachment of professional fields) – Programmangliederung;  subject dignification (exalting subjects of low status) – Fachwürdigung (Erhöhen des Faches vom niedrigeren Status);  subject dispersion (extension of subjects to new areas/locales) – Fachverbreitung (Ausdehnung des Faches auf neue Gebiete und Lokalitäten) (sinngemäße Übersetzung GY) nach Lynn Meek et al. 1996: 207). 67 Nach Clark ist die Organisation der akademischen Arbeit die Haupttriebkraft im System; hier liegt die Annahme zugrunde, dass die akademische Tätigkeit nach zwei Arten getrennt und gruppiert wird: nach Institution und nach Disziplinen. Die Begründung war, dass die Disziplinen nach dem Grundsatz der Unternehmungsführung (going concerns) nach ihren eigenen Rechten funktionieren und als solche die Querschnitte bzw. die Verbindungen zu Institutionen haben (Clark 1996: 16). In der Kontinuität der Clarkschen Schriften (1970 bis 1996) kommt er zu folgenden drei Hauptaussagen der Differenzierung:  Es gibt eine Vielzahl von Differenzen zwischen der nominalen Integration und der operationalen Differenzierung (ebd.).  Die unangemeldeten zunehmenden Veränderungen spielen eine Basisrolle in der Langlebigkeit (Lebensfähigkeit/Überleben) des Hochschulsystems.  Als ein Teilsystem der Gesellschaft ist das Hochschulsystem der differenzierteste Sektor „par excellence“ (ebd.). Anfang der 1990er Jahre fasste Teichler die bisherigen Diskussionen zusammen und ergänzte sie mit dem Hinweis auf die „Möglichkeit der verschiedenen Herangehensweisen“ an die Beschreibung der Strukturmodelle der Hochschulsysteme (Teichler 1990). Teichler schlug damals eine Kategorisierung vor, die eine „Konfiguration(en) von Hochschul- und Studiengangtypen miteinander in Verbindung zu setzen sucht[e]“ (Teichler 1990: 33). Im Jahre 1993 haben Goedegebuure et al. in ihrer Untersuchung „Hochschulpolitik im internationalen Vergleich“ die geführten Debatten auf die Länder Australien, Kanada, USA, Deutschland usw. hin untersucht und so einen umfassenden Beitrag zum Stand der Differenzierung und Diversifizierung in den ausgewählten Ländern geleistet. Sie kamen zu der Aussage, dass „[s]tärker diversifizierte Hochschulsysteme (...) der breiten Vielfalt gesellschaftlicher Bedürfnisse und Anforderungen besser gewachsen“ sind (Goedegebuure et al. 1993: 381). Mitte der 1990er Jahre unterschied Teichler nach vertikaler und horizontaler Differenzierung: „Differenzierung wird zuweilen ausschließlich vertikal begriffen: Hochschulen unterscheiden sich nach ihrem ‚Niveau‘, ihrer ‚Qualität‘ oder ihrer Funktion für ‚Eliten‘ und ‚Massen‘; dem entspricht eher der Begriff ‚Diversifizierung‘. Demgegenüber kann ‚Differenzierung‘ auch als horizontal verstanden werden, als Koexistenz verschiedener Sachkonzeptionen zum Profil der Studierenden und der beruflichen Aufgaben von Absolventen“ (Teichler 1995: 13). 68 Einen Beitrag leistete Huisman (1995) in seiner Arbeit „Differentation, diversity and dependency in higher education“ zu den Differenzierungsdiskussionen. Die verschiedenen Ansätze der Definition der Begriffe fasste Huisman zusammen und gab eine breitere Begriffsklärung ab, die im eigenständigen Kapitel dargestellt wird. Mitte der 1990er Jahre richtete Neave sein Augenmerk auf Homogenisierung und Integration. Neave meint, diese beiden Konzepte seien Idealtypen. Homogenisierung und Integration würden im realen Leben nie erreicht werden, sie seien aber auch nicht gegensätzlich wie: Differenzierung und Diversifizierung (Neave 1996): „Moreover, neither set of concepts is linear, that is, no higher education institu- tion or system moves inevitably towards either homogenisation or diversifica- tion“ (Neave 1996: 207). Im selben Zeitraum führte van Vught in die Debatten den Begriff „environmental perspective“ ein. Demnach ist die Hochschulausbildung ein System, welches aus einer Anzahl von Subsystemen (wie Koordinationsautorität, Sektoren, Institutionen etc.) besteht, die alle in ein Subsystem (bestehend aus sozialem, politischem und ökonomischem Umfeld) eingebettet sind. Dazu van Vught: „The theories also differ in terms of where they focus attention. Clark is mainly in- terested in the behavior and culture of the disciplines which form the base units of all higher education institutions. Neave only makes passing reference to disciplinary behavior. Rather, his main point of departure is the relationship between higher edu- cation systems and the legal and economic frameworks in which they operate. Van Vught extends Neave’s point of departure even further by considering higher educa- tion as a ‚class‘ of institutions engaged in a dynamic and mutually interdependent relationship with the environment. The environment includes government regulatory frameworks, but also stretches further afield“ (van Vught 1996: 212). Die chronologische Darstellung der verschiedenen Positionen und Beiträge zu Differenzierungsdebatten sollte die Vielfalt und die Breite zeigen, die das Thema mit sich bringt. Die besondere Hervorhebung von Huismans Beitrag beruht darauf, dass ausführlichere Definitionen und Systematisierungen zum Thema vorgenommen werden (Huisman 1995). 4.2.1 Huismans Beitrag zu Differenzierungsdebatten Nach Huismann ist die Differenzierung aus der Biologie und speziell aus der Evolutionstheorie abgeleitet (Huisman 1995: 1). Differenzierung bezeichnet – nach Huisman – einen Prozess, in welchem unterschiedliche Strukturen oder Funktionen sich von einem formal integrierten Ganzen entwickeln oder entfalten. Konkret ist das anwendbar für einen Prozess der Institutionalisierung. So werden z. B. mit der 69 Zunahme der Spezialisierung in Wissenschaften im Laufe der Zeit unterschiedliche Strukturen institutionalisiert; es entstehen verschiedene Schularten oder verschiedene Fachbereiche (ebd.). Beim Konzept der Differenzierung entwickelt Huisman zwei logische Folgerungen (corollaries), die die Differenzierung zugleich in ihrer Funktion verdeutlichen. Diese Ableitungen werden zusammengefasst wiedergegeben:  Die neu entstehenden Teile „brauchen“ sich gegenseitig, um eine Bedeutung bzw. einen Sinn zu erhalten. Als Beispiel: Das Herz kann für andere Teile des Körpers kennzeichnend sein, aber ohne eine Beziehung zu den anderen Körperteilen hat es keine signifikante Bedeutung. Dies mache deutlich, dass der Schwerpunkt auf die Funktion des Ganzen gesetzt wird, trotz der Sichtbarkeit der diversen Teile und die Funktionen dieser Teile in Verbindung zu dem Ganzen. Der menschliche Körper erfülle nach wie vor die gleiche Funktion, ungeachtet der Entwicklungsphasen. In diesem Sinne unterscheidet sich der Begriff „Differenzierung“ von Trennung und Teilung, welches sich auf die ungebundene (lockere) Funktion in einem formal integrierten Ganzen beziehe (Huisman 1995: 13).  Das Interesse fokussiert das Ganze; es ist oft schwer die Teile innerhalb eines Ganzen voneinander zu unterscheiden. So könnte auf einer abstrakten Ebene argumentiert werden, dass die im Beispiel genannten neu auftretenden Teile des Körpers „präsent“ sind in dem Moment der Konzeption (im Sinne von Genetik). Diese Teile sind zur Zeit noch nicht demonstrierbar. Die Grenze zwischen dem Ganzen und seiner Umgebung ist eindeutig, aber der exakte Zeitpunkt der verschiedenen Teile eines Ganzen, die anfangen ihre eigene Funktion auszufüllen, ist unklar. Die Unterschiede sind erst dann klar sichtbar, wenn der Entwicklungsprozess sein letztes Stadium erreicht hat (Huisman 1995: 15). Der Bezeichnung „Diversifizierung“ hingegen wird in Bezug auf die Vielfalt der Typen der Eigenheiten oder Wesen (z. B. Hochschulinstitutionen, Programme, Disziplinkultur) verwendet. In diesem Zusammenhang ist der Begriff „Typen“ analog zu Spezies gewählt. Der Begriff „Diversifizierung“ nimmt Bezug auf einen Prozess, in dem ein System von Typen von Eigenheiten bzw. Wesen sich verwandelt in ein System, welches mehr divers ist. „Diversifikation“ beschreibt einen Prozess, bei dem die Vielfalt oder die Mannigfaltigkeit eines Systems sich erhöht. Im Gegensatz zur Differenzierung, welche sich auf einen dynamischen Prozess bezieht, kennzeichnet Mannigfaltigkeit in den biologischen Theorien (speziell den ökologischen) eine statische Situation. Mannigfaltigkeit weist auf die Eigentümlichkeit einer Gemeinschaft, vor allem auf den zusammengesetzten Organismus von verschiedenen Spezies hin. In der gängigen 70 Sprache wird öfter nur die Variante, z. B. die Anzahl der Spezies, benannt. In ökologischen Begrifflichkeiten drückt der Begriff Mannigfaltigkeit auch die gleichmäßige Verteilung der Spezies aus. Die oben erwähnte Vielfalt ist förderlich zum Unterstreichen des numerischen Prozesses. Diversifikation kann als das dynamischere Gegenstück zu Mannigfaltigkeit gesehen werden. Differenzierung verweist auf den Übergang von einem Stadium zum anderen. Der wesentliche Beitrag von Huisman ist die Unterscheidung der Begriffe nach ihrer Prozesshaftigkeit (siehe folgende Übersicht). Abbildung 2: Meanings of the Concepts of Differentiation, Diversity and Diversifi- cation Concept Meaning Process of dif- ferentiation A process indicating an increase in the number of entities; a process in which different entities emerge from a formerly integrated whole Diversity The variety of types; the variety of types and dispersion of entities across these types Diversification An increase in the number of types; an increase in the number of types and/or dispersion of entities across these types; an increase of differ- ences between entities or types Quelle: Huisman 1995: 51 Bis jetzt wurde die Forschungsdiskussion aufgezeigt. Deutlich wurde, dass die Differenzierungsdebatten einem ständigen Perspektivwandel und somit einem Entwicklungsprozess unterliegen. Die Systematisierungen von Goedegebuure et al. in Differenzierungstypen erweist sich als hilfreich bei der Fortführung der Debatten (siehe Goedegebuure et al. 1993). 4.2.2 Differenzierungstypen Goedegebuure et al. unterscheiden drei Differenzierungstypen: Diese sind Systemdifferenzierung, strukturelle Differenzierung und Programmdifferenzierung (Goedegebuure et al. 1993: 382). Die Systemdifferenzierung umfasst die Unterscheidung zwischen den Hochschulen hinsichtlich Aufgaben, Größe und Kontrolle (Birnbaum 1983: 35): Universitäten, Fachhochschulen, Community Colleges usw. Nach Goedegebuure et al. geht es um die Aufgabenverteilung der Hochschultypen; alle Hochschulsysteme weisen eine integrative Dynamik auf (ebd.). 71 Die stufenartige Aufteilung der Hochschulen in verschiedene Typen wird als positiv betrachtet, denn am Beispiel der Community Colleges ist zu sehen, dass diese den Andrang der Massen auffangen, und sie bieten auch die Möglichkeit der Weiterbildung (z. B. Ph. D) an den Universitäten an. Die Autoren beziehen sich auf Trow und folgern: „Nach Trow (1983:132) sind alle Hochschulsysteme, ob formal differenziert oder nicht, geschichtet: Der Hochschulbereich selbst ist ‚ein vielschichtiges System von Institutionen, formal oder informell gestaffelt nach Status und Prestige, nach Vermögen, Macht und unterschiedlichem Einfluss‘. Darüber hinaus sind die verschiedenen Typen geschichteter Strukturen nicht nur im räumlich-zeitlichen Bezug erstaunlich stabil, sondern sie ähneln einander auch in ihren Grundelementen, u. a. 1- in der Gliederung in verschiedene Hochschulsektoren, 2- in der Gliederung der Hochschulen innerhalb dieser Sektoren und 3- in der Gliederung von organisatorischen Einheiten und Fachbereichen innerhalb der Hochschulen“ (Trow 1983: 137, zitiert nach Goedegebuure et al. 1993: 383). Nach Goedegebuure et al. haben die Universitäten nach wie vor innerhalb der Hochschultypen die Vormachtstellung. Einer der Gründe für die Vormachtstellung sei die Forschung und die Studentenschaft. Die qualifiziertesten Studenten streben ein Studium an den Universitäten an (Goedegebuure et al. 1993: 385f). Die strukturelle Differenzierung der Hochschulen umfasst die Unterscheidung nach der rechtlichen Stellung der Hochschulen. Hierzu gehören die externen Strukturfaktoren, wie gesetzliche Bestimmungen und Vorgaben für die Hochschulbildung, sowie auch die Unterschiede in den Führungsstrukturen innerhalb der Hochschulen, „also (…) [auch] interne Strukturfaktoren“ (ebd.: 388). Ferner werden unter Strukturdifferenzierung ebenfalls „öffentliche vs. private“ Hochschulen, „zentralstaatlich vs. föderativ“ geregelte rechtliche Bestimmungen usw. diskutiert (ebd.: 388). Teichler fasst die Merkmale zusammen, nach denen die Hochschulsysteme differenziert werden:  Größe bzw. Umfang des Hochschulwesens, zum Beispiel bestimmt durch die Zahl der Hochschulen, die Gesamtzahl der Studierenden oder den Prozentsatz der Studienanfänger an der entsprechenden Altersgruppe;  Stellung und Verankerung des Hochschulwesens im gesamten Bildungssystem;  bedeutendste Bereiche des Hochschulsystems, so insbesondere die Haupttypen von Hochschulen und ihre jeweiligen Ziele und Funktionen;  die quantitative Verteilung der Institutionen, Studierenden, Lehrenden, Finanzen usw. nach Hochschultypen, Fachrichtungen und anderen Gliederungsprinzipien; 72  Unterschiede zwischen den Hochschulen desselben Typs nach Zielen, Akzenten von Forschung und Studienangeboten, Qualität, Reputation usw.;  Strukturelemente von Studiengängen, so zum Beispiel die erforderliche Studiendauer, formelle Stadien innerhalb eines Studiengangs, Möglichkeiten des Übergangs zu anderen Studiengängen, Verläufe der Leistungsbewertung, Art der Studienabschlüsse sowie Stufenordnungen von Abschlüssen;  Zugang und Zulassung zum Studium und deren Beziehung zu anderen Strukturmerkmalen von Studiengängen (Teichler 1990: 23). Die Programmdifferenzierung bezieht sich auf institutionelle Unterschiede im Angebot sowohl von Lehr- und Forschungsprogrammen als auch von Dienstleistungen. Innerhalb eines Hochschulsystems können mehrere unterschiedliche Hochschultypen nebeneinander bestehen, die verschiedene Ausbildungsprogramme anbieten. Im Vergleich dazu können formal vereinheitlichte Systeme aus Hochschulen bestehen, die sowohl bezüglich der Lehre als auch der Forschung sehr unterschiedliche Aufgaben bewältigen (z. B. Fachhochschule und Universitäten). Derartige Programmvielfalt sei – nach Goedegebuure et al.– insbesondere im privaten Hochschulsektor vorhanden (Goedegebuure et al. 1993: 387). Trotz gleicher rechtlicher Stellung und ähnlicher Führungsstrukturen, bestehe „hier eine große Vielfalt hinsichtlich des Niveaus und Typus“ der jeweiligen Ausbildungsprogramme“ (ebd.). Die Hochschulforscher, wie Goedegebuure, Kaiser, Teichler usw., sind sich einig, dass es eine Wechselwirkung zwischen Programm- und Systemdifferenzierung gibt, die die Stabilität des Hochschulsystems mit beeinflusst. Um die Stabilität des Systems zu gewährleisten, wird die staatliche Hochschulpolitik bei der Programmdifferenzierung in Erwägung gezogen und auch für notwendig erachtet: „Soll jedoch ein ‚upward academic drift‘ hinsichtlich von Typus und Niveau der Bildungsangebote zwischen einzelnen Sektoren innerhalb formal differenzierter Systeme verhindert werden, bedarf es einer eindeutigen staatlichen Hochschulpolitik, welche dieses unterbindet“ (ebd.). Im Zusammenhang mit neueren Hochschulentwicklungen, wie Unterfinanzierung, Wettbewerbsfähigkeit und Ausdifferenzierung usw., gewinnt dieser Standpunkt der staatlichen Steuerung besondere Beachtung, da dieses auf die Rolle und Funktion der „staatlichen Hochschulpolitik“ zielt, die sich seit den Konvergenzbestrebungen im Zuge des Bologna-Prozesses verändert (siehe dazu Punkt 3.5.1 in diesem Teil (Teil I). Im Folgenden wird die These, dass die Differenzierung als stabilisierender Faktor in den Hochschulsystemen auftritt, dargestellt. Da die Differenzierung der nationalen 73 Hochschulsysteme im Zuge der Konvergenzbestrebungen des Bologna-Prozesses Einbußen erleiden könnte, gewinnt die These „Differenzierung als stabilisierender Faktor“ an Bedeutung. 4.2.3 Differenzierung als stabilisierender Faktor der nationalen Hochschulsysteme Mit Hilfe biologischer Metaphern bekräftigt Birnbaum, dass die Differenzierung „zur Stabilität, die das System selbst schützt“, beiträgt (Birnbaum 1983, zitiert nach Goedegebuure et al. 1993: 380). Demnach muss eine Artenvielfalt erhalten werden, um die speziellen Funktionen zu sichern, von denen das System abhängt, und um somit den unvorhergesehenen Zusammenbruch des Systems zu verhindern, falls ein entscheidendes Element dieses Systems entfernt wird. Systemevolution vollzieht sich, indem Organisationen die ihren Ressourcen entsprechende Nischen suchen; „diejenigen, die am besten in solch eine Nische passen, überleben“ (ebd.). Hier wird die Differenzierung des Hochschulsystems als Notwendigkeit betrachtet. Goedegebuure et al. weisen auf die Möglichkeit hin, den „Schlüssel zur Stabilität innerhalb differenzierter Hochschulsysteme in der Legitimierung der Rollen und Aufgaben verschiedener Hochschultypen zu suchen“ (Goedegebuure et al. 1993: 383). Dazu wird formuliert: „Hinsichtlich des Legitimationsproblems sind zumindest zwei Aspekte zu berücksichtigen: zum einen das institutionelle Eigeninteresse im Zusammenhang mit der Verteilung begrenzter finanzieller Ressourcen, zum anderen die Durchlässigkeit der Grenzen zwischen den unterschiedlichen Hochschultypen“ (ebd.). Durch die Einführung der gestuften Studienstruktur in den Bologna- Unterzeichnerstaaten wird die Durchlässigkeit gewährleistet. Das heißt aber auch zugleich, dass stratifiziert wird. Die „interne Vielfalt des Hochschulbereichs“ wird als Grund für die Stabilität des Systems angesehen (ebd.: 380). Nach Goedegebuure et al. führt die Arbeitsteilung im Hochschulbereich, die „auf Fachwissen und Expertise“ basiere, zur Vielfalt und strukturellen Differenzierung, die das System im Gleichgewicht halte (ebd.). Die Folge dieser These für den „Europäischen Hochschulraum“ wird sein, dass die Arbeitsteilung der Hochschulen nicht mehr einen nationalen Rahmen hat, sondern eine Differenzierung auf der supranationalen Ebene bedeutet. Dazu stellen Goedegebuure et al. fest: „In diesem Kontext noch bedeutsamer ist die Tatsache, dass den durch zunehmende Professionalisierung und Spezialisierung innerhalb des 74 Hochschulbereichs entstandenen Zwängen und Konflikten mit verstärkter Differenzierung – und nicht mit Vereinheitlichung – begegnet wurde“ (ebd.). Im Hinblick auf die Konvergenzbestrebungen der Nationalstaaten hin zu einem gemeinsamen Hochschulraum bedeutet dies, dass der Prozess der Konvergenzbestrebungen nicht lange anhalten, sondern die Differenzierung bald einsetzen könnte (ebd.: 380). So werden im Folgenden die supranationalen Konvergenzbestrebungen im Rahmen des Bologna-Prozesses analysiert, um die Tendenzen der neueren Differenzierung aufzeigen zu können. 4.3 Supranationale Konvergenzbestrebungen und nationale Differenzierungen im Kontext des „Europäischen Hochschulraums“ Die Harmonisierung des Hochschulwesens wurde von den politischen Akteuren der EU- Mitgliedsländer bis Mitte der 1990er Jahre abgelehnt (Kehm 2001: 83). Anfang des neuen Jahrhunderts hingegen bestand eine größere Bereitschaft der EU-Mitgliedsländer zur gegenseitigen Annäherung. Im Prozess der EU-Harmonisierung sieht Teichler die „hohe Homogenität in der Zielvorstellung“ der beteiligten Akteure und die weitverbreitete Meinung „je homogener desto besser“ (Teichler mündliche Mitteilung im Kolloquium SS 2002 an der Universität Kassel). Hierbei werde die Grundlogik angepasst, minimaler formaler Konsens fände statt (Teichler Kolloquium SS02). Harmonisierung bedeute „Ähnliches zu akzeptieren“ oder, nach Bennet, „becoming more alike“ (Bennet 1991: 219), wobei eine Standardisierung eingesetzt werde, die einen Konsens auf den kleinsten Nenner bedeute (Teichler Kolloquium SS 2002). Die Einführung von Standards heiße für die jeweiligen nationalen Hochschulsysteme Umstellung, Reform und Neustrukturierung. Dazu kämen dem Staat als Akteur der Hochschulpolitik neue Aufgaben zu (ebd.). Gegenwärtig steht die supranationale Konvergenzbestrebung im Vordergrund der Hochschulentwicklungen in den Unterzeichnerstaaten des Bologna-Prozesses. Das Neavesche Pendel befindet sich zurzeit auf der Konvergenz-Seite, wann es zur anderen Seite ausschlagen wird, ist noch nicht genau zu bestimmen, aber die internen und externen Differenzierungs- und Diversifizierungsdynamiken werden die eigentliche Hochschulentwicklung ausmachen. Heute sind bei den internen Differenzierungs- und Diversifizierungsdynamiken die finanziellen Rahmen der Hochschulen eingeschränkter, extern sind die Konvergenzbestrebungen vorherrschend. Die Vorzüge eines konvergenten supranationalen Hochschulraums wären die folgenden:  Innerhalb des Raums nimmt die Vergleichbarkeit von Qualität und Leistungen zu. Die Transparenz und die Mobilität werden erhöht. 75  Neue Orientierungsebenen bieten sich für die nationalen Hochschulen, Studierenden, Wissenschaftler und Hochschuladministration an.  Ähnliche Probleme der nationalen Hochschulsysteme können in einem größeren Rahmen diskutiert werden, werden aber nach wie vor national gelöst. Der Antrieb für die supranationale Konvergenz kommt aus den Kooperations- und Verhandlungssystemen. Dieses Phänomen wird im Folgenden aufgegriffen. 4.3.1 Kooperations- und Verhandlungssysteme als Antrieb zu supranationalen Konvergenzbestrebungen Das Zusammenkommen und der Beginn der Institutionalisierung des Bologna- Prozesses, wie bereits in Kapitel 3.2. in diesem Teil aufgezeigt, signalisieren einen neuen Charakter der internationalen hochschulpolitischen Kooperation. Der neuere Prozess der Institutionalisierung erfolgt auf der Ebene des Zusammenbringens von verschiedenen autonomen Subsystemen der modernen differenzierten Gesellschaften. Nach der Systemtheorie sind diese Subsysteme, wie Recht, Politik, Wirtschaft usw., durch eine bestimmte Funktionslogik gekennzeichnet (Pellert 1999: 37). Die Funktionslogik der Subsysteme bildet sich durch die Selektion im Strom der gesellschaftlichen „Kommunikationen“, die „nur bestimmte Informationen und Aktivitäten heraushören, um diese dann aber sehr effizient zu verarbeiten“ (ebd.). Die Funktionslogik im Kontext des Subsystems „Wissenschaft“ wäre die Bereitstellung bzw. Erzielung von neuem Wissen (ebd.). Nach Pellert greift die neuere Systemtheorie, die diese Informationsverarbeitungsprozesse als „binäre Codes“ der Subsysteme, wie in der Wirtschaft „zahlen/nicht zahlen“, in der Wissenschaft „wahr/nicht wahr“ etc., bezeichnet, zu kurz. Pellert verweist auf die Vielzahl von entsprechenden Organisationen, die die gesellschaftlichen Subsysteme bei der Ausführung „ihrer systemspezifischen Funktionen“ unterstützen und „bestimmte Leistungen für andere Subsysteme“ erbringen (ebd.). So bilden sich „hochspezialisierte Organisationen“, die sich aus der zunehmenden Komplexität der Gesellschaft begründen. Demnach werden Organisationen bzw. Institutionen in komplexen Gesellschaften zur Unterstützung und Verwirklichung von spezifischen Funktionen für andere Subsysteme gegründet. Luhmann beschreibt die zunehmende Komplexität der Gesellschaften mit dem gleichzeitigen Wachstum von mehr Abhängigkeit und zugleich mehr Unabhängigkeit. Nach Luhmann entwickeln die spezifischen Subsysteme universelle Ansprüche (Luhmann 1995: 12): „Sie weiten ihren Wahrnehmungshorizont immer weiter aus und schließen immer mehr ihre spezialisierte Funktionslogik ein: Es gibt eine 76 Allzuständigkeit der Politik für alles, was sie politisieren kann. Es gibt eine Allzuständigkeit der Wirtschaft für alles, was man für Geld bekommen kann“ (ebd.). Pellert sieht in diesen systemtheoretischen Betrachtungen, dass ein Bild einer Gesellschaft gezeichnet wird, „die sich zu reproduzieren versucht, indem sie sich in Teilsysteme aufsplittert – ausdifferenziert –, die relativ autonom und auf kein Zentrum hin orientiert sind“ (Pellert 1999: 38). Durch die Differenzierung der Teilsysteme sind sie nicht mehr von einem Punkt aus steuerbar (ebd.). Diese Betrachtungsweisen sind im Kontext der Nationalstaaten gebildet worden. Was wir aber derzeit durch die Globalisierung, Internationalisierung und Europäisierung erleben, ist die Ausdifferenzierung von neueren Organisationen auf der supranationalen Ebene, die nach wie vor spezielle Funktionen in den Nationalstaaten übernehmen, aber zugleich neuere Funktionslogiken entwickeln. Im Bereich der Umwelt wurde das Phänomen der Selbstverpflichtung und Kooperation in Verhandlungssystemen auf der transnationalen Ebene analysiert. In der Hochschulforschung wurde die Komplexitätszunahme im Politikfeld Hochschule bereits von Kehm (2001) und Hahn (2004: 70ff.) untersucht. Wenig erforscht ist hingegen die Etablierung von internationalen Verhandlungssystemen in der Hochschulpolitik. Hier können erste Beobachtungen aufgezeigt und die dazugehörige Literatur zitiert werden. Die empirische Untersuchung dazu steht jedoch noch aus; sie kann im Rahmen dieser Arbeit nicht geleistet werden. Eine Zunahme der Rollen und der Funktionswandel der Nationalstaaten in der Hochschulpolitik, der seit der Mitte der 1990er Jahre verzeichnet wird, fanden durch den Bologna-Prozess in allen Nationalstaaten verstärkt statt. Die gängige Form des Beziehungsgeflechts Staat, akademische Oligarchie und Markt bzw. Clarks (1983) Triangel wurden von van der Wende (1997) durch die Hinzufügung von „internationale Kontexte“ in weiteren Dreiecksformen an jeder Seite aktualisiert. Kehm und Pasternack entwickelten ein weiteres geometrisches „bipolares Sechseck“ heraus (Kehm/Pasternack 2001: 222f.). Nach Kehm/Pasternack haben sich durch die Erweiterung des Clark‘schen Dreiecks die Relationsbeziehungen innerhalb der Kraftzentren „verfünfzehnfacht“, was die gestiegene Komplexität im Hochschulsektor widerspiegelt (Kehm/Pasternack 2001: 219ff.). Wenn der steigende Einfluss des Bologna-Prozesses in die Kraftzentren der nationalen Hochschulsysteme integriert wird, so können wir eine Verschiebung und Bündelung von „Kräften“ beobachten. Derzeit findet ein „Zusammenrücken“ der supranationalen Autorität, der internationalisierten Märkte und der einzelstaatlichen Autoritäten statt, die einen Konsens um eine gemeinsame Gestaltung des Europäischen Hochschulraums gefunden haben. Die akademische Oligarchie, die Hochschulen und 77 der nichtmonopolisierte nationale Markt werden in die Verhandlungen auf der Basis von Vertretungen einbezogen. Die Politiker der Nationalstaaten geben ihre alleinige Steuerungsmacht ab. Die Rolle der Nationalstaaten verändert sich durch den Anpassungsdruck der globalisierten Wirtschaft und Gesellschaft, so dass die „zentralstaatlichen Regierungen erheblich[e] Einbußen bezüglich ihrer bisherigen hervorgehobenen Rollen hinnehmen“ müssen, was auch für die Hochschulpolitik zutrifft (Blatter 2000: 17). Wenn wir uns in Erinnerung rufen, dass die Bologna-Erklärung auf der Regierungsebene beschlossen wurde und dass sie nicht von einer Organisation oder Institution ausging, sondern in Konsensverfahren ausgehandelt wurde, so beobachten wir den Prozess des Übergangs von harten zu weichen Steuerungsmechanismen, der von Lompe et al. wie folgt beschrieben wurde: „Als eine Form der Anpassung staatlichen Handelns wird die partielle Umstellung auf weiche Steuerungsmechanismen, insbesondere durch die Nutzung von Aushandlungsprozessen, gefordert“ (Lompe et al. 1996: 31). Ein Legitimitätswandel der nationalen Hochschulpolitik und -politiker findet statt. Was zugleich mit diesem Prozess einhergeht, ist die Handlungsfähigkeit der Hochschulpolitiker. Fernab von Verallgemeinerungen zeigen sich zwei Seiten der Handlungslegimität der nationalen Hochschulpolitiker auf: Erstens, der inländische Reformstau kann in Verbindung und in Verpflichtung mit dem Transnationalen beschleunigt und überwunden werden. Zweitens können die nationalstaatlichen Interessen in die Verhandlungen eingebracht werden. In diesem Zusammenhang werden in der Literatur Bedingungen ausgearbeitet, die ein erfolgreiches Verhandlungssystem ermöglichen. Diese sind (ebd.: 54):  Verhandlungsbereitschaft (Kompromissfähigkeit);  gemeinsame Orientierung;  Vermittlung (Mediation) bei konflikthaften Aushandlungen;  Verpflichtungsfähigkeit der Akteure (Verbindlichkeit der Ergebnisse);  angemessene Verteilung des Kooperationsgewinns „Vorteile für alle“;  konstante Beteiligung;  Ergebnisoffenheit (ausgewogene Machtverteilung);  differenzierte Beteiligungsmöglichkeiten. Nach Lompe hängt der Erfolg der Verhandlungen erstens davon ab, ob die Verhandlungen demokratisch legitimiert sind und zweitens, ob die den größten gemeinsamen Nutzen aller involvierten Akteure sicher erzielen können (vgl. ebd.: 54f.). 78 Da die Verhandlungen und Beratungen im Rahmen des Bologna-Prozesses bisher noch auf der Basis eines Minimalkonsenses verlaufen, hat der Bologna-Prozess gute Chance einen Rahmen für ein handlungsfähiges internationales Verhandlungssystem zu bilden. In dem veränderten Diskurs der hochschulpolitischen Akteure stellen Kehm/Pasternack fest, dass die Herstellung eines Minimalkonsenses der beteiligten Hauptakteure für die Funktionsfähigkeit des Hochschulsystems unabdingbar sei. Dazu fassen sie drei „systemische Funktionslogiken“ zu einem diskursiven Operationsschema zusammen: erstens die hierarchische Selbststeuerung, zweitens die staatliche Rahmensteuerung und drittens die wettbewerbliche Marktsteuerung (Kehm/Pasternack 2001: 236). Dies wäre mit einem vierten Punkt der supranationalen Vorgabensteuerung zu ergänzen. Dabei ist zu beachten, dass die Institutionalisierung des Bologna-Prozesses sich nicht unabhängig von den anderen supranationalen Organisationen und Vereinigungen, wie WTO, OECD, Weltbank, EU usw. entfaltet und gestaltet. Die supranationalen Konvergenzbestrebungen basieren auf Differenzierungen und Diversifizierungen der Nationalstaaten, die im folgenden Kapitel in Zusammenhang gesetzt werden sollen. 4.3.2 Nationale Differenzierung bzw. Diversifizierung und supranationale Konvergenzbestrebungen im Kontext des „Europäischen Hochschulraums“ Die supranationalen Konvergenzbestrebungen führen in den europäischen Ländern zur veränderten Rolle der Nationalstaaten in der Hochschulpolitik (Teichler 1996, Hahn 2004). Dadurch erweitert sich der Referenzrahmen der nationalen Hochschulsysteme und die Europäisierung setzt ein. Das führt wiederum zur strukturellen Konvergenz und Harmonisierung (Hahn 2004: 67f.) auf der Grundlage der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Hochschulen. Dieses soll im Folgenden dargestellt werden. 4.3.2.1 Veränderte Rolle der Nationalstaaten im Zuge der Europäisierung Der von Teichler konstatierte Denationalisierungsprozess der Hochschulen wird durch den „Europäischen Hochschulraum“ verstärkt. Nach Hahn sind die Ursachen der „Denationalisierung“, der „Entgrenzung staatlicher Bildungspolitik“ und die „Demonopolisierung traditioneller (d. h. staatlicher) Hochschulen“ neben der Europäisierung die Globalisierung (Teichler 1996: 356 u. Hahn 2004: 53). Dadurch erhalten die Hochschulen der Unterzeichnerstaaten selbst einerseits eine aktivere Rolle und die Möglichkeit, neue Freiheiten zu gestalten, andererseits schränken neue Faktoren 79 die Gestaltung der Hochschulen ein. Neue Aufgabenteilung und Verantwortlichkeiten ergeben sich für die nationalen Hochschulpolitiken. „Mit dem ‚Ende der Nationalstaaten‘ – womit ja nicht deren tatsächliches Verschwinden, sondern ihre irreversible Funktionsreduzierung zu bloßen Garanten juristisch-stabiler Räume für Verwertungsbedingungen gemeint ist – bekommt diese Paradoxie allerdings eine neue Dynamik“ (Ribolits 2003: 3). Die Bedeutung des Rollenwandels für die Konkurrenz und Gesellschaft: Im Gemenge dieser Merkmale ist die Aufweichung und die veränderte Rolle der Nationalstaaten zu beobachten (van Vught et al. 2002: 104). Die neuere Form der grenzüberschreitenden Hochschulangebote trägt ihren Beitrag zur veränderten Rolle der Nationalstaaten bei (Teichler 1996: 435 zitiert nach van der Wende 2001: 433).29 Nach Pellert wird damit jedoch mit allen Möglichkeiten der Intervention die Eigendynamik der Subsysteme unterbunden, somit würde der „Gesamtsinn“ durch die Abschottung verloren gehen (Pellert 1999: 38). Was unter „Gesamtsinn“ verstanden wird, ist nach Pellert nicht bestimmt. Der Gesamtsinn, was es auch sein mag, müsste eigentlich etwas Dynamisches sein, welches nach den Kräfteverhältnissen der anderen Teilsysteme variiert. Mit der Verpflichtung zur Umsetzung der Bologna-Einigungspunkte verändert sich die Rolle der nationalstaatlichen Regelungen. Die unterschiedlichen Zuständigkeiten in den Unterzeichnerstaaten geben die Impulse. Die neue Rolle und Funktion der nationalstaatlichen Zuständigkeiten kann als „Verwaltungsbehörde der Hochschulen“ bezeichnet werden. So wie in allen Verwaltungseinheiten gibt es in diesem Bereich der Verwaltung große Unterschiede bei der Implementierung und Formulierung in die nationalstaatlichen Geschichten und Kulturen (siehe Teil III). 4.3.2.2 Strukturelle Konvergenz und Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit Die Einigung auf die strukturelle Angleichung und Annäherung der europäischen Hochschulen basiert auf dem Minimalkonsensprinzip, aber trotzdem scheint am Beispiel Deutschland, dass die Nationalstaaten viele unterschiedliche eigene Interpretationen bei der Implementierung einbringen.30 Die „Bologna-Erklärung“ wird als Konsequenz und auch als Unterstützung im Prozess der Integration in die europäische Hochschulbildung gesehen (Haug und Tauch 2001: 29 Siehe dazu Kapitel 1.1.3. in diesem Teil. 30 Der Begriff und die Art der Studieneinheiten aus den anglo-sächsischen Studien am Beispiel der Modularisierung, die in Deutschland als eine Umsetzungsverpflichtung deklariert wird, macht Rehburg deutlich, dass diese Forderung in der Bologna-Erklärung nicht zu finden sei (vgl. Rehburg 2002). 80 3). Schwierigkeiten und mehrere Einigungshindernisse könnten nach der strukturellen Angleichung auftreten, da die Einigung zu einem Europäischen Hochschulraum nicht den Binnenwettbewerb aufhebt. Was sich derzeit abzeichnet, sind die strategischen Allianzen innerhalb des Bologna-Prozesses, wie bereits angesprochen, die nordischen und baltischen Universitätsvereinigungen. Eine Binnendifferenzierung ist erkennbar, die im Falle von steigenden divergierenden Interessen zur Reformmüdigkeit in den Nationalstaaten führen könnte. Verschiedene Ursachen könnten diesem vorausgehen, möglicherweise wären dies hauptsächlich die mangelnden finanziellen Mittel sowie hochschulpolitische Durchsetzungsvermögen. Im Falle einer Ausweitung der Binnendifferenzierung könnte dies zur Bildung von Kern- bzw. Peripherieländern führen. Dieser Prozess wird sich nach der EU-Erweiterung noch verstärken, da nicht alle EU- Mitgliedsländer das prophezeite Wirtschaftswachstum erbringen können. Der Grund dafür liegt in der weltweiten Wirtschaftskrise. Es gibt keine neu erschlossenen Märkte, sondern es findet eine Umverteilung innerhalb der vorhandenen Märkte statt. Die in Kapitel 1 dieses Teils (Teil I) dargestellten veränderten externen Rahmenbedingungen bringen den europäischen Hochschulen neue Herausforderungen, die von den supranationalen Akteuren der Hochschulpolitik an sie herangetragen werden. Die Hochschulen der Nationalstaaten können und werden aufgrund der finanziellen Zwänge vieles nicht umsetzen können. Sie haben nicht die freie Wahl in einem System, dessen ökonomische Vorgaben zugleich an politische geknüpft sind. In diesem Prozess der Veränderungen geht es in erster Linie um den Wettkampf auf dem expandierenden Weltbildungsmarkt, wo die „großen“ Industriestaaten in Konkurrenz zueinander treten. Dieser Konkurrenzkampf wird derzeit hauptsächlich zwischen den USA, Neuseeland, England und Kanada geführt. Diese Konstellation soll in Zukunft durch den Zusammenschluss der „europäischen“ Hochschulen aufgebrochen werden. Wie bereits oben gezeigt, sollen die europäischen Hochschulen ihre Wettbewerbsfähigkeit auf dem internationalen Bildungsmarkt verbessern. Dazu wurden in letzter Zeit die Abschlussarten restrukturiert, die englischsprachigen Studienangebote erhöht, neuere Formen von Hochschulen etabliert, und auch private Hochschulanbieter nehmen neben den traditionellen Hochschulen ihren Platz im Bildungswettkampf ein (Green et al. 2002: 13). Die „europäischen Hochschulen“, die durch verschiedene hochschulpolitische Aktivitäten vermehrt auf dem Weltmarkt als eine Einheit auftreten möchten, stehen vor externen und internen Herausforderungen. 81 Außerdem wird die Bologna-Erklärung in einer Phase der Zunahme der „liberalisation of international higher education markets in order to enable free cross-border trade in educational services“ unterzeichnet (van Vught et al. 2002: 103). Dazu nehmen van Vught et al. weiter Stellung: „Self-evidently, if such a convergence of systems is to be achieved, more co- operation will be required between countries. And although the ultimate ration- ale may be enhancing international competitiveness, in line with continental European traditions the Bologna Declaration stays clear of a market or trade per- spective and calls its ultimate aim a ‚European higher education space‘“ (van Vught et al. 2002: 108/109). Der Anspruch bei den neueren Entwicklungen ist, die strukturelle Konvergenz durch den Bologna-Prozess zu erzielen, um im Europäischen Hochschulraum transparentere Hochschulstrukturen zu erlangen. Gleichzeitig aber wird der Anspruch erhoben, die Differenzen und Divergenzen aufrechtzuerhalten, weil diese für ein stabiles System als notwendig erachtet werden. Hier liegt die Dynamik der Entwicklung und auch der Debatten über die hochschulpolitischen Handlungen. Es mag widersprüchlich erscheinen, dennoch bilden die Pole Konvergenz und Differenzierung eine Einheit in einem Ganzen. Sie bedingen sich gegenseitig. Sie sind aber auch nicht unabhängig von externen Faktoren. Der Anspruch, Konvergenz- und Differenzierungsprozesse gleichzeitig zu realisieren, ist der Grund für einen tief greifenden Transformationsprozess der nationalen Hochschulsysteme im Zuge der Europäisierung. Wenn auch der Bologna-Prozess als ein Konvergenzprozess angesehen wird, so ist er zugleich auch ein Differenzierungsprozess. Beide Prozesse unterliegen aber nicht einer Schicksalhaftigkeit, sondern sie sind der Ausdruck von Zusammenspiel der Kräfte. In der Wechselwirkung von Konvergenz und Differenzierung liegt die Möglichkeit zu Veränderungen. Die Frage ist zu stellen, ob der Bologna-Prozess eine Konsequenz der modernen Hochschulsysteme ist. In jedem Falle ist er mit einer Vielzahl von Chancen, Möglichkeiten und Risiken verbunden. Was könnten die unbeabsichtigten Konsequenzen sein?  Transnationaler Veränderungsdruck kann in Anbetracht der zu leistenden Aufgaben und der sinkenden Finanzierung der Hochschulen zur Überforderung aller Hochschulen führen, die eine bestimmte Aufgabe in ihren Regionen erfüllen.  Die Funktionen und die Rolle von EUA, ESIB usw. könnten gestärkt werden. Verhältnismäßig neu ist die Diskussion, die von Pasternack und Kehm eingebracht wurde, über „Hochschulreform als Komplexitätsproblem“, die im Zusammenhang mit 82 der Ausdifferenzierung steht (Pasternack und Kehm 2001: 24). Die Komplexitätsforschung basiert auf der „Theorie der Selbstorganisation“ und kommt aus der Organisationsforschung. Im Zuge des Bologna-Prozesses bietet das Thema der Komplexität, Komplexitätsreduktion und Komplexitätserhöhung, einen weiteren Aspekt, über die neueren Veränderungen an den europäischen Hochschulen zu debattieren. So wird im Folgenden das Thema der Komplexität in der Hochschulforschung – in Anlehnung an Pasternack und Kehm – veranschaulicht. 4.4 Neuere Debatten in der Hochschulforschung: Komplexität und Ausdifferenzierung Der Begriff „Komplexität“ wird – wie in allen anderen Wissenschaftsbereichen – neuerdings auch in der Hochschulforschung verwendet. Hierbei ist die Rede von der Komplexitätsreduktion oder Komplexitätserhöhung. Pasternack und Kehm formulieren das Thema der Komplexität in Zusammenhang mit den gesellschaftlichen Anforderungen an die Hochschulreformen (Pasternack und Kehm 2001: 24). Die Definition des Begriffs erfolgt über den Entstehungsprozess. Demnach wird laut Pasternack und Kehm von Komplexität gesprochen, wenn die „Abgrenzung von der Umwelt einerseits und Ausdifferenzierung andererseits“ gegeben sind (ebd.: 25). Nach Luhmann ist die Komplexität „die Einheit einer Vielheit“ (Luhmann 1998: 135f., zitiert nach ebd.). Die Zusammenführung beider Aussagen ergibt nach Pasternack und Kehm folgende Synthese: „Die Abgrenzung zur Umwelt sichert die Handlungsfähigkeit durch Einheit, die Ausdifferenzierung erhöht die Leistungsfähigkeit durch interne Vielheit“ (Pasternack/Kehm 2001: 25). Nach Luhmann kann aber erst dann von Komplexität gesprochen werden, „sobald eine Auswahl aus möglichen Verknüpfungen nötig ist, wenn also nicht mehr jedes Element mit jedem anderen verknüpfbar ist (Luhmann 1998: 137, zitiert nach Pasternack 2004: 441). In den „einfacheren Beschreibungen“ – so Pasternack und Kehm – werde die Komplexität als ein System aus mehreren Elementen und deren Relationen verstanden, in „ambitionierteren Beschreibungen“ hingegen werde „dies ergänzt durch qualitative Verschiedenheiten und die Zeitdimensionen“ (Pasternack und Kehm 2001: 25; Pasternack 2004: 90). Wilke fasst die einzelnen Definitionen markant zusammen: „Komplexität bezeichnet den Grad der Vielschichtigkeit, Vernetzung und Folgelastigkeit eines Entscheidungsfeldes“ (Wilke 1987: 16, zitiert nach Pasternack 83 und Kehm 2001: 25) Die Einzelheiten werden von Pasternack und Kehm wie folgt von Wilke zitiert:  Vielschichtigkeit bezeichnet den Grad der funktionalen Differenzierung eines Sozialsystems und die Zahl der bedeutsamen Referenzebenen – z. B. Individuum, Gruppe, Organisation;  Vernetzung heißt Art und Grad wechselseitiger Abhängigkeit zwischen Teilen sowie zwischen Teil und Ganzem;  Folgelastigkeit meint Zahl und Gewicht der durch eine bestimmte Entscheidung in Gang gesetzten Kausalketten oder Folgeprozesse;  der Begriff Entscheidungsfeld weist darauf hin, dass es keine Komplexität an sich gibt, sondern nur in Hinsicht auf ein bestimmtes Problem, welches für ein bestimmtes System in einer bestimmten Situation Selektionen erfordert.“ (Pasternack/Kehm 2001: 25). Die Autoren Pasternack und Kehm betonen zugleich – in Anlehnung an Luhmann –, dass die Komplexität eine Konstruktion sei, d. h. sie ist „ein Problem von sozialen Akteuren“ und meinen dazu: „Diese identifizieren aufgrund von Bedürfnissen, sinnhaften Orientierungen o.ä. ein Problem und beobachten im Zusammenhang damit Komplexität. Das heißt: Komplexität ist keine Erfindung, sondern schon real vorhanden, sie ist ‚die Art und Weise, wie die Welt mit sich selbst umgeht‘ (Beacker 1999: 169); doch muß sie, um erkannt zu sein, reflektiert werden: ‚Nicht an der Welt, sondern an ihrem Beobachter … gibt sich die Komplexität zu erkennen.‘ (ebd.: 173)“ (Pasternack und Kehm 2001: 26). So entsteht so oder so „‚je nachdem, in welcher Weise der Beobachter die Einheit einer Vielheit in Elemente und Relationen auflöst‘ (Luhmann 1998: 138) und ‚der Beobachter ist definiert durch das Schema, das er seinen Beobachtungen zugrunde legt, also durch die Unterscheidungen, die er verwendet‘ (ebd. 144)“ (ebd.: 26). In der Organisationssoziologie wird das Thema in Zusammenhang mit der Reduktion bzw. mit der Erhöhung der Komplexität gebraucht. So ist in der Habilitationsschrift von Pasternack zu lesen, dass die Reduktion der Komplexität zunächst zu einer Steigerung der Komplexität führt und erst in einem zweiten Schritt eine Komplexitätsreduktion stattfindet. Dieses könnte man auch den unorganisierten Übergang von einem geordneten Zustand zu einem neuen Zustand nennen. Zur Komplexitätsreduktion und - steigerung sagt Luhmann: „Die Reduktion von Komplexität führt zur Steigerung der Komplexität: evolutionäre Errungenschaften oder ‚konsolidierte Gewinne‘ (etwa das Auge, Geld oder Telekommunikation) reduzieren Komplexität, ‚um auf der Basis der Restriktion höhere Komplexität organisieren zu können (…)“ (Luhmann 1998: 506f.). „(…) Die Steigerung von Komplexität bedeutet Steigerung der kombinatorischen Möglichkeiten, d. h. eine Erweiterung des Möglichkeitsfeldes: „Erst wenn man städtische Ämter schafft, um die Könige loszuwerden, muß man als Konsequenz die Ämterbesetzung 84 politisieren und dazu Bedingungen schaffen, die später als „Demokratie“ gefeiert werden“ (Luhmann 1998: 507f., zitiert nach Kehm/Pasternack 2001: 27). Die gesteigerte Komplexität ermöglicht die „Steigerung der kombinatorischen Möglichkeiten, d. h. Erweiterung des Möglichkeitsfeldes“ (Pasternack 2004: 444). Eine Frage in diesem Zusammenhang ist, ob die Erneuerungen akzeptiert werden. Dazu meint Luhmann: Die „Neuerungen müssen passfähig zur umgebenden Komplexität sein, denn funktionale Differenzierung geht mit wachsenden Interdependenzen einher“ (ebd. 508). (Pasternack/Kehm 2001: 26f.). Pasternack betont in diesem Zusammenhang die „soziale Akzeptanz“ und folgert „(…) falls die soziale Akzeptanz gegeben ist, so ist die Informations- und Problemverarbeitungskapazität des Systems nicht überfordert“ (Pasternack 2004: 444). Die Forderung von Pasternack nach „intelligente[r] Komplexitätsreduktion“ würde die Nicht-Überforderung der „sozialen Akzeptanz“ bedeuten. Dazu Pasternack: „Benötigt wird ein auf intelligente Weise Komplexität reduzierendes Prinzip, das höhere Komplexität ermöglicht. Intelligente Komplexitätsreduktionen minimieren die gegebene Vielfalt so, dass auf dieser Grundlage neue Vielfalt entstehen kann“ (ebd.). Im Zuge des Bologna-Prozess wird der Begriff Komplexität im Zusammenhang mit der Komplexität des Systems genannt. Die Komplexität des europäischen Hochschulsystems spiegelt sich m. E. zum Teil in Trends II und III wider. Der Grad der Vielschichtigkeit, Vernetzung und Folgelastigkeit eines Entscheidungsfeldes – mit Wilke gesprochen – wird angerissen und auf die verbleibenden Risiken verwiesen.31 Die Kritiken und die Verweise auf die verbleibenden Risiken kommen aus der Perspektive der Hochschulvertreter, d. h. der unmittelbar in die Implementation Involvierten bzw. zum Teil Betroffenen. Die Folgelastigkeit bzw. der Folgeprozess der Bologna- Reformen wurden bis jetzt auf der Seite der positiven Entwicklungen in den jeweiligen Bologna-Ländern dargestellt; aber auf der Seite der nicht erwünschten Folgeprozesse bzw. Kausalketten gibt es wenige Informationen. Die Diskussionen um das Thema der Komplexität im Hochschulwesen sind derzeit nicht weiter vertieft. Aber wie im Teil III und dem Schlussteil zu entnehmen sein wird, fließt das Thema vereinzelt immer wieder in die Debatten mit ein. Im Folgenden wird der Teil I zusammengefasst und die wichtigsten Erkenntnisse in Form von Schlussfolgerungen gebündelt. 31 Siehe dazu Reichert und Taug 2003: 16. bzw. siehe Salamanca-Konvention. 85 5. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen zur Europäisierung der Hochschulen im Spannungsfeld von Konvergenz und Abgrenzung Die nationalen Hochschulsysteme in Europa stehen vor neuen Herausforderungen wie die Internationalisierung durch grenzüberschreitende Kooperation, die Europäisierung durch die strukturelle Konvergenz und die Globalisierung durch Ökonomisierung. Von einem Paradigmenwechsel ist die Rede bezüglich der Notwendigkeit der Veränderungen an den europäischen Hochschulen. Der Paradigmenwechsel ist durch die zunehmenden grenzüberschreitenden Aktivitäten der Hochschulen gekennzeichnet, also der Fortführung der Tradition der Internationalisierung auf einer höheren Stufe, die organisierter und strukturierter verlaufen soll. Das Phänomen der Globalisierung, welches im Bereich der Hochschule vor allem mit Marktsteuerung, transnationalen Angeboten von Studienprogrammen und mit kommerziellem Wissenstransfer in Verbindung gebracht wird, trägt zu Veränderungen an den Hochschulen bei. In diesem Zusammenhang tritt die Europäisierung der Hochschulen vermehrt in den Vordergrund. Die Diskussion um die Europäisierung der Hochschulbildung wird von ineinander übergreifenden Erklärungsansätzen geleitet. Die Argumentationen verlaufen von der Betonung der Notwendigkeit der Europäisierung der Hochschulen durch den Internationalisierungsdruck bis zur Hervorhebung der weltweiten Ökonomisierung der Hochschulausbildung, die den Wettbewerb und die Erschließung von Bildungsräumen als Motor für einen Zusammenschluss zu einem Europäischen Bildungsraum ansehen. Durch die Unterzeichnung der Bologna-Erklärung im Jahre 1999 durch die 29 europäischen Bildungsminister begann sich der Europäische Hochschulraum zu entwickeln. In Prag (2001) wurde der Europäische Hochschulraum ausgeweitet und nach der Berliner Konferenz gehören 40 Länder dem Bologna-Prozess an. Ein dynamischer Prozess vollzieht sich in der europäischen Hochschullandschaft. In der Hochschulpolitik nehmen vermehrt unkonventionelle Verfahren Raum ein. Mehrere Entwicklungen finden gleichzeitig oder zeitversetzt statt. Die unterschiedlichen Reaktionen weisen auf die geringere Prognostizierbarkeit der Wirkung, auf die Folgen und auf die Bedeutung des Bologna-Prozesses in den jeweiligen Nationalstaaten hin. Als Vorteile des Bologna-Prozesses wurden die angestrebte Flexibilität und der Abbau von Hindernissen im Wechsel von Hochschulen und Nationalstaaten durch die Einführung international anerkannter Abschlüsse genannt. Durch und mit dem Bologna- Prozess fand in vielen Unterzeichnerstaaten das Überdenken und Hinterfragen der gängigen strukturellen und administrativen hochschulpolitischen Maßnahmen statt und setzte einen Reformprozess in Gang. Andererseits wurden an der Bologna-Erklärung die Uniformierung der Inhalte, die Beseitigung des binären Systems, die Verpflichtung, importierte Leistungspunkte anzuerkennen, die Abschaffung der curricularen Logik 86 durch Leistungspunkte (das so genannte „Cafeteria-Modell“) und die Verletzung der Hochschulautonomie kritisiert. Welche Aspekte sich mit der Europäisierung der Hochschulen und dem Bologna- Prozess ergeben und welche Chancen und Risiken für die nationalen Hochschulsysteme entstehen, sollen im Folgenden in Form von Schlussfolgerungen des Teils I resümiert werden.  Schlussfolgerung 1: Die neuen Herausforderungen, die sich aus der Europäisierung der Hochschulsysteme ergeben, können nicht im Rahmen der Nationalstaaten gelöst werden. Dafür wird eine supranationale Entscheidungsebene – eben Europa – konstruiert. Der Europäisierungsprozess ist aber zugleich von Protektionismus gegenüber dem atlantischen Hochschulraum gekennzeichnet. Die neuen Herausforderungen an die nationalen Hochschulsysteme können nicht allein im nationalstaatlichen Rahmen gelöst werden. In Grundzügen ist die jetzige Umbruchsphase mit der Entstehung der Nationalstaaten im 19. Jahrhundert vergleichbar. Die einzelnen Hochschulen, die unter der Herrschaft der einzelnen Landesherren bzw. Territorialeinheiten standen, ordneten sich nationalen Führungsstrukturen unter, wurden einem Föderalsystem oder einem nationalzentralistischen System untergeordnet. In einigen Ländern bedeutete dies die Ausbildung von Führungskräften oder mittleren Verwaltungsschichten für den bürokratischen Staatsapparat. In der Entstehung der Nationalstaaten fand eine Standardisierung innerhalb der Länder selbst statt. In den föderalen Systemen war die Standardsetzung auch zugleich ein Ausschlussmechanismus gegenüber anderen Nationalstaaten. Die Idee des Europäischen Hochschulraums ist die Idee der Öffnung der europäischen Hochschulen untereinander. Teichler spricht in diesem Zusammenhang sogar von Denationalisierung, d. h., dass die nationalen Grenzen der Hochschulsysteme vermehrt verschwimmen. Sie geben ihre Kompetenzen auf eine höhere Ebene – auf Europa – ab. Die Denationalisierung der Hochschulen führt nicht zu neuen Freiheiten der Hochschule, sondern sie führt zu einer erneuten Standardisierung auf der europäischen Ebene. Die Internationalisierung der Hochschulen unter dem Druck der Globalisierung förderte bei den europäischen Hochschulen den Bedarf nach Protektion, was bedeutet, dass neben der Öffnung zugleich auch eine Abgrenzung gegenüber dem atlantischen Hochschulmarkt angestrebt wird. Die Abgrenzung gegenüber anderen Bildungsmärkten 87 wird mit dem Ziel der Wettbewerbsfähigkeit auf dem weltweiten Hochschulmarkt begründet. So sind auch die Initiativen der führenden europäischen Länder zu verstehen, die die Schaffung von international führenden europäischen Elitehochschulen oder Netzwerken anstreben.  Schlussfolgerung 2: Die Europäisierung der Hochschulen führt zur Standardisierung auf einer höheren europäischen Ebene. In der Entstehungsphase der Nationalstaaten fand die Standardisierung auf der nationalen Ebene statt. In der Zeit der Europäisierung werden neue Regelungen und Standards auf der europäischen Ebene festgelegt. Diese neue Standardisierung, die als Rahmenregelung für den europäischen Hochschulraum festgeschrieben ist, wird dann für alle gültig, die dem Europäischen Hochschulraum beitreten wollen. Sobald sie ihre Bereitschaft zur Anpassung bekunden, steht er den Hochschulen weiterer Nationalstaaten weitgehend offen. Die Bereitschaft zur strukturellen Konvergenz der Nationalstaaten ist bisher unterschiedlich akzentuiert und motiviert. Die neuere formale Standardisierung, die aus der Motivation heraus entstand, die Vergleichbarkeit und Transparenz von Studienstrukturen auf der europäischen Ebene zu schaffen, führt zugleich zur Differenzierung auf neuer Stufe. Die formale Standardisierung ist in erster Linie die Reduktion der Komplexität. Durch die Vereinheitlichung von Studienstrukturen werden die Hindernisse der Mobilität reduziert. Aber die gleichzeitige Differenzierung und Diversifizierung wird zur Komplexitätserhöhung auf einer höheren Stufe führen (siehe für die weitere Diskussion Schlussteil).  Schlussfolgerung 3: Die Standardisierung im Prozess der Entstehung des Europäischen Hochschulraums führt zur Differenzierung auf der europäischen und zur Binnendifferenzierung auf der nationalen Ebene. Die Standardisierung bedeutet zugleich Differenzierung und Binnendifferenzierung. Der Ausbau von strategischen Allianzen und Kooperationen innerhalb der europäischen Hochschulen, wie sie bei den europäischen Mobilitätsprogrammen zu beobachten sind, kann zur Entstehung von Zentren und Peripheriebildung auf der europäischen Ebene führen. Die besten Hochschulen im „Goldenen Dreieck“ schließen Allianzen und haben das Potential, zu den weltbesten Hochschulen aufzusteigen. Die Kooperation mit bestimmten Universitäten eines Landes würde zu vertikaler Differenzierung führen, und die Hierarchisierung ergäbe sich aus den strategischen Allianzen der Hochschulen. Die Binnendifferenzierung hätte zur Folge, dass die Aufgaben der Hochschulen innerhalb der Nationalstaaten neu verteilt würden. 88  Schlussfolgerung 4: Durch die Binnendifferenzierung findet zugleich eine Neuverteilung von Aufgaben und Funktionen der Hochschulbildung in Europa statt. Je nach Perspektive des Beobachters kann der Neuverteilungsprozess von Aufgaben und Funktionen als Komplexitätsreduktion bzw. -erhöhung angesehen werden. Durch die Standardisierung gewinnen alle Hochschulen die Möglichkeit, an dem Prozess der Europäisierung teilzunehmen. Aber durch die Bildung von Zentren und Peripherien findet eine neue Aufgaben- und Funktionsverteilung statt. Die Hochschulen in den Zentren werden die Ausbildung der Eliten übernehmen und die Hochschulen in den Peripherien wären für die Ausbildung der breiteren Schichten zuständig. Dies ist kein Prozess, der von den Hochschulen selbst ausgehen wird, vielmehr wird er vom internationalisierten Arbeitsmarkt mit beeinflusst. In diesem Anpassungsprozess wird eine Neubewertung von Abschlüssen durch den Arbeitsmarkt stattfinden. Dies kann eine Selektion seitens des Arbeitsmarkts bedeuten. Die steigende Nachfrage nach bestimmten Abschlüssen im Raum Europa könnte eine Abwertung anderer Hochschulabschlüsse zur Folge haben. Im Neuverteilungsprozess von Aufgaben und Funktionen kann je nach Perspektive des Beobachters als Komplexitätsreduktion bzw. -erhöhung angesehen werden.  Schlussfolgerung 5: Kernländer und Peripherieländer im Europäischen Hochschulraum. Das Zusammenkommen der 40 Länder zur Gestaltung des Europäischen Hochschulraums bedeutet auch, dass ungleiche Partner aufeinander treffen und gemeinsam eine Zukunft planen. Einige dieser Länder haben den Bologna-Prozess initiiert, einige sind europäische Kernländer, d. h. sie waren bei der Entstehung und Gestaltung der EU aktiv und haben im Europäisierungsprozess der Hochschulen große Erfahrung. Einige dieser Länder haben eine wirtschaftlich besser ausgestattete und lange Hochschultradition, andere befinden sich im Transformationsprozess. Die Studienstrukturen einiger Bologna-Mitgliedsländer haben international eine höhere Anerkennung und sind gefragter als andere. Einige Länder sind bei den Vorbereitungen der Bildungsministertreffen mehr involviert als andere. Die Liste ließe sich verlängern. So ergibt sich im Bologna-Prozess objektiv die Differenzierung nach Kernländern und Peripherieländern, mit unterschiedlicher Entwicklungsmöglichkeit und unterschiedlichem Einfluss, aber auch mit unterschiedlichen Funktionen der dort verorteten Hochschulen. Im folgenden Teil II soll am Beispiel der Türkei ein Peripherieland untersucht werden. 89 Teil II Das türkische Hochschulsystem auf dem Weg zum „Europäischen Hochschulraum“ Im Zuge der Öffnung des Bologna-Prozesses, wie im Teil I aufgezeigt wurde, unterzeichnete die Türkei nachträglich, neben Kroatien und Zypern, die „Bologna- Erklärung“ im Rahmen der Prager Konferenz (2001). Diese relativ junge hochschulpolitische Handlung geht im Grunde auf den langjährigen Versuch zurück, die Türkei in den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Raum Europas zu integrieren. Mit der Unterzeichung der „Bologna-Erklärung“ bekundete die Türkei ihre Bereitschaft, die Einigungspunkte bis zum Jahre 2010 umzusetzen und bei der Gestaltung und Förderung des „Europäischen Hochschulraums“ mitzuwirken. Der Prozess zur Schaffung eines gemeinsamen Hochschulraums ist in vollem Gang. In den diversen Unterzeichnerländern gibt es wellenförmige Reformbewegungen und - debatten (siehe Reichert/Tauch 2003). Zeitlich verzögert finden in den Unterzeichnerstaaten „entsprechende Anpassungs- und Veränderungsprozesse“ statt, die sich mit den „Entwicklungen auf der Ebene der Europäischen Hochschulpolitik mit den nationalen Reformvorstellungen für die Hochschulbildung“ verzahnten (Kruse 2004: 198). In der Türkei hingegen wird seit den 1980er Jahren das Hochschulsystem reformiert und umstrukturiert. Maßgeblich für die heutige Hochschulentwicklung ist in der Türkei das Hochschulgesetz von 1981. Seitdem ist das Hochschulsystem von quantitativen und qualitativen Expansions- und Ausdifferenzierungsschüben geprägt. Gegenwärtig ist neben der erneuten Annäherung an die europäischen Hochschulen ein zunehmender Internationalisierungsprozess eigener Art – wird in diesem Teil näher ausgeführt – zu beobachten. Außerdem bietet das Hochschulsystem ein Sammelbecken von vielfältigen Entwicklungsrichtungen mit dem Anspruch, den Anforderungen einer globalisierten Welt gerecht zu werden. Nicht nur Okzident und Orient, sondern Europa und Zentralasien treffen hier aufeinander. Dieses stellt die türkische Hochschulpolitik und das Hochschulsystem vor neue Herausforderungen. Ziel dieses Teils meiner Arbeit ist es, die vielfältigen dynamischen Hochschulentwicklungsphasen aufzuzeigen, die neueren Tendenzen zu benennen und die erneute Annäherung des türkischen Hochschulsystems an Europa darzustellen. Zum Schluss sollen die Anpassungsprobleme erarbeitet werden. 90 1. Die Entwicklung des Hochschulsystems bis 2004 in der Türkei In Anlehnung an Widmann (1985) und Neusel, Bradatsch und Yalçın (1994) lassen sich acht Phasen der Hochschulentwicklung unterscheiden: 1. Zeitraum: 1933–1946 Gründungs- und Aufbauphase; 2. Zeitraum: 1946–1973 Erweiterungsphase; 3. Zeitraum: 1973–1980 Universitätsneugründungen in der Provinz; 4. Zeitraum: 1981–1990 „Nivellierungsphase“32 – nach dem Hochschulgesetz von 198133; 5. Zeitraum: 1990-1993 Neugründungs- und Ausbauwelle; 6. Zeitraum: ab 1994 Expansion der Stiftungsuniversitäten; 7. Zeitraum: ab 1998 Differenzierungs- und Öffnungsphase; 8. Zeitraum: ab 2001 Bologna-Prozess. Im Folgenden werden die Entwicklungsphasen von vor 1981 bis 2004 dargestellt. 1.1 Die Entwicklung des Hochschulsystems vor 1981 Im Vergleich zu den europäischen traditionsreichen Hochschulentwicklungen kann die türkische Hochschulentwicklung, die mit der Schließung und Umstrukturierung der traditionellen Darulfünün Universität (Umstrukturierungsdatum 1900) zur Istanbul Universität (Neugründung 1933) beginnt, als „relativ jung“ gelten. Der bewusste Bruch mit der osmanischen Tradition in der Gründungsphase des türkischen Nationalstaats wurde von M. K. Atatürk durchgesetzt. Der Gründer der Türkei strebte die Öffnung des Landes Richtung Westen an.34 In der Gründungs- und Aufbauphase eröffnete Hochschulen (Istanbul Üniversitesi, Istanbul Teknik Üniversitesi und Ankara Üniversitesi) waren dem Erziehungsministerium unterstellt. Auf Vorschlag des Erziehungsministers wurden vom Ministerrat der Rektor und die Dekane auf Vorschlag des Rektors vom Erziehungsminister berufen (Baaran 1994: 96). Die Zahl der Studierenden stieg in diesem Zeitraum gemäßigt von 3.918 im Studienjahr 1927/28 auf 19.273 im Studienjahr 1945/46 an (Köker 1988: 24). In der Erweiterungsphase war für die hochschulpolitische Entwicklung (1946-1973) das erste Hochschulgesetz aus dem Jahre 1946 prägend. Im Vergleich zu den Hochschulgesetzen, die nach 1946 erlassen wurden, wird das Hochschulgesetz von 32 Das Hochschulgesetz von 1981 hob alle Hochschuleinrichtungen des Landes formal auf gleiche Höhe und fasste sie unter dem Dach der Universitäten zusammen, also nivellierte sie. 33Widmanns (1985: 551) Einteilung geht bis zum Jahre 1981, sie wird in der Arbeit von Neusel, Bradatsch und Yalçın (1994: 3) sowie Yalçın 2001 erweitert. 34 Zur geschichtlichen Entwicklung siehe Strohmeier 1997 und Yalçın 2001 91 1946 als „Meilenstein“ betrachtet – nach den Hochschulexperten Strohmeier (1990), Kaya (1984 u. 1993). Mit diesem Hochschulgesetz wurde den Hochschulen die Autonomie gewährt und der Beginn der Trennung der Hochschulen von der „politischen Kontrolle“ veranlasst (Kaya 1984: 239). Die Universitäten konnten ihre Rektoren und ihre Dekane durch Wahlen selbst bestimmen. Außerdem wurden außerhalb der zwei Metropolen Istanbul und Ankara sechs neue Universitäten gegründet: vier davon nach dem amerikanischen Hochschulmodell und zwei in englischer Sprache (TÜSIAD 1994: 154). Kontinuierlich stieg die Zahl der Studierenden in der Phase an und lag im Jahre 1972 bei 167.918 an neun Universitäten (Köker 1988: 288). Die ersten privaten Hochschulen des Landes wurden im Jahre 1965 gegründet und bereits nach sechs Jahren (1971) für verfassungswidrig erklärt und geschlossen (Yalçın 2001: 27). Im Zeitraum 1973-1980 fand die regionale Ausdehnung des Hochschulwesens statt und wurde das Universitätsgesetz von 1973 erlassen. Das Universitätsgesetz (Universitätsgesetz Nr. 1750) ist das Produkt der zweiten Militärintervention (1970) in die Landesführung; es bewirkte die verstärkte Kontrolle des Staates über die Universitäten. Der Artikel 69 ermöglichte den Eingriff der Regierung in die Hochschulen. In dieser Phase wurden erneut außerhalb der Metropolen neue Hochschulen gegründet. Ziel war es „in den bisher vom wissenschaftlichen Leben wenig berührten Provinzen“ Hochschulbildung vor Ort anzubieten (Widmann 1985: 551). Im Zeitraum von 1973 bis 1980 wurden neun neue Hochschulen in Anlehnung bzw. unter der „Obhut“ einer etablierten Universität in den unterentwickelten Städten des Landes gegründet (Özbay 1990: 125). Gleichzeitig wurde eine Vielzahl von Akademien und Hochschulen vom Bildungsministerium oder anderen Ministerien eingerichtet und verwaltet. Die Zahl der Studierenden stieg im Studienjahr 1979/1980 auf 270.278 an (Köker 1988: 265). Die erneute Intervention des Militärs am 12. September 1980 in die Führung des Landes war ausschlaggebend für die Nivellierungsphase (1981-1990). Das Hochschulgesetz aus dem Jahre 1981 ist in modifizierter Variante heute noch gültig. Alle Hochschulen des Landes wurden ab dem 6. November 1981 dem Dach des Hochschulrats (Yüksek Öretim Kurulu YÖK)35 unterstellt. Im Folgenden werde ich das türkische Hochschulsystem beschreiben, um die quantitative und strukturelle Entwicklung nach 1981 verständlicher zu machen. 35 Für detaillierte Ausführungen siehe Yalçın 2001: 32-36. 92 1.2 Das Hochschulsystem nach 1981 Das Hochschulgesetz von 1981 strukturierte die Hochschullandschaft36 um, und alle bis dahin geführten einzelnen Akademien, Berufsschulen und Fachschulen des Landes wurden in das Universitätssystem integriert. Seitdem existieren in der Türkei nur noch Universitäten. Die Verfassung, Artikel 130, sieht vor, dass die Gründung einer Universität von Seiten des Staates (Parlament) vorgenommen werden kann. Das Hochschulgesetz Nr. 2547 schreibt bei Universitätsneugründungen zwei Fakultäten vor. Auf der Grundlage der Verfassungsänderung von 1982 können Stiftungen als non-profit Universitäten mit Genehmigung des Parlaments gegründet werden. So gibt es Universitäten in staatlicher Trägerschaft und in Trägerschaft der Stiftungen. Die Universitäten umfassen neben den zweijährigen Berufshochschulen (2 Yıllık Yüksekokullar) zur Berufsausbildung, vierjährigen Hochschulen (4 Yıllık Yüksekokullar) und vierjährigen Fakultäten (Fakülteler) auch Institute für die Ausbildung auf postgraduiertem Niveau. Einige Universitäten haben zudem Konservatorien sowie Forschungs- und Anwendungszentren integriert. Die Berufshochschulen, Hochschulen und Fakultäten sind auf der Fachbereichsebene (bölüm) angesiedelt. Neben einem regulären Studium (ordentliche Studierende) gibt es seit 1983 die Möglichkeit an einem Fernstudium an der Anadolu Üniversitesi (in Eskisehir) teilzunehmen und seit dem Studienjahr 1992/93 an einem Abendstudiengang („second education“) zu studieren. Diese Studienmöglichkeiten wiederum werden als Kurzzeitstudium an den zweijährigen Berufshochschulen oder als Langzeitstudium (alle Studiengänge, die länger sind als zwei Jahre) angeboten (siehe Abbildung 3). Die dritte Stufe ist das Postgraduiertenstudium, das lisansüstü. 36 Bevor das Hochschulsystem nach 1981 dargestellt wird, ist es von Bedeutung, den Aufbau des Bildungssystems der Türkei zu skizzieren: Der Grundschul- und Sekundarschulbereich des türkischen Bildungssystems wurde im Zuge der EU-Kandidatur und mit der Begründung – zeitgerechte Bildungsangebote zu ermöglichen – im Jahre 1997 reformiert. Die obligatorische Schulzeit, die sechs Jahre betrug, wurde auf acht Jahre erhöht. Die Grundschule, die fünf Jahre dauerte, und Mittelschule, die drei Jahre umfasste, wurden zusammengelegt. Nach den acht Jahren folgt das dreijährige lise – das Gymnasium –, welches mit dem lise-Diploma (Abitur) endet und eine Berechtigung für die Teilnahme an der zentralen Zulassungsprüfung für die Universitäten ist (wird in Kapitel 2.2 in diesem Teil ausgeführt). 93 Abbildung 3: Studienstruktur des türkischen Hochschulsystems Art des Studiums (die Einrichtungen) Bezeichnung der Studienmöglichkeiten Abschlüsse Studiendauer (min.-max. Jahre) Kurzzeitstudium Ön lisans (an den Yüksekokullari Hochschulen) Zweijährige Berufshochschulen (2 Yıllık Yüksekokulları) Associate, intermediate diploma, pre-degree (2 Jahre) Vierjährige Hochschulen (4 Yıllık Yüksekokulları) (4 - 7 Jahre) Langzeitstudium Lisans (an den Fachbereichen der Fakultäten von den Universitäten) Fakultäten (Fakülteler) B.A. bzw. B.S. (5 - 8 Jahre) Facharzt-Ausbildung (tipta uzmanlik) Dr. med. (6 - 9 Jahre) Yükseklisans Masters M.A. bzw. M.S. (1 - 2 Jahre) Postgraduiertenstudiu m lisansüstü (an den Instituten) Promotion Dr. ... (2 - 3 Jahre) Quelle: Eigene Zusammenstellung An den zweijährigen Berufshochschulen (iki yıllık yüksekokul) werden beruflich orientierte Qualifikationen vermittelt. Sie verleihen den Studienabschluss Associate (önlisan, intermediate diploma, pre-degree). In der Regel dauert dieser Studiengang maximal zwei Studienjahre. Der Abschluss Associate qualifiziert für Facharbeitertätigkeiten, bietet auf dem Arbeitsmarkt aber nur geringe Beschäftigungschancen. Ein vierjähriger Studiengang kann jederzeit vorzeitig nach zwei Jahren bzw. vier Semestern mit einem önlisans- Abschluss beendet werden. Die Hochschulen dauern in der Regel vier Studienjahre und bieten eine beruflich- technische Ausbildung an. Diese Hochschulen werden auch in der Türkei vierjährige Hochschulen genannt. Wie auch die Fakultäten schließen sie mit dem Bachelor lisans Abschluss (B.A-B.S.) ab. Die vierjährigen Hochschulen und die vier Studienjahre dauernden Fakultäten sind strukturell ähnlich, aber qualitativ unterschiedlich. Als Teileinrichtungen der Universität lehren die Fakultäten auf einem höheren Niveau; sie sind für die wissenschaftliche Forschung und für das Erstellen von Publikationen zuständig. Die Studiengänge Pharmazie, Veterinär- und Zahnmedizin dauern fünf und Medizin sechs Jahre.37 37 Eine Zusammenstellung von Yalçın 2001 und 2003. 94 Das Postgraduiertenstudium (ab. 9. Semester) (lisansüstu e itim) wird wiederum in Magister (yüksek lisans) und Promotion (doktora) aufgeteilt. Außerdem gibt es die Facharztausbildung in den medizinischen Fächern (tipta uzmanlik). An den diversen Instituten der Universitäten findet die Ausbildung auf Postgraduiertem-Niveau statt, die im Rahmen von akademischer Forschung und angewandter Forschung durchgeführt wird. Programme, die zu einem Master-Magister bzw. zu einem englischen M.A.-Titel führen, haben eine Studiendauer von mindestens einem Jahr bis zu maximal zwei Jahren. Die Promotionszeit ist in zwei Phasen geteilt, in der ersten Phase haben die Promovierenden Pflichtveranstaltungen zu besuchen, die in der Regel zwei Jahre dauern. Danach folgt eine Zeit des Verfassens der Dissertation, dazu sind maximal 7 Jahre vorgesehen. Die Promotion wird mit dem Doktortitel abgeschlossen. Die Struktur des wissenschaftlichen Personals (ö retim elemanları) wird in zwei Gruppen aufgeteilt: Nach dem „tenure“-System setzt sich der Überbau aus Mitgliedern des Lehrpersonals (ö retim üyeleri), den Professoren, Dozenten sowie Hilfsdozenten (die englischen Bezeichnungen full, associate und assistant professors werden verwendet) zusammen. Ab dem Dienstgrad assistant professor ist in der Türkei die Unkündbarkeit des Personals gegeben. Zu der zweiten Gruppe vergleichbar mit dem Mittelbau in Deutschland (ö retim yardımcıları) gehören die Lehrbeauftragten (ö retim görevlileri), Lektoren, Übersetzer, Fachkräfte für besondere Aufgaben, Ausbildungsplaner und seit dem Gesetz 2547 auch die Forschungsassistenten (ara tırma görevlileri). Diese haben alle einen zeitlich begrenzten Vertrag.38 Das höchste Entscheidungsgremium für das türkische Hochschulsystem ist der Hochschulrat. Neben hochschulplanerischen und -koordinatorischen Funktionen wurde der Hochschulrat auch mit legislativer Macht ausgestattet (siehe Kapitel 1.4 in diesem Teil). In der Regel ist für die Finanzierung der Universitäten und deren Einrichtungen der Staat zuständig, soweit sie nicht als private Stiftungsuniversitäten gegründet worden sind. Der chronische Finanzmangel führt seit Jahren zur dauerhaften Reduzierung des Finanzierungsanteils des Staates (siehe zur Unterfinanzierung der Hochschulen Kapitel 2.4 in diesem Teil). 38 Für ausführlichere Darstellung siehe Yalçın 2001: 46. 95 1.3 Quantitative und strukturelle Hochschulentwicklungen seit 1981 Vor 1980 gab es in der Türkei 19 Universitäten, 183 Fakultäten, 24 Akademien und 109 Hochschulen, die dem Erziehungsministerium unterstellt waren, und weitere 18 Hochschulen, die von verschiedenen Ministerien verwaltet wurden (Köker 1993: 6). An diesen Hochschulen waren 237.369 Studierende immatrikuliert, davon waren 26 Prozent Frauen (siehe Tabelle 1).39 Alle diese Hochschuleinrichtungen wurden 1981 zu Universitäten umbenannt und ausgebaut; seitdem gibt es nur noch Universitäten in der Türkei, die Lehre betreiben. Zurzeit gibt es auch zwei reine Forschungsinstitute, die nach 2000 gegründet wurden. Die vorhandenen Hochschulen konnten und können die große Nachfrage nach einer Hochschulausbildung nicht abdecken (siehe Kapitel 2.1 in diesem Teil). So wurden ab den 1980er Jahren folgende Maßnahmen ergriffen, um den wichtigsten Problemen des Hochschulsystems entgegenzuwirken (Dundar/Lewis 1999: 344):  Kapazitätserweiterung an den vorhandenen Universitäten;  Etablierung neuer Universitäten und Umbau von vorhandenen Hochschuleinrichtungen zu Universitäten;  Ausbau von zweijährigen Berufshochschulen (two-year vocational schools);  Einführung von Fernhochschulen (1983);  Ausbau von privaten Stiftungsuniversitäten (1984) sowie  Einführung des Abendstudiums (1992-93). Durch Neugründungen und Umstrukturierung erhöhte sich Mitte der 1980er Jahre (1985/86) die Zahl der staatlichen Universitäten auf 29. An den Universitäten waren 449.414 Studierende immatrikuliert, davon waren 32 Prozent Frauen (siehe Tabelle 1). Eine von den Universitäten war die erste private Stiftungsuniversität, die Bilkent Üniversitesi.40 Eine weitere Neugründungswelle wurde im Juli 1992 durch das Gesetz (Gesetzesnummer 3837 vom 11.7.1992, Kitapçı 1996: 166) umgesetzt, 21 staatliche und zwei weitere private Stiftungsuniversitäten wurden zugelassen. So stieg im Studienjahr 1994/95 die Zahl der staatlichen Universitäten auf 51 und die der privaten Stiftungsuniversitäten auf vier an. An diesen Universitäten studierten 1.158.517 Studierende, davon waren 38,5 Prozent Frauen (siehe Tabelle 1). Im Studienjahr 1999/2000 kamen keine weiteren staatlichen Universitäten dazu, jedoch erhöhte sich die Zahl der privaten Stiftungsuniversitäten auf 19. In dem genannten Studienjahr studierten 39 Für die ausführlichere Entwicklung vor 1980 siehe Yalçın 2001. 40 Siehe für weitere Ausführungen zu privaten Stiftungsuniversitäten in diesem Teil Kapitel II.3.1. 96 1.491.806 Studierende an den Universitäten, davon waren 40 Prozent Frauen (siehe Tabelle 1). Tabelle 1: Entwicklung der Universitäten- und Studierendenzahlen (mit Fernstudium und Abendstudium) Jahre Anzahl der Universitäten Studierende Gesamt Frauen (in %) Wachstumszahlen der Studierenden Gesamt (in %) zur Spalte davor 1980 19 staatliche Uni. 237.369 26,0 100 1985 28 staatliche Uni. 1 priv. Stiftungsuni. 449.414 32,0 189 1990* 29 staatliche Uni. 1 priv. Stiftungsuni. 644.835 34,0 143 1995** 51 staatliche Uni. 4 priv. Stiftungsuni. 1.158.517 38,5 179 2000*** 51 staatliche Uni. 19 priv. Stiftungsuni. 1.491.806 40,4 128 Eigene Zusammenstellung aus: Köker 1988: 265. *Yalçın 2001: 94; **ÖSYM 1994-1995 (ÖSYM 1996-1: 3); ***ÖSYM 1999-2000 (ÖSYM 2000-5: 3) Ab Anfang 1990 ist ein kontinuierlicher Anstieg der Zahlen von Studienanfängern, Studierenden und Absolventen an den Universitäten zu beobachten. Dazu lässt sich folgendes festhalten:  Im Jahre 1992/93 schrieben sich 150.255 Studienanfänger ein, davon waren 38 Prozent Frauen. Bereits im Studienjahr 1994/1995 war der Ausbau der Universitäten an den Studienanfängerzahlen deutlich festzustellen. In diesem Jahr stieg die Zahl der Studienanfänger auf 200.365, davon waren wiederum 38 Prozent Frauen. Um über 70.000 erhöhte sich die Studienanfängerzahlen im Jahre 1999/2000. Gleichzeitig stieg der Frauenanteil um fünf Prozent und lag somit bei 43 Prozent (siehe Tabelle 2).  Im Studienjahr 1992/1993 waren 553.730 Studierende eingeschrieben; der Frauenanteil betrug 37 Prozent. Nach der Expansionswelle (1994/1995) war ein leichter Anstieg der Studierendenzahlen auf 681.202 zu verzeichnen, davon waren 38 Prozent Frauen. Erst im Studienjahr 1999/2000 wurde die Milliongrenze erreicht: von den 1.003.237 Studierenden waren 40 Prozent Frauen immatrikuliert (siehe Tabelle 2).  Die sehr lückenhaften Absolventenstatistiken weisen auf, dass es im Studienjahr 1992-1993 91.610 Absolventen gab, davon waren 36 Prozent Frauen (ÖSYM 1993). Im Jahre 1994-95 haben 121.630 Studierende das Studium 97 abgeschlossen, davon waren 42 Prozent Frauen (ÖSYM 1996). Nahezu eine Verdoppelung der Absolventen ist im Studienjahr 1999/2000 zu verzeichnen. In diesem Jahr hatten 210.901 Studierende und davon 43 Prozent Frauen ihren Abschluss erworben. Beim Absolvieren des Studiums waren die Frauen in dem dargestellten Zeitraum erfolgreicher als ihre männlichen Kommilitonen (siehe Tabelle 2). Tabelle 2: Entwicklungszahlen von Studienanfängern, Studierenden und Absolventen an den Universitäten (mit Fernstudium und Abendstudium) 1992- 2000 Studienanfänger Studierende Absolventen Total Frauen (in %) Total Frauen (in %) Total Frauen (in %) 1992/1993 Studierende Gesamt 258.985 35,9 900.875 34,9 91.610 36,2 Kurz 43.454 30,5 43.454 30,5 - Davon Fernstudium Lang 65.276 34,4 303.691 31,7 9.396 26,1 1994/1995 Studierende Gesamt 321.748 37,9 1.158.517 38,5 121.630 41,7 Kurz 52.051 49,5 168.480 51,9 11.525 80,1 Fernstudium Lang 69.332 28,0 308.835 32,4 11.560 28,2 1999/2000 Studierende Gesamt 396.512 41,8 1.491.806 40,4 210.901 43,2 Kurz 29.179 54,0 148.502 53,5 20.534 58,3 Fernstudium Lang 97.144 35,2 340.067 35,8 12.236 30,4 Quelle: ÖSYM 1992-93. Ankara 1993-3: 3 ÖSYM 1994-95. Ankara 1996-1: 3 ÖSYM 1999-2000. Ankara 2000-5: 3 Die Zahlen für den Zeitraum von 1993 bis 2000 verdeutlichen den rasanten quantitativen Ausbau der Universitäten und ihrer Teileinheiten; im Jahr 1993 gab es 44 Universitäten, deren Zahl sich im Studienjahr 2000 auf 70 Universitäten erhöhte. An diesen gab es 252 Fakultäten im Jahr 1993; im Jahr 2000 waren es bereits 491 Fakultäten – also eine Steigerung um das 1,9fache. Im Jahr 1993 gab es nur 38 vierjährige Hochschulen, ihre Zahl erhöhte sich im Jahr 2000 auf 162, was einer Steigerung um das 4,3fache entspricht. Anhand der Tabelle 3 wird nochmals deutlich, dass Mitte der 1990er Jahre alle Teileinheiten der Universitäten ausgebaut wurden; insbesondere die vierjährigen Hochschulen von 56 im Jahre 1994/95 auf 162 im Jahre 2000 (siehe Abbildung 4). Bei den zweijährigen Berufshochschulen gab es eine Steigerung um das 2,3fache, von 171 auf 392. Die Zahl der Institute erhöhte sich im 98 Jahr 1993 von 114 auf 186 und zeigt eine Steigerung um das 1,6fache (siehe Abbildung 4). Der Aufbau einer vierjährigen Hochschule oder zweijährigen Berufshochschule bedarf nicht des hohen personellen und materiellen Aufwands. Demgegenüber stieg die Zahl der Institute, die für die Ausbildung von wissenschaftlichem Nachwuchs zuständig sind, nicht in vergleichbarer Geschwindigkeit. Somit kann die Ausbildung der qualifizierten Nachwuchswissenschaftler im Land nicht hinreichend geleistet werden (siehe für weitere Ausführungen Kapitel II.2.4). Abbildung 4: Anzahl der Hochschuleinrichtungen von 1992 bis 2000 Zusammenstellung aus den Statistiken für das Studienjahr 1992-93, ÖSYM 1993-3: 5ff, für das Studienjahr 1994-95, ÖSYM 1996-1: 5ff und für das Studienjahr 1998-99, ÖSYM 1999-1: 5ff. Parallel zu der institutionellen Differenzierung gibt die Verteilung der Studierenden auf Kurzzeitstudium und Langzeitstudium über die Binnendifferenziertheit des Hochschulsystems Auskunft: Die Studierendenzahlen an den Fakultäten verzeichnen seit 1983 bei einem Vergleich mit den vierjährigen Hochschulprogrammen oder der zweijährigen Berufshochschule einen leichten Rückgang. Im Studienjahr 1983/1984 waren 83 Prozent aller Studierenden – ohne Fernstudium – an Fakultäten, fünf Prozent an vierjährigen Hochschulprogrammen und zwölf Prozent an zweijährigen Berufshochschulen immatrikuliert (siehe Abbildung 5). Zehn Jahre später gab es eine leichte Verschiebung zugunsten der zweijährigen Berufshochschulen; deren Studierendenanteil stieg um fünf Prozent und lag bei 16 Prozent. Im Studienjahr 1999/2000 sank der Anteil der eingeschriebenen Studierenden – ohne Fernstudium – an 0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500 1993 1995 2000 Universitäten Fakultäten vierjährige Hochschulen zweijährige Berufshochschulen Institute 99 den Fakultäten auf 71 Prozent; an den vierjährigen Hochschulprogrammen blieb er konstant bei fünf Prozent, aber der Anteil der zweijährigen Berufshochschulen stieg auf 24 Prozent an und verdoppelte sich somit im Vergleich zum Studienjahr 1983/1984 (siehe Abbildung 5). Abbildung 5: Entwicklung der Studierendenzahlen nach Fakultäten, vierjährigen Hochschulen und zweijährigen Berufshochschulen (ohne Fernstudium) 0 100.000 200.000 300.000 400.000 500.000 600.000 700.000 800.000 900.000 1.000.000 1984 1985 1991 1995 2000 zweijährige Berufshoch- schulen Vierjährige Hochschulen Fakultäten Gesamt Studierendenzahlen Quelle: Internet yok.gov.tr/yok/yoist/orgun.html [Stand Februar 2002]. Die enorme Diskrepanz zwischen der Nachfrage an und dem Angebot von vorhandenen Studienplätzen, die im Kapitel II.2.1. dargestellt wird, führte neben der Erhöhung der Anzahl der Studierenden in einigen sogenannten „günstigen“ Studiengängen zum Ausbau des Fernstudiums. Das Fernstudium wurde im Jahre 1983 an der Anadolu Üniversitesi in Eskiehir errichtet. Seit 1992 erhöhte sich die Zahl der Studierenden im Fernstudium kontinuierlich. Im Studienjahr 1992/1993 waren 38,5 aller Studierenden in diesem Studiengang immatrikuliert. Um etwa drei Prozent stieg ihr Anteil im Studienjahr 1994/1995 und lag somit bei 41,2 Prozent der Gesamtstudierendenzahl (siehe Tabelle 2, eigene Berechnungen). Das ist ein sehr hoher Anteil von Studierenden. Mitte der 1990er Jahre wurde der starke Ausbau des Fernstudiums viel kritisiert. Im Jahre 1999 wurde die Zulassungsprüfung für das Fernstudium aufgehoben. Dessen ungeachtet ist in den letzten Jahren die Nachfrage nach einem Fernstudiengang zurückgegangen (YÖK 2003: 34). Der Grund dafür ist, dass die Beamten in der Türkei durch den Abschluss eines Fernstudiums ihre Besoldung verbessern konnten und die Nachfrage danach mit der Zeit abgedeckt war (ebd.). So waren im Studienjahr 1999/2000 nur noch 32,8 Prozent aller Studierenden im Fernstudiengang immatrikuliert 100 (siehe Tabelle 2, eigene Berechnungen). Nach Angaben des Hochschulrats lag der Anteil der Fernstudierenden im türkischen Hochschulsystem im Jahre 2001/2002 bei 33,4 Prozent, was wiederum einer leichten Erhöhung entspricht (YÖK 2003: 45). Zeitgleich mit der Einrichtung des Fernstudiums wurde die Gründung privater Stiftungsuniversitäten ermöglicht, die aufgrund ihrer Entwicklung und ihres Einflusses auf die staatlichen Hochschulen bedeutende Veränderungen bewirkten (im Kapitel 3.1 in diesem Teil ausführlicher dargestellt). Die Möglichkeiten, ein Studium zu absolvieren, wurden durch die Einführung des Abendstudiums (second education – gece ö retimi), im Studienjahr 1992-93 erweitert. Die Studienkosten betragen das Dreifache eines regulären Studiengangs. Bereits im Jahre 1994/95 waren 50.574 Studierende in einem Abendstudium immatrikuliert. Der Anteil der „Nachtstudierenden“ lag im Studienjahr 1995/96 bei 10,8 Prozent (YÖK 1996: 12) und stieg im Studienjahr 1999-2000 auf 188.325 (siehe Abbildung 6). Tatsächlich ermöglicht diese Art des Studiums Berufstätigen, ein Studium abzuschließen. Für die Universitäten bedeutet es die volle Ausnutzung vorhandener Räumlichkeiten und für das wissenschaftliche Personal ein zusätzliches Einkommen. In der Öffentlichkeit wurden die hohen Studienbeiträge kritisiert. Ungeachtet der Kritik jedoch baute der Hochschulrat das Abendstudium massiv aus (YÖK 2003: 46). Abbildung 6: Entwicklungszahlen der Studierenden im Abendstudium an den türkischen Universitäten 1994-2000 Quelle: ÖSYM 1994-1995 (ÖSYM 1996-1: 3) *YÖK 2003: 46 0 20.000 40.000 60.000 80.000 100.000 120.000 140.000 160.000 180.000 200.000 1995 1998* 1999* 2000* Kurzzeitstudium Langzeitstudium Gesamt 101 Die Neugründungen und Kapazitätserweiterungen ab den 1980er Jahren haben den Bedarf an gut ausgebildetem wissenschaftlichem Personal erhöht. Die Entwicklung des wissenschaftlichen Personals zeigt, dass innerhalb der Studienjahre 1991/1992 und 1999/2000 die Zahl der Professoren von 4.738 auf 8.239, davon der Frauenanteil von 20,9 Prozent auf 23,9 Prozent gestiegen ist (siehe Tabelle 3). Der Mittelbau wurde stark erweitert. Im Jahre 1992/1993 gab es 3.632 assistant professors, davon waren 25,7 Prozent Frauen. Acht Jahre später lag die Zahl der assistant professors bei 9.118, davon waren 30,1 Prozent Frauen (siehe Tabelle 3). Eine größere Steigerung gab es bei den Lehrbeauftragten (ö retim görevlileri) und bei den Forschungsassistenten. Von 4.889 Lehrbeauftragten im Studienjahr 1991/1992 stieg die Zahl auf 9.277 im Studienjahr 1999/2000. Der Frauenanteil erhöhte sich von 29,7 Prozent auf 35,1 Prozent. Bei den Forschungsassistenten stieg die Zahl im genannten Zeitraum von 13.832 – davon 34,4 Prozent Frauen – auf 25.162 – davon 38,2 Prozent Frauen (siehe Tabelle 3). Zum chronischen Hochschullehrermangel, der Unterbezahlung des Personals und der Nachwuchsförderung (siehe Kapitel 2.4 in diesem Kapitel). Tabelle 3: Entwicklung des wissenschaftlichen Personals an den türkischen Universitäten 1991-2000 1991/1992 1994/1995 1999/2000 Total Frauen (in %) Total Frauen (in %) Total Frauen (in %) Professoren, full 4.738 20,9 5.831 20,9 8.239 23,9 Dozenten, associate 3.121 25,7 3.445 30,0 4.774 30,2 assistant professors 3.632 27,4 5.414 27,4 9.118 30,1 Lehrbeauftragte ö  retim görevlileri 4.889 29,7 5.733 30,0 9.277 35,1 Forschungsassistenten arastirma görevlileri 13.832 34,4 17.644 35,5 25.162 38,2 sonstige Bedienstete41 4.068 53,0 5.063 52,5 7.599 52,7 Gesamt 34.280 32,5 43.103 33,3 64.169 35,9 Quelle: ÖSYM 1991-92 ÖSYM Ankara 1992-7: 4 ÖSYM 1994-95. Ankara 1996-1: 4 ÖSYM 1999-2000. Ankara 2000-5: 4 Eine der wesentlichsten Folgen der Umstrukturierung und des Ausbaus der Universitäten seit Anfang der 1980er Jahre, wie oben aufgezeigt, war der aufkommende Qualitätsunterschied zwischen den staatlichen Universitäten selbst und später auch zwischen den privaten Stiftungsuniversitäten; dieses wird im Kapitel II.2.3 ausgeführt. 41 Dies sind Verwaltungsangestellte, Archivierer usw. 102 Die Umstrukturierung wurde auf der Grundlage folgender gesetzlicher Bestimmungen und hochschulpolitischer Entwicklungen veranlasst. 1.4. Hochschulgesetz und Hochschulpolitik seit 1981 Die maßgeblichen Regelungen für das Hochschulsystem wurden mit dem Hochschulgesetz Nr. 2547 im Jahre 1981 veranlasst. Wie bereits genannt, wurde der Hochschulrat (Yüksekö retim Kurulu-YÖK) zum obersten Organ des türkischen Hochschulsystems und wurden alle Hochschulen des Landes zu Universitäten umbenannt. Die Verfassungsartikel 130, 131 und 132, die die Hochschulen betreffen, wurden in die Verfassungsänderung im Jahre 1982 mit aufgenommen. Dem Hochschulrat wurden umfangreiche Kompetenzen wie Planung, Organisation, Verwaltung und „Beaufsichtigung“ der Universitäten übertragen (enatalar 2002: 83). Ferner wurde durch die Verankerung des „Kemalismus“ in Artikel 2, 42 und 134 ein „nachdrückliche[r] Rückbezug auf Atatürk und die Prinzipien des Kemalismus [und in den Artikeln 27 und 130] (...) die Freiheit der Wissenschaften mit einer Missbrauchseinschränkung“ in der Verfassung mit aufgenommen (Widmann 1985: 556). Atatürks Prinzipien bzw. Revolutionsgeschichte wurde für jeden Studiengang als Pflichtfach vorgeschrieben. Außerdem wurde die politische Betätigung von Hochschulangehörigen und Studierenden verboten. Auf der personellen Ebene bekamen 73 Hochschullehrer, die als fortschrittlich oder als Sympathisanten der linksdenkenden Kreise bekannt waren, Berufsverbote. In 1.182 Fällen wurden die ausgelaufenen Verträge nicht verlängert. Einige Hochschullehrer kündigten aus Solidarität mit den suspendierten Kollegen selbst (Strohmeier 1994: 264f.). In den ersten Jahren nach Gründung des Hochschulrats (1981-83) ist der Einfluss dieses Gremiums sehr groß. Hier ist die Rede vom „starken Staat“. Die staatlichen Regelungen erstreckten sich von Vorschriften der Kleiderordnung für Studierende bis hin zu den Vorgaben für die Studieninhalte der jeweiligen Studiengänge im ganzen Land. Der Hochschulrat hat am Anfang seiner Amtszeit die Rektoren der Universitäten selbst bestimmt, aber Ende der 1980er Jahre haben die Universitäten dem Hochschulrat sechs Kandidaten ihrer Wahl vorgeschlagen. In der Regel hat der Hochschulrat diese Liste auf drei Kandidaten reduziert; von diesen wurde einer vom Staatspräsident zum Rektor ernannt. Die jährlichen Studienanfängerzahlen für alle Universitäten und alle Studiengänge wurden vom Hochschulrat festgesetzt. 103 Nach der Phase des „harten Durchgreifens“ fand ab 1983 bis Anfang 1990 eine teilweise Lockerung der hochschulpolitischen Handlungen des Hochschulrats42 statt. Ausschlaggebend dafür war, dass sich das Hochschulgesetz von 1981 als sehr lückenhaft erwies. So wurden in 1983 34 Paragraphen des Gesetzes verändert, ergänzt oder ganz gestrichen. Der Hochschulrat gab 20 Prozent der vorgeschriebenen Studieninhalte frei, was bedeutete, dass einige vorgeschriebene Kurse für die jeweiligen Studiengänge als nicht notwendig erachtet wurden. Weitere Verbesserungen des Gesetzes wurden ab diesem Datum kontinuierlich immer wieder vorgenommen (Kitapçı 1996: 91-97). Ende der 1990er Jahre ist in den hochschulpolitischen Handlungen und Äußerungen eine Öffnung gegenüber den weltweiten Entwicklungen zu verzeichnen (siehe Kapitel II-3). Mit der Zeit, wenn auch sehr zögerlich, setzten sich die Universitäten in einigen Entscheidungen durch. Diese betreffen die Wahl der Rektoren, Dekane und Fachbereichsleiter. In einigen Fällen und an einigen Universitäten gab es andere Entscheidungen vom Hochschulrat und auch von dem Staatspräsidenten, die zeitweise zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen der Universität, dem Hochschulrat und dem Staatspräsidenten führten. 1.5 Die türkische Hochschullandschaft 2000 In 2001-2002 haben 497.396 Schüler in der Türkei das Gymnasium (inbegriffen die Berufsbildenden Gymnasien) beendet (YÖK 2003: 28). Davon waren 2,3 Prozent aus den privaten Gymnasien, deren Absolventen – wie jedes Jahr – bei der Universitätsaufnahmeprüfung erfolgreicher sind als die der staatlichen Gymnasien. Im Studienjahr 2002 bewarben sich insgesamt 1.823.099 Bewerber für einen Studienplatz. Diese Zahl beinhaltet auch die Bewerber, die in den Jahren zuvor keinen Studienplatz bekommen haben. Davon nahmen 1.489.478 an der zentralen Zulassungsprüfung teil (siehe Kapitel 2.2 in diesem Teil). Eine Zulassung haben 33,8 Prozent der Bewerber erhalten (YÖK 2003: 92). Um den Anteil der Bevölkerung mit einem Hochschulabschluss zu erhöhen, wurde im Studienjahr 2002/2003 100.000 Bewerbern, ohne die Aufnahmeprüfung zu absolvieren, und 80.000 Studienbewerbern mit Prüfung ein Studium an den Studiengängen der zweijährigen Fernuniversität ermöglicht (ebd.). 42 Die Hochschulen und die Studierenden wurden für die blutigen Unruhen vor der Militärintervention verantwortlich gemacht und die Gründung des Hochschulrats (YÖK) sowie die Einführung des Hochschulgesetzes vom 1981 wurde von den Kritikern als „Disziplinierung der Hochschulen“ angesehen. 104 Im Studienjahr 2001/02 gab es in der Türkei 51 Universitäten, zwei staatliche Technologie-Institute (Gebze und Izmir Yüksek Teknoloji Entitüsü) und 24 private Stiftungsuniversitäten, an denen insgesamt 1.664.364 Studierende immatrikuliert waren; von diesen waren 41,5 Prozent Frauen (siehe Tabelle 4). Im Postgraduiertenstudium gab es 95.980 Studierende, davon waren 35,9 Prozent Frauen. Im Studienjahr 2001/02 hatten 245.433 Absolventen ein Studium abgeschlossen, davon waren 43 Prozent Frauen (ÖSYM 2002: 3). Tabelle 4: Studienanfänger, Studierende und Absolventen im Studienjahr 2001/2002 Studienanfänger Studierende Absolventen Total Frauen in % Total Frauen in % Total Frauen in % Universitäten Gesamt 452.101 42,46 1.664.364 41,53 245.433 42,86 davon Kurzzeitstudium 123.070 43,23 328.903 43,77 71.266 47,19 davon Fernstudium 46.680 45,85 138.628 49,30 22.675 53,90 davon Langzeitstudium 227.203 43,37 1.007.087 42,10 119.223 41,97 davon Fernstudium 92.032 40,55 383.622 39,62 18.449 33,16 Abendstudium 65.998 40,16 224.048 38,14 42.082 39,30 davon Kurzzeit 30.696 39,10 723.74 37,99 15.752 42,51 davon Langzeit 35.302 41,09 151.674 38,20 26.330 37,39 Postgraduierten Gesamt 33.406 37,76 95.980 35,93 11.529 39,16 Magister 28.642 37,74 73.466 35,91 9.554 39,37 Promotion 4.764 37,87 22.514 36,01 1.975 38,18 Spezialisierung in der Medizin 2.424 45,13 8.346 40,45 1.333 35,48 Quelle: ÖSYM 2001-2002 Ankara 2002-2: 3 Auffällig an der Fächerverteilung der Studierenden im Langzeitstudium im Jahre 2001/02 war, dass etwa 45 Prozent der Studierenden angewandte Sozialwissenschaften an den vierjährigen Studienprogrammen studierten. Das Fach Angewandte Sozialwissenschaften wurde in den Fachbereichen Jura, Politik- und Verwaltungswissenschaften, Management, Kommunikation, Pädagogik und Lehramt, Bibliothekswesen und Theater angeboten. Nahezu 17 Prozent der Studierenden studierten in den technischen Fächern – Ingenieurwissenschaften inbegriffen. Fast 11 Prozent waren in den Sozialwissenschaften eingeschrieben, die die klassischen 105 Fachbereiche der Sozialwissenschaften umfassen (siehe Tabelle 5). In den mathematischen und naturwissenschaftlichen Fächergruppen studierten zehn Prozent sowie neun Prozent in Gesundheitswissenschaften – Medizin inbegriffen. vier Prozent studierten Fremdsprachen und Literaturwissenschaften. In der Fächergruppe Land- und Forstwirtschaft waren drei Prozent der Studierenden eingeschrieben und etwa zwei Prozent studierten Kunst (YÖK 2003: 45). In den Kurzzeitstudiengängen studiert jeweils fast die Hälfte der Studierenden Gesundheitswissenschaften und technische Fächer (siehe Tabelle 5). Tabelle 5: Studierende nach Fächergruppen im Lang- und Kurzstudium im Studienjahr 2001/2002 Langzeitstudium Kurzzeitstudium Fächergruppen (ausgewählte Fachbereiche) Absolut in % Absolut in % Sprach- und Literaturwissenschaften (Sprachen und Übersetzung bzw. Dolmetscher) 32.467 4,2 111 - Mathematik u. Naturwissenschaften (Mathematik, Physik, Chemie, Biologie, Astronomie) 73.194 9,5 74 - Gesundheitswissenschaften (Medizin, Zahn-, Veterinärmedizin, Krankenpflege, Gesundheitsverwaltung ,- ausbildung) 72.308 9,3 110.440 42,1 Sozialwissenschaften (Philosophie, Geschichte, Geographie, Archäologie, Theologie, Ökonomie) 81.729 10,6 12.102 4,6 Angewandte Sozialwissenschaften (Jura, Politikwiss., Verwaltungswiss., Management, Kommunikation, Pädagogik und Lehramt, Bibliothekswesen, Theater) 345.804 44,6 105 - Technische Fächer (Ingenieurwissenschaften, Umwelt, Meteorologie, Informatik, E-Technik, Architektur, 131.087 16,9 115.368 44,0 Agrarwissenschaften. und Forstwirtschaft 25.804 3,3 17.152 6,5 Kunst und Kunstwissenschaften 12.746 1,6 7.297 2,8 Gesamt 775.139 100,0 262.649 100,0 Quelle: YÖK 2003: 45 Insgesamt gab es im Studienjahr 2001/2002 in der Türkei 70.012 wissenschaftliches Personal, davon waren 9.396 im Professorenstatus beschäftigt. Von diesen lag der Frauenanteil bei 25 Prozent (siehe Tabelle 6). Im genannten Jahr gab es 5.367 106 Dozenten, davon waren knapp 33 Prozent Frauen. Im Vergleich zu Professoren und den assistant professors gab es wenige Dozenten. Im Dienstgrad assistant professors waren 11.190 Personen beschäftigt, davon waren 30 Prozent Frauen. Der Frauenanteil stieg bei den Lehrbeauftragten auf 37 Prozent von 10.577 Lehrbeauftragten insgesamt. In den letzten Jahren wurden die Stellen der Forschungsassistenten massiv ausgebaut, um den Nachwuchs an wissenschaftlichem Personal im Land auszubilden. Im genannten Jahr waren 25.864 Forschungsassistentenstellen besetzt, davon waren 41 Prozent Frauen. Bei den sonstigen Bediensteten waren 7.618 Angestellte, davon 37 Prozent Frauen (siehe Tabelle 6). Tabelle 6: Wissenschaftliches Personal im Studienjahr 2001/2002 in der Türkei 2001/2002 Total Frauen (in %) Professoren, full 9.396 25,0 Dozenten, associates 5.367 32,5 assistant professors 11.190 30,1 Lehrbeauftragte ö retim görevlileri 10.577 37,0 Forschungsassistenten arastirma görevlileri 25.864 40,9 sonstige Bedienstete 7.618 53,2 Gesamt 70.012 37,1 Quelle: Übernommen aus dem YÖK 2003: 50. Frauenanteil eigene Berechnung aus ÖSYM 2002: 4) Wie bereits beschrieben, gibt es in der Türkei einen großen Mangel an Hochschulpersonal. Insbesondere im Fach Angewandte Sozialwissenschaften beträgt das Verhältnis Studierende: wissenschaftliches Personal 78:1 (siehe Tabelle 7). 107 Tabelle 7: Wissenschaftliches Personal nach Fächergruppen und die Relation Studierende und wiss. Personal im Langzeitstudium im Studienjahr 2001/2002 wiss. Per- sonal Studierendenzahl pro wiss. Personal Fächergruppen Gesamt 2001-2002 Sprach- und Literaturwissenschaften 703 46:1 Mathematik u. Naturwissenschaften 2.647 28:1 Gesundheitswissenschaften 8.227 9:1 Sozialwissenschaften 2.030 40:1 Angewandte Sozialwissenschaften 4.411 78:1 Technische Fächer Ingenieurwissenschaften 4.035 32:1 Agrarwissenschaften und Forstwirtschaft 1.594 16:1 Kunst und Kunstwissenschaften 533 24:1 Sonstige Fächergruppen 754 - Gesamt 24.934 31:1 Quelle: YÖK 2003: 51 In den hochschulpolitischen und gesetzlichen jüngsten Entwicklungen ist Folgendes zu beobachten: Im Rahmen der EU-Anpassung wurde am 9.5.2004 die Verfassung geändert und unter Artikel 131, Absatz 2 die Mitgliedschaft des Generalstabs im Hochschulrat aufgehoben. So besteht derzeit der Hochschulrat aus 21 Mitgliedern.43 Ferner soll die zentralistische Steuerung der Universitäten durch einen Hochschulgesetzesentwurf der gegenwärtigen Regierung der Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung44 (Adalet ve Kalkinma Partis-AKP) verändert werden. Hauptsächlich geht es darum, die Kompetenzen für den tertiären Bildungsbereich bei dem Erziehungsminister zu bündeln. Politisch bedeutet das, dass jede Regierung ihre Hochschulpolitik durch den Erziehungsminister als Vorsitzenden im Hochschulrat verwirklichen kann. Die heftige Kritik in der Öffentlichkeit verhinderte bis jetzt – November 2004 – eine Gesetzesänderung. Die islamisch-konservative Regierungspartei AKP steht in politischer Differenz zum Hochschulrat, der als Vertreter des Kemalismus gegen die Wiederbelebung islamischer Gesellschaftsnormen ist. Hochschulpolitisch bleibt abzuwarten, wie die Machtverhältnisse sich entwickeln und ob die Öffentlichkeit 43 Siehe Tageszeitung Radikal vom 10.05.04. 44 Die islamisch-konservative Partei wurde bei den Wahlen im November 2002 die stärkste Partei und stellt die Regierung allein. Außerdem gibt es noch eine Oppositionspartei, die Cumhuriyet Halk Partisi (CHP) im Parlament. 108 den Gesetzesentwurf durch Proteste verhindern kann. Rückenwind bekam die AKP- Regierung vom EU-Entwicklungsbericht über die Türkei in Bezug auf die Abschaffung des Hochschulrats. Der Hochschulrat wurde als zentralistisch und gegen die Hochschulautonomie eingestuft (Anadolu Ajansı 30.10.2004). Das bedeutet, dass es spätestens im Jahre 2005 ein neues Hochschulgesetz geben wird. Gegenwärtig steht der türkischen Hochschulpolitik eine neuere Entwicklung im Rahmen des Bologna-Prozesses bevor (siehe Kapitel 4. in diesem Teil). Unter dem Dach der formalen Vereinheitlichung hat sich das Hochschulsystem seit Mitte der 1980er Jahren sehr heterogen entwickelt. Im folgenden Kapitel werden die wesentlichen Merkmale des heterogenen Hochschulsystems ausgearbeitet. 109 2. Kriterien des türkischen Hochschulsystems Die verschiedenen oben beschriebenen Expansions- und Ausbauphasen haben zum Hervortreten einiger Merkmale des türkischen Hochschulsystems beigetragen. Diese Merkmale sind Gegenstand vieler hochschulpolitischer Debatten in der Türkei. Ferner prägen sie die gegenwärtigen Entwicklungen im Zuge der Internationalisierung, Globalisierung und Europäisierung. Das türkische Hochschulsystem zeichnet sich aus durch:  steigende Nachfrage nach einem Studienplatz;  zentrale Auswahl und Zulassung zum Studium;  Heterogenität des Hochschulsystems;  Finanzierung bzw. Unterfinanzierung des Hochschulsystems sowie  Ausbildung und Förderung des Hochschullehrer-Nachwuchses. 2.1. Steigende Nachfrage nach einer Hochschulausbildung In den letzten zwei Jahrzehnten ist in der Türkei ein starkes Bevölkerungswachstum zu verzeichnen. Im Jahre 1980 lebten hier 44.737.957 Menschen, davon wohnten 43,91 Prozent in den Städten. Anfang 1990 erhöhte sich die Bevölkerungszahl auf 56.473.035, und der Anteil, der in den Städten lebenden Menschen stieg auf 59,1 Prozent (DIE 1998: 65f.). Im Jahre 2000 stieg die Bevölkerungszahl auf 67.803.927 an, davon lebten 64,9 Prozent in den Städten (DIE o. J.). Es gibt in der Türkei eine große Zahl von jungen Menschen (DIE 1998: 73). Neben Mexiko hat die Türkei die größte Bevölkerungsgruppe (31%) der 5- bis 19-Jährigen in der Welt. Abgesehen vom Bevölkerungswachstum trugen in der Türkei die Verstädterung, die verbesserten finanziellen Möglichkeiten der Familien, die steigende Zahl der Gymnasiasten (enatalar 2002: 50) und das Fehlen eines berufsbildenden Zweiges im Bildungssystem zur vermehrten Nachfrage nach einer Hochschulausbildung bei. Die Bedeutung eines Hochschulabschlusses allgemein war und ist in der Gesellschaft mit einem hohen Ansehen verbunden.45 Im Jahre 1970 hatten 3,2 Prozent der Bevölkerung einen Hochschulabschluss, zehn Jahre später hatte sich der Anteil verdoppelt, und im Jahre 1990 lag er bereits bei 7,3 45 Im Grunde genießt Bildung allgemein einen großen Stellenwert in der Gesellschaft. Dies ist zum größten Teil geschlechtsunabhängig (Neusel/Bradatsch 1996: 117-135). Nach Neusel und Bradatsch beginnt die eigentliche Selektion in der Schule und nicht auf der Hochschule. So gehen die Autorinnen von sozialer Selektion aus in der Türkei, nicht aber von einer Segregation nach Geschlecht (Neusel/Bradatsch 1996: 117-135). 110 Prozent. Die internationalen Vergleichszahlen für das Jahr 1998 machen deutlich, dass nur sechs Prozent der türkischen Bevölkerung im Alter von 25-64 Jahren den höchsten Bildungsabschluss vorweisen konnten (Referenzjahr 1997) (Grund- und Strukturdaten 1998: 426). Nach Angaben des Staatlichen Statistikamts betrug im Jahre 2002 die Bevölkerungszahl der Hochschulaltersgruppe 5.355.000; davon studierten 29,3 Prozent und von diesen wiederum waren 19,5 Prozent reguläre Studierende (YÖK 2003: 45). Mit den postgraduierten Studierenden stieg der Anteil der studierenden Bevölkerung auf 31,3 Prozent (ebd.). Dennoch können nur zehn Prozent der Bevölkerung einen Hochschulabschluss vorweisen. Einer der Gründe für den geringen Bevölkerungsanteil mit einem Hochschulabschluss ist, dass seit Jahren die vorhandenen Studienplätze nicht die große Nachfrage abdecken können. Um die wenigen Studienplätze objektiv gerecht verteilen zu können, wurde ein zentrales Auswahl- und Zulassungssystem etabliert. 2.2. Auswahl und Zulassung zum Studium Bereits in den 1950er Jahren gab es in der Türkei einen Vorläufer der allgemeinen Universitätsaufnahmeprüfung; vereinzelt und für einige Universitäten gemeinsam fanden Aufnahmeprüfungen statt. Im Jahre 1962 wurde dieses Verfahren vereinheitlicht und für alle Hochschuleinrichtungen eingeführt. Um innerhalb der großen Anzahl von Bewerbern die zentrale Auswahl zu organisieren, wurde im Jahre 1974 speziell eine staatliche Institution eingerichtet. Diese war die Zentralstelle für die Studierendenauswahl und -zulassung (Örenci Seçme ve Yerletirme Merkezi – ÖSYM-1973) (Strohmeier 1994: 285). Seitdem wurden und werden im ganzen Land an einem bestimmten Tag im Juni bzw. Juli Aufnahmeprüfungen abgehalten. Von 1981 bis 1998 fand diese Prüfung in einem zweistufigen Verfahren statt. Seit 1999 wird sie erneut einstufig durchgeführt. An den zentralen Prüfungen können die Schüler der letzten Klasse der Gymnasien, Gymnasiumsabsolventen mit einem Abitur (lise diplomasi) oder einem vergleichbaren gymnasialen Abschluss – inbegriffen die Berufs- und religiösen Gymnasien – teilnehmen (YÖK 2003: 26). Außerdem können Studierende, die einen Fachwechsel oder einen Studienortwechsel beabsichtigen und keine ausreichende Leistung vorweisen an der Aufnahmeprüfung partizipieren.46 Bei der zentralen Aufnahmeprüfung wird das Abiturwissen in vier Fachgebieten (Naturwissenschaften, Sozialwissenschaften, Sprachen und Mathematik) nach dem multiple choice-Prinzip abgefragt. 46 Die Durchlässigkeit innerhalb der Studiengänge und Studienortwechsel ist in der Türkei nicht ohne Weiteres möglich. 111 Die Zulassung für alle staatlichen Universitäten und privaten Stiftungsuniversitäten sowie für die Partneruniversitäten auf Nordzypern und im zentralasiatischen Teil der Türkei verläuft über die Zentralstelle für Studienauswahl und Zulassung (ÖSYM). Auf der Grundlage der erreichten Punktzahl bei der zentralen Prüfung, der Leistungen in der Schule sowie einem mathematischen Koeffizienten wird die Zulassung nach Studienort- und Studienfachwahl erteilt (ebd.). Seit Mitte der 1990er Jahre nehmen jährlich etwa 1,5 Millionen Studienbewerber an der zentralen Aufnahme- und Zulassungsprüfung teil, jedoch nur ein Drittel der Bewerber werden zugelassen (siehe Abbildung 7). Im Jahre 1990 hatten sogar nur 22 Prozent der Bewerber eine Zulassung für einen Studienplatz bekommen (siehe Abbildung 7). Die zur Verfügung stehenden Studienplätze können die enorme Nachfrage nicht abdecken. Die Prognosen des Erziehungsministeriums47, die sich auf die Schülerzahlen im Sekundarbereich beziehen, besagen, dass in den kommenden fünf Jahren (im Zeitraum von 2006-2011) die Zahl der Bewerber für einen Studienplatz auf über zwei Millionen ansteigen wird (YÖK 2003: 35). Im Jahre 2002 bewarben sich in der Türkei insgesamt 1.823.099 junge Menschen für einen Studienplatz, wie bereits genannt haben davon lediglich 33,8 Prozent einen Studienplatz erhalten (YÖK 2003: 26). 47 Wie bereits aufgezeigt, ist das Milli Eitim Bakanlıı, das Nationale Erziehungsministerium, für die Vorschule, Grund- und Sekundarschule sowie Erwachsenenbildung zuständig. Der Hochschulrat ist für die Hochschulausbildung zuständig. 112 Abbildung 7: Entwicklungszahlen der Studienbewerber und Zugelassenen in der Türkei von 1985 bis 2002 0 200.000 400.000 600.000 800.000 1.000.000 1.200.000 1.400.000 1.600.000 1.800.000 2.000.000 1985 1990 1995 2000** 2002** TeilnehmerInnen an der Prüfung Zulassung Gesamt Zugelassene für eine vierjährige Fakultät oder Hochschule Zugelassene für den Quelle: Eigene Zusammenstellung aus: Bölüm I Türk Yükseköretiminin Bukünkü Durumu, Sorunlari ve Cözümler Önerileri. YÖK 1996:4. *ab 2000 sind die Zahlen aus dem YÖK 2003: 33 entnommen. ** aus: YÖK 2003: 29. Die Folgen der Diskrepanz zwischen der Nachfrage nach und dem Angebot an Studienplätzen führten erstens zur Kommerzialisierung und zweitens zur Hierarchisierung des Bildungssystems. Die Kommerzialisierung des Schulsektors beginnt mit dem privaten Kindergarten und erstreckt sich bis zur privaten Hochschule. Wer eine gute Schulbildung erhalten hat, hat auch gute Chancen auf einen Studienplatz. Wer keinen Studienplatz hat, verbringt in der Regel die Wartezeit bis zum nächsten Prüfungstermin mit dem Besuch eines relativ kostspieligen Vorbereitungskurses. So hat sich ein expandierender Markt an Vorbereitungskursen etabliert. Allein im Schuljahr 1996/97 gab es 1.479 angemeldete Vorbereitungskurse und 310.432 Kursteilnehmer (Milli Eitim Bakanlıı 1997). Im Jahre 2002 stieg die Zahl der Vorbereitungskurse, so genannte Dershane, auf 1.864 an mit 523.244 Kursteilnehmern (Agai 2002: 98). In den Vorbereitungskursen wird gezielt das Schulwissen nach Fächergruppen wiederholt. Agai gibt ein Beispiel für einen der berühmten Dershane in Istanbul Fırat Eitim Merkezi (Fırat Bildungszentrum FEM). Dieser hat im Jahre 2002 für einen einjährigen Vorbereitungskurs 1.250 Euro gekostet, mit Internat sogar etwa 2.130 Euro (Agai 2002: 98). Der jährliche Umsatz der Dershane beträgt landesweit 700 Mio. US-$, dies entspreche „einem Viertel des Etats des Bildungsministeriums“ (ebd.). Die Studienbewerber können sich auch zu Hause mit 113 Hilfe von speziellen Testbüchern auf die Prüfungen vorbereiten, was jedoch die Chancen für eine Zulassung zum Studium deutlich reduziert. Die zweite Folge der zentralen Zulassung zum Studium ist die Hierarchisierung des Bildungssystems. Die Hierarchisierung nach unten zum Schulsystem ergibt sich aus den erfolgreichen Zulassungen bei der Aufnahmeprüfung je nach Schule (privates Gymnasium, staatliche Elitegymnasien, z. B. Anadolu Lisesi, Fen Liseleri oder Süper Lise) und Ort. In der Regel sind die Studienbewerber aus der Westtürkei erfolgreicher und die Studienbewerber aus den privaten48 und den staatlichen Eliteschulen – Anadolu lise bzw. Süper Lise – erfolgreicher.49 Das Zulassungsverfahren führt zu einem enormen Wettbewerb zwischen den Bewerbern um die attraktiven Studiengänge und die renommierten Universitäten des Landes. Die erreichten Punktzahlen bei der Aufnahmeprüfung und die erforderlichen Mindestpunkte für eine Zulassung zum Studium geben über die Hitlisten – die attraktivsten Studiengänge und die renommierten Universitäten des Landes – Auskunft. Die Mehrheit der Studienbewerber wollen in erster Linie an den Metropoluniversitäten studieren. Dadurch sind die erforderlichen Punktzahlen für eine Zulassung für dasselbe Fach an Universitäten in den Metropolen sehr viel höher als an den Universitäten außerhalb der Metropolen, und sie nehmen von Westen nach Osten nochmals deutlich ab.50 So waren im Jahr 2003 für die Studiengänge an den staatlichen Universitäten in den Metropolen Istanbul, Ankara und Izmir die erforderlichen Mindestpunktzahlen für eine Zulassung höher als an den anderen Universitäten. Insbesondere an den renommierten staatlichen Universitäten Boaziçi und ODTÜ (englischsprachige Universitäten) lagen die erforderlichen Mindestpunktzahlen im Durchschnitt nicht unter 355.000.51 Die beliebtesten Studiengänge in der Türkei sind Wirtschaftswissenschaften, internationale Beziehungen, Elektrizität- und Elektronikingenieurwissenschaften. Tabelle 8 verdeutlicht die Unterschiede der erforderlichen Mindestpunktzahlen für eine Zulassung zu den beliebtesten Studiengängen für das Jahr 2003. Für den Vergleich wurden Universitäten in verschiedenen Landesregionen ausgewählt. Dabei differieren die Punktzahlen, die mindestens erreicht werden müssen, um an diesen Universitäten 48 Die Zahl der privaten Schulen nahm im Zeitraum von 1981 bis 1997 von 253 auf 1.468 zu, davon waren im Jahre 1981 73 private Gymnasien und im Jahre 1997 bereits 395 private Gymnasien (siehe dazu Ünal/Özsoy 1999: 69). 49 Siehe zu der umfassenden Untersuchung über die Chancengleichheit in der Türkei Ünal/Özsoy (1999: 39-72). 50 Siehe Yalçın 2001: 99ff. 51 Siehe dazu ÖSYM 2003. 114 studieren zu können, sehr stark. Ein Beispiel: Während für Elektrizität- und Elektronikingenieurwissenschaften an der Bo aziçi Üniversitesi eine Mindestpunktzahl von 372.951 erreicht werden musste, reichte für eine Zulassung an der Ondokuz Mayis Üniversitesi (Samsun-Schwarzmeer-Gebiet) eine Mindestpunktzahl von 337.760; d. h., zwischen der erreichten Mindestpunktzahl 372.951 und 337.760 kann eine Vielzahl von Bewerbern sein, die innerhalb dieser Punktzahlen eine Leistung erbracht haben. Tabelle 8: Erforderliche Mindestpunktzahlen der beliebtesten Studiengänge an ausgewählten Universitäten Universitäten (Stadt, Region, Gründungsjahr) Wirtschafts- wissenschaften Intern. Beziehung Elektrizität- und Elektronik- Ingeneurwiss. Medizin Boaziçi Üni. (Istanbul, Metropole, 1971) 364.279 358.991 372.951 - Ankara Üni. (Ankara, Mittelanatolien, 1946) 345.571 344.919 348.543 361.123 Cumhuriyet Üni. (Sivas, Mittelanatolien,1974) 289.743 - 328.690 347.212 Ondokuz Mayis Üni. (Samsun, Schwarzmeer-Gebiet, 1975) - - 337.760 349.743 Canakkale Onsekiz Mart Üni. (Canakkale, Marmara, 1992) 296.833 303.484 - 353.867 Yüzünci Yil Üni. (Van, Ostanatolien, 1982) - - - 346.893 Quelle: Eigene Zusammenstellung ÖSYM 2003. Der absolute Renner ist nach der Fächerauswahl in der Tabelle 8 der Studiengang Elektrizitäts- und Elektronikingenieurwissenschaften an der Bo aziçi Üniversitesi mit einer erforderlichen Mindestpunktzahl von 372.951. Ein Medizinstudium an der Ankara Universität ist gefragter als an den Universitäten in anderen Regionen. An der Yüzünci Yil Üniversitesi werden außer Medizin, die im Vergleich zu den anderen Universitäten sehr schlecht abschneidet, die gefragtesten Studiengänge überhaupt nicht angeboten (siehe Tabelle 8). 115 2.3 Heterogenität des türkischen Hochschulsystems Die unterschiedlichen strukturellen Entwicklungen, das Importieren von verschiedenen Hochschulmodellen aus dem Ausland sowie die Verschiebung von hochschulpolitischen Schwerpunkten führten zu einem heterogenen Hochschulsystem. Die Heterogenität soll anhand der qualitativen Unterschiede zwischen den Universitäten und dem Ost-West-Gefälle im Land beispielhaft aufgezeigt werden, um im Anschluss daran die Frage nach der Diversivität des Hochschulsystems in Anlehnung an Teichler (1990) zu prüfen. Die Folgen der Heterogenität werden zum Schluss dieses Teils (II) diskutiert (siehe Kapitel 5. in diesem Teil). 2.3.1 Qualitative Unterschiede zwischen den Universitäten des Landes Auf die Heterogenität des türkischen Hochschulwesens weisen Neusel/Bradatsch hin und entwickelten die folgende Aufteilung, die von Yalçın/Gür (2003) erweitert wurde (Neusel/Bradatsch 1996: 127). Innerhalb des formal vereinheitlichten Hochschulsystems lassen sich fünf staatliche Universitätsgruppierungen – in Anlehnung an Teichler – nach den Aufgaben der Hochschuleinrichtung, der Größe ihres Fächerangebots und der Qualität der Bildung unterscheiden (Teichler 1990: 23ff). Die Gruppierungen stehen mit der etwaigen chronologischen Entwicklung in der Türkei im Zusammenhang. Diese sind traditionelle Universitäten, die staatlichen englischsprachigen Universitäten, Regionaluniversitäten, umstrukturierte Universitäten sowie die Provinzuniversitäten. a) Die ältesten Universitäten des Landes bezeichnet Özbay (1990: 113) als die „traditionellen“ Universitäten. Die neustrukturierte Istanbul Universität (im Jahre 1933) und die Ankara Universität (im Jahre 1946) gehören dieser Gruppe der Universitäten an. Ferner gehört die Istanbul Teknik Üniversitesi, die auch eine lange Tradition in der Ausbildung von Ingenieuren hat und im Jahre 1944 neu strukturiert wurde, zu dieser Gruppe. Gemeinsamkeiten bestehen in ihrer Entwicklung. Diese wurde insbesondere von Exilwissenschaftlern aus dem deutschen Reich stark beeinflusst, geformt bzw. wurden einige Lehrstühle von ihnen neu eingerichtet und besetzt. Diese Universitäten, die in den Metropolen Ankara und Istanbul angesiedelt sind, sahen lange Zeit die Ausbildung guter Staatsbürger und Staatsbediensteter als ihre Hauptaufgabe an. Die kemalistische Ideologie des Landes wurde mit Hilfe der Wissenschaften, wie Geschichts-, Literatur- und Ingenieurwissenschaften, an diesen Universitäten lange Zeit untermauert. Diese Universitäten gehören nach wie vor zu den größten staatlichen Universitäten und bieten ein breites Fächerspektrum an. In der 116 Forschung haben sie eine lange Tradition; insbesondere in der Grundlagenforschung bilden sie die akademischen Kräfte aus. Sie sind Volluniversitäten und sind seit Anfang der 2000er Jahre vermehrt auch für die Ausbildung der Nachwuchswissenschaftler zuständig. Seit Anfang der 1990er Jahre werden einige Studiengänge der traditionellen Universitäten in englischer Sprache angeboten. An der Ankara Üniversitesi studierten im Studienjahr 2001/2002 35.789 Studierende, an der Istanbul Üniversitesi waren es 52.591 und an der Istanbul Technik Üniversitesi waren im selben Studienjahr 13.328 Studierende immatrikuliert (ÖSYM 2002: 55ff.). b) Zu der zweiten Gruppe der englischsprachigen staatlichen Universitäten52 gehören die Bo aziçi Üniversitesi, Orta Do u Teknik Üniversitesi (ODTÜ) und die Galatasaray Üniversitesi an. Die Bo aziçi Üniversitesi entstand aus dem Robert College, einem amerikanischen Jungengymnasiums, das im Jahre 1971 verstaatlicht wurde. ODTÜ hingegen wurde im Jahre 1956 in Ankara mit finanzieller Hilfe der USA nach dem US- amerikanischen Hochschulmodell aufgebaut (Neusel/Bradatsch 1996: 127). Beide Universitäten wurden lange Zeit mit Sondergesetzen und -mitteln gefördert. Ihre Unterrichtssprache ist Englisch. Die überwiegende Anzahl des Lehrkörpers hat seine Ausbildung an den amerikanischen Hochschulen abgeschlossen und verfügen über Lehr- und Forschungserfahrungen aus dem Ausland. Die Bo aziçi Üniversitesi setzt sich aus vier Fakultäten und drei Berufshochschulen zusammen. ODTÜ hingegen hat fünf Fakultäten und eine Berufshochschule. Die Fakultäten sind: die Fakultät für Natur- und Literaturwissenschaften, die Pädagogische Fakultät, die Fakultät für Wirtschaft und Verwaltungswissenschaften und die Fakultät für Ingenieurwissenschaften. Außerdem hat ODTÜ die Fakultät für Architektur. Im Studienjahr 1998/99 waren an der Bo aziçi Üniversitesi 7.840 (ÖSYM 2002: 62) und an der ODTÜ 14.305 (ebd.: 82) Studierende immatrikuliert. Im Gegensatz zu anderen Universitäten des Landes wurden die Kapazitäten dieser Universitäten nicht in vergleichbarer Weise erhöht. Diese Universitäten genießen großes Renommee und bilden in den letzten Jahren mit den traditionellen Universitäten zusammen vermehrt Nachwuchswissenschaftler aus. Ein jüngeres Projekt ist die Galatasaray Üniversitesi, die ähnlich wie die Bo aziçi Üniversitesi auf einen renommierten Gymnasialzweig aufbaut. Sie wurde Mitte der 1980er Jahre in Kooperation mit Frankreich in französischer Sprache gegründet und ist eine der kleineren Universitäten des Landes. Im Studienjahr 2001/2002 waren an dieser Universität 1.535 Studierende immatrikuliert (ebd.: 55ff.). 52 Siehe für englischsprachige private Stiftungsuniversitäten in diesem Teil (II) Kapitel 3.1. 117 c) Die Regionaluniversitäten entstanden Ende der 1950er bis Mitte der 1970er Jahre in der Türkei mit dem Ziel, das regionale Bildungsangebot zu erhöhen (ÖSYM 1999: 77). Diese Universitäten wurden in Abhängigkeit von den Metropoluniversitäten aufgebaut, d.h. sie waren in der Anfangszeit an die Metropoluniversitäten Ankara, Istanbul und Izmir gebunden und ihr Bedarf an Lehrpersonal wurde von dort gedeckt. So standen diese Universitäten lange Zeit unter der Obhut der Metropoluniversitäten; erst nach 1982 wurden ihre Kapazitäten stark ausgebaut. Diese sind die Karadeniz Teknik Üniversitesi (Samsun), Çukurova Universität (Adana), Dicle Üniversitesi (Diyarbakir), Fırat (Elazı; 1975), Çukurova (Adana; 1973). Ihr Ansehen in der Gesellschaft ist deutlich geringer als das der traditionellen oder der englischsprachigen Universitäten. d) Zu der Gruppe der Umstrukturierungsuniversitäten gehören die Universitäten, die aus einer pädagogischen Hochschule zu Universitäten umstrukturiert wurden. Sie wurden nach dem Hochschulgesetz 1981 gegründet und hauptsächlich in den Metropolen der Westtürkei angesiedelt. Diese staatlichen Universitäten bieten ein breites Fächerspektrum an und betreiben Grundlagenforschung. Es sind dies: Trakya (Edirne; 1982), Akdeniz (Antalya; 1982), Yüzünci Yil (Van; 1982), Gazi (Ankara; 1982), Mimar Sinan (stanbul; 1982), Marmara (stanbul; 1982), Yildiz Teknik (stanbul; 1982) und Dokuz Eylül (zmir, 1982). Bis Anfang der 1990er Jahre standen diese acht Universitäten unter Kritik, da sie vom Hochschulrat unvorbereitet aus den Akademien und Hochschulen aufgebaut wurden. Derzeit bieten ein breites Fächerangebot an. In einigen Studiengängen konkurrieren die in den Metropolen gegründeten Umstrukturierungsuniversitäten mit den traditionellen Universitäten. Außerdem bieten einige dieser Universitäten die beliebtesten Studiengänge an wie Wirtschaftswissenschaften und Medizin in englischer Sprache. Die Universitäten in den Metropolen sind im Vergleich zu denen in den Provinzen differenziert und diversifiziert. Marmara Üniversitesi (Istanbul) oder die Gazi Üniversitesi (Ankara) haben qualifizierteres Lehr- und Forschungspersonal angezogen und bieten im Vergleich zu der Yüzünci Yil Üniversitesi (Van, Ostanatolien) ein breiteres Fächerspektrum an. e) Die kleineren Provinzuniversitäten wurden im Jahre 1992 gegründet. Die 22 Neugründungen wurden vom Parlament in einer Nacht beschlossen; die Entscheidung wird als „politisches Wahlkalkül“ der Abgeordneten betrachtet. Diese Universitäten wurden von den Kritikern als „Gecekondu“-Universitäten oder „Tabellenuniversitäten“ bezeichnet (vgl. Neusel/Bradatsch 1996: 128). Einige davon sind: Adnan Menderes (Aydın; 1992), Afyon Kocatepe (Afyon; 1992), Celal Bayar (Manisa; 1992), 118 Dumlupınar (Kütahya; 1992), Mugla (Mugla; 1992), Pamukkale (Denizli; 1992) usw. Diese Universitäten haben kein großes Renommee, aber sie bieten ein Studium vor Ort an und wurden überwiegend in der Westtürkei, der Marmara-Region und der Ägäis etabliert. Seit Ende der 1990er Jahre werden die Kapazitäten dieser Universitäten ausgebaut. Eine weitere Gruppe bilden die privaten Stiftungsuniversitäten in der Türkei (siehe in diesem Teil Kapitel 3.1). In der Öffentlichkeit findet die Qualität der Hochschulen breite Aufmerksamkeit, da der Besuch einer besseren Hochschule die Möglichkeit einer besseren Einstellung erhöht. Aber in der Türkei gibt es keine Hochschulrankings, die Frage nach den besten Universitäten des Landes und beliebtesten Studiengänge wird alljährlich vor der Universitätsaufnahmeprüfung in den Medien aufgegriffen. Eine Untersuchung zur Qualität der Universitäten wurde Ende 1996 durchgeführt. In einer Kommission kamen Experten aus den Hochschulen, Medienvertreter sowie Persönlichkeiten aus der Wirtschaft zusammen und haben das folgende Hochschulranking aufgestellt, das stark mit der Rangliste nach Bewerberpunktzahlen korreliert: 1. Boaziçi Üniversitesi 2. Orta Dou Teknik Üniversitesi 3. Bilkent Üniversitesi53 4. Istanbul Teknik Üniversitesi 5. Hacettepe Üniversitesi 6. Istanbul Üniversitesi 7. Ankara Üniversitesi 8. Marmara Üniversitesi 9. Ege Üniversitesi 10. Yildiz Teknik Üniversitesi (Tukel 1997). Auffällig ist, dass sich alle diese Universitäten in den drei Metropolen des Landes befinden und die beiden englischsprachigen staatlichen Universitäten diese Hitliste anführen. Immer mehr zeichnet sich innerhalb der staatlichen Universitäten eine deutliche Aufgabenteilung ab: Die besten Universitäten des Landes bilden wenige Studierende aus und die breite Masse der Studierenden muss mit den qualitativ schlechteren Universitäten vorlieb nehmen. Im Folgenden wird die regional ungleiche Verteilung der Hochschulbildungs- möglichkeiten dargestellt. 53 Die Bilkent Üniversitesi ist die erste private Stiftungsuniversität seit den 1980er Jahren. 119 2.3.2 Regionale Verteilung und Ost-West- Gefälle Die regional ungleiche Verteilung von Universitäten ist ein besonderes Merkmal des türkischen Hochschulsystems. Trotz mehrerer hochschulpolitischer Interventionen und Gesetzgebungen gab es im Abbau der Ungleichheit sehr wenig Bewegung. Die renommiertesten Universitäten und die meisten privaten Universitäten des Landes befinden sich nach wie vor in der Westtürkei, insbesondere in den drei Metropolen des Landes. Genau genommen sind von den 77 Hochschuleinrichtungen 37 in den drei Metropolen Istanbul, Ankara und Izmir angesiedelt. Die Universitätseinheiten der unterentwickelten Provinzen sind zum Teil auf verschiedene kleinere Bezirke oder Kreise verteilt. enatalar spricht sogar von einer „extremen Zersplitterung der Universitäten und Fakultäten auf das ganze Land“ (enatalar 2002: 51). Ein Beispiel ist die Provinzuniversität Dumlupinar Üniversitesi in Kütahya, Ägäis. Sie hat sieben Fakultäten auf drei kleinere Städte, zwei Institute und 17 zweijährige Berufshochschulen auf 17 Bezirke verteilt. Nach enatalar würde die Zersplitterung der Universitätseinheiten „einen effizienten Gebrauch der Mittel der betreffenden Universitäten, die Herausbildung einer akademischen Atmosphäre erschweren und die Funktion einer Universität schwächen, zur gesellschaftlichen Entwicklung beizutragen“ (enatalar 2002: 53). Bei der regionalen Verteilung der Universitäten weist der Osten des Landes nur eine sehr geringe Zahl Universitäten und zudem die weniger renommierten Einrichtungen auf. Die sozioökonomische Diskrepanz zwischen West- und Osttürkei spiegelt sich auch im tertiären Bildungsbereich wider (vgl. Neusel/Bradatsch 1996: 128).54 Die Vergleichstabelle (Tabelle 9) zeigt, dass im Zeitraum von 1991 bis 2001 eine enorme Umverteilung der Studienplätze von den drei Metropolen des Landes auf die Regionen stattfand. Im Jahre 1991 studierten etwa 48 Prozent aller Studierenden in den drei Metropolen. Im Jahre 2001 war ihre Zahl auf 24 Prozent gesunken. In der Region der Ägäis gab es im Jahre 1991/92 überhaupt keine Universitäten außerhalb der Metropole Izmir und bereits im Jahre 2001 hatte die Region fünf Prozent der Studienplätze von der Gesamtzahl der Studierenden. Die Region Mittelanatolien hat eine Steigerung der Studierendenzahlen von 39,33 Prozent auf 44,64 Prozent, hierzu ist es wichtig, den hohen Anteil der Fernstudierenden mitzuberücksichtigen. Das Marmara-Gebiet verzeichnete im Jahre 2001/2002 eine Steigerung von 3,79 Prozent auf 8,27 Prozent. Die benachteiligten Regionen Ostanatolien und Südostanatolien hatten im Vergleich zu den anderen Regionen eine leichte Steigerung der Studienplatzzahl vorzuweisen (siehe Tabelle 9). 54 Weitere Informationen zum regionalen Gefälle siehe Neusel u.a. 1995: 31 und Neusel, Bradatsch und Yalçın 1994: 24 sowie Yalçın 2001. 120 121 In der YÖK-Untersuchung zur sozioökonomischen Herkunft der Studierenden aus dem Jahre 1997 wird mit Zahlen belegt, was allgemein angenommen wurde.55 Ein erheblicher Unterschied liegt zwischen dem Einkommen der Eltern von Studierenden an den privaten Stiftungsuniversitäten und denen an den staatlichen Universitäten. Das durchschnittliche Einkommen der Eltern der an den staatlichen Universitäten Immatrikulierten lag bei 74 Mrd. Türkische Lira (TL)56 monatlich und das der Eltern von Studierenden an den privaten Stiftungsuniversitäten bei 179 Mrd. TL monatlich. Die große Differenz wird deutlicher, wenn das landesweite monatliche Durchschnittseinkommen im Jahre 1997 als Information hinzugezogen wird: es lag bei 73 Mrd. TL (YÖK 1997). Laut Untersuchung zeichnete sich auch innerhalb der staatlichen Universitäten eine große Differenz bei den Einkommen der Eltern der Studierenden ab. Die Studierenden, deren Eltern Besserverdiener waren, besuchten die Universitäten in den drei Metropolen Istanbul, Ankara und Izmir. Die Eltern der Studierenden an der Galatasaray Üniversitesi (in Istanbul, französischsprachig) hatten das größte durchschnittliche Einkommen von 157 Mrd. TL monatlich, den geringsten Einkommensdurchschnitt hatten die Eltern der Studierenden an der Yüzüncü Yıl Üniversitesi (Van) mit 44 Mrd. TL monatlich. Hier wird nochmals das Ost-West- Gefälle deutlich. Der Bildungsgrad der Eltern verläuft parallel zu den Einkommen. Den geringsten Bildungsgrad haben die Eltern der Studierenden an den Regionaluniversitäten, insbesondere an den Universitäten des Ostens (ebd.). Ferner werden die von den Bewerbern gefragtesten Studiengänge an der Yüzüncü Yil Üniversitesi, wie aus der Tabelle 9 zu ersehen ist, überhaupt nicht angeboten. An den zwei Universitäten in Südostanatolien ist das Fächerspektrum kleiner. Die Studierenden aus dieser Region, die eines dieser beliebtesten Fächer studieren möchten, müssen aus ihrer Region wegziehen. Die ungleichgewichtige Verteilung der Studienplätze auf die Regionen zeigt sich auch bei der Verteilung des wissenschaftlichen Personals auf die Metropol- bzw. Regionaluniversitäten. An den Regionaluniversitäten waren 52 Prozent des gesamten wissenschaftlichen Personals beschäftigt und an den drei Metropoluniversitäten 48 Prozent (siehe Tabelle 9). Nach Serhatlioglu (2003) sind in den drei Metropolen die meisten Professoren als assistant professors tätig (Serhatlıolu 2003). Das bedeutet, dass an den Metropoluniversitäten kein neues wissenschaftliches Personal eingestellt 55 Für diese Untersuchung wurden 80.000 Studierende aus verschiedenen, damals 51 staatlichen Universitäten und 7 privaten Stiftungsuniversitäten befragt (siehe dazu YÖK 1997). 56 Der Wechselkurs lag bei 1 DM = 113.000 TL im Dezember 1997, so waren umgerechnet 74 Mrd. TL etwa 655,00 DM wert. 122 werden kann, dafür aber das ältere Personal an den Regionaluniversitäten fehlen würde (Serhatlıolu 2003). Hierzu weist Serhatlioglu auf das Nichtfunktionieren des Rotationsprinzips des wissenschaftlichen Personals hin, das eigentlich im Hochschulgesetz (Nr. 2547) von 1981 verankert war (Serhatlıolu 2003). Das Rotationsprinzip sollte zwei Funktionen erfüllen: Erstens sollte es die Erfahrung des wissenschaftlichen Personals erhöhen und damit die Qualität. Im Grunde war das Rotationsprinzip als Bedingung für die Vergabe von weiteren akademischen Titeln gedacht. Zweitens sollten die neueren Universitätsgründungen durch das Rotationsprinzip personell besser ausgestattet werden. Nach Serhatlıolu blieb diese Klausel nach einigen Jahren der Umsetzung nur noch auf dem Papier bestehen (Serhatlıolu 2003). Ein weiterer Kritikpunkt an dem wissenschaftlichen Personal der Provinzuniversitäten ist, dass im Vergleich zu den Metropoluniversitäten und den Universitäten in der Westtürkei das Lehrpersonal überwiegend dem konservativen Zirkel angehört (YÖK üzerine Cumhuriyet Hikmet Cetinkaya (14.7.00). In diesem Zusammenhang stellt Balabay die Frage, wie es möglich sei, dass in einer Stadt eine Universität gegründet wird und diese Stadt in der Folge bezüglich des Bildungsniveaus zurückfällt? Balabay meint damit die Universitäten, die nach 1992 gegründet worden sind (Balabay/Cumhuriyet 4.7.2000). Den Grund für dieses Phänomen sieht Balabay darin, dass die Etablierung einer Universität in einer Provinz in erster Linie aus wirtschaftlichen Aspekten erfolgt und nicht aus dem Anspruch eine Bildungseinrichtung zu gründen, um das Bildungsniveau der dortigen Bevölkerung zu erhöhen (Balabay/Cumhuriyet 4.7.2000). Bis jetzt wurden die quantitative und qualitative Entwicklung sowie die besonderen Merkmale des türkischen Hochschulsystems aufgezeigt, die im Folgenden unter dem Aspekt der Merkmale eines diversifizierten Hochschulsystems betrachtet werden sollen. In den letzten zehn Jahren ist zu beobachten, dass die Metropolen Studienplätze an die Regionen abgegeben haben. Dennoch sind die angebotenen Studienplätze im Osten des Landes im Vergleich zu den anderen Regionen sehr gering. 2.3.3 Diversifiziertes Hochschulsystem In der Hochschulforschung gelten diversifizierte Hochschulsysteme als die geeignetsten Systeme, die Bedürfnisse der modernen industrialisierten Gesellschaften zu befriedigen (vgl. Teichler 1990: 49). Die charakteristischen Merkmale eines diversifizierten 123 Hochschulsystems, die von Teichler Anfang der 1990er zusammengestellt wurden, lassen zusammenfassend sich nochmals in zwei zentrale Perspektiven formulieren (Teichler 1990: 49): Erstens aus der Perspektive der Studierenden und zweitens aus den institutionellen Bedingungen eines diversifizierten Hochschulsystems. Zu erstens: In den modernen Gesellschaften sind die Profile der Studierenden vielfältig. So sollen die diversifizierten Systeme „(...) eine Vielfalt von Bildungserwartungen realisieren, die den großen Unterschieden in den Befähigungen, Motiven und Berufswünschen der Studierenden entsprechen“ (Teichler 1990: 50). Hierbei liegt der Akzent auf „unterschiedliche Bildungsangebote für verschiedene Studierende (...); nicht beabsichtigt ist, Unterschiede in Voraussetzungen und Perspektiven der Studierenden zu verringern“ (Teichler 1990: 50). Außerdem seien die Institutionen und Studiengänge „darin dynamisch, dass für Studierende eine gewisse Durchlässigkeit gegeben“ sei (ebd.). Zu zweitens: Um die unterschiedlichen Bedürfnisse der Studierenden an ein Studium und die Ansprüche der Arbeitgeber zu realisieren, werden an eine diversifizierte Institution Hochschule – in Anlehnung an Teichler – folgende Anforderungen gestellt: a) „Relativ ausgeprägte Hierarchie von Hochschulen und Studiengängen nach ‚Qualität‘, kognitivem Anspruchsniveau, Reputation usw. b) Gewisse Grenzen in der Betonung institutioneller Hierarchien werden allerdings für notwendig gehalten, um eine Dynamik des Hochschulwesens und eine Reaktionsfähigkeit auf sich wandelnde Bedingungen zu sichern. c) In der institutionellen Hierarchie wird nach diesen Konzeptionen ein Fortbestand eines gesonderten ‚Eliten‘-Sektors für selbstverständlich gehalten. Der Eliten- Sektor unterscheidet sich nach diesen Vorstellungen vom ‚Massen-Sektor‘ darin, dass er autonomer in Entscheidungen ist und die traditionellen Funktionen des Hochschulwesens bewahrt, so eine enge Verbindung von Forschung und Lehre und eine Strukturierung nach wissenschaftlichen Disziplinen. d) In einem diversifizierten System unterscheiden sich Fakultäten, Fachbereiche, Studiengänge u.ä. nicht nur ‚vertikal‘ nach dem ‚Rang‘, sondern auch ‚horizontal‘ in einer substantiellen Vielfalt der Ziele, der Inhalte von Studienangeboten, der typischen Kompetenzen, auf die Wert gelegt wird, usw.“ (ebd.). Das türkische Hochschulsystem ist „vielfältig“, es bietet allen Studienbewerbern dieselben Zulassungsbedingungen, die aber zugleich durch die Zulassungspunkte 124 differenziert werden. Die vorhandenen Studienplätze können erstens, die Nachfrage, wie bereits ausgeführt, nicht abdecken, zweitens wird der Berufswunsch der Studierenden nicht erfüllt, da die Zulassung von den Leistungen an dem zentralen Prüfungstag abhängt. Nach dem Verfahren ab 1999, wie bereits aufgezeigt, können die Studienbewerber ihre Zulassungschancen für einen gewünschten Studiengang an dem gewünschten Studienort nicht abschätzen. Die Absolventenzahlen von 1999/2000 zeigen, dass 34 Prozent der Studierenden keinen Abschluss in der Regelstudienzeit erworben oder das Studium abgebrochen haben. Der größte Teil der Studierenden, die abgebrochen haben, waren in einen Fernstudiengang eingeschrieben. Seit Mitte der 1990er Jahre wurde das Bildungsangebot für Studierende erweitert. Nicht nur der Ausbau der Fernuniversität, der Ausbau des Abendstudiengangs „second education“, sondern auch die Gründung der privaten Stiftungsuniversitäten bieten Möglichkeiten eines unterschiedlichen Bildungsangebotes für sich differierende Studentenschaften. Die Kritik an der Fernuniversität, am Abendstudiengang oder an den privaten Stiftungsuniversitäten ist, dass ein Fernstudienabschluss keine große Anerkennung auf dem Arbeitsmarkt genießt. Die hohen Studienbeiträge für den Abendstudiengang und die Studiengebühren der privaten Stiftungsuniversitäten tragen zur Manifestierung der Ungleichheit bei. Die Durchlässigkeit von Institutionen und Studiengängen ist in der Türkei sehr eingeschränkt möglich. Ein Studiengangswechsel erfordert in der Regel die erneute Teilnahme an der Zulassungsprüfung. Bei Studienortwechsel wird überdurchschnittliche Leistung in den ersten Jahren erwartet. Wie bereits aufgezeigt, gilt das türkische Hochschulsystem als hierarchisch (siehe Kapitel 2.2 in diesem Teil). Das Merkmal der Eliteuniversitäten ist im türkischen Hochschulsystem ganz besonders ausgeprägt. In Zyklenform gab es eine Öffnung für die Massen; zeitversetzt entstanden neue „Elite-Universitäten“ (Yalçın 2001: 87-106). Aktuell ist dies an den Gründungen der privaten Stiftungsuniversitäten zu beobachten (wie in diesem Teil in Kapitel 3.1 dargestellt) oder durch die Abschottung der staatlichen besten Universitäten, deren Studierendenkapazität nicht ausgebaut wird, belegt. Das Merkmal, dass in einem diversifizierten System die Fakultäten, Fachbereiche und Studiengänge auch „horizontal“ unterschieden werden (Teichler 1990: 50), ist an den 125 türkischen Universitäten ausgeprägt. An den Regionaluniversitäten und den Provinzuniversitäten werden im Vergleich zu den Metropoluniversitäten vermehrt Kurzzeitstudien angeboten. Nach Planung des Hochschulrates sollen diese weiter ausgebaut werden. Ferner sind die englischsprachigen staatlichen Universitäten auch ein Bespiel für das Merkmal eines diversifizierten Systems. Resümierend ist festzustellen, dass das türkische Hochschulsystem die Kriterien eines diversifizierten Systems weitgehend erfüllt. 2.4 Unterfinanzierung des Hochschulsystems Im Zuge der weltweiten Globalisierung der Hochschulen verstärkt sich der Druck auf die türkischen Universitäten, die Deregulierungs- und Dezentralisierungspolitik im Bereich der Hochschulfinanzierung durchzuführen. Die Hochschulfinanzierung hatte im Jahre 1985 einen Anteil von 3,0 Prozent am Gesamthaushalt und von 0,42 Prozent am Bruttoinlandsprodukt. Sie stieg im Jahre 1990 auf 3,9 Prozent am Gesamthaushalt und 0,56 Prozent am Bruttoinlandsprodukt an. Im Jahre 1995 sank der Anteil am Gesamthaushalt auf 3,2 Prozent, stieg jedoch am Bruttoinlandsprodukt auf 0,90 Prozent. Im Jahre 2000 lag der Anteil der Hochschulfinanzierung bei 2,2 Prozent des Haushaltes und 0,84 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Im Jahre 2003 gab es eine leichte Verschiebung auf 2,3 Prozent im Haushalt und 0,96 Prozent des Bruttoinlandsprodukt (YÖK 2003: 121). In der Türkei wurden folgende Maßnahmen gegen die Unterfinanzierung des Hochschulbereichs unternommen:  Steigerung der Eigenbeteiligung der Hochschulen;  Erhöhung der Studienbeiträge;  Einführung des Abendstudiums „second education“;  Gründung von hochschuleigenen Dienstleitungen und Unternehmen;  Gründung von privaten Hochschulen. Im Jahre 1992 wurden die Universitäten bis zu 80 Prozent vom Staat finanziert, 18 Prozent haben die Universitäten aus den Einkünften eigener Leistungen beitragen müssen und knapp unter zwei Prozent betrug der Anteil der Studierendenbeiträge (YÖK 1996: 71).57 Die Eigenleistung der Universitäten zeigt eine steigende Tendenz; z. B. waren es im Jahre 1995 27,5 Prozent Eigenleistungen aus Kantinenbetrieben, 57 Köker gibt die staatlichen Mittel mit 96 Prozent und die Eigenleistung mit 4 Prozent an (Köker 1993: 4). 126 Vermietungen und Uni-Kliniken. Der Anteil an Studienbeiträgen stieg ebenfalls: Im Jahre 1991 waren es ein Prozent und fünf Jahre später bereits 3,5 Prozent (ebd.). Im Jahre 2003 lag die Finanzierung der staatlichen Universitäten von Seiten des Staates bei 58 Prozent, die Eigenleistung bei 37 Prozent und der Anteil der Studierenden bei fünf Prozent (YÖK 2003: 130). Die Höhe des Studienbeitrags ist von Studiengang und Studiendauer abhängig. Im Studienjahr 2003/04 war Medizin der teuerste Studiengang (Medizin = 375 Mio. TL, ca. 216 € pro Studienjahr). Ein Studium an der Fernuniversität war am günstigsten (45 Mio. TL = ca. 26 €). Den Universitäten ist freigestellt bis zu 20 Prozent erhöhte Studienbeiträge zu erheben; d. h. Anfang des Studienjahres gibt der Hochschulrat die Höhe der Studienbeiträge für die jeweiligen Studiengänge bekannt und die Hochschule kann diesen Beitrag bis zu 20 Prozent erhöhen (Türkische Ingenieurvereinigung 2003). Im Studienjahr 2002/2003 haben die ausländischen Studierenden je nach Fachrichtung 550 bis 1.150 US-Dollar bezahlen müssen (siehe Embassy of the Republik of Turkey 2003). Die Gründung hochschuleigener Dienstleistungen und Unternehmen nahm in den letzten Jahren zu. Sie werden im Rahmen von Stiftungen der Universitäten tätig. So können die Hochschulen aus den Stiftungsgeldern ihrer Universitäten profitieren. Eine weitere Form der Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Universität ist die Gründung von Technoparks (in Kocaeli, Eskisehir, ODTÜ, TÜ, Zonguldak sowie TÜBITAK-Gebze) (Türkische Ingenieurvereinigung 2003). Die Gründung der privaten Stiftungsuniversitäten ist ein weiterer Schritt zur Ökonomisierung des türkischen Hochschulsystems (siehe Kapitel 3.1 in diesem Teil). Die Finanzierung der Hochschulen und die Unterbezahlung der Hochschulangehörigen führen zur Abwanderung der besten Lehrkräfte ins Ausland oder an die privaten Stiftungsuniversitäten und zum Mangel an qualifizierten Nachwuchswissenschaftlern an den staatlichen Universitäten. 2.5. Ausbildung und Förderung des Hochschullehrernachwuchses Die steigende Nachfrage nach einer Hochschulausbildung und die Erweiterung der Kapazität an den türkischen Universitäten führen seit Jahren zur großer Nachfrage nach qualifizierten Nachwuchslehrkräften. 127 Unzureichende Gehälter und die ungünstigen Arbeitsbedingungen – fehlende materielle Ausstattung der Labore, mangelnde aktuelle wissenschaftliche Literatur und überfüllte Hörsäle – tragen nicht zur Attraktivität des Hochschullehrerberufs bei. Das niedrige Einkommen jedoch ist die Hauptursache dafür, dass die qualifizierten Akademiker eine Tätigkeit in der Wirtschaft dem Beruf eines Hochschullehrers vorziehen. Die schlechte Besoldung – den Regierungen ein wohlbekanntes Problem – führt dazu, dass die Lehrenden um einen wirtschaftlichen Ausgleich bemüht sind, um die unzureichende Besoldung aufzustocken (vgl. Altınta 1991: 52). So wandern die besten Lehrkräfte entweder ins Ausland ab, in die Wirtschaft oder an die besser bezahlten Stellen an den privaten Stiftungsuniversitäten. Die Nachwuchswissenschaftler erhalten durch Lehraufträge an diesen Universitäten Zusatzeinkünfte. Dies führt zu einem noch größeren Mangel an wissenschaftlichem Personal an den staatlichen Universitäten. Um dem Mangel an qualifizierten Nachwuchswissenschaftlern entgegenzuwirken, werden mit Stipendien des Erziehungsministeriums, des Nationalen Forschungsrats (TÜBITAK) und des Hochschulrats Doktoranden hauptsächlich an den Universitäten der USA oder in England ausgebildet. Seit 1987 werden, um den Nachwuchs zu fördern, jährlich Auslandsstipendien vergeben. Dem Bericht des Hochschulrats zufolge wurde zusammen mit dem Erziehungsministerium zwischen 1993 und 2002 in der Türkei folgende Anzahl von Stipendien vergeben: im Jahre 1993 war es mit 1.380 die größte Zahl an Stipendien; in den folgenden Jahren waren es bis 1998 jährlich 700. Im Jahre 1999 und 2000 sank die Zahl auf 620 Stipendien. Ab 2001 ging die Anzahl der Stipendien rapide zurück: Waren es in 2001 noch 200 Stipendiaten, verringerte sich die Zahl in 2002 auf 130 Nachwuchswissenschaftler, die ein Auslandsstipendium erhielten (YÖK 2003: 57, siehe Tabelle 10). Wenn wir uns die organisierte Mobilität von Nachwuchswissenschaftlern seit 1987 genauer anschauen, so ist festzustellen, dass der Hochschulrat von 1987 bis 2002 insgesamt 3.631 Stipendiaten ein Studium in 29 Ländern ermöglicht hat. Das Interessante ist, dass 50 Prozent der Stipendiaten in die USA und 38 Prozent nach Großbritannien gingen und sich die restlichen 12 Prozent auf 27 weitere Länder verteilten (ebd.). Von den 3.631 Nachwuchswissenschaftlern haben bis heute 765 noch nicht ihre Arbeiten abgeschlossen. Ferner haben 375 Exstipendiaten nur einen Magisterabschluss erworben, was nicht dem Ziel – zu promovieren – entsprach. 128 Tabelle 10: Auslandsstipendien für Nachwuchswissenschaftler von 1993 bis 2002 Jahr Bildungsministerium und YÖK davon YÖK 1993 1.380 - 1994 700 500 1995 700 300 1996 700 200 1997 700 200 1998 700 200 1999 620 100 2000 620 80 2001 200 100 2002 130 80 Quelle: YÖK 2003: 56f. Seit 1993 wird die Vergabe der Auslandsstipendien für die Nachwuchswissenschaftler an den staatlichen Universitäten, die nach 1992 gegründet worden sind, nach den Ergebnissen einer zentralen Prüfung, der Yurtdı ı Lisansüstü Sınavı, die auch von Seiten des ÖSYM durchgeführt wird, vorgenommen (YÖK 2003: 68). Nach dem YÖK-Bericht können die älteren Universitäten nach wie vor nach Auswahlkriterien der Fachbereiche, Fakultäten und der Universitäten in Abstimmung mit YÖK Auslandsstipendien vergeben; deren Zahl wird im Bericht nicht genannt (ebd.). Im Jahre 1996 wurde die Nachwuchsförderungspolitik des Hochschulrates modifiziert und eine Kommission gebildet, die aus je einem Vertreter des Erziehungsministeriums, des Nationalen Forschungsrates (TÜBITAK), der Staatlichen Planungsstelle (Devlet Panlama Tekilatı), des ÖSYM-Vorsitzenden, des Hochschulverwaltungsrats (Yüksekö retim Yürütme Kurulu) und einem Experten besteht (ebd.: 69). In der Öffentlichkeit wurde immer wieder das Auswahlverfahren und die Vergabe von Stipendien seitens der oben genannten Kommission kritisiert. Im Vordergrund der Kritik stand die mangelnde Transparenz der Entscheidungskriterien der Kommission und die unzureichende Qualität der Stipendiaten. Das widerlegt YÖK in seinem Bericht mit dem Beispiel, dass aufgrund der verbesserten Qualität der Stipendiaten die Cambridge Universität einen Kooperationsvertrag von fünf Jahren Laufzeit zwecks 129 Nachwuchsförderung mit dem türkischen Hochschulrat unterzeichnet hat (YÖK 2003: 70f.). Eine weitere Maßnahme zur Nachwuchsförderung im Land war die Einführung spezieller Englischsprachkurse an der privaten Stiftungsuniversität und an der englischsprachigen staatlichen Universität ODTÜ. Hierzu werden günstige Unterkünfte bereitgestellt, da die Sprachkurse in den Metropolen des Landes durchgeführt werden (YÖK 2003: 71). Um die Kosten der Auslandsstipendien für die Nachwuchswissenschaftler zu reduzieren – laut der Untersuchung von YÖK im Jahre 1996 hat ein Auslandsstipendium jährlich 25.000 US-$ gekostet (YÖK 2003: 68) – wurden seit 1996 mehrere Schritte zur Nachwuchsausbildung im Land selbst unternommen. Die etablierten traditionellen und englischsprachigen Universitäten sowie Metropoluniversitäten haben Programme zur Nachwuchsausbildung gestartet. Ferner wurden die Unterkunftsprobleme der Nachwuchswissenschaftler, die überwiegend aus den Provinzuniversitäten kamen, durch den Bau von Apartments gelöst. So wurden im Zeitraum von 1997 bis 2002 4.472 Nachwuchswissenschaftler ausgebildet (ebd.: 72). Für das Programm Nachwuchsförderung im Land wurden zusätzlich Gelder vom Wirtschaftsministerium zur Verfügung gestellt. Der Hochschulrat hat sich zum Ziel gesetzt, im Jahre 2005 die Studierendenzahl (Gesamt) auf 2.145.000 zu erhöhen; davon sollen 536.000 an den Fernstudiengängen zugelassen werden, 644.000 Studierende an den zweijährigen Berufshochschulen und 965.000 Studierende an den Fakultäten und vierjährigen Hochschulen eingeschrieben sein (ebd.: 55). Um dieses Ziel zu erreichen, muss allein das wissenschaftliche Personal für Langzeitstudiengänge (lisans) um ungefähr 6.000 erhöht werden. Dabei geht der Hochschulrat von einer Hochschullehrer-Studierenden-Relation von 1:31 aus. Falls die Relation 1:25 sein soll, würde der Bedarf an neu eingestelltem wissenschaftlichem Personal um 13.600 nochmals ansteigen (ebd.). Im Jahre 2003 waren 25.864 Forschungsassistenten an den Universitäten tätig. Ziel ist es, diese zum Teil im Land, im Ausland oder teils im Land und teils im Ausland promovieren zu lassen, um daraus den großen Bedarf an Hochschullehrern abzudecken (ebd.). Im Folgenden werden die neueren Tendenzen des türkischen Hochschulsystems analysiert. 130 3. Jüngste Tendenzen der türkischen Hochschulentwicklung Im vorherigen Kapitel wurde deutlich, dass das türkische Hochschulsystem eine dynamische Entwicklung durchläuft. Seit Anfang der 1990er Jahre formieren sich Tendenzen, die im direkten Zusammenhang mit der Internationalisierung, Globalisierung und Europäisierung der Hochschulen stehen. Die weltweiten Veränderungen, denen die Hochschulen unterliegen, haben einen Einfluss der eigenen Art, wie in diesem Kapitel aufgezeigt wurde, auf ein wenig industrialisiertes Land wie die Türkei. Mehrere Prozesse treffen zeitgleich auf: So gibt es auf der einen Seite den globalen Paradigmenwechsel und auf der anderen Seite die spezifischen Entwicklungsprobleme des Schwellenlandes. Die Internationalisierung des türkischen Hochschulsystems ist im Grunde nichts Neues. Bereits im Osmanischen Reich waren die Studierenden in Richtung Europa, insbesondere Frankreich und Deutschland, mobil. In der Epoche des Tanzimat (1838- 1876) waren die Studenten während der ganzen Dauer des Osmanischen Reichs von 1900 bis 1922 am mobilsten. Gök geht von „zahlreichen Schülern bzw. Studierenden“ aus, die in die europäischen Länder geschickt wurden, um deren Fortschritt in der Entwicklung kennen zu lernen und dieses im Osmanischen Reich umzusetzen (Gök 1999: 4). Die türkischen Studierenden aus dem Ausland, insbesondere aus Frankreich, bildeten später die Jungtürken-Bewegung, die zum Zerfall des Osmanischen Reichs beitrug und die aktiv bei der Gründung des türkischen Nationalstaates beteiligt war. Außerdem trug sie in Istanbul unter den Intellektuellen zur Beliebtheit und Verbreitung der französischen Sprache bei. In der Zeit des Tanzimat gab es sogar eine Schule „mekteb-i Osmani“, die im Jahre 1855 für die Schüler aus dem osmanischen Reich in Paris gegründet wurde (ebd.). Mit der Gründung der türkischen Republik beginnt eine erneute systematische, alle gesellschaftlichen Bereiche umfassende Verwestlichungspolitik. Die Gründung der Istanbul Universität (1933) nach dem Humboldtschen Hochschulmodell und der Einfluss von immigrierten Wissenschaftlern aus Deutschland ist von großer Bedeutung für die Entfaltung der türkischen Wissenschaften. Nach Widmann haben 100 emigrierte Wissenschaftler aus Deutschland und später einige aus Österreich im Zeitraum von 1933 bis 1955 an den türkischen Universitäten gearbeitet und gelehrt, zum größten Teil auch Lehrstühle mit aufgebaut (Widmann 1999: 34). In dieser Aufbauphase der Republik ab 1933 und den Kriegsjahren (1939-46) trat die Mobilität der Studierenden in den Hintergrund. 131 Nach dem II. Weltkrieg beginnt in der Türkei die Hinwendung zu Amerika. So wurde unter Verwestlichung nicht mehr das westliche Europa verstanden, sondern Leitbild war das US-Amerikanische. Seit den 1950er Jahren nahmen die Beziehungen zu den USA zu. Mit Hilfe finanzieller Mittel wurde in der Türkei die rein englischsprachige Orta Do u Teknik Universität gegründet. Außerdem wurde durch die Verstaatlichung des Robert Colleges im Jahre 1971 die Bo aziçi Üniversitesi gegründet, wie bereits im Kapitel 2.3.1 (in diesem Teil) aufgezeigt, die auch englischsprachig ist. Weitere Universitätsgründungen fanden nach dem angelsächsischen Hochschulmodell statt. Diese Hochschulgründungen brachten eine Kehrtwende in der Hochschulpolitik. Die Bo aziçi Üniversitesi und ODTÜ stiegen zu Eliteuniversitäten des Landes auf. Die Lehrinhalte waren aus den amerikanischen Lehrbüchern entnommen. Auch gesellschaftlich nahm die englische Sprache an Ansehen zu. Eine Hochschulausbildung an einer amerikanischen oder einer englischen Hochschule galt als Garant für eine gut bezahlte Stellung. Die Mobilität der Studierenden in das englischsprachige Ausland nahm kontinuierlich zu. Nach dem dritten Militärputsch (1980) beginnt in der Türkei erneut eine umfassende wirtschaftliche Öffnung des Landes in verschiedene geopolitisch wichtige Regionen. Die politischen und wirtschaftlichen Maßnahmen trugen dazu bei, dass die Internationalisierung, Globalisierung und Europäisierung der türkischen Hochschulpolitik sich ab den 1990er Jahren verstärkte. Im Folgenden werden die Gründung der privaten Universitäten im Zuge der Globalisierung, die Internationalisierung des türkischen Hochschulsystems sowie die Ausweitungsbestrebungen des nationalen Hochschulsystems im zentralasiatischen Raum dargestellt. Ziel dieses Kapitels ist es, die zeitgleichen Entwicklungen in verschiedene Richtungen aufzuzeigen. 3.1 Boom der privaten Universitäten Private Hochschulen bzw. Universitäten gab es in der Türkei seit den 1960er Jahren. Sie wurden bereits 1971 wieder geschlossen (Strohmeier 1990: 58). Jedoch sind die neueren Entwicklungen qualitativ und strukturell nicht mit den privaten Hochschuleinrichtungen Ende der 1960er Jahre zu vergleichen, die Einfach-Studiengänge mit sehr schlechter Ausstattung anboten und kein hinreichend qualifiziertes Lehrpersonal beschäftigten. Sie haben auch keine Forschung betrieben. 132 Die erneute Gründung der privaten Stiftungsuniversitäten war nach dem Hochschulgesetz von 1981 möglich geworden. In Absatz 2 wurde den Stiftungen auf der Basis des non-profit die Gründung einer Universität eingeräumt. So wie die staatlichen Universitäten stehen diese unter der Aufsicht und Kontrolle des Hochschulrats.58 Bezogen auf ihre Finanzierung und Verwaltung sind die Stiftungsuniversitäten autonom, aber bezüglich der akademischen Tätigkeiten, der Rekrutierung wissenschaftlichen Personals und hinsichtlich der Sicherheitsangelegenheiten dem in der Verfassung verankerten Gesetz zur staatlichen Hochschuleinrichtung unterworfen (Kitapçı 1996: 2). Außerdem ist ein siebenköpfiger Führungsrat Mütevelli Heyet im Zusatzartikel 5 des Gesetzes Nr. 2880 vorgesehen. Der Führungsrat der Stiftungsuniversität wird vom Stiftungsrat für fünf Jahre gewählt. Die Mitglieder müssen die Voraussetzung für eine Beamtenlaufbahn erfüllen und einen Hochschulabschluss vorweisen. Die Mitglieder wählen einen Vorsitzenden; dieser entscheidet über die Personalfragen und setzt die Entscheidungen über die Ausgaben des Haushaltes der Universität um und kontrolliert sie. Als erste private Stiftungsuniversität wurde im Jahre 1984 Bilkent Üniversitesi gegründet; acht Jahre später folgten weitere private Stiftungsuniversitäten. Ein regelrechter Boom privater Stiftungsuniversitäten ist ab der zweiten Hälfte der 1990er Jahre zu beobachten. Viele Stiftungen haben für die Gründung einer Stiftungsuniversität in einer äußerst knappen Zeitspanne die parlamentarische Genehmigung bekommen. Außer der Çag Üniversitesi, einer Gründung in Mersin (östliches Mittelmeer), wurden alle Stiftungsuniversitäten in den drei Metropolen des Landes, also der West-Türkei, etabliert.59 Im Jahre 2003 waren 24 private Stiftungsuniversitäten genehmigt; davon hatten 20 den Lehrbetrieb bereits aufgenommen. Diese Universitäten verfügen zum Teil über große finanzielle Mittel aus den Stiftungen. Außerdem können sie seit Mai 1991 bis zu 45 Prozent ihres Haushaltes aus öffentlichen Mitteln erhalten, falls sie bestimmte Kriterien erfüllen. Einige dieser Kriterien sind die Zahl der Veröffentlichungen des Lehrpersonals in den renommierten Zeitschriften, das Unterrichten in einer Fremdsprache, die Studierenden-Lehrenden-Relation usw. (siehe Yalçın 2001: 57). Hier wäre zutreffender von semi-privaten Universitäten zu sprechen, da, wie erwähnt, ein bedeutender Teil der Kosten in direkter oder indirekter Form vom öffentlichen Haushalt getragen wird. 58 Siehe dazu Yalçın 2001 59 Gesetzliche finanzielle Unterstützung ist bei einer privaten Stiftungsuniversitätsgründung in den bildungsärmeren Regionen gesichert. Trotzdem wurden und werden die privaten Stiftungsuniversitäten hauptsächlich in den drei Metropolen des Landes gegründet (siehe Yalçın 2003). 133 Alle diese Universitäten sind kostenpflichtig; sie erheben Semestergebühren überwiegend in US-Währung, die sich je nach Universität und Studiengang zwischen 4.000 und 6.000 US-$ belaufen. Außerdem lehren und forschen sie hauptsächlich in englischer Sprache; weitere Fremdsprachen werden angeboten. Innerhalb kurzer Zeit entstanden renommierte private Stiftungsuniversitäten, die durch finanzielle und personelle Ressourcen überwiegend in angelsächsischen Ländern ausgebildete beste Lehrkörper im Land abwerben konnten. Eine Gruppierung60 der Stiftungsuniversitäten nimmt enatalar vor, wobei nach enatalar die Bilkent Universität eine Ausnahme bildet, da diese von dem ersten Hochschulratsvorsitzenden gegründet wurde und seit ihrer Gründung „in großen Maßen mit öffentlichen Mitteln unterstützt“ wird (enatalar 2002: 169). Die Koc und Sabanci Universität gehören der zweiten Gruppe an. Sie sind Gründungen von Stiftungen der zwei „bekanntesten und stärksten Familien der türkischen Wirtschaft“ (enatalar 2002: 170). Diese Unternehmen sind auch im internationalen Rahmen etabliert. Zu der dritten Gruppe gehören die Stiftungsuniversitäten, die von „Personen oder Familien gegründet wurden, die Erfahrung in der Bildungsbranche (private Gymnasien oder Dershane)“ haben (ebd.). Der Unterschied der vierten zur dritten Gruppe der Stiftungsuniversitäten ist, dass sie keiner Einzelperson oder Familienstiftung angehören, aber Erfahrungen aus dem Sekundarbereich mitbringen. Diese Gruppe umfasst in der Regel die Bereiche vom privaten Kindergarten bis zu einer privaten Stiftungsuniversität. Die privaten Stiftungsuniversitäten müssen laut Gesetz mindestens zehn Prozent ihrer Studierenden ein Stipendium gewähren. Dies führt zu einer Ausdifferenzierung der Qualität der Studierenden innerhalb der privaten Universitäten. Wie bereits dargestellt, ist das Bestehen und Erzielen von höheren Punktzahlen bei der Aufnahmeprüfung ausschlaggebend für die Zulassung zu einem renommierten Studiengang oder der Stipendienstudiengänge an den privaten Stiftungsuniversitäten. Wie in der folgenden Tabelle 11 zu sehen ist, erfordert die Zulassung als Stipendiat eine höhere Mindestpunktzahl als für Studierende, die Studiengebühren zahlen müssen. An den ausgewählten Stiftungsuniversitäten und den Studiengängen werden die großen Unterschiede in den Leistungen der Studienbewerber deutlich. 60 enatalar geht von Hochschultypen aus. Das ist meines Wissens nicht zutreffend, da die Gruppierungen nicht nach den Strukturen der Universitäten vorgenommen wurden, sondern nach den Gründern bzw. den Initiatoren der Stiftungsuniversitäten unterschieden werden. 134 Tabelle 11: Mindestpunktzahlen der Studienbewerber mit und ohne Stipendium Wirtschaftswissenschaften /Ökonomie Europäisierung-Technik Gebührenpfl. Stipendium Gebührenpfl. Stipendium Bilkent Üniversitesi 297.693 365.517 338.266 372.240 Koc Üniversitesi 294.018 365.356 314.137 368.971 Yeditepe Üniversitesi 262.459 336.07 303.429 354.640 Fatih Üniversitesi 263.849 360.183 282.497 374.953 Quelle: Eigene Zusammenstellung aus 2003-öss sonucu ile ögrenci alan yükseköretim programlarinin en kücük puanlari ve kayit kodu Im Studienjahr 2001/2002 waren 49.510 Studierende an den Kurz- und Langzeitstudiengängen der privaten Stiftungsuniversitäten immatrikuliert (siehe Tabelle 12). So lag der Anteil der Studierenden der privaten Stiftungsuniversitäten bei 4,7 der Gesamtstudierendenzahl des Landes (YÖK 2003: 46). Tabelle 12: Studierendenzahlen an den privaten Stiftungsuniversitäten 2001/2002 Universitäten Studierende Universitäten Studierende Atılım 1.236 Iık 1.536 Bahçeehir 1.203 stanbul Bilgi 6.405 Bakent 4.378 stanbul Kültür 2.063 Beykent 1.325 stanbul Ticaret 73 Bilkent 9.353 zmir Ekonomi 288 Ça 783 Kadir Has 1.284 Çankaya 2.920 Koç 1.572 Dou 1.549 Maltepe 1.494 Fatih 2.981 Sabancı 887 Haliç 932 Yeditepe 7.248 Studierende Gesamt 49.510 Quelle: Übernommen aus YÖK 2003: 47 Die Gründungen privater Stiftungsuniversitäten hatten für das türkische Hochschulsystem zur Folge, dass mehr Wettbewerb, eine stärkere Internationalisierung und der Beginn von Qualitätsbewertung im System sich etablierten. 135 Damit begann der Wettbewerb zwischen den staatlichen Universitäten und den privaten Stiftungsuniversitäten. Sie konkurrieren um die besten Lehrkräfte sowie um die besten Studierenden des Landes. Die Internationalisierung wird seit der Gründung von privaten Stiftungsuniversitäten verstärkt durch die internationalen Hochschulkooperationen, durch das Lehren in englischer Sprache, durch internationale Tagungen und Symposien. Besonders die Gründungen ab Anfang der 1990er Jahre haben einen großen Einfluss auf die Internationalisierung der Studieninhalte. Durch die Zunahme der privaten Stiftungsuniversitäten stieg die Zahl der Universitäten, die in englischer Sprache ausbilden, auf 17 an. Das Lehrmaterial wird aus dem englischsprachigen Raum bezogen und ist auch zugleich auf dem aktuellen Stand der Bildung.61 Die internationale Anerkennung bedeutet für die privaten Stiftungsuniversitäten die Steigerung der Attraktivität der Universität für die einkommenshöheren Gesellschaftsgruppen im Land, die sonst ihre Kinder an einer amerikanischen oder englischen Universität ausbilden lassen würden. Ferner sind die internationalen Veröffentlichungen und das Renommee des wissenschaftlichen Personals an den privaten Stiftungsuniversitäten für die weitere Beschäftigung ausschlaggebend. D. h. eine Verlängerung der Zeitverträge von wissenschaftlichem Personal ist von einer Evaluation abhängig. Zu Beobachten ist, dass das wissenschaftliche Personal der privaten Stiftungsuniversitäten zur Vielfalt der Wissenschaftsentwicklung bei tragen, indem sie zu aktuellen Themen in ihren Fachrichtungen in englischer Sprache arbeiten und lehren. In Frage der Qualitätsbewertung und -verbesserung leistete die erste private Stiftungsuniversität Bilkent durch kontinuierliche Evaluationen ihres Lehrpersonals den ersten Beitrag zu Erfahrungen mit Qualitätsbewertungsverfahren. Die Schattenseite dieser Entwicklung ist, dass mit öffentlichen Geldern im Ausland gut ausgebildete Nachwuchswissenschaftler von den privaten Stiftungsuniversitäten abgeworben werden. Die Folge der Gründung von privaten Stiftungsuniversitäten auf der individuellen Ebene ist, dass verstärkte soziale Selektion stattfindet. Dies ist auch einer der Kritikpunkte in der Öffentlichkeit. Kritisiert wird, dass die hohen Studiengebühren nur die besser Verdienenden in der Gesellschaft entrichten können (enatalar 2002: 170). Durch das 61 Die Ausbildung in einer Fremdsprache in der Türkei wird kritisiert, da diese das Studium um ein Jahr verlängert. Ferner wird behauptet, dass das Lehren in einer Fremdsprache nicht das analytische Denkvermögen der Studierenden fördert und das Lernen von Inhalten sich auf der Minimumebene abspielen würde (siehe dazu Serhatlıolu 2003). 136 Stipendiumssystem werden die besten Studienbewerber des Landes angezogen und wird somit eine kleine Elite ausgebildet. Ein renommierter Professor verdient „das Drei- bis Vierfache von dem, was ihm eine Staatsuniversität zahlt“ (Schönbohm 2002: 167). Im Weiteren wird die Internationalisierung der türkischen Universitäten ausgeführt. 3.2 Internationalisierung der türkischen Universitäten nach 1990 Neuen Aufschub bekam die Internationalisierung ab Anfang der 1990er Jahre. Vorangetrieben wurde sie durch  Ausbildung und Förderung der Nachwuchswissenschaftler im Ausland;  verstärkte Einführung der Studiengänge in Fremdsprachen;  Einführung von auslandsorientierten Studiengängen;  systematische Internationalisierung von Studieninhalten, durch Doppeldiplom- Programme sowie  verstärkte Mobilität der türkischen Studierenden und des wissenschaftlichen Personals. 3.2.1 Internationalisierung des Studiums durch die im Ausland ausgebildeten Nachwuchswissenschaftler und die Gründung von Studiengängen in Fremdsprachen Eine Schlüsselrolle spielt das Nachwuchsförderprogramm des Erziehungsministeriums und des Hochschulrats im Internationalisierungsprozess der staatlichen Universitäten. Die im Ausland erfolgreich abgeschlossenen akademischen Grade der Nachwuchswissenschaftler und die Stipendien, die seit 1987 hauptsächlich in den englischsprachigen Raum vergeben wurden, wie bereits im Kapitel II.2.5 gezeigt, führen dazu, dass an den staatlichen Universitäten einige Studiengänge hauptsächlich in englischer Sprache oder einige wenige in deutscher Sprache angeboten werden können. Die erlernte Sprache ermöglicht den Zugang zur internationalen wissenschaftlichen Literatur und zur Internationalisierung des Curriculums. Ferner besteht für die Lehrenden die Möglichkeit, die neuen wissenschaftlichen Entwicklungen zu verfolgen, diese in ihren Fächern anzuwenden bzw. zu lehren. Seit Anfang der 1990er Jahre werden die internationalen Studiengänge an den staatlichen Universitäten kontinuierlich ausgebaut. Einige Universitäten bieten zusätzlich einzelne Studiengänge neben der türkischen auch überwiegend in englischer bzw. vereinzelt in französischer oder deutscher Sprache an. 137 Die Kooperationen mit amerikanischen oder europäischen Hochschulen waren bis zu den 1990er Jahren Ergebnisse der Aktivitäten einzelner Hochschuldozenten, die einen Teil ihrer akademischen Laufbahn an den Kooperationshochschulen absolviert hatten. Seit Anfang der 1990er Jahre ist die Intention zur vermehrten Kooperation nicht nur auf Aktivitäten einzelner Wissenschaftler zurückzuführen, sondern ist auch das zentrale Thema des Hochschulrats. Im Jahre 2003 unterzeichneten die State University of New York und der türkische Hochschulrat eine Kooperationsvereinbarung, die den Erlass der Studiengebühren für türkische Studierende bis 2008 vorsieht.62 Diese Studiengänge können mit einem Doppeldiplom abgeschlossen werden (Ellis 2003). Die Kooperation der türkischen Universitäten mit den europäischen Hochschulen wird in diesem Teil im Kapitel 4. ausgeführt. Bei der Internationalisierung des Curriculums wurden die Studieninhalte an den türkischen Hochschulen je nach Internationalisierungsschub von den europäischen sprich französischen bzw. deutschen Curricula beeinflusst, insbesondere in den 1930er Jahren. Ab Ende 1950 begann der Einfluss der angloamerikanischen Curricula zu dominieren. Die Hochschullehrer, die aus dem europäischen oder angelsächsischen Hochschulraum kamen, brachten ihr Lehrmaterial mit und übersetzten es. Aus dem Interview von Fikret Görün (2001) geht hervor, dass die Studieninhalte insbesondere der englischsprachigen Hochschulen im Studiengang der Wirtschaftswissenschaften schon immer international ausgerichtet waren. Nach 1980 konnten die Studieninhalte von den Studierenden beruflich genutzt werden, weil die wirtschaftliche Öffnung des Landes begann und die liberalen Marktwirtschaftsmechanismen in der Türkei umgesetzt wurden. Hochschulpolitisch gibt es keine konkreten Vorgaben, die zur Steigerung der Attraktivität der türkischen Universitäten und Studiengänge beitragen sollen. Die ausländischen Studierenden, die in der Türkei studieren wollen, müssen ebenfalls an der zentralen Aufnahmeprüfung, die für ausländische Studierende jedoch gesondert durchgeführt wird, teilnehmen. Aber die Gründung eines „Nationalen Akademischen Netzes“ und des türkischen Akkreditierungsinstitutes (TÜRKAK) ist ein wichtiger Schritt zur verbesserten 62 Diese Studiengänge und involvierte türkische und amerikanische Universitäten sind folgende: • Global and International Affairs: Lisans and BS offered by Bilkent University and Binghamton • Global and International Affairs: Lisans and BS offered by Bosphorus University and Binghamton • Global and International Affairs: Lisans and BS offered by Middle East Technical University and Bing- hamton • Information Systems: Lisans and BS offered by Istanbul Technical University and Binghamton • Information Systems: Lisans and BS offered by Bosphorus University and Binghamton • Business: Lisans and BS offered by Istanbul Technical University and SUNY New Paltz • Business: Lisans and BS offered by Middle East Technical University and SUNY New Paltz • Economics: Lisans and BS offered by Istanbul Technical University and SUNY New Paltz 138 Internationalisierung der türkischen Universitäten (Auswärtiges Amt 2005). Dieses wird im Teil III dieser Arbeit mit der Frage der Qualitätssicherung näher ausgeführt. 3.2.2 Mobilität der Studierenden und Lehrenden Im Studienjahr 2002/03 studierten 11.601 Studierende aus der Türkei in den Vereinigten Staaten. Obwohl die Zahl im Vergleich zum Vorjahr um 4,1 Prozent zurückging, ist die Türkei dennoch auf dem 8. Platz der Versenderländer (Institute of International Education 2003). Und im Vergleich zu zehn Jahren davor hat sich die Zahl der Studierenden aus der Türkei in den USA mehr als verdoppelt. Bevorzugt wurde ein Studium auf dem graduate level; 60.4 Prozent der türkischen Studierenden in den USA im Jahre 2002/03 waren graduate students (ebd.). Nach wie vor ist die organisierte Mobilität der türkischen Studierenden ein seltenes Phänomen, da die hochschulpolitischen Förderprogramme unbedeutend. Das wesentliche Mobilitätshindernis der Studierenden ist die Finanzierung eines Auslandsaufenthaltes. Ab dem Studienjahr 2004/05 wird die Türkei ein vollwertiges Mitglied des ERASMUS- Programms werden. Das bedeutet, dass in Zukunft eine größere Gruppe von Studierenden die Möglichkeit erhalten wird, einen Teil des Studiums im europäischen Ausland zu absolvieren (Schneider 2003). Laut YÖK-Bericht findet seit 1991 vermehrte Mobilität des wissenschaftlichen Personals mit den Turkrepubliken statt. In den ersten Jahren kamen Wissenschaftler aus diesen Ländern in die Türkei. In den letzten Jahren ist eine Gegentendenz zu beobachten. Im Jahre 2003 waren 879 türkische Wissenschaftler in den Turkrepubliken beschäftigt (YÖK 2003: 143). Umgekehrt sind 2.074 Wissenschaftler aus den Turkrepubliken an den staatlichen und privaten Stiftungsuniversitäten in der Türkei tätig (ebd.).63 Im Studienjahr 2002/2003 studierten 16.328 ausländische Studierende an den türkischen Universitäten; fast die Hälfte von ihnen kamen aus den Turkrepubliken Zentralasiens. Der Anteil der Studierenden aus EU-Mitgliedsstaaten und den USA hingegen war 63 2547 Sayılı Yükseköretim Kanunu'nun 34. maddesine göre, ülkemiz devlet ve vakıf üniversitelerinde sözlemeli olarak 2074 Türk Cumhuriyetleri uyruklu öretim elemanı çalımaktadır (YÖK 2003: 143). 139 verschwindend gering (Auswärtiges Amt 2004). Dieses soll im Rahmen des ERASMUS-Programms erhöht werden (siehe dazu in diesem Teil Kapitel 1.1.4). Tabelle 13 zeigt die Zahlen der ausländischen Studienanfänger, Studierenden, Absolventen und des wissenschaftlichen Personals im Zeitraum von 1991 bis 2002. Hier wird deutlich, dass sich die Zahlen der ausländischen Studierenden und des wissenschaftlichen Personals verdoppelt haben. Tabelle 13: Zahl der ausländischen Studienanfänger, Studierenden, Absolventen und des wissenschaftliche Personals von 1991-2000 an türkischen Universitäten Studien- anfänger Studierende Absol- venten Wissenschaftliches Personal Total davon .... T F T F T F T Lehrbe- auftragte Lekt. F. 1991- 1992* 1540 475 7.497 2208 1007 319 416 130 96 108 Fernstudium 1.294 546 73 30 1994- 1995 4475 112 8 14.719 4046 674 217 497 146 189 Fernstudium 958 490 26 1999- 2000 2974 880 16.787 4611 1864 535 842 329 247 81 Fernstudium 346 256 35 28 2001/ 2002 2707 874 15.505 4607 1774 493 897 386 186 61 Fernstudium 632 375 34 17 Quelle: *ÖSYM 1991-92 ÖSYM 1992-7: 252 ÖSYM 1994-95 ÖSYM 1996-1: 291 ÖSYM 1999-2000 ÖSYM 2000-5: 348 T= Total; F= Frauen In der folgenden Tabelle 14 wird die Verteilung der ausländischen Studierenden auf die jeweiligen Universitäten des Landes im Zeitraum von 1991 bis 2002 aufgezeigt. 140 Tabelle 14: Ausländische und türkische Studierendenzahlen an ausgewählten Universitäten im Zeitraum von 1991-2002 1991-92 1994-95 2001/2002 Gesamt auslän. Gesamt auslän. Gesamt auslän. Anadolu Uni 307272 1343 492031 2464 539422 2369 Ankara 33028 492 35495 1062 35789 977 Bilkent 6740 173 8585 138 9353 99 Boaziçi 8759 499 8201 402 7840 592 Ege 650 27405 825 Gazi 1041 51575 1006 Hacettepe 24767 513 24448 806 26866 748 IÜ 45951 891 58591 1600 52591 1910 ITÜ 19270 344 16074 443 13328 393 ODTÜ 16540 876 16216 815 14305 767 Selcuk Üni. 514 53555 817 Quelle: ÖSYM 1991-92 ÖSYM 1992-7: 75 ÖSYM 1994-95 ÖSYM 1996-1: 98 ÖSYM 1999-2000 ÖSYM 2000-5: 111 ÖSYM 1999-2000 ÖSYM 2000-5: 55-111 Bisher wurde die Öffnung der türkischen Universitäten in Richtung des angloamerikanischen Raums dargestellt. Im Folgenden wird die Öffnung der türkischen Hochschulpolitik und des türkischen Hochschulsystems in Richtung Zentralasien dargestellt. 3.3 Ausweitung des nationalen Hochschulsystems in den zentralasiatischen Raum Seit Anfang der 1990er Jahre nehmen kontinuierlich die gemeinsamen Hochschulgründungen, Hochschulkooperationen und studentische und wissenschaftliche Austauschprogramme zwischen der Türkei und den Turkrepubliken in den zentralasiatischen Regionen des Kaukasus zu. Die Türkei bot den Republiken eine umfassende Unterstützung im Transformationsprozess. Sie verpflichtete sich zu einer weitgehenden Hilfe bei dem Aufbau moderner Staatsstrukturen und der Reform des Rechtswesens sowie beim Übergang in die Marktwirtschaft, indem sie die Ausbildung von Experten in Management und Marketing in der Türkei ermöglichte. Auch im Bereich der Außenpolitik bot die Türkei diesen Staaten Hilfe in Form von Ausbildung von Fachleuten. Türkische Fachleute helfen beim Aufbau der neuen Außenministerien in den Republiken. So wurden mehrere Diplomaten und Wirtschaftexperten aus den Turkrepubliken in der Türkei geschult. 141 Durch Studierenden- und Wissenschaftleraustausch sowie Hochschulkooperationen öffnet sich die türkische Hochschulpolitik systematisch in den Raum Zentralasien. Der Öffnungsprozess bietet neben wissenschaftlichem Austausch auch die Entfaltung der wirtschaftlichen und soziokulturellen Beziehungen. Für die Türkei war immer von politischer Bedeutung die türkischen Minderheiten, sei es im Balkan oder in Zentralasien, zu fördern oder mit ihnen in enge Kooperation zu treten. Ab 1993 bietet die Türkei für Studierende aus Aserbaidschan, Tadschikistan, Kasachstan, Kirgisien, Usbekistan und Turkmenien Studienplätze an. Außerdem wurden für die „Turkvölker in der Region Balkan, in den zentralasiatischen Ländern und in der Russischen Föderation eigens Kontingente an Studienplätzen zur Verfügung gestellt. In den letzten zehn Jahren hat die Türkei 30.042 Studienplätze für die oben genannten Länder und Regionen bereitgehalten, davon wurden 22.210 in Anspruch genommen; zur Zeit sind 6.929 Studierende aus diesen Ländern in der Türkei immatrikuliert (YÖK 2003: 134). Nach dem YÖK-Bericht haben im Jahre 2002 über die zentrale Aufnahmeprüfung 3.591 türkische Studierende eine Zulassung für die Länder bekommen, die Kooperationsverträge mit der Türkei haben (siehe dazu Tabelle 15). Tabelle 15: Zulassung von türkischen Studierenden im Ausland Länder Anzahl der Zulassungen Aserbaidschan 360 Bulgarien 76 Georgien 75 Kroatien - Kasachstan 120 Kirgisien 324 Nord Zypern 2563 Litaun 4 Ungarn - Mazedonien - Malta - Moldawien 18 Rumänien 14 Ukraine 37 Gesamt 3591 Quelle: YÖK 2003: 36 142 Zurzeit (2004) gibt es zwei gemeinsame Hochschulgründungen, eine in Kasachstan – die Uluslararası Hoca Ahmet Yesevi Türk-Kazak Üniversitesi, verkürzt Ahmet Yesevi Üniversitesi, und die andere in Kirgisien, die Kırgızistan-Türkiye Manas Üniversitesi. Die Ahmet Yesevi Üniversitesi64 in Kasachstan in der Stadt Türkistan wurde in eine kasachisch-türkische Universität umgewandelt. Seit dem 11.02.1998 unterrichten die Professoren aus dieser Universität mit Hilfe eines Videokonferenzsystems türkische Studenten von der Orta Do u Teknik Üniversitesi in Ankara. Im Gegenzug unterrichten auch türkische Professoren kasachische Studenten. In Zukunft sollen durch das Videokonferenzsystem weitere renommierte Universitäten mit den Turkstaaten verbunden werden. Die Kırgızistan-Türkiye Manas Üniversitesi65 in der Hauptstadt von Kirgisien Bikek nahm im Wintersemester 1997/1998 ihren Lehrbetrieb mit 100 Studierenden auf. Mit der Fakultät für Natur- und Literaturwissenschaften, der Fakultät für Wirtschafts- und Verwaltungswissenschaften sowie der Fakultät für technische Ausbildung begann die Lehre. Nachträglich wurde die Gründung eines Krankenhauses und einer Fakultät für Medizin vereinbart (YÖK 2003: 145). Im Jahre 2003 studierten hier 1.722 Studenten aus folgenden Ländern: Kirgisien 1.153, Türkei 447 und 122 aus Kasachstan, Aserbaidschan, Usbekistan, der Russischen Föderation und Tadschikistan. Außerdem gibt es einen Austausch von Wissenschaftlern und Hochschuladministratoren zwischen diesen Ländern. Im Jahre 2003 waren 82 Personen aus der Gruppe des akademischen Personals und 32 Personen aus der Verwaltung aus der Türkei in Kirgisien beschäftigt. Umgekehrt waren aus Kirgisien 93 resp. 148 Personen in der Türkei beschäftigt (ebd.). Im Bereich der Kooperation wird im YÖK-Bericht seit 1998 von 84 Kooperationen, die nicht näher ausgeführt werden, berichtet (ebd.). Eine andere Seite der Kooperation wird durch den Beitrag von Naegele deutlicher (Naegele o.J.). Die Studierenden aus den Turkrepubliken würden sich nach Naegele zwischen der Euphorie, in einem Land zu studieren und zu leben, das den kapitalistischen Industrieländern näher steht als ihre Herkunftsländer, und der Enttäuschung über die Qualität der Ausbildung bewegen (ebd.). Naegele`s Beispiel für 64 Siehe für rechtliche Bestimmungen (YÖK 2003: 144). 65 Für rechtliche Bestimmungen siehe (YÖK 2003: 145). 143 enttäuschte Studierende ist ein Student aus Aserbaidschan, der an der Karadeniz Teknik Ünversitesi (Technische Universität in Samsun, Schwarzmeerküste) an einem Englischsprachkurs für ein weiteres Studium in der Türkei teilnimmt. Er bemängelt die Qualität des Englischsprachkurses, der auf dem Gymnasialniveau seines Landes wäre (ebd.). Hochschulpolitisch sind keine Ziele zur Steigerung der Attraktivität der türkischen Hochschulen zu beobachten. Die hochschulpolitische Hinwendung zu Europa ist konkreter. Sie wird im folgenden Kapitel 4. dargestellt. 4. Erneute hochschulpolitische Annäherung an Europa „In den nächsten Jahren werden die USA Europa im Bildungswesen überholen. Das macht mich nicht glücklich. Ich bin Europäer und der Auffassung, dass die europäische Kultur für die Türkei leichter zu verdauen ist und kompatibler ist zu den Traditionen der Türkei. Aber die Attraktivität der USA ist nun einmal eine Tatsache.“ (Alaton 2002: 118) Der Ursprung der heutigen Europäisierungspolitik in der Hochschulbildung liegt eigentlich in der Zerfallsphase des Osmanischen Reichs. Mit dem Ziel, die Türkei auf das Niveau der westlichen Kultur zu bringen bzw. zu erhöhen, von der Ittihad ve Terakki Cemiyeti (Komitee für Einheit und Fortschritt) begann die Öffnung des Landes gegenüber dem Westen. Unter der westlichen Kultur wurde die Modernisierung des Landes verstanden (Yücesan 1991). Das Ziel war, die „Moderne“ durch die Aneignung und Übernahme von Lebensarten, Bildungsmodellen und Militärapparaturen aus dem Westen zu erreichen. Mit einigen Veränderungen wurde die Strategie der Verwestlichung bis heute aufrechterhalten. Die Verwestlichung wird nach wie vor mit der Modernisierung gleichgesetzt. Die Beziehung zum Westen blieb immer eine ambivalente Beziehung. Nach Ergün war die Haltung des Osmanischen Reiches gegenüber dem Westen entweder von Überheblichkeit oder von Bewunderung geprägt. Die Bewunderung hätte zum „panischen Kopieren“ des Westens geführt (Ergün 2001). Der Unterschied in der Verwestlichungspolitik der jungen türkischen Republik im Vergleich zu der im Osmanischen Reich lag darin – nach Deren –, dass nicht nur der Transfer von Institutionen und Technologien, sondern die „Weltanschauung des Westens“ der Bevölkerung näher gebracht werden sollte (Deren 2002). So wurde – nach Deren – bis Mitte der 1940er Jahre versucht, die Verwestlichung der Bevölkerung 144 voranzubringen. Unter Verwestlichung wurde die Realisierung des westlichen Standards in der Türkei verstanden. Dazu sollte die wirtschaftliche Entwicklung beschleunigt und die Industrialisierung umgesetzt werden (ebd.). Zu diesem Zweck sollten die Nutzen der „positiven Wissenschaften und die Technologien“, also die Entwicklungsinstrumente der westlichen Industrienationen, in die Türkei transferiert werden. Mit den „Mitteln des Westens“ sollte der Westen eingeholt werden (Ü.GY.) (ebd.). Um dieses Ziel zu erreichen sollten erfolgreiche „auserwählte“ Studierende in Europa und Amerika ausgebildet werden. Nach ihrer Rückkehr sollten diese Wissenschaftler zum Aufbau der akademischen Einrichtungen und zur Verbereitung der Wissenschaften beitragen (ebd.). Nach Deren beginnt die Hinwendung nach Amerika mit der Mitgliedschaft der Türkei in der NATO. Dies sei auch der Beweis dafür, dass die Türkei verwestlicht sei. Und ab den 1950er Jahren sei der Westen nicht mehr Europa, sondern Amerika (Ü.G.Y.) (ebd.). Eine grundsätzliche Kritik bringt Ergün an den Verwestlichungskonzepten seit dem Osmanischen Reich vor. Diese seien auf der Ebene der Nachahmung nur in der Form von Begrifflichkeiten übernommen. Unter erschwerten Bedingungen würde versucht werden, diese am Leben zu halten (Ergün 2001). In diesem Kapitel soll die erneute Annäherung der Türkei an Europa durch die Unterzeichnung des Bologna-Prozesses aufgezeigt werden. Zum Schluss dieses Kapitels werden die Probleme der Anpassung im Europäisierungsprozess des türkischen Hochschulsystems zusammengestellt. 4.1 Vorgeschichte zur Europäisierung Bereits 1959 stellte die Türkei den ersten Antrag zur EG-Mitgliedschaft, ist aber seit August 1949 im Europarat Mitglied. Erst 1964 trat die Assoziierung mit der EWG in Kraft (Hüttenroth/Höhfeld 20002: 28). 1971 wurden zwischen der Türkei und EWG- Mitgliedsländer Zollerleichterungen vereinbart, aber erst 1996 wurde die Zollunion mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaf geschlossen (Yeilyurt 2000: 11). Das lange Warten und die zähen Vollmitgliedschaftsverhandlungen vor den Toren der EU, wurden auf dem EU-Gipfel von Helsinki (1999) in eine hoffnungsträchtige Phase geleitet: Die Türkei wurde mit auf die EU-Beitrittsliste der Kandidaten gesetzt. Die innerpolitischen Diskrepanzen gegenüber Forderungen des Helsinki-Gipfels, wie die Abschaffung der Todesstrafe, Demokratisierung, Meinungsfreiheit und Minderheitenrechte, behinderten die Reform der Gesetze. In einer Marathonsitzung hat das türkische Parlament am 145 2.08.2002 die Bedingungen zur Gesprächsaufnahme für eine Vollmitgliedschaft in die EU durchgesetzt (Daniel 2003). Die formalen Hausaufgaben scheinen damit erledigt zu sein. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der Türkei hingegen ist weit fortgeschrittener. Im Jahre 1997 stellte die Europäische Gemeinschaft für die Agenda 2000 fest, dass die EU im Handel mit der Türkei in 1995/96 einen Handelsüberschuss von 9 Milliarden ECU erzielte. Somit habe die Zollunion gezeigt, dass die türkische Wirtschaft der wettbewerblichen Herausforderung des Freihandels mit Fertigwaren gewachsen ist und auch diejenigen Komponenten des Acquis communautaire, die Handel, Wettbewerb und geistiges Eigentum betreffen, bewältigen kann (Yeilyurt 2000: 249). Die gegenseitige politische Annäherung der letzten Jahre, die durch das Ende des Kalten Kriegs und nach dem Golfkrieg eine neue Perspektive des Westens auf die Türkei beförderte, basiert auf drei Punkten. Diese Punkte stehen auch auf der weltpolitischen Agenda: Erstens der Energiesicherung. Im Bereich der Energiesicherung hat die Türkei durch ihre geopolitische Lage den Zugang zu den ressourcenreichen (Rohöl und Gas) Regionen Naher Osten, Persischer Golf, Kaukasus und Zentralasien. Zweitens ist die Türkei NATO-Partner: Ihre gewachsene geopolitische Bedeutung wird durch die langjährige verlässliche NATO-Partnerschaft und die Vertretung im Sicherheitspakt deutlich. Drittens beansprucht die Türkei, eine führende Rolle im Transformationsprozess der ehemaligen GUS-Staaten im kaukasischen Raum zu übernehmen (Khalilzad et al. 2000: X, XI). Seit 2000 erhält die Türkei von den Vorbeitrittshilfen der Europäischen Union. Für das Jahre 2005 sind 300 Millionen Euro für die Unterstützung des sogenannten Heranführungsprozesses und zur Einleitung von Reformmaßnahmen vorgesehen. Ziel ist die „Vertiefung der Zollunion mit der EU sowie [die] Förderung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der Türkei“ (Auswärtiges Amt 2005). Außerdem kann die Türkei Darlehen von der Europäischen Investitionsbank beantragen. Am 16. Januar 2004 wurde in Istanbul das EU-Informationszentrum gegründet. Auf der bildungspolitischen Ebene bietet die Türkei mit einem beträchtlichen Potential an Nachfrage nach Hochschulausbildung, wie bereits im Kapitel II.2.1 ausgeführt, sowie mit einem expandierenden Bildungswesen einen interessanten Kooperationspartner. Ferner sind die bildungspolitischen Annäherungen der Türkei an Europa weit fortgeschrittener als die politischen Handlungen. 146 4.2 Europäisierungsaktivitäten im Hochschulbereich nach 2000 Die Türkei wurde im Januar 2000 in das SOCRATES-Programm der EU mit aufgenommen. Außerdem wurde im Juni 2002 ein Gesetz zur vollen Beteiligung am 6. Rahmenprogramm der EU verabschiedet.66 Die Türkei hat dafür für die nächsten fünf Jahre 250 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Bereits 48 Millionen Euro hat die Türkei für das Jahr 2003 bezahlt. Insgesamt wurden 543 Anträge aus der Türkei für das Förderprogramm gestellt, davon haben nur 72 Anträge eine Förderung genehmigt bekommen, dass entspricht 13 Prozent. Ab dem Studienjahr 2004/05 wird die Türkei ein vollwertiges Mitglied des ERASMUS-Programms werden. Dazu müssen die Universitäten, die sich an dem Programm beteiligen möchten, die ERASMUS- Universitäts-Charta erlangen. Die ERASMUS-Universitäts-Charta ist ein Qualitätssiegel der EU für Politik und Ziele in Bezug auf die europäischen Kooperationen. Bereits 2003/04 wurde von türkischen Universitäten in Kooperation mit europäischen Hochschulen das EU-Türkei-ERASMUS-Pilotprojekt durchgeführt (Schneider 2003). Im Frühjahr 2004 haben 65 türkische Universitäten die Berechtigung zur Teilnahme an dem ERASMUS-Programm erhalten. Dadurch bekamen 1.340 Studierende und 320 Personen des wissenschaftlichen Personals die Möglichkeit, im Studienjahr 2004/2005 an einem europäischen Austausch teilzunehmen. Hierzu nahm der Vizeministerpräsident Abdüllatif ener Stellung und gab bekannt, dass für das Jahr 2006 ein Austausch für etwa 6.000 Studierende und im Jahre 2010 sogar für ca. 42.000 Studierende geplant sei (NTV 2004). Außerdem ist der türkische Hochschulrat (YÖK) ein European University Association (EUA)-Mitglied. Mit der Unterzeichnung der „Bologna-Erklärung“ soll eine umfassende Europäisierungspolitik an den türkischen Universitäten umgesetzt werden. Seit der Prager Konferenz sitzt die Türkei mit im „Bologna-Boot“. Der im Teil III dieser Arbeit aufgezeigte Entwicklungsstand (Dezember 2004) soll die erneute Europäisierung in der Türkei widerspiegeln. Im Folgenden werden der Teil II zusammengefasst und die Thesen zum türkischen Hochschulsystem diskutiert. 66 Siehe dazu Internet: URL: http://www.internationale- kooperation.de/index.php?load=http%3A//www.internationale- kooperation.de/count.php%3Fak_country%3D217%26ak_topic%3D0%26hmen_id%3D18%235 [Stand 27.06.2004]. 147 5. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen: Zur Entwicklung des türkischen Hochschulsystems auf dem Weg zum „Europäischen Hochschulraum“ Durch den Bologna-Prozess versucht ein Land sichtbar zu werden, dessen Hochschulsystem eine dynamische Entwicklung durchläuft. Nach ihrer Neugründung – nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Reichs, zu Beginn der Republikgründung (1933) – waren die türkischen Hochschulen von dem Humboldtschen Hochschulmodell geprägt. Ab den 1950er Jahren lässt sich eine Hinwendung in Richtung des US- amerikanischen Hochschulmodells beobachten. Die Hochschulentwicklung seit 1970 ist von enormer Expansion des Hochschulsystems bestimmt. So wurden in großem Umfang Neugründungen von Universitäten, Etablierung englischsprachiger staatlicher und privater Eliteuniversitäten sowie vermehrte Universitätsneugründungen in den bildungsfernen Regionen vorgenommen. Daraus entstand ein zunehmend diversifiziertes Hochschulsystem. Im Land selbst sind die Qualitätsunterschiede an den Universitäten gravierend: Es gibt ein Ost-West-Gefälle und es gibt Elite- und Massenuniversitäten. Zugleich zeichnet sich aber auch eine Internationalisierung eigener Art ab in der Türkei. Neben der traditionellen Orientierung zum angelsächsischen Raum führt die neuere Internationalisierung in Richtung Zentralasien. Die Phänomene der Globalisierung zeigen ab 1980 verstärkt ihre Wirkung. Es gibt einen privaten Hochschulsektor, der zwar nur wenige Studierende ausbildet (7% aller Studierenden), der jedoch ein wichtiger Hochschulfaktor im Land geworden ist. Der private Hochschulsektor konkurriert mit den Eliteuniversitäten des Landes um die besten Studierenden und wirbt die besten Hochschullehrer ab. Mit diesem diversifizierten Hochschulsystem versucht die Türkei eine erneute Annäherung an Europa. Seit 2001 ist die Türkei Mitunterzeichner der Bologna- Erklärung. Die Aspekte des erneuten Europäisierungsprozesses des türkischen Hochschulsystems auf verschiedenen Ebenen werden im Folgenden in Form von Schlussfolgerungen analysiert:  Schlussfolgerung 1: Die türkischen Hochschulen waren schon immer westlich orientiert. Durch die erneute Europäisierung findet eine neue Standardisierung auf einer erhöhten Stufe statt. Die Nationalstaaten in Europa haben eigene Hochschulmodelle entwickelt, diese standardisiert und damit die Türen gegenüber anderen Nationalstaaten geschlossen, während sich die Türkei schon immer an den führenden westlichen Hochschulmodellen und an deren Standards orientiert hat. 148 Bereits bei den ersten Europäisierungsversuchen des Osmanischen Reichs und der jungen türkischen Republik wurde unter Europa die Moderne verstanden, die es zu erlangen galt. Dieses Ziel sollte durch den Transfer von Hochschulmodellen und technischem Wissen erreicht werden. Das bedeutete, dass europäische Standards formal übernommen und für die Umsetzung politische Maßnahmen getroffen wurden (top- down). Wie auch die Hinwendung zum US-amerikanischen Hochschulmodell zeigt, hat die Türkei kein eigenständiges Hochschulmodell hervorgebracht, sondern sie hat bisher aus den bereits entwickelten Ländern Hochschulmodelle transferiert. Im Spannungsverhältnis der unterschiedlichen Systeme entwickelte sich das türkische Hochschulsystem, das eine Synthese unterschiedlicher westlicher Hochschulmodelle darstellt. Die Umsetzung, der Transfer von westlichen Hochschulmodellen, führte bis jetzt nicht zum Ziel – den Entwicklungsstand der westlichen Länder zu erreichen –, sie wich durch die spezifischen Bedingungen des Landes von dem Ziel ab. Durch die Integration in den Europäischen Hochschulraum kommt ein neues Stadium der Entwicklung in den türkischen Hochschulraum. Die erneute Europäisierung ist systematischer, organisierter, strukturierter. Die erneute Annahme der Standards des Europäischen Hochschulraums ist für die Türkei zugleich eine erneute Standardisierung auf einer höheren Stufe. Die Folge ist, dass der starke Einfluss des Nationalstaats durchbrochen wird.  Schlussfolgerung 2: Die Bedeutung und die Folgen für das diversifizierte türkische Hochschulsystem bei der Übernahme der europäischen Standards. Die Übernahme europäischer Standards bedeutet zunächst, dass alle Universitäten des Landes vor die gleichen neuen Kriterien gestellt werden. Das ergibt eine formale Gleichheit vor der Umsetzung der Bologna-Implementationspunkte. Eine Binnenegalisierung findet statt. Mit der erneuten Europäisierung des Hochschulsystems bemüht sich die türkische Hochschulpolitik zuallererst die formal erforderlichen Kriterien umzusetzen. Die Standardisierung macht das türkische Hochschulsystem für die europäischen Länder transparenter, aber gleichzeitig bringt sie das Potential für eine erneute Binnendifferenzierung sowie eine erneute Hierarchisierung mit sich. Obwohl strukturell die Universitäten des Landes gleich sind, gibt es bereits große qualitative Unterschiede zwischen den Hochschulen. So bringen die Universitäten unterschiedliche Startchancen mit. Die Differenzierung im Land wird verstärkt durch die europäischen Kooperationspartner, die mit den besten Universitäten des Landes in Kooperation treten werden. Das bedeutet, die Universitäten, die in englischer oder einer anderen 149 europäischen Sprache lehren und forschen und die sowieso einen Qualitätsvorsprung haben, werden diesen noch erhöhen. Die Eliteuniversitäten in der Türkei werden es leichter haben, den Anschluss an die europäischen Standards zu erlangen, während die Massenuniversitäten versuchen werden durch die Erfüllung der formalen Kriterien den Anschluss zu erhalten. Der Qualitätsvorsprung wird sich vergrößern und die Binnendifferenzierung wird sich verstärken. Gleichzeitig werden sich aber die Bemühungen der Massenuniversitäten, eine formale Angleichung zu erreichen, verstärken. Im Ringen nach Akzeptanz wird die Umsetzung der formalen Standards beschleunigt (These von Teichler). Dies ist eine neue Herausforderung für die Universitäten des Landes.  Schlussfolgerung 3: Die Diversivität des türkischen Hochschulsystem wird sich verschärfen. Sicherlich wird das Interesse seitens Europas nicht groß sein, alle türkischen Universitäten in den Bologna-Prozess einzubeziehen – das kann es auch nicht. Andererseits hat Europa bis heute die Eliteuniversitäten der Türkei vernachlässigt; sie sind bereits Richtung USA ausgerichtet. Das europäische Interesse an den türkischen Hochschulen verschärft die Konkurrenz innerhalb Europas und zwischen Europa und den USA. Um den Interessen seitens Europas zuvorzukommen, haben die USA und der türkische Hochschulrat Kooperationsverträge zwischen den türkischen Eliteuniversitäten und State University of New York abgeschlossen. Die Regional- bzw. Provinzuniversitäten hingegen haben großes Interesse, an dem Europäisierungsprozess teilzunehmen. Sie erhoffen sich dadurch eine erhöhte Akzeptanz im Land selbst (Binnenakzeptanz). Möglicherweise wird es so sein, dass die Eliteuniversitäten, also die Universitäten, die materiell und personell besser ausgestattet sind, die Freiheit haben werden, zwischen den beiden konkurrierenden Hochschulsystemen (USA und Europa) auszuwählen und beide für ihre Vorteile zu verwenden, während die Regionaluniversitäten nach dem europäischen Maßstab herausfallen und vom Europäisierungsprozess für sich keinen Nutzen ziehen können. Diese Regionaluniversitäten könnten sich vom „Westen“ abwenden und in ihrer näheren Umgebung Wirkungskreise suchen. Das würde zu einer weiteren zunehmenden Binnendifferenzierung des türkischen Hochschulsystems führen.  Schlussfolgerung 4: Internationalisierung, Globalisierung und Europäisierung bieten den Universitäten in der Türkei Chancen in ihrer zukünftigen Entwicklung. 150 Der Europäisierungsprozess bietet die Möglichkeit, die zentralistischen Leitungsstrukturen weitgehend zu verändern. Hochschulpolitisch bedeutet das für die türkischen Universitäten, die zentralistisch organisiert sind, dass sie die Möglichkeit haben, im Zuge der Europäisierung eine relative Autonomie zu erlangen und die Entbürokratisierung voranzubringen. Die Internationalisierung ermöglicht den türkischen Hochschulen die Öffnung in verschiedene Richtungen (USA, Europa und Zentralasien). Geographisch und kulturell können sie in unterschiedliche Richtungen Kooperationen eingehen. Diese unterschiedlichen Strömungen würden die Pluralität und Vielfalt der gesellschaftlichen Entwicklungen an den Universitäten widerspiegeln und eine neue Synthese im türkischen Hochschulsystem eingehen. Die Globalisierung könnte zur vermehrten Ökonomisierung des Hochschulbereichs und zur verstärkten sozialen Ungleichheit führen.  Schlussfolgerung 5: Die Attraktivität des türkischen Hochschulsystems für den Europäischen Hochschulraum und umgekehrt. Die Türkei ist aus quantitativer und qualitativer Sicht für den Europäischen Hochschulraum von Interesse und attraktiv. Quantitativ bietet sie mit ihrer großen jungen Bevölkerungsschicht einen viel versprechenden Bildungsmarkt. Qualitativ ist die Türkei mit ihren Eliteuniversitäten auch für die Wissenschaftsentwicklung ein Gewinn für die Europäisierung der Hochschulen, denn die Kooperation mit gut ausgebildeten Wissenschaftlern vor Ort kann neue Aspekte, Thesen und Themen aufwerfen, die von den Kooperationspartnern gemeinsam in einen größeren wissenschaftlichen Zusammenhang eingebettet werden können. Diese Wissenschaftler bringen differenzierte Sichtweisen in ihre Forschung ein – die u.a. die geopolitische Bedeutung der Türkei nicht außer Acht lassen –, die auch für Amerika und Europa von Bedeutung sein können. Hierbei besteht jedoch nach wie vor die Gefahr einer Verschärfung des brain drain. Ferner sind die Schwellenländer für die industrialisierten Länder Europas und der USA als Abnehmer der exportierten Hochschuldienstleistungen und als Versender von Auslandsstudierenden von Interesse, insbesondere wenn in den Schwellenländern die Wirtschaftsprognosen und die jungen Bevölkerungsgruppen einen viel versprechenden Bildungsmarkt bereitstellen. 151 Außerdem erhofft sich die Türkei, dass – wie in anderen Politikbereichen – ihre Brückenfunktion zwischen den Regionen und Kontinenten auch für den Europäischen Hochschulraum von Bedeutung sein wird. Mit der Türkei, d. h. dem Nahen Osten und dem kaukasischen Raum, betritt eine vollkommen neue Region den Europäischen Hochschulraum, eine Region, die sowohl durch ein sich veränderndes Studierendenprofil, durch den Kampf den Weltstandard zu erreichen, durch die Befriedigung regionaler Bedürfnisse geprägt ist als auch dadurch, ihre Eigenheit zu bewahren. Die Brückenfunktion ist eine Herausforderung an die Universitäten. Sie sollen mit immer geringeren finanziellen Mitteln dem Internationalisierungsprozess, der Globalisierung und der Europäisierung gerecht werden und den Bedürfnissen der Gesellschaft, die ebenfalls vielfältig sind, nachkommen. Im Teil III werden die Bologna-Implementationspunkte, die auf der Berliner Konferenz thematisiert wurden, wie die Anerkennung und die Qualitätssicherung, näher ausgeführt. 152 Teil III Ungleiche Partner – Deutschland und die Türkei – bei der Gestaltung des Europäischen Hochschulraums 1. Einleitung Im Europäisierungsprozess der Hochschulen – verstärkt durch die Bologna-Erklärung – scheint die lange Zeit nebeneinander geführter Hochschuldebatten, die nur gelegentlich miteinander verkoppelt waren, beendet zu sein. Wie in der Berliner Konferenz (2003) des Bologna-Prozesses vereinbart, geht es hauptsächlich um die Transparenz, Durchlässigkeit und Flexibilität innerhalb der europäischen Hochschulstrukturen. Der Bologna-Prozess bildet den integrierenden Rahmen für die wichtigsten Hochschulthemen und -reformen der letzten zwei Jahrzehnte in den europäischen Ländern. Die wesentlichen Punkte des Bologna-Prozesses – verbesserte Anerkennung von Studienleistungen und -abschlüssen sowie die Qualitätssicherung an den europäischen Hochschulen – sollen in einem vorgegebenen Rahmen umgesetzt werden. Beide Implementationspunkte erfordern eine a) Definition, was Anerkennung bzw. Qualität ist bzw. was darunter verstanden werden soll und b) wie diese festzustellen und im Falle von Qualität zu sichern und im Falle von Anerkennung zu verbessern ist. Die genannten Implementationspunkte werden zum Erfolg des Bologna-Prozesses beitragen, falls die Implementation nach „objektiv messbar[en]“ Kriterien und „intersubjektiv vermittelbar“ ist (Pasternack 2001: 149). Ferner ist es für den Erfolg des Bologna-Prozesses von Bedeutung, dass diese Themen konzeptualisiert werden und operationalisierbare Konzepte vorweisen können (ebd.). Dies alles soll auf der Grundlage der Öffnung des Bologna-Prozesses realisiert werden. Die Initiatoren der „Bologna-Erklärung“67 haben sich für die Ausweitung des Prozesses ausgesprochen. Sie haben einen Öffnungsprozess begonnen, der unterschiedliche Hochschulstrukturen, vielfältige Hochschultraditionen und unterschiedlich geprägte Hochschulkulturen in dem „Europäischen Hochschulraum“ zusammenbringen und vereinen soll. Derzeit gehören dem Bologna-Prozess 40 Länder an. Innerhalb dieses Länderspektrums können wir von Kernländern und Peripherieländern sprechen. Die Kernländer sind 67 Diese waren Frankreich, England, Deutschland und Italien. 153 geographisch und politisch gesehen schon längst in „Europa“ integriert68 und die anderen Unterzeichnerländer sind im Prozess, sich dem „Europa“ anzunähern. Ungeachtet der Unterschiede innerhalb der industrialisierten Kernländer werden ihre Gemeinsamkeiten als größer eingeschätzt als die mit den Peripherieländern. Auf diese Annahme aufbauend, soll in diesem Teil Deutschland, ein Kernland des Bologna-Prozesses, mit der Türkei, einem Peripherieland, das seit 2001 auch ein Mitglied des Bologna-Prozesses ist, verglichen werden. Der Vergleich soll auf der Basis der neueren Implementationsthemen des Bologna-Prozesses – Anerkennung und Qualitätssicherung – erfolgen. Die Intention ist, am Ende dieses Kapitels das Ineinandergreifen von nationalen und „europäischen“ Reformbestrebungen am Beispiel ungleicher Partner aufzuzeigen. 1.1 Kern- und Peripherieland in einem gemeinsamen Hochschulraum: Motivationen und die Hochschulsysteme Unterschiedliche Hochschulentwicklungen und -systeme, aber mit ähnlichen Vorstellungen von einer gemeinsamen Zukunft, sind auf dem Weg, einen gemeinsamen Hochschulraum in Europa zu gestalten. Durch die Öffnung des Bologna-Prozesses haben viele europäische Länder und Anrainerstaaten die Möglichkeit bekommen, an der Gestaltung eines gemeinsamen Hochschulraums teilzunehmen. Die Beteiligung an einem gesamteuropäischen Hochschulraum hat sicherlich viele Gründe. Die Motive der Kernländer für die Ausweitung des Bologna-Prozesses auf die Nicht-EU- Mitgliedsländer lassen sich anhand der Literatur nicht detailliert spezifizieren. Bode geht von einem Paradigmenwechsel in der Hochschulpolitik der EU-Länder aus, seit dem Beginn des Bologna-Prozesses (Bode 2003: 26). Aber im Kern gehe es um die „Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Hochschulen“, wie bereits mehrfach angesprochen, insbesondere im sich „herausbildenden internationalisierten Bildungsmarkt“. In diesem Zusammenhang weist Bode auf das Stichwort „GATS“ hin (ebd.)69. Weitere Gründe der Ausweitungsbestrebungen des Bologna-Prozesses könnten sein:  These 1: Nach vergleichbaren Standards gut ausgebildete Hochschulabsolventen für den internationalen, hauptsächlich für den europäischen Arbeitsmarkt, zu qualifizieren. 68 Diese Länder werden auch als „Alteuropa“ bezeichnet. 69 Zum Thema GATS siehe Kapitel 1.1.3 im Teil I dieser Arbeit. 154  These 2: Neue EU-Länder aus Mittel- und Osteuropa in ihrem Prozess der Anpassung im Bereich der Bildung, insbesondere der Hochschulbildung, voranzubringen.  These 3: Über den europäischen Hochschulraum neue Allianzen einzugehen, die geopolitisch und wirtschaftlich von Bedeutung sein könnten.  These 4: Die Neuorganisation und -verteilung des Hochschulmarktes weltweit vorzunehmen. Für die Länder, die kein Mitglied der EU waren oder sind, sind die Motive für eine Beteiligung vielfältiger. Denkbar wäre hier,  These 1: den Anschluss an einen als „modern“ geltenden Entwicklungsstand zu erlangen;  These 2: an den technischen und wissenschaftlichen Fortschritten teilzuhaben und somit daraus Nutzen für die eigene Hochschulentwicklung zu ziehen;  These 3: einen direkten Zugang zum Europäisierungsprozess zu erhalten bzw. an ihm teilzunehmen, um damit die Möglichkeit für die Hochschulen der Peripherieländer zu schaffen, Hochschulpartner aus den Kernländern zu finden;  These 4: die Überlegung, die Anforderungen der Internationalisierung, Globalisierung und Europäisierung in einer größeren Gemeinsamkeit besser angehen zu können;  These 5: eine weitere Intention der Peripherieländer könnte sein, durch die strukturelle Harmonisierung die Vorurteile oder Vorbehalte der industrialisierten EU-Länder gegenüber den Nicht-EU-Mitgliedsländern zu reduzieren. Im Weiteren werden die soziokulturellen und wirtschaftlichen Unterschiede der ungleichen Partner – Deutschland und Türkei – aufgezeigt. Hierzu werden die klassischen Unterscheidungsmerkmale – Wirtschaftsindikatoren – verwendet. 1.1.1 Gesellschaftliche, wirtschaftliche und soziokulturelle Unterschiede zwischen Deutschland und der Türkei Im Jahre 2000 lebten in Deutschland 82,16 Millionen Menschen. Bedingt durch die hohe Lebenserwartung und durch eine geringe Geburtenrate ergibt sich eine homogene „schlauchförmige“ Altersverteilung. Das Bevölkerungswachstum lag im Jahre 2003 bei 0,85 Prozent70. Der Anteil der Bevölkerung ohne deutsche Staatsbürgerschaft beträgt 70 Die statistischen Angaben in diesem Absatz sind eigene Berechungen aus Statistische Ämter des Bundes und der Länder (o. J.): Stand 30.05.2005. 155 8,9 Prozent. Deutschland ist ein industrialisiertes Land. Hier betrugen die Anteile der Bereiche Agrar und Industrie am Bruttoinlandsprodukt 1,54 Prozent und 40,50 Prozent. Das durchschnittliche Wachstum liegt seit den 1990er Jahren in Deutschland bei 1,25 Prozent. Unter anderem seine geographische Lage mitten in Europa macht es zu einem europäischen Kernland. Im Jahre 2003 hatte die Türkei 66.668 Tausend Einwohner (Türkei Wirtschaftsdatenblatt 2003). Wie bereits in Kapitel II.2.1 ausgeführt, gibt es eine „typisch“ pyramidale Altersverteilung der Bevölkerung, d. h. eine große Zahl von jungen Menschen. Das Bevölkerungswachstum liegt bei 1,8 Prozent pro Jahr. Die Türkei ist eine multiethnische und multikulturelle Gesellschaft. Die religiöse Zugehörigkeit – in Europa leben überwiegend Menschen mit christlichem Glauben und in der Türkei wird die Bevölkerung mit 98 Prozent zum muslimischen Glauben gezählt – unterscheidet insbesondere die Türkei von Deutschland. Die Türkei wird wirtschaftlich als Schwellenland bezeichnet. Das Wirtschaftswachstum liegt, trotz rückläufiger Tendenz in den neunziger Jahren, seit den 1980er Jahren durchschnittlich bei fünf Prozent.71 Die Industrialisierung nahm in den letzten Jahren zu und der Industriesektor hatte einen Anteil von 22,3 Prozent am Bruttosozialprodukt, der Agrarsektor lag dagegen bei 20,6 Prozent im dritten Quartal des Jahres 2002 (ebd.). Seit 1999 hat die Türkei ernsthafte Aussichten auf einen Kandidatenstatus der EU; am 17. Dezember 2004 wurde eine Zusage der EU getroffen zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen, beginnend mit Oktober 2005. Die geographische Lage und die politischen Entwicklungen im Nahen Osten machen die Türkei zu einem Brückenland. Tabelle 16: Vergleich Deutschland und Türkei Deutschland Türkei Bevölkerung (in Tausend)* 82.164 66.668 Bevölkerung mit einem Bildungsabschluss im Sekundarbereich II (in Prozent für das Jahr 1999)** 81 22 Bevölkerung mit einem Bildungsabschluss im Tertiärbereich (in Prozent für das Jahr 1999) ** 13 7 Bildungsausgaben im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt nach Herkunft der Mittel (in Prozent 1998) nur öffentliche*** 4,34 2,94 Quelle: Grund- und Strukturdaten 2001/2002 *Seite 444 **458-459 *** Seite 484 71 Eigene Berechungen aus Statistische Ämter des Bundes und der Länder (o. J.): Stand 2003 von 22.12.2004. 156 Neben den Unterschieden gibt es eine traditionsreiche Beziehung zwischen den beiden Ländern Deutschland und Türkei. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit ist weitaus intensiver als die Kooperation auf der Hochschulebene. Dazu das deutsche Konsulat in Ankara: „Mit etwa 17 Mrd. Euro Handelsvolumen war Deutschland 2003 erneut mit Abstand der wichtigste Handelspartner der Türkei. 17 % aller türkischen Exporte gehen nach Deutschland“ (Deutsche Botschaft o. J.). Im Folgenden werden die wesentlichen Unterschiede in den jeweiligen Hochschulsystemen ausgearbeitet. 1.1.2 Unterschiede in den Hochschulsystemen Die wesentlichen Unterschiede der Hochschulsysteme liegen in der Hochschulgeschichte, der Hochschulstruktur und der Beziehung von Staat und Universität. Deutschland hat eine der traditionsreichsten Hochschulvergangenheiten in Europa. Die Hochschulgeschichte greift auf einen großen Erfahrungs- und Entwicklungsreichtum zurück, denn bereits um 1500 gab es in Deutschland zehn Hochschulen. Das Humboldtsche Hochschulmodell war der Antrieb für die Verankerung des heutigen Hochschulsystems im Kontinentaleuropa des 19. Jahrhunderts, auch die Hochschulen der USA sind in ihren Gründungen vom Humboldtschen Modell geprägt. In der neueren deutschen Hochschulgeschichte finden seit Mitte der 1990er Jahre größere Hochschulreformprozesse72 statt. Strukturelle Veränderungen wurden vor und durch den Bologna-Prozess initiiert und vorangebracht. Deutschlands Hochschulpolitik73 favorisiert seit Anfang der 1990er Jahre die Internationalisierung ihrer Hochschulen.74 Ferner nimmt der private Hochschulsektor, der zum Teil direkt und indirekt mit öffentlichen Mitteln finanziert wird, vermehrt zu. Die transnationalen Hochschulaktivitäten stehen auf der Agenda der Hochschulpolitik und Wirtschaft. Dazu wurde von Seiten des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) und der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) ein Konsortium: Guide to Academic Training and Education (GATE – Germany) initiiert. Zum Aufgabengebiet dieses Konsortiums gehört es, die Forschungs- und Lehreinrichtungen der deutschen Hochschulen weltweit bekannt zu machen und somit Studierende und Wissenschaftler aus der ganzen Welt 72 In dieser Arbeit wird auf eine ausführlichere Darstellung des deutschen Hochschulsystems verzichtet, da das System Forschungsgegenstand und Arbeitsplatz von vielen Lesern ist. Für detailliertere Ausführungen siehe Kehm 2004. 73 Nationale Hochschulakteure sind in Deutschland das KMK, BLK, die HRK, der Wissenschaftsrat und das Hochschulrahmengesetz. 74 Siehe dazu weiter „Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit des Studienstandortes Deutschland“ (Bericht und Gemeinsame Erklärung für die Regierungschefs 1999). 157 über „Studien- und Forschungsmöglichkeiten in Deutschland zu informieren“ (HRK o. J.c). Nach wie vor sind das deutsche Hochschulsystem und die deutsche Hochschullandschaft attraktiv für ausländische Studierende. Im Jahre 2002 verbrachten 55.900 deutsche Studierenden einen Teil ihres Studiums – mindestens ein Semester – im Ausland, insbesondere in Großbritannien, den USA und in der Schweiz (BMBF 2004: 6f.). Das deutsche Hochschulsystem besteht hauptsächlich aus zwei Typen von Hochschulen (Universitäten und Fachhochschulen); dies wird als binäres System bezeichnet. In der Türkei hingegen ist das Hochschulsystem gestuft. In der Türkei wird hauptsächlich ein Kernfach studiert.75 In Deutschland hingegen bestehen die Magisterstudiengänge an den Universitäten aus zwei Hauptfächern bzw. einem Hauptfach und zwei Nebenfächern. In den Fachhochschulen, den Diplomstudiengängen der Universitäten und den Bachelor- und Master-Studiengängen ist das Kernfachprinzip gängig. Bachelor- und Master- Studiengänge sind relativ neu in Deutschland.76 Seit ihrer Einführung 1999 bestehen quasi alte und neue Studiengangmodelle nebeneinander (Kehm 2004: 15). Die deutschen Hochschulen gelten als relativ homogen in der Qualität der Ausbildung. Seit einiger Zeit wird in der Öffentlichkeit eine Debatte über Elitehochschulen geführt. Die Forderung der Bundespolitik ist, in Deutschland Elitehochschulen zu etablieren, die im Weltmaßstab mit anderen Eliteuniversitäten konkurrieren können. In der Türkei hingegen, wie bereits im Teil II aufgezeigt, gibt es einen hochschulpolitisch geschützten Eliteuniversitätsbereich. Dies macht sich an den Studierendenzahlen der jeweiligen Universitäten deutlich. Obwohl alle anderen Universitäten des Landes an Studierendenzahlen innerhalb von 1991/92 bis 2001/2002 zunahmen, verringerten sich die Studierendenzahlen in dem genannten Zeitraum an den staatlichen Eliteuniversitäten. Zum Beispiel hatte die englischsprachige Boaziçi Üniversitesi (Istanbul) 8.759 Studierende im Studienjahr 1991/92 und 7.840 Studierende im Studienjahr 2001/2002. Waren an der Istanbul Teknik Üniversitesi im Studienjahr 1991/92 noch 19.270 Studierende immatrikuliert, so waren es zehn Jahre später nunmehr 13.328. Das Gleiche trifft auch für die Orta Dou Teknik Üniversitesi (Ankara) zu: In 2001/2002 waren 2.235 Studierende weniger eingeschrieben als im 75 An den Eliteuniversitäten ist es möglich, falls die Studierenden im ersten Studienjahr gute Leistungen vorweisen, ein zweites Hauptfach hinzuzunehmen. Dies ist aber nicht der Regelfall. 76 Siehe für weitere Entwicklungen Kapitel 1.1.4 in diesem Teil (Teil III) oder die umfassenden Ausführungen in Schwarz/Rehburg 2003. 158 Studienjahr 1991/92.77 Fernab von der Öffentlichkeit wurde die Zahl der Studierenden an den Eliteuniversitäten zu Gunsten der Massenuniversitäten reduziert. Das bedeutet, dass der Hochschulrat die Studienplätze an diesen Universitäten nicht ausgebaut, sondern verringert hat. Offiziell gibt es dazu keine schriftlichen Dokumente; zu vermuten wäre, dass sich die Interessen des Hochschulrats an dem Vorhandensein einiger staatlicher Eliteuniversitäten mit den Interessen der Eliteuniversitäten an einer Begrenzung der Zahl der Studienplätze getroffen haben. In Deutschland und in der Türkei ist man sich einig, dass die Hochschulen in den entstehenden Wissensgesellschaften ein unverzichtbarer Faktor sind (für Deutschland: Kehm 2004: 17; für die Türkei: YÖK 2003). Über die bilateralen Aktivitäten gibt es nur wenige Informationen. Im Jahre 2001 fand der erste Besuch einer HRK-Delegation in der Türkei statt. Dabei wurde die Absprache getroffen, die Zusammenarbeit zwischen den Hochschulen zu intensivieren (Landfried 2001). Außerdem gab es im Jahre 2004 laut Angaben der HRK 82 Hochschulkooperationen von deutschen und türkischen Universitäten. Auffällig ist, dass die Kooperationen überwiegend zwischen renommierten türkischen Universitäten und hauptsächlich mit den Universitäten, die in der Westtürkei angesiedelt sind, eingegangen wurden (HRK o. J.b). In beiden Ländern verändert sich die Rolle und die Funktion der Hochschulen bzw. der Universitäten: Sie sollen den Anforderungen der Internationalisierung, Europäisierung und Globalisierung mit weniger Finanzierung gerecht werden. Ferner zielen beide Gesellschaften auf eine Erhöhung des Bevölkerungsanteils mit einem Hochschulabschluss (für Deutschland: Kehm 2004: 17; für die Türkei: YÖK 2003). Im Folgenden sollen die Motive der beiden ungleichen Bologna-Unterzeichnerländer dargestellt werden. 1.1.3 Gründe dem Bologna-Prozess beizutreten und der Implementationsprozess in Deutschland und der Türkei Die Gründe für die Initiierung des Bologna-Prozesses sieht Deutschland, ähnlich wie die Mitinitiatoren der Kernländer, in der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Hochschulen. Außerdem geht es um die weltweite Konkurrenz, um die „klugen“ Köpfe und um die internationale Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Hochschulsystems (Bode 2003: 26). 77 Eigene Berechnungen aus ÖYSM 1993 und 2002. 159 In dem ersten Länderbericht Deutschlands wird von den sich „weitgehend“ überschneidenden Zielen der „Bologna-Erklärung“ und den gemeinsamen Zielen von Bund und Ländern zur Modernisierung und Stärkung des deutschen Hochschulwesens im internationalen Hochschulraum berichtet (KMK 2000). Die aktive Rolle Deutschlands im europäischen Harmonisierungsprozess führt Kruse auf die Diskussionen zurück, die vor der Sorbonne-Erklärung in Deutschland geführt wurden, z. B. über die gestuften Studiengänge und über das Leistungspunktesystem (Kruse 2004: 198f.). Die Erwartung an den Europäisierungsprozess seitens der hochschulpolitischen Vertretung fasst Landfried wie folgt zusammen: „Die Europäisierung der Studienangebote dient jedoch der Öffnung hin zu Europa und der Welt und steigert damit zugleich die internationale Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Hochschulsystems, auch wenn es manchen schwer fällt, das anzuerkennen“ (Landfried 2003: 5). Seit der Unterzeichnung der Bologna-Erklärung (2001) durch die Türkei nimmt der Bekanntheitsgrad des Bologna-Prozesses in der türkischen Hochschulöffentlichkeit zu. Dazu beigetragen haben die vereinzelten Nachrichten in der Presse und die Qualitätssicherungsdebatten an den Hochschulen, dieses wird im Kapitel 3. in diesem Teil aufgezeigt. Der Bologna-Prozess entwickelt sich zum Angelpunkt der neueren Universitätsreformen in der Türkei. Bevor die Umsetzung der einzelnen Bologna-Einigungspunkte in den Vergleichsländern aufgezeigt wird, werden die Primärziele und der „Sinn des Bologna-Modells“ sowie die Instrumente zur Umsetzung der Ziele nach Kohler zusammengefasst:  „neue Erkenntnis durch wissenschaftliche Methoden zu entwickeln und Wissen zu bewahren (‚Wissenschaftliche Qualität‘);  die persönliche Entwicklung des Einzelnen zu fördern (‚Bildung‘);  für die Gesellschaft relevant zu sein (‚Employability‘);  Mobilität in mehreren Hinsichten: räumlich (Stichwort: ‚Globalisierung‘); zeitlich (Stichwort: lebenslanges Lernen, Weiterbildung[sfähigkeit]); disziplinen- übergreifend (Stichwort: ganzheitlich-systemische Sichtweisen) zu gewährleisten“ (Kohler 2003: 4). Diese bilden den integrativen Rahmen für die neueren Hochschul- bzw. Universitätsreformen in beiden Ländern. Zur Umsetzung haben die Länder folgende Mittel:  „Rahmenstandardisierung – Instrument: Strukturierte konsekutive Studiengänge; 160  Herstellung von Transparenz für Studierende und für Dritte, insbesondere für den Arbeitsmarkt – Instrumente: Diploma Supplement und auch ECTS;  Erleichterung der Anerkennung – Instrumente: ECTS bzw. ECTAS, aber auch die Lissabonner-Konvention;  schließlich Qualitätssicherung – Instrumente: Evaluation und Akkreditierung." (ebd.). Zunächst wird der Hochschulreformprozess im Zuge der Bologna-Erklärung in Deutschland aufgezeigt: Allein der erste Einigungspunkt der Bologna-Erklärung löste in Deutschland eine Welle der Reformen aus. Die hochschulpolitische Entscheidung für die „Einführung eines Systems leicht verständlicher und vergleichbarer Abschlüsse“ ist eigentlich keine explizite Forderung der Bologna-Erklärung. Im Vorfeld von Bologna wurde bereits am 20.08.1998 das Hochschulrahmengesetz (HRG) novelliert und das gängige „einphasige“ Graduierungssystem mit den probeweise gestuften Abschlüssen erweitert. Die Empfehlungen des Hochschulrahmengesetzes wurden in alle Landeshochschulgesetze integriert. Die Kultusministerkonferenz hat das neue Graduierungssystem mit dem Strukturbeschluss vom 05.03.1999 weiter konkretisiert (siehe dazu KMK Deutschland 2000). „Infolge der Novellierung des Hochschulrahmengesetzes (HRG) vom 20. August 1998 (zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 8. August 2002) können deutsche Hochschulen die international bekannten und anerkannten Hochschulgrade Bachelor und Master (BA/MA) einführen, die sich auf dem ‚akademischen Weltmarkt‘ bewährt haben. Laut Beschluss der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) vom 6. Juli 1998 soll auf diese Weise das Studienangebot flexibilisiert, die internationale Kompatibilität deutscher Studienabschlüsse verbessert und somit die Mobilität der Studierenden und die Nachfrage ausländischer Studierender nach Studienplätzen in Deutschland erhöht werden“ (ebd.). Zur Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit des Studienstandorts Deutschland werden die international anerkannten Abschlüsse Bachelor-/Bakkalaureus- und Master-/Magister-Studiengänge eingeführt. Diese werden parallel zu den traditionellen deutschen Hochschulstudiengängen (Diplom, Magister und Staatsexamen) angeboten. Die Bemühungen der Länder gehen in die Richtung, langfristig diese Studiengänge strukturell so zu verändern, dass sie leichter in international gängige Strukturen einzuordnen sind (Länderbericht Deutschland 2002). Dieser Umwandlungsprozess insgesamt wird von Schritten begleitet, die die Akzeptanz der Abschlüsse in der Wirtschaft und Gesellschaft voranbringen sollen. 161 Mit der sogenannten „Kölner Erklärung“ haben sich die Arbeitgeberverbände zu Wort gemeldet und die Berufsbefähigung als ein unverzichtbares Merkmal des ersten Abschlusses betont (zitiert nach KMK 2000). Mit Sonderprogrammen und gezielten Programmen wurde die Einführung der Graduierungssysteme vom BMBF gefördert.78 Die Bund-Länder-Kommission (BLK) kennzeichnet den Bachelor-Studiengang wie folgt: „Ziel der Bachelor-Studiengänge in Deutschland soll die Vermittlung einer Berufsqualifikation innerhalb der Regelstudienzeit von drei bis vier Jahren sein. Im Rahmen eines Bachelor-Studienganges sollen grundlegende fachliche und methodische Kompetenzen sowie ein Überblick über die Zusammenhänge der Studieneinrichtung erworben werden“ (BLK 2002: 19). Die Kultusministerkonferenz hatte die Einführung einer Abschlussarbeit (Bachelor- oder Studienarbeit) gefordert, die die Fähigkeit der Studierenden belegt, in zeitlich befristeter Zeit nach wissenschaftlichen Methoden ein Problem zu behandeln (BLK 2002: 20). „Die Abschlussbezeichnung ‚Bachelor of Arts‘ (B. A.) oder ‚Bachelor of Science‘ (B. Sc.) sollen die stärker forschungsbasierte Lehre kennzeichnen, während Abschlussbezeichnungen mit Fachzusätzen, wie ‚Bachelor of Engineering‘, ‚Bachelor of Business Administration‘ u.s.w. mehr anwendungsbasierte Lehre der jeweiligen Studienrichtung oder Fächergruppe bezeichnen“ (ebd.). Der Master-Studiengang ist ein weiterer berufsqualifizierender Abschluss, der auf den ersten berufsqualifizierenden Abschluss aufbaut (BLK 2002: 19). Die Rahmenvorgabe des HRG (§ 19) für die Dauer des BA-Studiengangs ist eine Regelstudienzeit von mindestens drei und höchstens vier Jahren. Für die MA- Studiengänge ist eine Regelstudienzeit von mindestens einem Jahr bis höchstens zwei Jahren vorgesehen. Die Gesamtregelstudiendauer bei einem konsekutiven Aufbau ist auf höchstens fünf Jahre festgelegt. „Tatsächlich unterscheiden sich die Modelle [der gestuften Studiengänge] in mehreren Kriterien: Studiendauer bis zum ersten berufsqualifizierenden Abschluss, Länge des zweiten Studienzyklus, Häufigkeit des Übergangs vom ersten Abschluss zur weiterführenden Studienstufe, Anschlussmöglichkeiten und Zulassungsvoraussetzungen für die weiterqualifizierende Studienstufe, Zeitpunkt der Aufnahme des Studiums auf Masterniveau (direkt oder nach Berufsphase), Weg zum Erlangen des Masterabschlusses (Abschlussarbeit, Prüfungen), Positionierung des Masterabschlusses (manchmal nur ‚Ehrentitel‘), um hier nur die wichtigsten zu nennen“ (Hahn 2004: 236f.). 78 Ausführliche Darstellung ist in KMK (2000: 4) zu finden. 162 Die Diskussionen um gestufte Studiengänge in Deutschland werden einerseits von „Öffnungseuphorie“ und andererseits von Warnungen vor einer reinen Imitation des angloamerikanischen Studienmodells begleitet.79 Die Ziele für die Einführung von Bachelor- und Master-Studienabschlüssen in Deutschland werden als Instrumente zur Förderung der Internationalisierung (Erhöhung der Mobilität, international kompatible Studienabschlüsse, Erhöhung der Kompatibilität von Studienstrukturen und Studienabschlüssen, internationale Angleichung von Abschlüssen, Erhöhung der Mobilität deutscher Studenten durch die Möglichkeit, Studienleistungen im Ausland leichter angerechnet zu bekommen, Übertragbarkeit von erbrachten Studienleistungen, leichtere Anrechenbarkeit, größere Attraktivität deutscher Studienorte durch Vergabe international anerkannter Abschlüsse), zur Gestaltung eines effizienteren Studiums mit geringeren Studienabbrecherzahlen und kürzeren Studiendauern und zur Einführung einer wissenschaftlichen Grundausbildung mit Berufsorientierung angesehen.80 Schwarz und Rehburg stellen für die Diskussionen in Deutschland um den Bologna-Prozess fest, dass dies „weit mehr als eine Strukturreform“ sei (Schwarz/Rehburg 2003: 137-157). Die Einführung der ersten Einigungspunkte der Bologna-Erklärung verdeutlicht, dass in Deutschland die Hochschulreformen in reger Auseinandersetzung mit und der Einbeziehung von diversen Instanzen realisiert werden. Die auf der Grundlage der Empfehlungen ausgeschriebenen Vorgaben sind Rahmenrichtlinien für die Hochschulen in Deutschland. Ferner sind die unterschiedlichen Meinungen der Hochschulforscher, Hochschulvertreter und die politisch Verantwortlichen in der Öffentlichkeit öfters wahrzunehmen als in der Türkei. Dieses wird im Folgenden aufgezeigt. In Prag (2001), wie bereits erwähnt, unterzeichneten der Vorsitzende des türkischen Hochschulrats und der nationale Bildungsminister die „Bologna-Erklärung“. Die Erklärung und der Bologna-Prozess werden in den Stellungnahmen und Veröffentlichungen unter der Kategorie Anpassungs- bzw. Harmonisierungsprozess direkt mit der EU in Verbindung gebracht. Derzeit versucht der neue Bildungsminister, der seit November 2002 im Amt ist, einen neuen Hochschulgesetzentwurf im Ministerrat zu verabschieden. Der Hochschulrat hat sich aus Gründen der politischen Differenz aus den Vorbereitungen zu dem Gesetzentwurf zurückgezogen. Geplant war 79 Die Diskussion wird bei Hahn (2004: 228) ausgeführt. 80 Bericht und Empfehlungen der Strukturkommission des Vorstandes der DGfE zur Einführung neuer Studiengänge und Abschlüsse – Bachelor of Arts, Master of Arts (BA, MA) im Fach Erziehungswissenschaft (1999: 10ff.). 163 im Januar 2005 ein neuer Hochschulgesetzentwurf im Parlament zudebattiert, die derzeit nicht realisiert wurde (Stand April 2005). Bisher wurde das Dokument „Trends in Learning Structures in Higher Education I“ ins Türkische übersetzt. Außerdem hat das Büro der Europäischen Union in der Türkei für die Angelegenheiten der Ausbildungs- und Jugendprogramme (Avrupa Birlii Eitim ve Gençlik Programları Merkezi Bakanlıı) vor kurzem Bologna- und ECTS-Vertreter bestimmt. Diese werden die Informations- und Koordinationsarbeit in der ganzen Türkei durchführen. Drei Arbeitsgruppen wurden ins Leben gerufen, diese sind: „Qualitätssicherung und Akkreditierung“, die Arbeitsgruppe zur „Umsetzung des dreigliedrigen System“ und die „der Anerkennung“. Die Arbeitsgruppen sind mit einem Gesamtbudget von 143.500 Euro für das Studienjahr 2004/2005 ausgestattet (Länderbericht der Türkei 2005). Bei der strukturellen Harmonisierung hat die Türkei keine größeren Reformschritte vor sich. Wie bereits im Kapitel 1.2 des Teils II aufgezeigt, gibt es gestufte Studiengänge an den Universitäten. Für die Türkei scheint die zentrale Problematik nicht in der Einführung leicht verständlicher und vergleichbarer Abschlüsse zu liegen, sondern in dem Umgang der Unterzeichnerländer mit den türkischen Hochschulabschlüssen. Die angelsächsischen Bezeichnungen der Hochschulabschlüsse werden in der türkischen Sprache verwendet (siehe Kapitel 1.2 in Teil II). Mit den neuen landesweiten ECTS- Beauftragten soll an den Universitäten das angelsächsische Kreditsystem, das sehr uneinheitlich angewendet wurde, abgelöst und das ECTS eingeführt werden. Hier ist noch abzuwarten, wie dies umgesetzt wird. Bei der Einführung des Diploma Supplement, das neu ist für die Türkei, wurden Informationen zum Verfahren und das Diploma Supplement ins Netz gestellt (siehe dazu Kapitel 2.3 in diesem Teil).81 Nach dem Länderbericht der Türkei vom Januar 2005 steht die Einführung des ECTS und des Diploma Supplement vor dem Abschluss (ebd.). Obwohl das Mobilitätsprogramm ERASMUS erst im Studienjahr 2003/2004 in Form eines Pilotprojekts mit 124 türkischen Studierenden, die ins Ausland gingen, und 17 Studierende, die in die Türkei einreisten, gestartet wurde, beabsichtigt die Türkei die Erhöhung der Zahl der mobilen Studierenden innerhalb eines kurzen Zeitraums (ebd.). Im Herbstsemester 2004/2005 nahmen 475 türkische Studierenden die Möglichkeit wahr, über ERASMUS ein Auslandssemester zu absolvieren, und 183 Studierende 81 Diploma Supplement ist auf der Homepage des türkischen Hochschulrats herunterladbar Internet: URL: http://www.yok.gov.tr [Stand 17.02.2003] zugänglich. 164 kamen in die Türkei. Im Sommersemester werden insgesamt 1.150 „outgoing“- und „incoming“-Studierende erwartet (ebd.). Bei der Mobilität des wissenschaftlichen Personals sind zwei Wissenschaftler zu verzeichnen, die sich in der Türkei aufhielten; 55 türkische Wissenschaftler gingen ins Ausland (ebd.). Eine Erhöhung der Zahl der mobilen Studierenden und Wissenschaftler für die Türkei (siehe Kapitel II.3.2.2) hängt von einer verstärkten Zusammenarbeit und auch der finanziellen Unterstützung innerhalb den Bologna-Ländern ab. Nach Informationen des Länderberichts Türkei ist das Stipendiensystem, das die wirtschaftliche Unterstützung für die Finanzierung der Auslandsaufenthalte regelt, zentralisiert worden. Aber das Recht zur Auswahl der Studierenden, die einen Auslandsaufenthalt absolvieren, haben die Universitäten behalten (ebd.). Der Förderung der „Europäischen Dimension“ kommt die Türkei mit der Einrichtung von neuen Forschungszentren und „graduate programmes“ nach. Diese Einrichtungen lehren und forschen zu diversen EU-bezogenen Themen (ebd.). Im Bereich des lebenslangen Lernens haben die türkischen Universitäten „Weiterbildungszentren“ („continuous education center`s“) eingerichtet. In Seminaren, Konferenzen bzw. in Auffrischungskursen können Berufstätige ihre Kenntnisse oder ihren Einblick in neue Gebiete erweitern (ebd.). Auf der Berliner Konferenz des Bologna-Prozesses wurde die Anerkennung von Leistungen und Qualifikationen neben der Qualitätssicherung zum wichtigsten zukünftigen Implementationspunkt bestimmt. Im folgenden Kapitel wird die Anerkennung im Raum Europa detaillierter in ihrer thematischen Entwicklung bis zum Bologna-Prozess dargestellt. Im Anschluss werden die gegenwärtigen Verfahren am Beispiel der ungleichen Partner – Deutschland und Türkei – in den jeweiligen Nationalstaaten untersucht. 165 2. Anerkennungsvereinbarungen und -praxis am Beispiel der ungleichen Partner Deutschland und Türkei „The Bologna Declaration has moved recognition issues from the domain of ‚technical specialists‘ to the core of the European higher education policy de- bate.“ (EAIE Forum ACE Spring 2001) 2. 1 Begriffsbestimmung und Systematisierung des Themenfeldes In den letzten 30 Jahren gab es – nach Dalichow – in der Region Europa einen terminologischen Wandel weg vom „Äquivalenz“-Begriff zur Akzeptanz des Begriffs „Anerkennung“ (Dalichow 1999: 27). Der Begriff „Anerkennung“ gehe nicht mehr „von nicht total äquivalenten Studiengängen und -abschlüssen“ aus, sondern er biete einen größeren Raum für das „Sich-aufeinander-zu-Bewegen“ der Beteiligten (ebd.). Die Bezeichnung „Akzeptanz“ hingegen intendiere, dass die Studiengänge und -ab- schlüsse zwar unterschiedlich, aber in ihrer Unterschiedlichkeit tolerabel seien (ebd.). Die Bezeichnung „Akzeptanz“ werde heute in Expertenkreisen ernsthaft „als Terminus technicus“ erwogen und habe „gute Chancen, in Zukunft in Europa allgemein eingeführt zu werden“ (ebd.). Im angelsächsischen Sprachraum werden vermehrt die Bezeichnungen „recognition“ oder „mutual recognition“ verwendet. In Deutschland ist die Anwendung des Begriffs „Äquivalenz“ in der Literatur weiter verbreitet als die des Begriffs „Anerkennung“. In Deutschland tritt die Hochschulrektorenkonferenz durch Veröffentlichungen im Bereich der Anerkennung hervor. In den Veröffentlichungen stehen die Begriffe „Anerkennung“ und „Gleichwertigkeit“ neben der Bezeichnung „Äquivalenz“. Dolezal verwendet den Begriff der „Gleichwertigkeit“ im Zusammenhang mit der Anerkennungspraxis (Dolezal 1996: 9). In einigen wenigen Beiträgen zum Thema ist auch von der „Vergleichbarkeit“ (Dalichow 1999) oder, wenn über Strukturen geredet wird, von „Kompatibilität“ die Rede. Noch ist keine deutliche begriffliche Präferenz in Deutschland zu erkennen, wobei die Hochschulforscher (Teichler/Kehm) vermehrt den Begriff „Anerkennung“ verwenden. Teichler verstand bereits in den 1990er Jahren im Rahmen der ersten ERASMUS- Untersuchungen unter „Anerkennung“ „(…) die prinzipielle Bereitschaft, das im Ausland erbrachte Studium im eigenen Land als gleichwertig zu akzeptieren bzw. anzuerkennen – dafür ist die Bezeichnung ‚Anerkennung‘ zweifellos angemessen“ 166 (Teichler 1990a: 56). Die Bezeichnung „Anerkennung“ wird auch im weiteren Verlauf dieser Arbeit benutzt. Im Rahmen des Bolonga-Prozesses ist von Anerkennung die Rede. Die Europäische Union unterscheidet zwei Formen der Anerkennung: die „Anerkennung zu beruflichen Zwecken“ und die akademische Anerkennung. Im Rahmen dieser Arbeit wird die berufliche Anerkennung ausgeklammert.82 Die Zusammenstellung von Teichler für Europa präzisiert die Anerkennungsbereiche (Teichler 2003a: 318-319): 1. Anerkennung von Sekundarschulabschlüssen als Zugangsbedingungen an die Hochschulen; 2. Anerkennung von „prior“-Kursen für temporäre Studien in einem anderen Land; 3. Anerkennung der temporären Studien in einem anderen Land nach Rückkehr durch die Hauptanstalt; 4. Anerkennung von individuellen Kursen, Etappen oder intermedialen Qualifikationen zum Zweck der Fortführung des Studiums und der Promotion (graduating) in einem anderen Land; 5. Akademische Anerkennung von Hochschulabschlüssen und -graden, d. h. im Falle der Weiterführung des Studiums in einem anderen Land; 6. Berufliche Anerkennung von Hochschulabschlüssen und Diplomen; 7. Das Recht, einen verliehenen Titel im Ausland zu tragen. Je vielfältiger die Bedürfnisse der Studierenden und je internationaler das Hochschulsystem wird, desto facettenreicher werden die Anerkennungsbereiche. Bei der Frage der Anerkennung geht es im Grunde um das „Vertrauen“ bzw. um „mutual trust“. Das bedeutet: In dem Moment, wo eine Anerkennung von Leistungen und Qualifikationen vorgenommen wird, wird der Qualität der erbrachten Leistungen und Qualifikationen des Partnerlandes bzw. der Partnerhochschule das Vertrauen entgegengebracht. Nach Dalichow geht es bei Anerkennungsvereinbarungen um die Gestaltung der Vertrauensfragen (Dalichow 1999: 29). Umso mehr steigt der Bedarf nach verbindlichen Regelungen nicht nur auf der nationalen, sondern auch auf der internationalen Ebene. Dazu gibt es auf der supranationalen Ebene seit 1950 Versuche, die Anerkennungsfrage international verbindlicher zu gestalten. In erster Linie geht es bei Anerkennungsvereinbarungen darum, die Unterschiede in den jeweiligen nationalen 82 Für die Ausführungen der Anerkennung zu beruflichen Zwecken siehe Rauhvargers (2003). 167 Bildungs- und Berufssystemen mit geeigneten Verfahren und Instrumenten zu überwinden (vgl. Dolezal 1992: 6). Dolezal unterscheidet hauptsächlich drei Anerkennungsvereinbarungen, die unterschiedliche Ebenen tangieren und im Wesentlichen Folgendes umfassen: a) Multilaterale Konventionen (supranationale Ebene) Die United Nations Educational, Scientifical, and Cultural Organization (UNESCO) tritt als aktiver Förderer der verbindlichen Regelungen zur Verbesserung der gegenseitigen Anerkennung von Qualifikationen in der Region Europa hervor. Die UNESCO versucht auf verschiedenen Ebenen weltweit eine einheitliche Regelung bei der Anerkennung von akademischer Qualifikation zu finden. Bis heute ist der UNESCO nicht gelungen, ihre große Idee einer weltweiten Regelung umzusetzen. Bedeutende Errungenschaften erzielte sie in Kooperation mit dem Europarat bei den regionalen Vereinbarungen, die Konventionen genannt werden.83 Die Vereinbarungen und Konventionen, die durch den Europarat und die Europäische Gemeinschaft und später durch die Europäische Union eingegangen worden sind, fallen unter multilaterale Konventionen. Diese basieren auf der Bereitschaft der verschiedenen Nationalstaaten, sich auf Minimalpunkte zu einigen. b) Zwischenstaatliche Vereinbarungen (nationalstaatliche Ebene) Die Nationalstaaten hingegen genießen die Freiheit, multilaterale Konventionen zu unterzeichnen oder zwischenstaatliche Vereinbarungen zu treffen. Der Grundsatz der zwischenstaatlichen Vereinbarung ist nach Dolezal: „das Bestreben, dem Studierenden oder Hochschulabsolventen im jeweiligen ausländischen Vertragsstaat dieselbe Rechtsstellung zu verschaffen, die er sich in seinem Heimatland erarbeitet hat“ (Dolezal 1992: 14). Die bilateralen Abkommen sollen den Studierenden oder Hochschulabsolventen eine verbindliche Einschätzung über ihren weiteren Ausbildungsweg, von dem ein Teil im Ausland absolviert wird, sichern. Nach Dolezal kann eine bilaterale Vereinbarung nur in den Fällen geschlossen werden, in denen die nationalstaatliche Gesetzgebung dieses erlaubt und nicht die Hochschulautonomie angegriffen wird (ebd.). In einigen Staaten ist der Anerkennungsbereich im Ausland erworbener Studienleistungen, Hochschulabschlüsse und Grade ausschließlich Angelegenheit der einzelnen Hochschulen, wie zum Beispiel in Großbritannien und den USA (ebd.). Nach Dolezal ist für die Realisierung und Durchführung bilateraler 83 Siehe zu der Definition und die regionalen Konventionen UNESCO (o. J.) 168 Abkommen „die Haltung und der Status der Hochschulen in den einzelnen Staaten von erheblicher Bedeutung“ (ebd.). Im Unterschied zu der multilateralen Konvention ist die bilaterale Vereinbarung zwischen den Hochschulpartnern und den Regierungen abzuschließen. c) Vereinbarungen zwischen Hochschulen (institutionelle Ebene). Die Vereinbarungen zwischen den Hochschulen beziehen sich zum Teil auf einzelne Studiengänge und Studiensituationen (ebd.). Das bedeutet, dass die Hochschulen in eigenmächtiger Entscheidung Abmachungen zur gegenseitigen Anerkennung von Studienleistungen und -abschlüssen treffen. Im Weiteren sollen die Anerkennungsvereinbarungen in der Region Europa dargestellt werden. 2.2 Die Gestaltung der Anerkennungsvereinbarungen in Europa In Europa ist UNESCO ein aktiver Förderer der verbindlichen Regelungen zur Verbesserung der gegenseitigen Anerkennung von Qualifikationen. Die Funktion des Europarats bei der Gestaltung der Anerkennungskonventionen auf der europäischen Ebene wird als Motor dargestellt (Dolezal 1992: 5). Ferner ist die Europäische Gemeinschaft bzw. ab 1993 die Europäische Union durch verschiedene Programme und Regelungen aktiv an der Gestaltung der Anerkennungsverbesserungen beteiligt. Bereits Anfang der 50er Jahre gehörten die hochschulischen Anerkennungsfragen zum aktiven Politikfeld des Europarats (Teichler 2003a: 319). Drei Konventionen wurden verabschiedet, die von der überwiegenden Mehrheit der Mitgliedsländer der EWG bzw. EU ratifiziert wurden (ebd.):  „European Convention on the Equivalence of Diplomas Leading to Admission to Universities“ (1953) Die Unterzeichner dieses Abkommens verpflichteten sich 1953 zu Folgendem: „The convention provides that each signatory ‚shall recognize for the purpose of admission to the universities situated in its territory, admission to which is subject to State con- trol, the equivalence of those diplomas awarded in the territory of each other Contract- ing Party which constitute a requisite qualification for admission to similar institutions in the country in which these diplomas were awarded‚'“ (ebd.). Damit gewährten die Unterzeichnerstaaten Inländern und Ausländern die gleichen Zugangsbedingungen zum Studium. Insgesamt wurde die Umsetzung der Konvention als erfolgreich 169 bewertet. Einigung fanden die gemeinsamen Erklärungen, die im Rahmen des Europarats in den Jahren 1974 und 1989 vereinbart wurden, die eine differenziertere Anwendung der Konvention ermöglichen. Der Grund für Erklärungen lag in den veränderten Bedingungen der Unterzeichnerstaaten. In der Praxis sah es so aus, dass die Studienbewerber aus dem Ausland zu dem Nachweis des heimatlichen Sekundarschulabschlusses zusätzliche Anforderungen zu erfüllen hatten (Dolezal 1992: 10).  „European Convention on the Equivalence of Periods of Study“ Die Konvention von 1956 über die Gleichwertigkeit der Studienzeiten an den eu- ropäischen Universitäten sah Folgendes für die Unterzeichner vor: „(...) shall recognize a period of study spent by a student of modern languages in another member country of the Council of Europe as equivalent to a similar period spent in his home university provided that the authorities of the first-mentioned university have issued to such a student a certificate attesting that he has completed the said period of study to their satisfaction“ (Teichler 2003a: 319). Die Einschränkung auf die modernen Sprachen wurde mit der Zeit ausgeweitet, so dass die Konvention von 1990 alle Bereiche des Studiums umfasste (übersetzt, ebd.). Diese Konvention wurde von Belgien, Dänemark, Deutschland, der damaligen CSFR, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Island, Italien, Jugoslawien, Liechtenstein, Luxemburg, Malta, den Niederlanden, Norwegen, Österreich, Portugal, Schweden, der Schweiz, Slowenien, Spanien, der Türkei und Zypern ratifiziert (Dolezal 1992: 10).  „European Convention on the Academic Recognition of University Qualifications“ (1959) Hierbei handelt es sich um eine Konvention, die den folgenden Rahmen für die Unter- zeichner vorsah: „ (...) shall grant academic recognition to university qualifications conferred by a university situated in the territory of another contracting party“ (Teichler 2003a: 319). Diese Anerkennung führt zu folgender Berechtigung: „(a) to pursue further university studies and sit for academic examination on completion of such studies with a view to proceeding to a further degree, including that of a doctorate, on the same conditions as those applicable to nationals of the Contracting Party, where admission to such studies and examinations depends upon the possession of similar national university qualifica- tion; (b) to use an academic title conferred by a foreign university, accompanied by an indication of its origin“ (Teichler 2003a: 320). 170 Obwohl die Reichweite dieser Konventionen durch die Unterzeichnung von präziseren bilateralen Vereinbarungen nachgelassen hat, werden sie als bedeutendste erste Schritte zur Anerkennung von Studienleistungen in Europa angesehen (Teichler 2003a: 319).84 2.2.1 Beitrag des Europarats und der EU-Kommission zur Verbesserung der Anerkennungsfragen Die ersten Initiativen der EWG waren Vereinbarungen in dem Bereich der sektoralen Richtlinien, die sich auf einzelne Berufe beschränkten, und die auf Folgendes aufbauten: „Prinzip der (Teil-)Harmonisierung oder der Etablierung von Minimal- Standards der Ausbildung innerhalb der Studienkurse, die zu der entsprechenden beruflichen Endqualifizierung führen“ (Dalichow 1999: 28). Im Jahre 1976 wurde dies für den Beruf der Ärzte eingeführt Erst im Jahre 1985 wurde durch die Einführung der Richtlinien für die Architekten ein entscheidender Grundhaltungswandel zu der Frage der Gleichwertigkeit eingeschlagen. Das Prinzip des gegenseitigen Vertrauens („mutual trust and confidence“) wurde als Leitprinzip verankert (ebd.). Dies bedeutete, dass ein Hochschulabsolvent mit einem in einem EWG-Land erworbenen berufsqualifizierenden Abschlussdiplom die Berechtigung hatte, in einem EG/EU-Land als Angestellter oder als freier Architekt zu arbeiten (ebd.). Die EG bzw. die Europäische Union hat im Bereich der Bildung und somit auch bei der Gestaltung der Vertrauensfrage der akademischen Anerkennung durch das fehlende Mandat eine Politik durch die Hintertür oder der freiwilligen Integration in einen Prozess der Harmonisierung eingeleitet. Folgende hochschulpolitischen Handlungen ab Mitte der 1970er Jahre der EG und später der EU führten zur Entwicklung auf dem Gebiet der „Vergleichbarkeit von Studiengängen und -abschlüssen in Europa für akademische Zwecke“ (Dalichow 1999: 29):  Förderung der multilateralen Hochschulkooperation innerhalb der EG seit 1975;  Joint Study Programme (JSP);  Short Study Visits (SSV);  Aufbau von Nationalen Informationszentren für die akademische Anerkennung (National Academic Recognition Information Centres (NARIC)) ab 1984 (wird im Kapitel 2.3.1 in diesem Teil ausgeführt); 84 Hier sei auf die heute hinfällige „Prager Konvention“ verwiesen, die im Jahre 1972 geschlossen wurde. Ihr gehörten damals die früheren sogenannten sozialistischen Staaten Osteuropas und einige wenige europäische Staaten an. Die „Prager Konvention“ war eine Konvention über die gegenseitige Anerkennung der Gleichwertigkeit der Abschlusszeugnisse von Oberschulen, Fachschulen und Hochschulen sowie der Dokumente über die Verleihung von akademischen Graden und Titeln (Dolezal 1992: 9). 171  europäische Mobilitäts- und Austauschprogramme (ERASMUS ab 1987 und ab 1995 SOKRATES);  Tuning-Programm der EU.85 Mit diesen Programmen wurden die ersten Schritte zur „Herstellung von Transparenz“ der europäischen Hochschulstrukturen geleistet. Das gegenseitige Kennenlernen von Institutionen, Professoren und Bildungsexperten führte zum Abbau von Vorurteilen und zur Herstellung von Vertrauen durch Kooperationen (Dalichow 1999: 30). Ein weiterer Schritt wurde von den EU-Mitgliedsländern im Jahre 1992 im Rahmen des Maastrichter Vertrags entschieden. Im Artikel 126 wurde das gemeinsame Ziel zur Förderung der Mobilität von Lernenden und Lehrenden durch die Förderung der akademischen Anerkennung der Diplome und Studienzeiten vereinbart (Hahn 2004: 39). Einen Meilenstein bei den multilateralen Anerkennungskonventionen erzielte der Europarat in Zusammenarbeit mit der UNESCO mit der Lissabon-Konvention im Jahre 1997, die im Folgenden dargestellt wird. 2.2.2 Die Lissabon-Konvention Nach einer fünfjährigen Vorbereitungszeit leistete die Unterzeichnung des „Convention on the Recognition of Qualification Concerning Higher Education in the European Region“ einen bedeutenden Schritt bei den multilateralen Konventionen. Im Jahre 1997, unter der Schirmherrschaft des Europarats und der UNESCO,86 einigten sich die Unterzeichnerstaaten in Lissabon auf die allgemein verbindliche Regelung, die „gegenwärtige Anerkennungspraxis“ zu verbessern und den weiteren Rahmen mitzugestalten (Wilson/Vlàsceanu o. J.). Diese Absichtserklärung ist keine rechtsverbindliche Richtlinie, aber die Unterzeichner intendierten eine gemeinsame Gestaltung der akademischen Anerkennung in der Region Europa. Nach Van Damme et al. ersetzt die Lissabon-Konvention alle früheren Konventionen (Van Damme et al. 2004: 96). Nach Rauhvargers hätten alle vorherigen Konventionen die „Äquivalenz“ von Qualifikationen angestrebt und versucht, unterschiedliche Hochschulsysteme zwischen den Ländern und innerhalb eines Landes zu vergleichen (Rauhvargers 2003: 62). Dies sei auch der Grund, warum die Lissabon-Konvention von „Anerkennung“ und „Äquivalenz“ ausgehen würde (ebd.). Rauhvargers folgert weiter: 85 Siehe für weitere Informationen Internet: URL: http://www.relint.deusto.es/TUNINGProject/index.htm [Stand 8.12.2004]. 86 Seit über 50 Jahren ist die UNESCO in der Mobilität und Anerkennung von Studienabschlüssen aktiv. Durch Veröffentlichungen wie „Studies on International Equivalencies of Degrees oder World Guide to Higher Education“ trägt die UNESCO zur Informationsverbreitung bei. 172 „When signing and ratifying the Lisbon Convention, a state has to fully agree to the principle, that it will have to recognize a foreign qualification of the same level, even if it has not been earned in exactly the same way unless a substantial difference can be demonstrated between the foreign and the appropriate host country qualification“ (ebd.). Teichler beschreibt die Lissabon-Konvention im Vergleich zu den bisherigen multilateralen Konventionen als eine Konvention mit anspruchsvolleren Ambitionen und der verstärkten Spezifizierung im Hinblick auf die Implementation der Anerkennung (Teichler 2003a: 319). Tatsächlich greift die Lissabon-Konvention folgende Bereiche und spezifiziert diese in Bezug auf die Umsetzung in den Unterzeichnerländern. Diese Bereiche sind:  die Hochschulzulassung,  Zuständigkeit der Behörden,  wesentliche Grundsätze in Bezug auf die Bewertung von Qualifikationen,  die Anerkennung der Studienzeiten,  die Anerkennung von Hochschulqualifikationen,  Anerkennung von Qualifikationen, die Flüchtlinge, Vertriebene und den Flüchtlingen gleichgestellte Personen innehaben,  Informationen über die Bewertung von Hochschuleinrichtungen und - programmen sowie  die Einrichtung von nationalen Informationszentren (ENIC) oder die Verwendung des Anhangs zum Diplom (Diploma Supplement) (ENIC und DS werden in Kapitel 2.3 dieses Teils ausgeführt).87 Über 45 Länder haben die Konvention unterzeichnet und einige davon haben sie bereits ratifiziert. Neben den Ländern der EU gehören überwiegend die ost- und mitteleuropäischen Länder zu den Unterzeichnerstaaten, aber auch die USA und Kanada (Stand von November 2004). Die Türkei hat am 1. Dezember 2004 die Konvention unterzeichnet, aber die Ratifizierung durch das Parlament steht noch aus. Untersuchungen zur Umsetzung der Konvention liegen bislang nicht vor, dennoch nehmen die EU und der Bologna-Prozess Bezug auf die Konvention und sehen sie als einen Referenzrahmen für weitere Handlungen im Bereich der Anerkennung. Ein wesentliches Beispiel dafür ist, dass im Rahmen des Bologna Prozesses- working parties zum Themengebiet der Anerkennung abgehalten wurden sowie die 87 Übereinkommen über die Anerkennung von Qualifikationen im Hochschulbereich in der europäischen Region. Lissabon, 11.IV.1997 (Stand August 1997). 173 Zusammenlegung der Informationszentren ENIC und NARIC vorgeschlagen und umgesetzt wurde. Weitere positive Impulse von Lissabon sind in der Gestaltung der Transnational Education, ein Portal für grenzüberschreitende Bildungsangebote, insbesondere Hochschul- und Weiterbildungsbereiche, wiederzufinden. Die Lissabon-Konvention bietet für verschiedene Länder die Möglichkeit, an einem Prozess teilzunehmen, der für ihre Studierenden und für die Auslandsstudierenden die Durchlässigkeit, die Transparenz und die Flexibilität ihrer eigenen Systeme aufzeigt. Außerdem bietet die Konvention einen größeren Rahmen für weitere bilaterale Anerkennungsvereinbarungen. D. h., die Unterzeichnerländer der Konvention haben die Möglichkeit bilaterale Vereinbarungen einzugehen, die gegenseitig weitere Rechte und Pflichten einräumen. Sicherlich ist der Erfolg der Lissabon-Konvention davon abhängig, inwieweit diese als Referenzrahmen genutzt wird. Das bedeutet die vermehrte Vernetzung und die Einbeziehung der Konvention in diverse supranationale hochschulpolitische Handlungen. Das Besondere an der Lissabon-Konvention wird von Van Damme et al. hervorge- hoben: „Mutual trust in each others‘ higher education system and information became the key elements of the new system of recognition of qualifications“ (Van Damme et al. 2004: 96). Im Trends III wird Folgendes zur Anerkennung resümiert: „Erst weniger als die Hälfte der Bologna-Länder hat die Lissabon-Konvention ratifiziert. Mehr als die Hälfte der Hochschulangehörigen scheinen die Lissabon- Konvention allerdings kaum oder gar nicht zu kennen, auch ist die Zusammenarbeit mit den nationalen Anerkennungszentren (ENIC/NARIC) in vielen Ländern deutlich verbesserungsbedürftig. So verwundert es nicht, dass sich fast 90% der Studierenden nach Auslandsstudienaufenthalten mit Anerkennungsproblemen konfrontiert sehen, da viele Hochschulen noch nicht über institutionalisierte Anerkennungsverfahren zu verfügen scheinen“ (Reichert/Tauch 2003: 24). Die vereinende Eigenschaft der Konvention bringt einerseits tatsächlich die nationalen Hochschulsysteme aneinander näher, aber auf der anderen Seite sollen die Hochschulen im Zuge der Europäisierung miteinander in Konkurrenz treten, was zuerst einen Widerspruch darstellt (siehe dazu Resümee). 174 2.3 Instrumente für die Anerkennungspraxis in Europa Der formale Rahmen der Anerkennung auf der europäischen Ebene, wie oben erwähnt, wurde durch die Einrichtung von Anerkennungsinstrumenten zugänglicher und umsetzbarer gemacht. Das „European Network of Information Centres“ (ENIC) und das Informationsnetzwerk „National Academic Recognition Information Centres“ (NARIC) sind die wichtigsten Institutionen zum Sammeln und Verbreiten von Informationen über die nationalen Hochschulsysteme. Außerdem wurden durch die Impulse aus den Mobilitätsprogrammen der EU Instrumente zum Transfer von Studienleistungen und zur Anerkennung der Abschlüsse das European Community Credit Transfer System (ECTS) und das Diploma Supplement entwickelt und auch vom Bologna-Prozess übernommen. 2.3.1 Netzwerke zur Koordination von Gleichwertigkeitsabkommen: NARIC/ENIC Seit 1984 ist das Netzwerk zur nationalen akademischen Anerkennung NARIC für die Verbesserung des Informationsaustauschs in den Nationalstaaten zuständig. Dieses Netzwerk wurde von der Europäischen Kommission mit dem Ziel etabliert, die „Probleme bei der akademischen Anerkennung innerhalb der EU [und EFTA-Ländern, Assoziierten Mitgliedern von Zentral- und Osteuropa und Zypern] zu minimieren und abzubauen“ (Dalichow 1999: 30). Als ein Teil der SOKRATES/ERASMUS- Programme stimuliert das Netzwerk die Mobilität der Studierenden und Wissenschaftler innerhalb der Hochschulinstitutionen. Diese Dienstleistung, die von den Nationalstaaten bereitgestellt wird, wird überwiegend von Hochschulinstitutionen, Studenten und ihren Betreuern, Eltern, Lehrern und zukünftigen Berufseinsteigern genutzt. Das europäische Netzwerk ENIC88 ist eine Gründung von Europarat und UNESCO zur Durchführung und zur Entwicklung von politischen und praktischen Verfahren der Anerkennung von Qualifikationen im Rahmen der Lissabon-Konvention. Wie bereits erwähnt, wurden ENIC und NARIC seit der Berliner Konferenz des Bologna-Prozesses zusammengelegt. Diese Netzwerke der nationalen Informationsstellen sind ein Teil der Europäischen Kultur Konvention der UNESCO – Region Europa. ENIC ist eine nationale Einrichtung, die in den spezifischen Zuständigkeiten variieren kann, aber von der Konzeption her verpflichtet ist folgende Informationen bereitzustellen: 88 Siehe für die folgenden Informationen enic-naric.net (o. J.). 175  the recognition of foreign diplomas, degrees and other qualifications;  education systems in both foreign countries and the ENIC’s own country;  opportunities for studying abroad, including information on loans and scholar- ships, as well as advise on practical questions related to mobility and equiva- lence.89 ENIC und NARIC beteiligen sich am Bologna-Prozess durch die Organisation „Working Party“, die sich mit den aktuellen Fragen zur Anerkennung im Bologna- Prozess befasst. In einem abschließenden Bericht haben die Vertreter der Netzwerke das Treffen von Salamanca und Prag ausgewertet sowie Empfehlungen formuliert. Vorteilhaft erweist sich in dieser Form der Zusammenarbeit, dass der Informationsfluss von den Nationalstellen zu den Zentren (ENIC/NARIC) nicht unterbrochen wird. So ist das Sammeln und Weitergeben von Informationen mit der Zeit in groben Zügen standardisierbar. Die Steigerung der Transparenz von Strukturen und Verfahren kann erzielt werden. Ein Expertenkreis von nationalen und supranationalen Organisationen hat die Option, gemeinsame Ziele zu definieren und diese umzusetzen. Dazu Rauhvargers: „ENIC/NARIC centres have a huge experience and knowledge in foreign educa- tion systems, therefore, they are able to locate the qualification in question within the national education system of the country where the qualification has been issued and then further to assess if the qualification is suitable for the pur- pose for which recognition is sought. Although in most countries, the ENIC/NARIC statement is officially a recommendation, most countries report that universities usually follow this recommendation“ (Rauhvargers 2003: 30f.). Die Vereinbarungen von multilateralen Anerkennungskonventionen erforderten von den Unterzeichnerstaaten gemeinsam definierte Verfahrensrichtlinien bei den Anerkennungsfragen in Europa. Die Bereitstellung der Informationen über die nationalen Hochschulsysteme leistete NARIC. Was noch fehlte, waren Instrumente zur Umsetzung von rechtlichen Vereinbarungen. So wurden im Auftrag von supranationalen Organisationen wie EU und UNESCO „technische Hilfsmittel“ entworfen, die mit der Zeit weiterentwickelt und weit verbreitet wurden. Die gängigen Anerkennungsinstrumente in Europa sind das ECTS und das Diploma Supplement. Im Folgenden wird die Entwicklung und Verbreitung des European Credit Transfer System (ECTS) dargestellt. 89 ebd. 176 2.3.2 DAS ECTS Die Entwicklung des European Credit Transfer System (ECTS) begann im Auftrag der Europäischen Kommission im Jahre 1985. Der Auftrag an eine Expertengruppe – unter der Leitung von Fritz Dalichow – war, ein System zum Transfer und zur Anerkennung von Studienleistungen innerhalb Europas zu entwickeln (Hahn 2004: 218). Im Jahre 1987 wurde das Kredittransfersystem in das ERASMUS-Programm mit der Hoffnung auf Erleichterung und Unterstützung der Anerkennung von Studien- und Prüfungsleistungen integriert (ebd.). Sinn und Funktion der Einführung von ECTS ist, mehr Transparenz zu schaffen, Brücken zwischen den Hochschulen zu schlagen und den Studierenden ein größeres und interessanteres Studienangebot zu ermöglichen. Mit Hilfe der für das ECTS-System gemeinsam vereinbarten Bewertungsmittel (Anrechnungspunkte und Noten) können die Hochschulen die im Ausland erbrachten Studienleistungen wesentlich leichter anerkennen. Darüber hinaus ermöglicht das ECTS-System ein besseres Verständnis der nationalen Bewertungsmethoden und bietet den Studierenden die Möglichkeit, Leistungspunkte zu akkumulieren, d. h. Leistungen langfristig zu sammeln und jeder Zeit in einem anderen europäischen Land einzusetzen (vgl. Rehburg 2002: 4). Eine weitere Eigenschaft des ECTS wird von Dalichow genannt: „Während sich eine Anrechnung von größeren und amorphen Studienblöcken international als problematisch erwiesen hatte, versucht ECTS mit Erfolg, diese Blöcke aufzubrechen in kleine, überschaubare und transparente Teileinheiten“ (Dalichow 1999: 32). Nach Dalichow wurde das „ECTS auf die Basis, [des] sich gegenseitigen Kennens und Vertrauens („mutual trust and confidence“) gestellt“ (Dalichow 1999: 31). Drei Schlüsseldokumente werden bei der Umsetzung dieser Prinzipien verwendet, die von den Partnerhochschulen erstellt werden müssen. Jedes Dokument sollte in englischer Sprache verfasst werden bzw. auch auf Englisch vorliegen (Rehburg 2002: 4).  Informationspaket (Information Package): Dieses wird von der Hochschule auf zentraler Ebene erstellt. Es enthält ausführliche Informationen über die Hochschule und den Hochschulstandort, die Fakultäten und Fachbereiche sowie über die Organisation und den Aufbau der Studiengänge.  Studienabkommen (Learning Agreement): Hier werden das an der Partnerhochschule zu absolvierende Studienprogramm und die Anzahl der bei erfolgreichem Abschluss zu erzielenden Credits verbindlich festgelegt. Diese 177 Vereinbarung gilt für die Heimathochschule, die Gasthochschule und für den Studierenden selbst.  Abschrift der Studiendaten (Transcript of Records): Die Studienleistungen des/der Studierenden sollen hier in leicht verständlicher und umfassender Form aufgeführt sein. Für jeden Kurs werden die Anzahl der Credits und die Bewertung lokaler Notenskala und laut ECTS-Bewertungsskala (s. u.) dokumentiert. Die Einführung von ECTS eröffnet nach Gehmlich folgende Perspektiven:  Vordiplome werden überflüssig und durch mehrere Abschlusszertifikate am Ende von Lernstufen ersetzt.  Institutionelle Studienprogramme werden abgeschafft. An ihre Stelle treten „individualisierte“ Studienprogramme, nicht im Sinne eines „Cafeteria-Prinzips“, sehr wohl als „Menue-System“. (Das „Cafeteria-Prinzip“ bezeichnet die willkürliche Auswahl der Lerneinheiten, „systematische Zusammenhänge wären rein zufällig“ (Gehmlich 20003: 43). Das „Menue-System“ wird in Fällen verwendet, in denen die Studierenden ihre Lerneinheiten unter Beratung und Betreuung von Lehrenden zusammenstellen, sodass ein sinnvolles, durchaus individuelles Profil entsteht, das z. B. Interessen, Neigungen, Vorwissen, Marktentwicklungen aufnehmen kann (ebd.).  Die Hochschulbereiche in Ländern, die die Bologna-Erklärung unterzeichnen, werden zusammenwachsen. Das Begleiten und Betreuen von Studierenden wird stark im Vordergrund stehen, da sich mehr und mehr ein selbst gesteuertes Lernen entwickeln wird (ebd.). Eine Reihe von Vorteilen ergeben sich durch das ETCS für die Studierenden – nach Rehburg: die Studien- und Prüfungsordnungen werden überschaubar, das Studium wird durch das Berechnungssystem besser planbar, der studentische Arbeitsaufwand wird mitberücksichtigt (Rehburg 2002: 12). Dies führt laut Rehburg dazu, dass „Lehrende sich Gedanken darüber machen müssen, wie viel Arbeit tatsächlich in einer von ihnen gestellten Aufgabe steckt“. So wird das Studium studierbar (ebd.). Ferner wird der „Unterschied zwischen Beleg-, Teilnahme- und Scheinpflicht“ wegfallen und „jede Lehreinheit mit bestimmter Anzahl von Credits verbunden“ sein und so „keine Trennung mehr in ‚Belegende‘ und ‚aus Interesse am Schein Mitarbeitende‘“ sich ergeben (ebd.). Außerdem bieten die „Credits als Währung“ für jeden Studierenden ein „Studienleistungskonto“, das sie jederzeit einsehen können und das nie im Minus steht (ebd.). Weitere Vorteile ergeben sich aus der allgemeinen Vergleichbarkeit von Studienleistungen, und „erfolgreich absolvierte Studienabschnitte werden national und 178 international anerkannt“. Der „Wechsel an eine andere Hochschule (In- oder Ausland) wird einfacher“ werden (ebd.). Kritisiert wird an dem ECTS, dass der studentische Arbeitsaufwand nicht „praktisch“, sondern theoretisch berechnet werde und dadurch der reale Aufwand unterschätzt würde (ebd.). Ferner würde das Studium aus Zeitgründen nur noch auf das Allernötigste reduziert und Veranstaltungen nicht mehr aus Interesse besucht werden (ebd.). Nach Rehburg gibt das ECTS klare Vorgaben für Studienleistungen, dies würde zur Unselbständigkeitserziehung führen (ebd.). Somit hätten die Studierenden „weniger Gelegenheit, sich selbst in ein Studium hineinzufinden und dieses ‚Sich-Einarbeiten‘ als eigene Leistung und eigene Qualifikation zu verbuchen“ (ebd.). Rehburgs Kritik ist aus der Sicht der Studierenden, die eine Hochschulzugangsberechtigung in Deutschland erworben haben, zuzustimmen, aber aus der Sicht der Studierenden, die aus dem Ausland kommen, sind dies die größten Hindernisse während des Studiums in Deutschland. Die Studierenden müssen die deutsche Sprache erwerben oder auch ausbauen und sich außerdem in einem sehr offenen Studiensystem mit wenig Beratungsmöglichkeiten zurecht finden. In Anbetracht der Studiengebühren für Langzeitstudierende in einigen Bundesländern, stehen die Studierenden aus dem Ausland vor einem extremen Leistungsdruck. 2.3.3 Das Diploma Supplement Bereits 1988 entwickelte das Europäische Zentrum für Höhere Studien (CEPES), eine Institution der UNESCO, ein Zusatzdokument zu den Hochschulabschlüssen – das „Diploma Supplement“ (Dalichow 1999: 34). Lange Zeit wurde über die Vergabe eines Zusatzdokumentes, das „neben dem Diplom/Magister etc.-Abschluss eine bündige Beschreibung des Studiums für die Arbeitgeber leistet“, in der EG und später bei der EU diskutiert (Bienefeld 2000: 51). Erst 1996 hat der Ministerrat der EU das Projekt „Diploma Supplement“ aufgegriffen und gefördert. Das englischsprachige Zusatzdokument wurde nach der Probephase im Jahre 1997/98 durch die EU- Kommission, den Europarat, UNESCO und CEPES modifiziert und gemeinsam von Europarat und UNESCO in der „Lissabonner-Konvention“ verabschiedet (ebd.). Das Diploma Supplement gibt in standardisierter Form Informationen über das nationale Hochschulsystem, eine Beschreibung des Hochschulabschlusses (Art und Ebene des Abschlusses), Studiengangsstruktur, Studienanforderungen und -inhalte, Studienverlauf sowie eine detaillierte Leistungsauflistung (Hahn 2004: 222). Weiterhin 179 ist mit diesem Abschluss-Zusatzdokument beabsichtigt, die Transparenz über die erworbenen akademischen oder beruflichen arbeitsmarktrelevanten Qualifikationen und Zugangsberechtigungen der europäischen „Bürger“ zu schaffen bzw. zu steigern sowie die internationale Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Hochschulsystems zu fördern (Gemeinsamer Bericht von KMK, HRK und BMBF 2002: 1). Nach Reichert und Tauch sei die schnelle Einführung des Diploma Supplement in den Bologna-Erklärungsländern bei den Arbeitgebern weitgehend unbekannt (Reichert und Tauch 2003: 10). So wurde auf der Berliner Konferenz an Hochschulen und Arbeitgeber appelliert: „(...) die Anwendungsmöglichkeiten des Diploma Supplement voll auszuschöpfen, um Nutzen aus der größeren Transparenz und Flexibilität der Hochschulabschlüsse zu erzielen sowie die Beschäftigungschancen zu fördern und die akademische Anerkennung für weitere Studien zu erleichtern“ (Berlin Communiqué 2003). Außerdem sollen „alle Studierenden, die ab 2005 ihr Studium abschließen, das Diploma Supplement automatisch und gebührenfrei erhalten (...)“ (Berlin Communiqué 2003). Folgende Informationen – eine Zusammenstellung von Rehburg – wurden für das Diploma Supplement vereinbart:  Angaben zur Identität des/der betreffenden Absolventen/Absolventin;  Informationen zur Art der erworbenen Qualifikation;  Informationen zum Level der erworbenen Qualifikation;  Informationen zu Studieninhalten und Studienergebnissen; hierfür kann, sofern ECTS verwendet wird, auf die Studienabschriften (Transcript of Records) der verschiedenen Semester zurückgegriffen werden;  Informationen dazu, was die erworbene Qualifikation ermöglicht (Funktion der Qualifikation);  zusätzliche Informationen;  Echtheitsbescheinigung des Diploma Supplement;  Informationen zum nationalen Hochschulsystem; diese werden vom jeweiligen National Academic Recognition Information Center (NARIC) zur Verfügung gestellt, in Deutschland repräsentiert durch eine Abteilung der Kultusministerkonferenz (KMK) (Rehburg 2002: 11). Derzeit gibt es keine genaueren Untersuchungen über die Wirkungsanalyse zu Diploma Supplements. Rehburg sieht in der Einführung des Diploma Supplement Chancen, aber auch Risiken (Rehburg 2002: 13). Die Chancen bestünden darin, dass das Abschlusszeugnis durch „die präzise Beschreibung des Studienprogramms besser zu 180 verstehen“ sei und die Leistungen der Studierenden könnten „durch die objektive Beschreibung des Studiums gerecht beurteilt werden“. Außerdem würde dadurch ein Vergleich von Studienleistungen mit denen anderer Studierender erleichtert (ebd.). Beim letzten Punkt sieht Rehburg die einfachere Zuordnung von Studienleistungen auf nationaler und internationaler Ebene (ebd.). Ferner werde dadurch der „Zugang zu weiterführenden Studiengängen und zum Arbeitsmarkt (...) national und international“ erleichtert und dieses würde die Mobilität von Studierenden und Absolventen fördern (ebd.). Für nachteilig hält Rehburg, dass jede „Einzelleistung“, alle Stärken und Schwächen der Studierenden dokumentiert werden (ebd.). Ferner würde „[a]lles, was über die rein quantitative Bemessung von Studienleistungen hinausgeh[e], etwa die persönlichen Lebensumstände in der Studienzeit oder besonderes Engagement“ keinen Raum finden im Dipolma Supplement (ebd.). Das führe dazu, dass „[a]lles, was nicht in einen stringenten gestrafften Studienplan passt, erscheint überflüssig“ zu sein (ebd.). Aus der Perspektive von ungleichen Partnern bedeutet die Vergabe des Diploma Supplement eine gewisse Transparenz über die Leistungen eines Hochschulabsolventen aus einem relativ unbekannten Hochschulsystem. Die vermehrte Transparenz führt aber nicht automatisch zur Verbesserung der Chancen auf dem europäischen Arbeitsmarkt. Die Beschäftigungspolitik richtet sich hauptsächlich nach dem Bedarf und nach dem internationalen Renommee der absolvierten Hochschule. Die rechtlichen Regelungen in Fragen der Anerkennung, wie im vorherigen Kapitel ausgeführt, bilden den Rahmen, in dem die Anerkennungspraxis sich abspielen soll. Die Anerkennungspraxis ist jedoch ein Feld, über das bisher wenig geforscht worden ist. Im Zuge des Bologna-Prozesses wird sich dies in nächster Zukunft sicherlich ändern. Dazu wird notwendig sein, genaue Informationen über die verschiedenen Anerkennungsverfahren und ihre Praxis in den jeweiligen Bologna-Ländern zu erhalten. Im Folgenden werden zwei unterschiedliche Anerkennungsverfahren in Bezug auf die Anerkennung von Hochschulleistungen – in Deutschland und in der Türkei – dargestellt.90 Analysiert werden soll, ob Veränderungen seit dem Bologna-Prozess in den genannten Ländern stattfinden, falls ja, wie diese im Europäisierungsprozess einzuordnen sind. 90 Da die Türkei im Studienjahr 2004/2005 in die Austauschprogramme integriert wurde, werden hier die Studienleistungen der Austauschstudenten nicht berücksichtigt. 181 2.4 Anerkennungsverfahren in Deutschland und der Türkei Einen allgemeinen Wandel in der Anerkennungspraxis verzeichnen die Autoren der Lissabon-Konvention. Sie verweisen darauf, dass früher bei einer Bewertung der ausländischen Qualifikationen „ein genauer Vergleich der Studienpläne und der Verzeichnisse der Studienmaterialien“, also im Sinne von Gleichwertigkeit, vorgenommen wurde (Europarat-UNESCO 1997: 4). Neuerdings stehe der „Vergleich der erworbenen Qualifikation“ im Vordergrund, also die „Anerkennung“ (ebd.). Nach den Verfassern der Lissabon-Konvention sei bei den „förmlichen internationalen Vorschriften die Tendenz deutlich geworden, die auf die Anerkennung ausländischer Qualifikationen anwendbaren Verfahren und Kriterien hervorzuheben, anstatt Grade und Diplome aufzulisten oder zu bestimmen, die aufgrund der Vorschrift anerkannt werden sollen“ (ebd.). Nach wie vor ist die Frage der Anerkennungsverfahren in erster Linie ein Bereich für die Praxis und somit den nationalstaatlichen Regelungen untergeordnet. In der Hochschulforschungsliteratur gibt es kaum empirische Untersuchungen zur Umsetzung und Anwendung der nationalstaatlichen Regelungen im Bereich der Anerkennung. Im Rahmen der SOKRATES/ERASMUS-Evaluation sind die Ergebnisse der Anerkennung von Studienleistungen untersucht worden (Maiworm/Teichler 1994 u. 2002). Dolezal versucht das Feld der Anerkennungspraxis zu systematisieren. Sie fasst die wichtigsten Aspekte, die für die Anerkennung von Bedeutung sind und die sie als „Leitgedanken für die Äquivalenzpraxis“91 formuliert, wie folgt zusammen (Dolezal 1996: 9ff): 1. Anforderungen an die Gleichwertigkeit; 2. Nicht mehr Rechte als im Heimatstaat; 3. Großzügigkeit und Flexibilität; 4. Hinreichende Informationen erforderlich. Zu 1): Unter „Anforderungen an die Gleichwertigkeit“ geht Dolezal von dem „Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens in die Qualität der nationalen Hochschulsysteme und -ausbildungen“ aus und folgert für die Nationalstaaten, „wenn sie ein nationales ‚Einmauern‘ vermeiden wollen“, sollten diese bereit sein, Hochschulleistungen und -abschlüsse zu akzeptieren, die in ihrem Land nicht „identisch“ sind, „wohl aber in der Regel Entsprechendes besteht“ (Dolezal 1996: 10). 91 Wie im Kapitel 2.1 in diesem Teil dargestellt, verwendeten einige Autoren die Bezeichnung „Äquivalenz“. 182 Die Gleichwertigkeit wird von Dolezal durch Nennung von Kriterien spezifiziert. Diese sind Dauer, Inhalt und Art der Ausbildung sowie Inhalt der Prüfungen (Dolezal 1992: 9). Durch die Einführung gestufter Studiengänge und die Entscheidung für die Bachelor- und Master-Studiengänge wird sich im europäischen Raum einiges vereinfachen. Relativ am Anfang der Studienstrukturreformen in Deutschland war in Abständen aus der Presse zu entnehmen, dass Großbritannien den deutschen Bachelor-Abschluss nicht vollwertig anerkennen wird. Dazu hat die Kultusministerkonferenz am 6. März 2003 in Berlin folgenden Beschluss gefasst: „Die Kultusministerkonferenz erklärt, dass sie die beim britischen Äquivalenzzentrum (UK – NARIC) bestehende Tendenz, im Rahmen der neuen deutschen Hochschulabschlüsse den deutschen Bachelorabschluss lediglich einem britischen ‚Ordinary Bachelor‘ zuzuordnen und den deutschen Mastergrad in Großbritannien nur auf der Ebene eines britischen Bachelorabschlusses (Bachelor Honours) anzuerkennen, für nicht gerechtfertigt hält. Diese Bewertung trägt den in Deutschland aufgrund eines wissenschaftlichen Studiums erworbenen wissenschaftlichen Qualifikationen nicht Rechnung. Die Kultusministerkonferenz erwartet eine sachgerechte Anerkennung der neuen deutschen Studienabschlüsse.“92 Hieran wird deutlich, dass die Frage der Anerkennungsregelung und -verfahren neben dem Öffnungsmechanismus zugleich auch ein Abschottungsmechanismus ist. Zu 2): Bei dem Punkt „Nicht mehr Rechte als im Heimatstaat“ steht im Vordergrund, dass die Studienbewerber, Studierende, Hochschulabsolventen sowie Wissenschaftler aus einem anderen Land nur die Rechte geltend machen können, die sie an ihrer Heimathochschule bzw. in ihren Herkunftsländern erworben haben (Dolezal 1996: 10). Das bedeutet, dass die Anerkennung auf der Grundlage der erworbenen Qualifikationsmaßstäbe im Herkunftsland stattfinden sollte. Zu 3): Nach Dolezal ist bei dem Punkt „Großzügigkeit und Flexibilität“ allein mit rechtlichen Regelungen, „allen Anerkennungsfällen (...) gerecht [zu] werden“, nicht möglich (ebd.). Dolezal ferner: „(...) oft wird es auf eine individuelle Bewertung vorgelegter Zeugnisse und Diplome ankommen“ (ebd.). Hier beschreibt Dolezal einen Prozess, der nicht bis zum kleinsten Nenner operationalisierbar ist und folgert: „Vor allem in den Fällen, in denen persönliche Einschätzungen und Bewertungen bei der Anerkennungspraxis eine Rolle spielen, sollte diese vom Prinzip größtmöglicher Großzügigkeit und Flexibilität bestimmt werden“ (Dolezal 1992: 8). Bei diesem Punkt ist besonders hervorzuheben, dass die nationalstaatlichen Regelungen in der Umsetzung 92 Vgl.: Internet: URL: http://www.kmk.org/aktuell/home.htm [Stand 10.03.2003]. 183 „mobilitätshemmende Begleitvorschriften in Kraft“ setzen können, „(...) um die eigenen Hochschulabsolventen vor ausländischer Konkurrenz zu schützen“ (ebd.). Den Punkt der Großzügigkeit beobachtet Kehm in der Umsetzung von ECTS. Zur Umsetzung folgert Kehm für die europäischen Hochschulen: „Beobachtbar war zunächst die Entwicklung einer Fülle von Instrumenten, Verfahren und Praktiken an den beteiligten Hochschulen. Zwar wurde behauptet, dass die jeweilige Handhabung ECTS-kompatibel oder an ECTS orientiert sei, doch gab es kaum systematische Zusammenhänge. Letztlich berief man sich auf das durch Kooperation mit den Partnerhochschulen entstandene wechselseitige Vertrauen und betonte die Großzügigkeit bei der Anrechnung bzw. wich auf ‚weiche Strategien‘ aus“ (Kehm 2001a: 83). Zu 4). Der letzte Punkt von Dolezal „Hinreichende Informationen erforderlich“ baut auf die eingeschränkte Wirkung, vom „guten Willen“ allein bei Anerkennungsentscheidungen auszugehen (Dolezal 1992: 8). Dolezal versteht bei diesem Punkt, dass die Personen, die einen Auslandsaufenthalt planen, und die „zuständigen Einrichtungen und Stellen, Berater und potentiellen Arbeitgeber“ genügend Informationen erhalten müssten (ebd.). Dieses wird zurzeit auf der europäischen Ebene durch die Netzwerke ENIC und NARIC gewährleistet (siehe Kapitel 2.3.1 in diesem Teil). Im Folgenden werden die nationalstaatlichen Regelungen dargestellt. Dazu dienen – in Anlehnung an Dolezal zusammengestellt – folgende Systematisierungen als Raster (Dolezal 1992):  Nationalstaatliche Regelungen: Hierbei gilt es in erster Linie festzustellen, wie in den Beispielländern die gesetzlichen Bestimmungen sind. Dazu gehört auch, die Frage nach der Einbindung an multilaterale und bilaterale Anerkennungskonventionen zu klären. Hier ist zu überprüfen, ob im Zuge der Europäisierung Anzeichen für Veränderungen im Anerkennungsverfahren (rechtlich) und in der Praxis vorliegen.  Bei der Frage der Zuständigkeiten der Länder geht es insbesondere darum, die Ämter, die für die Anerkennungsverfahren zuständig sind, auszumachen und diese zu beschreiben.  Der Vergleich der Anforderungsregelungen und -verfahren soll die Frage nach dem bürokratischen Aufwand und der Transparenz der Anerkennungspraxis in den jeweiligen Ländern aufzeigen.  Mit der Darstellung der Besonderheiten der jeweiligen Nationalstaaten sollen die unterschiedlichen Herangehensweisen an die Anerkennungspraxis aufgezeigt werden. Das Ziel ist, den Handlungsbedarf in den beiden Ländern zu bestimmen. 184 2.4.1 Anerkennungsregelung in Deutschland In Deutschland ist die Bundesregierung für die Unterzeichnung eines Abkommens zuständig. Für die Anerkennung und Anrechnung der Studienzeiten, Studienleistungen und Prüfungsleistungen93, die außerhalb Deutschlands erworben werden, sind die Hochschulen zuständig. Dazu dienen die Beschlüsse der Kultusministerkonferenz und der Hochschulrektorenkonferenz, die Äquivalenzvereinbarungen sowie Absprachen im Rahmen von Hochschulkooperationsvereinbarungen als Richtlinie (HRK o. J.a). Bei der Anerkennung und Anrechnung von Prüfungen sind die Vorgaben aus der Prüfungsordnung maßgeblich. Die Umsetzung dessen liegt bei den Hochschulen. Dazu Dolezal: „Bei den Hochschulen liegen weitgehend die Anerkennungsentscheidungen im Zusammenhang mit der Zulassung von Ausländern zum Studium und der Feststellung des ‚status academicus‘. Die Hochschulen handeln hier im Rahmen ihrer Autonomie und unterliegen insoweit keiner Fachaufsicht“ (Dolezal 1996: 7). Die Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen (ZAB), die bei der KMK angesiedelt ist, ist die zuständige Stelle für die Bewertung und Einstufung ausländischer Bildungsnachweise. Die Zentralstelle hat keine Entscheidungsbefugnis, aber sie berät und informiert z. B. die Ministerien, Behörden, Hochschulen und Gerichte. Bewertet werden die ausländischen Bildungsnachweise von individuellen Anträgen. Folgende Tätigkeiten führt die Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen (ZAB) aus (KMK o. J.):  auf Anfrage der zuständigen Stellen die ausländischen Bildungsnachweise zu bewerten;  allgemeine Äquivalenzgrundlagen und Einstufungsempfehlungen für ausländische Bildungsnachweise zu erstellen; diese Empfehlungen können gelegentlich den Charakter verbindlicher Regelungen erhalten, wenn sie durch eine gemeinsame Entschließung der Kultusministerkonferenz gebilligt werden; 93 Das Kultusministerkonferenz hat folgende Empfehlungen ausgeschrieben: Akademische Grade und Titel Genehmigungen zur Führung ausländischer Hochschulgrade (Beschluss der KMK vom 12.1.1999) Grundsätze für die Regelung der Führung ausländischer Hochschulgrade im Sinne einer gesetzlichen Allgemeingenehmigung durch einheitliche gesetzliche Bestimmungen (Beschluss der KMK vom 14.4.2000). Verleihung von Graden in postgradualen Studiengängen (Beschluss der KMK vom 1.2.2001) Vereinbarung der Länder in der Bundesrepublik Deutschland über begünstigende Regelungen gemäß Ziffer 4 der „Grundsätze für die Regelung der Führung ausländischer Hochschulgrade im Sinne einer gesetzlichen Allgemeingenehmigung durch einheitliche gesetzliche Bestimmungen" vom 14.4.2000 (Beschluss der KMK vom 21.9.2001). 185  Unterstützung der zuständigen Stellen bei der Vorbereitung bilateraler Abkommen mit den Regierungen ausländischer Staaten über die gegenseitige Anerkennung von Bildungsnachweisen;  allgemeine Informations- und Dokumentationstätigkeit im Hinblick auf ausländische Bildungssysteme;  Aufbau und Betrieb einer Datenbank zur Anerkennung ausländischer Bildungsnachweise. Im Rahmen der ZAB wurde das anabin (Akronym: Anerkennung und Bewertung ausländischer Bildungsnachweise) eingerichtet. Vergleichbar ist es mit einer Informationsdatenbank, die mit der ZAB zusammenarbeitet und Informationen für Interessierte bereitstellt.94 Die Grundidee dieser Datenbank ist, „ausländische Abschlusstypen und Hochschulabschlüsse einheitlich dar[zu]stellen und Informationen über die Äquivalenz (Gleichwertigkeit) der ausländischen Hochschulabschlüsse und akademischen Grade für die Verwaltung, Hochschulen, Wirtschaft und die Öffentlichkeit bereit[zu]stellen“.95 Neuerdings wird bei der Bewertung ausländischer Bildungsnachweise aus Staaten mit ausgebautem Akkreditierungssystem die Akkreditierung zugrunde gelegt. Deutschland hat das erste bilaterale Abkommen mit Frankreich im Jahre 1980 unterzeichnet. Seitdem folgten mehrere bilaterale Abkommen über die „Anerkennung von Gleichwertigkeiten im Hochschulbereich“, die mit anderen Staaten unterzeichnet wurden. Ein Abkommen mit einem anderen Land wird in Deutschland sowohl bei der Vorbereitung, Aushandlung und auch beim Inkrafttreten mit staatlichen Stellen – dem Bund und den Ländern – als auch mit der HRK als Vertreterin der Hochschulen vereinbart (HRK o. J.a: 4). Der Beschluss des Abkommens wird durch den Bund (Auswärtiges Amt) in Zustimmung mit den Ländern und der HRK unterzeichnet. Bei den Beschlüssen und Empfehlungen der KMK und der HRK werden die EU- Richtlinien verbindlich aufgenommen. Eine der neusten ist die „Anerkennung von Drittlandsdiplomen nach den Richtlinien der EU“ (Stand: Juni 2003).96 94 Beim Aufbau der Datenbank anabin waren das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst, die Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen und das Äquivalenzzentrum des österreichischen Bundesministeriums für Wissenschaft und Kultur sowie das Äquivalenzzentrum des Wissenschaftsministeriums Luxemburgs beteiligt (siehe anabin o. J.). 95 anabin o. J. 96 ebd. 186 Die Verbindlichkeit für die deutschen Hochschulen ergibt sich aus den Prüfungsordnungen der einzelnen Fächer. Zum Beispiel würde ein Hochschulabsolvent aus dem Land X im Fach Soziologie nach der Prüfungsordnung derjenigen Hochschule bewertet, an der er/sie sich bewirbt. Die Prüfungsordnung dieser Hochschule wurde in Anlehnung an die von der KMK und der HRK gemeinsam beschlossenen allgemeinen Bestimmungen (Diplom- und Magisterprüfungen, Rahmenordnungen) erlassen. Falls bilaterale Vereinbarungen zwischen dem Herkunftsland der Bewerber und Deutschland bestehen, so müssen auch diese beachtet werden. Die HRK fasst in einer Abbildung die Bedingungen bei bilateralen Abkommen über die „Anerkennung von Gleichwertigkeiten im Hochschulbereich mit anderen Staaten“ wie folgt zusammen: Abbildung 8: Anerkennung von Gleichwertigkeiten im Hochschulbereich mit anderen Staaten Geltungsbereich Hochschulen Zweck Fortsetzung des Studiums Weiteres Studium Promotion Führung von Graden und Titel Studienzeiten , Studienleistungen, Prüfungen Anerkennungen/... Einzelne Studienleistungen; Teilprüfungen Hochschul-Abschlüsse (Grade) (ggf. differenziert nach Hochschularten/Ebene) Form der Führung Antragstellung Fachliche „Einschlägigkeit“ Auflagen Allgemeine Bedingungen Besondere fachwissenschaftliche Anforderungen ggf. Antrag- stellung Quelle: HRK o. J.a: 6. Aus der Tabelle ist zu entnehmen, dass die Hochschulen für Anerkennungsfragen zur Fortsetzung des Studiums, zum Besuch eines weiteren Studiums oder zu einer Promotion sowie bei Führung von Graden und Titeln zuständig ist. Ferner kann die Führung von Graden und Titeln bilateral geregelt werden. Die Anerkennung von Studienzeiten kann einzelne Studienleistungen oder Teilprüfungen umfassen. Bei Studienleistungen und Prüfungen können dies Hochschulabschlüsse bzw. -grade sein. Die Antragstellung für Bewerber türkischer Herkunft erfolgt beim türkischen Hochschulrat. Dabei kann der Nachweis von fachlicher „Einschlägigkeit“ gefordert werden oder auch Auflagen z. B. bei besonderen fachwissenschaftlichen Anforderungen erteilt werden. Bei einem Antrag auf die Führung von Graden und Titeln kann bei der 187 Anerkennung über die Form der Führung entschieden werden. Dies stellt ein „Raster“ für ein bilaterales Abkommen dar. Bei der bisherigen Anerkennungspraxis in Deutschland wurden folgende methodische Ansätze beobachtet:  Bezug auf einzelne Qualifikationen;  Beschreibung einander entsprechender Studienabschnitte (Fortsetzung des Studiums, weitere Studien);  Abkommensregelungen;  „Listenverfahren“ (HRK o. J.a: 5). „Die Hochschulen, die nach den Kriterien eines Abkommens in seinen Geltungsbereich fallen, werden – mittlerweile in der Mehrzahl der Abkommen – in Listen dokumentiert. Dieses ‚Listenverfahren‘ hat sich sowohl konzeptionell als auch in praktischer Hinsicht als wenig sachdienlich (Aktualität, allgemeine Zugänglichkeit der Listen) erwiesen“ (HRK o. J.a: 7). Die neueren B.A./M.A.-Studiengänge in Deutschland bringen auf der Verfahrensebene (institutionelle Ebene) neue Anforderungen an die Anerkennungspraxis. Es ist anzunehmen, dass sich der Entscheidungsrahmen erweitert. Derzeit treffen die Fachbereiche die Wahl der Studierenden für die neueren Studiengänge vermehrt, und es scheint auch, dass in der Übergangsphase ein ungeklärter Freiraum für die Universitäten entsteht, ihre eigene Politik und Interessen durchzusetzen. 2.4.2 Anerkennungsregelung und -verfahren in der Türkei Das türkische Verfahren zur Anerkennung von ausländischen Hochschulleistungen und -abschlüssen ist hierarchisch organisiert. Die Kompetenzverteilung wird in der folgenden Abbildung aufgezeigt: 188 Abbildung 9: Anerkennung von ausländischen Hochschulzulassungen und - abschlüssen in der Türkei Hochschulzulassung Ausländische Hochschulabschlüsse Gesetzliche Bestimmung Verordnung zur „Anerkennung der ausländischen Hochschulabschlüsse“ (Yurtdı ı Yüksekö retim Diplomaları Denklik Yönetmeli i) Zuständigkeiten ÖSYM YÖK Bedingung Teilnahme an der englischsprachigen Aufnahmeprüfung und der Test zur Feststellung der türkischen Sprachkenntnisse Antrag auf Anerkennung an den YÖK zustellen Vorentscheidung Ständige Diplom Anerkennungskommission (Diploma Denklik Komisyonu) trifft die Vorentscheidung und gibt Empfehlungen an den Hochschulausbildungsverwaltungsrat (Yüksekö retim Yürütme Kurulu) ab. Entscheidungsfallende Instanz Hochschulausbildungsverwaltungsrat (Yüksekö retim Yürütme Kurulu) Eventuelle Auflagen für die Anerkennung müsste sich der Antragsteller einem zentralen zweistufigen Einstufungstest unterziehen, der von Seiten der ÖSYM durchgeführt wird. Eigene Zusammenstellung aus der genannten Literatur. Aufgrund der Zentralen Universitätsaufnahmeprüfung, wie im Kapitel 2.2, Teil II aufgezeigt, ist die Zentrale Zulassungsstelle ÖSYM für die Durchführung der türkischen Hochschulaufnahmeprüfung verantwortlich und somit auch für die Hochschulzulassungen von ausländischen Studierenden zuständig. D. h., ein ausländischer Studienbewerber, der ein Lise Diplomasi oder einen gleichwertigen Abschluss vorweisen kann, kann an der Universitätsaufnahmeprüfung für ausländische Studienbewerber teilnehmen. (Sie erfolgt in Englisch.) Zusätzlich müssen ausländische Studierende einen türkischen Sprachtest ablegen. Die gesetzlichen Bestimmungen für das Anerkennungsverfahren von ausländischen Diplomen in der Türkei wird nach den Studienstufen unterschieden, d. h. die Abschlüsse von einem Kurzzeitstudium, Langzeitstudium und vom Postgraduiertenstudium werden nach der Verordnung zur „Anerkennung der ausländischen Hochschulabschlüsse“ (Yurtdı ı Yüksekö retim Diplomaları Denklik 189 Yönetmeli i), die am 14. Juni 1996 in Anlehnung an das Hochschulgesetz von 1981 (Nr.: 2547) erlassen wurde, geregelt (YÖK 2003: 140). Dazu ist an die Zentrale des Hochschulrats ein Antrag auf Anerkennung zu stellen. Das Verfahren ist gesetzlich vorgeschrieben; es verläuft in mehreren Schritten (ebd.).97 Bei einem Anerkennungsverfahren von ausländischen Abschlüssen, d. h. von Abschlüssen, die an einer ausländischen Hochschule erworben wurden, trifft die Ständige Diplom-Anerkennungskommission (Diploma Denklik Komisyonu) die Vorentscheidung und gibt Empfehlungen an den Hochschulausbildungsverwaltungsrat (Yükseköretim Yürütme Kurulu). Dieser entscheidet über die Gleichwertigkeit des Abschlusses (ebd.). Die Anerkennungskommission setzt sich aus einem Vorsitzenden, der vom Hochschulausbildungsverwaltungsrat gestellt wird, und zwei Mitgliedern, die vom Obersten Rat des Nationalen Komitees (Milli Komiteler Üst Kurulu) vorgeschlagen werden, zusammen und wird vom Hochschulausbildungsverwaltungsrat ernannt. Die Kommission für Anerkennung kann beliebig viele weitere Kommissionen ernennen, diese sind der Kommission untergeordnet (ebd.). Die Kommission für Anerkennung kann einem Anerkennungsantrag ganz zustimmen – in diesem Falle würde die Gleichwertigkeit des Abschlusses anerkannt – oder auch Auflagen stellen. D. h., für die Anerkennung müsste sich der Antragsteller einem zentralen zweistufigen Einstufungstest unterziehen, der von Seiten der ÖSYM durchgeführt wird. Bei Lehrerberufen ist dies einstufig. In so einem Falle, hätte die Kommission eine Anrechnung von Studienleistungen vorgenommen. Zum Beispiel können bei einem abgeschlossenen vierjährigen Studium nur zwei Jahre angerechnet werden. Würde die Auflage zur Teilnahme an dem zentralen Einstufungstest gestellt und würde der Antragsteller die erste Stufe der Prüfung bestehen, aber die zweite nicht, so würde er/sie die Möglichkeit bekommen, einen Antrag auf die Vollendung eines vierjährigen Studiengangs zu stellen. Der Hochschulausbildungsverwaltungsrat würde in diesem Fall entscheiden, in welchem Fach und an welcher Universität der Antragsteller den Abschluss nachholen kann. In der Türkei sind die Kompetenzen im Anerkennungsbereich gebündelt. Das heißt, dass der Hochschulrat (YÖK in Ankara) für die Anerkennung zentral zuständig ist. Das 97 Die Anforderungen und Unterlagen für einen Antrag werden auf der Webseite von YÖK genau dokumentiert. Siehe Internet: URL: http://www.yok.gov.tr. [Stand Dezember 2005]. 190 ENIC-Türkei-Büro wurde auch unter Aufsicht von YÖK im Jahre 1998 eingerichtet. Das NARIC-Büro der Türkei wurde unter Beratung von YÖK im April 2003 gegründet; es stellt die Informationen über die türkischen Universitäten und über die ausländischen Hochschulen bereit. Das Anerkennungsinstrument Diploma Supplement soll ab dem Studienjahr 2004/2005 mit dem Diplom des Landes an alle Absolventen, kostenlos in englischer und/oder in türkischer Sprache vergeben werden (Länderbericht der Türkei 2005: 9).98 Eine Gegenüberstellung der Anerkennungsverfahren, im Folgenden, soll den Handlungsbedarf beider Verfahren analysieren. 2.4.3 Gegenüberstellung und Handlungsbedarf in beiden Ländern Die Darstellung von Anerkennungsverfahren in Deutschland und der Türkei verdeutlicht, wie unterschiedlich an die Frage der Anerkennung herangegangen wird. In Deutschland sind die hauptsächlichen Entscheidungsträger die Hochschulen selbst, die sich bei den individuellen Entscheidungen auf die Beschlüsse und Empfehlungen der KMK und der HRK beziehen können. In der Türkei ist, so wie in vielen Bereichen, laut Verordnung eine Kommission für die erste Überprüfung zuständig; sie spricht Empfehlungen aus und danach nimmt das Verfahren seinen bürokratischen Lauf. Bei der Suche nach empirischen Untersuchungen zu dem Thema in der Türkei ist zurzeit nichts vorzufinden. Für Deutschland gibt es im Rahmen der ERASMUS- Befragungen einige wenige Hinweise auf das Anerkennungsverfahren. Dazu resümiert Teichler: „(...) dass die deutschen Universitäten die Anerkennung des Auslandsstudiums niedriger halten, als es von den substantiellen Erträgen her erklärt werden kann“ (Teichler 1990a: 618). Außerdem Kehm: „Die über die Jahre durchgeführten Evaluationen – ERASMUS – hatten immer wieder deutlich gemacht, dass ausländische Studierende, die mit einem ERASMUS-Mobilitätszuschuss nach Deutschland kamen, über die mangelnde Transparenz der Studiengänge, die schlechte Betreuung, Anerkennungsprobleme und die Bürokratie der deutschen Behörden und Verwaltung geklagt hatten“ (Zitat aus Kehm 2001a: 70; Teichler et al. 1999) 98 Im Zuge der EU-Anpassung wurde im Dezember 2003 eine Arbeitsgruppe zur gegenseitigen Anerkennung von professionellen Berufen eingerichtet. Die Arbeitsgruppe hat ihre Arbeit mit einem Gesetzentwurf im Juni 2004 beendet und diesen bei der Europäischen Kommission zur Beratung eingereicht (Länderbericht der Türkei 2005: 9). 191 Ferner merkt Kehm zur Anerkennung an, dass die „Anerkennung (...) nur gewährt werden [kann], wenn Verfahren und Inhalte für denjenigen, der anerkennt, transparent sind“ (Kehm 2001: 192). Für beide Anerkennungsverfahren gilt, dass die Transparenz mehr oder weniger nicht gegeben sein kann, falls die Entscheidungsträger keine ausreichende Information über den zu entscheidenden Antrag vorliegen haben. Das türkische Verfahren ist durch den bürokratischen Kommissionsapparat, wo die Kriterien und Richtlinien der Entscheidungen nicht dokumentiert sind, noch weniger transparent als das deutsche Verfahren, dafür aber geübter in der Entscheidungsfindung. D. h. über alle Anträge wird zentral in einem Gremium beraten und werden Empfehlungen zur Entscheidungsfindung ausgesprochen. Im Falle steigender Mobilitätszahlen ist die Frage, wie die Kommission mit zunehmenden Anträgen umgehen wird? In der Zusammenarbeit zwischen den deutschen und den türkischen Hochschulen in den letzten Jahren wird über vermehrte Probleme bei der Anerkennung der Studienleistungen und Studienabschlüsse sowie bei der Promotionszulassung im jeweils anderen Land berichtet (HRK 12/1997: 9). Im Zuge der Internationalisierung der Hochschulen stellt sich für die Türkei die Frage, ob ein so bürokratisiertes Verfahren eher abschreckend auf ausländische Studierende wirkt und ob das Verfahren mit den Bologna-Vorstellungen kompatibel ist. Hierzu ergibt sich für beide Länder folgender Handlungsbedarf bei den Anerkennungsverfahren:  Das türkische Ausbildungsverfahren gilt – nach Schmidt (2002: 59) – als verschult (ein von traditionellem Auswendiglernen dominierter Lernstil). Dies ist nicht für alle Universitäten des Landes zutreffend, da die staatlichen Eliteuniversitäten und die privaten Stiftungsuniversitäten mit dem Label der „modernen bzw. zeitgenössischen Lehrmethoden“ werben und auch unterrichten. Hier ist eine differenziertere Unterscheidung von Hochschulleistungen bzw. - abschlüssen notwendig.  Möglich wäre über Anerkennungsinstanzen nachzudenken, deren Zuständigkeiten sich bei Anerkennung von Studienleistungen und Anerkennung für Hochschulabschlüsse unterscheiden. Denkbar wäre, dass die Studienleistungen viel schneller ein Anerkennungsverfahren durchlaufen und bürokratische Hürden minimiert werden. Die Anerkennung der 192 Hochschulabschlüsse könnte besser standardisiert und die Entscheidungskriterien auch transparenter gestaltet werden.  Die Entwicklung einer Kompatibilität der Anerkennungsverfahren auf der supranationalen Ebene im Rahmen des Bologna-Prozesses würde bedeuten, dass die Kriterien der Anerkennung auf der supranationalen Ebene abgesprochen und transparent gestaltet werden. Notwendig wäre auch zu klären, wie mit national unterschiedlichen Strukturen umzugehen ist. Ein aktuelles Beispiel ist, dass in Deutschland einem Bachelor-Abschluss, wie die Untersuchung von Schwarz und Rehburg zeigt, überwiegend eine Regelstudienzeit von sechs Semester vorausgeht, während in der Türkei jeder Bachelor-Abschluss erst nach acht Semestern erreicht wird (Schwarz/Rehburg 2004: 37).99 Bei den jetzigen Anerkennungsverfahren kommen die Fragen nach der Qualität der Ausbildung zu kurz. So wird es umso wichtiger, wie im Folgenden dargestellt wird, eine Bologna-Qualitätskultur zu definieren. 99 Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass im März 2003 86% der Bachelor-Studiengänge sechs Semester und 12% sieben Semester Regelstudienzeit hatten (Schwarz/Rehburg 2004: 37). 193 3. Qualitätsbewertung und Qualitätssicherung in Deutschland und der Türkei im Zuge des „Europäischen Hochschulraums“ „Es hat sich gezeigt, dass die Qualität der Hochschulausbildung der Dreh- und Angelpunkt für die Schaffung des Europäischen Hochschulraumes ist.“ (Berliner Kommuniqué 2003) Im Rahmen des Bologna-Prozesses wurde der Gestaltung einer europäischen Qualitätskultur vermehrt Aufmerksamkeit geschenkt. In diesem Thema vereinen sich diverse nationalstaatliche Vorstellungen von Qualität, Qualitätsbewertung und Qualitätssicherung, die auf der europäischen Ebene gebündelt werden sollen. Eine der zentralen Forderungen der Berliner Konferenz (2003) ist, bis 2005 Qualitätssicherungsagenturen in jedem Unterzeichnerland zu realisieren. Das bedeutet für die Bologna-Länder, die bisher keine Qualitätssicherung haben, den Aufbau eigener Qualitätssicherungsverfahren und zugleich die Kompatibilität mit den anderen Bologna- Unterzeichnerstaaten. Bereits Mitte der 1990er Jahre begannen in Deutschland Maßnahmen zur Qualitätsbewertung und -sicherung. In der Türkei hingegen ist die Qualitätsbewertung und -sicherung ein neues Hochschulthema, das ähnlich wie in Deutschland ambivalent diskutiert wird. Sicherlich ist die Qualitätsbewertung und Qualitätssicherung eines der problematischsten Themen des Europäischen Hochschulraums. Ziel dieses Kapitels ist, die Veränderungen und Entwicklungen in Fragen der Qualitätsbewertung und -sicherung in den Ländern Deutschland und der Türkei aufzuzeigen. 3.1 Begriffsklärung Der Begriff „Qualität“ ist eines der schwierigsten Themen der Hochschulforschung und wird in der Forschungsliteratur nur selten definiert. Eine der wenigen Definitionen des Qualitätsbegriffs ist die von Pasternack: „Qualität ist eine Kategorie zur Bezeichnung kombinatorischer Effekte hinsichtlich der Zweckdienlichkeit eines Gutes oder eines Prozesses“ (Pasternack 2001a: 165). Hierbei unterteilt Pasternack die kombinatorischen Effekte „in zwei Grundmuster, nämlich Effekte minderer und hoher Komplexität“ (ebd.). 194 Was die kombinatorischen Effekte minderer Komplexität sind, lässt sich aus den Eigenschaften zusammenstellen. Diese sind nach Pasternack:  „isolierbare Einzeleigenschaften,  die verbal standardisierbar sowie  im Rahmen von Single-issue-Ansätzen punktgenauen Interventionen zugänglich sind,  und deren Nutzung sich typischerweise als wertmindernde Inanspruchnahme vollzieht“ (ebd.). Diese genannten Kriterien bilden die „Qualität erster Ordnung“. Die kombinatorischen Effekte hoher Komplexität, auch „Qualität zweiter Ordnung“ genannt, setzen sich laut Pasternack aus folgenden Punkten zusammen:  Effekte aus anderen kombinatorischen Effekten,  die einen Prozess oder ein Gut ganzheitlich durchformen,  sich jeglicher Standardisierung entziehen,  nur im Rahmen von Systemveränderungsansätzen beeinflussbar sind  und deren Nutzung sich typischerweise als wertstabile bzw. wertverbessernde Inanspruchnahme vollzieht (ebd.). Als ein Bewertungsverfahren von Qualität wurde in den letzten Jahren die Evaluation etabliert, die intern und extern durchgeführt werden kann und die die Systemebene betrifft. Eine weitere Maßnahme ist die Akkreditierung von Studiengängen (Programmebene). Ferner werden Benchmarking- und Rankingverfahren angewendet, die aber in der Verbreitung nicht mit den beiden erstgenannten Verfahren vergleichbar sind. So wird in der Evaluationsforschung zwischen unterschiedlichen Qualitätskonzepten unterschieden: die „absolute“ auf der einen Seite und auf der anderen die „relative“ Qualität (Kohler 2003: 5). Bei der „absoluten“ Qualität bilden „Standards“ den Bezugsrahmen, bei „relativer“ Qualität hingegen wird das Qualitätsurteil „durch Bezug auf die Validität und die Erreichung selbst gesetzter Ziele“ getroffen (ebd.). Das Ziel der Evaluation, ein Instrument zur Ermittlung von Qualität zu schaffen, ist die Steigerung der Qualität. Dazu Kohler weiter: „Rechtlich wirkt Evaluation als solche nur beratend; präskriptive Konsequenzen sind ihr nicht ohne weiteres wesensgemäß eigen, aber indirekt kann Evaluation de facto Entscheidungen über Existenz von Studiengängen, ihre Finanzierung und Akkreditierung vorbereiten. Methodisch ist Evaluation insofern offen, als 195 sie sowohl Ergebnisse als solche bewerten kann (‚summativ‘) als auch prozessbegleitend-beratend (‚formativ‘) eingesetzt werden kann“ (ebd.: 3). Akkreditierung wird von Van Damme et al. wie folgt beschrieben: „Accreditation is defined here as a particular form of quality assurance resulting in a formal judgement that leads to formal approval of an institution or pro- gramme that has been found by a legitimate body to meet predetermined and agreed standards, and may result in the granting of an accredited status to that provider or programme by responsible authorities“ (Van Damme et al. 2004: 81). Als Nächstes steht die Darstellung der Gestaltung einer europäischen Qualitätskultur im Vordergrund. Ähnlich wie bei der Frage der Anerkennung von Studienleistungen und Hochschulabschlüssen gingen die Impulse für die Qualitätsbewertung und Qualitätsmessung von Seiten der supranationalen Ebene UNESCO bzw. EU aus. 3.2 Gestaltung einer europäischen Qualitätskultur Die ersten Hinweise zur Qualität von Hochschulen im internationalen Vergleich waren den Daten zu „Erfolgs-, Abbruch- und Absolventenquoten“ der OECD- Bildungsindikatoren zu entnehmen (Bund-Länder-Kommission 2001: 16). Das erste Projekt zur Qualitätsbewertung, das von der EU durchgeführt wurde, war „Qualitätsbewertung im Bereich der Hochschulen“ nach dem Prinzip einer zweistufigen Evaluation, bestehend aus einer internen Selbstbewertung und einer externen Begutachtung (Peer Review) im Jahre 1994/1995. Dazu Van Damme et al.: „An impor- tant stimulus to the spread of quality assurance in Europa was the 1994 European Pilot Projects on assessing the quality of higher education“ (Van Damme et al. 2004: 83). Auf dem Projekt aufbauend hat der Rat der Europäischen Union im September 1998 eine Empfehlung „betreffend die europäische Zusammenarbeit zur Qualitätssicherung in der Hochschulbildung verabschiedet“ (HRK 2003: 7). Für die Entwicklung der Qualitätssicherung in überwiegend europäischen Ländern stellt Kehm fest, dass in den 1990er Jahren die „Dezentralisierung und staatliche Deregulierung, eine stärker utilitaristische, auf Effizienz und Effektivität ausgerichtete Sicht auf das Hochschulwesen und ein deutliches Anwachsen internationaler Kooperationen“ zu beobachten sei (Kehm 2001: 179). Die ersten nationalen Agenturen zur Bewertung und Verbesserung der Qualität von Studium und Lehre an den Hochschulen entstanden in Frankreich (1986), in den Niederlanden (1988), in Großbritannien und Dänemark (1992) (Thune 1998: 10, zitiert nach Kehm 2001: 180). 196 Im Zuge des Bologna-Prozesses ist die Rede von der „Internationalisierung von Qualität im Hochschulbereich“ (Kehm 2001: 183). Bereits 1999 einigten sich die Unterzeichnerstaaten auf die Schaffung eines „europäischen Systems der Qualitätssicherung mit vergleichbaren Methoden und Kriterien“ als eines der wichtigsten Ziele der Bologna-Erklärung (HRK 2003: 7). Konkretere Ziele des Bologna-Prozesses wurden bei der Ministerkonferenz in Berlin formuliert. Danach sollen alle Unterzeichnerstaaten bis 2005 Qualitätssicherungssysteme eingerichtet haben (Van Damme et al. 2004: 96). „An overaching framework of qualifications in the EHEA, complemented by a coherent system of quality assurance – for Education Ministers to approve by 2005 – is intended to create a climate of trust based on transparency and would facilitate the recognition of degrees/diplomas and periods of study“ (Van Damme et al. 2004: 96). Die Gründung von European Network for Quality Assessment (ENQA) durch die Europäische Union ermöglichte auf der europäischen Ebene die Institutionalisierung der Qualitätssicherung (Van Damme et al. 2004: 83). Als Aufgaben von ENQA wird die Förderung der Kooperation, der Austausch von „best practices“ und „... stimulate the professional development of its members and their personnel“ (ebd.) genannt. Weiter heißt es: „It also has a political role as the advocate of the quality assurance community in its relations with national governments, institutions and their organisations and the European Commission“ (ebd.). Kehm stellt fest, in den Verfahren habe das zugrunde gelegte Qualitätskonzept seine „traditionelle Bedeutung der durch ‚peer reviews‘ gewonnenen Feststellung von ‚Exzellenz‘ verloren und ist durch die Feststellung der Angemessenheit für einen spezifischen Zweck – ‚fitness for purpose‘ – substitutiert worden. Qualität bezeichnet also nicht mehr das aus der Menge Herausragende, sondern den Standard, mittlerweile häufig sogar die Definition von Mindeststandards“ (Kehm 2001: 173). Die Definition von Mindeststandards wird für den Bologna-Prozess auch die größte Herausforderung werden. Zugleich werden aber auf der europäischen Ebene Vorkehrungen getroffen, die die „europäische Spitzenqualität“ sichern sollen. Dazu: „Die EU braucht also ein intaktes, blühendes Hochschulwesen, und die europäischen Universitäten müssen exzellente Leistungen erbringen: Nur so ist es möglich, die Prozesse, auf die sich die Wissensgesellschaft stützt, zu optimieren und das strategische Ziel zu erreichen, das der Europäische Rat auf seiner Tagung von Lissabon festgelegt hat: die Union zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu machen – einem Wirtschaftsraum, der fähig ist, ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum mit mehr und besseren Arbeitsplätzen und einem größeren sozialen Zusammenhalt zu erzielen“ [kursiv im org. Text g.y.] (Kommission der Europäischen Gemeinschaften 2003: 2). 197 Eine weitere „größte Herausforderung für Qualitätssicherung in Europa“ sehen Reichert und Tauch bei der Gestaltung von „Transparenz, den Austausch guter Praxis und die Schaffung von ausreichend gemeinsamen Kriterien für die wechselseitige Anerkennung der jeweiligen Verfahren“ (Reichert/Tauch 2003: 12). Gleichzeitig betonen die Autoren, dass dies „ohne das System zu sehr zu vereinheitlichen und seine Stärken, wie Vielfalt und Wettbewerb, zu schwächen“ geschehen müsse (ebd.). Am Beispiel Deutschland und der Türkei werden im Folgenden die Entwicklungen in den jeweiligen Ländern dargestellt. Ziel ist es, die Unterschiede der Herangehensweisen der ungleichen Bologna-Partner festzustellen. Im Anschluss an diesen Teil – Zusammenfassung und Thesen – werden die Unterschiede zur Diskussion gestellt. 3.3 Qualitätsbewertung und Akkreditierung im deutschen und türkischen Hochschulsystem Nach der Berliner Konferenz wird die Qualität der Hochschulausbildung, wie bereits am Anfang dieses Kapitels (Kapitel III.3.) zitiert, als „Dreh- und Angelpunkt“ für die Schaffung des Europäischen Hochschulraums gesehen (Berliner Kommuniqué 2003). Das bedeutet auch, dass die Qualitätsbewertungsinstrumente standardisiert und transparent sein sollen. Ferner bedeutet es, dass gegenseitiges Vertrauen in die Verfahren und Agenturen gegeben sein sollte. In Bezug auf die beiden ungleichen Hochschulsysteme von Deutschland und der Türkei sind diese Entwicklungen von Bedeutung: Denn, wie bereits im Teil II und im Kapitel 1 dieses Teils der Arbeit aufgezeigt, gibt es neben den großen qualitativen Unterschieden innerhalb der türkischen Universitäten selbst auch zwischen dem türkischen und dem deutschen Hochschulsystem strukturelle und qualitative Unterschiede. 3.3.1 Qualitätssicherung und Akkreditierung in Deutschland In Deutschland haben die Qualitätsdebatten eine „Legitimationskrise in doppelter Hinsicht ausgelöst. Zum einen wird die Qualität von Studium und Lehre in Frage gestellt, zum anderen die Attraktivität eines Studiums in Deutschland für ausländische Studierende“ (Kehm 2001: 173). Die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Hochschulen weltweit wird beklagt. In Deutschland wurden seit Mitte der 1980er Jahre die hohen Studienabbrecherquoten und die langen Studienzeiten mit der Qualität der Lehre in Verbindung gebracht. Nach Kehm gab es an den westdeutschen Hochschulen „Widerstand“ der Hochschullehrer gegen die Evaluation. Dieser sei „erst durch die Beteiligung von vielen 198 Hochschullehrern an der Evaluation des ostdeutschen Hochschul- und Wissenschaftssystems durchbrochen“ worden (Kehm 2004: 14). Derweilen sei die „Evaluation von Lehre, insbesondere durch die Befragung der Studierenden, an den meisten Hochschulen ein gängiges Element“ geworden (ebd.). Das europäische Pilotprojekt „Zur Qualitätsbewertung im Hochschulbereich unter besonderer Berücksichtigung der Lehre“, das Mitte der 1990er Jahre durchgeführt wurde, war der Beginn für die Evaluation in Deutschland und führte zu einem ersten Zusammenkommen und zum Erfahrungsaustausch auf der europäischen Ebene. Bereits 1995 und im Jahre 2000 haben die Hochschulrektorenkonferenz und 1996 der Wissenschaftsrat „Empfehlungen zur Evaluation von Studium und Lehre“ abgegeben (vgl. Mittag 2002: 4). Durch das novellierte Hochschulrahmengesetz (HRG) vom Jahre 1998 wurden die Hochschulen zur Qualitätssicherung in Forschung und Lehre verpflichtet (Kehm 2001: 174). Seitdem etablierten sich Evaluationsverbünde bzw. -agenturen bundesweit, die regionale und auch landesweite Nachfragen abdecken (z. B. Nordverband, ZEvA (Niedersachsen), Geschäftsstelle Evaluation der Universitäten in Nordrhein-Westfalen etc.). Diese Verbünde und Agenturen evaluieren Hochschulen, Fachbereiche oder Studiengänge; außerdem werden an den Agenturen die „Probleme und Optionen der Qualitätsentwicklung diskutiert“ (Kehm 2001: 175). Weitgehend einvernehmlich evaluieren die Verbünde und Agenturen nach den Empfehlungen des Wissenschaftsrats und der HRK nach dem internen und externen Evaluationsverfahren. Insgesamt ist die Evaluation in Deutschland in drei Phasen aufgebaut, wobei die dritte Phase sich als obligatorischer Verfahrensbestandteil etabliert habe (HRK 2003: 12): Die erste Phase ist die interne Evaluation: Hier werden Stärken- und Schwächenanalysen durchgeführt, die in einer Selbstbeschreibung von den Fachbereichen zusammengefasst werden. Darauf folgt die zweite Phase, die externe Evaluation (Mittag 2002: 5).100 Bei der externen Evaluation werden die zu evaluierenden Fächer vor Ort von Experten besucht, die nach der Inspektion ein Gutachten erstellen. Beide Evaluationen, interne und externe, finden innerhalb eines Semesters statt; danach beginnt mit der Umsetzung der Empfehlungen die dritte Phase (ebd.). In Deutschland gibt es große Unterschiede im Prozess dieser dritten Phase, des Follow-Up. Dazu Mittag: „Während sich bspw. in den Universitäten des Nordverbundes ein einheitliches System mit Zielvereinbarungen zwischen Hochschulleitung und evaluiertem Fach mit institutionalisierten Folgegesprächen etabliert hat, reichen die Fächer in 100 Mittag weist darauf hin, dass der Verbund der nord-westfälischen Fachhochschulen alle sechs bis acht Jahre eine externe Evaluation durchführt (Mittag 2002: 5). 199 den Hochschulen Niedersachsens Maßnahmenprogramme und Zwischenberichte zum Stand der Umsetzung ein“ (ebd.). Eine systematische Weiterentwicklung im Bereich der Informationsverbreitung und Beratung findet durch das Projekt Qualitätssicherung statt. Dazu die BLK: „ …Kommunikationsplattform zwischen den Hochschulen, den Evaluationsagenturen und -netzwerken und der Öffentlichkeit in allen Fragen der Qualitätssicherung im Hochschulbereich“, leistete das Projekt Qualitätssicherung (Projekt Qualität) von BLK und HRK, das von 1998-2000 realisiert wurde (Bund-Länder-Kommission 2001: 18).101 Bereits 1999 machte die Umfrage der HRK zum Stand der Qualitätssicherung in der Lehre deutlich, dass es bis zu der Hälfte aller Fachbereiche in Universitäten, Fachhochschulen sowie Kunst- und Musikhochschulen irgendeine Form von Qualitätssicherung oder Evaluation gab (ebd.). Die HRK und KMK beschlossen im Jahre 1998 die Akkreditierung von neuen Bachelor- und Master-Studiengängen (HRK 2003: 7). Nach Schade stehen die Beschlüsse der KMK und HRK im Hinblick auf die Akkreditierung unter folgenden „Prämissen“: „Vielfalt ermöglichen“, „Qualität sichern“ und „Transparenz schaffen“ (Schade 2003: 18). Ende 1998 wurde ein Akkreditierungsrat einberufen, der vorerst eine Probephase von drei Jahren hatte (HRK 2003: 8). Er wurde mit folgenden Aufgaben ausgestattet. Dazu Schade vom Akkreditierungsrat: „Der Akkreditierungsrat hat die Verantwortung für die Durchsetzung vergleichbarer Qualitätsstandards in einem wesentlich dezentral organisierten, von Agenturen durchgeführten Verfahren. Diese Verantwortung nimmt er durch Akkreditierung bzw. Reakkreditierung der Agenturen sowie durch ihre Koordination und Kontrolle wahr. Einerseits für einen fairen Wettbewerb aller (derzeit sechs) Agenturen zur Verfügung zu stehen und andererseits ein stetiges Monitoring zur Qualitätssicherung der Verfahren durchzuführen und auf internationaler Ebene die Interessen aller Agenturen zu vertreten, beschreibt das Spannungsfeld der Arbeit des länderübergreifenden Akkreditierungsrates“ (Schade 2003: 18). Das Akkreditierungssystem wurde durch die Entscheidung der KMK vom 1. März 2002 als dauerhafte Einrichtung beschlossen. 101 Das Projekt wurde von 2001 bis 2004 mit Finanzierung des BMBF fortgeführt. Aus dem Projekt Q ging das „Evaluations-Netzwerk zur Evaluation und Qualitätssicherung an deutschen Hochschulen (EvaNet), das vom Hochschul-Informations-System HIS umgesetzt und betrieben wird“ hervor (Bund- Länder-Kommission 2001: 18). EvaNet bietet auf der „theoretische[n] Grundlage, Strategien und Arbeitsinstrumente zur internen und externen Evaluation und Qualitätssicherung an Hochschulen“ an (Bund-Länder-Kommission 2001: 18). Siehe für EvaNet Internet: URL: http://evanet.his.de/evanet/knowhow/Links/links.html. [Stand Januar 2005]. 200 Das Akkreditierungssystem ist in Deutschland offen, d. h. die vom Akkreditierungsrat anerkannten Agenturen bieten den Hochschulen die Wahlmöglichkeit, die nach ihren unterschiedlichen spezifischen Zielsetzungen geeignete Agentur auszuwählen. Schade formuliert zu den Zielen der Akkreditierung Folgendes: „Akkreditierung hat zum Ziel, die nationale und internationale Anerkennung der Studienabschlüsse zu gewährleisten und gleichzeitig Hochschulen, Studierenden und Arbeitgebern verlässliche Orientierung hinsichtlich der Qualität von Studienprogrammen zu geben“ (Schade 2003: 18). Inzwischen hat die Bedeutung der Akkreditierung in Deutschland zugenommen und löst das bisherige System der Rahmenprüfungsordnung ab (HRK 2003: 8). Zurzeit wird die Qualität als Schlüsselfrage der Hochschulereform im In- und Ausland angesehen (vgl. HRK 2003: 5). Kehm schlussfolgerte im Jahre 2001 zur Situation der Qualitätsentwicklungs- und - sicherungsverfahren an den deutschen Hochschulen, dass diese „unterentwickelt, unsystematisch und kaum interventionsbezogen sind“ (Kehm 2001: 175). „Die HRK kommt auch zu dem Schluss, dass ‚ein einheitliches System der Qualitätssicherung in den Hochschulen unumgänglich‘ erscheint“ (ebd.). Die Qualitätsbewertung und -sicherung in Deutschland ist im Vergleich zu den europäischen Qualitätsbewertungen relativ neu, aber im Vergleich zur der Türkei schon sehr fortgeschritten. So stellt auch Kehm fest, dass das Feld „hochgradig divers [sei] und auch die Methoden und Verfahren (…) jenseits des allgemeinen Rahmens von Selbstevaluation, externer Evaluation und Zielvereinbarungen einen nur geringen Grad der Vereinheitlichung aufweisen“ (ebd.). 3.3.2 Qualitätssicherung und Akkreditierung in der Türkei Die Qualität der türkischen Hochschulausbildung kam nach dem Hochschulgesetz von 1981 stark in die Diskussion. Durch dieses Gesetz wurden, wie bereits im Teil II beschrieben (siehe Kapitel II, 1.3), die Hochschulen umstrukturiert und zu Universitäten umbenannt oder es wurden neue Universitäten gegründet. Die Kritik war, dass der Ausbau von Universitäten und die Erhöhung von Studierendenzahlen unvorbereitet stattfanden und dementsprechend unter Mangel an Hochschulbauten und wissenschaftlichem Personal litten.102 Die Qualitätsdebatten kamen nach der Expansionswelle Anfang der 1990er Jahre erneut auf. Kritisiert wurde in diesem Zusammenhang die Politik des Hochschulrats, der nach 102 Siehe für weitere Ausführungen Yalçın (2001). 201 den Artikeln 130 und 131 der Verfassung und nach dem Hochschulgesetz (Nr. 2547 (§§ 7 und 11) von 1981 mit dem Interuniversitärenrat auch für die Qualitätsbewertung und - sicherung zuständig ist. Als Aufgaben des Hochschulrats werden unter anderem „Kontrolle“ und „Aufsicht“ genannt. Nach der Stellungnahme der Studierendenvertretung der Ingenieur- und Architektenkammer Bursa Subesi Balikesir il Temsilciligi hat der Hochschulrat bis 1997 in erster Linie die Qualitätskontrolle auf der Verwaltungsebene durchgeführt und die Qualitätsprüfung im Lehrbetrieb vernachlässigt (Türkische Ingenieurvereinigung 2003). Im Jahre 1997 etablierte der Hochschulrat in Kooperation mit dem British Council (Ankara) das Akademische Evaluationssystem an türkischen Universitäten (Türk Üniversitelerinde Akademik Degerlendirme Sistemi). Dieses Evaluationsprojekt, das an ausgewählten acht Universitäten und dreizehn Fakultäten an bestimmten Studiengängen mit Unterstützung englischer Evaluationsexperten durchgeführt wurde, diente einigen Fachbereichsleitern als Anregung: Sie griffen diese Methode auf und führten interne Evaluationen durch. Im Jahresbericht der Ingenieurvereinigung wird kritisiert, dass ein englisches Akkreditierungsprojekt auf die Bedingungen der Türkei umgeschrieben wurde (ebd.). Das heißt, eine Auseinandersetzung über die Unterschiede im Hochschulsystem und in der Hochschulkultur wurde nicht geführt. Die Frage der Qualität wurde offiziell seitens des Hochschulrats erst bei dem Treffen des Interuniversitätrenrats103 Ende August 2002 in Afyon/Ägäis bei der Rektorenversammlung in Verbindung mit der Bologna-Erklärung thematisiert.104 Ende Oktober desselben Jahres wurde eine Verordnung erlassen, die „Verordnung zur akademischen Bewertung und Qualitätskontrolle an den Hochschuleinrichtungen“ (Yüksekö retim Kurumlarında Akademik De erlendirme ve Kalite Kontrol Yönetmeli i)105, wonach die Hochschulen verpflichtet wurden, interne Evaluationsberichte bei der Kommission einzureichen. Laut Verordnung setzt sich die Kommission zur Bewertung und Qualitätskontrolle in der Hochschulausbildung (Yüksekö retimde Akademik De erlendirme ve Kalite Kontrol Komisyonu) aus sieben Mitgliedern zusammen, die vom Interuniversitätrenrat gewählt werden. Unter diesen sieben Mitgliedern wählt auch der Interuniversitätren Rat den Vorsitzenden. Die 103 Interuniversitätrenrat berät und plant die wissenschaftliche Entwicklung des Landes. Er arbeitet dem Hochschulrat zu; siehe dazu Yalçın (2001). 104 Vgl.: Internet: URL: http://www.yok.gov.tr [Stand 17.02.2003]. 105 Für die formalen Angaben der Verordnung siehe “Yükseköretim Kurumlarında Akademik Deerlendirme ve Kalite Kontrol Yönetmelii” (Die Verordnung zur akademische Qualitätskontrolle an den Hochschulen vom 22.10.2002. 202 Kommissionsmitglieder haben eine Amtszeit von fünf Jahren und können nochmals ernannt werden. Die Kommission bewertet die internen Evaluationsberichte der Universitäten und Hochschuleinrichtungen und gibt ihre Bewertungen und Empfehlungen an den Hochschulrat und an den Vorsitzenden des Interuniversitätrenrats weiter. Die Kriterien für die interne Evaluation werden von Seiten der Kommission auf der Grundlage der Vorgaben der Verordnung erstellt. Es sind dies die statistischen Angaben über die Einrichtung, Informationen zur Gestaltung von Inhalten der Studiengänge, Angaben zu den durchgeführten Veranstaltungen und zum Erfolg der Studierenden, in den jeweiligen Veranstaltung, Angaben zur Studienbetreuung und zu zur Verfügung stehenden Möglichkeiten für Studierende (Betreuung, studentische Klubs usw.), Angaben zu Ausstattung und Lehrmaterialien und deren Nutzung sowie getroffene Maßnahmen zur Qualitätssicherung und Qualitätssteigerung der Einrichtung. Die Verordnung schreibt vor, dass der Punkt „Informationen zur Gestaltung von Inhalten der Studiengänge“ von einem externen Gutachter, der zwar vom Senat der Universität ernannt wird, aber der Universität nicht angehört, durchgeführt wird. Laut Verordnung sind alle internen Evaluationsberichte der Universitäten öffentlich zugänglich. Die jeweils letzten Evaluationsberichte sollen überdies ins Internet gestellt werden. Über den Zeitraum der erneuten Evaluation entscheidet die Kommission. Sollte sie eine erneute Evaluation für notwendig erachten, so wird ihre Durchführung auf einen Zeitraum von spätestens zwei Jahren festgesetzt. Anfang 2003 sollte die Kommission die internen Evaluationskriterien an die Universitäten verschickt haben und die Universitäten oder Hochschuleinrichtungen sollten die ersten internen Evaluationsberichte bis Ende April 2003 an die Kommission eingereicht haben. Bis Dezember 2004 sind jedoch nur einige wenige interne Evaluationsberichte über das Internet zugänglich. Im Zuge des Bologna-Prozesses haben der Hochschulrat und der Interuniversitärenrat die Einrichtung eines nationalen Qualitätssicherungssystems als Hauptaufgabe vorgenommen, dazu sind vorab keine gesetzlichen Veränderungen vorgesehen. Aber die Einrichtung eines nationalen Qualitätssicherungssystems würde erst 2007 zum Ministertreffen des Europäischen Hochschulrats realisiert werden (Länderbericht der Türkei 2005: 6). Die Einrichtung der Akkreditierungsverfahren an den türkischen Universitäten ist eine relativ neue Entwicklung. Vier Universitäten des Landes ließen Anfang der 1990er 203 Jahre ihre Studiengänge von ABET (Accreditation Board for Engineering and Technology-USA, einer amerikanischen Akkreditierungsagentur für angewandte Wissenschaften, insbesondere für technische Studiengänge) akkreditieren (ABET o. J.). Seitdem gibt es Kooperationen in Fragen der Qualitätsentwicklung mit ABET, und andere Universitäten folgten dem Beispiel. Dieses führte dazu, dass die Fakultäten der Ingenieurwissenschaften ein nationales Qualitätssicherungssystem eingerichtet haben. Ende der 1990er Jahre führte dies zur Einrichtung von MÜDEK (Mühendislik Degerlendirme Kurumu- Ingenieur Qualitätssicherungssamt).106 Sie ist eine vergleichbare Einrichtung wie ABET. Dazu heißt es in dem aktuellen Länderbericht der Türkei: „Although MÜDEK does not yet have any official recognition by the responsi- ble bodies, it stands a good chance of being a part of the national system for en- gineering programmes after some revisions with due regard to the requirements of the Bologna process (e.g.: international peers in the governing body); since it is already a partner in EUR-ACE (European Accreditation Programme for Engi- neering, an ongoing Socrates programme) and since it has already seen a warm welcome by the universities“ (Länderbericht der Türkei 2005: 7). Nach Ansicht der Studierendenvertretung der Ingenieur- und Architektenkammer Bursa Subesi Balikesir il Temsilciligi ist die Finanzierung der türkischen Universitäten oder Studiengänge auf der Basis der Akkreditierung bedenklich, da die vorhandenen qualitativen Diskrepanzen sich verstärken, ja sogar „abgrundtief“ (Ü.: G.Y.) werden (Türkische Ingenieurvereinigung 2003). Die kritischen Studierenden schlagen vor, eine Qualitätssicherungsmaßnahme und - bewertung zu entwickeln, die die Bedürfnisse und Probleme des Landes zum Ziel haben (ebd.). Die Evaluation der Lehre ist Grundbestandteil der meisten überwiegend privaten Stiftungsuniversitäten, da die Rekrutierung des Hochschulpersonals sich auf die Bewertung der Studierenden stützt. 3.4 Tendenzen und Handlungsbedarf in der Qualitätsbewertung und -sicherung im Raum Europa Nach Kehm bleiben in Deutschland „fast alle Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität – seien es hochschuldidaktische Weiterbildungsangebote, finanzielle Anreize, stärkere Kontrollen der Einhaltung von Lehrverpflichtungen und Maßnahmen zur besseren Betreuung der Studierenden – weiterhin“ schwierig (Kehm 2004: 14f.). 106 Siehe für weitere Informationen Akbulut (2004). 204 Die Hochschulrektorenkonferenz hat sich zum Ziel gemacht, die „Schaffung einer umfassenden Qualitätskultur“ in Deutschland zu realisieren (HRK 2003: 18). Dazu formuliert die HRK als Herausforderung für die deutschen Hochschulen: „Wenn Qualität die Kernaufgabe von Hochschulreform und Hochschulentwicklung ist, müssen Maßnahmen zur Qualitätssicherung und -entwicklung über den Bereich Studium und Lehre hinausgehen“ (HRK 2003: 18). Ferner soll es – laut HRK – einen Paradigmenwechsel geben, der „in erster Linie selbstgesteuerten Prozess der Qualitätsentwicklung, der sich an den selbst gesteckten Zielen einer autonomen Hochschule orientiert“ (ebd.). In beiden Ländern, in der Türkei wie auch in Deutschland, ist die Qualitätsfrage umstritten. Die eigentliche Arbeit steht noch bevor, da bisher keine Standards definiert wurden. Im Rahmen des Bologna-Prozesses besteht die Möglichkeit, dass mehr auf die regulierenden Instrumente der Qualitätssicherung hingearbeitet wird statt die Debatte über Qualität weiter auszudehnen. Dieses prognostisiert auch das EURODICE – das Informationsnetz zum Bildungswesen in Europa für die Nationalstaaten: „Der Staat wird sich noch mehr aus der Hochschulverwaltung zurückziehen, seine Befugnisse bezüglich Qualitätssicherung und -kontrolle hingegen ausbauen“ (EURODICE 2000: 24). In Fragen der Qualitätssicherung hat die Türkei noch gewaltige Schritte zu leisten. Die Hochschulöffentlichkeit und auch die allgemeine Öffentlichkeit diskutieren nicht hinreichend über Qualität, Qualitätsbewertung und -sicherung. Die Qualitätsbewertung und -sicherung wird die größte Herausforderung der Türkei im Bologna-Prozess werden. Der türkischen Hochschulpolitik stehen zwei Möglichkeiten offen, an die Herausforderungen, die die Qualitätsbewertung und -sicherung mit sich bringt, heranzugehen: Erstens kann sie in traditioneller Art und Weise – wie bei allen anderen Herausforderungen an das Hochschulsystem üblich – Verordnungen an die Universitäten weiterleiten. Oder sie kann, zweitens, einen neuen Weg beschreiten und die Universitäten in den Prozess mit einbeziehen, um das System zu verändern. Reichert und Tauch machen den Erfolg der Wirksamkeit von Evaluationsverfahren von dem Grad der Einbeziehung des Hochschulmanagements abhängig. Ferner ergänzen sie: „Ebenso werden Wirksamkeit und Rentabilität von Qualitätssicherungsverfahren von der Abstimmung und den Synergien zwischen den verschiedenen nationalen und europäischen Verfahren zur Qualitätsüberprüfung sowie von den verschiedenen Finanzierungsmechanismen abhängen“ (Reichert/Tauch 2003: 12). 205 Übereinstimmung herrscht nach Reichert und Tauch zwischen Ministerien, Rektorenkonferenzen, Hochschulen und Studierenden, dass „sie nationalen Qualitätssicherungsverfahren den Vorzug vor gemeinsamen europäischen Strukturen geben“ (ebd.). Hierbei bringen sie jedoch gleichzeitig die Korrektur ein, dass die Hochschulen einer paneuropäischen Akkreditierungsagentur „aufgeschlossener als die anderen nationalen Akteure“ seien (ebd.). Die HRK verweist auf die Bologna-Erklärung und folgert: „Die Bologna-Erklärung fordert daher folgerichtig eine engere europäische Zusammenarbeit auch in diesem Bereich [Qualitätssicherung]. Diese Zusammenarbeit erschöpft sich nicht in der Durchführung von Evaluations- und Akkreditierungsverfahren unter Beteiligung internationaler Peers, sondern umfasst darüber hinaus die Verständigung über gemeinsame Standards und Kriterien, über Gegenstand und Praxis der Qualitätssicherung“ (HRK 2003: 15). Im Folgenden wird dieser Teil zusammengefasst und werden Schlussfolgerungen gezogen. 206 4. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen: Ungleiche Partner bei der Gestaltung des Europäischen Hochschulraumes. Der Bologna-Prozess brachte 40 europäische Länder und Anrainerstaaten zusammen, die gemeinsam einen Europäischen Hochschulraum etablieren. Zwischen den 40 Ländern gibt es große Unterschiede struktureller, soziokultureller und finanzieller Art im Bereich der Hochschulen. Ungleiche Partner treffen aufeinander: Deutschland, ein europäisches Kernland, und die Türkei, ein Peripherieland. Neben einigen wenigen Gemeinsamkeiten bestimmen doch die Unterschiede die Beziehung dieser beiden Länder. Am Beispiel der Anerkennung und der Qualitätssicherung wurde die Umsetzung der Bologna-Implementationspunkte dargestellt. Im Kern der Anerkennungsregelungen, -verfahren und -praktiken überwiegt die Bereitschaft über kulturelle und nationale Grenzen hinweg die Anerkennung von Hochschulqualifikationen zu erleichtern. Die Anerkennung von Qualifikationen ist zu einem zentralen Thema und einer unabdingbaren Bedingung der Internationalisierung, Globalisierung und der Europäisierung der Hochschulausbildung geworden. Neben der Anerkennung stieg im Rahmen des Bologna-Prozesses die Qualitätsbewertung und - sicherung zum zentralen Thema des Europäischen Hochschulraums auf. In diesem Teil wurde die Anerkennung und Qualitätssicherung im Rahmen des Bologna-Prozesses am Beispiel Deutschland und Türkei hinsichtlich ihrer unterschiedlichen Implementation analysiert. In Form von Schlussfolgerungen werden die wichtigsten Entwicklungslinien aufgezeigt.  Schlussfolgerung 1: Unterschiedliche Motivationen, unterschiedliche Erwartungen und unterschiedliche Betroffenheit treffen am Beispiel Deutschlands und der Türkei im Rahmen des Europäischen Hochschulraums zusammen. Im Bologna-Prozess treffen unterschiedliche Motive der Beispielländer aufeinander: Für Deutschland geht es um die Steigerung der Attraktivität und darum, auf dem internationalen Bildungsmarkt wettbewerbsfähig zu werden. Für die Türkei bedeutet es, im europäischen Hochschulraum sichtbar zu werden, mehr Akzeptanz in Europa zu erlangen und diese Akzeptanz auf die Hochschulaktivitäten im zentralasiatischen Raum zurückzukoppeln. In den Beispielländern ist von unterschiedlichen Erwartungen auszugehen. Deutschland verspricht sich durch erleichterte Anerkennung von Studienleistungen und Qualifikationen die Steigerung der Attraktivität der deutschen Hochschulen für die 207 „klugen“ Köpfe weltweit. In Fragen der Qualitätssicherung versucht Deutschland im internen Kompetenzgerangel ein einheitliches Verfahren in Abstimmung mit dem Europäischen Hochschulraum zu entwickeln. Die türkischen Hochschulen hingegen erhoffen sich aus dem Europäisierungsprozess mehr Autonomie, europäische Akzeptanz und verbesserte Qualität in der Hochschulausbildung. In der Türkei werden die Hochschulreformen zentral vorgeschrieben und durchgeführt. Unterschiedliche Betroffenheit ist auszumachen: Der Bologna-Prozess bedeutet für das deutsche Hochschulsystem, dass das renommierte Humboldtsche Hochschulsystem aufgegeben werden soll. Das Selbstwertgefühl in Deutschland ist betroffen: Das „Wir waren besser“ und „Wir hatten das beste Hochschulmodell“ soll nun reformiert werden. Für die Türkei hingegen gilt: „Wir wollten sowieso besser werden.“ Immer in ihrer Geschichte war die Türkei nach Westen orientiert. Europäisierung wird mit der Moderne gleichgesetzt bzw. als Modernisierungsprozess verstanden. Das bedeutet für die Türkei, ständige Erneuerungsprozesse zu initiieren, um die industrielle, strukturelle und soziale Anpassung zu den hoch entwickelten Industriestaaten zu erreichen. Für dieses Ziel ist ein fortwährendes Sich-Verändern und Sich-Verbessern einkalkuliert.  Schlussfolgerung 2: Die Implementation der Bologna-Kriterien erfolgt in Deutschland und in der Türkei sehr unterschiedlich. Die bisherigen traditionellen Verfahren der Länder, neuere Prozesse in ihren Hochschulsystemen zu initiieren, werden beibehalten. Ihre Implementationsform hängt eng mit ihrer Hochschultradition zusammen. Die deutschen Hochschulen sind autonomer, die Umsetzung hängt von ihrem „guten Willen“ ab, sich an den neueren Entwicklungen zu beteiligen. In Deutschland wurde in der Öffentlichkeit mehr über die Reformen diskutiert als in der Türkei. Der Bologna- Prozess bedeutete auch für Deutschland die Kompetenzverschiebung auf eine neue Stufe in der Beziehung von Staat und Hochschule. Die damit einhergehende Entbürokratisierung soll aber nicht mit einer neuen Bürokratisierung ersetzt werden. Die Türkei, speziell die türkische Hochschulpolitik, sieht die Bologna- Implementationspunkte als Vorgaben an, die zentral umgesetzt werden sollen, um das Ziel zu erreichen. Das spiegelt sich auch im Umgang mit den Bologna- Einigungspunkten wider. 208  Schlussfolgerung 3: Die ungleichen Partner stehen vor den gleichen Anforderungen im Bologna-Prozess. Die Vielfalt der Hochschulsysteme im Europäischen Hochschulraum soll durch einheitliche Qualitätsbewertungssysteme, durch die Einführung von ECTS und Diploma Supplement sowie durch die Verbesserung der Anerkennung von Studienzeiten, - leistungen und -abschlüssen standardisiert werden. Im Rahmen des Bologna-Prozesses bestehen heute jedoch gute Bedingungen, Gemeinsamkeiten zu definieren und diese auszubauen. Die Anerkennungsregelungen in den Beispielländern werden sich den europäischen Gegebenheiten angleichen, aber zugleich wird die „Anerkennung“ ihre Funktion des Abschottens nicht ganz aufgeben. In Deutschland wurde am Beispiel der Einführung von Bachelor- und Master-Studiengängen deutlich, dass neben der Öffnung im Rahmen des Bologna-Prozesses auch der Versuch gestartet wurde, eine Abschottung vorzunehmen. Ein erleichtertes Anerkennungsverfahren wird sich durch die Kooperation zwischen den Ländern etablieren. In beiden Ländern wird für einige Hochschulen die Erreichung der Mindeststandards zur Qualitätssicherung eine Herausforderung bedeuten und sie werden ihr Strampeln haben, diese Mindeststandards zu erreichen. Andere Hochschulen hingegen werden in der Einführung des neuen Verfahrens einen rein formalen Akt sehen; ihre Maßstäbe werden nicht die der Qualitätssicherungs- und Akkreditierungsinstitute sein, die sie ja sowieso haben. Die Definition von Mindeststandards bringt bei den Verhandlungen den geringsten Widerstand von ungleichen Partnern des Bologna-Prozesses. Hier verlassen sich die Zuständigen eher auf die Annahme: Wenn wir uns auf den Mindeststandard einigen, so wird sich die Spitzenqualität durch den Wettbewerb auf dem Bildungsmarkt herauskristallisieren.  Schlussfolgerung 4: Unterschiedliche Auswirkungen der Anforderungen auf ungleiche Partner. Qualitätsmessung und -sicherung sind ein wichtiges Instrumentarium, um die Transparenz an den türkischen Hochschulen zu erhöhen. Bisher war die Qualität der Lehre und Forschung nicht transparent. Europäische Qualitätsmessung und -sicherung würde in erster Linie an den Regionaluniversitäten zur zeitweise besseren Nutzung von 209 Ressourcen führen. Sicherlich würden einige brach liegende Ressourcen aktiviert werden. Aber um dieses in lang anhaltende und wirkliche Reformprozesse umzuwandeln, müssten erreichbare Anreize für diese Universitäten bereitstehen. Für gute Lehre bessere Besoldung usw. Deutschlands Hochschulen galten in der Regel als relativ homogen in der Qualität ihrer Lehre und Forschung. Dieses könnte sich durch die vermehrte Veröffentlichung von Evaluationsergebnissen und auch der Akkreditierung möglicherweise mehr ausdifferenzieren. 210 Resümee: Besonderheiten und Dynamiken des Europäisierungsprozesses Die Idee des Bologna-Prozesses ist durch strukturelle Konvergenz geprägt. Ziel ist es, bis zum Jahre 2010 einen gemeinsamen „Europäischen Hochschulraum“ zu schaffen, der auf dem internationalen Bildungsmarkt im Wettbewerb zu den anderen Marktführern stehen soll. Der „Europäische Hochschulraum“ führt in den Unterzeichnerländern in erster Linie zu formaler Harmonisierung. Die Harmonisierung der europäischen Hochschulstrukturen, die durch die Europäische Union von Ende der 1980er bis Mitte der 1990er Jahre wiederholt beabsichtigt, aber nicht erreicht wurde, wird durch den Bologna-Prozess erstmals realisiert. Die Hauptinitiatoren des Bologna-Prozesses waren Frankreich, England, Italien und Deutschland mit der Sorbonne-Erklärung von 1998. Durch die Erweiterung des „Europäischen Hochschulraums“ wurde seit 1999 eine neue Entwicklung in Gang gesetzt, die die bisherigen Entwicklungslinien durchbricht. Ungleiche Partner wollen im Bologna-Prozess zugleich eine Europäisierung der nationalen Hochschulsysteme realisieren. Im Zentrum dieser Arbeit stand die Problematik des Zusammenkommens ungleicher Partner – am Beispiel von Deutschland und der Türkei – im Bologna- Prozess. Abschließend sollen die Besonderheiten und die Entwicklungsdynamiken des Europäisierungsprozesses diskutiert und Thesen zur weiteren Entwicklung aufgestellt werden. 1. Die Kerndynamiken und die Eigenheiten der Bologna-Europäisierung Bei der Analyse des Europäisierungsprozesses der Hochschulen geht es im Grunde um die Frage, welches die Kerndynamiken der Europäisierung sind und wie sich die zentrale Dynamik auf die „ungleichen“ Partner am Rande dieses Prozesses auswirkt? Um diese Fragen beantworten zu können, werden zunächst die besonderen Charakteristika der Kernaktivitäten der Europäisierung aufgezeigt. 1.1. Die Faszination Europa mobilisiert Zu beobachten ist, dass Europa in einem Sog der Faszination eine Mobilisierung auf die Beine stellt, die von einer Atmosphäre der freundlichen Kooperation getragen wird. Das eigentlich Wertvolle dieser Europäisierung ist die Faszination Europas, die die nationalen Hochschulsysteme in Bewegung bringt. Die Faszination schafft einen Raum 211 der Euphorie, in dem viele Probleme, alle Risiken und alle Details, die noch nicht gelöst sind, an den Rand treten. Das bedeutet zugleich, dass die Konfliktpunkte nicht mehr diskutiert werden. In Zeiten einer Euphorie kann vieles in Gang kommen, das mit einem Klima von Skepsis und Zweifel nicht bewegt werden könnte. D.h., dass– auch berechtigte – Kritik und Zweifel die Entwicklung nicht bremsen können. Als Beispiel für eine solche Euphoriephase im deutschen Hochschulwesen kann die Gründung der Reformhochschulen Anfang der 1970er Jahre dienen. Zu jener Zeit wurde die Reformeuphorie von „großen Visionen“ und relativ präzisen Plänen getragen, die von einem veränderten Hochschulsystem in Deutschland ausging. Für eine kurze Zeit (von 1969-1974) wurde die Begeisterung durch die Gemeinsamkeit der unterschiedlichen Reformkonzepte getragen. Offenkundig ist, dass die Pläne sich im Implementierungsprozess verändert haben und das „Reformbündnis“ sich auflöste. In der Umsetzung ging Vieles verloren oder wurde verändert, viele Details haben gar nicht gegriffen. Trotz dieser Einschränkungen ist damals etwas in Bewegung geraten, das ohne diese Faszination nicht hätte entstehen können. Ohne den „großen Wurf“ (Neusel 2005) wäre auch das schließlich Erreichte nicht zustande gekommen. Heute ist die Bewegung, die durch die Europäisierung des Hochschulwesens ausgelöst wurde, getragen von einer Vision, die fasziniert und vieles mobilisiert und die vieles sozusagen auf den Weg zu Europa bringt. Die Studie hat gezeigt, dass der Bologna Prozess nicht ohne den überraschenden Erfolg des ERASMUS-Programms denkbar ist. Das Mobilitätsprogramm ist nicht komplex und nicht perfekt, aber es hat eine große Mobilitätswelle ausgelöst. Tatsächlich ist eine Mobilisierung gelungen, die nunmehr eine zweite Auflage erfährt – die Fortführung der ERASMUS-Programme –, die breiter angelegt ist und auf einer höheren Stufe erfolgt. Das Besondere an dieser Mobilisierung ist, dass sie im Grunde auf einem einfachen Modell – der studentischen Kurzzeitmobilität – basiert und dass sie aus diesem kleinen Kern eine so große Wirkung entwickelt. In Phasen der Reformen, die durch Euphorie und Faszination getragen werden, findet eine Komplexitätsreduktion statt. Am Beispiel der Reformhochschulen in Deutschland war dieses auch zu beobachten. Schon damals stand die Komplexität des Reformansatzes im Widerspruch zu den gängigen Implementationstheorien, nach denen Zielklarheit, Überschaubarkeit des Konzepts, und Konsens zwischen den Reformakteuren wünschenswert gewesen wären. Im praktischen Prozess wurde nicht 212 die Komplexität des Gesamten problematisiert, sondern – gerade auch durch die Komplexität – eine Faszination, eine Euphorie entstanden, die zwar nicht lange, aber doch Vieles getragen hat. In dieser Zeit wurde in der Forschung von der – notwendigen – „Imperfektion des planerischen Handelns“ gesprochen (Neusel 2005). „Implementation als Interaktion“ beschrieb einen Aushandlungsprozess zwischen den Akteuren, deren Interessen und Kompetenzen, der letztlich zu einem Ergebnis führte, das so nicht vorausgesetzt und in großen Teilen nicht vorauszusehen war. Ähnliches ist auch im Prozess der Umsetzung der Europa-Vision für das Hochschulwesen zu beobachten. Es findet eine Komplexitätsreduktion statt, viele Probleme und Unterschiede, die es im Zusammenhang mit Europäisierung, Anerkennung und Qualität gibt, werden nicht thematisiert. Dies gilt insbesondere für die Instanz der Entscheidungsträger. Ferner werden die unterschiedlichen Probleme und die Verschiedenheit der Rahmenbedingungen der Bologna-Unterzeichnerländer - z. B. die Größe der Länder und ihrer Hochschulsektoren, ob sie den Peripherie- oder Kernländern angehören –nicht diskutiert. Statt dessen wird eine Vision geschaffen, in deren Rahmen eine positive, den Prozess tragende Bewegung mobilisiert wird.. Hinweise zu bedenklichen Punkten und ungelösten Problemen, die von den Bologna- Beobachtern EUA und ESIB beigesteuert wurden (vgl. Teil I Kapitel 3), stießen kaum auf Interesse. Für die ungleichen Partner des Bologna-Prozesses liegen die Gründe der Faszination darin, dass große Hoffnungen an den Europäisierungsprozess geknüpft werden und dass jedes Land meint, für das eigene Hochschulsystem einen „Nutzen“ daraus ziehen zu können, der von jedem Land selbst definiert wird, und dass dadurch ein Gefühl des Dazugehörens möglich wird. Am Beispiel der Türkei wird dies deutlich: „Bologna“ würde die türkischen Hochschulpolitiker nicht faszinieren, wenn sie von Anfang an annehmen müssten, dass ihr Hochschulsystem nur wenig Chancen der Profilierung haben würde und dass es im Prozess ohnehin nicht mitkommen würde. Umgekehrt würde ihre Europa-Faszination erheblich einbüßen, wenn sie wissen würden, dass ihnen der Bologna-Prozess keinen Nutzen bringen würde. Aus der Sicht der Hochschulforschung sind in diesem Europäisierungsprozess der Hochschulen, der von Komplexitätsreduktion und Faszination getragen wird, Unstimmigkeiten zu beobachten. Die zu beobachtenden Widersprüche oder Ungereimtheiten nennt Teichler (2005) „Wunderthesen“, diese sind: 213  Die große Wirkung der kleinen Instrumente.  Koexistenz von struktureller Angleichung und Betonung von Variantenvielfalt.  Koexistenz von Angleichung des Niveaus und größerer Stratifizierung. Die große Wirkung der kleinen Instrumente: Durch die freundliche, kooperative Mobilisierung durch die Mobilitätsprogramme kam eine erstaunlich hohe Übereinstimmung zustande, dass mit der Reduzierung der Instrumente eine „Wunderwirkung“ einsetzten würde. Auffällig ist, dass die EU mit kleinen Impulsen große Wirkung bei der Europäisierung der nationalen Hochschulen erzielt hat. Im europäischen Diskurs hat man sich mit erstaunlich hoher Übereinstimmung auf ein bestimmtes Repertoire von Instrumenten und auf bestimmte Aktionen mit diesen Instrumenten (z. B. die Einführung von Studienstrukturreformen) geeinigt und dadurch eine Mobilisierung erreicht. Mit dieser sollen aber alle anderen notwendigen Veränderungsprozesse – wie durch ein Wunder – an den Hochschulen in den Nationalstaaten zugleich umgesetzt werden. In diesem Zusammenhang ist die „intelligente Komplexitätsreduktion“ zu nennen (Pasternack 2004: 443), wobei sich bei dieser eigentlich um einen fast übersimplifizierten Ursache-Wirkungs-Zusammenhang handelt: Durch die Reduzierung der Instrumente soll eine maximale Wirkung erzielt werden. Bemerkenswerterweise findet diese Art des Herangehens im Europäisierungsprozess große Akzeptanz. Die Reduzierung der Instrumente wird als zentral und wichtig erachtet. Ferner wird sie für realisierbar gehalten. Außerdem wird davon ausgegangen, man könne Komplexitätsanreicherung betreiben, indem einfach weiterhin wichtige Funktionen und Entscheidungen zusätzlich in den jeweiligen Nationalstaaten ausgeübt werden. Im Europäisierungsprozess werden auch keine harten Prioritäten formuliert, keine Mechanismen vorgeschrieben; Auch werden nicht einige Vorhaben als wichtig und andere als unwichtig erklärt, sondern es findet eine Einigung auf wenige zentrale Instrumente statt. Daneben steht die Forderung im Raum, dass alles andere, was es auch sein mag, zugleich mit kalkuliert und umgesetzt wird. Mit dieser Vorgehensweise wird folglich auch den Kritikern der Wind aus den Segeln genommen. Eine weitere Annahme schwingt in dieser faszinierenden Mobilisierung durch Europa mit, dass nämlich die strukturelle Konvergenz ohne Verlust der inhaltlichen Vielfalt und 214 der Varianten erreicht werden kann. Unstimmigkeiten darüber werden außer Acht gelassen bzw. bestimmen nicht die hochschulpolitischen Debatten. Die Frage in diesem Zusammenhang ist, ob strukturelle Konvergenz erreicht werden kann, ohne einen Preis dafür zu zahlen. Erstaunlich ist die große Hoffnung, dass es so etwas geben könnte, wie eine Kombination von Angleichungen in bestimmten Dimensionen und mit einer interessanten Varientenvielfalt. Ob sich diese Hoffnung realisieren wird, ob eine punktuelle Angleichung funktionieren kann, ist allerdings in Zweifel zu ziehen Im Moment jedenfalls werden die Zweifel und Fragezeichen an dieser Stelle außer Acht gelassen, zur Seite geschoben, weil die Hoffnung größer ist, dass ein horizontaler Übergang möglich ist, ohne an inhaltlicher Vielfalt zu verlieren. Die dritte Wunderthese ist, dass es so etwas geben könnte, wie Herstellung von Ähnlichkeit im Qualitätsniveau ohne weitere Stratifizierung. Im Europäisierungsprozess möchte man eine leichtere gegenseitige Anerkennung und mehr gegenseitiges Vertrauen schaffen sowie die gegenseitige Mobilität erhöhen. Gleichzeitig möchte man aber auch miteinander in den Wettbewerb treten. Das heißt: strukturelle Ähnlichkeit und Annäherung des Niveaus einerseits und Wettbewerb andererseits. Im Wettbewerb miteinander zu sein, erfordert im Grunde eine höhere Stratifizierung. Die Ähnlichkeit des Niveaus im Europäisierungsprozess unter Bologna soll allerdings ohne Stratifizierung, also ohne vertikale Differenzierung, erreicht werden. Selbstverständlich ist es nicht, dass zwei im Grunde konvergierende Prinzipien koexistieren sollen. Das tatsächlich Interessante am Europäisierungsprozess ist, dass die „Wunderthesen“, die im Grunde ein Spannungsverhältnis bilden – nach Teichler „paradoxe Thesen“ – eine erstaunlich hohe Akzeptanz finden. Schlussfolgern kann man, dass in einem solchen Prozess natürlich Unvereinbarkeiten enthalten sind. Wenn der Glaube Akzeptanz findet, dass die Unvereinbarkeiten durch das „kreative Zusammenkommen“ (Teichler 2005) (z. B. im Bologna-Prozess) überwunden werden können, so weckt die Vision Europa in der Realität große Hoffnungen, die, falls das kreative Zusammenkommen möglich werden sollte, auch berechtigt sind. So überwindet das Wunschdenken, der Glaube an den „großen Wurf“, auch wenn dies auch keine vernünftige Erklärung ist, die Konflikte. Zudem haben wir es in diesem 215 Europäisierungsprozess mit einer erstaunlich hohen politischen Akzeptanz zu tun - schließlich es ist nicht das Selbstverständlichste von der Welt, dass die „Wunderthesen“ greifen. Die Sogkraft Europas ist in dem Denken so verankert, dass sich solche Spannungsverhältnisse möglicherweise erfolgreich versöhnen lassen können. 1.2. Evidenz des Scheiterns: Ist das Glas halb voll oder halb leer? Durch die Faszination Europa werden die Unvereinbarkeiten, die vielen Risiken und Probleme, wie bereits erwähnt, übertüncht. Das Positive an diesem euphorischen Implementationsprozess ist, dass durch die Mobilisierung die Möglichkeit besteht, viele Probleme bzw. Teile der Probleme als überwindbar erscheinen zu lassen. Durch den Bologna-Prozess wurde – und zwar nicht linear als Ursache-Wirkung gesehen – zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Reform eingeleitet und es werden sich in dem Implementationsprozess die Elemente aussortieren, die aktuell Bedeutung erlangen. Hier setzt Teichlers Zusatzthese an, dass der Implementationsprozess eigentlich die „Stunde der Wahrheit über diese euphorische Annahme sein sollte oder könnte“. Allerdings wird gegenwärtig der Implementationsprozess von einem politischen Instrumentarium begleitet, das sich auf Zustimmung konzentriert und das die Stimmen von Kritikern, und Zweiflern, also der Neinsager, untergehen lässt. Auch wenn es im Prozess der Implementation natürlich Kritik gibt, nicht umgesetzte Vorhaben oder unterschiedliche Herangehensweisen, werden dennoch keine „Supercrash-Punkte“ (Teichler 2005) gesehen. Obwohl die Euphorie groß, der Nachweis der Schwächen nicht einfach ist und eine Mühle der politischen Begleitung im Gang ist, sind Zweifel angebracht, ob die Euphorie unbegrenzt so weiter gehen wird., Es scheint unwahrscheinlich, dass diese drei „Wunder“ so verwirklicht werden können, dazu sind zugrunde liegenden Probleme in sich zu spannungsreich. Ferner ist die Frage danach, ob das Glas halbvoll oder halbleer ist, von der Sicht des Betrachters abhängig. Beide Sichtweisen sind auch im Bologna-Prozess enthalten. Am Beispiel der türkischen Universitäten wird dies deutlich: Wenn eine Universität aus der Türkei in die Liste der besten Universitäten in Europa aufgenommen wird – das können auch wenige, ja kann nur eine einzige Universität des Landes sein, die dadurch Anerkennung und Akzeptanz in Europa erhält – so ist die Frage: Ist das nun Erfolg oder Misserfolg der türkischen Europapolitik? Beide Sichtweisen sind möglich, aus der Sicht 216 der Europa-Befürworter ist es für die Türkei ein großer Erfolg, falls eine ihre Universitäten eine Platzierung auf der europäischen Exzellenzebene fände, während die Kritiker, dies als keinen Erfolg ansehen würden, da es Ihnen darum geht, dass alle Universitäten des Landes dieses hohe Qualitätsniveau erreich sollten. Dieses Beispiel zeigt, dass durch Komplexität auch eine Vielfalt der Maßstäbe und Vielfalt der Urteile möglich ist. Die Komplexität des gemeinsamen Vorhabens lässt viele, auch widersprüchliche Interpretationen durch die unterschiedlichen Akteure zu. Darüber hinaus wird am Beispiel der Türkei deutlich, dass eine gemeinsame einheitliche nationale staatliche Hochschulpolitik zunehmend verschwindet. Dieses ist im Grunde eine der Folgen der hierarchisierten Hochschulsysteme innerhalb eines Nationalstaates. Durch die Hierarchisierung der Hochschulen werden mit dem Zwang zur internationalen Wettbewerbsfähigkeit die nationalen Hochschulpolitiken stratifiziert. Dadurch wird auch die Bewertung und die Beurteilung eines gesamtnationalen Hochschulsystems nicht mehr möglich sein. In Fragen der Hochschulautonomie führt dies dazu, dass einige Hochschulen in den jeweiligen Nationalhochschulsystemen autonomer und einige stärker unter staatlicher Kontrolle stehen werden. Am Beispiel Deutschlands wird deutlich, dass die Aufgabe der relativen Homogenität in der Hochschulqualität zur Hierarchisierung der Hochschulbildung führen wird (siehe Kapitel 2.3.2 in dieser Arbeit). In der Forderung nach Reduzierung der Komplexität klingt eine „kopflastige Vorstellung“ (Neusel 2005) an, d. h. eine analytische Annahme der Forscher von der Rationalität der politischen Prozesse. Die Betrachtung der Praxis zeigt, dass die Zielfindung in der Politik und die Umsetzung der politischen Ziele in sehr hohem Maße von den Interessen der Akteure abhängig und damit unabsehbar sind, dies gilt im Hochschulbereich mehr als in anderen Politikbereichen. Die Annahme, dass die Reduzierung der Komplexität auch die Umsetzung übersichtlicher machen würde, scheint daher nicht überzeugend. 1.3. Unscharfe Landkarten Der Bologna lebt im Grunde von dem Versprechen, präzisere “Landkarten“ ziehen zu wollen, aber der Erfolg des Bologna-Prozesses liegt– paradoxerweise (Teichler 2005) – in der Nichtrealisierung dieses Versprechens. Der Erfolg basiert auf der Beibehaltung der unscharfen, vagen Landkarten im Europäisierungsprozess. Ein Teil der Logik des 217 Systems ist zurzeit die Vermeidung klarer Zuordnungen auf dieser Landkarte. Der Bologna-Prozess verspricht einerseits, dass zum Schluss Klarheit darüber herrschen wird, mit welcher Qualität welche Studienangebote zu welchen Bedingungen wo durchgeführt werden, andererseits ist die Vagheit jedoch die Haupttriebkraft des ganzen Reformprozesses. Dieses wird am Beispiel der zentralen Fragen der Anerkennung, des Qualitätssicherungs- und -bewertungssystems im Europäischen Hochschulraum deutlich. Die Themen Anerkennung und Qualität werden relativ vage gehalten und diese objektive Vagheit dient der Mobilisierung. Die Qualitätsbewertung lebt unter anderem vom Versprechen, dass es diese “Landkarten“ erbringt. Sie ist wirksam, ohne dieses Versprechen einzuhalten. Eine wirkliche Herstellung einer “Qualitätslandkarte würde bedeuten, die vertikale und horizontale Differenzierung deutlich zu machen, dass würde somit die Einordnung der einzelnen Hochschulen sowie der Unterzeichnerländer auf der Landkarte erfordern. Gleichzeitig würden Antworten auf die Fragen gesucht werden müssen, was akzeptabel oder was nicht akzeptabel ist, was gleich ist oder nicht. Wenn die Qualitätsbewertungssysteme wirklich Mess- und Landkartenerstellungsfunktion haben und vertikale oder horizontale Differenzierung ermitteln sollen, dann ist zu fragen, ob dies bisher geleistet wurde. Deutlich wird, dass aus verschiedensten Gründen diese kartographische Funktion nicht erfüllt wurde: Klare Maßstäbe wurden vermieden, eher ist von der Kooperation von (Qualitätsbewertungs-)Systemen die Rede als von gemeinsamer Beurteilung. Der Wunsch der Bologna-Unterzeichnerländer ist, ein Gütesiegel oder Exzellenzsiegel zu bekommen, aber dazu müssen die Hochschulen zertifiziert werden, ob sie gut, nicht gut oder gar relativ schlecht sind. Diese Zertifizierung findet nicht statt, und so haben wir es mit einer politischen Vermeidungsstrategie zu tun. Eine Zertifizierung könnte die Mobilisierung für die Europäisierung gefährden; während die objektive Vagheit bei der Erfolgsmessung je nach Blickwinkel, je nach Maßstab des Beurteilers unterschiedliche Urteile erlaubt. Und diese objektive Vagheit in dem komplexen System der Hochschulen in Europa erlaubt für die einzelnen politischen Akteure einfache Erfolgserlebnisse, denen, auch wenn sie klein sind ein großer Stellenwert verliehen werden kann. 218 2. Die ersten Wirkungen der Europäisierung für die nationalen Hochschulsysteme der ungleichen Partner Im Bologna-Prozess kommen, wie bereits dargestellt, die europäischen Bildungsminister und die Bildungsminister der Unterzeichnerländer zusammen und entwerfen Empfehlungen, die sie per Verordnung in ihren Ländern umsetzen oder versuchen, durch verbindliche Regelungen die Einigungspunkte umzusetzen. In jedem Unterzeichnerland treffen theoretische Zielvorstellungen und politische Realität aufeinander. Im Implementationsprozess der Nationalstaaten finden auf der politischen und der praktischen Ebene Veränderungen statt. Diese werden im Folgenden dargestellt. 2.1. Deckmantel der Europäisierung: Bologna begründet vieles, erklärt wenig Zu beobachten ist derzeit, dass viele Entscheidungen der nationalstaatlichen Hochschulpolitik mit dem Zugzwang der Europäisierung begründet werden. Hier findet auf der einen Seite die Verlagerung der Verantwortung statt Während sich auf der anderen Seite die „objektive Vagheit“ bzw. Unschärfe des Bologna-Modells „als äußerst geeignete Projektionsfläche für unterschiedliche Interessen sowie als Basis für die Bildung eines breiten Konsenses“ erweist (so u.a. Wildt 1997). Wie bereits ausgeführt, findet die Idee der Europäisierung der Hochschulen einen breiten Konsens, und ohne die oben beschriebene Vagheit würden viele Länder gar nicht teilnehmen, denn sie trägt dazu bei, dass Wunschdenken der Nationalstaaten hineinprojiziert werden kann. In der Unschärfe liegt die Chance, dass viele sich damit identifizieren können und dadurch das Modell Bologna hohe Akzeptanz erhält. Hingegen können bei einer exakteren Formulierung viele früh abgeschreckt werden. Es zeigt sich, dass sich die nationalstaatlichen Hochschulpolitiken am Europäisierungsprozess orientieren und bei der Umsetzung bzw. der Durchsetzung von hochschulpolitischen Maßnahmen die Fahne der Europäisierung schwenken. So lassen sich auch Pläne in den einzelnen Ländern in die Tat umsetzen, deren Realisierung ohne Europa auf stärkeren Widerstand, viel mehr Barrieren, Konflikte und Probleme getroffen wären. Die Gewissheit, dass sie sich alle gemeinsam an der Gestaltung Europas beteiligen, legitimiert ihre Hochschulpolitik – und darauf sind die nationalen Hochschulpolitiker angewiesen. Dieses von Neusel (2005) als „Großer-Bruder-Effekt“ bezeichnete Muster auch in früheren Hochschulreformen zu finden. In einer 219 Verantwortungskaskade werden unangenehme Entscheidungen jeweils in die höhere Ebene abgeschoben, damit zugleich Zustimmung in den eigenen Reihen erheischt. Auch am Beispiel des türkischen Hochschulrats wird dies deutlich: Im Zuge der EU- Anpassung wurde der Sitz des Vertreters der Streitkräfte im Hochschulrat gestrichen. Dies kam der jetzigen islamisch-konservativen Regierung ganz gelegen, da die Streitkräfte in der Türkei für das Kopftuchverbot an den öffentlichen Einrichtungen und Hochschulen sind. Im Zugzwang der Europäisierung konnten die gesetzlichen Veränderungen schnell durchgeführt werden. Auf der anderen Seite war die Streichung des Streitkräftevertreters im Hochschulrat auch ein notwendiger Schritt zur lang anstehenden Öffnung für gesellschaftliche Bedürfnisse des türkischen Hochschulrats. Es zeigt sich ebenfalls, dass es in diesem Implementationsprozess auch um eine Reformpolitik geht, die in den jeweiligen Ländern unterschiedlich umgesetzt wird. Die Faszination Europa bewegt nicht nur, sondern verändert auch vieles (siehe Trends III). Es ist sehr deutlich etwas in Bewegung gekommen. Am Beispiel Deutschland wird dies noch deutlicher. Durch Bologna erleben wir eine Reformeuphorie, die es seit der Reformeuphorie bei der Etablierung der Gesamthochschulen – seit dreißig Jahren – nicht mehr gab. Die Frage ist, was geschieht, wenn die Unschärfe des Bologna-Modells die Widersprüche des Prozesses nicht mehr auffangen kann und wenn die Faszination in Resignation umkippt? Falls dies der Fall sein würde, bleiben trotzdem einige gravierende Veränderungen und Folgen des Bologna Prozesses bestehen. Diese sind:  strukturelle Veränderungen;  errungene relative Eigenständigkeit der Hochschulen;  Öffnung und Internationalisierung vieler Entwicklungen in einer Reihe von Nationalstaaten sowie  verändertes Selbstbewusstsein der Eliten einiger Nationalstaaten. Im Grunde gestaltet die Europäisierung die nationalen Hochschulpolitiken mit, und dadurch wird in den nationalen Hochschulsystemen unter dem Deckmantel der Europäisierung bewegt, verändert, legitimiert und verbunden. 220 2.2 Das Modell der Kern- und Peripherieländer Im Bologna-Prozess ergibt sich die doppelte Frage nach dem Sinn und Zweck der Ausweitung des Prozesses sowohl aus der Sicht des Zentrums als auch aus der Sicht der Peripherie. Außerdem stellt sich die Frage: Welchen Nutzen haben diese Länder in dem gemeinsamen Europäisierungsprozess? Die Ausweitungsbestrebungen des Bologna-Prozesses durch Knüpfen „privilegierter Partnerschaften“107. erscheinen insofern konsequent, als im Europa-Konzept nicht nur ein Binnenbezug bzw. nicht nur die Konzentration auf interne Gemeinsamkeit, sondern auch die Idee der Ausstrahlung nach außen enthalten ist. Ferner wohnt die Idee der Internationalisierung schon dem Europäisierungsprozess inne. Dass der Zustand der privilegierten Partnerschaft sich lohnen kann und obendrein, dass sich dies langfristig zu einer Kooptation (von der Peripherie ins Zentrum) auswachsen kann – solche Ideen waren schon in dem EU-Erweiterungsprozess enthalten, als die EU von 15 auf 25 Mitgliedsländer angewachsen ist. Ferner ist auch eine Austauschbeziehung unter Ungleichen ein Teil des Zweckes der europäischen Politik. Nicht nur ein Binnenraum, sondern auch ein Außenraum sollte mit einbezogen werden. Damit wurde erstmals die Koexistenz von Zentren und Peripherien prinzipiell als ein Aspekt der europäischen Entwicklung angesehen. Die Ausweitung des Bologna-Prozesses auf die Peripherieländer ist auch unter dem Gesichtspunkt der strategischen Allianzen für Europa von Bedeutung. In Zeiten der Globalisierung braucht Europa quasi “freundliche Satelliten“ (Teichler 2005). Europa ist die “heile Binnenwelt“, in der man nach innen Konvergenz, Anerkennung und Vertrauen schafft, um nach außen wettbewerbsfähig zu sein und zu bleiben. Im Grunde ist das Hauptziel von Bologna deshalb Kooperation nach innen und Konkurrenz nach außen. Zugleich vermittelt Bologna durch die Ausweitung, das es auch nach außen strategischen Allianzen eingehen kann. Eine produktive Beziehung von Ungleichen könnte auch die Marktkonkurrenzen unterlaufen und würde durch die strategischen Allianzen Vorteile auf dem europäischen sowie dem internationalen Hochschulmarkt verschaffen. Die Strategie der Allianzen ist zugleich eine „Zwischenkonstruktion“ der strategischen Partner in einem geographisch weiteren Raum der polarisierten Welt. 107 Die Formulierung geht zurück auf die Forderung der CDU Vorsitzende Angelika Merkel zum Thema Beitritt der Türkei in die EU. A. Merkel ist gegen eine Vollmitgliedschaft der Türkei in die EU und 221 Umgekehrt, also aus der Sicht der ungleichen Partner – Beispiel Türkei –, kann der Bologna-Prozess eine Überlebensstrategie in einer konkurrierenden Welt darstellen. Ein weiteres Unterzeichnerland des Bologna-Prozesses zu sein, würde eine mittelfristige Strategie verkörpern, da die Länder der Peripherie sich nicht alleine in einer globalisierten Welt definieren können. Langfristig auf eine Strategie der jederzeit wechselnden Partnerschaften zu setzen, kann niemandem zugemutet werden. Nach wie vor wird es aber für diese Länder, wie im Beispiel Türkei, unterschiedliche Optionen der Kooperation geben: Europa oder USA. Ferner impliziert die Idee der strategischen Allianz die Aussage, dass es in der globalisierten Welt nicht nur zu unfreundlichem Wettbewerb kommt, sondern dass es auch eine Welt gibt, die auf Kooperation beruht. Es gibt neben der Konkurrenzsituation noch strategische Allianzen. So sind alle Kartelle, Fusionen u. ä. Mechanismen, um das reine Prinzip des Marktes zu umgehen und sich auf dem Markt Vorteile zu verschaffen. Insofern sind die strategischen Allianzen ein Teil des normalen Alltagsverhaltens von Marktpartnern und insofern gibt es keinen unversöhnlichen Gegensatz zwischen Konkurrenz- und Kooperationsprinzip. Ein weiterer Aspekt der Beziehungen zwischen Zentrum und Peripherie, zwischen Hauptakteuren und Allianzpartnern ist der des globalen Umfelds: Was bedeutet Bologna für die Beziehungen der Hochschulen, die über den Bologna-Raum hinausgehen? Deutlich ist, dass der Bologna-Prozess in der näheren Peripherie Europas Entwicklungen ausgelöst hat, aber auf der globalen Ebene ist dieses nicht sehr eindeutig. Unklar ist auch, ob durch den Bologna-Prozess auch Studierende aus weiter entfernten Ländern angezogen worden sind. Im Verlauf dieser Arbeit wurde deutlich, dass in der Entwicklung des Europäisierungsprozesses immer weniger von eigenständigen und einheitlichen nationalstaatlichen Hochschulpolitiken geredet werden kann. Es zeichnet sich ein Trend ab, in dem langfristig die europäische Entwicklung das Modell der Kern- und Peripherieländer konterkarieren kann. Dieses wird dann voraussichtlich durch das Modell von übernational gedachten Zentren und Peripherien ersetzt werden. Dieser Prozess trägt zwei Momente in sich: Zunächst haben die Kern- und Peripherieländer formal noch große Bedeutung für die Entwicklungsstruktur des fordert die “privilegierte Partnerschaft“; hier wird der Begriff allerdings auf die Mitunterzeichner der Bologna-Erklärung verwendet. 222 Prozesses aber zugleich befindet er sich im Übergang zu einem Modell von „Zentren“ und „Peripherien“. „Zentren“ würde in diesem Zusammenhang bedeuten, dass die europäische Exzellenz – also die besten europäischen Hochschulen – in einem Verbund zusammenkommen könnten, in dem räumliche und national unterschiedliche Herkünfte vertreten sind. Am Ende des Prozesses könnte stehen, dass die top ten der europäischen Hochschulen nicht nur in Netzwerken zusammenarbeiten, sondern die Exzellenz des Europäischen Hochschulraums repräsentieren, also auf dem internationalen Hochschulmarkt sichtbar in Konkurrenz zu anderen Marktführern treten – wobei anzunehmen ist, dass dieser Verbund kein geschlossener Kreis sein wird, sondern dass es immer wieder Ein- und Ausschlüsse geben wird. Die derzeitige Umbruchsphase der nationalen Hochschulsysteme, gefördert durch die Internationalisierung, Europäisierung und Globalisierung, bedeutet einen Übergang von der nationalstaatlichen Ebene auf eine höhere Stufe. Dabei verlieren die Nationalstaaten nicht ihre vollständige Bedeutung, jedoch ändern sich ihre Aufgaben und ihre Politik. 2.3. Die gängigen Denkstrukturen und Hochschulstrukturen stehen vor Veränderungen Durch die Europäisierung kommen die bisher üblichen Grundannahmen über die europäischen Hochschulsysteme in Bewegung. Die gängigen Denkstrukturen sind:  die nationalen Systeme werden als geschlossene Systeme gedacht;  es existiert ein generalisierter Vertrauensvorschuss an ähnliche und benachbarte Hochschulsysteme in Europa;  es wird von Kern- und Peripherieländern ausgegangen. Vor Bologna war die Annahme weit verbreitet, dass die nationalen Systeme in sich geschlossen sind. Die Rede war von dem deutschen Hochschulsystem oder vom französischen oder englischen Hochschulsystem; sie waren zugleich Gütesiegel für sich. Diese nationalen Hochschulsysteme in Europa brachten mehr Vertrauen untereinander auf als gegenüber anderen oder zum Teil nicht europäischen Hochschulsystemen. Gedacht wurde in den Kategorien „Kern“ und „Peripherie“. Dabei wurde dem „Kern“ eine führende Funktion zugedacht und „Peripherien“ folgend oder abhängig sind. Aus der Perspektive der Peripherie – hier räumlich gedacht – bedeutete dies auch Abhängigkeit und Ringen um Akzeptanz der Kernländer. Der „Kern“ – Teichler bezeichnet diese Länder als die „selbstgefälligen Länder“ und die Peripherieländer als 223 die „aufstrebenden Länder“ – bestimmt die Kriterien der Aufnahme und setzt die Standards z. B. im Bereich Qualität (Teichler 2005). Während die peripheren Länder weniger Formulierung von Kriterien von Qualität und Standards sowie der Macht zu tun haben. Eine Veränderung der gängigen Strukturen könnten die Peripherieländer einfordern. In bezug auf die Peripherie ist die verbreitete Sichtweise der Kernländer, dass die Hochschulqualität und die -strukturen mehr oder weniger gleich sind – wie am Beispiel der Türkei aufgezeigt. Dies ist jedoch nicht so; hier ist die Hierarchisierung der Hochschulen viel weiter vorangeschritten. Durch die Differenzierung im türkischen Hochschulsystem ist auch nicht von einer „gemeinsamen bzw. einheitlichen“ Hochschulpolitik zu sprechen. Es zeigt sich, dass es keine kollektive Strategie gibt, sondern dass die Strategien der einzelnen Universitäten dominierender sind. Die Eliteuniversitäten der Türkei sehen sich im Wettbewerb zu international hoch anerkannten Universitäten von gleicher Qualität. Die Vertreter dieser Universitäten sehen ihren Erfolg in der Abgrenzung zu den Massenuniversitäten des eigenen Landes. Die Heterogenität des türkischen Systems entspricht eher dem der USA. Von der Struktur her führt dies genau zu dieser Polarität der Strategien der Universitäten in einem Land wie der Türkei. Die im Teil II genannte Binnendifferenzierung wird von der kollektiven Hochschulpolitik der Türkei zur Kenntnis genommen und dementsprechend werden Politiken entwickelt. Die Argumentation dieser Hochschulpolitiken beruht auf der Aussage, dass eine stärkere vertikale Differenzierung, als sie im US-amerikanischen System vorhanden ist, für den Binnenerfolg notwendig ist. Dies führt dazu, dass diese Länder auf der internationalen Ebene einige Universitäten als ebenbürtige Partner präsentieren können. Die „aufstrebenden Länder“ verfolgen verschiedene Strategien: Es gibt solche, wie zum Beispiel die osteuropäischen Länder, die mit dem Imitieren von Regelwerken eher eine Anpassungsstrategie verfolgen, in der großen Hoffnung, dass diese Regelwerke plötzlich „Anerkennungswunder“ bewirken, während die anderen Länder versuchen Partnerschaften zum Leben zu bringen. Die genannten neueren Entwicklungen in Europa lassen es sinnvoll erscheinen, die Aufteilung in Kern- bzw. Peripherieländer und die Geschlossenheit ihrer nationalen Hochschulsysteme zu überdenken. Durch Bologna stehen die gängigen Hochschulstrukturen vor Veränderungen. Das heißt, die in Jahrhunderten entstandenen gewohnten Strukturen, Inhalte, 224 Kommunikationssysteme, Qualitätssysteme, politischen Kontrollen und so weiter verändern sich und werden in Frage gestellt. In der Phase des Umbruchs gehen die alten bzw. gewohnten Sicherheiten verloren. In der Neugestaltungsphase erleben wir die Paradoxie der Faszination: Alle scheinen begeistert von einer Entwicklung, obwohl diese eigentlich eine „totale Verunsicherung“ auslösen sollte (Neusel 2005). Die auftretenden Unsicherheiten werden als Phänomene der Übergangssituation angesehen und hingenommen in der Hoffnung ist, dass sie sich zu neuen Sicherheiten, neuen Rahmenrichtlinien auswachsen werden. Dies ist auch eine weitere Erklärung für das Konvergenzbestreben der Bologna-Länder, die den Wunsch nach Sicherheit, den Wunsch nach Vergleichbarkeit von Strukturen, von Qualität, den Wunsch nach einer europäischen, besseren Ordnung, nach Transparenz der Hochschulen haben. Andererseits stehen dem größere Differenzierungen, neue Hierarchien, Verlierer und Gewinner des Systems entgegen. Das ist die Paradoxie. 2.4. Die ersten Reaktionen der Hochschulpraxis Im Prozess der Europäisierung der Hochschulen zeigt sich, dass die von der politischen Instanz initiierte Faszination und die Reformen in den Beispielländern zu ersten Auswirkungen geführt haben. Diese äußern sich in:  die Eröffnung von Übergangschancen und -möglichkeiten;  zunehmender Differenzierung und Hierarchisierung der nationalen Hochschulsysteme sowie  Verlust und Zugewinn im Europäisierungsprozess. 2.4.1. Übergangschancen und -möglichkeiten In der Phase der Faszination und Reformeuphorie wird in der Übergangs- und Anpassungsphase vieles möglich, was zuvor nicht möglich war. Durch den Abbau der Hindernisse in der Übergangsphase werden einige Studierende von den „Vorteilen des Übergangschaos“ profitieren können. Zum Beispiel ist es für Absolventen mit Bachelor-Abschluss aus der Türkei möglich geworden in Deutschland ein zweijähriges Masterstudium zu absolvieren. Für die türkischen Studierenden wird das Studium in Deutschland mit einem international anerkannten Abschluss transparenter und überschaubarer. In der Etablierungsphase der 225 B.A./M.A.-Studiengänge wird diese Chance des Studierens von einigen türkischen Studenten wahrgenommen. Für Studierende aus der Türkei, die ohnehin die Möglichkeit haben, ihr Studium im Ausland fortzuführen, käme eher ein anderes Land als Deutschland in Frage. Zum einen könnte dies mit der deutschen Sprache, d. h. den deutschsprachigen Studiengängen zusammen hängen, zum anderen könnte dies auch daraus resultieren, dass in der Türkei, wie bereits genannt, der Bachelor-Abschluss vierjährig ist, in Deutschland hingegen dreijährig. Die neue Benachteiligung – die Gleichsetzung eines vierjährigen Bachelor- Abschlusses mit einem dreijährigen Abschluss – könnte aber in den englischsprachigen Masterstudiengängen weniger von Bedeutung sein als bei den deutschsprachigen. Das heißt, ein Absolvent einer englischsprachigen türkischen Universität würde eher einen englischsprachigen Masterstudiengang studieren als einen deutschsprachigen, u. a. weil das Erlernen der deutschen Sprache mehr Zeit und finanziellen Aufwand bedeuten würde. Ein mögliches zusätzliches Hindernis ist die Einführung von Studiengebühren an den deutschen Hochschulen. Ob ein deutschsprachiges Studium in Deutschland für die Auslandsstudierenden aus der Türkei auch nach der Einführung von Studiengebühren noch attraktiv sein wird, bleibt abzuwarten. Eine weitere Übergangschance für die türkischen Studierenden bietet ein Stipendium für ein Kurzzeitstudium im Ausland. Wie bereits erwähnt, ist die türkische Hochschulpolitik bemüht, im Zuge der Europa-Faszination und Europa-Euphorie die Anzahl der mobilen Studierenden zu erhöhen. Für diesen Zweck stellt sie derzeit größere finanzielle Mittel zur Verfügung. Ferner nehmen die internationalen Hochschulkooperationen zu. 2.4.2. Differenzierung und Hierarchisierung der nationalen Hochschulsysteme Es ist abzusehen, dass im Prozess der Europäisierung trotz Konvergenzbestrebungen die Tendenz zu vermehrter Differenzierung und Hierarchisierung innerhalb der nationalen Hochschulsysteme gegeben ist. Die relative Homogenität der nationalen Hochschulsysteme wird aufgegeben. In Deutschland, wo von der Homogenität des Hochschulsystems ausgegangen wird, könnten dadurch größere Binnenprobleme entstehen. Im jetzt anlaufenden Hierarchisierungsprozess der deutschen Hochschulen werden in Zukunft manche an Status einbüßen und andere zu Eliteuniversitäten aufsteigen, d. h. sie werden mehr Mittel, mehr Anerkennung und mehr gesellschaftliche Zuwendung erhalten. Einige 226 Universitäten wie z. B. Göttingen, München und Berlin sind bereits jetzt stark bestrebt mit nationalstaatlicher Unterstützung zu Eliteuniversitäten zu werden und damit zu den besten Universitäten des Europäischen Hochschulraums zu gehören. Dies könnte im Binnensystem des deutschen Hochschulwesens zu großen Spannungen führen, während es in der Türkei überhaupt keine Rolle spielen würde, denn hier wird dieses heterogene System seit zwanzig Jahren praktiziert. Das heißt: In diesem Punkt hätte die Türkei einen Vorsprung im Prozess der Anpassung der Systeme. Das hierarchisch gegliederte Hochschulsystem der Türkei wird in Zukunft jedoch von einer Zweiteilung gekennzeichnet sein: Es wird Universitäten geben, die mehr Autonomie genießen, und es wird Universitäten mit weniger Autonomie geben. Innerhalb der europäischen Harmonisierungsbestrebungen zeichnet sich eine Differenzierung und Diversifizierung ab, die sich in Zukunft noch verstärken wird. Aus der Sicht der Kernländer rücken die Länder der Peripherie näher, sie werden sichtbarer, zum Teil müssen gewohnte Vorurteile überdacht werden, muss dieses Land neu beschrieben werden, denn es befindet sich mit anderen zusammen in einem Boot, dem Boot Europa. Dieses könnte zu Folge haben, dass einerseits die Kernländer enger zusammenrücken und somit die Peripherieländer zu neuen Untergruppen im Boot werden, von denen manche jedoch versuchen werden, einige ihrer Universitäten auf Grund ihrer Exzellenz zu Zentren aufsteigen zu lassen. Andererseits könnte die Möglichkeit erwogen werden, das Boot groß genug zu bauen. Begleitet werden die Folgen von der Zunahme der vertikalen und der horizontalen Differenzierung innerhalb Europas. Ein weiterer Punkt, der für den Europäischen Hochschulraum Folgen haben wird, ist die wachsende Ökonomisierung der Hochschulbildung, die in einigen Kernländern nicht besonders, in einigen Peripherieländern hingegen – wie am Beispiel der Türkei bereits aufgezeigt – stark ausgeprägt ist. Bisher findet dieser unterschiedliche Entwicklungstand der Bologna-Partner in der Öffentlichkeit noch wenig Aufmerksamkeit. Diskussionen über die Bedürfnisse der Gesellschaft fehlen noch im Bologna-Prozess, statt dessen ist das Augenmerk viel mehr auf die Vermarktbarkeit der europäischen Hochschulen gerichtet. Es ist zu beobachten, dass ein Kreis sich formt, der auf die Annahme beruht, die Reformen werden gemacht um die Attraktivität der europäischen Hochschulen zu steigern und auf der Seite der Studierenden festigt sich immer mehr das Bewusstsein, dass neue Studienabschlussgrade erworben werden 227 müssen, um auf dem von Krisen gekennzeichneten Arbeitsmarkt, ihre Chancen zu erhöhen. 2.4.3. Verlust und Zugewinn Aspekte von Verlust und Zugewinn von Nationalstaaten werden am Beispiel von Deutschland und der Türkei deutlich. Durch die Fragmentierung der Hochschulen auf der europäischen Ebene könnten unerwarteterweise verschiedene Universitäten der Türkei jetzt Kontakte zu deutschen Universitäten knüpfen. Den türkischen Universitäten würde dies in ihrem Land zu erhöhtem Ansehen verhelfen. Ferner erhielten sie durch die Beteiligung an europäischen Programmen größere Profilierungs- und Entwicklungsmöglichkeiten. Die Umbruchsphase, in der bisher Angenommenes zunehmend verwischt wird, hält Überraschungen bereit: Zum Beispiel können bei der Entstehung der Zentren Hochschulen aus Ländern, in denen Exzellenz bisher nicht vermutet wurde, einen Platz weit oben bekommen. Viele Länder werden versuchen, einige ihrer Hochschulen als exzellente Hochschulen in den Europäischen Hochschulraum einzubringen. Diese Hochschulen werden eine spezielle Förderung und Finanzierung in Richtung „Centers of excellence“ erhalten, was zur Folge haben wird, dass die Mehrheit der Hochschulen innerhalb eines nationalen Hochschulsystems eben nicht zu den geförderten Hochschulen, sondern zur europäischen Peripherie gehören wird. Durch eine überraschende Platzierung einiger Universitäten der Peripherieländer in den „top ten“ der europäischen Hochschulen oder durch eine noch bessere Platzierung könnten sich einige Kernländer in ihrem Selbstbewusstsein verletzt fühlen; ihre bisherige Annahme, „sie gehörten zu den Besten der Welt“ wäre gefährdet. Aus der Perspektive der Peripherieländer würde dies einen Zugewinn an schon immer angestrebter Anerkennung und Akzeptanz bedeuten. 3. Neue Herausforderungen und Fragen an die Hochschulforschung durch die Europäisierung In der Bologna-Umbruchsphase ist eine ganz neue Entwicklung zu beobachten, die in der Hochschulforschung begrifflich noch nicht erfasst ist. Die Herausforderung an die Forschung ist, dass über die Europäisierung der Hochschulen immer mehr räumlich, geographisch und national geprägte Begrifflichkeiten ihre klare Zuordnung verlieren. 228 Kern, Zentrum und Peripherie sind Begriffe, die aus der Geographie, Geometrie und Architektur kommen und räumlich besetzt sind. Wenn wir von Ländern sprechen, Kern- bzw. Peripherieländern, so ist dies national und geographisch geprägt. Diese Begriffe spiegeln jedoch nicht die neueren Entwicklungen des Europäisierungsprozesses wider. Neue, treffende Begrifflichkeiten dafür, was entsteht, sind noch nicht gefunden. Es entstehen zentrale und periphere Hochschulen und Hochschulverbünde in Europa. Es entstehen sozusagen europaweit neue Differenzierung, neue Hierarchisierung, es entstehen Zentren von Exzellenzen, die aber nicht räumlich zusammengehören, und es. entstehen Randgebiete, auch nicht räumlich gedacht, die ihren „Platz“ z. T. auch im heutigen Zentrum haben könnten. Diese Entwicklung gestaltet sich im Rahmen des internen Wettbewerbs, d. h. des Wettbewerbs zwischen den nationalen Hochschulen selbst, des Wettbewerbs mit den Hochschulen der Unterzeichnerstaaten der Bologna-Erklärung und des externen Wettbewerbs, der auf der internationalen Hochschulebene voranschreitet. Der von Teichler konstatierte Denationalisierungsprozess der Hochschulen wird durch den „Europäischen Hochschulraum“ verstärkt. Dadurch erhalten die Hochschulen der Unterzeichnerstaaten selbst einerseits eine aktivere Rolle und die Möglichkeit, neue Freiheiten zu gestalten, andererseits bestimmen neue Faktoren die Gestaltung der Hochschulen. Bereits 2001 hatten Kehm und Pasternack (2001: 221) „von der Herausbildung eines Dreiklassensystems (Hochschulen mit internationaler, nationaler und regionaler Reputation)“ gesprochen. Wir befinden uns sozusagen auf einer Vorstufe von Hochschulverbünden. Ihnen angehörende Hochschulen werden nach wie vor von nationalen Einflüssen bestimmt sein, aber übernational und überregional Wirkungen entfalten. Zusammenfassende Thesen In allen Ländern, die Teil des Bologna-Prozesses sein wollen, wie z.B. die osteuropäischen Länder und die Türkei, erhofft man sich von den neuen europäisch strukturierten Hochschulsystemen Vorteile, nicht zuletzt das macht die „Faszination“ des Prozesses aus. Analytisch gesehen, wird es jedoch Enttäuschungen geben, denn nicht alle Annahmen und Erwartungen werden sich erfüllen. Trotzdem entstehen aus dem Veränderungsprozess Vorteile für die nationalen Hochschulsysteme. 229 Die Enttäuschungen werden nicht entlang der Denkmodelle Peripherie- und Kernländer verlaufen, sondern es wird auch in den Kernländern Enttäuschungen und Verluste geben wie in den Peripherieländern Vorteile und Gewinne. Die Europäisierung der Hochschulen bringt neue Inklusions- und Exklusionsprozessen mit sich. 1. Der Bologna-Prozess erzeugt neue Ausgrenzungsmechanismen, die eine andere Qualität der Selektion bedeuten. Neuere Selektionsmechanismen, wie strategische Allianzen und Expansion, führen zu räumlicher Differenzierung. Die Neuorganisation der nationalen Hochschulstrukturen führen zu einer neuen Aufgabenverteilung auf der europäischen Hochschulebene: Massenuniversitäten stehen „centers of excellence“ im Hochschulbereich gegenüber. Im Europäisierungsprozess bekommen die Peripherieländer die Chance transparenter, sichtbarer zu werden. Dies kann zum Abbau von Vorurteilen der „selbstgefälligen Länder“ gegenüber den Peripherieländern führen. 2. Unwahrscheinlich scheint hingegen, dass durch die Konvergenz im Bologna-Prozess der Vertrauensvorschuss gegenüber den ungleichen Partnern gesteigert wird. Der Bologna-Prozess wird von unbeabsichtigten und wenig kalkulierbaren Wirkungen sowie Nebeneffekten begleitet. In der Sprache der Komplexitätsforschung würde dies bedeuten, dass neue Komplexitäten entstehen. Eine „Optimierung“ wird in jedem Unterzeichnerland stattfinden, d. h. die derzeit politisch Verantwortlichen werden den Reformprozess dazu nutzen, ihre Vorstellungen von einem zukünftigen Hochschulsystem zu realisieren. Große Entwicklungslinien, die sich im Zuge der Europäisierung, Globalisierung und Internationalisierung vollziehen, beeinflussen mehr oder weniger alle Nationalstaaten. Die Entwicklungen der Europäisierung der nationalen Hochschulen laufen gleichzeitig und multidimensional. Gleichzeitigkeit bedeutet, zeitliche Parallelität der Entwicklungen, wobei zugleich diverse Ebenen (Makro-, Meso- und Mikro-Ebene) tangiert werden. Die Dimensionen sind je nach nationalen Hochschulsystemen unterschiedlich und damit auch ihre Einflüsse und Entwicklungen. 230 Die verbleibenden Risiken des Bologna-Prozesses sind:  Kontrolle und Sicherung von Vereinbarungen des Bologna-Prozesses;  der Umgang mit Qualitätsunterschieden und allgemeinen Differenzen;  der Umgang mit Spannungsverhältnissen;  der Vereinbarkeitsgrad von Konvergenz und Wettbewerb (Balance bzw. strategische Allianzen),  die Nähe und der Abstand des Bologna-Unterzeichnerlandes zu den Zentren und Peripherien;  das Gleichgewicht zwischen Öffnung und Abgrenzung eines Nationalstaates sowie dessen Mut zu Eigeninitiativen und  der offensive Umgang mit Umgereimtheiten wie sozialer Ungleichheiten, zunehmender Hierarchisierung und Differenzierung, Ökonomisierung. So ergeben sich im Rahmen dieser Untersuchung neue Fragen an die zukünftige Hochschulforschung. Sie wird sich mit folgenden Fragen auseinandersetzen müssen: was passiert, wenn der Zug der „Faszination Europa“ an Fahrt verloren haben wird? Was passiert eigentlich mit dem Bologna-Prozess, wenn die westlichen Akteure des Prozesses aus internen akademischen und administrativen Verstrickungen heraus nicht mehr die treibende Kraft sind? Welche Folgen hätte dies für die „ungleichen Partner“, die derzeit relativ im Hintergrund agieren? Wie können Konvergenz und „compatability“ zwischen unterschiedlichen Hochschulsystemen hergestellt werden? Wie wird mit unterschiedlichen Entwicklungsgeschwindigkeiten umgegangen? Wird anhand der Anerkennung und Qualitätssicherung die Frage des Vertrauens in die Systeme der ungleichen Partner neu gestellt werden müssen? Wird sie überhaupt neu gestellt oder werden andere Kriterien bestimmender sein? 231 Fazit und Ausblick Die Idee der Europäisierung unter Bologna mobilisiert, fasziniert und bewegt die europäischen Hochschulen und die europäische Hochschulpolitik. Der Bologna-Prozess wird von der Vision getragen, die einerseits das Versprechen impliziert, klarere Landkarten zeichnen zu wollen, lebt aber auf der anderen Seite von der Nichteinhaltung dieses Versprechens. Dies führt gegenwärtig zu einer Entwicklung, die von objektiver Vagheit bestimmt wird. Die Veränderungen, die in der Europäisierung im Rahmen des Bologna-Prozesses stattfinden, stellen die Hochschulen und die Hochschulpolitik der Nationalstaaten vor neue Herausforderungen. Notwendig wird, die gängigen Denkstrukturen zu überdenken und sich bewusst zu machen, dass die „Bologna- Europäisierung“ nicht steuerbar sein kann. In der europäischen Hochschulpraxis stehen die Hochschulen vor erneuter Differenzierung und Diversifizierung. Die neue Hierarchisierung und Selektion werden von Mechanismen getragen, die den Bewertungsrahmen des Nationalstaates in den Hintergrund drängen. Hochschulforscher sehen in dem Bologna-Prozess Ungereimtheiten, die in sich zu spannungsreich sind. Der Erfolg des Europäischen Hochschulraums wird nicht zuletzt davon abhängen, inwieweit die Akteure – die Hochschulen und die nationale Politikseite – es lernen und verstehen, mit den Spannungsverhältnissen, Differenzen und Unterschieden umzugehen bzw. diese zu bewältigen. 232 Verzeichnis der Abkürzungen Anabin Anerkennung und Bewertung ausländischer Bildungsnachweise) BLK Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung ABET Accreditation Board for Engineering and Technology-USA ACE American Council on Education ACQUIN Akkreditierungs-, und Qualifizierungs-Institut AQAS Agentur für Qualitätssicherung durch Akkreditierung AUCC Association of Universities and Colleges of Canada BaföG Bundesausbildungsförderungsgesetz BMBF Bundesministerium Für Bildung und Forschung BGBL Bundesgesetzblatt CHEA Council for Higher Education Accreditation CRE Europäische Rektorenkonferenz DAAD Deutscher Akademischer Austauschdienst DGfE Deutsche Gesellschaft für Erziehungswissenschaft DPT Die Staatlichen Planungsstelle (Devlet Panlama Tekilatı ECA European Cultural Area ECTS European Credit Transfer System EHEA European Higher Education Area ElfEL European Institute for E-Learning ENQA European Network of Quality Assurance in Higher Education ERA European Research Area ERIA European Research and Innovation Area ERT European Round Table of Industrialists ESIB National Unions of Students in Europe ETUCE European Trade Union Committee for Education EU Europäische Union EWG Europäische Wirtschaftsgemeinschaft EWR Europäischer Wirtschaftsraum EUA European University Association EURASHE European Association of Institutions in Higher Accreditation FEM Fırat Eitim Merkezi (Fırat Bildungszentrum FEM) GATE Global Alliance for Transnational Education GATS General Agreement on Trade in Services GATT General Agreement on Tariffs and Trade HIS Hochschul Informations System HRK Hochschulrektorenkonferenz INES Indicators for Education Systems (im Rahmen der OECD) ISCED International Standard Classification of Education (UNESCO 1976) ISIC International Student Identity Card ISTC International Student Travel Confederation KLK Kulturministerkonferenz LLL Lebensbegleitendes oder lebenslanges Lernen MOEL Mittel- und Osteuropäischen Länder NCITE National Committee for International Trade in Education PHARE Poland and Hungary Aid fort he Reconstruction of the Economy TEMPUS Trans-European Mobility Scheme for University Students TNE Transnational Education TRIPS Traderelated aspects of intellectual property rights 233 TÜBTAK Türkiye Bilimsel ve Teknik Aratırma Kurumu (Amt für türkische wissenschfatliche und technische Forschung) Wissenschaftliche TÜRKAK Türkischer Akkreditierungsinstitutes von Studiengängen UN CPC United Nations Provisinal Central Product Classification WTO World Trade Organisation YÖK Yüksek Öretim Kurumu (Das Hochschulrat) ZAB Zentralstelle für ausländische Bildungswesen. ZEVA Zentrale Evalutions- und Akkreditierungsagentur 234 Literaturverzeichnis ABET (Accreditation Board for Engineering and Technology-USA-Organisation) (o. J.): Leadership and Quality Assurance in Applied Science, Computing, Engineering, and Technology Education (o. J.): Internet: URL: http://www.abet.org./ [Stand 13.04.2005]. Adanir, Fikret (2000): Der Weg der Türkei zu einem modernen europäischen Staat. Ein geschichtlicher Abriss. In: Niedersächsische Landeszentrale für politische Bildung (Hg.): Blickpunkt Türkei. Reihe: Informativ und Aktuell. Materialsammlung zur politischen Bildung. Hannover, S. 5-19. Agai, Bekim (2002): Private Bildung in der Türkei – die Dershanes. In: Deutsch-Türkische Projekte der Körber-Stiftung (Hg.): Chance Bildung. Yeni Ufuklarda Eitim. 7. Argumente zum deutsch- türkischen Dialog. Türk-Alman dialouna katkılar. Edition Körber-Stiftung. Hamburg, S. 98. Akbulut, Ural (2004): Mühendislik Degerlendirme Kurumu – MÜDEK. (Ingenieur Qualitätssicherungssamt). 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