Kerstin Bräuning Einflüsse lehrergeführter Schüler-Interviews auf Schülereinschätzung und Unterrichtsunterstützung im Mathematikunterricht der Grundschule Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Naturwissenschaften (Dr. rer. nat.) im Fachbereich Mathematik/Informatik (FB 17) der Universität Kassel Datum der Disputation: 24. Mai 2006 Inhalt Einleitung ................................................................................................................................... 4 1 Theoretischer Hintergrund, Rahmen und Problemlage...................................................... 7 1.1 ENRP – Early Numeracy Research Project – ein lehrerbasierter Diagnose-Ansatz aus Australien......................................................................................................................... 7 1.1.1 Konzeption ENRP.............................................................................................. 8 1.1.2 Dissemination in der „in-service“-Lehrerbildung ............................................ 10 1.1.3 Ergebnisse des Early Numeracy Research Project........................................... 10 1.2 Forschungsfragen ..................................................................................................... 15 1.3 “Linking assessment and teaching“ – „handlungsleitende Diagnostik” eine Begriffsspezifizierung .......................................................................................................... 17 1.4 HBMD – Hessisches Basis-Interview zur Mathematik-Diagnostik......................... 17 1.5 Diagnostik in der Schule und für die Schule............................................................ 18 1.5.1 Diagnostikverständnis in der Psychologie und Medizin .................................. 19 1.5.2 Diagnostikverständnis in der Pädagogik und Sonderpädagogik ...................... 20 1.5.3 Diagnostikverständnis in der Mathematikdidaktik .......................................... 23 1.6 Auswirkungen des Schüler-Interviews auf die Lehrer und ihren Unterricht – Lehrerfortbildung im Zusammenhang zu Professionalisierung ........................................... 25 2 Die qualitative Studie – Auswirkungen von Schüler-Interviews aus Sicht der Lehrer.... 33 2.1 Untersuchungsdesign ............................................................................................... 33 2.2 Untersuchungswerkzeuge......................................................................................... 34 2.2.1 Lehrer-Fragebogen – Schülereinschätzung...................................................... 34 2.2.2 Schüler-Interview – Das Interview .................................................................. 35 2.2.3 Erstes und zweites Lehrer-Interview – Gespräch mit den Lehrern über das Schüler-Interview ............................................................................................................. 43 2.3 Untersuchungsgegenstand........................................................................................ 49 2.3.1 Versuchsgruppe – die Lehrer ........................................................................... 49 2.3.2 Auswahl der drei Lehrerinnen – Drei Arten der Mathematikausbildung......... 51 2.4 Auswertung der Lehrer-Interviews nach Grounded Theory .................................... 54 2.5 Kohärenzentwicklung in den Schüler-Einschätzungen der Lehrer .......................... 59 3 Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse ......................... 61 3.1 Kategorien am Leitinterview der Lehrerin LS durch Grounded Theory erarbeitet . 61 3.2 Fallstudien – drei Lehrerinnen – „Fachfremd“, Nebenfach, Wahlfach.................... 63 3.2.1 Lehrerin LS an Schule A – fachfremd ............................................................. 63 3.2.2 Lehrerin PB an Schule B – Kurzfach ............................................................. 102 3.2.3 Lehrerin NS an Schule C – Langfach............................................................. 118 3.3 Vergleich der Lehrer-Interviews mit den Lehrerinnen LS, PB und NS................. 146 4 Befunde – Reflexionsfähigkeit der Lehrer ..................................................................... 153 Ausblick ................................................................................................................................. 159 Literaturverzeichnis................................................................................................................ 163 Anhang ................................................................................................................................... 173 Lehrer-Fragebogen ............................................................................................................. 173 Leitfaden zum ersten Lehrer-Interview.............................................................................. 175 Leitfaden zum abschließenden Lehrer-Interview............................................................... 177 Transkript des ersten Lehrer-Interviews mit der Lehrerin LS am 16.12.03....................... 181 Transkript des zweiten Lehrer-Interviews mit der Lehrerin LS am 22.07.04.................... 191 Transkript des Lehrer-Interviews mit der Lehrerin PB am 19.07.04 ................................. 204 Transkript des ersten Lehrer-Interviews mit der Lehrerin NS am 28.01.04 ...................... 214 Transkript des zweiten Lehrer-Interviews mit der Lehrerin NS am 22.06.04 ................... 222 Einleitung Das öffentliche Interesse an Bildung und Mathematik ist durch die empirischen Studien PISA (Program for International Student Assessment) und IGLU (Internationale Grundschul-Lese- Untersuchung) stark angestiegen. In der Mathematikdidaktik führten die Diskussionen über PISA und IGLU zu einer zusätzlichen Sensibilisierung für Konzepte empirischer Untersuch- ungen und daraus zu ziehende Konsequenzen. Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, welche Auswirkungen die Ergebnisse und die Durchführungsformen von empirischen Untersuchungen auf die Unterrichtskultur haben (vgl. Peter-Koop/Wollring 2002). Vor diesem Hintergrund richtete sich im Herbst 2002 die Aufmerksamkeit der Arbeitsgruppe Wollring auf ein mathematikdidaktisches empirisches Forschungsprojekt in Australien: Early Numeracy Research Project (ENRP) (Clarke et al. 2002). Das Early Numeracy Research Project bildet den Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit. Es zielt darauf, die individuellen mathematischen Performanzen von Grundschulkindern mit Hilfe eines Interviews in einer Eins-zu-eins-Situation des Schülers mit dem Lehrer1 (Schüler- Interview) zu erheben und damit mathematikdidaktische Orientierungshilfen für den Unter- richt zu liefern. Die vom hessischen Kultusministerium unterstützte „Arbeitsstelle Problematische Leistungen im Mathematikunterricht“ an der Universität Kassel unter Leitung von Wollring befasst sich inhaltlich mit der Erprobung des ins Deutsche übertragenen Interviewleitfadens des australischen „Early Numeracy Research Project“ (ENRP). Im Rahmen dieser Erprobung arbeiten die beteiligten Lehrer mit den Forschern der Universität als auch mit den Studierenden, die sie beim Führen der Schüler-Interviews unterstützen, zusammen. Die vorliegende Arbeit ist im Umfeld der Arbeitsgruppe Wollring entstanden und konzentriert sich auf die Wirkungen des Führens von Schüler-Interviews auf die Lehrer. Die Leistungen der Schüler werden durch das Schüler-Interview erhoben, sind aber nicht Gegenstand dieser Untersuchung. Im Vordergrund steht der Umgang der Lehrer mit dem Führen der Schüler- Interviews und den von ihnen daraus gewonnenen Erkenntnissen. Darüber hinaus stellt sich diese Arbeit die Frage, ob sich allein das Führen von Schüler-Interviews als Lehrerfortbildungssubstanz eignet. Beide Fragestellungen nehmen auf der einen Seite Bezug auf die Ergebnisse des ENRP und sprechen auf der anderen Seite zwei Felder an, die im australischen Projekt nicht erhoben worden sind. In dieser Arbeit wird das erste Jahr des Projektes der Universität Kassel in Hinblick auf die Lehrer evaluiert. Dazu werden Interviews mit den Lehrern geführt, um ihre Einstellungen und die von ihnen berichteten Wirkungen des Führens von Schüler-Interviews auf sie selbst zu erfassen. Das gesamte Projekt unter Leitung von Wollring endet nicht nach dem hier vorgestellten ersten Jahr, sondern läuft jetzt im dritten Jahr unter stärkerer individueller Beteiligung der einzelnen Schulen weiter. Jede Schule, die am Projekt teilnimmt, hat für sich eine Form gefunden, in der die jeweiligen Lehrer die Schüler-Interviews in ihren Schulalltag integrieren können. Ferner versuchen sie weitere Kollegen aus ihren Schulen für das Schüler- Interview zu gewinnen. Diese Begebenheiten entwickelten sich erst zu Beginn des zweiten Jahres, nachdem die hier vorliegende Untersuchung bereits beendet war und konnten daher nicht berücksichtigt werden (siehe Kapitel 1.2). Die Ergebnisse der Internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung (IGLU) weisen darauf hin, dass sowohl leistungsschwache als auch leistungsstarke Schüler zu wenig gefordert werden. Dies legt die Vermutung nahe, dass Lehrer Schwierigkeiten haben die Leistungen ihrer Schüler sowohl der Leistungsschwachen als auch der Leistungsstarken einzuschätzen. 1 Bei zusammengesetzten Begriffen wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit nur die männliche Form verwendet, die weibliche ist dabei selbstverständlich mitgemeint. Ansonsten werden, sofern der Lesefluss nicht wesentlich erschwert wird, beide Formen ausgeschrieben. Einleitung 5 Des Weiteren zeigte sich durch IGLU, dass bei Leistungsproblemen der Schüler in anderen Ländern häufiger als in Deutschland Experten, z. B. Beratungslehrer, Sozialpädagogen, Psychologen herangezogen werden. In Deutschland reagiert die Schule meist nicht mit der Förderung, sondern mit der Auslese dieser Schüler durch Wiederholen der Klassenstufe, Schulformwechsel oder Überweisung an außerschulische Therapieinstitute (vgl. Valtin/Bos 2004, S. 25). Daher muss die Lehrerbildung, sowohl die Aus- als auch Fortbildung, die Lehrer befähigen, „Lernstandsanalysen vorzunehmen, d. h. die pluralen Lernwirklichkeiten von Kindern zu beobachten, zu beschreiben, zu interpretieren und auf die Ergebnisse angemessen zu reagieren. Hierbei müssen Fähigkeiten zur Diagnose ausgebildet werden und zwar solche, die im Rahmen einer demokratischen, für Heterogenität aufmerksamen und vom Prinzip der Anerkennung bestimmten Pädagogik, Etikettierungen vermeiden“ (Prengel 2002, in: Heinzel 2004, S. 54 f.). Erfolgreiche Lehrer zeichnen sich laut Schrader/Helmke (2001, S. 49) durch vier Kompetenzbereiche aus: Fachwissen, didaktisch-methodische Fähigkeiten, die Fähigkeit zur Klassenführung und diagnostische Kompetenzen. Scherer (2003, S. 92) weist daraufhin, dass dies für jedes Leistungsniveau und jede Art von Lehr- und Lernsituation zutrifft. Da einige Lehrer nicht über ausreichende diagnostische Kompetenzen verfügen, geben sie den Eltern von Kindern, die Probleme in Mathematik haben, den Hinweis sich an „Rechenschwäche-Institute“ zu wenden. Dort werden die Kinder von Dyskalkulie-Thera- peuten diagnostiziert und therapiert. Das Problem ist allerdings, dass der Begriff Dyskalkulie- Therapeut nicht geschützt ist und „keine staatlich kontrollierten Ausbildungsstandards für Therapeuten“ existieren (Schipper 2001, S. 27). Die Kompetenzen dieser Dyskalkulie-Thera- peuten sind rechtlich nicht abgesichert. Meist verbleiben die Diagnoseergebnisse in den Therapie-Zentren und werden nicht an die Schulen weitergegeben. Die Kommunikation zwischen den Schulen und außerschulischen Therapeuten gestaltet sich schwierig und die Unterstützung des Kindes seine Probleme in Mathematik zu überwinden, ist fraglich. Mit Hilfe eines Interviews zwischen dem unterrichtenden Lehrer und einem Schüler werden die Kenntnisse des Kindes innerhalb der Schule bestimmt. Die Durchführung der Schüler- Interviews fordert die Lehrer heraus, sich mit dem Denken der Kinder, die Schwierigkeiten in der Mathematik haben, als auch mit dem Denken der Kinder aller Leistungsniveaus intensiv auseinanderzusetzen. In der vorliegenden Arbeit soll geklärt werden, ob und inwieweit die Schüler-Interviews den Lehrern aus ihrer Sicht eine Unterstützung für ihren Unterricht bieten können. Übersicht über die Arbeit Im ersten Kapitel wird der Ausgangspunkt der Arbeit: das australische Early Numeracy Research Project (ENRP) vorgestellt und seine Umsetzung in Deutschland erläutert. Daran schließen sich die für Hessen und für die vorliegende Arbeit ergebenden Forschungsfragen an. Das Schüler-Interview liefert eine Lernstandortbestimmung, die als Ausgangspunkt für eine Diagnose dienen kann. Daher werden unterschiedlichen Sichtweisen der Disziplinen – Psychologie, Medizin, Pädagogik, Sonderpädagogik und Fachdidaktik – auf den Begriff „Diagnose“ betrachtet. Die Durchführung von Schüler-Interviews kann neben ihrem diagnostischen Wert auch – wie es sich im Laufe der Datenerhebung der vorliegenden Studie gezeigt hat – eine Bedeutung für die Professionalisierung von Lehrern einnehmen. Im Forschungsprozess zeigte sich, dass die aktuelle Professionalisierungsdebatte, bei der die Frage nach der Reflektionsfähigkeit der Lehrer in Beziehung zu den Wirkungen der Schüler-Interviews auf die Lehrer steht, von Bedeutung für diese Arbeit ist. Daher wird die Thematik der Lehrerprofessionalisierung, speziell im Zusammenhang mit Mathematikunterricht, anhand der Literatur dargestellt. Das zweite Kapitel liefert einen Überblick über den methodologischen Hintergrund der Arbeit. Dieser wird in Bezug auf das Forschungsvorhaben konkretisiert. Das Untersuchungs- Einleitung 6 design, sowie die Entwicklung der Erhebungsinstrumente und die Vorgehensweise bei der Auswertung der Daten werden vorgestellt. Das Zentrum der Arbeit bildet der empirische Teil (Kapitel 3), in dem drei, der am Projekt beteiligten, Lehrerinnen in Form von Fallstudien dargestellt werden. Die erhobenen Daten werden qualitativ mit Hilfe der Grounded Theory ausgewertet. Anschließend werden die Ergebnisse zur Auswertung der drei Fallstudien zueinander in Beziehung gesetzt. Im vierten Kapitel werden aus den empirischen und theoretischen Ergebnissen dieser Arbeit Befunde und Empfehlungen abgeleitet. Im Ausblick werden abschließend weitere Handlungs- und Forschungsaufgaben aufgezeigt. 1 Theoretischer Hintergrund, Rahmen und Problemlage Dieses Kapitel setzt sich aus dem theoretischen Hintergrund, der durch das Early Numeracy Research Project gegeben ist, dem Rahmen und der Problemlage zusammen. Zuerst soll das ENRP dargestellt werden, um daraus das hessische Projekt und die Forschungsfragen der vorliegenden Untersuchung abzuleiten. Im Mittelpunkt des Interesses steht bei dieser Untersuchung, die Frage, ob Lehrer, indem sie das Schüler-Interview als Diagnoseinstrument nutzen, möglicherweise handlungsleitende Erkenntnisse für den Umgang mit dem einzelnen Kind und ihren Unterricht gewinnen. Daher wird der Begriff Diagnose in den Disziplinen Medizin, Psychologie und Pädagogik, speziell auch der Mathematikdidaktik betrachtet. Im Zusammenhang mit Diagnose ergab sich im Laufe der Arbeit ein weiteres Problemfeld, in dem die diagnostischen Kompetenzen von Lehrern eingebettet sind und zwar die Lehrerprofessionalisierung, im Besonderen für den Mathematikunterricht. 1.1 ENRP – Early Numeracy Research Project – ein lehrerbasierter Diagnose-Ansatz aus Australien Das australischen Early Numeracy Research Project (infolge ENRP abgekürzt) beschreibt Lehrer-Schüler-Interviews zu zentralen Inhalten des mathematischen Anfangsunterrichts. Im Folgenden werden die für die vorliegende Untersuchung bedeutsamen Ergebnisse vorgestellt und relevante Begriffe erläutert. Early Numeracy Research Project Das australische Early Numeracy Research Project wurde von 1999 bis 2001 im Staat Victoria von der Australian Catholic University und der Monash University unter der Leitung von Doug Clarke durchgeführt. Unterstützt wurde das Projekt von der dem Kultusministerium entsprechenden Behörde des Staates Victoria, Australien. Die Ziele des ENRP beinhalten u. a. die Arbeit mit australischen Lehrern, um ihre Beliefs und ihre Vorstellungen, wie Schüler mathematisches Verständnis aufbauen und entwickeln, zu erforschen. Die Studie zielt zugleich auf die Erhebung der Effekte, die im Rahmen der an das ENRP angeschlossenen Fortbildungen entstehen. Das ENRP versucht den Lehrern eine Unterstützung zu bieten, die sowohl aussagekräftig als auch für Lehrer zeitlich realisierbar ist. Dazu entwickelte das Projektteam ein halbstandardisiertes Eins-zu-eins Interview, das beteiligte “in-service-teacher“ mit jedem Schüler ihrer Klasse zweimal im Jahr durchführen. Das lehrergeführte Interview mit einem Schüler ist durch zwei Besonderheiten gekennzeichnet: Die Performanz wird mit Ausprägungsgraden (growth points) beschrieben, wobei höhere Ausprägungsgrade komplexere Performanz indizieren. Die Performanz wird nicht für Mathematik als Ganzes erhoben, sondern prinzipiell getrennt nach festgelegten mathematischen Gebieten (domains) (vgl. Wollring 2003). Der Interviewleitfaden enthält Aufgaben zu den drei Bereichen der Grundschulmathematik: Arithmetik, Anwendungen (Sachrechnen) und Geometrie. Die Aufgaben basieren auf der “mathematical literacy“, auch ”numeracy“ genannt. ”Numeracy“ bildet z. B. die Grundlage für PISA (Program for Inter- national Student Assessment) und andere mathematikdidaktische Diagnoseinstrumente. Sie wird als die Fähigkeit definiert, „die Rolle, die Mathematik in der Welt spielt, zu erkennen und zu verstehen, begründete mathematische Urteile abzugeben und sich auf eine Weise mit der Mathematik zu befassen, die den Anforderungen des gegenwärtigen und künftigen Lebens einer Person als konstruktiven, engagierten und reflektierenden Bürgers entspricht“ (PISA 2000, S. 19). Clarke et al. nutzen die Definition des Begriffs “numeracy” der MCEETYA Benchmarking Task Force (1997, S. 4, in: ENRP 2002, S. 35): „Numeracy is the effective use Theoretischer Hintergrund, Rahmen und Problemlage 8 of mathematics to meet the general demands of life at school and at home, in paid work, and for participation in community and civic life”. Über einen Zeitraum von drei Jahren erfassen das Projektteam und die beteiligten Lehrer mit den Interviews die mathematischen Performanzen von Grundschülern der Klassen 0 bis 2. Am ENRP nehmen Lehrer und Kinder aus 35 Versuchsschulen von 1999 bis 2001 teil. Die Kontrollgruppe umfasst 35 weitere Schulen. In diesem Zeitraum werden insgesamt 36574 Interviews geführt (vgl. ENRP 2002, S. 40). 1085 Schüler sind über die gesamten drei Jahre am Versuch beteiligt. Von diesen besuchen 867 Kinder Versuchsschulen und 218 Kinder Vergleichsschulen (vgl. ENRP 2002, S. 57). Aus den Vergleichsschulen nehmen am ENRP insgesamt 354 Lehrer teil. 115 von ihnen arbeiten die gesamten drei Jahre mit, 85 für zwei und 154 Lehrer für ein Jahr (vgl. ENRP 2002, S. 11). In den Daten zeigt sich, dass im Vergleich der Leistungszuwachs zwischen Schülern der Versuchsschulen und Schülern der Vergleichsschulen zunimmt, je länger die Kinder am ENRP beteiligt sind (vgl. ENRP 2002, S. 58). Die Studie des ENRP kommt zu dem Ergebnis, dass das Interview dem Lehrer nicht nur eine Lernstandortbestimmung jedes einzelnen Schülers liefert, sondern ihm auch Unterstützung für das weitere Planen und Durchführen seines eigenen Unterrichts bietet. Somit entsteht eine Synthese von Evaluation und Lehrerunterstützung, genannt: ”linking assessment and teaching“. “… we can confidently claim that the time and cost involved in giving teachers one-to-one time with children around a range of rich mathematical tasks provides a powerful opportunity for children to show what they know and can do, and creates a great starting point for teachers in providing meaningful and challenging experiences for all their students” (Clarke 1999, S. 16). Ein besonderes Interesse der Arbeitsgruppe Wollring am ENRP entstand aufgrund des Nutzens des Projektes, gekennzeichnet mit den Worten „linking assessment and teaching“ (Clarke 1999). Das folgende Zitat, welches die Wirkung des Interviews auf den Mathematikunterricht dokumentiert, stellt einen Befund der australischen Untersuchung dar und spiegelt diesen wider. “… the use of the one-to-one interview by classroom teachers with their students may lead to a transformation once more in our mathematics assessment beliefs and practices“ (Clarke 1999, S. 12). 1.1.1 Konzeption ENRP Die Konzeption des ENRP strebt folgende globale Ziele an, die auf dem Konzept der „numeracy“ basieren: - Schulen zu unterstützen, die Kernelemente des Forschungsdesigns im Bereich „Mathematik“ des Schulprogramms zu implementieren, - Lehrer zum Reflektieren herauszufordern, ihre Auffassung und ihr Verständnis darüber zu erkunden, wie Kinder ihr Mathematikverstehen entwickeln und wie dieses durch ihr Unterrichtskonzept zu unterstützen ist, - die Auswirkungen der Kernelemente des Forschungsdesigns und des begleitenden Lehrerfortbildungsprogramms zu den Numeracy-Ergebnissen der Schüler zu evaluieren (vgl. ENRP 2002, S. 11). Theoretischer Hintergrund, Rahmen und Problemlage 9 Dementsprechend umfasst das Forschungsdesign folgende Kernelemente (vgl. ENRP 2002, S. 11, Peter-Koop/Wollring 2002): - Growth points: das Entwickeln eines Theorierahmens zu „Ausprägungsgraden“ (growth points) des Mathematikverständnisses von Grundschülern, Klasse 0 (Preparatory) bis Klasse 2, zu einer Reihe mathematischer Gebiete (vgl. ENRP 2002, S. 12 f.), - Assessment: das Entwickeln darauf bezogener Instrumente zur Auswertung, um Fortschritte in diesen Gebieten aufzuweisen, gemessen als Änderung in den Auspräg- ungsgraden (vgl. ENRP 2002, S. 13-15), - Professional development: Durchführen gezielter Lehrerfortbildung (vgl. ENRP 2002, S. 15), - School support structures: Implementieren entsprechender Unterstützungsstrukturen in beteiligten Schulen (vgl. ENRP 2002, S. 15 f.), - Student achievement: laufendes Beobachten von Schülerleistungen und deren Zu- wachs im Laufe der Zeit (vgl. ENRP 2002, S. 16), - Effective practice: Dokumentieren wirkungsvoller Praxis von Lehrerinnen, von „professionellen Lernteam“ und an Schulen insgesamt (vgl. ENRP 2002, S. 16). Diese Schlüsselelemente des ENRP-Forschungsdesigns werden im Folgenden näher ausge- führt. Das australische Projektteam nutzte die Forschungsliteratur einer Expertenbasis, die sie für bedeutsam hielten, um einen Theorierahmen für frühes mathematisches Lernen mit dem Schwerpunkt auf den Ausprägungsgraden des kindlichen Mathematikverständnisses zu konzipieren (vgl. ENRP 2002, S. 264-274). Ausprägungsgrade wurden für die Bereiche Arithmetik, Anwendungen und Geometrie entworfen (vgl. ENRP 2002, S. 12). Als Erhebungsform dienen klinische Interviews mit Kindern, durchgeführt von Projekt- experten und zum großen Teil von „in-service“ Lehrern. Dazu wurde ein begleitendes Fort- bildungsprogramm entworfen. Die Datenerhebung geschieht in folgenden Formen (vgl. ENRP 2002, S. 16 f., 22, 46 f., Übersetzung der Autorin): - Einzelinterviews mit Schülern. Alle Schüler der ENRP Versuchsschulen Klasse 0 (Prep) bis Klasse 2 und eine zufällige Auswahl von etwa 40 Schülern jeder Referenzschule wurden von 1999 bis 2001 jedes Jahr im März und November befragt. - Fragebogen-Erhebungen. Es werden Daten, zu den von den Lehrern verzeichneten Veränderungen, in Bezug auf ihren Unterricht, ihre Einschätzungen der Schülerperformanzen, deren Wachstum und mathematisches Verhalten, ihre Gruppenarbeit und andere Arbeitsformen im Klassenzimmer, ihre Unterrichtsplanung, ihr persönliches Vertrauen in Mathematik, die Zeit, die sie für bestimmte Bereiche der Mathematik verwenden und ihre Meinungen zum professionellen Entwicklungs- und Fortbildungs-Programm (ENRP) mit Hilfe von Fragebögen gesammelt. Koordinatoren und Schulleiter nahmen an Untersuchungen zu ihrem professionellen Lernteam und der Implementation der Schlüsselelemente des Designs in ihren Schulen teil. - Interviews mit Lehrern, Koordinatoren und Schulleitern. Alle Koordinatoren wurden besonders detailliert zur Arbeit ihres professionellen Lernteams befragt. Die Interviews wurden auf Tonband aufgezeichnet. Das „professionelle Lernteam“ besteht aus dem Koordinator des ENRP und den Lehrern der Klassen 0 bis 2 jeder Versuchsschule. In den Fallstudien der besonders wirkungsvollen Lehrer, d. h. Lehrer, bei denen die Schüler zwischen mehreren Interviewzeitpunkten einen besonders hohen Lernzuwachs hatten, und den dazugehörigen Schulen wurden sechs Fallstudienlehrer, Theoretischer Hintergrund, Rahmen und Problemlage 10 Schulleiter und Koordinatoren interviewt. Damit sollte festgestellt werden, wie diese Fallstudienlehrer ihren Unterricht gestalten und wieso ihre Schüler einen höheren Lernzuwachs haben als Schüler von nicht so wirkungsvollen Lehrern. Zusätzlich wurde eine Auswahl von Prep Lehrern befragt, deren Schüler den größten Lernzuwachs im Bereich „Längen“ gezeigt haben, um Information über ihre Zugänge beim Lehren dieses Themas zu erhalten. - Ergänzende Unterrichtsbeobachtungen bei ausgewählten Fallstudien-Lehrern. In den Schulen, in denen der Schwerpunkt auf den ausgewählten Fallstudien lag (sechs individuelle Fallstudien zu Lehrern und zwei zu Schulen), wurden die Lehrer durch zwei Mitglieder der Forschungsgruppe einige Unterrichtsstunden beobachtet. Nach jeder Stunde wurden die Lehrer befragt, welche Inhalte in der Unterrichtsstunde vermittelt wurden und in welchem Zusammenhang sie zu den anderen Stunden steht. - Eigenproduktionen und Unterrichtsmaterial. Das Forschungsteam sammelte viele Schülereigenproduktionen, Planungsdokumente, Arbeitsblätter und andere Arbeiten über den Zeitraum der Untersuchung hinweg. Im Weiteren wird die Umsetzung des Projektes in Australien referiert. 1.1.2 Dissemination in der „in-service“-Lehrerbildung Das ENRP dient zur „in-service“-Lehrerbildung. Dazu wurden über jeweils ein Jahr verteilt, während des gesamten Untersuchungszeitraums (1999-2001), fünf ganztägige Fortbildungs- Veranstaltungen für die Lehrer der 35 Versuchsschulen angeboten. Die Lehrerfortbildung findet auf drei verschiedenen Ebenen statt: - Überregionale Treffen für die „professional development programs“, - regionale Treffen der „regional cluster“ und - schulinterne Treffen der „professional learning teams“ (vgl. Clarke 1999, S. 9). Im Mittelpunkt dieser Veranstaltungen stehen zum einen das Verständnis des theoretischen Rahmens der Studie und die Durchführung der Interviews seitens der Lehrer. Zum anderen werden Unterrichtsansätze, -inhalte und -aktivitäten diskutiert, die sich auf die identifizierten Bedürfnisse der Schüler beziehen. Ergänzend dazu finden Treffen der beteiligten Lehrer in regionalen Gruppen statt. Sie bestehen aus den ENRP-Teams von drei bis fünf Schulen, die jeweils von einem Projektleiter betreut werden. In diesem Forum werden eigene Erfahrungen, Schwierigkeiten und Erfolge vorgestellt und diskutiert. Der „Early Numeracy Coordinator“ organisiert an jeder Schule zur Wahrung von Kontinuität, Kommunikation und Teamzusammenhalt wöchentliche Treffen des gesamten schulbasierten ENRP-Teams und dem „professional learning team“ (vgl. ENRP 2002, S. 42 ff.). 1.1.3 Ergebnisse des Early Numeracy Research Project “The growth points and interview have allowed teachers to see more clearly where a child is in each domain” (ENRP 2002, S. 183). Nachdem bereits die Ziele des australischen ENRP vorgestellt wurden, soll im Folgenden auf die Ergebnisse dieser Studie eingegangen werden. Es werden die Aussagen aller beteiligten Lehrer zu den durchgeführten Schüler-Interviews präsentiert und eine Einzelfallstudie mit speziell ausgewählten Lehrern beschrieben (vgl. ENRP 2002). In einem Fragebogen (ENRP 2002, Appendix 19, App. S. 132/133) wurde den Lehrern die offene Frage, d. h. in der sie selbst formulierte Antworten geben, gestellt, welche Höhepunkte Theoretischer Hintergrund, Rahmen und Problemlage 11 und Überraschungen sich für sie aus der Durchführung der Interviews mit ihren Schülern ergaben. Diese Frage wurde mehrmals zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Verlaufe des Projektes von den Lehrern beantwortet. Dabei wurden folgende Themen besonders häufig angesprochen (vgl. ENRP 2002, S. 177; vgl. Clarke 2001; vgl. Peter-Koop/Wollring 2002): - Überraschung darüber, was viele Kinder können; - Überraschende Schwierigkeiten bei bestimmten Aufgaben; - Erkennen von stillen Leistungsträgern – besonders Mädchen; - Bedeutung der Einzelinterviews für den Unterricht; - Freude und Zutrauen der Kinder in den Interviews. Einige besondere Erfahrungen der Lehrer werden im Folgenden näher dargestellt. Überraschung darüber, was viele Kinder können Viele der Überraschungen beruhen auf den Fähigkeiten der Kinder, sicher mit großen Zahlen umzugehen und ihrer enormen Strategievielfalt beim Aufgabenlösen. Im Bereich Zählen können 90% der Kinder aus Klasse 0 (Prep) eine Menge von 20 Objekten zählen und 36% von verschiedenen Startpunkten aus über 100 zählen. Diese Tatsache ist besonders bedeutsam, wenn bedacht wird, dass Schüler, die ständig unter ihrem Potential arbeiten und darin nicht gefordert werden, unproduktive Dispositionen entwickeln werden, die später schwierig rückgängig zu machen sind (vgl. ENRP 2002, S. 120). “Working with a gifted Prep who actually worked out the answers quicker than I did was a highlight. Reading 24,746,154 on the calculator. Amazing!” “My greatest surprise was that most children performed significantly better than I anticipated. Their thinking skills and strategies were more sophisticated than I expected.” (ENRP 2002, S. 177). Überraschende Schwierigkeiten bei bestimmten Aufgaben Die Lehrer waren teilweise überrascht über die Schwierigkeiten der Kinder bei Aufgaben mit multiplikativem Folgern und einigen Aufgaben im Bereich Zeit. “A child of great potential, perhaps gifted, completed nearly the entire interview in all areas, but we found out he couldn't tell the time!” “To discover that some children who you thought had particular concepts couldn’t use these/didn’t have them – they were good at ‘hiding’ within the group.” (ENRP 2002, S. 177). Auftreten von stillen Leistungsträgern (‚quiet achievers’) – besonders Mädchen Mehrere Lehrer berichteten, dass durch das Interview ein anderes Bild des einzelnen Kindes entsteht als sie es bisher während des Klassenunterrichts und bei Gruppenaktivitäten wahrgenommen haben. “In every class there is that quiet child you feel that you never really ‘know’ – the one that some days you’re never really sure that you have spoken to. To interact one-to-one and really ‘talk’ to them showed great insight into what kind of child they are and how they think.” (ENRP 2002, S. 177). Bedeutung der Einzelinterviews für den Unterricht Es konnte belegt werden, dass das ENRP in den Augen der Lehrer eine Auswirkung auf den Unterricht hatte. Einige Lehrer bauten ihren Unterricht, nachdem sie am ENRP teilgenommen hatten, auf den growth points (Ausprägungsgraden) auf. “The growth points! I have been teaching in P-2 for nine years and didn’t have a clear picture of growth points before this. I have since based a lot of my own teaching on the results gained.” (ENRP 2002, S. 177). Theoretischer Hintergrund, Rahmen und Problemlage 12 Das Zitat belegt die Bedeutung der Einzelinterviews für den Unterricht („The power of the interview in informing teaching“). Es entsteht eine Synthese aus Evaluation auf der Ebene der Performanzen der Schüler und eine Lehrerunterstützung im Umgang mit den Schülern und ihrem eigenen Unterricht: „linking assessment and teaching“. “My greatest surprise was the wealth of assessment information gained from the assessment interview. … and how I’ve been able to adapt some of the ides into my classroom practice.” “The one-to-one contact enabled me to focus on what I have to work on to enrich their learning.” “The assessment interview has given focus to my teaching. Constantly at the back of my mind I have the growth points there and I have a clear idea of where I’m heading and can match activities to the needs of the children. But I also try to make it challenging enough to make them stretch.” (ENRP 2002, S. 177). Freude und Zutrauen der Kinder in den Interviews Die Freude, die fast alle Kinder während des Interviews zeigten, war sehr beeindruckend, egal ob ihr mathematisches Verständnis hoch oder niedrig war. Dies unterstreicht, dass Kinder die Möglichkeit schätzen, ihr Verständnis zu zeigen, besonders in der Eins-zu-eins-Situation Schüler – Lehrer. Manchmal sind wir durch das kognitive Wachstum des Kindes, wenn ungenügende Aufmerksamkeit auf affektive Aspekte gelegt wurde, voreingenommen. “How enjoyable for both teacher and child. It gave the children the opportunity to spend individual time with the teacher and the children responded positively. Many couldn't wait for their turn and chatted away during the interview.” “The greatest highlight was that no matter at what level the children were operating mathematically, all children displayed a huge amount of confidence in what they were doing. They absolutely relished the individual time they had with you; the personal feel, and the chance to have you to themselves. They loved to show what they can do” (ENRP 2002, S. 177). Nach Einschätzung der Lehrer der Versuchsschulen (n = 220) zeigen die Schüler über die Ausprägungsgrade hinaus Entwicklungen in der affektiven und sozialen Dimension. Affektive Dimension Beobachtete Veränderungen (Cluster) Nennungen in % Kinder haben mehr Freunde an Mathematik 77 Gesteigertes Selbstvertrauen 45 Höhere Bereitschaft zu „Risiken“ und eigenen Ideen 40 Positivere Einstellung zur Mathematik 18 Kinder fordern sich selbst mehr heraus 16 Vor der Bearbeitung wird intensiver nachgedacht 11 Theoretischer Hintergrund, Rahmen und Problemlage 13 Soziale Dimension Beobachtete Veränderungen (Cluster) Nennungen in % Bessere Verbalisierung ihrer Gedanken und Strategien 63 Höhere Bereitschaft zu „Risiken“ und eigenen Ideen 40 Bereitschaft eigene Ideen vorzustellen und mit anderen zu diskutieren 27 Größeres Repertoire an verschiedenen Strategien 15 Kinder lernen voneinander und informieren sich gegenseitig 15 Verstärkter Einsatz mathematischer Sprache 11 Aus Sicht der australischen Forscher zeigen die Daten, dass das Lernen der Kinder und die positiven Einstellungen zum Fach sowohl bei den Kindern als auch bei den Lehrern durch die Schüler-Interviews gefördert wurde (vgl. ENRP 2002, S. 34). Die befragten Kinder gewannen im Prozess des Interviews neue Erkenntnisse. Ihr Selbstvertrauen in sich als Mathematik- lernende und ihr Verstehen einiger mathematischer Konzepte, denen sie das erste Mal in einer unterstützenden und freundlichen Umgebung innerhalb des Interviews begegnet sind, wurden gestärkt (vgl. Clarke 1999, S. 12). Über den Zeitraum des Projektes veränderten sich die Lehrererwartungen an die Leistungen ihrer Schüler, wie anhand der Daten nachgewiesen werden kann; einerseits in den Leistungen, die sie von einem Kind in einem bestimmten Schuljahr erwarteten, und andererseits in den Erwartungen, was sie innerhalb eines Schuljahres erreichen können (vgl. ENRP 2002, S. 259). Insgesamt wurden die Lehrereinschätzungen der Schülerleistungen realistischer und basieren vermutlich auf den Daten der Interviews und nicht auf Erwartungen durch das Curriculum (vgl. ENRP 2002, S. 259). Die Lehrer sollten in einem Fragebogen (appendix 27) angeben, wie sich ihr Unterrichten im Zusammenhang mit der Teilnahme am ENRP veränderte. Die australischen Forscher erhoben damit die von den Lehrern berichteten Veränderungen und deren Erwartungen an die mathematische Performanz ihrer Schüler. Des Weiteren haben sie Informationen über die bevorzugten Arbeitsformen, die Planungsprozesse und das persönliche Vertrauen der Lehrer in Mathematik gewonnen (ENRP 2002, p. 46). Dabei hat sich herausgestellt, dass sich sechs der zehn am häufigsten genannten Themen auf Aspekte des Lehrerwissen und der Lehrer- Beliefs beziehen. Diese lauten: - Sie benutzen die Ausprägungsgrade zum Planen ihres Unterrichts, - Sie nutzen das Wissen über das individuelle Verständnis der Schüler und bewerten besser den Bedarf an Unterstützung für Schüler, - Sie fordern die Kinder heraus und haben höhere Erwartungen an sie, - Sie haben mehr Vertrauen in das Unterrichten von Mathematik, - Sie haben mehr Freude an Mathematik und gestalten den Mathematikunterricht interessanter, - Sie haben ein größeres Wissen, wie Kinder Mathematik lernen (vgl. ENRP 2002, S. 251). In den obigen Punkten spiegelt sich der Einfluss des ENRP auf das berufliche Lernen (“teacher professional growth“) der beteiligten Lehrkräfte wider. Das Führen der Schüler- Interviews besitzt für die Lehrer einen expliziten und einen impliziten Fortbildungscharakter. Für die Lehrer beruht die implizite Fortbildung auf den Rückmeldungen zur mathematischen Performanz der Schüler. Daraufhin stimmen sie ihren Unterricht auf das Verständnis der Theoretischer Hintergrund, Rahmen und Problemlage 14 Schüler ab. Der explizite Fortbildungscharakter besteht in den rahmenden Fortbildungen, in denen die Lehrer Wissen für die Planung ihres eigenen Unterrichts erhalten (vgl. ENRP 2002, S. 260). Die australischen Lehrer erhalten pro Jahr 3 Tage, um alle Kinder ihrer Klasse zu interviewen und 5 Tage für die Teilnahme an Lehrerfortbildungen. Im ENRP werden die Lehrer als Professionals und als Co-researchers in die Forschung eingebunden, entsprechend der Forderung, dass Lehrerbildung vor und in der Schule dazu dienen soll, „to foster capacities of observation, analysis, interpretation, and decision making. … Within this framework, research and theory do not produce rules or prescriptions for classroom application but rather knowledge of methods of inquiry useful in deliberating about teaching problems and practices” (Doyle 1990, S. 6, in: ENRP 2002, S. 18, 53). Doyle bezeichnet dies als den “Reflective Professional”. Das ENRP (2002, S. 250) hatte signifikanten Einfluss auf das Wissen und Verstehen der Lehrer in Bezug auf ihren Mathematikunterricht. Als Antwort auf die Frage nach den größten Veränderungen in ihrer Unterrichtspraxis fokussierten am Ende des Projektes viele Lehrer auf ihr neu gewonnenes Wissen über das mathematische Lernen der Kinder. Durch die Ausprägungsgrade besitzen sie Wissen darüber, wie Kinder Mathematik lernen und wie sich mathematisches Verständnis entwickelt. 63 der 220 beteiligten Lehrer nutzen die Ausprägungsgrade, um ihren Unterricht zu planen. 49 von 220 Lehrern weisen auf ihr erweitertes Wissen über das individuelle Verstehen von Schülern im Fach Mathematik hin. Wohingegen 28 ihr gesteigertes Vertrauen in das Unterrichten von Mathematik benennen. In der Diskussion über ihr Wissen des mathematischen Verständnisses individueller Kinder sprachen viele Lehrer vom generellen Wissen über das Verstehen der Kinder mit Hilfe der Ausprägungsgrade, und das spezifische Wissen über einzelne Kinder durch das Interview mit dem jeweiligen Schüler (vgl. ENRP 2002, S. 33, 251). Zusammenfassend werden in den folgenden Aussagen einer am ENRP beteiligten Lehrerin die Grundgedanken des ENRP und die Auswirkungen der Interviews dargestellt. Sie schrieb in einem Brief an Clarke, dass sie das Projekt als „a wonderful opportunity to improve my knowledge and teaching skills“ empfand (ENRP 2002, S. 262). Sie stellt fest: „We have been, and are so busy, in our day to day teaching that we don’t often get the chance to stop and reflect in any great depth on our teaching practice. The ENRP has been a “once in a lifetime” opportunity for me in my career for the most brilliant professional development; the best I’ve ever been involved in” (ENRP 2002, S. 262). Und sie führt weiter aus: “I found the interview process enlightening. By having to verbalise my goals, beliefs and reasons for decisions made, I was forced to reflect carefully on what is important in my teaching” (ENRP 2002, S. 263). Einzelfallstudien mit ausgewählten Lehrern Im dritten Jahr des Projektes wurden Einzelfallstudien mit sechs so genannten „effective teachers“ durchgeführt. Ihre Auswahl beruhte auf dem besonderen Lernzuwachs des mathematischen Verständnisses ihrer Schüler beim Vergleich mehrerer Interviewmesspunkte. Zwei Lehrer aus Klasse 0, ein Lehrer aus Klasse 0/1, ein Lehrer aus Klasse 1, ein Lehrer aus Klasse 1/2 und ein Lehrer aus Klasse 2. Sie wurden durch zwei Mitglieder des Forschungs- teams fünf Unterrichtsstunden beobachtet und die im Unterricht entstandenen Eigen- produktionen der Schüler wurden gesammelt. Nach jeder Stunde wurden die Fallstudienlehrer befragt, welche Inhalte in der Stunde vermittelt und verstanden wurden, und welcher Bezug zu anderen Unterrichtsstunden besteht. Weiterhin füllten sie für den Zeitraum dieses Projekts mit den Fallstudienlehrern Fragebögen aus (vgl. ENRP 2002, S. 17, 22 ff.). Es wurden Daten zu folgenden Kategorien gesammelt, d. h. es wurde hypothesenprüfend vorgegangen: Theoretischer Hintergrund, Rahmen und Problemlage 15 - Mathematischer Fokus, - Aufgabenmerkmale, - Materialien und Repräsentationen, - Verbindungen, - Organisationsstil/Unterrichtsmodelle, - Lerngemeinschaft und Klassenzimmerinteraktion, - Erwartungen, - Reflektionen, - Bewertungsmethoden. Dabei ergaben sich für mindestens vier der sechs Einzelfallstudienlehrer folgende Themen, die den obigen Kategorien zugeordnet sind. Hinzu kam die Kategorie „Persönliche Attribute des Lehrers“: - Mathematischer Fokus: Sie fokussieren wichtige mathematische Ideen und machen sie den Schülern klar, - Aufgabenmerkmale: Sie strukturieren sinnvolle Aufgabenstellungen, die mehrere Möglichkeiten zulassen und die Kinder einbeziehen, - Materialien und Repräsentationen: Sie nutzen eine Auswahl von Materialien/Repräsentationen für das gleiche Konzept, - Verbindungen: Sie knüpfen Verbindungen zu mathematischen Ideen früherer Stunden oder Erfahrungen, - Organisationsstil/Unterrichtsmodelle: Sie wählen aus einer Vielfalt von individuellen Arbeitsformen und Gruppenstrukturen als organisatorische Elemente in ihrem Unterricht, - Lerngemeinschaft und Klassenzimmerinteraktion: Sie nutzen eine Fülle an Fragestellungen und fordern das Denken und Folgern der Schüler, - Erwartungen: Sie haben hohe, aber realistische mathematische Erwartungen an alle ihre Schüler, - Reflektionen: Sie reflektieren nach der Unterrichtsstunde über die Schülerantworten und deren Lernen, - Bewertungsmethoden: Sie sammeln Daten durch Beobachtungen oder/und das Zuhören bei den Schülern, - Persönliche Attribute des Lehrers: Sie sind sich ihres eigenen Mathematikwissens auf der Stufe (Level) sicher, die sie unterrichten (vgl. ENRP 2002, S. 24, 81). 1.2 Forschungsfragen Die vorliegende Arbeit ist in das Interviewprojekt der Arbeitsgruppe Wollring eingebettet. Das Interviewprojekt beruht auf den Ergebnissen des ENRP (s. hierzu Kap. 1.3). Von besonderer Bedeutung sind hierbei die beiden folgenden Ziele des ENRP: - Lehrer zum Reflektieren herauszufordern, ihre Auffassung und ihr Verständnis darüber zu erkunden, wie Kinder ihr Mathematikverstehen entwickeln und wie dieses durch ihr Unterrichtskonzept zu unterstützen ist, - die Auswirkungen der Kernelemente des Forschungsdesigns und des begleitenden Lehrerfortbildungsprogramms zu den Numeracy-Ergebnissen der Schüler zu evaluieren (vgl. ENRP 2002, S. 11) An die Untersuchung mit einigen ausgewählten Lehrern in Hessen werden folgende Forschungsfragen für die vorliegende Arbeit, die im Rahmen des Programms der Arbeitsgruppe von Wollring durchgeführt wird, aufgrund der zuvor beschriebenen australischen Forschungsergebnissen und der spezifisch hessischen Verhältnisse gestellt. Theoretischer Hintergrund, Rahmen und Problemlage 16 - „Was lernen Lehrer aus dem Führen von Schüler-Interviews?“ - „Welche Unterstützung bietet das Schüler-Interview dem Lehrer?“ - „Welche Konsequenzen ziehen Lehrer aus dem Führen von Schüler-Interviews?“ - „Bilden die Schüler-Interviews ein Instrument „handlungsleitender Diagnostik“ (Wollring, 2003)?“ - Der Aspekt der Diagnostik bezieht sich einerseits auf die Fähigkeit des Lehrers die mathematischen Performanzen seiner Schüler durch das Führen von Schüler- Interviews adäquat einzuschätzen. Andererseits stellt sich die Frage, inwieweit die Schüler-Interviews den Lehrer unterstützen, sein eigenes Handeln zu diagnostizieren, zu reflektieren und ggf. zu verändern. Die Beantwortung der vorgestellten Forschungsfragen ist von besonderem Interesse, da laut Fritz/Ricken/Schmidt (2003) eine differenzierte Diagnostik bezogen auf Leistungsent- wicklung zum zukünftigen Ausbildungs- und Arbeitsschwerpunkt für Lehrer gehören wird. Mit dieser Untersuchung soll festgestellt werden, ob das hier verwendete Schüler-Interview in der Aus-, Fort- und Weiterbildung von Lehrern unterstützend eingesetzt werden könnte. Es ist in dieser Arbeit zu beachten, dass die an dem Interviewprojekt teilnehmenden Lehrer im Gegensatz zum ENRP nicht an einer groß angelegten Fortbildung teilnehmen. Vielmehr sollen sie Interviews führen und lediglich einige Treffen zur Erläuterung des Durchführens von Schüler-Interviews erhalten. Außerdem sollen bei der vorliegenden Untersuchung die beteiligten Lehrer, die alle freiwillig an dem Projekt teilnehmen, über den Nutzen des Führens von Schüler-Interviews mit Hilfe von Einzelbefragungen interviewt werden und nicht wie im ENRP nur Lehrer, bei denen die Schüler besonders hohe Lernzuwächse zwischen den mehrfach geführten Schüler-Interviews verzeichnen. In Australien erhielten alle Lehrer dieses Großprojektes Fragebögen, welche quantitative Daten lieferten und zur Hypothesenprüfung dienten. Mit Hilfe der Interviews, die mit allen beteiligten Lehrern in Hessen geführt werden, sollen qualitative Daten zur Hypothesengenerierung erhoben werden, welchen Nutzen die Lehrer aus dem Führen der Schüler-Interviews ziehen. Lehrerbildung in Hessen Bei der Ausbildung der hessischen und der australischen Lehrer bestehen Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Bis 2005 sah die Grundschullehrerausbildung in Hessen das Fach Mathematik nicht als verpflichtendes Studienfach vor. Seit Inkrafttreten des Neuen Hessischen Lehrerbildungsgesetzes am 01.01.2005 sind Mathematik und Deutsch obligatorische Fächer für alle Studierenden des Lehramts Grundschule. Dadurch erhält die Ausbildung für das Lehramt an Grundschulen eine stärkere fachbezogene Ausrichtung (vgl. Wollring 2004b, S. 7). Seit 2005 werden alle Grundschullehramtsstudierenden im Fach Mathematik ausgebildet. In Hessen wurden bis 2005 die Grundschullehrer für das Fach Mathematik auf drei verschiedenen Niveaus ausgebildet: Entweder haben sie Mathematik für die Klassen 1 bis 4 sowie für die Klassen 5 bis 10 als Wahlfach oder Mathematik für die Klassen 1 bis 4 als Nebenfach studiert oder sie beziehen sich ausschließlich auf ihre eigenen Unterrichts- erfahrungen und haben weder während ihres Grundschullehramtsstudiums noch im Referendariat eine mathematikdidaktische Ausbildung erhalten. Bei den im Dienst stehenden Grundschullehrern unterrichten viele Grundschullehrer Mathematik fachfremd. In Australien dagegen erhalten alle Grundschullehrer eine Generalausbildung, die mit dem “bachelor of education“ abgeschlossen wird. Ihre Ausbildung besteht hauptsächlich aus Fachdidaktik, wobei Fachinhalte in die Fachdidaktik eingebunden sind. Eine Referendariatsphase, wie sie in Deutschland existiert, ist in Australien nicht vorhanden. Daher besitzen die Schüler- Interviews besonders für die australischen Junglehrer, die direkt nach ihrem Studium in der Theoretischer Hintergrund, Rahmen und Problemlage 17 Schule unterrichten, besondere Bedeutung, um erste Kontakte zu Kindern zu erhalten und etwas über deren Denken zu erfahren. Außerdem ist der Lehrerberuf in Australien finanziell nicht so attraktiv wie in Deutschland. Jedoch erhalten die australischen Lehrer für den Besuch zertifizierter Lehrerfortbildungen wie dem ENRP Gehaltszulagen. 1.3 “Linking assessment and teaching“ – „handlungsleitende Diagnostik” eine Begriffsspezifizierung Das australische ENRP, das als Ausgangspunkt dieser Untersuchung dient, kennzeichnet den Nutzen des Eins-zu-eins-Interviews zwischen dem Mathematiklehrer und seinem Schüler mit den Worten “linking assessment and teaching“ (Clarke 1999). Wie sich durch das ENRP zeigte, erhält der Lehrer durch die Ergebnisse des Interviews ein Bild der mathematischen Performanzen des Kindes. Auf der Grundlage dieser Informationen und seinem durch die begleitenden Fortbildungen hinzugewonnenen Wissen plant der Lehrer mathematische Aktivitäten mit den Schülern und begleitet sie in ihrem Lernprozess. Dabei entsteht eine Synthese von Evaluation und Lehrerunterstützung. Wollring (2004b, S. 7) kennzeichnet diesen besonderen Effekt mit dem Begriff „handlungs- leitende Diagnostik“. Der Lehrer ist bei der handlungsleitenden Diagnostik unmittelbar an der Datenerhebung beteiligt, z. B. in Form von Interviews mit Schülern. Es wird vermutet, dass der Lehrer daraus Unterstützung für seinen eigenen Unterricht gewinnen kann. Die Lehrer erheben die Performanzen der Kinder mittels eines Interviews und können möglicherweise aufgrund der Kenntnis des Lernstandortes den Schüler gezielt fördern. Daraus kann zwar nicht in jedem Fall eine Therapie abgeleitet werden, aber die Ergebnisse der Diagnose beschreiben die Ausgangslage. Eine Zielvorstellung der Handlungsleitung ist es, die Lehrer in ihrem didaktischen und mathematikdidaktischen Handeln insgesamt zu unterstützen. Verfügt der Lehrer des Weiteren über pädagogisches und entwicklungspsychologisches Wissen so können die durch die Diagnose gewonnenen Erkenntnisse möglicherweise die Grundlage für den Aufbau einer Therapie bilden. In dieser Arbeit soll untersucht werden, auf welchen Ebenen das Führen von Schüler- Interviews Auswirkungen auf die beteiligten Lehrer hat. Dies führt weiter zu der Frage, ob eine solche Diagnostik zu einer bewussten Reflexion über die Schülerleistungen, die eigenen Handlungen im Unterricht und im Umgang mit den Schülern führen kann. 1.4 HBMD – Hessisches Basis-Interview zur Mathematik-Diagnostik In der Arbeitsgruppe Wollring wird das Interviewprojekt mit dem Namen „Hessisches Basisinterview zur Mathematikdiagnostik“ (HBMD) bezeichnet, da das Interview an die speziell hessischen Verhältnisse angepasst werden soll. Ausgangspunkt für die Erprobung des Eins-zu-eins-Interviews ist die vom hessischen Kultusministerium unterstützte „Arbeitsstelle Problematische Leistungen im Mathematikunterricht“ an der Universität Kassel unter Leitung von Wollring. Im Jahr 2002/2003 stand die Übersetzung des Interviewleitfadens aus dem ENRP, in Form eines leitfadengeführten Eins-zu-eins-Interview von etwa einer Stunde Dauer für Grundschulkinder der Jahrgangsstufen 0, 1, und 2, ins Deutsche. Dieser Leitfaden wurde aus curricularen Gründen in drei Teilbereichen um je eine Aufgabe für die hessische Version ergänzt. Genauere Ausführungen der Veränderungen sind in Kapitel 2.2.2 „Schüler- Interview“ zu finden. Inhaltlich muss das gesamte Interview noch stärker an das Curriculum angepasst und im Zuge der Implementierung der Bildungsstandards mit diesen abgestimmt werden. Im Bereich Theoretischer Hintergrund, Rahmen und Problemlage 18 Arithmetik wurden bereits erste Änderungen vorgenommen, bei denen eine hohe Kohärenz mit dem hessischen Curriculum besteht. In gemeinsamer Arbeit mit Peter-Koop von der Universität Oldenburg werden neue Ideen für den Bereich Anwendungen entwickelt. Für den Bereich Geometrie werden aus Vorarbeiten des Mathematikdidaktischen Labors der Universität Kassel neue Aufgaben konzipiert. Ferner soll das Interview auf die Eignung zur Dokumentation von Lernentwicklungen betrachtet werden. Zur Erprobung des Interviews in Hessen bilden sechs nordhessische Grundschulen die Kooperationspartner der Arbeitsgruppe Wollring. Aus jeder Schule nehmen mindestens zwei Lehrkräfte freiwillig teil. Genaueres zur Durchführung der Untersuchung der Arbeitsgruppe Wollring, in welcher die vorliegende Studie eingebettet ist, ist in Kapitel 2 zu finden. 1.5 Diagnostik in der Schule und für die Schule Die meisten vertrödeln die Zeit mit Fragen, und sie fragen, um herauszubekommen, was der Schüler nicht weiß; während die wahre Fragekunst sich darauf richtet, zu ermitteln, was der andere weiß oder zu wissen fähig ist. Albert Einstein, 1920 Das in dieser Untersuchung verwendete Schüler-Interview dient dazu, die mathematischen Performanzen eines Grundschulkindes der Klassen 0 bis 2 zu bestimmen. Es könnte möglicherweise für die Lehrer als ein Diagnoseinstrument verwendet werden. Daher ist die Einordnung des psychologischen, pädagogischen und fachdidaktischen Diagnostikver- ständnisses in Bezug auf die Schule relevant. Um den Begriff der Diagnose zu klären, wird dessen Bedeutung in der Medizin und anschließend in der Psychologie referiert. In der Pädagogik kann sowohl von psychologischer sowie pädagogischer Diagnostik gesprochen werden. Die fachdidaktische Diagnostik, die sich noch in der Entwicklung befindet, basiert, speziell in der Mathematikdidaktik, größtenteils auf der pädagogischen Diagnostik. Seit PISA (Program for International Student Assessment) ist das Thema Lehrerkompetenzen (vgl. Bromme 1997) mit den vier Kompetenzbereichen Sachkompetenzen, Klassenführungs- kompetenzen, didaktischen Kompetenzen und diagnostischen Kompetenzen von Lehrkräften wieder verstärkt in der Diskussion. Benötigt werden diagnostische Kompetenzen als Basisqualifikation von allen Lehrkräften, um das Leistungsvermögen ihrer Schüler ange- messen bewerten zu können (vgl. Weinert 2000; vgl. Horstkemper 2006, S. 4). Bei der Bewertung von Schülerleistungen existiert in der Pädagogik, Psychologie sowie der Bildungsforschung das Problem, dass das Lernen der Schüler „ein außerordentlich komplexer und dynamischer Vorgang“ ist (Prengel 2006, S. 26). Die Besonderheit pädagogischer Diagnosen besteht in der Tatsache, dass sie sich im Schulalltag abspielen und während des Unterrichts Informationen gesammelt werden können. Wie für jedes Arbeitsfeld und jede Profession sind deshalb für das Arbeitsfeld Schule eigene Diagnoseverfahren erforderlich. Wobei Diagnostik „eine für die Steuerung des Lehr-Lern-Prozesses besonders bedeutsame“ Aufgabe im pädagogischen Handlungsfeld ist (Horstkemper 2006, S. 4). Laut Kretschmann (2004, S. 1), pädagogischer Psychologe, können Diagnosen „zu unterschiedlichsten Zwecken eingesetzt werden: 1. zur Optimierung pädagogischer Angebote in Abhängigkeit von den Lernständen der zu unterrichtenden Schülerinnen und Schüler. Theoretischer Hintergrund, Rahmen und Problemlage 19 2. zur Schullaufbahnlenkung mit den Möglichkeiten - den Zugang zu einer Institution zu steuern, bzw., - über den Verbleib in der Institution zu entscheiden und 3. zur Schulentwicklung, wobei dann nicht die Leistungen der Individuen Gegenstand des diagnostischen Interesses sind, sondern die Effizienz der Systeme, ihre Stärken, ihre Schwächen und ihr Optimierungsbedarf. TIMSS, PISA und IGLU sind Beispiele solcher systembezogenen Diagnoseanstrengungen“ (Kretschmann 2004, S. 1). Wird Diagnostik als Mittel zur Optimierung pädagogischer Angebote eingesetzt, so kann sie dazu dienen den Unterricht optimal an die Lernausgangslage der Lernenden anzupassen, frühzeitig auf mögliche lern- und entwicklungsgefährdete Schüler aufmerksam zu werden und bei bereits bestehenden Problemen zu intervenieren (vgl. Kretschmann 2004, S. 2). Das wichtigste ist es, nicht mit dem Fragen aufzuhören … Albert Einstein, 1955 1.5.1 Diagnostikverständnis in der Psychologie und Medizin Das Wort „Diagnose“ stammt aus dem Griechischen diagnossi und heißt wörtlich übersetzt „die Durchforschung“ oder „das Unterscheiden“. Dieses Wort setzt sich aus dia = durch und gnosein = kennen(lernen) zusammen. Diagnose bezeichnet die Erkennung, Feststellung, Prüfung eines Gegenstandes mittels Anamnese, Exploration und Untersuchung (vgl. Häcker/Stapf 2004, S. 198/199). In der Medizin steht der Begriff „Diagnose“ seit der Antike für ärztliches Denken und das Vorbereiten von Handlungen. Diagnose bezeichnet den Vorgang der Erkenntnisgewinnung durch „die Zuordnung von körperlichen und psychischen Störungen zu Krankheitsbegriffen eines nosologischen Systems“ (Saß 1995, S. 17). Die subjektiven sowie objektiven Erscheinungen, die so genannten Symptome, bilden die Grundlage der medizinischen Diagnostik. Durch die ärztlichen Entscheidungen erhält die Diagnose Bedeutung, indem der Arzt z. B. eine Krankheitsprognose stellt (vgl. Saß 1995, S. 17). Die Lehre, der Vorgang der Beurteilung und der Kanon von Methoden zur Erstellung von Diagnosen werden mit dem Begriff „Diagnostik“ bezeichnet. Die wörtliche Übersetzung des griechisch-lateinischen Wortes diagnostikein bedeutet gründlich erkennen und Unter- scheidung von Merkmalen und Beurteilungen vornehmen (vgl. Häcker/Stapf 2004, S. 199). Im Lehrbuch zur psychologischen Diagnostik von Jäger und Petermann (1995, S. 11) findet sich folgende Definition des Begriffs „Diagnostik“: Diagnostik ist das „systematische Sammeln und Aufbereiten von Informationen mit dem Ziel, Entscheidungen und daraus resultierende Handlungen zu begründen, zu kontrollieren und zu optimieren“. Mit Hilfe von Regeln, Anleitungen, Algorithmen usw. werden komplexe Informationen, wie Charakteristika von Merkmalsträgern, gesammelt, auf denen die Entscheidungen und Handlungen basieren. Einzelpersonen, Personengruppen, Institutionen, Situationen, Gegenstände etc. gelten als Merkmalsträger (vgl. Jäger/Petermann 1995, S. 11). Diagnostik hat in der klassischen Psychometrie die Aufgabe der Klassifikation und Typologisierung. Es handelt sich dabei um eine Selektions- bzw. Auslesediagnostik, d. h. der Auswahl von Personen (Klassifikation, Platzierung) oder Bedingungen (Schulform, Aufenthaltsort). Dazu werden klassische standardisierte Testverfahren – vom Typ der Intelligenztests – eingesetzt. Sie erfassen den Zustand einer Person zu einem gegebenen Theoretischer Hintergrund, Rahmen und Problemlage 20 Zeitpunkt, also eine Statusdiagnostik. Es wird versucht möglichst genau und zuverlässig zu unterscheiden, welche Personen bestimmte Eigenschaften besitzen oder nicht. Allgemein dienen Tests in der Psychologischen Diagnostik „zur Untersuchung eines oder mehrerer empirisch abgrenzbarer Persönlichkeitsmerkmale mit dem Ziel einer möglichst quantitativen Aussage über den relativen Grad der Merkmalsausprägung“ (Lienert 1967, S. 7, in: Scheurer 1995, S. 257). Im Hinblick auf die Analyse sozialer Wirklichkeit, die in pädagogischen Handlungsfeldern relevant wird, scheint das medizinische Klassifikations- und Selektionsmodell wenig brauchbar. Die empirische Konkretheit des Falles wird bekanntem klinischen Wissen zu- und untergeordnet. Die Diagnosen erbringen in Verbindung mit der sozialen Wirklichkeit wenig Objektivität und erscheinen als Ausdruck institutionalisierter Prozesse. Durch medizinische bzw. psychologische Diagnostik werden Personen etikettiert und möglicherweise stigmatisiert (vgl. Hanses 2004, S. 101/102). Einige Diagnoseverfahren, die im schulischen Umfeld auftreten, sind der psychologischen Diagnostik zuzuordnen. Sie sind entwickelt, um psychologische Fragestellungen zu klären, z. B. „für Forschungszwecke, um statistisch auswertbare psychologische Zusammenhänge und Entwicklungen zu erhellen, für die klinisch-therapeutische Praxis, für Berufsprognosen und für Begutachtungen, etwa Glaubwürdigkeitsgutachten oder Sorgerechtsgutachten vor Gericht.“ (Kretschmann 2003, S. 1). 1.5.2 Diagnostikverständnis in der Pädagogik und Sonderpädagogik Pädagogische Diagnostik „dient der Optimierung pädagogischer Einzelfallentscheidungen und nutzt dabei wissenschaftliche Routineverfahren zur entscheidungsbezogenen Informationserhebung“ (Keck et al. 2004, S. 334). Wie in der psychologischen Diagnostik gelten in der pädagogischen Diagnostik folgende formalen Grundlagen, die als Test- bzw. Messgütekriterien bezeichnet werden: 1. Objektivität, 2. Zuverlässigkeit (Reliabilität) sowie 3. Gültigkeit (Validität) (vgl. Keck et al. 2004, S. 334/335). Pädagogische Diagnostik unterscheidet sich nicht notwendig von der psychologischen Diagnostik durch eigene Verfahren, Methoden oder Theorien, sondern durch den Bezug auf pädagogische Entscheidungen. In der pädagogischen Diagnostik steht das Individuum mit seinen Kompetenzen und Einstellungen im Vordergrund. Mit Hilfe von Schulleistungstest sollen „Ergebnisse geplanter und an Curricula orientierter Lernvorgänge möglichst objektiv, zuverlässig und gültig gemessen und durch Lehrende (z. T. auch durch Lernende) oder Beratende ausgewertet, interpretiert und für pädagogisches Handeln nutzbar gemacht werden können“ (Ingenkamp 1995, S. 505, Hervorhebungen im Original). Ingenkamp kennzeichnet pädagogische Diagnostik als Gesamtheit diagnostischer Tätigkeiten, durch „die bei Individuen (und den in einer Gruppe Lernenden) Voraussetzungen und Bedingungen planmäßiger Lehr- und Lernprozesse ermittelt, Lernprozesse analysiert und Lernergebnisse festgestellt werden, um individuelles Lernen zu optimieren“ (Ingenkamp 1991, S. 760, in: Kretschmann 2004, S. 2). Infolgedessen ist die Erfassung von Lernerfolgen das Kernstück der pädagogischen Diagnostik. Die sonderpädagogische Diagnostik ist laut Schuck (2000, S. 233) „nichts anderes als eine pädagogische Diagnostik zur Begleitung von Prozessen der Bildung, Erziehung und Förderung unter erschwerten Bedingungen und als Spezifikation im allgemeinen Begriff enthalten“. In der pädagogischen Diagnostik geht es somit um die Veränderung einer „schulischen Problemsituation, in der das Schülerverhalten nur eine von mehreren Variablen darstellt“ Theoretischer Hintergrund, Rahmen und Problemlage 21 (Eberwein/Knauer 1998, S. 9/10, Hervorhebung im Original). Dies führt zu einer Situations- und prozessorientierten Diagnostik, der Förderdiagnostik, mit deren Hilfe die individuellen Stärken und die im Umfeld liegenden Ressourcen aufgedeckt und zum anderen das schulische Angebot mit diesen Voraussetzungen zur Passung gebracht werden sollen (vgl. Knauer 1998, S. 57). Drei Schritte beinhaltet die Förderdiagnostik: Die Feststellung der Ausgangslage, Beobachtung und Begleitung der Lernprozesse des Kindes und die Erfassung und Überprüfung der Ergebnisse des Lernprozesses, um den Fortgang des Lernprozesses beurteilen zu können (vgl. Brunner 2004, S. 61). Das Augenmerk wird stärker auf die Lernprozesse als die Lernergebnisse gelegt. Jedoch kann aus den Erkenntnissen der Förder- diagnostik nicht unmittelbar didaktisches und therapeutisches Handlungswissen abgeleitet werden, da zwischen Diagnose und Unterricht kein direktes Ableitungsverhältnis besteht (vgl. Schlee 1985, S. 159 f.). Durch eine förderdiagnostische Diagnose kann der Entwicklungs- zustand und das Lernverhalten eines Kindes erkannt werden. Sie heilen jedoch nicht und sie liefern auch kein Förderkonzept. Mit curriculumbezogenen Diagnoseverfahren kann die Zone der aktuellen Leistung eines Kindes ermittelt werden. Da diesen Diagnoseverfahren Lernentwicklungsmodelle zugrunde liegen, wird die Zone der nächsten Entwicklung, das anzustrebende Lernziel, angezeigt (vgl. Kretschmann 2006, S. 53). Um kompetent auf die Er- gebnisse der Diagnose reagieren zu können, müssen verschiedene Bedingungen erfüllt sein: - Die handelnden Personen verfügen über pädagogisches, lern- und entwicklungspsychologisches Wissen, - die Diagnostizierenden wissen, welche Fördermaßnahmen sie bei bestimmten Diagnoseerkenntnissen ableiten und ausführen müssen, - in den Schulen stehen ausreichend Ressourcen bereit, um Diagnose durchzuführen und Förderangebote anzubieten, - es bestehen Möglichkeiten zur Kooperation mit Schulpsychologen oder anderen unterstützenden Diensten (vgl. Kretschmann 2004, S. 3). Eine praxisbegleitende Lernprozessdiagnostik wird auch als Lernprozessanalyse, Lernstands- analysen oder Lernausgangslagen bezeichnet. Mit Hilfe dieser Verfahren (Vorgehensweisen) können die Kompetenzstände, Lernwege, Lernbedingungen und anstehenden Lernschritte des einzelnen Kindes erfasst werden. Lehrkräfte ermitteln damit die aktuelle Lernausgangslage des Kindes zu Beginn ihres Lehrens und immer wieder im Unterricht. Auf dieser Basis werden sie in die Lage versetzt, passende pädagogische Angebote zu gestalten (vgl. Prengel 2006, S. 26). Dies ist von besonderer Bedeutung, da Schüler ihr vorhandenes Wissen nutzen, um neues Wissen zu konstruieren. Ihr gegenwärtiges Wissen über einen Lerngegenstand beeinflusst die Art und Weise, wie sie neue Erkenntnisse verarbeiten und in ihren Speicher einbauen. Kretschmann (2004, S. 8) schlägt vor in der Pädagogik, analog zur Psychotherapie, bei der von „Theragnostik“ gesprochen wird, wenn sich Informationsgewinn und Intervention in einem stetigen Wechsel vollziehen, von „Pädagnostik“ zu sprechen. Damit wird betont, dass es sich nicht um Krankheiten handelt, sondern um den Erkenntnisgewinn in pädagogischen Handlungsfeldern. Sowohl die Pädagogik als auch die Psychotherapie gehen von der „Veränderung eines komplexen Mensch-Umwelt-Systems aus, um es dem Menschen zu er- möglichen, sich effektiver als bisher mit sich und seiner Umwelt auseinanderzusetzen“ (Eggert 1998, S. 25). Kretschmann nutzt dazu „Prozessdiagnosen“, z. B. Prozessdiagnose mathematischer Kompetenzen in den Schuljahren 1 und 2, die sich aus Fragen- und Aufgabensammlungen zu verschiedenen lernrelevanten Kompetenzen und Verhaltensweisen zusammensetzen. Es werden Aufgaben zu den Fächern „Mathematik“ und „Deutsch“ gestellt, um bereits vollzogene Lernschritte zu erfassen. Ferner werden Registrierbögen und Protokollierungshilfen zur Diagnose: Theoretischer Hintergrund, Rahmen und Problemlage 22 - der Allgemeinentwicklung, - des Sprachverhaltens, - des Arrangements mit der unterrichtlichten Lernsituation, - des Lernhandelns, - der Motivation und der emotionalen Einstellung zum Lerngegenstand eingesetzt. Diese Diagnoseverfahren berücksichtigen den Prozess, da nicht nur das Ergebnis interessiert, sondern auch die Vorgehensweise des Kindes, das Curriculum, da sie den Lernstand zu wesentlichen Inhalte der Fächer „Mathematik“ und „Deutsch“ erheben, den Dialog, da die Lehrer durch Gespräche und Nachfragen mehr über die Kinder erfahren, und den Lernweg, da im regelmäßigen Abstand der Förderbedarf des einzelnen Schülers ermittelt wird (vgl. Kretschmann 2006, S. 51). Diagnosekompetenz umfasst weit mehr als nur Diagnoseinstrumente kompetent handhaben zu können. Der Lehrer muss dazu über mehrere Kompetenzen verfügen: - Reflexion des Diagnostikers über die eigenen Kompetenzen, - Heranziehen von pädagogischem und psychologischem Hintergrundwissen, - Methodenkompetenz, - Fähigkeit zur Konzeption von Differenzierungs- bzw. Unterstützungsangebote für Lernende, und - Festlegen von Vergleichsmaßstäben bezüglich der Lernentwicklung (vgl. Rühlmann 2002, S. 257-259; vgl. Kretschmann 2004, S. 3). Laut Horstkemper (2006) stehen alle pädagogischen Diagnosen im Dienst des Lernens. Daher sind für Lehrkräfte Kompetenzen auf drei Ebenen zu fordern. 1. Diagnostik als didaktische Herausforderung, 2. Diagnostik als selbstreflexiver Prozess, 3. Diagnostik als dialogischer und kooperativer Prozess. Zu 1.: Diagnostische Kompetenz zeigt ihre Wirkung nicht nur bei der Förderung einzelner Schüler, sondern auch bei der Unterrichtsgestaltung. Zu 2.: Bei Lernstandsanalysen werden Lehrer mit den Ergebnissen ihrer eigenen Arbeit konfrontiert. Zwischen Unterrichtsqualität und Lernerfolg bestehen deutliche Zusam- menhänge. „Ein ganz wichtiger Bestandteil diagnostischer Kompetenz impliziert daher die Fähigkeit, Spannungen auszuhalten und reflexiv zu verarbeiten. Sie ergeben sich daraus, dass misslingende Lernprozesse immer wieder auch die Grenzen eigener methodisch-didaktischer und kommunikativer Fähigkeiten spüren lassen“ (Horst- kemper 2006, S. 7). Zu 3.: Um Schüler zu selbstgesteuertem Lernen zu befähigen, müssen sie lernen eigene Handlungsergebnisse selbst zu kontrollieren und ihren Mitschülern „diagnostische Rückmeldungen“ und „Lernberatungen“ zu geben. Dies ist jedoch nur in Lerngruppen mit einer gut entwickelten Lernkultur zu empfehlen. Diese Kompetenzen der Schüler müssen gepflegt und begleitend reflektiert werden, damit sie dem Unterricht dienlich sind. Ferner ist die Kooperation im Kollegium hilfreich, um sich über Erfahrungen auszutauschen, kritische Rückmeldungen zum eigenen Vorgehen zu erhalten und sich mit den Ansichten anderer auseinanderzusetzen (vgl. Horstkemper 2006, S. 6/7). Nur Lehrkräfte, die über diese Diagnosekompetenzen verfügen, sind in der Lage beobachtungssensibel „Krisensymptome frühzeitig zu erkennen und ggf. eine weitergehende Überprüfung einzuleiten oder zu veranlassen. […]. Eine professionelle Diagnosehandlung ist Theoretischer Hintergrund, Rahmen und Problemlage 23 ein theorie- und hypothesengeleitete gezielte Suche auf der Basis einer Anfangsbeobachtung und einer Anfangsvermutung“ (Kretschmann 2004, S. 4). Zwischen dem Diagnosebedarf und der Diagnosekompetenz und der Unterrichtsmethodik besteht vermutlich eine Wechselwirkung. Wird davon ausgegangen, dass sich die Kompetenzen der Schüler alle auf einem Niveau befinden, besteht keine Notwendigkeit zu diagnostizieren. Wird jedoch festgestellt, dass Lernende eines Jahrgangs verschiedene Kompetenzen besitzen, so werden Angebote zur Differenzierung und Individualisierung notwendig (vgl. Kretschmann 2004, S. 6). Keeney (1987, S. 13) formuliert treffend, dass „das, was man sieht, immer eine Folge dessen ist, wie man handelt. So gesehen enthüllen Beschreibungen von Beobachtern immer die Handlung des Beobachters“. Wie jemand handelt, ist immer auch eine Folge dessen, wie jemand beobachtet. Daraus lässt sich folgendes Fazit ziehen. „Wer lernt, anders zu beobachten, kann anders handeln. Und wer anders handelt, kann Neues beobachten“ (Werning 2006, S. 15). Die Aktualität der Diagnose in den erziehungswissenschaftlichen Professionen hängt mit den Diskussionen über Professionalität und mit den „veränderten Lebensbedingungen und gesellschaftlichen Strukturen in der späten Moderne“ zusammen (Hanses 2004, S. 102). 1.5.3 Diagnostikverständnis in der Mathematikdidaktik Was man zu verstehen gelernt hat, fürchtet man nicht mehr (Marie Curie, 1867-1934). Wie im vorhergehenden Teilkapitel erläutert, nutzen Schüler ihr vorhandenes Wissen, um neues Wissen zu konstruieren. Daher ist es notwendig die Lernausgangslage der Schüler zu bestimmen. Lehrer benötigen im Hinblick auf die Diagnose mathematischer Leistungen hinreichende fachliche und fachdidaktische Kompetenzen, um Schwierigkeiten der Schüler zu ermitteln (vgl. Scherer 2003, S. 94). Dazu stehen ihnen verschiedene methodische Möglichkeiten zur Verfügung: - Standortbestimmungen, - Fehleranalyse schriftlicher Arbeiten, - Analyse und Betrachten von Eigenproduktionen, - diagnostische Interview, - Erkenntnisse über die Denkweise der Schüler mittels der Methode „Lautes Denken“, - Beobachten des Schülers während der Aufgabenlösung, - … Von Standortbestimmungen im mathematischen Anfangsunterricht erwartet Röthlisberger (1999, S. 25-26), dass: - sie ein breites lehrplanbezogenes Spektrum mathematischer Anforderungen abstecken, - die Aufgaben sich auch auf Alltagserfahrungen der Kinder beziehen, - die ermittelten Informationen Aufschluss über Fähigkeiten und Lösungsstrategien geben, - die Erhebung im regulären Unterricht und mit knapper Instruktion durchführbar ist, - bei Standortbestimmungen im späteren Verlauf des Unterrichts die Schüler ihre Kompetenzen auch in Bereichen zeigen dürfen, die noch nicht thematisiert worden sind. Standortbestimmungen sollen eine Deutung der Lern- und Leistungsentwicklungen des Schülers ermöglichen. Dies ist das primäre Ziel der Lernstandortbestimmung und nicht Theoretischer Hintergrund, Rahmen und Problemlage 24 lediglich die Bestimmung des momentanen Leistungsstands (vgl. Röthlisberger 1999, S. 23). Anregungen, wie mathematische Performanzen von Grundschulkindern durch Lernstandort- bestimmungen erhoben werden können, geben Schmidt/Weiser 1982, van den Heuvel- Panhuizen/Gravemeijer 1990, Spiegel 1992, Hengartner/Röthlisberger 1995, Spiegel/Knapstein 1995, Hengartner, 1999 und Moser-Opitz/Schmassmann 2002. Die Aufgaben bestehen zumeist aus rein ikonischen oder symbolischen Texten. Diese Lernstands- bestimmungen, oft in Form von schriftlich begleiteten Interviews, informieren den Lehrer über die mathematischen Fähigkeiten der Kinder einer bestimmten Klasse, um „a) die Kinder gezielter zu beobachten und ihnen genauer zuzuhören, d. h. um ihre Lernwege besser zu verstehen, und um b) ganzheitlichere und komplexere Aufgaben, welche für alle Kinder Anreize bringen, besser zu begründen“ (Hengartner/Röthlisberger 1995, S. 84). Mit der Lern- standortbestimmung erhält der Lehrer auch Schülerdokumente, so genannte Eigenpro- duktionen, die er auswerten und interpretieren kann. Ein anderer Ausgangspunkt einer Diagnose stellt die Fehleranalyse schriftlicher Arbeiten dar. Fehlerhafte Lösungen im Mathematikunterricht gehen selten aus nicht nachvollziehbaren kognitiven Prozessen hervor. Meist beruhen sie „auf individuellen und für die Schüler sinnerfüllenden Regeln und Lösungsstrategien mit jeweils sehr sensiblen Ursprüngen“ (Radatz 1980, S. 3 f.). Um die Fehlermuster und Fehlerstrategien des Schülers zu klären, ist es teilweise notwendig individuelle Prozessanalysen oder ein diagnostisches Interview an die Fehleranalyse schriftlicher Arbeiten anzuschließen. Hilfreich ist es auch den Schüler durch die Methode „Lautes Denken“ die Aufgabenlösung artikulieren zu lassen. Dies ist ein Weg „Auskünfte über die subjektive Verinnerlichung von Mathematik“ bei Kindern zu erhalten (Wehrmann 2003, S. 51). Die Analyse und das Betrachten von Eigenproduktionen sind der Fehleranalyse ähnlich, jedoch handelt es sich bei den Eigenproduktionen nicht notwendigerweise um fehlerhafte Lösungen. Als Eigenproduktionen werden z. B. aufgeschriebene Rechnungen, mündliche Äußerungen oder auch durch Video aufgezeichnete Handlungen und Interviews bezeichnet (vgl. Wollring 2005). Mit Hilfe der Analyse von Eigenproduktionen kann der Lehrer Einsichten in individuelle Lösungsstrategien des Schülers gewinnen und möglicherweise frühzeitig auf Schwierigkeiten aufmerksam werden. Ein Interview mit einem Schüler als besondere Form der Eigenproduktion ermöglicht dem Lehrer die Denkwege der Kinder nachzuvollziehen und sie dadurch möglicherweise besser zu verstehen. Verstehen bedeutet dabei, die „inneren handlungsleitenden Prozesse einer handelnden Person zu rekonstruieren“ (Kautter 1998, S. 84). Da diese handlungsleitenden innerpsychischen Prozesse nicht von außen beobachtbar sind, können sie nur mit Hilfe eines Interviews oder mit der Methode „Lautes Denken“ erfasst werden. Ein diagnostisches Instrument, welches die Lernentwicklung eines Schülers dokumentiert, ist das Reisetagebuch. Dem Schüler werden darin Lernräume zum Erforschen und Reflektieren mathematischer Beziehungen eröffnet (vgl. Hess 2003, S. 112). Bei allen Vorgehensweisen kann der Lehrer als Diagnostizierender zwei verschiedene Sichtweisen auf die Produkte der Kinder einnehmen: ergebnis- oder strategieorientiert. Ergebnisorientiert bedeutet objektiv messbare Ergebnissen zu prüfen, die entweder richtig oder falsch sind. Dagegen wird bei der Strategieorientierung der Lösungsprozess betrachtet. In der pädagogischen Diagnostik stellen die, von Kretschmann (1998) konzipierten, Aufgabensammlungen für Deutsch und Mathematik ein förderdiagnostisches Instrument dar, das eine Strategieorientierung besitzt. Sie sollen Einsichten schaffen, wie ein Kind an Aufgaben herangeht und zielen auf Kompetenzen, die die Kinder in ihrem Lernprozess Theoretischer Hintergrund, Rahmen und Problemlage 25 entwickeln müssen, um erfolgreich ihre Schullaufbahn zu verbringen (vgl. Kretschmann 1998, S. 269). Um alle vorgestellten diagnostischen Möglichkeiten nutzbar zu machen, ist mathematisches und mathematikdidaktisches Wissen des Lehrers eine unabdingbare Voraussetzung (vgl. Woodward/Baxter 1997, S. 386, in: Scherer 2003, S. 100). Schuck (1994) stellt fest, dass „jeder diagnostische Prozess nur ein hypothesenorientierter und hypothesengenerierender Erkenntnisprozess sein kann, der nur vorläufige Aussagen zur gegenwärtigen Situation und zu dem Bedingungshintergrund, zu den erreichbaren und zu erreichenden Zielen einer Förderdiagnostik und zu den notwendigen pädagogischen und sonstigen Maßnahmen und Änderungsumständen hervorzubringen vermag“ (Schuck 1994, S. 24, in: Eberwein/Knauer 1998, S. 10). Insofern ergeben sich Förderziele nie aus der Beschreibung oder der Diagnose, sondern aus der vorher festgelegten Zielsetzungen (vgl. Moser Opitz 2004, S. 9). Wenn Lehrkräfte bereit sind, didaktisch-diagnostische Kompetenzen zu erwerben und ein gewisses zeitliches Engagement aufzubringen, so bieten offene Aufgaben und ein natürlich differenzierter Unterricht ergiebige diagnostische Quellen (vgl. Hess 2003, S. 116). Für die innere Differenzierung in leistungsheterogenen Klassen eignen sich offene Aufgaben, da sie verschiedene Interpretationen und Bearbeitungen zulassen und daher auch eine Diagnose von individuellen Leistungsständen ermöglichen. „Insbesondere die frühzeitige Förderung des eigenständigen Notierens, zum Beispiel als formloses Protokollieren des eigenen Vorgehens, kann sowohl die Selbstreflexion als auch die Diagnose unterstützen. Das belegen unter anderem englische Erfahrungen bereits aus den mittleren 70er-Jahren“ (Bell 1978; vgl. Bauersfeld 1978; in: Bauersfeld 2003, S. 449). Winter (2006, S. 23) sieht eine „Monokultur des Frontalunterrichts“ als größten Hemmfaktor für den Einzug von förderdiagnostische Verfahren an Schulen. Zuallererst muss sich daher der Unterricht stärker für differenzierende Maßnahmen öffnen und sich eine neue Feedbackkultur im Unterricht etablieren, so dass die Diagnosekompetenzen von Lehrern Wirkung zeigen können (zum Tragen kommen). Es wird also eine „Reform der Lehr-Lern- Kultur“ benötigt. Ist dies nicht der Fall, so prophezeit Winter (2006, S. 25), dass „Diagnose und Förderung […] in der Gefahr [stehen], eine pädagogische Mode zu bleiben, die bald wieder von der Bildfläche verschwindet“. 1.6 Auswirkungen des Schüler-Interviews auf die Lehrer und ihren Unterricht – Lehrerfortbildung im Zusammenhang zu Professionalisierung In den australischen Ergebnissen des ENRP wird deutlich, dass das Führen von Schüler- Interviews die Lehrer unterstützt. Sie haben ein größeres Verständnis für die individuellen Strategien der Kinder entwickelt und sie fragen häufiger nach dem Lösungsweg der Kinder, d. h. warum und wie sie gerechnet haben (siehe auch Kapitel 1.1.3, ENRP 2002, S. 177/178, 182 ff.). Dadurch könnte das professionelle Handeln von Lehrern im Umgang mit ihren Schülern und in ihrem Unterrichten gestärkt werden. Für die vorliegende Arbeit stellt sich die Frage, inwieweit sich das Führen von Schüler- Interviews auf die Professionalisierung der beteiligten Lehrer auswirkt. Deshalb werden im Folgenden der Diskussionsstand zur Professionalisierung des Lehrerberufs und seine Reflexionsfähigkeit in der pädagogischen und anschließend in der mathematikdidaktischen Diskussion rezipiert. Theoretischer Hintergrund, Rahmen und Problemlage 26 Professionalisierung im Lehrerberuf und pädagogische Professionalität Laut Bauer et al. (1996, S. 233) ist die Professionalität, speziell das professionelle Handeln, eine wichtige Voraussetzung für eine gezielte Verbesserung der beruflichen Kompetenz von Lehrern. Um den Begriff „Professionalisierung“ zu spezifizieren, wird er dem Begriff „Verberuflichung“ gegenübergestellt und von diesem abgegrenzt. „Verberuflichung“ definiert laut Herrmann (2002, S. 39) „die Durchsetzung und Differenzierung von Spezialkenntnissen für die Ausführung bestimmter Tätigkeiten […], deren Ensemble einen Beruf beschreibt“. Dagegen beschreibt „Professionalisierung“ die berufseigenen Kenntnisse und kontrolliert ihre Verwendung (vgl. Herrmann 2002, S. 39). Im Falle des Lehrers bedeutet dies, das eigene Handeln im Unterricht zu „kontrollieren“. Herrmann (2002, S. 216/217) fordert, dass Lehrer nicht nur über eine Variabilität des Handelns verfügen, sondern ihre Handlungen situationsadäquat einsetzen können. Dick (1999, S. 156) führt dies weiter aus: Professionalität von Lehrern zeichnet sich für ihn dadurch aus, dass sie über die Fähigkeit verfügen, den „Unterricht zielbewusst zu planen, durchzuführen, aber auch zu reflektieren und zu evaluieren“. Ein professioneller Lehrer weiß nicht nur, wie etwas geht, sondern auch was geht und warum. Er ist somit sowohl Experte des didaktischen Verfahrens als auch der Pädagogisierung der Inhalte. Das „professionelle Selbst“ und biographische Einflüsse Laut Reh und Schelle (2000) vollzieht sich ein Zuwachs an Professionalität im Sinne hoher Kompetenz und eines großen Könnens als ein je individueller „berufsbiographischer Entwicklungs- bzw. Lernprozess“ (Reh/Schelle 2000, S. 107). Dies spielt besonders bei Lehrern eine Rolle. Möglicherweise greifen Lehrer in ihrem eigenen Unterricht auf Handlungsmuster zurück, die sie als Schüler erlebt haben. Damit Lehrer nicht unterrichten, wie sie selbst unterrichtet wurden, bedürfen Lehrer laut Neubert (1991, S. 105) selbst- reflexives Lernen in Bezug auf ihre Biographie und ihren eigenen Verstehens- und Lernprozess. Auch die Art des Umgangs mit den Schülern ist maßgeblich durch die Person des Lehrers und seine eigene Lebensgeschichte beeinflusst (vgl. Neubert 1991, S. 105). Um zwischen der Persönlichkeit im Ganzen und dem für den Lehrerberuf relevanten Teil zu unterscheiden, schlagen Bauer et al. (1996) vor, anstatt des Begriffs der Persönlichkeit den Begriff des „professionellen Selbst“ zu verwenden. Dabei besitzt das „professionelle Selbst“ nach Bauer et al. (1996, S. 234) die Aufgabe auszuwählen, zu ordnen, zu entscheiden und wertorientiert zu handeln, um einen Zusammenhang zwischen „beruflicher Erfahrung, Diagnosekompetenz, Handlungsrepertoire und pädagogischen Werten und Zielen“ herzustellen. Lehrerhandeln im Unterricht Handeln ist eingebettet in lebensweltliche Handlungszusammenhänge, in menschlichen Interaktionen und allgemein in Situationen mit unmittelbarem Handlungsdruck (vgl. Oser 2001, S. 218/219). Dieser Handlungsdruck tritt bei Lehrern im Unterricht häufig auf und sie haben keine Möglichkeit sich „in moratoriumsähnliche Besinnungsphasen [zurückzuziehen], um aus der Distanz eine angemessene Fortsetzung des Handlungsflusses zu planen“ (Wahl 1991, in: Herzmann 2001, S. 45/46). Lehrer greifen daher in Stresssituationen auf vertraute Handlungsformen zurück. Um unter diesen komplexen Bedingungen, wie sie ein Lehrer im Unterricht antrifft, erfolg- reich tätig zu sein, ist nicht nur allgemeines Wissen nötig. Gegenüber dem eigenen Handeln ist eine reflektierende Einstellung erforderlich, um einerseits „durch Evaluation eigener Aktion situationsangepasstes Handeln zu erzeugen und um andererseits die eigene Erfahrung zugunsten späterer Handlungen auszuwerten“ (Altrichter 2000a, S. 155). Zu einer Weiter- Theoretischer Hintergrund, Rahmen und Problemlage 27 entwicklung qualitätsvoller Praxis kann somit nur reflektiertes und verantwortliches Handeln führen. Stenhouse (1985, S. 127) betont und nimmt damit die Lehrer stärker in die Pflicht, dass die Professionalität von Lehrern „auf der aktiven Übernahme von Verantwortung für die Qualität des Unterrichts“ ohne Außensteuerung beruht und dazu ein reflektiertes Bewusstsein eigener Handlungen notwendig ist. Um den Lehrern Handlungskompetenz zu vermitteln, muss die Verknüpfung von berufspraktischem und wissenschaftlichem Wissen geschehen. Dazu eignet sich die Reflexion als „kontext-sensibles und situativ-sensitives Instrument analytischer und integrativer Handlungskompetenzen“ (Dick 2003, S. 41). Als Kern pädagogischer Professionalität sieht Wimmer (1996) das Wissen des Nicht-Wissens im pädagogischen Handeln und die Reflexion darüber. Die bisher beschriebenen Aspekte werden in dem Zitat von Shulman (1986) nochmals dargestellt und auf den Punkt gebracht: “When strategic understanding is brought to bear in the examination of rules and cases, professional judgment, the hallmark of any learned profession, is called into play. What distinguishes mere craft from profession is the indeterminacy of rules when applied to particular cases. The professional holds knowledge, not only of how – the capacity for skilled performance – but of what and why. The teacher is not only a master of procedure but also of content and rationale, and capable of explaining why something is done. The teacher is capable of reflection leading to self-knowledge, the metacognitive awareness that distinguishes draftsman from architect, bookkeeper from auditor. A professional is capable not only for practicing and understanding his or her craft, but of communicating the reasons for professional decisions and actions to others” (vgl. Shulman 1983, in: Shulman 1986, S. 13). Reflexion Professionalität ergibt sich nicht von selbst, sondern beruht auf einer handlungsleitenden Reflexion ihrer Bedingungen. Das Hinzugewinnen von Erfahrung muss als ein aktiver Vorgang der reflexiven Auseinandersetzung mit der Praxis verstanden werden (vgl. Bauer et al. 1996, S. 231). „Reflexion ist darauf gerichtet, Resonanz festzustellen, Wirkungen und Wirksamkeiten zu prüfen und Spuren für Alternativen freizulegen“ (Fischer 1999, S. 272/273). Das Wort „Reflexion“ beinhaltet auch Aktivitäten wie sich zurückbeugen, Rückschau halten, nach- denken, innehalten. Wird diese Interpretation des Wortes „Reflexion“ auf pädagogische Interaktionsprozesse übertragen, bedeutet dies für Lehrer, dass sie sich aus dem Prozess herausnehmen und sich der Ereignisse bewusst werden müssen. Um Erkenntnisse zu gewinnen, müssen sie das Geschehene an eigenen Erfahrungen spiegeln und mit diesen verknüpfen. Daraus können anschließend Kriterien für Revision und Veränderung in weiteren Interaktionsprozessen entwickelt werden. In der Entstehung des Konzepts der Reflexion für den Beruf des Lehrers spielen Dewey (1933) und Schön (1983, 1987) eine besondere Rolle (vgl. Dick 1996, S. 97). Dewey (1933, S. 9) definiert „reflection“ als „active, persistent and careful consideration of any belief or supposed form of knowledge in the light of the grounds that support it and the further conclusions to which it tends“. Im Gegensatz zur impulsiven täglichen Handlung, die nur eine zufällige Bewusstheit besitzt, beruht eine intelligente Handlung auf der Reflexion. Dabei werden bei der Ausführung der Handlung Begründungen und Konsequenzen miteinbezogen (vgl. Dick 1996, S. 97/98). Dewey (1933, S. 3) bezieht sich beim reflexiven Theoretischer Hintergrund, Rahmen und Problemlage 28 Denken auf “… the kind that consists of turning a subject over in the mind and giving it serious and consecutive consideration”. Für eine Reflexion sind laut Dewey (1933, S. 16, 30-33) ’open-mindedness’, ‘whole- heartedness’ und ‘responsibility’ notwendig. Erst wenn das Denken über eine erlebte Situation mit Zweifel, Zögern, Ratlosigkeit oder kognitiven Schwierigkeiten erfüllt wird, entsteht Reflexion. Geleitet wird reflexives Denken durch die Zielauffassung und den Endpunkt (vgl. Dick 1996, S. 98). Schön (1983) differenziert den Begriff Reflexion nach Dewey (1933) weiter und unterscheidet zwischen „reflection-on-action“ und „reflection-in-action“. Unter ‚Reflexion- über-die-Handlung’ versteht Schön ein Heraustreten aus dem Handlungsfluss und einer von der Situation zeitlich abgetrennten Bewusstwerdung über die Handlung (vgl. Altrichter/Posch 1990, S. 269 f.). Durch das Reflektieren über die Handlung, z. B. einer Unterrichtssituation, kann zur Reflexion in der Handlung gelangt werden. Bei der ‚Reflexion-in-der-Handlung’ reflektiert das Individuum während der Handlung in einer unmittelbaren Auseinandersetzung mit der Situation. Dies bedeutet, ein Experimentieren in der Situation selbst. Die Ergebnisse dieser bewussten Distanzierung wirken wieder auf die Situation zurück. Für Lehrer wird die Unterscheidung zwischen „reflection-on-action“ und „reflection-in- action“ ausschlaggebend, da laut Altrichter/Posch (1990) ein Großteil des Lehrerhandelns auf unbewusstem und unausgesprochenem Wissen basiert. Für den Lehrer existieren somit Routine- und Nicht-Routine-Situationen. Ist sich der Lehrer dessen bewusst, so kann mit Hilfe der Reflexion eine erneuerte Bedeutungszuordnung einer Situation entstehen (vgl. Dick 1996, S. 102/103). Die Praxis wird dann zum Forschungsfeld des Lehrers, in welchem er neue Kenntnisse gewinnen kann. „Reflexion ist damit ein Prozess, in welchem ein Lehrer sein persönliches, praktisches Wissen immer wiederkehrend (re)strukturiert“ (Dick 1996, S. 107/108). Wie bereits beschrieben, greifen Lehrer in Nicht-Routine-Situationen oder Stress-Situationen auf vertraute Handlungsformen zurück. In der Reflexion scheinen ihnen diese oft unzu- reichend. „Lernen bedeutet demnach nicht nur, neue Fähigkeiten zu erwerben, sondern bereits erworbene Fähigkeiten zu verlernen“ (Herzmann 2001, S. 45/46). Um erfolgreich handeln zu können, ist also eine pädagogische Professionalität nötig, in der das professionelle Selbst sich beständig weiterentwickeln muss. Dabei besitzen das Handlungsrepertoire, Diagnose- kompetenz und Fallverstehen eine große Bedeutung. Diese Kompetenzen sind nicht nur für den Einsatz im Unterricht erforderlich, sondern auch für die reflexive Weiterentwicklung. „Wenn es richtig ist, dass eine Profession ständig dazu gezwungen ist, ihr Wissen angesichts sich wandelnder Problemlagen und Identitätsformen ihrer Klientel neu und anders zu denken, und wenn es richtig ist, dass pädagogisches Handeln ein antwortendes, aber letztlich planmäßig nicht zu strukturierendes Geschehen ist, so verlangt dies soziale Räume für Dispute über den Eigensinn der Arbeit und ständige Auseinandersetzungen über ihre Bedingungen, Handlungsgrundlagen und Handlungsmöglichkeiten. Eine Selbstthematisierung und ständige Prozessreflexion ihrer Arbeit erscheint unentbehrlich“ (Combe/Helsper 1996, S. 21f., in: Herzmann 2001, S. 39/40). Lehrer-Wissen Lehrer benötigen nicht nur Fachwissen, erziehungswissenschaftliches Theoriewissen und methodisches und didaktisches Handlungs- und Erfahrungswissen. Zur Förderung der individuellen Professionalität sollten darüber hinaus besonders die beiden weiteren Wissenstypen reflexives Fallwissen und biographisch selbstreflexives und selbstbezügliches Wissen gestärkt werden (vgl. Bastian/Helsper 2000, S. 182). Ohne theoretisches Verständnis Theoretischer Hintergrund, Rahmen und Problemlage 29 existiert kein Fallwissen. Dabei ist unter Fallwissen das Wissen über spezifische, gut dokumentierte und reichhaltig beschriebene Ereignisse zu verstehen. Shulman (1986, S. 11 ff.) empfiehlt die Arbeit an Fällen, um strategisches Wissen zu entwickeln und um die Kapazitäten gegenüber professionellem Beurteilen und dem Treffen von Entscheidungen zu erweitern. Die Fallarbeit stellt einen reflektierten Zwischentypus zwischen Erfahrungs- und abstraktem Theoriewissen dar, da das Praxiswissen mit theoretischem Erklärungswissen verknüpft und damit Fachwissen pädagogisch-fallbezogen ausgelegt wird. Die Vision, die Shulman (1986, S. 13) von Unterricht und Lehrerbildung besitzt, ”is a vision of professionals who are capable not only of acting, but of enacting – of acting in a manner that is self-conscious with respect to what their act is a case of, or to what their act entails”. Dazu benötigen die Lehrer, die zuvor beschriebene Reflexionsfähigkeit. Experte Leider scheint es oft so zu sein, wie es Herrmann (2002) überspitzt formuliert, dass Lehrer ausschließlich „Experten für Unterricht [sind], jedenfalls für das, was sie darunter verstehen: für das Zustandekommen von standardisierten Schülerleistungen […] und für das eigene Überleben im Schulalltag“ (Herrmann 2002, S. 47, Hervorhebung im Original). Als ein Experte kann allerdings nur dann ein Lehrer gelten, wenn er anderen seine beruflichen Handlungen und Entscheidungen begründen kann (vgl. Shulman 1983; vgl. Dick 1996, S. 139). Dick (1996) stellt in seiner Untersuchung mit solchen Expertenlehrern fest, dass sich in deren eigener Entwicklung ein Wandel der beruflichen Perspektive vollzieht. Sie gewinnen neue Erkenntnisse auf der Einstellungs-, der Wissens- und der Handlungsebene. Die ständige Beschäftigung und Auseinandersetzung mit den Schülern führt zu einer „graduellen Perspek- tivenübernahme, ein ‚… in die Haut des Schülers schlüpfen’“, d. h. das Verstehen des einzelnen Schülers und das Verständnis für den Einzelschüler wächst mit der Zeit (Dick 1996, S. 336). Die Expertenlehrer beginnen ihre Rolle als Lehrer neu zu definieren, indem sie folgende Aspekte berücksichtigen: - „Weg vom ‚Mittelfeldstrategen’ hin zum ‚Coach’, oder vom ‚Bühnenschauspieler’ hin zum ‚Theaterdirektor’ […]. - Eine neue Wissens- oder, besser gesagt, eine neue Lernbegierde wird auf die Schülerinnen und Schüler übertragen. - Die Schüler werden ganzheitlich erfahren […]. - Die Schüler werden zu ‚Denkarbeitern’ transformiert: den Schülern das Vertrauen und die Gabe des eigenen Denkens geben. - Vom Kritiker und ‚Nörgler’ zum Advokaten der Schüler werden: In jeder Situation Respekt für den Schüler empfinden. - Kollegiale Beziehungen aufbauen: Die Zusammenarbeit bei Vorbereitung, Durchführung und Evaluation von fächerübergreifendem, projektorientiertem Unterrichten schätzen lernen. - Die Komplexität von Unterricht respektieren: Unterrichten wird als weit komplexer betrachtet als anfänglich; daraus entwickelt sich ein größeres Bewusstsein Schülerunterschieden gegenüber sowie der Verantwortung, mit diesen Unterschieden arbeiten zu müssen […]. Theoretischer Hintergrund, Rahmen und Problemlage 30 - Weniger benotete Prüfungen, mehr diagnoseorientierte Lernkontrollen. - Einstufungen und Einschätzungen von Projektarbeiten (Performanzen statt Kompetenzen)“ (Dick 1996, S. 337/338). Ein Lehrer ist als Professioneller zu bezeichnen, wenn er eine reflektierte Urteilskraft (für das Fach) und selbstkritische Praxis besitzt und ständig seine „eigenen Selbstwirksamkeits- überzeugungen (self efficacy im Sinne von Bandura)“ korrigiert (Herrmann 2002, S. 50/51, 53, Hervorhebung im Original). Er ist zuständig für das Erkennen von Lernanlässen und – inhalten. Der Lehrer mit „vollentwickelter“ Professionalität wird bei Bauer et al. (1996) als „Diplomdidaktiker“ bezeichnet. Dieser besitzt sowohl soziale als auch fachliche Kom- petenzen. Für die Gestaltung und Organisation von Lernprozessen ist er der Experte, indem er die Schüler beim Lernen unterstützt. Dazu benötigt er eine umfassende didaktische Kompetenz, um Lernumgebungen schaffen zu können, in denen „Lernende sich Kenntnisse und Fähigkeiten aneignen können, die sie nicht oder nur mit geringer Wahrscheinlichkeit im Alltag ohne professionelle Unterstützung erwerben“ (Bauer et al. 1996, S. 237). Darüber hinaus fördert der Lehrer die Entwicklung der Schüler, indem er bei ihnen den Prozess der Selbstwahrnehmung, -konzeptbildung, -kontrolle und -wirksamkeit anregt. Der Lehrer ist dann nicht mehr derjenige, der den Schülern etwas „beibringt“, sondern er wird auf der einen Seite Experte für das Schüler-Lernen und auf der anderen Seite begibt er sich in die gleiche Position wie seine Schüler, und zwar in die des „engagierten, selbstkritisch- neugierigen Autodidakten“ (Herrmann 2002, S. 52, Hervorhebungen im Original). Dabei sollte nicht vergessen werden, dass die Schüler die „berufsmäßigen“ Lerner sind und „neben den Lehrern die andere Expertengruppe für Lernen“ (Herrmann 2002, S. 139/140) bilden. Helmke/Weinert (1997, S. 130 f.) betonen des Weiteren die diagnostische Kompetenz professioneller Lehrer. Die Aufgabe der Lehrer ist es, die „Schüler zu aktivieren, zu eigenen Denkanstrengungen zu ermutigen, sie bei der produktiven Überwindung von Schwierigkeiten und Fehlern zu unterstützen, ihnen beim Aufbau einer wohlorganisierten Wissensbasis behilflich zu sein und ihnen notwendige remediale Unterstützung zukommen zu lassen“. Bundschuh (1998) weist daraufhin, dass durch eine systematische Fehleranalyse der Blick des Lehrers für den nächsten Entwicklungsschritt des Schülers geöffnet werden kann. Der Lehrer muss erkennen und erfahren, dass „aus Lerngrenzen Lernmöglichkeiten entstehen können“ (Bundschuh 1998, S. 173). Damit Lehrer dies erfüllen können, ist vermutlich ein verändertes Selbstverständnis der Lehrer notwendig. Laut Herrmann (2002) geht es um einen Paradigmenwechsel: „vom Lehrer zum Lerner; von „Stoff“-Vermittlung zum Eingehen-Können auf wechselnde Anforderungen seitens der Schüler; von Lehr- zu Lerngängen“ (Herrmann 2002, S. 139/140, Hervorhebungen im Original). Der Lehrer ist nicht nur für das Lehren, sondern für das Lernen zuständig, indem er den Schülern zur positiven Entwicklung ihrer Lernprozesse geeignete Lernum- gebungen schafft und als Lernberater fungiert. Werden diese drei Positionen zusammengefasst, so soll der Lehrer ein Fachmann für das Organisieren von Lernen sein, als Fachberater bei Lernschwierigkeiten dienen, die Schul- kultur als Lernkultur und die Schulentwicklung als Lernprozess etablieren (vgl. Herrmann 2002, S. 139/140). Lehrerfortbildung Ernst von Glasersfeld (1987, S. 131) definiert Lernen „als einen Akt der Konstruktion, als ein Zusammenfügen von Bestandteilen zur Herstellung eines größeren Gebildes, eines komplexen Konstrukts …, das erhalten und immer wieder benutzt werden kann“. Wissen könne nie passiv erworben werden, da der Wissenserwerb ein adaptiver Prozess sei. Bei diesem organisiert der Lerner sein Wissen in der Form, dass dies mit seinen persönlichen Erfahrungen in Beziehung steht und nicht mit einer externen Wirklichkeit. Lernen ist nur Theoretischer Hintergrund, Rahmen und Problemlage 31 möglich, wenn es innerhalb des Lerners zu einer Auseinandersetzung zwischen (neuen) Erkenntnissen und bereits vorhandenen Wissensstrukturen kommt (vgl. Peter 1996, S. 54). Unter Lehrerfortbildungen werden Veranstaltungen zusammengefasst, die dazu dienen bei den Lehrern Wissen und Fertigkeiten zu festigen, zu ergänzen und zu aktualisieren, ihnen neue Qualifikationen für Bildungsreformen zu vermitteln und sie an schulischen Innovationen zu beteiligen. Sie sollen sich auf das schulische und unterrichtliche Handeln des Lehrers auswirken und ihm berufsrelevantes Wissen vermitteln. Außer der Teilnahme an Fort- bildungsveranstaltungen kann dies auch durch die Lektüre von Fachliteratur und die Reflexion der täglichen Unterrichtspraxis geschehen, auch in Kooperation mit Kollegen und in der Elternarbeit. Lehrerfortbildungen sollten somit zur Professionalisierung der Lehrer beitragen und ihre Reflexionsfähigkeit in Bezug auf ihr eigenes Denken und Handeln ausbauen. Ziel aller Lehrerfortbildungsmaßnahmen ist letztlich die Verbesserung des Schülerlernens. Guskey (1986) fasst dies in folgende Worte: ”Specifically, staff development programs are designed to “alter the professional practices, beliefs, and understanding of school persons toward an articulated end” (Griffin 1983, S. 2). In most cases that end is the improvement of student learning. In other words, staff development programs are a systematic attempt to bring about change – change in the classroom practices of teachers, change in their beliefs and attitudes, and change in the learning outcomes of students” (Guskey 1986, S. 5, in: Peter 1996, S. 42/43). Professionalität im Mathematikunterricht “One’s conception of what mathematics is affects one’s conception of how it should be presented. One’s manner of presenting is an indication of what one believes is most essential in it … The issue, then, is not, What is the best way to teach? but, What is mathematics really all about?” (Hersh 1986, S. 13, in: Szydlik et al., S. 253). Im Mathematikunterricht stellen die mathematischen Lernprozesse der Kinder das Kernanliegen dar. Dabei sollte nach Müller/Wittmann (1995) das Lernen von Mathematik als ein aktiver, sozialer und entdeckender Prozess gestaltet werden, begleitet durch Reflexionen über dieses Tun. Steinbring (2003) fügt zu dieser Sicht hinzu, dass Lehrer die Aufgabe besitzen über ihre eigenen Lernprozesse in der Mathematik und ihrer Didaktik zu reflektieren. Die bewusste und eigenverantwortliche Reflexion der Lehrer und auch der Schüler über das eigene Lernen ist eine eigenständige Aufgabe. Für den Lehrer sollte zusätzlich das Beobachten von Entwick- lungsprozessen der Kinder und Interaktionsprozesse mit Kindern im Unterricht ein zentrales Element des Mathematiklehrerwissens darstellen. „Die Reflexion eigener Lehrtätigkeiten […] sind eine Voraussetzung zur Initiierung von mathematischen Lernaktivitäten der Kinder […]“ (Steinbring 2003, S. 216). Alltägliche Unterrichtstätigkeiten unterliegen aber der „Komplementarität von Aktion und Reflexion“ (Steinbring 2003, S. 217) oder laut Schön (1983) der „reflection-in-action“ und der „reflection-on-action“. Durch direkte Beobachtung von Unterrichtstätigkeiten oder auch Videodokumentation können die reflexiven Kompetenzen von Lehrern verstärkt werden. Die Videodokumentation bietet hier den Vorteil einen Abstand zum eigenen Handeln zu schaffen, in die der Lehrer sonst involviert ist. Theoretischer Hintergrund, Rahmen und Problemlage 32 Auch Selter (1995, S. 118) weist auf die Bedeutung einer Entwicklung von „Bewusstheit“ durch produktive Distanzierung vom eigenen Tun die Kompetenzen in der Konzeption und Organisation von Lernprozessen hin. Dabei bedeutet Bewusstheit zu entwickeln, dass Lehrer lernen „über Lehr-/Lernprozesse produktiv zu reflektieren“, d. h. dass sie mit Hilfe von praxisrelevantem theoretischen Wissen im Stande sind „sich von Situationen bewusst zu distanzieren, Handlungsalternativen zu entwerfen und deren Einsatz in der Praxis zu evaluieren“ (Selter 1995, S. 116, 119, Hervorhebung im Original). Scherer (2003, S. 92, 94) betont, dass neben dem Fachwissen die diagnostischen Fähigkeiten eine weitere wichtige Kompetenz darstellen, die sich auf alle Leistungsniveaus der Schüler und jegliche Lehr- und Lernsituation bezieht. Dazu sollten die Lehrer über eine kompetenz- statt einer defizitorientierten, einer prozess- statt einer produktorientierten und eine qualitative statt einer quantitativen Sicht auf die Schüler und ihre Leistungen besitzen. Steinbring (2003) weist daraufhin, dass nicht nur die Unterrichtstätigkeit vom mathe- matischen Wissen bestimmt wird, sondern auch dass das mathematische Wissen die Ein- stellung zum Mathematiklernen beeinflusst. Die Literatur legt nahe, dass angehende Grund- schullehrer ”see mathematics as an authoritarian discipline, and that they believe that doing mathematics means applying memorized formulas and procedures to textbook exercises” (vgl. Carpenter, Linquist, Mattews, Silver 1983; vgl. Ball 1990; vgl. Shuck 1996; in: Szydlik et al. 2003, S. 254). In „The Teaching Gap“ von Stigler und Hiebert (1999) wird gezeigt, welchen Einfluss die Natur des mathematischen Wissens auf unterschiedliche Unterrichtsmuster besitzt. Wesentlich für die Art des Unterrichtens und für das Lernen der Schüler ist die Sicht auf die Mathematik. Sieht der Lehrer Mathematik eher als ein Produkt oder als ein Prozess (vgl. Steinbring 2003, S. 199)? Die Auswertung der Untersuchung von Szydlik et al. (2003, S. 276) legt nahe, dass ein Klassenzimmerfokus auf das Problemlösen, in dem eine Vielfalt an Strategien genutzt und in dem über den Prozess des Problemlösens reflektiert, vermutet und argumentiert wird, den Schülern helfen kann, mathematische Beliefs zu entwickeln, die mit einem autonomen Verhalten konsistent sind. 2 Die qualitative Studie – Auswirkungen von Schüler-Interviews aus Sicht der Lehrer Um die Forschungsfragen dieser Untersuchung zu beantworten (vgl. Kapitel 1.2), wird eine qualitative Studie durchgeführt. Eingebettet ist diese Studie in den Rahmen des Projektes der Arbeitsgruppe Wollring. Dieses umfasst mehrere Arbeitstreffen mit den am Projekt teil- nehmenden Lehrern und Aktivitäten dieser Lehrer in Form von geführten Schüler-Interviews an ihren Schulen. Die gewählte qualitative Vorgehensweise ermöglicht es, sich intensiv mit den Aussagen der Lehrer – ihren subjektiven Ansichten, Erläuterungen und Hintergründen – auseinandersetzen zu können. Außerdem leistet sie für eine möglicherweise anschließende quantitative Untersuchung die nötigen Vorarbeiten und kann zur Generierung von Hypothesen dienen. Die qualitative Erhebung der Bedeutungen und Auswirkungen von Schüler-Interviews aus Sicht der Lehrer erfordert eine kleine Stichprobe von Lehrern, die an der Untersuchung beteiligt werden. Diese Untersuchung kann in der Handlungs- und Evaluationsforschung (vgl. Altrichter/Feindt 2004; vgl. Prengel/Heinzel/Carle 2004) verortet werden, da die Lehrer am Erkenntnis- und Forschungsprozess beteiligt werden. Die vorliegende Studie untersucht, welchen Nutzen Lehrer, speziell in dieser Untersuchung hessische Lehrer, aus dem Führen von Schüler-Interviews ziehen. Bisher liegen nach Wissen der Autorin keine ihr bekannten relevanten Untersuchungen über die Einstellung von Lehrern gegenüber einem solchen Schüler-Interview vor. Auch ist unbekannt, ob und inwieweit das Führen von Schüler-Interviews sich auf den Mathematikunterricht der Lehrer und deren Einschätzung der Leistungen ihrer Schüler auswirkt. Bei der zugrunde liegenden australischen ENRP Untersuchung standen hingegen einerseits die Performanzen der Schüler im Vordergrund, andererseits das veränderte Unterrichten der Lehrer aufgrund der begleitenden Fortbildungen und des Führens von Schüler-Interviews. In der vorliegenden Untersuchung werden die Lehrer weder, wie in Australien geschehen, begleitend fortgebildet noch (vgl. Kapitel 1.1.3 und 1.2) ausschließlich „effective“ Fallstudienlehrer betrachtet. 2.1 Untersuchungsdesign Im Folgenden soll ein Überblick über das Untersuchungsdesign gegeben werden. Eine ausführliche Erklärung der einzelnen Instrumente und die Fragestellungen, die mit dem jeweiligen Instrument beantwortet werden sollen, befinden sich in den nachfolgenden Teilkapiteln zu Lehrer-Fragebogen, Schüler-Interview und Lehrer-Interview. Im Mittelpunkt des Forschungsinteresses stehen der Lehrer, seine Einschätzungen zum Untersuchungsprojekt und sein Umgang mit den Schüler-Interviews. Diese Daten werden dadurch erhoben, dass die geführten Schüler-Interviews durch ein erstes und ein ab- schließendes Lehrer-Interview gerahmt werden. Die folgende Tabelle zeigt einen exemplarischen Ablauf der Untersuchung, wobei die Anzahl der ausgefüllten Lehrer- Fragebögen und die Anzahl der geführten Schüler-Interviews in der Realität variierten. Datenmaterial Wer fragt wen? Intention Lehrer-Fragebogen zu Schüler a Anamnese des Schülers a Schüler-Interview mit Schüler a Lehrer befragt Schüler a Erhebung der Performanzen des Schülers a Lehrer-Fragebogen zu Schüler b Anamnese des Schülers b Schüler-Interview mit Schüler b Lehrer befragt Schüler b Erhebung der Performanzen des Schülers b Die qualitative Studie 34 Lehrer-Fragebogen zu Schüler c Anamnese des Schülers c Schüler-Interview mit Schüler c Lehrer befragt Schüler c Erhebung der Performanzen des Schülers c Erstes Lehrer-Interview Forscherin befragt Lehrer Reflexion über die geführten Schüler-Interviews Lehrer-Fragebogen zu Schüler d Anamnese des Schülers d Schüler-Interview mit Schüler d Lehrer befragt Schüler d Erhebung der Performanzen des Schülers d Lehrer-Fragebogen zu Schüler e Anamnese des Schülers e Schüler-Interview mit Schüler e Lehrer befragt Schüler e Erhebung der Performanzen des Schülers e Lehrer-Fragebogen zu Schüler f Anamnese des Schülers f Schüler-Interview mit Schüler f Lehrer befragt Schüler f Erhebung der Performanzen des Schülers f Abschließendes Lehrer-Interview Forscherin befragt Lehrer Reflexion über alle geführten Schüler-Interviews 2.2 Untersuchungswerkzeuge In dieser Untersuchung wurden das Schüler-Interview (Kapitel 2.2.2), der Lehrer-Fragebogen (Kapitel 2.2.1) und das Lehrer-Interview (Kapitel 2.2.3) als Erhebungsinstrumente zur Gewin- nung qualitativer Daten genutzt. Diese werden im Weiteren in ihrer Konzeption und deren Erprobung vorgestellt. Die Zusammensetzung der Lehrerbefragung aus einem schriftlichen und einem mündlichen Dokument, in Form des Lehrer-Fragebogens und des Lehrer-Interviews, beruht auf den Über- legungen zu Schriftlichkeit und Mündlichkeit. „Schriftlichkeit erhöht einerseits die Reich- weite der Kommunikation, indem sie diese unabhängig macht von Zeit und Ort der Mitteilung (vgl. Ong 1987). Sie gefährdet aber zugleich deren Gelingen, weil situative Verständigungs- hinweise und unmittelbare Klärungsmöglichkeiten entfallen“ (Wolff 2000, S. 502). 2.2.1 Lehrer-Fragebogen – Schülereinschätzung Einleitung Der Lehrer-Fragebogen ist dem jeweiligen Schüler-Interview vorgeschaltet. Er dient dazu die Einschätzungen des Lehrers zu den mathematischen Leistungen seines Schülers schriftlich zu erheben. Der Lehrer füllt diesen Fragebogen jedes Mal vor dem Führen eines Interviews mit einem seiner Schüler aus. Der Lehrer soll den Fragebogen ausfüllen, um eine Anamnese des zu befragenden Kindes zu erheben, d. h. es soll die Einschätzungen des Lehrers zu den mathematischen Performanzen seines Schülers vor der Diagnose durch das Interview erfasst werden. Durch den Fragebogen soll der Lehrer dazu anregt werden, sich vor dem Führen des Interviews mit seinem Schüler und dessen mathematischen Kompetenzen gedanklich auseinanderzusetzen, über das Kind zu reflektieren und seine Einschätzung des Kindes vor dem Interview schriftlich festzuhalten. Sobald der Fragebogen und die Ergebnisse des Interviews mit einem Schüler vorliegen, besteht die Möglichkeit, die Einschätzungen des Lehrers zu den Leistungen des Schülers mit den tatsächlich gezeigten Kompetenzen im Schüler-Interview zu vergleichen. Vielleicht eignet sich dieser Vergleich dazu, Rückschlüsse über die Einschätzungen des Lehrers auf seine Schülerleistungen zu gewinnen. Für den in dieser Arbeit konzipierten und verwendeten Lehrer-Fragebogen wurden offene Fragestellungen genutzt, da aufgrund der selbst formulierten Antworten der Befragten individuellere und dadurch eine höhere Diversität an Antworten hervorgebracht werden. In Die qualitative Studie 35 der vorliegenden Untersuchung beziehen sich die Fragebögen auf einzelne Schüler und ihre individuellen mathematischen Leistungen. Die Subjektivität, die durch die offenen Frage- stellungen entsteht, ist für die Untersuchung essentiell. Der Fragebogen (siehe Anhang: Lehrer-Fragebogen) beginnt mit einer kurzen Erläuterung der vorliegenden Untersuchung. Dabei wird betont, dass das Schüler-Interview und die Lehrer- einschätzung dessen im Mittelpunkt des Forschungsinteresses stehen. Der Fragebogen umfasst die Bereiche: 1. Zur eigenen Person (bezogen auf den Lehrer), 2. zu Schüler/Schülerin und 3. zum Interview. Zu 1.: Im ersten Teil wird der Lehrer nach seiner zurzeit unterrichteten Klassenstufe gefragt und wie viel Lehr-Erfahrung er für die Klassenstufen 0, 1 und 2 besitzt, für die das Schüler-Interview konzipiert ist. Ferner wird er gebeten anzugeben, wie lange er schon als Lehrer tätig ist. Diese Daten werden erhoben, da vermutet wird, dass sowohl die Lebenserfahrung als auch die gesamte Unterrichts- und besonders die Lehr- Erfahrung in Klasse 0 bis 2 Einfluss auf die Einschätzungen der Schülerperformanzen durch den Lehrer hat. Zu 2.: Im Mittelpunkt des zweiten Teils steht die Sicht des Lehrers auf den zu befragenden Schüler. Zunächst soll der Lehrer die Auswahl des Kindes begründen und im Weiteren für alle Teilbereiche des Schüler-Interviews seine Einschätzungen zu den vermuteten Performanzen des Schülers abgeben. Ferner wird der Lehrer gebeten eine Aussage zu den mathematischen und allgemein schulischen Leistungen des Schülers zu machen. Der Fragebogen bezieht sich direkt auf die Teilbereiche des Schüler-Interviews, so dass der Lehrer dazu angehalten ist, vor dem Schüler-Interview einen differenzierten Blick auf die Leistungen seines Schülers einzunehmen. Dadurch wird sowohl der Forscherin als auch dem Lehrer die Möglichkeit gegeben die tatsächlichen Befunde des Schüler-Interviews mit den Vermutungen des Lehrers zu den Schülerleistungen im Fragebogen zu vergleichen. Zu 3.: Die letzte Fragestellung des Lehrer-Fragebogens erhebt, welche Erwartungen der Lehrer mit dem Durchführen dieses Schüler-Interviews verbindet. Möglicherweise gibt der Lehrer an, wieso er das Interview mit diesem Schüler führt und welche weiteren Vorgehensweisen er bereits angedacht hat. 2.2.2 Schüler-Interview – Das Interview Das Interview mit einem Schüler steht im Mittelpunkt der Aktivitäten des Lehrers und ist der Ausgangspunkt der gesamten Studie. Es stammt aus dem Early Numeracy Research Project. Daher wird zuerst auf die Entwicklung dieses Instrumentes in Australien eingegangen. Im Weiteren wird die Adaption des Interviews für diese Studie erläutert. In einer Eins-zu-eins- Situation befragt der Lehrer seinen Schüler anhand eines Interviewleitfadens. Die Abfolge von Lehrer-Fragebogen und Interview mit einem Schüler durchläuft der Lehrer mehrere Male. Wie viele Lehrer-Fragebögen der Lehrer ausfüllt und wie viele Interviews er mit seinen Schülern durchführt, ist ihm freigestellt. Die qualitative Studie 36 2.2.2.1 Entwicklung des Schüler-Interviews in Australien Das australische Schüler-Interview entstand aus den folgenden Kernelementen des Forschungsdesigns Early Numeracy Research Project (ENRP): - das Entwickeln eines Theorierahmens zu „Ausprägungsgraden“ (growth points) des Mathematikverständnisses von Grundschülern (Prep bis 2) zu einer Reihe mathe- matischer Gebiete und - das Entwickeln darauf bezogener Instrumente zur Auswertung, um Fortschritt in diesen Gebieten aufzuweisen, gemessen als Änderung in den Ausprägungsgraden (vgl. ENRP 2002, S. 38-40). Damit sollten wirksame Ansätze für den Anfangsunterricht Mathematik bestimmt werden (vgl. Clarke et al. 2003). Diese Kernelemente werden für die deutsche Version übernommen. Ausprägungsgrade Das Early Numeracy Research Project beschreibt mathematische Leistung (“numeracy“) mit Ausprägungsgraden (“growth points“) bezogen auf festgelegte Teilbereiche (“domains“). Um die Ausprägungsgrade festzulegen, studierte das australische Forschungsteam die ein- schlägige mathematikdidaktische Forschungsliteratur sowie die Konzepte anderer Autoren und Forschergruppen aus Australien und Übersee. Mit Hilfe der Ausprägungsgrade soll die Beschreibung mathematischen Wissens und Verstehens von Individuen ermöglicht werden. Ferner soll dadurch der Lernzuwachs identifiziert und beschrieben werden. Die Ausprägungs- grade spiegeln laut des ENRP die „Meilensteine“ (“stepping stones“) auf dem Weg zum Verständnis mathematischer Schlüsselideen junger Kinder wider. Sie liefern eine Art “conceptual landscape“ für das mathematische Verständnis junger Kinder. Das Forschungs- team behauptet jedoch nicht, dass jeder Schüler auf dem Weg zum Verständnis mathe- matischer “stepping stones“ alle Ausprägungsgrade durchläuft. Deshalb sollten die Auspräg- ungsgrade nicht notwendigerweise als diskret betrachtet werden. “It is insufficient to think that all children’s early arithmetical knowledge develops along a common developmental path“ (Wright 1998, S. 702, in: ENRP 2002, S. 40). Die Ausprägungsgrade sind prinzipiell in vier bis sechs Stufen geteilt und so beschrieben, dass höher bezifferte Ausprägungsstufen nicht in jedem Fall niedriger Bezifferte einschließen oder voraussetzen. Außerdem sind sie nicht zwingend hierarchisch geordnet, sondern beziehen zunehmend komplexes Denken und Verstehen ein. “The adjective higher should be understood as a higher level of abstraction and generality, without implying either inherent superiority or the abandonment of lower levels as a consequence of the development of higher levels of thinking” (Clements, Swaminathan, Hannibal, Sarama 1999, S. 208, in: ENRP 2002, S. 40). Wird ein Ausprägungsgrad mit „0“ bezeichnet, bedeutet dies nicht (unbedingt) „kein Wissen“, „kein Verstehen“ oder „kein Verständnis“, sondern indiziert nur, dass der Ausprägungsgrad „1“ nicht nachzuweisen ist. Ausprägungsgrade zu mathematischer Leistung insgesamt sind nicht vorgesehen. Die Ausprägungsgrade sind vergleichbar mit den sechs allgemeinen mathematischen Kompetenzen, die in den Bildungsstandards beschrieben werden (vgl. KMK 2004, S. 8/9): Probleme mathematisch lösen, kommunizieren, mathematisch argumentieren, mathematisch modellieren, mathematische Darstellungen verwenden und Nutzen mathematischer Hilfs- mittel und Arbeitsweisen. Werden diese Kompetenzen einzelnen mathematischen Teil- bereichen zugeordnet und ihrem Schwierigkeitsgrad nach aufsteigend sortiert, so entsprechen sie nahezu den Ausprägungsgraden des Early Numeracy Research Projektes. Australisches Konzept: Interview mit einem Schüler Aus diesen Überlegungen heraus wurde von der Forschergruppe um Doug Clarke ein Interview entwickelt, das die mathematischen Performanzen von Grundschülern der Klassen 0, 1 und 2 erhebt. Es handelt sich um ein halbstandardisiertes, auf einem Interviewleitfaden Die qualitative Studie 37 basiertes, Eins-zu-eins-Gespräch zwischen einem Schüler und seinem Mathematiklehrer. Im Sinne der “numeracy“ beinhalten mathematische Performanzen „über die Fertigkeiten hinaus Strategien und Lebensweltbezug“ (Wollring 2004a, S. 2). Das Interview als Erhebungsform ermöglicht es, nicht nur reine Fertigkeiten sondern auch Strategien und versprachlichte Denkwege der befragten Schüler zu erfassen. Die Ausprägungsgrade bilden die Basis für die Konstruktion der Interviewaufgaben, der Protokollierung und der Auswertung (vgl. ENRP 2002, S. 38/39). Mit Hilfe dieser wird der mathematische Lernstand des Kindes beschrieben. Das Gegenstandsfeld Mathematik wird in die Bereiche Arithmetik (“number“), Messen (“measurement“) und Geometrie (“space“) zerlegt. Diese werden differenziert in folgende mathematische Teilbereiche (domains): Arithmetik (”number”): A. Counting B. Place Value C. Strategies for Addition and Subtraction D. Strategies for Multiplication and Division Messen (“measurement“): E. Time F. Length Measurement Framework G. Mass Measurement Framework Geometrie (“space“): H. Properties of Shape I. Visualisation and Orientation Mit Hilfe des Interviews soll der Kenntnisstand eines Kindes in den verschiedenen mathematischen Teilbereichen erfasst werden. Dazu wird der Ausprägungsgrad zu jedem Teilbereich bestimmt. Mit Hilfe des Interviews sollen Informationen über die wirkungs- vollsten Strategien erhoben werden, die ein Kind in einem Teilbereich nutzt (vgl. ENRP 2002, S. 42). Die Ergebnisse des ENRP zeigen, dass durch die Interviews mit einem Schüler eine Verzahnung von “assessment“, der Rückmeldung, die die Schüler dem Lehrer im Interview geben, und dem darauf folgenden “teaching“, dem Unterrichten, besteht. Die Rückmeldung spiegelt auf der einen Seite die Leistungen des interviewten Kindes und auf der anderen Seite Informationen über den eigenen Unterricht wider. Dadurch entsteht eine Synthese aus Evaluation und Lehrerunterstützung (ENRP 2002, S. 177; Clarke 1999). 2.2.2.2 Deutsche Adaption des Schüler-Interviews Der australische Interviewleitfaden des ENRP wurde ins Deutsche übertragen und ergänzt. In drei Teilbereichen wurde jeweils eine neue Aufgabe konzipiert und hinzugenommen, um Themen einzubeziehen, die das Bild der Mathematik als „Wissenschaft von Mustern“ (Devlin 1998) in den drei Bereichen vertiefen. Im Teilbereich „Strategien bei Addition/Subtraktion“ (Teil C) der Arithmetik wurden mehrere Teilaufgaben zum Aufgabenformat „Zahlenmauer“ entworfen (vgl. Wittmann/Müller 1992, S. 106 ff.) und erprobt (Brömmelhaus 2003). Die Strukturen, die in den Zahlenmauer-Aufgaben eingebunden sind, sollen von den Schülern entdeckt und begründet werden. Eine Aufgabe, die dem Teilbereich „Zeit“ (Teil E) hinzugefügt wurde, ist das Lesen eines Zugfahrplans und das Bestimmen von Abfahrts-/Ankunftszeiten und Fahrtdauer (vgl. Thiele 2003). Dadurch wird ein Realitätsbezug hergestellt und zudem erhoben, ob die Schüler in der Lage sind, Informationen aus Tabellen zu entnehmen. Um die Schüler auch im Bereich Geometrie „Visualisieren und Orientieren“ (Teil I) mit Mustern und Strukturen zu konfrontieren, wurde die Parkettaufgabe konzipiert (vgl. Persch 2003). Die Schüler sollen dabei Bauelemente des Musters benennen, wieder finden und das Die qualitative Studie 38 Muster fortsetzen. Bei dieser Aufgabe soll der Schüler geometrische Muster umsetzen und nicht nur erkennen können. Wie bei der „Zahlenmauer“ Aufgabe liegt hier ein innermathematischer Kontext zugrunde („Strukturorientierung“). Aufbau des Interviewleitfadens Das Interview gliedert sich entsprechend in die drei Bereiche Zahlen, Messen und Geometrie. Die mathematischen Teilbereiche lauten: Zahlen: A. Zählen, B. Stellenwerte, C. Strategien bei Addition/Subtraktion, D. Strategien bei Multiplikation/Division, Messen: E. Zeit, F. Längen, G. Masse, Geometrie: H. Eigenschaften ebener Figuren, I. Visualisieren und Orientieren. Die Interviewstruktur ist halbstandardisiert und leitfadenorientiert. Sie enthält ca. 60 Aufgaben. Dabei existieren spezifizierte Aufgaben mit vorgeschriebenem Material und festgelegten Formulierungen und offener gestellte Aufgaben, bei denen es zu einem freien Gespräch zwischen Kind und Interviewer kommen kann. Vorgehen Mathematikdiagnostische Eins-zu-eins-Interviews, durchgeführt von den Mathematiklehrern der befragten Kinder, intendieren im Gegensatz zu schriftlichen Tests eine intensive persönliche Zuwendung zum einzelnen Kind und eine damit implizit eingebrachte Form eines effizienten Lehrertrainings im Dienst. Diese Form verschafft beiden Seiten die Chance einer intensiven Auseinandersetzung miteinander. Des Weiteren besteht im Interview die Möglich- keit für das Kind eine gegebene Antwort zu revidieren und zu verbessern und für den Lehrer die Gelegenheit den Schüler seinen Lösungsweg beschreiben zu lassen. Dies ist eine Option, die durch das Gespräch im Gegensatz zu einem schriftlichen Test ermöglicht wird. Die Sequenz der Fragen im Interviewleitfaden bildet keine lineare, sondern eine Struktur mit bedingten Verzweigungen, den Abbruchbedingungen. Der Ablauf wird von den Australiern aufgrund der Abbruchbedingungen als „choose your own adventure story“ (ENRP 2002, S. 41) bezeichnet, da jedes Kind seinen individuellen Interviewverlauf aufweist. Die Abbruchbedingungen werden angewendet, wenn ein Schüler eine Aufgabe nicht angemessen löst. Dies führt dazu, dass der behandelte Bereich verlassen und mit dem darauf folgenden Bereich fortgefahren wird. Die Abbruchbedingungen dienen als „Schutz“ der Kinder vor Überforderung und daraus folgender Demotivation (vgl. Linke-Hasselhorn 2005, S. 19). Mathematische Performanzen werden mit Hilfe der Ausprägungsgrade beschrieben, welche differenziert nach Leistungen für die Teilbereiche formuliert sind. Die Ausprägungsgrade wurden aus dem australischen ENRP übernommen. Sie sind nicht zwingend hierarchisch geordnet, sondern erfassen zunehmend komplexes Denken und Verstehen (Wollring 2003). Über die mathematische Leistung wird kein Gesamturteil durch das Interview ausgesprochen. Der Blick des Lehrers wird stärker darauf gerichtet, welche unterschiedlichen Leistungen ein Kind in den verschiedenen mathematischen Bereichen aufweisen kann. Er erhält somit eine differenzierte Lernstandorterfassung des Schülers. Das Schüler-Interview ermöglicht das Die qualitative Studie 39 Erkennen von leistungsstarken Kindern und das Erkennen von Schülern mit schwachen Mathematikleistungen. Die Interviewzeit beträgt je nach Leistungsstand und Kommunikationsfähigkeit des Schülers zwischen 30 Minuten und eineinhalb Stunden. Ausführung und Auswertung des Interviews Anhand des Leitfadens wird mit dem Schüler das Interview durchgeführt. Die Antworten des Kindes werden in einem parallel zum Interview geführten Protokoll durch das Markieren von Alternativen und Notieren freier Antworten festgehalten. Nach dem Interview wird für jeden Teilbereich der Ausprägungsgrad des Kindes mit Hilfe des Auswertungsbogens ermittelt. Am Ende des Auswertungsprozess werden die erreichten Ausprägungsgrade des Kindes, aufge- gliedert für die einzelnen Teilbereiche, in einer Tabelle übersichtlich angegeben. Weiter- gehend kann eine ausführliche Interviewauswertung erstellt werden, die die Ausprägungs- grade des Schülers für jeden Teilbereich dokumentiert und die aufgetretenen Stärken oder Schwächen des Kindes kurz erläutert. Beschreibung zweier ausgewählter Teilbereiche des Interviews Es wurden die beiden Teilbereiche „Strategien bei Addition und Subtraktion“ (Teil C) und „Zeit“ (Teil E) ausgewählt, da beim Teilbereich „Strategien bei Addition und Subtraktion“ (Teil C) sowie beim Teilbereich „Strategien bei Multiplikation und Division“ (Teil D), nicht nur das Lösen einzelner Aufgaben im Mittelpunkt stehen, sondern auch besonderer Wert auf das Erklären von Lösungswegen und den verwendeten Strategien gelegt wird. In den Ausprägungsgraden zu diesen beiden Teilbereichen werden explizit Strategien eingefordert, wie bei Ausprägungsgrad 4 Teil C zu sehen ist. Der Teilbereich „Zeit“ (Teil E) ist von einem besonderen Einstieg gekennzeichnet, indem bei Aufgabe E39 auf die selbst gezeichnete Uhr des Kindes als Material zurückgegriffen wird. Es wird dadurch ein Bezug zur Lebenswelt des Kindes hergestellt. Im Folgenden werden die Ausprägungsgrade, die Inhalte der Aufgaben, einzelne Aufgabenstellungen und der Auswertungsbogen zum Teilbereich „Strategien bei Addition und Subtraktion“ (Teil C) und zum Teilbereich „Zeit“ (Teil E) dargestellt, um ein konkretes Bild des Interviews zu geben. Die aus Australien übernommenen und lediglich ins Deutsche übersetzten Ausprägungsgrade lauten für den Teilbereich „Strategien bei Addition und Subtraktion“ (Teil C): 1 Nicht ersichtlich: Noch nicht fähig zwei Mengen zusammenzufügen und auszuzählen. 2 Alles zählen (zwei Mengen): Zählt alle Elemente, um das Ergebnis der Vereinigung von zwei Mengen zu ermitteln. 3 Weiterzählen: Zählt von einer Zahl weiter, um die Anzahl der Elemente in zwei Mengen zu ermitteln. 4 Rückwärtszählen / Vorwärtszählen: Wählt bei einer gegebenen Subtraktionsaufgabe eine angemessene Strategie des Zählens (rückwärts oder vorwärts). 5 Grundlegende Strategien (Verdoppeln, Kommutativität, 10 addieren, Zehnerzerlegung oder andere bekannte Vorgehensweisen): Wählt bei einer gegebenen Additions- oder Subtraktionsaufgabe Strategien, wie Verdoppeln, Kommutativität, 10 addieren, Zehnerzerlegung oder andere Vorgehensweisen. 6 Abgeleitete Strategien (Fast-Verdoppeln, 9 addieren, bis zum nächsten Zehner ergänzen, Aufgabenfamilien, intuitive Strategien): Wählt bei einer gegebenen Die qualitative Studie 40 Additions- oder Subtraktionsaufgabe Strategien wie das Fast-Verdoppeln, 9 addieren, bis zum nächsten Zehner ergänzen, Aufgabenfamilien und intuitive Strategien. 7 Erweitern und Anwenden grundlegender, abgeleiteter und intuitiver Strategien bei Addition und Subtraktion: Löst eine Reihe gegebener Aufgaben (auch mehrstelliger Zahlen) im Kopf unter Anwendung geeigneter Strategien und einem klaren Ver- ständnis des Basiswissens (Addition und Subtraktion). Auszug aus dem Interviewleitfaden zum Teilbereich „Strategien bei Addition und Subtraktion“ (Teil C) mit den Inhalten der Aufgaben C18 bis C27: C18 Weiterzählen C19 Rückwärtszählen C20 Vorwärtszählen bis/Rückwärtszählen bis C21 Grundlegende Strategien C22 Abgeleitete Strategien C23 Strategien für „mehrstellige“ Zahlen C24 Zahlenmauern C25 Wie viele Stellen? C26 Additionsaufgaben abschätzen und berechnen C27 Subtraktionsaufgaben abschätzen und berechnen Exemplarisch werden die Aufgaben C18 bis C20 angegeben: C 18 Weiterzählen Aufg. Material Anmerkungen Sprechtext Abbruch C 18 a) 13 rote Bären Gib mir bitte 4 rote Bären. C 18 b) 13 rote Bären, Plastikteller Zeigen Sie dem Kind 9 rote Bären. Legen Sie diese 9 Bären neben die 4 roten Bären des Kindes und verdecken Sie ihre 9 Bären mit dem Plastikteller. Zeigen Sie auf die beiden Gruppen. Ich habe hier 9 rote Bären. Darunter sind 9 Bären versteckt und hier sind 4 Bären. Wie viele Bären sind das zusammen? Wie hast du das heraus bekommen? richtig, dann Aufg. C 19 Antwort ist nicht 13, dann Aufg. C 18 C 18 c) 13 rote Bären, Plastikteller Nehmen Sie den Teller weg. Wie viele sind es zusammen? Die qualitative Studie 41 C 19 Rückwärtszählen Aufg. Material Anmerkungen Sprechtext Abbruch C 19 a) Ich erzähle dir eine Geschichte: Stell dir vor, du hast 8 Kekse für deine Frühstückspause und du isst 3 davon auf. Wie viele hast du dann noch? Wie hast du das heraus bekommen? richtig, dann Aufg. C 20 Fehler, dann Aufg. C 19 b) C 19 b) Die Frage kann wiederholt werden, aber bitte keine weiteren Hinweise geben. Können dir deine Finger helfen, es heraus zu bekommen? Fehler, dann Teil C 21 C 20 Zurückzählen bis… / Vorwärtszählen bis… Aufg. Material Anmerkungen Sprechtext Abbruch C 20 Ich habe 12 Erdbeeren und esse 9 davon. Wie viele Erdbeeren habe ich dann noch? Wie hast du das heraus bekommen? Auswertung Beim Interview werden primäre Daten im Interviewprotokoll notiert. Anschließend werden aus den primären Daten mit Hilfe des Auswertungsbogens der Ausprägungsgrad des Schülers für diesen Teilbereich „Strategien bei Addition und Subtraktion“ bestimmt: 0 falsche Lösungen in 18 1 Haken in 18abc oder 18d, aber alles gezählt 2 Weiterzählen oder gewusst in 18 3 richtige Antworten in 19a oder 19b und 20 und in 20 mind. eine angewandte Strategie 4 richtige Antwort und mindestens 2 verschiedene Strategien in 21 5 richtige Antwort und mindestens 2 verschiedene Strategien in 22 6 23 – 27 vollständig (entweder im Kopf oder schriftlich 26 und 27 richtig gelöst) Der Teilbereich E behandelt das Thema „Zeit“. Dort sind folgende Ausprägungsgrade definiert: 0 Nicht ersichtlich: Keine erkennbare Kenntnis von Zeit, zeitbezogener Terminologie (its descriptive language) und der Charakteristika des Ziffernblattes. 1 Kenntnis von Zeit, zeitbezogener Terminologie und einiger Charakteristika des Ziffernblatts: Kann wenigstens ein Charakteristikum und einen Zweck des Ziffernblattes erläutern. 2 Erkennen von einigen Uhrzeiten, einigen Wochentagen und einigen Monaten, und deren Bezug zu persönlichen wie globalen Ereignissen (wie Geburts- oder Feiertagen): Kennt einige Uhrzeiten, einige Wochentage und einige Monate und kann persönliche wie globale Ereignissen dazu in Bezug setzen. 3 Ablesen von Uhrzeiten bis zur nächsten halben Stunde und Benennen von allen Wochentagen und allen Monaten in der richtigen Reihenfolge: Kann Uhrzeiten bis zur Die qualitative Studie 42 nächsten halben Stunde korrekt ablesen und alle Wochentage und Monate in der richtigen Reihenfolge benennen. 4 Umgang mit Uhren und Kalendern: Kann die Uhrzeit auf analogen Uhren auf 5 Minuten genau ablesen und sicher mit einem Kalender umgehen. 5 Erweitern und Anwenden von Kenntnissen, Fertigkeiten und Begriffen in Bezug auf Zeit: Kann eine Reihe von Aufgaben zu analogen und digitalen Uhrzeiten minutengenau lösen, einschließlich des Bestimmens von Zeitspannen. Die Inhalte der Aufgaben E39 bis E46 im Teilbereich „Zeit“ lauten: E39 Meine Uhr E40 Die Uhrzeit E41 Die Tage und Monate E42 Aufgaben zum Kalender E43 Fahrplan E44 Die Zeitdauer E45 Das Fernsehprogramm E46 Digitale und analoge Uhrzeit Exemplarisch werden die vollständigen Aufgabenstellungen zu den Aufgaben E39 bis E41 aus dem Interviewleitfaden angegeben: E 39 Meine Uhr Aufg. Material Anmerkungen Sprechtext Abbruch E 39 die von dem Kind selbstgemalte Uhr Je nach Informationsgehalt der gezeichneten Uhren fragen Sie das Kind: Erzähl mir von deiner Uhr. Wozu sind Uhren da? Was bedeuten die Zahlen auf deiner Uhr? (wenn erforderlich) Welche Zeit zeigt deine Uhr? Was tust du zu dieser Zeit? E 40 Die Uhrzeit Aufg. Material Anmerkungen Sprechtext Abbruch E 40 a) gelbe Uhr mit beweglichen Zeigern Benutzen Sie die gelbe Uhr mit den beweglichen Zeigern und stellen Sie 2:00 Uhr ein. Wie spät ist es auf dieser Uhr? Fehler, dann Aufg. E 41 E 40 b) gelbe Uhr mit beweglichen Zeigern …stellen Sie 9:30 Uhr ein. Wie spät ist es auf dieser Uhr? Fehler, dann Aufg. E 41 E 40 c) gelbe Uhr mit beweglichen Zeigern …stellen Sie 2:20 Uhr ein. Wie spät ist es auf dieser Uhr? Die qualitative Studie 43 E 41 Die Tage und Monate Aufg. Material Anmerkungen Sprechtext Abbruch E 41 a) Nenn mir doch mal die Wochentage (oder ein „paar Tage“, wenn das Kind zögert). Kennst du welche? Fehler bei E 41 a), dann E 43 E 41 b) Nun nenn mir doch mal die Monate, die es gibt (oder „ein paar“ Monate, wenn das Kind zögert). Welche Monate kennst du? Fehler bei E 41 b), dann E 43 E 41 c) Welcher Tag kommt vor Freitag? E 41 d) Welcher Monat kommt vor April? Anhand des Auswertungsbogens werden die Ausprägungsgrade aus den Interview-Items zum Teilbereich „Zeit“ ermittelt: 0 39 unvollständig 1 39 2 40a und mindestens ein Wochentag und mindestens ein Monat 3 40b und 41 4 40c und 42 5 43-46 Analog zu den beiden vorgestellten Teilbereichen wird für jeden Teilbereich ein Ausprägungsgrad bestimmt. 2.2.3 Erstes und zweites Lehrer-Interview – Gespräch mit den Lehrern über das Schüler-Interview Mit jedem Lehrer werden im Laufe der einjährigen Untersuchung, bei der die Lehrer regelmäßig Schüler interviewen, zwei Lehrer-Interviews geführt, um die Einstellungs- änderung und die Entwicklungstendenzen des Lehrers zu dokumentieren. Zur Befragung der Lehrer dienen halbstandardisierte Interviews auf der Basis eines Leitfadens. Diese Art der Interviews wurde gewählt, um die Lehrer zu nahe liegenden Themen zu befragen, z. B. wie neues Wissen über das Kind und daraus abgeleitete Konsequenzen aufgrund der Erkenntnisse durch das Schüler-Interview bei den Lehrern entsteht. Ferner sollte die Gesprächssituation möglichst offen belassen werden. Nachdem die Lehrer ein halbes Jahr Erfahrungen mit dem Führen von Schüler-Interviews sammeln konnten, findet ein leitfadengeführtes Gespräch statt, das so genannte erste Lehrer- Interview. Dabei soll der Lehrer über seine bisher geführten Schüler-Interviews reflektieren. Die Fragestellungen des Lehrer-Interviews richten sich auf die „subjektive Verarbeitung von Bedingungen des eigenen Handelns“ (Flick 2000, S. 98) bei den Lehrern. Nach einem weiteren halben Jahr wird mit jedem Lehrer ein zweites und sogleich die Untersuchung abschließendes Lehrer-Interview geführt. Darin werden sowohl die Ergebnisse des ersten Lehrer-Interviews miteinbezogen als auch die Entwicklung des gesamten Projektes und der Verlauf der Arbeitstreffen mit den Lehrern. Durchgeführt wird das abschließende Lehrer- Interview, um die Entwicklung der Lehrer bezüglich der Einschätzung des Nutzens der Schüler-Interviews für den Lehrer und eine mögliche Veränderung in der Einschätzung der Die qualitative Studie 44 Schülerleistungen durch den Lehrer zu erheben. Ferner sollen die, von den Lehrern im Lehrer- Interview, selbst berichteten Aussagen zur Veränderung ihrer Einstellungen und möglicher- weise Tätigkeiten als Folge der Beteiligung an dieser Untersuchung dokumentiert und ausge- wiesen werden. 2.2.3.1 Erstes Lehrer-Interview Der für die vorliegende Arbeit konzipierte Interviewleitfaden für das erste Lehrer-Interview (siehe Anhang: Leitfaden zum ersten Lehrer-Interview) zwischen der Forscherin und dem jeweiligen Lehrer wurde folgendermaßen aufgebaut: Zur Einleitung des Lehrer-Interviews wird ein Dank an die Lehrer für ihre Teilnahme an diesem Projekt ausgesprochen und darauf hingewiesen, dass das Schüler-Interview und ihre Einschätzungen dazu im Mittelpunkt des Interviews stehen. Den Befragten wird mitgeteilt, dass sich das Interview in fünf Bereiche gliedert, um ihnen den Verlauf des Interviews transparent zu machen: 1. Spontane Äußerungen zum Schüler-Interview, 2. Geänderte Sicht der Lehrerin/des Lehrers auf dieses Kind, 3. Förderdiagnostischer Nutzen des Schüler-Interviews, 4. Bewertung des Schüler-Interviews, 5. Bedarf an Information, Kooperation, Unterstützung und Fortbildung / Implementation und Auswertung im Schulalltag. Zu 1.: Die Anfangsfrage im ersten Lehrer-Interview ist unstrukturiert, d. h. sowohl der Gegenstand als auch die Reaktion werden frei gelassen, so dass der Interviewte mit seinem unmittelbar verfügbaren Wissen antworten kann (vgl. Flick 2000, S. 100 ff.). Sie soll den Lehrern die Möglichkeit für einen Gesprächs- und Erzählanlass liefern, indem sie gebeten werden, sich spontan zum Schüler-Interview zu äußern. Damit soll ihnen ein angenehmer Einstieg in die Interviewsituation eröffnet werden. Diese Anfangsfrage ist vergleichbar mit einer offenen Erzählaufforderung, in der das Thema des Interviews umrissen und ein narratives Interview eröffnet wird. Der Interviewende beschränkt sich während dieser Eingangserzählung auf aktives Zuhören, um den Interviewten in seiner Darstellung zu unterstützen (vgl. Rosenthal 1995, S. 200 f.; vgl. Schütze 1983, S. 285). Die Phase des „Nur-Zuhörens“ ist hier, im Gegensatz zum narrativen Interview, auf lediglich bis zu 5 min begrenzt, in denen sich die Lehrer frei äußern können. Zu 2.: Im nächsten Bereich werden die Lehrer aufgefordert zu reflektieren, welchen Nutzen sie für sich in dem Führen der Schüler-Interviews sehen und ob sich ihre Sicht auf das Kind geändert hat. Diese beiden Punkte werden in den Fragen explizit angesprochen. Zu 3.: Um herauszufinden, ob das Schüler-Interview eine handlungsleitende Wirkung für die Lehrer besitzt, werden sie im Lehrer-Interview gebeten zu berichten, welche Förderimpulse das Schüler-Interview ihnen geliefert hat. In der nächsten Frage werden die Lehrer aufgefordert eigene Vorschläge zur Veränderung des Schüler-Interviews zu geben. Sie sollen erklären, wie sie sich ein Schüler-Interview vorstellen, welches ihnen Handlungsideen vermitteln könnte. Zu 4.: Da es sich bei diesem Projekt um eine Evaluation der Nutzbarkeit des Schüler- Interviews handelt, werden die Lehrer gebeten das Schüler-Interview zu bewerten, Vorschläge für Verbesserungen zu machen und eine Rückmeldung über das Verhältnis Die qualitative Studie 45 von Zeitaufwand und Nutzen des Schüler-Interviews zu geben. In diesem Zusammenhang wird die Frage gestellt, welche Rückmeldungen der Lehrer an die Schüler, Lehrer und Eltern nach Führen des Schüler-Interviews gegeben hat. Diese Frage soll erheben, ob die Erkenntnisse des Schüler-Interviews an das Umfeld weitergegeben werden. Zu 5.: Der letzte Bereich im Lehrer-Interview befasst sich speziell mit den Umsetzungsmöglichkeiten im Unterrichtsalltag. Um die vorhergehenden Antworten in der Analyse besser deuten und einordnen zu können, werden die Lehrer nach ihrem persönlichen Hintergrundwissen in Mathematik gefragt. Ferner sollen die Lehrer selbst einschätzen, ob ihre Erfahrungen mit dem Schüler-Interview eine typische oder rein individuelle Erfahrung ist. Zum Abschluss des ersten Lehrer-Interviews erhält der Lehrer die Möglichkeit eigene Anmerkungen zu äußern. Durchführung und Auswertung der ersten Lehrer-Interviews Als Vorbereitung auf das Führen des ersten Lehrer-Interviews vergleicht die Forscherin die Einschätzungen der Schülerleistungen durch die Lehrer in den Lehrer-Fragebögen mit den dazugehörigen Schüler-Interview-Ergebnissen. Auftretende Unklarheiten beim Vergleich sollen im Lehrer-Interview geklärt werden. Bis zum ersten Lehrer-Interview hat der Lehrer mindestens ein bis vier Schüler-Interviews geführt. Um eine Auswertung der Lehrer- Interviews zu ermöglichen, werden sie tonbanddokumentiert und anschließend transkribiert. Die Vorgehensweise bei der Auswertung der gewonnenen Daten orientiert sich an der qualitativen Methode Grounded Theory. 2.2.3.2 Zweites Lehrer-Interview Das zweite und sogleich abschließende Lehrer-Interview (siehe Anhang: Leitfaden zum abschließenden Lehrer-Interview) beendet die einjährige Untersuchung und Erprobung der Schüler-Interviews durch die Lehrer (s. Kapitel 2.1). Entwicklung des abschließenden Lehrer-Interviews Durch die Auswertungen der Lehrer-Interviews auf Grundlage der Grounded Theory (Strauss/Corbin, 1996) kamen neue Sichtweisen und Aspekte im Denken der Lehrer zum Vorschein, die zu einer Veränderung in Form einer Erweiterung und Modifizierung des flexibel gehaltenen Leitfadens des ersten Lehrer-Interviews führten. Zu einigen besonderen Aspekten wurden allen Lehrer die Originalaussagen einzelner Lehrer als Interviewausschnitte vorgelegt. Dadurch sollte die Beeinflussung der Lehrer durch die Forscherin vermieden werden. Vermutlich werden diese Originalaussagen der Lehrer durch die Stellungnahmen aller Lehrer höher aufgelöst und können durch die Forscherin in ihrem Stellenwert besser eingeschätzt werden. Grundlegende Fragen aus dem ersten Lehrer-Interview wurden bei allen abschließenden Lehrer-Interviews wiederholt gestellt, um mögliche Veränderungen dokumentieren zu können. Zu unklar gebliebenen Aussagen aus dem ersten Lehrer-Interview wurden individuelle Nachfragen formuliert, so dass der Leitfaden für die abschließenden Lehrer- Interviews sich bei jedem Lehrer leicht unterscheidet. Die Lehrer werden zu bestimmten Ausschnitten ihres ersten Lehrer-Interviews „re-interviewt“. In der Theorie wird dies als “stimulated recall“ bezeichnet, der die Person auffordert durch einen Stimulus, in diesem Fall der eigene Interviewausschnitt, sich zu äußern und die jetzigen Gedanken dazu abzurufen. Gegebenenfalls können durch diese Vorgehensweise Entwicklungstendenzen im Denken der Lehrer nachgewiesen werden. Die qualitative Studie 46 Ferner werden in den Aufbau des abschließenden Lehrer-Interviews Aussagen der beteiligten Lehrer gegenüber Vertretern des Hessischen Kultusministeriums über den Nutzen des Schüler-Interviews einbezogen. Dabei stellten die Lehrer den Vertretern des Hessischen Kultusministeriums ihre Erfahrungen mit dem Nutzen des Schüler-Interviews im Schulalltag und ihre daraus gewonnenen Erkenntnisse vor. Die Abgeordneten stellten keine Forderungen an die Lehrer. Sie reagierten auf Anfragen der Lehrer, z. B. bezüglich der Stundenentlastung für das Führen von Schüler-Interviews. Inhaltliche Forderungen hatten die Vertreter bereits in einem anderen Treffen mit den Leitenden des Projektes geklärt. Die Aussagen der Lehrer wurden nicht beeinflusst, wobei die Forscherin über die „überschwänglich“ positive Dar- stellung des Projektes durch die Lehrer selbst überrascht war, da in den vorherigen Arbeits- treffen und den zuvor geführten Lehrer-Interviews das Projekt durch die Lehrer kritischer betrachtet wurde. In einem an die Forscher gerichteten Positionspapier fordern die Lehrer eine angemessene zeitliche Entlastung und halten das Führen von Schüler-Interviews in der derzeitigen Form nicht für alltagstauglich. Bei der Forscherin entstand der Eindruck, dass die Lehrer den Nutzen des Projektes besonders hervorheben, um möglicherweise dafür Stunden- entlastungen durch die Vertreter des Hessischen Kultusministeriums zu erhalten. Dieser Wunsch ging aber nicht in Erfüllung. Der Leitfaden zu den abschließenden Lehrer-Interviews setzt sich nach einem Jahr Erprobung aus dem Leitfaden zum ersten Lehrer-Interview, den Bereichen 1 bis 5, und den neu hinzugekommenen Bereichen 6 bis 8 zusammen. Die Bereiche 2, 4 und 5 wurden durch einige Fragen gegenüber dem Leitfaden des ersten Lehrer-Interviews ergänzt. Das abschließende Lehrer-Interview gliedert sich somit in folgende acht Bereiche: 1. Spontane Äußerungen zum Schüler-Interview, 2. Geänderte Sicht der Lehrerin/des Lehrers auf dieses Kind, 3. Förderdiagnostischer Nutzen des Schüler-Interviews, 4. Bewertung des Schüler-Interviews, 5. Bedarf an Information, Kooperation, Unterstützung und Fortbildung / Implementation und Auswertung im Schulalltag, 6. Fragen zu den studentischen Assistenten, 7. Kategorien der Autorin zu den Lehrer-Interviews, 8. Fragen zum Text „Förderdiagnostischorientierte Verfahren“. Zu 1.: Der erste Bereich – Spontane Äußerungen zum Schüler-Interview – wird analog zum ersten Lehrer-Interview übernommen. Zu 2.: Im zweiten Bereich werden Fragen zum möglichen Sichtwechsel des Lehrers auf die einzelnen Schülerleistungen gegenüber dem Leitfaden des ersten Lehrer-Interviews ergänzt. Der Lehrer wird gefragt, welche Rückmeldungen er dem Schüler nach dem Schüler-Interview gegeben hat und ob sich die Einstellung der Schüler zum Mathematikunterricht verändert hat. Hinzu kommt ein Interviewausschnitt der fachfremden Lehrerin AD zum Thema Prozessorientierung, zu dem sich die Lehrer äußern und ihre Sicht auf die Thematik darstellen sollen. In diesem Interviewausschnitt berichtet AD, dass sie nach Durchführen eines Lehrer-Interviews sich im Unterricht die Denk- und Rechenwege der Schüler erklären lässt und für sie nicht mehr das Ergebnis im Vordergrund steht. Ihr ist es wichtiger, dass sie beim Schüler eine Strategie bzw. Vorgehensweise erkennen kann. Dieser Interview- ausschnitt soll die Lehrer dazu anregen ihre Sicht zum Nachfragen von Denk- /Lösungswegen von Schülern zu artikulieren. Im Anschluss werden die Lehrer gefragt, wie sich für sie ergebnisorientiertes von prozessorientiertem Mathematiklernen Die qualitative Studie 47 unterscheidet. Ferner werden die Lehrer gefragt, ob sich ihre Einstellung zum Unterricht und zum Fach Mathematik verändert hat. Zu 3.: Der Fragenkomplex zum Thema „Förderdiagnostischer Nutzen des Schüler- Interviews“ wird aus dem ersten Lehrer-Interview übernommen. Zu 4.: Im Bereich „Bewertung des Schüler-Interviews“ kommen Fragen zur Durchführung des Schüler-Interviews hinzu, die sich auf die benötigte Einarbeitungszeit, den Zeitaufwand und den Personalbedarf beziehen. Um die Nachhaltigkeit bzw. die Wirkung des Schüler-Interviews auf den Lehrer zu prüfen, wird er aufgefordert die Frage zu beantworten: „Wie gut prägt sich ein Schüler-Interview im Gedächtnis ein?“. Zur folgenden Aussage sollen die Lehrer Stellung nehmen: „Das Schüler-Interview ist ein Katalysator für die Verbesserung des Unterrichts (bzw. der Unterrichtsqualität)“. Zu zwei Aussagen beteiligter Lehrer, die diese beim Treffen mit Vertretern des Hessischen Kultusministeriums benannt haben, sollen alle Lehrer ihre Meinung äußern und Stellung beziehen. Die Lehrerin IS sagte, dass das Führen des Schüler-Interviews eine „schleichende Lehrerfortbildung“ sei. Im Weiteren wird dies mit dem Begriff „implizite Lehrer- fortbildung“ gekennzeichnet. Die Lehrerin TF sagte, dass das Schüler-Interview sich ihrer Meinung nach auf die gesamte Schullaufbahn des Kindes auswirke. Sie führte weiter aus, dass sie 2 Stunden für das Schüler-Interview brauche, aber danach könne sie effektiver mit dem Kind arbeiten und spare letztendlich Zeit. Diese beiden Aussagen werden im Lehrer-Interview gestellt, da sie zentrale Aspekte der Forschungsfragen, wie Unterstützung des Lehrers durch das Schüler-Interview und handlungsleitende Diagnostik (Wollring 2003) ansprechen. Die Lehrer sollen ihre Sichtweise zu diesen beiden Aussagen äußern. Die letzte Frage im vierten Bereich bindet den Interviewausschnitt des Lehrers AG ein, der den Standpunkt vertritt, dass nur Mathematikfachlehrer das Interview führen dürfen. Zu 5.: In Bereich 5 werden die Lehrer gefragt, inwieweit das Führen von Schüler-Interviews sie anregt hat mit Kollegen darüber zu diskutieren. Möglicherweise wird dadurch eine schulinterne Dissemination des Schüler-Interviews sichtbar. Daher werden die Lehrer des Weiteren gefragt, ob ihre Kollegen über das Schüler-Interview informiert sind, daran teilnehmen oder es ausführen können. In der folgenden Frage sollen die Lehrer das Projekt bewerten, über das Projekt reflektieren und ihre Vorstellungen zur weiteren Entwicklung, Dissemination und Implementation des Projektes darlegen. Sie liefern damit eine Rückmeldung zur einjährigen Erprobungsphase des Projektes. Die Lehrer werden anschließend gebeten zu aktuellen bildungspolitischen Diskussionen (Bildungsstandards, Vergleichs- arbeiten) Stellung zu nehmen. Dabei sollen sie die Inhalte der Bildungsstandards mit denen des Schüler-Interviews vergleichen und sich dazu äußern. Ferner sollen sie die Vergleichsarbeiten dem Schüler-Interview gegenüberstellen und Position beziehen. Der Bereich 6 „Fragen zu den studentischen Assistenten“ und die folgenden beiden Bereiche sind neu hinzugekommen. Zu 6.: Im Bereich 6 werden Fragen zu der Rolle und dem Nutzen der studentischen Assistenten für die Lehrer gestellt. Die studentischen Assistenten sind Studierende, die Die qualitative Studie 48 die Lehrer bei der Durchführung der Schüler-Interviews unterstützen und die Auswertung der geführten Schüler-Interviews vornehmen. Zu 7.: Im Bereich 7 werden die Lehrer mit dem Kodierleitfaden, welcher sechs Kategorien enthält, konfrontiert. Sie werden gebeten sich zu den Kategorien zu äußern und die ihrer Meinung nach wichtigste Kategorie zu benennen. Diese Fragestellungen sollen dazu dienen, die häufig auftretenden Kategorien in den Analysen der ersten Lehrer- Interviews mit den spontan geäußerten Einschätzungen der Lehrer im abschließenden Lehrer-Interview vergleichen zu können. Vielleicht benennen die Lehrer einen Aspekt, der ihnen besonders wichtig erscheint, der aber bei der Forscherin in der Analyse keine Kategorie sondern lediglich eine Subkategorie darstellt. Der Forscherin kann durch die Antworten der Lehrer die Relevanz der verschiedenen Kategorien für jeden einzelnen Lehrer explizit werden. Die Aussagen der Lehrer im abschließenden Lehrer- Interview werden dadurch nicht beeinflusst, da diese Fragen erst zum Ende des Lehrer-Interviews gestellt werden. Zu 8.: Im letzten Bereich sollen die Lehrer zu Gesichtspunkten Stellung nehmen, die in einem Text von Werner (2003) für verschiedene förderdiagnostischorientierte Ver- fahren betrachtet werden. Zuerst wird die Anwendbarkeit der Verfahren in der Praxis, die Einsichten in die Leistungsmöglichkeiten des Kindes mit Hilfe der Verfahren und welche Fragen bezüglich individueller mathematischer Fertigkeiten offen bleiben, in Bezug auf verschiedene förderdiagnostischorientierte Verfahren überprüft. Des Weiteren wird die Eindeutigkeit der Ergebnisse der Verfahren kritisch beleuchtet. Ob aus den Verfahren konkrete Förderansätze abgeleitet werden können und ob der Einsatz ergänzender bzw. erweiternder Diagnoseverfahren empfehlenswert ist, wird in den letzten beiden Fragen thematisiert (vgl. Werner 2003, S. 326). Die Lehrer erhalten den Text einige Woche vor dem abschließenden Lehrer-Interview, damit sie Zeit haben, ihn zu lesen. Sie werden aufgefordert die Fragen aus dem Text von Werner (2003) in Bezug auf das Schüler-Interview schriftlich vor oder mündlich im abschließenden Lehrer-Interview zu beantworten. Sie sollen dadurch weitere Diagnoseverfahren kennen lernen und sich der Vor- und Nachteile der jeweiligen Verfahren, auch denen des Schüler-Interviews, bewusst werden. Der Text führt vermutlich zu einer intensiveren Auseinandersetzung mit dem Projekt, indem es mit anderen diagnostischen Verfahren verglichen wird. Mit diesem Fragekomplex endet der Leitfaden des abschließenden Lehrer-Interviews. Durchführung und Auswertung der abschließenden Lehrer-Interviews Als Vorbereitung auf das Führen der abschließenden Lehrer-Interviews werden alle Lehrer- Fragebögen mit den Ergebnissen der von diesem Lehrer geführten Schüler-Interviews verglichen. Dadurch soll die Möglichkeit geschaffen werden, als Interviewer auf Antworten der Lehrer zu den befragten Schülern im Lehrer-Interview angemessen reagieren zu können. Die tonbanddokumentierten Lehrer-Interviews werden transkribiert und analysiert. Die Ergebnisse der Auswertung werden anschließend den Analysen der ersten Lehrer-Interviews für jeden einzelnen Lehrer gegenübergestellt. Die qualitative Studie 49 2.3 Untersuchungsgegenstand An der Untersuchung sind sechs Grundschulen beteiligt. Sie befinden sich alle in Nordhessen. Fünf Grundschulen bilden aufgrund räumlicher Nähe und daraus entstandener Zusammen- arbeit einen Schulverbund im Kreis Kassel. Von Seiten des Schulamtes Kassels wurden die Grundschulen im Landkreis Kassel Anfang 2003 aufgefordert sich mit dem Thema „Lernstandortbestimmung im Mathematikunterricht“ auseinanderzusetzen. Bei den Schulen bestand daher gesteigertes Interesse an dem Projekt teilzunehmen, in dessen Mittelpunkt die Erprobung eines mathematikdidaktischen Diagnose- interviews steht, das in dieser Untersuchung als Schüler-Interview bezeichnet wird. Diese Schulen konnten seitens des mathematikdidaktischen Labors für die Grundschule der Universität Kassel auf einer Schulleiterdienstversammlung für das Projekt gewonnen werden. Sie erproben in Zusammenarbeit mit der Universität das mathematikdiagnostische Schüler- Interview. Außerdem beteiligt sich eine Schule aus Marburg. Zwei der beteiligten Grundschulen nehmen am hessischen Schulversuch „Jahrgangsüber- greifende Schuleingangsstufe“ teil. In der jahrgangsübergreifenden Schuleingangsstufe besuchen Kinder der Jahrgangsstufen 0 bis 2 gemeinsam eine Klasse. 2.3.1 Versuchsgruppe – die Lehrer Seit Sommer 2003 wird das Schüler-Interview mit einer Versuchsgruppe von Lehrern im Landkreis Kassel erprobt. Sie setzt sich aus jeweils zwei Lehrern der beteiligten Grund- schulen zusammen. Insgesamt nehmen 12 Lehrer teil. Es handelt sich dabei nicht um eine speziell ausgewählte Gruppe von Lehrern anhand von vorgeschriebenen Kriterien. Nachdem die Rektoren über eine Schulleiterdienstversammlung darauf aufmerksam wurden, suchten sie Lehrer, die Interesse an der Projektteilnahme hatten oder beauftragten zwei Lehrer, die sich freiwillig in der Lehrerkonferenz gemeldet hatten, an der Erprobung des Schüler-Interviews mitzuarbeiten. Die Teilnahme der Lehrer am Projekt ist freiwillig. Diese Lehrer sind bereit zusätzliche Zeit für die Erprobung der Schüler-Interviews aufzubringen. Sie leisten einen hohen unvergüteten Arbeitsaufwand. Ihnen wurden weder kurz- noch langfristig Vorteile durch die Teilnahme am Projekt in Aussicht gestellt. Daher handelt es sich vermutlich um eine Positivauswahl an Lehrern. Die Versuchsgruppe besteht aus zwölf Lehrern, die drei verschiedene Ausprägungen in ihrer Mathematiklehrerausbildung besitzen. Sechs Lehrer haben Mathematik für die Klassen 1 bis 4 sowie für die Klassen 5 bis 10 als Wahlfach studiert, d. h. sie studieren im fachwissenschaftlichen Bereich Mathematik für die Klassen 5 bis 10 und ihre Didaktik. Des Weiteren erhalten sie eine grundschulspezifische Ausbildung für die Klassen 1 bis 4 im Bereich der Mathematikdidaktik. Vier Lehrer studierten Mathematik für die Klassen 1 bis 4, im Weiteren als Nebenfach bezeichnet. Dazu besuchten sie eine fachwissenschaftliche Veranstaltung zur Mathematik für die Klassen 1 bis 4 und mehrere Veranstaltungen im Bereich Mathematikdidaktik für die Grundschule. Zwei Lehrer beziehen sich ausschließlich auf ihre eigenen Unterrichtserfahrungen. Sie haben weder während ihres Grundschullehramtsstudiums noch im Referendariat eine mathematikdidaktische Ausbildung erhalten. Acht der zwölf Lehrer sind weiblich und vier männlich. Das Alter der beteiligten Lehrer liegt zwischen 27 und 63 Jahren. Die Unterrichtserfahrung variiert zwischen einem Jahr und bis zu ca. 40 Jahren. Die qualitative Studie 50 Berufsbiographische Übersicht zu allen zwölf beteiligten Lehrern Typ 1: Lehrer mit einem Mathematikstudium für den Studiengang Lehramt an Grundschulen, qualifizierend für die Klassen 1 bis 4 sowie für die Klassen 5 bis 10 (Wahlfach) Name Unterrichts- Erfahrung Lehr-Erfahrung in Klasse 0 bis 2 Bemerkungen NS, 27 J., w 1 Jahr 1 Jahr in Klasse 1 Studium an der Universität Kassel ES, 38 J., m 10 Jahre 8 Jahre in Klasse ½ Konrektor an Schule im sozialen Brennpunkt AG, 51 J., m 26 Jahre 8 Jahre in Klasse 1 und 2 Rektor TF, 32 J., w 4 Jahre 4 Jahre in Klasse 1 und 2 Studium an der Universität Kassel HL, 59 J., m ca. 30 Jahre keine Angabe Rektor IW, 32 J., w ca. 4 Jahre keine Angabe Studium an der Universität Kassel Typ 2: Lehrer mit einem Mathematikstudium für den Studiengang Lehramt an Grundschulen, qualifizierend für die Klassen 1 bis 4 (Nebenfach) Name Unterrichts- Erfahrung Lehr-Erfahrung in Klasse 0 bis 2 Bemerkungen PB, 34 J., w 5 Jahre 2 ½ Jahre in Klasse 0/1/2 Grundschullehrerausbildung in der DDR, Erweiterungsprüfung Lehramt Grundschule an der Universität Kassel TS, 32 J., w 5 ½ Jahre 2 ½ Jahre in Klasse ½ Studium in Gießen, Schule im sozialen Brennpunkt UL, 52 J., w 30 Jahre 14 Jahre in Klasse 1 und 2 Studium in Gießen, Rektorin RM, 63 J., m ca. 40 Jahre keine Angaben Rektor Zeitweilig hat die Lehrerin IS, die Mathematik als Nebenfach studiert hat, am Projekt teilgenommen. Aufgrund ihrer kurzen Mitarbeit wird sie nicht in der Tabelle aufgeführt. Typ 3: Lehrer, die sich beim Mathematikunterrichten auf ihre Unterrichtserfahrung beziehen Name Unterrichts- Erfahrung Lehr-Erfahrung in Klasse 0 bis 2 Bemerkungen LS, 54 J., w 26 Jahre 14 Jahre Klasse 1 und 2 Konrektorin, aufgeschlossene Einstellung zum Fach Mathematik BB, 44 J., w 18 Jahre 8 Jahre Klasse 0/1/2 pädagogische Mitarbeiterin an der Universität Kassel im Bereich Mathematikdidaktik für Grundschule w = weiblich, m = männlich Zeitweilig hat die fachfremde Lehrerin AD am Projekt teilgenommen. Aufgrund ihrer kurzen Mitarbeit wird sie nicht in der Tabelle aufgeführt. Die qualitative Studie 51 2.3.2 Auswahl der drei Lehrerinnen – Drei Arten der Mathematik- ausbildung Nach der Durchführung aller ersten und abschließenden Lehrer-Interviews wurden aus der Versuchsgruppe der zwölf beteiligten Lehrer drei Lehrerinnen ausgewählt. Sie wurden nicht zufällig ausgewählt, sondern es fand ein „gezieltes“ (purposives) Sampling (vgl. Patton 1990, S. 169 f.) statt. Diese wenigen Fälle zeigen die Variationsbreite und Unterschiedlichkeit in Bezug auf Unterrichtserfahrung, Lehr-Erfahrung in Klasse 0 bis 2, Lebensalter und Art der Mathematik- ausbildung der Versuchsgruppe auf. Die drei Lehrerinnen sind in drei unterschiedlichen Grundschulen tätig. Zudem liegen bei ihnen im Vergleich zu den anderen beteiligten Lehrern eine hohe Anzahl von geführten Schüler-Interviews und dazugehörigen ausgefüllten Lehrer- Fragebögen zu ihren eigenen Schüler vor. Dies ist von besonderer Bedeutung, da in dieser Untersuchung der Nutzen des Führens von Schüler-Interviews untersucht werden soll und dieser nur adäquat wiedergegeben werden kann, wenn eine gewisse Anzahl von Schüler- Interviews geführt wurden. Einige beteiligte Lehrer haben entschieden, auf Anfrage ihrer Kollegen auch Schüler aus deren Klassen zu befragen. Die drei ausgewählten Lehrerinnen haben beschlossen, hauptsächlich oder ausschließlich Schüler ihrer eigenen Klasse zu inter- viewen, um laut ihrer Aussage daraus Erkenntnisse über die Schüler und ihren Unterricht zu gewinnen. Die ausgewählten drei Lehrerinnen haben einen besonders großen Erfahrungsschatz im Führen von Schüler-Interviews mit Schülern ihrer eigenen Klasse. Die drei Lehrerinnen äußern in den Lehrer-Interviews offen ihre Kritikpunkte an den Arbeitstreffen, an der Organisation des Projektes oder ihre Zweifel an der Durchführbarkeit der Schüler-Interviews im Schulalltag. Daher wird vermutet, dass sie sich nicht aus persönlichen, sondern inhaltlich sinnvollen Gründen positiv über das Schüler-Interview äußern. In der folgenden Tabelle wird überblicksartig die Unterschiedlichkeit der drei Lehrerinnen dokumentiert. In der Spalte „Bemerkungen“ befinden sich Informationen und Annahmen, die im Verlauf des Projektes hinzukamen. In Kapitel 3 wird jede Lehrerin mit ihren biographischen Voraussetzungen genauer beschrieben. Übersicht über die Berufsbiographien der drei Lehrerinnen Name Mathematik- Studium Unterrichts- erfahrung Lehr- Erfahrung in Klasse 0 bis 2 Bemerkungen Anzahl geführter Schüler- Interviews Anzahl ausgefüllter Lehrer- Fragebögen NS, 27 J. Wahlfach (Klasse 1 bis 10) 1 Jahr 1 Jahr Klasse 1 Studium an der Universität Kassel, während des Studiums Mitarbeit am DFG-Projekt von Wollring/Jungwirth 2001 8 8 PB, 34 J. Nebenfach (Klasse 1 bis 4) 5 Jahre 2 ½ Jahren Klasse 0/1/2 Grundschullehrerausbildung in der DDR, Tätigkeit als Erzieherin, Studium der Sozialpädagogik an der Universität Kassel, Erweiterungsprüfung an der Universität Kassel, eigenes Interesse, vor allem an leistungsschwachen Kindern, erst nach einem halben Jahr Einstieg ins Projekt 4 1 LS, 54 J. fachfremd 26 Jahre 14 Jahre Klasse 1 und 2 Konrektorin, aufgeschlossen gegenüber dem Fach Mathematik 9 7 Die qualitative Studie 52 Problematik der sozialen Erwünschtheit Bei qualitativen Untersuchungen besteht das Problem der „sozialen Erwünschtheit“ von Antworten der Untersuchten gegenüber dem Interviewer. In der vorliegenden Arbeit ist dieses Problem besonders zu behandeln, da die Autorin in die Arbeitsgruppe Wollring integriert ist und als Projektmitarbeiterin einen Teil des Projektes auswertet. Des Weiteren nimmt die Autorin an den Treffen mit den beteiligten Lehrern teil. Von daher kann das Problem der „sozialen Erwünschtheit“ nicht ausgeschlossen werden. Um dies zu thematisieren, werden alle Aktionen und Interaktionen mit den Lehrern dokumentiert und die Rolle der Autorin dargestellt. Die an der Untersuchung beteiligten Lehrer besitzen gegenüber der Forscherin keinerlei Verpflichtung und gehen auch gegenüber dem Projekt kein Verpflichtungsverhältnis ein. Möglicherweise sind die Lehrer gegenüber dem Schüler-Interview als Diagnoseinstrument positiv eingestellt, da sie bisher im diagnostischen Bereich für die Schule keinerlei Unterstützung erhalten haben. In den Lehrer-Interviews werden die Lehrer nach ihren persönlichen Einstellungen und Meinungen über den Nutzen des Führens von Schüler- Interviews befragt. Da ihre Antworten kaum intersubjektiv überprüfbar sind, kann nicht auf Richtigkeit als eine Dimension von Validität zurückgegriffen werden, sondern es geht dann um Authentizität. Es stellt sich die Frage, ob sie ihre Kognitionen, Emotionen und Interpretationen zutreffend kommunizieren, d. h. ob sie sagen, was sie meinen. Zum Beispiel könnte die Kommunikation der Forschungssubjekte, in diesem Fall der Lehrer, strategisch motiviert sein, um die Forscherin oder andere an der Untersuchung Interessierte zu etwas zu bringen. Möglicherweise geben sie an, Unterrichtsmethoden zu verwenden, die momentan in der Forschung angesagt sind und von der Forscherin bevorzugt werden, um nicht als überholt oder veraltet zu gelten. Des Weiteren ist den Lehrern vermutlich bewusst, dass durch eine positive Evaluation des Schüler-Interviews als Instrument zur Bestimmung des Lernstandortes eines Schülers sie möglicherweise Zeit zur Verfügung gestellt bekommen, um die Schüler-Interviews durchführen zu können. Teilweise können Peinlichkeit oder Normen des sozial Angemessenen sie dazu bringen, bestimmte Gedanken zu verschweigen. Von daher sind ihre Aussagen in den Schüler-Interviews stets vor diesem Hintergrund zu betrachten. Es ist zu beachten, dass die Autorin an der Entwicklung des australischen Schüler-Interviews nicht beteiligt war. Versuchsdurchführung Die Untersuchung wurde über den Zeitraum des Schuljahres 2003/2004 durchgeführt. Im Rahmen dieses Projektes wurden die Lehrer der Versuchsgruppe in regelmäßigen Arbeitstreffen auf die Durchführung der Schüler-Interviews vorbereitet. Diese Treffen dienten dem Erfahrungsaustausch zwischen den beteiligten Lehrern und den Forschern, zur Unter- stützung bei der Auswertung der Schüler-Interviews und zur Diskussion über Anpassungen an die hessische Schulrealität. Die Planung und Leitung des Projektes der Arbeitsgruppe Wollring und der Arbeitstreffen lag in den Händen von Spindeler, einer Mitarbeiterin von Wollring. Die Autorin war nur bei einigen Arbeitstreffen anwesend und hielt sich in den Dis- kussionen zurück. Die beteiligten Lehrer sollten nicht durch die Autorin in ihrer Sichtweise auf das Projekt beeinflusst werden. Mit den beteiligten Lehrern fanden im Schuljahr 2003/2004 sechs Arbeitstreffen zu folgenden Themen statt: - Vorstellung des Projektes; Hinweise zur Durchführung des Interviews mit einem Schüler (17.06.03), Die qualitative Studie 53 - Hinweise zur Durchführung des Schüler-Interviews; Bekanntgabe der Lehrerbe- fragung in Form eines Lehrer-Fragebogens und eines Lehrer-Interviews (18.09.03), - Diskussion über ein geführtes Schüler-Interview anhand eines Videodokumentes und gemeinsames Bestimmen der Ausprägungsgrade für dieses Schüler-Interview (01.12.03), - Betrachten eines Schüler-Interviews anhand eines Videodokumentes und gemeinsames Überlegen von dazu möglichen Förderideen der Lehrer (15.03.04), - Bericht über die erreichten Performanzen der Schüler in der australischen Untersuchung ENRP; Überprüfung der Ausprägungsgrade auf ihre Kompatibilität mit den Bildungsstandards Grundschule (17.05.04), - Bericht über den Erprobungsrahmen; Rückblick auf ein Jahr Erprobung (28.06.04). Diese Arbeitstreffen führten bei den beteiligten Lehrern aufgrund der gemeinsamen Zusam- menkünfte und dem damit geschaffenen Austauschforum vermutlich zu einer intensiveren Auseinandersetzung mit den Schüler-Interviews. Die Lehrer erwarteten von den Arbeits- treffen, dass sie konkrete Hilfestellungen von den Forschern erhalten, wie sie mit einem leistungsschwachen, teilweise auch einem leistungsstarken Schüler weiterarbeiten sollen, nachdem sie mit Hilfe des Schüler-Interviews dessen Lernstandort bestimmt hatten. Da dies nicht der Fall war, waren sie, laut einzelner Aussagen in den geführten Lehrer-Interviews, von der Effektivität der Arbeitstreffen enttäuscht. Insofern können die Arbeitstreffen die Lehrer beeinflusst haben, aber im soeben vorgestellten Fall eher in einer negativen Richtung. In den Lehrer-Interviews greifen die Lehrer nicht auf die Inhalte der Arbeitstreffen zurück. Ab Herbst 2003 führten die Lehrer erste Interviews mit ihren Schülern durch. Im Verlaufe des Schuljahres 2003/2004 interviewten die beteiligten Lehrer insgesamt vier bis zehn Schüler ihrer Klasse, die sie selbst auswählten. Die Gründe für ihre Auswahl sollten sie im Lehrer- Fragebogen begründen. Für die Durchführung der Lehrer-Interviews wurden zwei Erhebungszeitpunkte gewählt: Die ersten Lehrer-Interviews fanden im Herbst/Winter 2003 statt, nachdem jeder Lehrer mindestens einen Schüler interviewt hatte. Die zweiten und sogleich abschließenden Lehrer- Interviews wurden nach einem weiteren halben Jahr Erprobung im Sommer 2004 geführt. Zwischen den beiden Lehrer-Interviews lag ca. ein halbes Jahr, um mögliche Veränderungen der Lehrerhaltungen in Bezug auf ihre Sicht der Schülerleistungen aufzeigen zu können. Alle Interviews mit den Lehrern wurden, soweit möglich, in der jeweiligen Grundschule im Anschluss an den Unterricht oder in einer Freistunde des Lehrers geführt. War dies nicht der Fall, wird in der Auswertung gesondert darauf hingewiesen. Übersicht über den Datenstand zu den beteiligten Lehrern Im Schuljahr 2003/2004 wurden die folgenden Datenmengen erhoben: Lehrer-Fragebogen Insgesamt liegen ca. 30 schriftlich ausgefüllte Lehrer-Fragebögen vor. Nicht alle Lehrer sind der Aufforderung nachgekommen vor jedem Schüler-Interview einen Lehrer-Fragebogen auszufüllen. Schüler-Interview Es wurden von den Lehrern insgesamt 80 Schüler-Interviews mit einer Länge zwischen 60 min bis zu 120 min durchgeführt. Für wissenschaftliche Zwecke wurden die Schüler- Interviews soweit erlaubt, durch Videoaufnahmen aufgezeichnet, um für die Schüler Förderkonzepte mit Studierenden zu erarbeiten. Lehrer-Interview 13 erste Lehrer-Interviews und 10 abschließende Lehrer-Interviews liegen in einer Länge von 30 min bis 90 min tonbanddokumentiert und weitestgehend transkribiert vor. Die qualitative Studie 54 2.4 Auswertung der Lehrer-Interviews nach Grounded Theory Im Folgenden soll die Nutzung der Grounded Theory in der Fassung von Strauss/Corbin (1996) als Auswertungsmethode für die vorliegende Arbeit erläutert werden. Sie ist ein geeigneter Ansatz für eine offene, explorative und theoriegenerierende Herangehensweise, wie sie für die vorliegende Untersuchung benötigt wird, da der Autorin zum Untersuchungsgegenstand, dem Nutzen des Führens von Schüler-Interviews für die Lehrer ohne begleitende Lehrerfortbildungen, keine Forschungen vorliegen. Des Weiteren sollen die subjektiven Einstellungen der Lehrer gegenüber dem Schüler-Interview erhoben werden. Von daher ist eine hypothesengenerierende Vorgehensweise angebracht. Als Datenbasis dienen die audiografierten ersten und zweiten Lehrer-Interviews, welche orientiert an der qualitativen Methode Grounded Theory ausgewertet werden. Zwischen der Aufzeichnung der Tondokumente und ihrer Interpretation steht die Transkription der Lehrer-Interviews. Sie ist nötig, um das „flüchtige Gesprächsverhalten für wissenschaftliche Analysen auf dem Papier dauerhaft verfügbar zu machen“ (vgl. Kowal/O’Connell 2000, S. 438). Die Auswahl der zu transkribierenden Verhaltensmerkmale (verbale, prosodische, parasprachliche, außersprachliche) ist abhängig von der Zielsetzung und Fragestellung des Projektes. Transkribiert wurde nach dem Gesprächsanalytischen Transkriptionssystem (GAT) (Selting et al. 1998). Dabei wurde in der Verschriftung die literarische Umschrift genutzt. Fülllaute (z. B. „äh“, „ähm“) wurden transkribiert, da angenommen wird, dass diese Fülllaute in den Lehrer-Interviews anzeigen, an welchen Stellen der Lehrer im Sprechen nachdenkt oder sich in seinen Äußerungen unsicher ist. Selbst bei dieser Art zu transkribieren, ist es so, dass Transkripte „tatsächlich durch eine erhebliche Reduktion der fast unbegrenzt reichhaltigen Primär- [Original Lehrer-Interview] und Sekundärdaten [Audioaufnahme des Lehrer-Interviews] gekennzeichnet (Cook 1990) [sind] sowie dadurch, dass das zeitgebundene Gesprächsverhalten in zeitentbundene visuelle Produkte überführt wird. Transkripte sind also immer selektive Konstruktionen, und die Selektivität wirkt sich auf die Analyse und die Interpretationen der Transkripte aus“ (Ochs 1979, in: Kowal/O’Connell 2000, S. 440). Um der Selektivität entgegenzuwirken werden Studierende zur Transkription in GAT eingeführt und unterstützen die Auswertung der ersten Lehrer-Interviews. Dadurch werden sie in die Forschung eingebunden und erlernen forschungsrelevante Vorgehensweisen. Als Auswertungsmethode dient die Grounded Theory. Bezeichnet wird mit dem Namen Grounded Theory eine Methode bzw. ein Forschungsstil, mit dem Ziel eine gegenstands- bezogene Theorie zu entwerfen. Dabei wird die zeitliche Parallelität und funktionale Ab- hängigkeit von Datenerhebung, -analyse und Theoriebildung betont. Es wird ständig zwischen Handeln (Datenerhebung) und Reflexion (Datenanalyse und Theoriebildung) gewechselt. Dies war für die vorliegende Untersuchung in dieser Reinheit nicht möglich, insbesondere bei der Datenerhebung. Alle beteiligten Lehrer der Erprobung des Schüler-Interviews wurden in die Datenerhebung dieser Studie zu Beginn einbezogen. Das „theoretical sampling“, d. h. die Auswahl der Lehrer nach bestimmten Kriterien, die in Kapitel 2.3.2 erläutert wurden, fand erst bei der Analyse der Lehrer-Interviews statt. Erkenntnisse, die aus der Analyse der ersten Lehrer-Interviews gewonnen wurden, werden bei der Konzeption des Leitfadens für das zweite Lehrer-Interview einbezogen. Während der Analyse der ersten Lehrer-Interviews wird nach der Methode der Grounded Theory immer wieder zum Ausgangsmaterial zurückgegangen, um Subkategorien auszuarbeiten. Theo- retische Konzepte, Konstrukte, Hypothesen, die während der Analyse der ersten Lehrer- Interviews sich entwickelten, werden im Weiteren verfeinert und mit den Erkenntnissen der zweiten Lehrer-Interviews verknüpft. Die qualitative Studie 55 Vorgehensweise bei der Analyse der Lehrer-Interviews Für die Analyse der Lehrer-Interviews wird ein „Kodierleitfaden“ (vgl. Hopf et al. 1995, S. 29) entwickelt und genutzt. Aus Australien liegen bereits Ergebnisse vor, die als Vorwissen in die Untersuchung eingehen. Dabei bilden die Ergebnisse des ENRP die beiden in dieser Untersuchung genutzten Kategorien „II.1 Förderunterstützung bei den befragten Schülern“ und „II.2 Unterstützung des eigenen Unterrichts“. Die anderen Kategorien für den Kodierleitfaden ergeben sich durch die erste Sichtung eines Lehrer-Interviews und den daraus gefolgerten und nahe liegenden Kategorien. Dieses Lehrer-Interview wurde ausgewählt, da es eins der zuerst geführten Lehrer-Interviews war, es von einer fachfremden Lehrerin LS stammt und somit den Versuchslehrern in Australien am ehesten entspricht, da diese keine spezielle (fachwissenschaftliche) Mathematikausbildung besitzen, und zeitlich eins der längsten ersten Lehrer-Interviews ist. Im Weiteren wird dieses Lehrer-Interview als Leit- interview bezeichnet. Die herausgearbeiteten sechs Kategorien des Leitinterviews bilden den Kodierleitfaden und lauten folgendermaßen: I. Bewertungen des Schüler-Interviews als Instrument durch die Lehrer, II. Unterrichtsunterstützung: II.1. Förderunterstützung bei den befragten Schülern, II.2. Unterstützung des eigenen Unterrichts, II.3. Unterstützung der Schulentwicklung, III. Schulsituation, IV. Kooperationspartner im Rahmen des Projektes, V. Neue Ausbildungsmodelle, VI. Elternarbeit. Die genauere Vorgehensweise zur Auswertung des Leitinterviews wird in Kapitel 3.1 vorge- stellt. Mit Hilfe des Kodierleitfadens wird das Interviewmaterial ausgewertet. Damit werden Passagen, die explizit oder implizit Informationen zu diesen Kategorien enthalten, in jedem einzelnen Lehrer-Interview identifiziert und nach ihrer Relevanz und Ausprägung im Vergleich mit den anderen Lehrer-Interviews bewertet. Die Kategorien des Kodierleitfadens werden vorab entworfen und werden im Verlauf der Auswertung nicht verändert. Dagegen werden die Subkategorien dieser Untersuchung mittels Grounded Theory erarbeitet. In interpretativer Auseinandersetzung mit den anderen ersten Lehrer-Interviews werden die Kategorien des Kodierleitfadens ausdifferenziert und überarbeitet. Es werden alle ersten Lehrer-Interviews analysiert, um sich nicht auf eine Auswahl von Lehrern festzulegen, ohne zu wissen, wie häufig sie Schüler interviewen. Eine Auswahl von Lehrern erfolgt erst am Ende der Untersuchung, da die zu untersuchenden Fällen möglichst viele Schüler interviewt haben sollen, um adäquat den Nutzen des Führens von Schüler-Interview einschätzen zu können. Hinzu kommt, dass in der vorliegenden Arbeit der mögliche Einfluss des unter- schiedlichen Ausbildungswegs zum Mathematiklehrer auf die Einschätzung des Nutzens des Führens von Schüler-Interviews untersucht werden soll. Die qualitative Studie 56 Zur Ermittlung der Subkategorien werden in der vorliegenden Untersuchung folgende drei Auswertungsschritte der Grounded Theory zyklisch durchlaufen: offenes, axiales und selektives Kodieren. Offenes Kodieren Der erste Auswertungsschritt, das offene Kodieren, besteht aus dem Prozess des Aufbrechens, Untersuchens, Vergleichens, Konzeptualisierens und Kategorisierens der verschriftlichten Daten. Einzelnen Ereignissen werden konzeptuelle Bezeichnungen, so genannte Codes, zugeordnet. Eine Kategorie, in diesem Fall die vorliegende Subkategorie, ist eine Klassifikation von Codes. Dabei werden Codes zu einem abstrakteren Konzept zusammen- gruppiert und als Kategorie bezeichnet. Mit Hilfe dieser Vorgehensweise wird ein tieferes Verständnis für den Text entwickelt. Ziel des offenen Kodierens ist die Entwicklung von Kategorien, die dem Text gerecht werden (vgl. Strauss/Corbin 1996, S. 44). Die Transkripte aller ersten Lehrer-Interviews wurden mit Codes versehen, d. h. die Aussagen der Lehrer im Lehrer-Interview wurden zusammengefasst und einer Kategorie aus dem Kodierleitfaden zugeordnet. Die Bildung der Codes orientierte sich am Inhalt der Lehrer- äußerungen. Dabei spielte das Wissen der Forscherin durch die Kenntnis der Ergebnisse des ENRP und anderes implizites theoretisches Vorwissen eine Rolle. Beispiel für die Vorgehensweise bei der Kodierung Beispielhaft soll kurz die genaue Vorgehensweise bei der Durchführung des offenen Kodierens dargestellt werden: Wird ein Ausschnitt aus dem Leitinterview mit der Lehrerin LS unter der Kategorie I „Bewertungen des Schüler-Interviews als Instrument durch die Lehrer“ betrachtet, so ergibt sich folgende Kodierung. Aus den Codes entstehen nachfolgende Subkategorien: Episode 1 (00.47-01.55): Spontane Äußerung zum Schüler-Interview Sehr skeptisch, selbst nervös, Interviewleitfaden gut durchgearbeitet, nervös, wie reagiert Schüler Zeit Person Text Kategorie: Kodierung Subkategorie 00.47 I Was möchten Sie spontan zum Schüler-Interview oder zu den Schüler-Interviews sagen? 00.54 L Ähm. (..) Muss ich, muss ich erst mal darüber nachdenken. Also spontan würde ich sagen. Ähm, ich war, ich war sehr skeptisch, was auf mich zukommt, was auf die Schüler zukommt. Ich habe, ähm, ich war bei dem ersten Interview also selber etwas nervös, ähm konnte aber dann so im Laufe der Zeit, ich habe das alles vorher genau durchgearbeitet, diesen, dieses ganze Interview, weil äh es für mich ein bisschen undeutlich vom Layout war, was also, was [Handlungsbereich ist I.: Skepsis und Nervosität vor dem Führen des ersten Schüler-Interviews I.: undeutliches Layout des Schüler- Interviewleitfadens I.3.1: Emotionale Aspekte/Lehrerin I.1.3: Layout 01.23 I [formatiert 01.24 L Ja, und was also mein Bereich ist, und das habe ich also äh sehr stark durchgearbeitet vorher, hab’s mir markiert und dann war’s mir also schon auch ne Hilfe bei dem, bei dem Interview. [Hm] Dann, ähm; war ich am Anfang selber etwas nervös und aufgeregt, weil ich nicht wusste, äh, wie der, wie der Schüler drauf reagiert oder wie weit kommt der jetzt in diesen einzelnen Phasen und, oder wenn der jetzt auch zum Beispiel sagt, ich glaub du spinnst, ich hab jetzt keine Lust mehr, ich mach jetzt nicht mehr, wie ich dann reagiere. Solche Sachen auch, ne [Hm] (01.52) (…) I.: Bedenken vor der Reaktion des Schülers im Schüler-Interview I.3.1: Emotionale Aspekte/Lehrerin Die qualitative Studie 57 Nach der Kodierung des gesamten Leitinterviews wurden folgende Subkategorien in ihren Differenzierungen zur Kategorie I „Bewertungen des Schüler-Interviews als Instrument durch die Lehrer“ herausgearbeitet: Kategorie I „Bewertungen des Schüler-Interviews als Instrument durch die Lehrer“ Unter Kategorie I „Bewertungen des Schüler-Interviews als Instrument durch die Lehrer“ wird die Einbettung in den Unterrichtsalltag unter inhaltlichen, organisatorischen, emotionalen und gewinnbringenden (Nutzbarkeits-) Aspekten thematisiert. Die emotionalen Aspekte, wie die Freude der Kinder am Schüler-Interview und die Begeisterung für das Schüler-Interview auf Lehrerseite sind nicht zu unterschätzende motivationale Faktoren für Schüler und Lehrer. Zu dieser Kategorie lassen sich folgende Subkategorien unterscheiden: I.1 Inhalt I.1.1 Stoff I.1.2 Art des Interviews I.1.3 Layout I.2 Organisatorische Probleme I.2.1 Interviewführung I.2.2 zeitliche Aspekte I.3 Emotionale Aspekte I.3.1 Lehrerin I.3.2 Schüler I.4 Ausführende I.4.1 Interviewer Axiales Kodieren Beim axialen Kodieren geht es um die intensive Analyse einzelner zentraler Kategorien, die besonders häufig auftreten, Bedeutung besitzen und möglichst viele andere Kategorien miteinander verknüpfen. In der vorliegenden Arbeit bedeutete dies die Subkategorien, die im offenen Kodieren entstanden, zu verfeinern und zu differenzieren. Des Weiteren wurde die Häufigkeit des Auftretens von Subkategorien betrachtet und ihre Relevanz in Bezug auf die Beantwortung der Forschungsfragen reflektiert. Daraufhin stellte sich heraus, dass vor allem die Kategorien I, II, IV und VI Informationen für die Beantwortung der Forschungsfragen liefern. Selektives Kodieren Das axiale Kodieren wird auf einem höheren Abstraktionsniveau im selektiven Kodieren fortgesetzt. Dieser letzte Auswertungsschritt wurde in der hier vorliegenden Untersuchung nicht zu Ende geführt. Alle untersuchten Kategorien – das sind die Kategorien I, II, IV und VI – lassen sich als Beiträge zur Entstehung eines Kompetenzzuwachses verstehen. Durch selektives Kodieren ergab sich somit die Kernkategorie „Kompetenzzuwachs“, die alle Kategorien des Kodierleitfadens umfasst. Diese Kernkategorie wird nicht genauer ausgeführt, da für die Beantwortung der Forschungsfragen es angebrachter scheint, die Erkenntnisse differenziert nach den betrachteten Kategorien I, II, IV und VI wiederzugeben und die Vorgehensweise aufgrund des Nutzens des Kodierleitfadens von der zugrunde gelegten Grounded Theory abweicht. In Kapitel 1 wurde bereits theoretisch dargestellt, dass sich das Die qualitative Studie 58 Führen von Schüler-Interviews und diese intensive Befassung mit den Schülern auf die Professionalisierung der Lehrkräfte auswirken könnten. Die beschriebene Vorgehensweise verläuft zyklisch, d. h. jeder der drei Auswertungsschritte wird immer wieder bis zur „theoretischen Sättigung“ durchlaufen (vgl. Bauer et al. 1996, S. 31/32). Theoretische Sättigung ist erreicht, wenn „keine neuen oder bedeutsamen Daten mehr in Bezug auf eine Kategorie aufzutauchen […] scheinen; die Kategorieentwicklung dicht ist, insoweit als alle paradigmatischen Elemente einschließlich Variation und Prozess berücksichtigt wurden; die Beziehungen zwischen Kategorien gut ausgearbeitet und validiert sind“ (Strauss/Corbin 1996, S. 159). Die Methode der Grounded Theory liefert kaum Anhaltspunkte, wann diese theoretische Sättigung erreicht ist. In der vorliegenden Arbeit wurde im Schritt des axialen Kodierens Bilanz des Gefundenen gezogen. In Hinblick auf die Forschungsfragen wurde entschieden, ausschließlich die Kategorien I, II, IV und VI zu betrachten und deren Subkategorien, und die darunter liegenden Kodes weiter auszuarbeiten und nicht relevante Kodes wegzulassen. Mit Hilfe des Einbezugs verschiedener Erhebungsmethoden, in diesem Fall der Lehrer- Fragebögen und der Lehrer-Interviews, werden die Sichtweisen der Lehrer, die unterschiedliche Einstellungen gegenüber der Mathematik und ihren Schüler innehaben, miteinander verknüpft. Dies wird als Triangulation von verschiedenen Datentypen bezeichnet. Denzin (1978) sieht verschiedene Formen der Triangulation als eine Strategie der Validierung, wobei sie auch zur Generalisierung der gefundenen Erkenntnisse verwendet werden können. Nach Strauss und Corbin (1996) geht der Forscher mit einer gewissen „theoretischen Sensibilität“ ins Feld, d. h. er besitzt ein Bewusstsein für die Feinheiten in der Bedeutung von Daten. „Theoretische Sensibilität bezieht sich auf die Fähigkeit, Einsichten zu haben, den Daten Bedeutung zu verleihen, die Fähigkeit zu verstehen und das Wichtige vom Unwichtigen zu trennen“ (Strauss/Corbin 1996, S. 25). Quellen theoretischer Sensibilität bilden persönliche und berufliche Erfahrungen, sowie das phantasievolle Nutzen der Literatur. In der vorliegenden Untersuchung basiert die theoretische Sensibilität auf den bereits vorliegenden australischen Ergebnissen des ENRP, weiterer damit in Verbindung stehender Literatur sowie persönlicher und beruflicher Erfahrungen in der Mathematikdidaktik. Die theoretische Sensibilität nimmt in dem Maße zu, in dem eine Auseinandersetzung im analytischen Prozess stattfindet. Vorläufig gewonnene Ergebnisse werden bei Strategien der argumentativen Geltungsbegründung einer Überprüfung in Form eines inneren Dialogs unterzogen. Im Rahmen dieser Arbeit fand vor allem der Vergleich mit den drei verschiedenen Vertretern der Ausbildungstypen in ihrer Unterschiedlichkeit statt, der Bestandteil der Methode Grounded Theory ist. Um den Erfordernissen der Transparenz gerecht zu bleiben, damit die Validität von Schlüssen durch den Leser nachgeprüft werden kann, wird die Methode Grounded Theory gewählt. Des Weiteren wird Zielstellung und Interesse dargelegt und das Vorgehen bei der Datenerhebung und -auswertung genau beschrieben. Aufgrund der Involviertheit der Autorin in das gesamte Projekt kann der Einfluss der Mitarbeit der Autorin auf die Ergebnisse nicht festgestellt werden. Vergleich zwischen den ersten und abschließenden Lehrer-Interviews Nachdem alle ersten Lehrer-Interviews nach obiger Vorgehensweise offen und axial kodiert waren, wurden sie miteinander verglichen. Denselben Vorgang durchliefen alle ab- schließenden Lehrer-Interviews. Im Anschluss wurden bei jedem einzelnen Lehrer das erste und das abschließende Lehrer-Interview miteinander in Beziehung gesetzt. Die qualitative Studie 59 Subjektivität der Kategorienbildung Im Vorgehen der Grounded Theory liegt eine besondere Subjektivität bei der Bildung von Kodierungen, Kategorien und letztlich einer Kernkategorie zugrunde, da ein theoretisches Konstrukt aus den Daten hervorgehen soll. Um diesen Prozess zu objektivieren wurden Studierende an der Auswertung der ersten Lehrer-Interviews beteiligt. Sie wurden in die Auswertung miteinbezogen, um im Sinne einer konsensuellen Validierung zu prüfen, ob Dritte, das sind in diesem Fall die Studierenden, zu ähnlichen Schlüssen kommen. Dazu wurde ihnen der Kodierleitfaden zur Verfügung gestellt. Zu zweit analysierten sie jeweils ein Lehrer-Interview und ordneten den Aussagen verschiedene Kategorien zu. Die Forscherin kategorisierte unabhängig von den Studierenden die ersten Lehrer-Interviews und verglich die Einteilungen der Studierenden mit den ihren. In einem Gespräch mit den Studierenden wurden die Stellen diskutiert, bei denen die zugeteilten Kategorien zwischen den Studierenden und der Forscherin abwichen. Sowohl die Studierenden als auch die Forscherin begründeten ihre Wahl der Kategorie. Bei diesen diskrepanten Bewertungen wurde eine diskursive Einigung versucht. Mit Hilfe dieser Strategie des Konsenses wurde das gesamte Interviewmaterial der ersten Lehrer-Interviews kodiert. Damit wurde versucht die Subjektivität der Kategorienbildung abzumildern. 2.5 Kohärenzentwicklung in den Schüler-Einschätzungen der Lehrer Über den gesamten Untersuchungszeitraum (Schuljahr 2003/2004) waren die Lehrer angehalten, vor jedem Schüler-Interview einen Lehrer-Fragebogen auszufüllen. Alle ausgefüllten Fragebögen eines Lehrers werden untereinander verglichen. Vermutlich werden die Antworten der Lehrer bezüglich der Einschätzung der Schülerleistungen mit der Zeit differenzierter ausfallen, da sie bereits Erfahrungen bei anderen Schüler-Interviews gesammelt haben. Die Fragebogenantworten werden mit den tatsächlichen Interview- ergebnissen verglichen, um mögliche Veränderungen im Ausfüllen der Fragebögen und bei der Leistungseinschätzung der Kinder über den Untersuchungszeitraum eines Jahres aufzuzeigen. Vorgehensweise Zuerst erfolgt eine Auflistung, wie viele Schüler-Interviews der jeweilige Lehrer im Schuljahr 2003/2004 geführt hat und zu welchen Interviews ein Lehrer-Fragebogen existiert. Im Lehrer-Fragebogen wurde der Lehrer gebeten anzugeben, wieso er speziell diesen Schüler ausgewählt habe, was er sich vom Führen des Schüler-Interviews erhoffe und wie er die allgemein schulischen und mathematischen Leistungen des Schülers einschätze. Diese Untergliederung in drei Kategorien wird zur Auswertung der Lehrer-Fragebögen in folgender Weise beibehalten: 1. Allgemein schulische/mathematische Leistungen der Schüler, 2. Gründe für die Auswahl der Schüler, und 3. Erwartungen an die Durchführung des Schüler-Interviews. Zu 1.: Die Angaben des jeweiligen Lehrers zu seinen Schülern werden zusammengefasst und nach leistungsstarken, -mittleren und -schwachen Schülern differenziert. die Charakterisierungen des Lehrers zu den Leistungsniveaus der einzelnen Schüler werden mit angegeben. Die qualitative Studie 60 Zu 2.: Die Gründe zur Auswahl der Schüler werden induktiv kategorisiert. Dabei treten Kategorien auf, wie z. B. Kinder, die sich wenig am Unterricht beteiligen, Kinder, die besonders leistungsstark oder -schwach sind und bei denen der Lehrer sich unsicher ist, wie er mit ihnen arbeiten soll, Kinder, die aufgrund ausländischer Herkunft sprachliche Verstehens-Probleme haben und Kinder, die der Lehrer ohne Angabe von Gründen ausgewählt hat. Zu 3.: Die Erwartungen der Lehrer an die Durchführung des Schüler-Interviews werden zusammengefasst und Kategorien zugeordnet. Die Lehrer erhoffen sich eine Lernstandortbestimmung des Kindes und Anregungen, wie sie das jeweilige Kind fördern können. Teilweise nutzen sie das Interview als Hilfe zur Entscheidungsfindung bei einer freiwilligen Zurückstellung oder als Einschätzung vor einer Überprüfung auf sonderpädagogischen Förderbedarf. Nach der Auswertung aller ausgefüllten Fragebögen eines Lehrers nach obigen Kategorien wird einerseits die Sprache beim Ausfüllen aller Fragebögen als auch die Angaben des Lehrers zu den drei Bereichen Arithmetik, Anwendungen und Geometrie betrachtet. Andererseits wird die Entwicklung der inhaltlichen Einschätzungen in den Fragebögen analysiert. Die Lehrer nehmen mit der Anzahl der geführten Interviews Bezug zu ihrem Unterricht oder ziehen Vergleiche zu anderen bereits befragten Schülern. Der Verweis auf den Unterricht in den Lehrer-Fragebögen beruht möglicherweise auf der größer werdenden Routine im Umgang mit dem Interview und der höheren Aufmerksamkeit des Lehrers gegenüber den Strategien und Denkwegen der Schüler, die durch die bereits geführten Interviews vermutlich entstanden ist. Zuletzt werden die Einschätzungen des Lehrers mit den tatsächlichen Befunden aus den Interviews verglichen. Es wird vermutet, dass der Lehrer durch das mehrmalige Durchführen von Interviews mit dem Leitfaden, den mathematischen Inhalten und dem gesamten Ablauf des Interviews vertrauter geworden ist. Dadurch kann er vermutlich den Schüler und dessen Antworten im Interview gezielter wahrnehmen. Ferner besteht die Möglichkeit, dass der Lehrer seinen nächsten zu befragenden Schüler im Unterricht bereits beobachtet hat und somit zutreffender die Leistungen seines Schülers im Fragebogen einschätzen wird. 3 Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungs- ergebnisse Qualitative Empirie erhält ihr Leben durch möglichst präzise Beschreibungen von Fällen. Daher werden in diesem Kapitel aus der gesamten Versuchsgruppe des HBMD-Projektes drei ausgewählte Lehrerinnen als Einzelfälle vorgestellt und analysiert. Um eine Vergleichbarkeit zwischen den verschiedenen Personen, ihren unterschiedlichen Hintergründen und dem damit zusammenhängenden Veränderungsprozess zu erleichtern, folgen die drei Fallstudien folgendem Schema: Zuerst wird die Schule, an der die Lehrerin tätig ist und anschließend sie selbst biographisch kurz vorgestellt. Danach wird der Mathematikunterricht der jeweiligen Lehrerin anhand der Angaben in den Lehrer-Fragebögen und der Aussagen in den Lehrer-Interviews charakterisiert. Im Weiteren wird das erste und abschließende Lehrer-Interview in seinen aufgetretenen Kategorien betrachtet. Nach jeder ausgewerteten Kategorie erscheint eine Zusammenfassung und am Ende der Interpretation eines gesamten Lehrer-Interviews. Diesen Auswertungen schließt sich die Kohärenzentwicklung in den Lehrer-Fragebögen der Lehrerin an. Betrachtet wird hierbei die Veränderung der Einschätzung der Schülerleistungen anhand der Lehrer-Fragebögen, aber auch mit Hilfe der Schüler-Interviews und Lehrer- Interviews. Abschließend werden die Auswertungen der beiden Lehrer-Interviews anhand der Kategorien verglichen, um eine mögliche Entwicklung der Lehrerin aufzuzeigen. Es werden vor allem die Elemente hervorgehoben, die sich auf die Schülereinschätzung und die Unterrichts- unterstützung beziehen. Am Ende steht jeweils eine kurze Zusammenfassung der Ver- änderungsprozesse und ihrer Erklärungsversuche bezogen auf die Forschungsfragen dieser Untersuchung. 3.1 Kategorien am Leitinterview der Lehrerin LS durch Grounded Theory erarbeitet Ihre Fallstudie steht zu Beginn, da sich bei ihr die stärksten Veränderungen durch das Führen der Schüler-Interviews aufzeigen lassen. Ihre Einstellungsveränderung oder ihr Perspektiven- wechsel auf das Unterrichten von Mathematik vollzieht sich gleichzeitig zur Teilnahme am HBMD. An ihr lassen sich grundlegende Veränderungen in Bezug auf mathematikdidaktische Sichtweisen und ihre Einschätzung der Schüler aufzeigen. Belege hierfür werden im Weiteren angeführt und werden vor allem in Kategorie II.2 „Unterstützung des eigenen Unterrichts“ deutlich. LS ist die einzige der drei Fallstudien Lehrerinnen, die Mathematik nicht als Fach studiert hat und sich ausschließlich auf ihre eigenen Erfahrungen beruft. Vorgehensweise bei der Auswertung des Leitinterviews der Lehrerin LS Wie in Kapitel 2.4 ausgeführt, wurde das Lehrer-Interview kodiert und aus den Kodes die Kategorien herausgearbeitet. Beim Leitinterview kommt eine Besonderheit bei der Analyse hinzu. Um einen genaueren Einblick in die Vorgehensweise zu geben, wird der Beginn des ersten Lehrer-Interviews mit LS detailliert analysiert. Die Aussagen von LS auf die Eingangsfrage: „Was möchten Sie spontan zum Schüler-Interview äußern?“ werden betrachtet. Es besteht die Vermutung, dass sich durch die Analyse dieser ersten Äußerungen zeigt, dass die Lehrerin LS von sich aus den Nutzen des Schüler-Interviews und ihre Einstellung dazu anspricht. In dieser ersten Sequenz werden LS keine Themen implizit vorgegeben. Daher Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 62 könnte der Beginn des Lehrer-Interviews den aussagekräftigsten Teil des Lehrer-Interviews bilden. Getreu dem Zitat von Hermann Hesse „Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“. Übersicht über alle aufgetretenen Kategorien im ersten Lehrer-Interview mit der Lehrerin LS I. Bewertungen des Schüler-Interviews als Instrument durch die Lehrer I.1 Inhalt I.1.1 Stoff I.1.2 Art des Interviews (Bildungsstandards, Vergleichsarbeiten) I.1.3 Layout I.1.4 Materialkritik I.2 Organisatorische Probleme I.2.1 Interviewführung I.2.2 zeitliche Aspekte I.3 Emotionale Aspekte I.3.1 Lehrerin I.3.2 Schüler I.4 Ausführende I.4.1 Interviewer II. Unterrichtsunterstützung II.1. Förderunterstützung bei den befragten Schülern II.1.1 Lehrer und das einzelne Kind II.1.2 Wissen über das einzelne Kind II.1.3 Förderung II.1.4 Einstellung des Kindes II.1.5 Rückmeldung II.2. Unterstützung des eigenen Unterrichts II.2.1 Handlungsideen aus dem Interview II.2.2 Sicht auf Unterricht/Veränderung des Unterrichts II.2.3 Lernstandsbestimmung, Leistungseinschätzung der Schüler II.3. Unterstützung der Schulentwicklung II.3.1 Vorstellung in der Konferenz bzw. den Kollegen II.3.2 Rückmeldung an Kollegen II.3.3 Fördergruppen für Schüler II.3.4 Lehrer als Vertreter/Multiplikator des Interviews III. Schulsituation III.1 Förderung in der Schule III.2 Mathematikunterricht in der Schule III.3 Kooperation mit Kollegen IV. Kooperationspartner im Rahmen des Projektes IV.1 Kooperation mit der Universität IV.1.1 Bereitstellung der studentische Assistenten IV.1.2 HBMD-Treffen V. Neue Ausbildungsmodelle V.1 studentische Assistenten V.1.1 stud. Ass. als Unterstützer V.2 Referendare VI. Elternarbeit VI.1 Leistungsstandmeldung an die Eltern VI.2 Einbindung der Eltern (Verantwortung an Eltern delegieren)/Förderung zu Hause VI.3 Interesse der Eltern an Schule Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 63 3.2 Fallstudien – drei Lehrerinnen – „Fachfremd“, Nebenfach, Wahlfach „Die Auswahl der genauer zu untersuchenden Lehrer-Fälle war […] am Verfahren der maximalen Kontrastierung der Fälle orientiert:“ Lehrer aller drei Profile der Mathematikausbildung, Anfänger und erfahrene Lehrer im Unterrichten, sowie aus drei verschiedenen Schulen, bilden die Untersuchungsgruppe (vgl. Herzmann 2001, S. 76/77). Fallbezogen, anhand dreier Fälle, soll herausgearbeitet werden, inwiefern die Lehrer das Schüler-Interview als nützlich ansehen. 3.2.1 Lehrerin LS an Schule A – fachfremd Schule A befindet sich im Kreis Kassel und ist mit ca. 300 Schülern die größte der drei näher beschriebenen Schulen. 14 Lehrer sind an dieser Schule tätig, davon unterrichten zehn Mathematik. Vier haben Mathematik studiert, die anderen sechs unterrichten Mathematik fachfremd, d. h. 60% der Mathematik unterrichtenden Lehrkräfte an dieser Schule haben das Fach nicht studiert. 3.2.1.1 Biographische Bemerkungen zur Lehrerin LS Die Grundschullehrerin LS ist zu Beginn der Untersuchung im Sommer 2003, 54 Jahre alt, und Konrektorin an Schule A. Seit 26 Jahren unterrichtet sie als Grundschullehrerin. Sie hat für das Lehramt an Hauptschulen die Fächer Sport und Erdkunde (1LS, 31.48) studiert. Ihr Referendariat absolvierte sie in der Grundschule. Mathematik unterrichtet sie fachfremd. Dabei bezieht sie sich auf ihre eigenen Unterrichtserfahrungen. Im abschließenden Lehrer- Interview erwähnt sie Fachleiterin für Mathematik an Schule A zu sein. LS berichtet im ersten Lehrer-Interview, dass Mathematik in ihrer Schulzeit für sie ein Fach war, „was mich sehr interessiert hat und [das ich] auch gerne gemacht habe“ (1LS, 32.01). Außerdem hat sie nach eigenen Angaben „viele Weiterbildungen in Mathematik gemacht“, und zum Unterrichten ist Mathematik ihr „Lieblingsfach“ (1LS, 32.01). Auf die Frage nach ihrem persönlichen Hintergrundwissen in Mathematik liefert sie keine klare Aussage. Sie lenkt von ihren Kenntnissen ab. Indirekt weist sie auf persönliche inhaltliche Lücken im Bereich der Geometrie hin. Sie berichtet, dass sie „unheimlich gerne“ (1LS, 32.55) Geometrie betreibt ihr aber das inhaltliche Wissen fehlt. „Das weiß ich einfach nicht“ (1LS, 32.55). Sie ist der Meinung, dass ihr Hintergrundwissen in Mathematik „wahrscheinlich nicht ausreichen [würde], wenn [sie] jetzt hier ein Examen machen müsste“ (1LS, 33.35). Im Bereich der Mathematikdidaktik könnte sie es sich vorstellen, aber nicht in der Fachwissenschaft Mathematik. LS scheint von ihren mathematikdidaktischen Kenntnissen überzeugt zu sein. Dies hängt wahrscheinlich mit den Fortbildungen zusammen, die sie in Mathematik besucht hat. LS betreut im Schuljahr 2003/2004 eine Referendarin mit den Fächern Deutsch und Sachunterricht. Teilweise führt die Referendarin eigenverantwortlichen Unterricht durch, während LS Schüler interviewt. Dadurch nimmt die Referendarin eine stark unterstützende Rolle ein. Im Schuljahr 2003/2004, während der Erprobungsphase der Untersuchung, erteilt LS Mathematikunterricht in den Klassenstufen 2 und 4. Die Jahrgangsstufen 1 und 2 hat sie siebenmal unterrichtet. Alle von ihr geführten Schüler-Interviews fanden mit Schüler aus ihrer eigenen zweiten Klasse statt. Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 64 3.2.1.2 Mathematikunterricht der Lehrerin LS LS beschreibt im ersten Lehrer-Interview unaufgefordert, dass nicht nur ihr Mathematikunterricht, sondern auch andere Fächer, viele Elemente „freier Arbeit“ enthalten. Sie spricht von offenem Unterricht, Wochenplanarbeit und Tagesplanarbeit. Dieser Unter- richtsstil biete ihr „die Möglichkeit mir dann Kinder mal einzeln vorzunehmen“ (1LS, 20.38). Sie setzt dazu viele Materialien ein. Durch das Führen der Schüler-Interviews wird das Unterrichtsverhalten von ihr gestärkt. Die Differenzierung, die sie bereits vor den Schüler- Interviews ausführte, nimmt sie bewusster wahr. Durch das Moment der Bewusstheit verstärkt sie ihr Unterrichtswirken von der Differenzierung hin zur Individualisierung, die ihr durch die Möglichkeit der Reflexion mit Hilfe der Schüler-Interviews klar wurde. Nach Selter (1995, S. 116) bedeutet „Bewußtheit zu entwickeln: Die Lehrerinnen sollen lernen, über Lehr- /Lernprozesse produktiv zu reflektieren“. Diese produktive Reflektion über die Schüler- Interviews ist in der Aussage von LS nachzuvollziehen. Im abschließenden Lehrer-Interview betont LS, dass sie „nicht buchgläubig“ (2LS, 39.44) sei. Dabei geht sie davon aus, dass angenommen wird, fachfremde Lehrer würden sich ausschließlich am Lehrbuch bei ihrem Mathematikunterricht orientieren. Von dieser Meinung will sie sich distanzieren und weist darauf hin, dass sie kaum mit dem Mathematikbuch arbeitet, weil „die für mich nicht immer logisch […] aufbereitet sind“ (2LS, 39.44). Sie ist sich so sicher in ihrem Tun, dass sie sich vom vorgegebenen Weg des Lehrbuches lösen kann. Bei einer Fortbildung stellt sie fest, dass manche Lehrer, die Mathematik studiert haben, eine andere Herangehensweise an mathematische Aufgaben besitzen als sie. Dies verunsichert sie anscheinend ein wenig, aber gerade deswegen sieht sie das Schüler-Interview als eine große Hilfe an. 3.2.1.3 Kohärenzentwicklung in den Lehrer-Fragebögen der Lehrerin LS Die fachfremde Lehrerin LS hat im Zeitraum von November 2003 bis Juni 2004 insgesamt neun Schüler davon zwei Schülerinnen und sieben Schüler, ihrer eigenen zweiten Klasse interviewt. Zu sieben der neun Schüler-Interviews existieren Lehrer-Fragebögen. Bei dem ersten Schüler existiert kein Lehrer-Fragebogen, da LS das Schüler-Interview nur ausprobieren wollte und bei einem anderen konnte sie aus Zeitgründen keinen Lehrer- Fragebogen ausfüllen. Einschätzung der allgemein schulischen/mathematischen Leistungen der Schüler LS befragt insgesamt neun Schüler. Davon hält sie sieben Schüler in allen Fächern für leistungsstark. Sie charakterisiert sie als fleißig und als Schüler, die „zusätzliche Aufgaben in Quantität und Qualität“ (Lehrer-Fragebogen Robin) fordern. Speziell in Mathematik liegen ihre Leistungen über dem Klassendurchschnitt. Sie erfassen neue Lerninhalte und mathe- matische Zusammenhänge schnell. Die Leistungen zweier Schüler sind ihrer Meinung nach leistungsschwach. Sie bezieht sich dabei nicht nur auf Mathematik, sondern auf alle Fächer. Sie erfassen neue Lerninhalte nur langsam und machen bei einfachen Aufgabenstellungen Fehler. Gründe für die Auswahl der Schüler Die Gründe zur Auswahl der Schüler können in drei Gruppen unterteilt werden. Zwei Schüler empfindet sie als interessiert und motiviert und möchte sie deshalb befragen. Bei zwei Schülerinnen und zwei Schülern erhält sie im Unterricht kaum Informationen über ihren Leistungsstand, da sie sich wenig am Unterricht beteiligen. Sie kann ihre Leistungen schwer einschätzen und interviewt die Kinder aus diesem Grund. Diese Schüler sind zumeist introvertiert, zurückhaltend, still und ruhig. Die Schülerin Majken „verhält sich eher Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 65 abwartend und hat auch Angst Fehler zu machen“ (Lehrer-Fragebogen Majken) trotz ihres hohen Leistungsvermögens. Laut LS scheint die Schülerin Sinette im Unterricht „fast nur ‚körperlich anwesend’“ (Lehrer-Fragebogen Sinette) zu sein und hat außerdem aufgrund ihrer ausländischen Herkunft sprachliche (Verstehens-) Probleme. Zwei dieser vier Schüler könnten als „stille Leistungsträger“ bezeichnet werden, deren Leistungen durch ihr zurückhaltendes Verhalten leicht unterschätzt wird. LS gibt für die letzten drei befragten Schüler an, dass keine spezifische Auswahl vorgenommen wurde, da sie alle Schüler ihrer Klasse interviewen will. Erwartungen an die Durchführung des Schüler-Interviews Die Gründe, wieso sie mit den Schülern die Interviews geführt hat, erwachsen laut ihrer Aussagen aus dem Interesse die leistungsstarken und -schwachen Kinder gezielter fördern zu können und ihren genauen Wissenstand zu erheben. In den Lehrer-Fragebögen der Leistungsstarken, hier exemplarisch im Lehrer-Fragebogen zu Robin, schreibt LS, dass sie sich „mit diesem Interview (in seiner Komplexität) […] einen detaillierten Überblick über seinen Wissensstand zu verschaffen“ (Lehrer-Fragebogen Robin) erhofft, um ihn nicht zu unterfordern und ihn gezielter zu fördern. Teilweise möchte sie die Leistungen der befragten Kinder untereinander vergleichen. Bei den leistungsschwachen Kindern dient ihr das Schüler-Interview vor allem als Hilfe „bei der Entscheidungsfindung“ für eine freiwillige Rücknahme von Sinette (Lehrer-Fragebogen Sinette) und eine Einschätzung vor einer „event. Überprüfung auf sonderpäd. Förderung“ von Emanuel (Lehrer-Fragebogen Emanuel). Bemerkungen zu den ausgefüllten Lehrer-Fragebögen von LS Wie in den Lehrer-Interviews festgestellt, verwendet LS auch beim Ausfüllen der Lehrer- Fragebögen kein mathematikdidaktisches Fachvokabular. Sie umschreibt die Schwierigkeiten der Schüler und gibt einzelne Phänomene an. Vielleicht hat sie Probleme aufgrund der fehlenden Mathematiklehrerausbildung die Schwierigkeiten der Schüler in Bezug zu mathematikdidaktischen Erkenntnissen, wie sich das Lernen der Mathematik bei Kindern vollzieht, zu setzen. Im Bereich Arithmetik reicht bei fast allen Kindern der Platz im Fragebogen für die Einschätzungen kaum aus. Ihre Anmerkungen im Bereich Anwendungen sind im Vergleich zur Arithmetik kürzer. Im Bereich Geometrie notiert sie meist nur ‚kann er lösen’ oder ‚?’. Es entsteht der Eindruck, als könne LS keine differenzierten Vermutungen für die Leistungen der Kinder in den Bereichen Anwendungen und Geometrie liefern, da sie vermutlich diese nicht so intensiv in ihrem Unterricht behandelt. Im abschließenden Lehrer-Interview bemerkt LS, dass sie Geometrie in ihrem Mathematikunterricht vernachlässigt hat. Zur Entwicklung der inhaltlichen Einschätzungen in den Lehrer-Fragebögen von LS Ab dem vierten geführten Schüler-Interview verwendet sie im Lehrer-Fragebogen Begriffe aus dem Schüler-Interview, wie „unter Verwendung unterschiedlicher Strategien“ (LS: Lehrer-Fragebogen Marvin). Es scheint als versuche LS in den Lehrer-Fragebögen stärker Hypothesen als Tatsachen zu formulieren. Zwischen den Vermutungen und den Ergebnissen treten ab dem sechsten geführten Schüler-Interview in den drei Bereichen Arithmetik, Anwendungen und Geometrie kaum Differenzen auf. LS bezieht bei der Begründung ihrer Einschätzungen auch Informationen aus dem Unterricht mit ein, greift auf ihr unterrichtliches Vorgehen in Mathematik zurück oder stellt Vergleiche zu anderen befragten Schülern her. Bei den beiden zuletzt befragten Schülern unterscheiden sich ihre Vermutungen von den Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 66 Ergebnissen nur in einem Teilbereich (Zeit). Entweder kann LS ihre Schüler nach sieben geführten Schüler-Interviews gut einschätzen oder sie fragt nur ihre Erwartungen ab. Vergleich der Lehrer-Einschätzungen mit den Schüler-Interview-Ergebnissen Anhand der Ergebnisse der Schüler-Interviews kann festgestellt werden, dass sieben Schüler, eine Schülerin und sechs Schüler, mittlere bis hohe Ausprägungsgrade und zwei Schüler, eine Schülerin und ein Schüler, niedrige Ausprägungsgrade erreichen. Die Ergebnisse der Schüler- Interviews decken sich mit den Voraussagen von LS in den Lehrer-Fragebögen, ob die Schüler leistungsstark oder leistungsschwach sind. Auffallend ist, dass sie schwerpunktmäßig männliche und leistungsstarke Schüler befragt. Vermutlich verlangen die männlichen Schüler größere Aufmerksamkeit von LS im Unterricht als die Schülerinnen. Bei den leistungsstarken Schülern ist LS sich möglicherweise unsicher, wie sie mit ihren Fähigkeiten umgehen soll. Dies liegt vielleicht daran, dass LS nicht das Fach Mathematik studiert hat. Beim Vergleich der Voraussagen in den Lehrer-Fragebögen mit den Ergebnissen der Schüler- Interviews fällt auf, dass LS alle ihre Schüler im Bereich Arithmetik (sehr) gut einschätzen kann, d.h. ihre Voraussagen stimmen bis auf geringe Abweichungen mit den Ergebnissen überein. Nur ihren zweiten interviewten Schüler überschätzt sie im Bereich Arithmetik. Dass sie die Leistungen ihrer Schüler sicher im Bereich Arithmetik einordnen kann, hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass darauf ein Schwerpunkt ihres Unterrichts liegt. Dagegen treten bei den Bereichen Anwendungen und Geometrie teilweise Differenzen zwischen ihrer Einschätzung und dem Können der Kinder auf. Diese werden aber immer geringer. Vermutlich haben die Ergebnisse der Schüler-Interviews bei ihr eine stärkere Beachtung der Bereiche Anwendungen und Geometrie in ihrem Unterricht bewirkt. 3.2.1.4 Auswertung des ersten Lehrer-Interviews mit der Lehrerin LS Das erste Lehrer-Interview mit LS fand im Dezember 2003 nach 4 Monaten Erprobung statt. Dazu kam LS am 16.12.03 von 13.30 bis 14.15 Uhr in die Universität Kassel, um mit der Forscherin das Gespräch zu führen. Sie zeigte sich sehr interessiert an den Materialien, die sie dort vorfand. Vor und nach dem aufgenommenen Interview wurde über mathematik- didaktische Ideen diskutiert. Einige Bemerkungen im Lehrer-Interview sind darauf zurück- zuführen, dass das Gespräch in der Universität stattfand. Anfang Dezember fand ein Arbeitstreffen mit den beteiligten Lehrern statt, bei dem ein von LS geführtes Schüler-Interview diskutiert wurde. LS war aufgrund von Krankheit bei diesem Arbeitstreffen nicht anwesend und kann somit von diesem Arbeitstreffen nicht beeinflusst worden sein. Da die Antworten von LS auf die Frage „Was sie spontan zum Schüler-Interview äußern möchte?“ als zentral angesehen werden, wird dieser Abschnitt sehr ausführlich im Folgenden analysiert. Im Weiteren soll jede Kategorie zuerst einzeln und am Ende in Bezug auf den Kompetenzzuwachs von LS betrachtet werden. Um das erste Lehrer-Interview von LS in den Untersuchungsverlauf einordnen zu können, wird angegeben, wie viele Schüler-Interviews und dazugehörige Lehrer-Fragebögen sie bis dahin ausgefüllt hat. LS hat zuvor mit zwei leistungsstarken Schülern (Dennis, Robin) und einer leistungsschwachen Schülerin (Sinette) ein Schüler-Interview geführt. Beim ersten Arbeitstreffen wurde den Lehrern empfohlen ihr erstes Schüler-Interview mit einem leistungsstarken und kooperationsbereiten Kind zu führen. LS wählte deshalb Dennis aus, der leistungsstark ist und sich gern mit Erwachsenen umgibt. Da das Schüler-Interview mit Dennis für sie eine Probe war, füllte sie keinen Lehrer-Fragebogen für ihn aus. Sie wollte sich in der Interviewführung versuchen bevor die Schüler-Interviews videodokumentiert wurden. Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 67 Übersicht der bis dahin geführten Schüler-Interviews und dazugehörigen Lehrer- Fragebögen Name des Kindes Lehrer-Fragebogen Schüler-Interview Dennis - 05.11.03 Robin 12.11.03 12.11.03 Sinette 19.11.03 19.11.03 Erstes Lehrer-Interview mit LS 16.12.03 Wie zu erkennen ist, führte LS jede Woche ein Schüler-Interview. Nach einer Pause von ca. vier Wochen fand am 16.12.03 das erste Lehrer-Interview mit ihr statt. Überblick über den Inhalt des ersten Lehrer-Interviews mit LS in Form eines Episodenplans mit eingefügter Zusammenfassung der Antworten der Lehrerin LS 00.00-00.47 Einführung: Anlass des Gespräches Episode 1 00.47-01.55 Spontane Äußerung zum Schüler-Interview Sehr skeptisch, selbst nervös, Interviewleitfaden gut durchgearbeitet, nervös, wie reagiert Schüler Episode 2 01.55-02.40 1.Schüler Dennis unglaublich überrascht, wie weit der Schüler in den einzelnen mathe- matischen Teilbereichen gekommen ist, als stark eingestuft, kein Lehrer- Fragebogen ausgefüllt, relativ weit gekommen Episode 3 02.40-03.27 Gedanken zu Dennis und Robin Was kann ich für die beiden tun? Episode 4 03.27-06.46 Fazit aus dem Interview Feedback für die Lehrerin, fehlt stofflich etwas, Kenntnis des genauen Lernstandes der Kinder, was mache ich jetzt mit diesen Kindern, individualisiere ich fast den Unterricht, Konsequenzen aus den Interviews, Konkurrenzdenken der Eltern bei der Weiterarbeit, Lehrerin trifft Auswahl der Kinder, Interview in Konferenz vorgestellt Episode 5 06.46-10.13 Schüler und ihre math. Leistung (Robin, Sinette) Kinder wissen mehr im math. Bereich als wir sehen können, erst durch das Interview herausgekriegt, was dahinter steckt Episode 6 10.13-15.47 Eindrücke von Dennis beim Interview und allgemein Autistische Züge, große motorische Störungen Episode 7 15.47-17.46 Ansatzpunkte zur Förderung der interviewten Kinder Förderung unterschiedlicher Rechenstrategien Episode 8 17.46-19.13 Förderung schwacher und starker Rechner mit der ½ h Mehrarbeit ab 01.01.04 Episode 9 19.13-21.16 Handlungsideen aus dem Interview für den Unterricht Permanente Wiegestation, freie Arbeit, dadurch Zeit sich um einzelne Kinder zu kümmern, Episode 10 21.16-25.03 Bewertung des Schüler-Interviews Alleine nicht durchführbar, Interview sehr lang, Durchführung des Inter- views nach dem Unterricht möglich, sollte aber in Unterrichtszeit integriert werden, Kinder genauer einschätzen, Konsequenzen für meinen Unterricht, möchte nicht auf das Interview verzichten, alle Schüler ihrer Klasse inter- viewen Episode 11 25.03-31.40 Rückmeldung über das Interview An Schüler, Eltern, Vorstellung in der letzten Gesamtkonferenz, Vorführung des Masseteils mit einem Schüler ihrer Klasse, Multiplikator für das Kollegium, Leistungen von Kindern in der 1.Klasse?, befragte Kinder erzählen den Mitschülern über das Interview Episode 12 31.40-34.12 Infos über die Lehrerin Mathematik fachfremd, viele Weiterbildungen in Mathematik, Lieblingsfach in der Schule (jetzt), anregende Ideen für Geometrie in unserem Bereich, Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 68 Episode 13 34.12-39.30 Einbettung des Interviews in den Schulalltag In Unterrichtszeit selbst nicht einbettbar, bei Kooperation mit Uni vielleicht möglich, math. Bereich wird bei Förderung oft vernachlässigt, meist nur reproduzieren, Lernwerkstatt, Kollegen euphorisch vom Interview berichtet, weil sie so erstaunt war, was in den Kindern so drinsteckt, Bedürfnis dies den anderen Kollegen mitzuteilen, lohnt sich durchzuführen nicht nur für mich, sondern für alle, studentische Assistenten Auswertung der Anfangssequenz des ersten Lehrer-Interviews mit der Lehrerin LS Im ersten Lehrer-Interview mit der Lehrerin LS beginnt der Abschnitt zu spontanen Äußerungen zum Schüler-Interview mit der Frage: „Was möchten Sie spontan zum Schüler- Interview oder den Schüler-Interviews sagen?“ Ungefähr 6 min lang antwortet LS auf diese Frage. Die Gesamtlänge des ersten Lehrer-Interviews mit LS beträgt 39.30 min. Im Folgenden wird die Anfangssequenz des ersten Lehrer-Interviews mit LS ausführlich mit Hilfe der Kategorien analysiert und interpretiert. Inhaltsangabe der ersten Sequenz Auf die Frage was LS spontan zum Schüler-Interview äußern möchte, erbittet sie sich Bedenkzeit, die sie nicht nutzt. Sie berichtet von ihrer Skepsis und Nervosität vor dem Führen des ersten Schüler-Interviews. Dazu hat sie das Schüler-Interview „genau durchgearbeitet“ und findet sich im Interviewleitfaden aufgrund dessen, ihrer Meinung nach, unübersichtlichen Layout nicht zurecht. Deshalb markiert sie den Interviewleitfaden farblich, unterschieden in Sprechtext und Handlungsanweisungen. Sie ist nervös, wie der Schüler im ersten Schüler- Interview reagiert und berichtet, dass er ihre Erwartungen übertroffen hat. Für ihn hat sie keinen Lehrer-Fragebogen ausgefüllt. Sie weiß, dass er leistungsstark ist, aber diese Ausmaße hat sie bei ihm nicht erwartet. Nach dem zweiten Schüler-Interview mit einem leistungsstarken Schüler ist sie der Meinung, dass sie ihren Unterricht umstellen muss. Die beiden Schüler seien mit dem Stoff des zweiten Schuljahres unterfordert, obwohl bei ihnen in Lernkontrollen Flüchtigkeitsfehler auftreten. Das Schüler-Interview hat ihr ein „Feedback“ gegeben, welche mathematischen Bereiche sie im Unterricht noch nicht thematisiert hat. Sie fragt sich, wie sie mit den Kindern weiterarbeiten soll, wenn sie ihren Lernstand genau kennt. Bisher hat sie differenziert und sie will jetzt individualisieren. Ferner berichtet sie, dass die Eltern eine ungerechte Behandlung der Schüler bei der Weiterarbeit vermuten. Sie will aus den Schüler-Interviews Konsequenzen ziehen, da sonst die Durchführung der Schüler-Interviews für sie keinen Sinn macht. Alle Eltern sind der Meinung, dass sie ihr Kind interviewen soll. Sie erklärt den Eltern, dass sie die Schüler auswählt, aber versuchen will, sofern dies zeitlich möglich ist, alle Schüler der Klasse zu interviewen. In der Konferenz hat sie das Schüler-Interview vorgestellt und wurde dort auch von Eltern ihrer Klasse gefragt, wieso sie ihr Kind nicht interviewt hat. Sie überlegt eine Kollegin in die Schüler-Interviews einzubeziehen, um nicht im Mittelpunkt bei den Eltern zu stehen. Angabe der Kategorien in der Übersicht Zeit Zusammenfassung Kat. 00.54 Skepsis und Nervosität vor dem 1.Schüler-Interview I.3.1 00.54 undeutliches Layout des Schüler-Interviews I.1.3 01.24 Bedenken vor der Reaktion des Schülers im Schüler-Interview I.3.1 01.55 Überraschung über die hohen Leistungen des Schülers II.1.1 01.55 Schüler übertrifft ihre hohen Erwartungen II.1.1 02.20 leistungsstarkes Kind D. mit autistischen Zügen II.1.1 02.40 Umstellen des Unterrichts aufgrund der Interviewergebnisse II.2.2 Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 69 02.40 Unterforderung von D./R. mit Stoff des 2.Schuljahres II.1.2 02.40 D./R. machen Flüchtigkeitsfehler in Lernkontrollen II.1.2 03.27 Umgang mit den Kindern, wenn genauer Lernstand bekannt ist II.1.2 03.27 Feedback durch Schüler-Interview über fehlende Behandlung von bestimmten Bereichen im Unterricht II.2.2 03.27 Änderung des Unterrichtsstils: starke Differenzierung, jetzt fast Individualisierung im Unterricht II.2.2 04.42 Widerstände bei den Eltern, vermuten ungerechte Behandlung der Kinder VI.3 04.57 aus Interviewergebnissen Konsequenzen ziehen II.2.2 05.22 Konkurrenzdenken der Eltern, jedes, vor allem ihr Kind, soll interviewt werden, max. Förderung für jeden VI.3 05.43 Lehrerin trifft Auswahl der zu interviewenden Kinder II.1.1 05.43 will alle Kinder versuchen zu interviewen I.2.2 06.03 Interview in der Konferenz vorgestellt II.3.1 06.03 Eltern fordern Begründungen von LS für Auswahl der Kinder VI.3 06.03 LS will Verantwortung für Schüler-Interview auf sich und Kollegen verteilen II.3.4 Bei der Durchsicht der oben angegeben Kategorien fällt auf, dass LS die Kategorien I „Bewertungen des Schüler-Interviews als Instrument durch die Lehrer“, II „Unterrichtsunter- stützung“ und VI „Elternarbeit“ anspricht. Kategorie I „Bewertungen des Schüler-Interviews als Instrument durch die Lehrer“ 00.54 undeutliches Layout des Schüler-Interviews I.1.3 00.54/1 Skepsis und Nervosität vor dem 1.Schüler-Interview I.3.1 01.24 Bedenken vor der Reaktion des Schülers im Schüler-Interview I.3.1 05.43 will alle Kinder versuchen zu interviewen I.2.2 In der Kategorie I äußert sie sich zu den Aspekten Inhalt, speziell dem Layout, organisatorische Probleme, dabei dem zeitlichen Aspekt, und emotionale Aspekte ihrer eigenen Person als Lehrerin. Im Weiteren werden nur die beiden Punkte organisatorische Probleme und emotionale Aspekte betrachtet, da diese zur Beantwortung der Forschungs- fragen beitragen. Subkategorie I.3 „Emotionale Aspekte“ LS berichtet zu Beginn des ersten Lehrer-Interviews auf die Frage, was sie spontan zum Schüler-Interview äußern möchte, über ihre eigenen emotionalen Aspekte beim Führen des ersten Schüler-Interviews. Dabei drückt sie ihre emotionalen Bedenken vor dem Führen des ersten Schüler-Interviews aus: „Ich war sehr skeptisch, was auf mich zukommt, was auf die Schüler zukommt. Ich habe, ich war bei dem ersten Interview also selber etwas nervös, …“ (1LS, 00.54). Sie äußert zuerst ihre eigenen Ängste, dass sie nicht wisse mit welchen Problemen sie im Schüler-Interview konfrontiert werden könnte. An zweiter Stelle spricht LS über die Schüler. Dabei scheint es als habe sie Bedenken etwas falsch zu machen, was durch ihre Bemerkungen unterstützt werden kann, dass sie den Schüler-Interviewleitfaden „stark durchgearbeitet“ (1LS, 00.54 und 01.24) und „markiert“ (1LS, 01.24) hat. Worin ihre Angst oder Unsicherheit begründet liegt, kann nicht gesagt werden, aber es könnte mit ihrem eigenen Anspruch an sich selbst, mit einem starken Verantwortungsbewusstsein gegenüber ihren Schülern oder an der Unbekannheit dieses Diagnoseinstrumentes in Form des Schüler-Interviews liegen. Des Weiteren hofft sie mit den Schülerreaktionen im Schüler-Interview umgehen zu können: „wie der Schüler drauf reagiert oder wie weit kommt der jetzt in diesen einzelnen Phasen und oder wenn der jetzt auch zum Beispiel sagt, ich glaub du spinnst ich hab jetzt keine Lust mehr ich mach jetzt nicht mehr, wie ich dann reagiere“ (1LS, 01.24). Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 70 Vielleicht steht LS dem Schüler-Interview zunächst skeptisch gegenüber, da sie ein hohes Verantwortungsbewusstsein den Schülern gegenüber besitzt oder sie hat Angst nicht adäquat auf den jeweiligen Schüler im Schüler-Interview reagieren zu können. Anscheinend sind all ihre Bedenken nach dem Führen des ersten Schüler-Interviews verringert oder gar aufgelöst, da laut LS das Schüler-Interview „ganz gut gelaufen“ (1LS, 01.55) ist. Subkategorie I.2 „Organisatorische Probleme“ Unter dem Gesichtspunkt der Zeit berichtet LS, dass sie versuchen will ihre gesamte Klasse zu interviewen. Es scheint als wäre das Schüler-Interview für sie erkenntnisreich gewesen, so dass sie dieses Wissen auch bei den restlichen Schülern ihrer Klasse gewinnen will. Sie spricht von „versuchen“, da sie den zeitlichen Aspekt, das Schüler-Interview mit allen Schülern ihrer Klasse durchzuführen, als problematisch ansieht. Fazit zu Kategorie I „Bewertungen des Schüler-Interviews als Instrument durch die Lehrer“ LS ist sich vor dem Führen des ersten Schüler-Interviews unsicher. Zeitliche Probleme sieht sie, falls sie ihre ganze Klasse interviewen will. Kategorie II „Unterrichtsunterstützung“ 01.55 Überraschung über die hohen Leistungen des Schülers II.1.1 01.55 Schüler übertrifft ihre hohen Erwartungen II.1.1 02.20 leistungsstarkes Kind D. mit autistischen Zügen II.1.1 02.40 Unterforderung von D./R. mit Stoff des 2.Schuljahres II.1.2 02.40 D./R. machen Flüchtigkeitsfehler in Lernkontrollen II.1.2 02.40 Umstellen des Unterrichts aufgrund der Interviewergebnisse II.2.2 03.27 Umgang mit den Kindern, wenn genauer Lernstand bekannt ist II.1.2 03.27 Feedback durch Schüler-Interview über fehlende Behandlung von bestimmten Bereichen im Unterricht II.2.2 03.27 Änderung des Unterrichtsstils: starke Differenzierung, jetzt fast Individualisierung im Unterricht II.2.2 04.57 aus Interviewergebnissen Konsequenzen ziehen II.2.2 05.43 Lehrerin trifft Auswahl der zu interviewenden Kinder II.1.1 06.03 Interview in der Konferenz vorgestellt II.3.1 06.03 LS will Verantwortung für Schüler-Interview auf sich und Kollegen verteilen II.3.4 Zur Unterrichtsunterstützung (Kategorie II) liefert LS Aussagen zu allen drei Subkategorien II.1 „Förderunterstützung bei den befragten Schülern“, II.2 „Unterstützung des eigenen Unterrichts“ und II.3 „Unterstützung der Schulentwicklung“. Kategorie II.1 „Förderunterstützung bei den befragten Schülern“ 01.55 Überraschung über die hohen Leistungen des Schülers II.1.1 01.55 Schüler übertrifft ihre hohen Erwartungen II.1.1 02.20 leistungsstarkes Kind D. mit autistischen Zügen II.1.1 02.40 Unterforderung von D./R. mit Stoff des 2.Schuljahres II.1.2 02.40 D./R. machen Flüchtigkeitsfehler in Lernkontrollen II.1.2 03.27 Umgang mit den Kindern, wenn genauer Lernstand bekannt ist II.1.2 05.43 Lehrerin trifft Auswahl der zu interviewenden Kinder II.1.1 Subkategorie II.1.1 „Lehrer und das einzelne Kind“ Ihre Ausführungen beziehen sich in II.1 „Förderunterstützung bei den befragten Schülern“ auf das Verhältnis zwischen ihr und dem befragten Kind und dem Wissen über das einzelne Kind. Sie spricht ausschließlich von den beiden zuerst befragten Schülern. In den ersten Minuten des ersten Lehrer-Interviews drückt LS ihr Erstaunen über das Können des ersten Schülers Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 71 aus: „Ich war unglaublich überrascht, wie weit der Schüler in den einzelnen Bereichen gekommen ist. Ich hab ihn zwar als stark eingestuft, aber das habe ich einfach nicht erwartet“ (1LS, 01.55). In ihrer Bemerkung bringt sie ihre Überraschung über das Abschneiden des Jungen zum Ausdruck, obwohl sie ihn als leistungsstark einschätzt. Da zu diesem Schüler- Interview kein Lehrer-Fragebogen vorliegt, kann nur vermutet werden, dass sie ihre Voreinschätzung nach Durchführen des Schüler-Interviews revidieren muss. Subkategorie II.1.2 „Wissen über das einzelne Kind“ Aus den Ergebnissen der Schüler-Interviews leitet LS ab, dass die beiden leistungsstarken Schüler mit dem Stoff des zweiten Schuljahres unterfordert sind, obwohl in ihren Lernkontrollen Flüchtigkeitsfehler auftreten. LS bezieht sich dabei nicht auf Vorkommnisse während der Schüler-Interviews, sondern sie spiegelt damit wahrscheinlich ihren eigenen inneren Konflikt wider, dass die beiden Jungen zwar (leistungs-)stark sind, dies bestätigte sich auch in den Schüler-Interviews, sich dies aber nicht in den Lernkontrollen in der Note Eins zeigt, da sie teilweise unkonzentriert sind. Sie fragt sich, wie sie nun mit den Kindern umgeht, nachdem sie ihren genauen Lernstand durch das Schüler-Interview ermittelt hat. Dennoch wird deutlich, dass sie sich unsicher ist, wie die Weiterarbeit mit den beiden Schülern aussehen soll. Sie stellt sich die „ganz spannende Frage, wie geht’s jetzt weiter, was passiert jetzt? Lass ich das jetzt so stehen, arbeiten die jetzt so weiter, wie bisher auch oder, was mach ich mit den Kindern?“ (1LS, 03.27). Worin ihre Unsicherheit besteht kann nur vermutet werden. Vielleicht fühlt sie sich fachlich überfordert oder sie sieht keine Zeit und keinen Raum sich mit diesem Problem intensiv zu beschäftigen. Benutzt sie das Wort „spannend“, da die Ergebnisse der Schüler-Interviews für sie so überraschend waren oder kann sie diese Tatsache nicht anders in Worte fassen? Veränderungen führt sie aus, diese werden aber der Kategorie II.2 zugeordnet und dort näher erläutert. Subkategorie II.1.1 „Lehrer und das einzelne Kind“ Ein neuer Aspekt, der von LS angesprochen wird, ist, dass sie die Auswahl der zu interviewenden Kinder trifft. Kriterien für die Auswahl der Kinder gibt sie nicht an. Bei der Betrachtung der bis zum ersten Lehrer-Interview befragten Kinder zeigt sich, dass LS mit zwei leistungsstarken Schülern und einer leistungsschwachen Schülerin je ein Schüler- Interview geführt hat. Kriterien für ihre Auswahl lassen sich daraus nicht ableiten. In einem der ersten Arbeitstreffen wurde den Lehrern aber empfohlen, das erste Schüler-Interview mit einem kooperationsbereiten Kind zu führen. Auf diesem Hintergrund hat LS ihren ersten Schüler ausgewählt. Den zweiten Schüler, der ähnliche Leistungen, wie der erste Schüler zeigt, hat sie vermutlich ausgesucht, damit sie die Leistungen der beiden Schüler vergleichen kann. Das dritte befragte Kind ist leistungsschwach und gehört zur anderen Seite der Leistungsspanne. Es wird angenommen, dass LS die Aussagekraft des Schüler-Interviews für leistungsstarke und -schwache Kinder erkunden wollte. Fazit zu Kategorie II.1 „Förderunterstützung bei den befragten Schülern“ LS ist über die Leistungen der Schüler im Schüler-Interview überrascht. Aus den Ergebnissen zweier Schüler-Interviews sieht sie Handlungsbedarf für den weiteren Umgang mit diesen Schülern im Mathematikunterricht. Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 72 Kategorie II.2 „Unterstützung des eigenen Unterrichts“ 02.40 Umstellen des Unterrichts aufgrund der Interviewergebnisse II.2.2 03.27 Feedback durch Schüler-Interview über fehlende Behandlung von bestimmten Bereichen im Unterricht II.2.2 03.27 Änderung des Unterrichtsstils: starke Differenzierung, jetzt fast Individualisierung im Unterricht II.2.2 04.57 aus Interviewergebnissen Konsequenzen ziehen II.2.2 Subkategorie II.2.2 „Sicht auf Unterricht/Veränderung des Unterrichts“ Unter der Kategorie II.2 „Unterstützung des eigenen Unterrichts“ berichtet LS von mehreren Aspekten, die durch das Führen der Schüler-Interviews aufgekommen sind und über die sie reflektiert und nachdenkt. Aufgrund der Schüler-Interviews kommt sie zu dem Schluss: „musst du deinen Unterricht irgendwie umstellen“ (1LS, 02.40). Wie diese Umstellung oder Veränderung ihres Unterrichts aussieht, wird in ihren Ausführungen nicht deutlich. Aber sie spricht davon, dass sie durch das Schüler-Interview eine Rückmeldung erhalten hat, welche Themen sie im Unterricht noch nicht behandelt hat und dadurch mögliche Lücken entdecken kann. Außerdem beschreibt sie, dass sie ihren Unterrichtsstil von einer starken Differenzierung zu einer Individualisierung im Unterricht ändern möchte. Diese Aussage bezieht sich dabei auf alle Schüler, die ihrer Meinung nach „fit“ bzw. leistungsstark sind. LS scheint ihr Unterrichtsvorgehen durch die Wirkung des Schüler-Interviews zu verstärken. Ihre bereits zuvor ausgeführte und als sinnvoll empfundene Differenzierung wird durch das Schüler- Interview bestätigt und sie berücksichtigt jetzt diese bewusster im Unterricht. An der Lehrerin LS kann exemplarisch gezeigt werden, wie ihr einige Aspekte bewusster werden. Durch die Reflexion und die Erhöhung der Bewusstheit wird LS professioneller in ihrer Lehrertätigkeit (vgl. Kapitel 2.2). Sie kommt nochmals auf den Aspekt der Weiterarbeit mit den leistungsstarken Schülern zurück und will aus den Interviewergebnissen Konsequenzen ziehen, indem sie sie fördert. „Weil das macht ja keinen Sinn das Interview zu führen, festzustellen, das Kind ist […] sehr stark begabt in Mathematik und ich fördere das jetzt nicht“ (1LS, 04.57). Für LS ist es selbstverständlich, dass aus dem Führen der Schüler-Interviews Folgerungen entstehen, „sonst kann ich das ja lassen mit diesem Interview“ (1LS, 04.57). Fazit zu Kategorie II.2 „Unterstützung des eigenen Unterrichts“ LS will aus den Interviewergebnissen Konsequenzen für ihren Unterricht ziehen. Vorhandene Unterrichtsvorgänge, wie das Differenzieren, das sie zum Individualisieren verändern möchte, werden ihr durch das Führen der Schüler-Interviews bewusst und sie wird dadurch bestätigt (professioneller?). Kategorie II.3 „Unterstützung der Schulentwicklung“ 06.03 Interview in der Konferenz vorgestellt II.3.1 06.03 LS will Verantwortung für Schüler-Interview auf sich und Kollegen verteilen II.3.4 Subkategorie II.3.1 „Vorstellung in der Konferenz bzw. den Kollegen“ Ein Bezug zu II.3 „Unterstützung der Schulentwicklung“ entsteht durch den Bericht von LS, dass sie das Schüler-Interview in der Lehrerkonferenz vorgestellt hat. Vermutlich wollte sie ihre Begeisterung über das Schüler-Interview in einem größeren Rahmen vorstellen und das Interesse ihrer Kollegen dafür wecken. Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 73 Subkategorie II.3.4 „Lehrer als Vertreter/Multiplikator des Interviews“ LS überlegt bereits den Einbezug einer Kollegin, um die Verantwortung gegenüber den Eltern auf mehrere Schultern zu verteilen. Dieser Gedanken kam mit Nachfragen der Eltern auf, die in Kategorie VI näher beschrieben werden. Fazit zu Kategorie II.3 „Unterstützung der Schulentwicklung“ Auf eigene Initiative stellt LS das Schüler-Interview in der Lehrerkonferenz vor. Das Kollegium wird über das Schüler-Interview in Kenntnis gesetzt und informiert. Kategorie VI „Elternarbeit“ 04.42 Widerstände bei den Eltern, vermuten ungerechte Behandlung der Kinder VI.3 05.22 Konkurrenzdenken der Eltern, jedes, vor allem ihr Kind, soll interviewt werden, max. Förderung für jeden VI.3 06.03 Eltern fordern Begründungen von LS für Auswahl der Kinder VI.3 Subkategorie VI.3 „Interesse der Eltern an Schule“ Die Auswahl der zu interviewenden Schüler führt bei Eltern zu Widerständen, da sie eine ungerechte Behandlung der Kinder vermuten. Es kommt ein Konkurrenzdenken auf, dass ihr Kind benachteiligt wird oder zu wenig Aufmerksamkeit erhält, wenn es nicht befragt wird. LS könnte die Schüler dann als Individuen sehen und nicht mehr die Klasse als eine Masse. Dies führt zu der Überlegung von LS die ganze Klasse zu befragen, wobei dies aus zeitlichen Gründen nahezu unmöglich ist. Ob LS diese Aussage trifft, da sie am Lernstand aller ihrer Schüler interessiert ist oder um die Eltern zu beruhigen, bleibt unklar. Sie erklärt den Eltern, nachdem sie Begründungen eingefordert haben, die Auswahl der befragten Kinder und die zeitlichen Probleme, die vorliegen. Dennoch fragen einige Eltern nochmals nach, wieso ihr Kind nicht befragt wurde, da sie vermutlich die Argumentation von LS nicht nachvollziehen können. Positiv ist zu vermerken, dass die Eltern Interesse an der Schule zeigen und mit LS in Kontakt treten. LS erhält durch das Schüler-Interview Informationen über den Leistungsstand des Kindes und kommt zugleich mit den Eltern darüber ins Gespräch. Fazit zu Kategorie VI „Elternarbeit“ Die Eltern interessieren sich für das Schüler-Interview, da ihr Kind auch interviewt werden soll. Offene Fragen aus der Interpretation der Anfangssequenz des ersten Lehrer-Interviews mit LS Es stellt sich im Weiteren die Frage, ob noch weitere Kategorien aufkommen, die das Schüler-Interview für die Lehrer zu einem Instrument „handlungsleitender Diagnostik“ (Wollring 2003) werden lassen. Ferner wird beobachtet, ob die Kategorien I, II und VI, die in dieser ersten Sequenz auftraten, im weiteren Verlauf des Lehrer-Interviews den Hauptteil der auftretenden Kategorien bilden und den Gewinn von LS durch das Führen der Schüler- Interviews spiegeln. Auswertung des ersten Lehrer-Interviews mit der Lehrerin LS Nach der ausführlichen Interpretation der Anfangssequenz des ersten Lehrer-Interviews mit LS wird im Weiteren das gesamte Lehrer-Interview analysiert. Dazu werden die jeweiligen Kategorien erläutert und die ihnen zugeordneten Aussagen interpretiert. Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 74 Kategorie I „Bewertungen des Schüler-Interviews als Instrument durch die Lehrer“ Inhaltliche Kategorien Beobachtetes Vorhandensein nicht vorhanden wenig vorhanden vorhanden deutlich vorhanden I. Bewertungen des Schüler-Interviews als Instrument durch die Lehrer x I.1 Inhalt x I.2 Organisatorische Probleme x I.3 Emotionale Aspekte x I.4 Ausführende x I.5 Auswertung x I.6 Reflexion zu Lehrerbefragung x Wie aus der obigen Abbildung deutlich wird, spricht LS die Subkategorien I.1 „Inhalt“, I.2 „Organisatorische Probleme“, I.3 „Emotionale Aspekte“ und I.4 „Ausführende“ an. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den zeitlichen Aspekten innerhalb der organisatorischen Probleme. Dieses Problem wird von LS regelmäßig über das gesamte Lehrer-Interview verteilt angesprochen und stellt anscheinend eine grundlegende Schwierigkeit bei der Durchführung bzw. Implementation der Schüler-Interviews dar. Subkategorie I.1 „Inhalt“ In der Interpretation soll nur auf die Kategorien eingegangen werden, die für die Beantwortung der Forschungsfragen relevant sind. Deshalb wird zu Kategorie I.1 „Inhalt“ nur auf den Unterpunkt I.1.2 „Art des Interviews“ Bezug genommen. LS bedankt sich, dass sie im Rahmen des Projektes das Schüler-Interview zur Erfassung der mathematischen Fähigkeiten von Kindern erhalten hat. Es scheint, als würde sie keine anderen Instrumente zur Erhebung der mathematischen Fähigkeiten kennen: „man ke(nnt), man hat ja solche Instrumente eben sonst nicht an der Hand […], wie man die mathematischen Fähigkeiten von Kindern ablesen kann“ (1LS, 21.24). Sie spricht davon diese Fähigkeiten „ablesen“ zu können. „Ablesen“ klingt als sei LS der Meinung, sie könne durch ein Diagnoseinstrument die Performanzen der Kinder unmittelbar erkennen. D. h. sie könne die Stärken und Schwächen der Schüler sofort erfassen. Es wird deutlich, dass das Schüler-Interview LS insofern unterstützt, dass sie ein mathematikdidaktisches Diagnoseinstrument kennen lernt. Welche Konsequenzen sie daraus zieht, kann aus dieser Aussage nicht gefolgert werden. Subkategorie I.2 „Organisatorische Probleme“ Zur Kategorie I.2 „Organisatorische Probleme“ berichtet LS in der Subkategorie I.2.1 „Interviewführung“, dass sie das Schüler-Interview „unheimlich spannend“ (1LS, 06.53) findet, aber alleine nicht durchführen kann. Ob sie das Wort „unheimlich“ als Steigerungsform benutzt oder ihr das Schüler-Interview „unheimlich“ ist, da sie Erkenntnisse über ihre Schüler gewinnt, die sie nicht erwartet hat, bleibt unklar. In Zusammenhang mit dem Wort „spannend“ scheinen beide Interpretationsvorschläge möglich. „Spannend“ bedeutet, dass etwas Unbekanntes entdeckt wird und LS vielleicht gespannt ist, wie ihre Schüler auf das Schüler-Interview reagieren und welche Erkenntnisse sie aus dem Führen der Schüler-Interviews gewinnt. Die Verbindung der Wörter „unheimlich“ und „spannend“ zeigt, dass das Schüler-Interview einen starken emotionalen Eindruck bei LS hinterlassen hat. Sie spricht auch davon, dass sie vom Schüler-Interview fasziniert ist (vgl. 1LS, 24.18). Über die Verwendung des Wortes „spannend“ im ersten Lehrer-Interview mit LS wird am Ende der Auswertung genauer eingegangen. Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 75 Im weiteren Verlauf des Lehrer-Interviews weist sie daraufhin, dass sie zwar das Schüler- Interview führen und sich selbst die Materialien nehmen kann, aber zum Protokollieren benötigt sie noch eine zusätzliche Person, die sie unterstützt. Im Projekt sind dies die studentischen Assistenten, die von der Universität Kassel zur Verfügung gestellt werden. Unter I.2.2 „zeitliche Aspekte“ tritt die Aussage auf, dass das Schüler-Interview zeitaufwendig sei. Jedoch ist LS der Meinung, dass sich die Dauer des Schüler-Interviews mit der Erfahrung und Routine im Durchführen von Schüler-Interviews verkürzt. Die Dauer des Schüler-Interviews hängt aber auch davon ab, wie weit ein Kind im Schüler-Interview kommt. Dies steht in Zusammenhang mit dem Interviewleitfaden für das Schüler-Interview, der als „choose your own adventure story“ (ENRP 2002, S. 41) konzipiert ist und daher bei verschiedenen Leistungsniveaus der Kinder zu einer unterschiedlichen Anzahl von abzufragenden und dann gestellten Interviewaufgaben führt. LS hat Schüler-Interviews in der Unterrichtszeit durchgeführt als ihre Referendarin in der Klasse ihren eigenverantwortlichen Unterricht hielt. Ohne die Unterstützung der Referendarin sieht sie nur die Möglichkeit das Schüler-Interview im Anschluss an den Unterricht zu führen, „weil sie sind ja, in der Regel alleine“ (1LS, 34.38). Als Zukunftsvision wirft diese Aussage die Frage auf, ob es nicht sinnvoll wäre des Öfteren in einer Doppelbesetzung zu arbeiten, in der z. B. Schüler-Interviews durchgeführt werden oder auch Supervisionen daraus entstehen könnten. Zwar wird die Durchführung der Schüler-Interviews durch die „Unterstützung oder Kooperation mit der Uni“ (1LS, 34.38), speziell den studentischen Assistenten, erleichtert, aber sie kann sich „ganz schlecht vorstellen dieses Interview in die Unterrichtsarbeit einzubetten“ (1LS, 36.11). In der Schule stehen „keine Vertretungsressourcen“ (1LS, 36.11) zur Verfügung, um die Einbettung zu ermöglichen. Die Belastung der Lehrer ist auf der einen Seite sehr hoch und auf der anderen Seite werden vermutlich aus finanziellen Gründen kaum Doppelbesetzungen oder Supervisionen genutzt. LS will trotz der zeitlichen Zusatzbelastung alle Kinder ihrer Klasse interviewen. Das Schüler-Interview, das für Klasse 0 bis 2 angedacht ist, möchte sie nicht nur in ihrer zweiten Klasse erproben, sondern auch in den anderen Klassenstufen. Da in ihrer Schule keine Schul- eingangsstufe existiert, besteht der Wunsch Schüler-Interviews in Klasse 1 durchzuführen, um Informationen über die Leistungen der Erstklässler zu erhalten und diese möglicherweise mit den Zweitklässlern zu vergleichen. Insgesamt kann gesagt werden, dass LS trotz der angesprochenen zeitlichen Schwierigkeiten „nicht darauf [das Schüler-Interview] verzichten“ will, da sie „ganz fasziniert“ ist (1LS, 24.18). Das Führen der Schüler-Interviews hat sie anscheinend stark emotional berührt. Ihre Faszination kann, meiner Meinung nach, mit ihren Aussagen, die Kategorie II „Unterrichts- unterstützung“ zugeordnet wurden, belegt werden. Subkategorie I.3 „Emotionale Aspekte“ Die emotionalen Aspekte (Kategorie I.3.1) von LS treten vor allem zu Beginn des Lehrer- Interviews auf und sind in der Auswertung der Anfangssequenz bereits thematisiert. In Bezug auf die Schüler berichtet sie, dass die befragten Kinder Freude und Gefallen am Schüler-Interview hatten. Subkategorie I.4 „Ausführende“ LS betont, dass der Klassenlehrer das Schüler-Interview führen sollte, da er die Reaktionen des Kindes einschätzen kann. Sie meint wohl damit, dass er die Reaktionen des Kindes nicht nur „viel besser kennt“ (1LS, 28.14), sondern auch angemessener reagieren kann. Es treten keine Äußerungen von LS zur Subkategorie I.5 „Auswertung“ auf. Vielleicht hat LS keine Probleme mit dem Auswerten der Schüler-Interviews oder sie wird bereits von den studentischen Assistenten darin unterstützt. Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 76 Subkategorie I.6 „Reflexion zu Lehrerbefragung“ tritt nur in den abschließenden Lehrer- Interviews auf. Fazit zu Kategorie I „Bewertungen des Schüler-Interviews als Instrument durch die Lehrer“ LS lernt durch das Schüler-Interview ein mathematikdidaktisches Diagnoseinstrument zur Bestimmung der Schülerperformanzen kennen. Sie charakterisiert es als „unheimlich spannend“ (1LS, 06.53) und ist, trotz der zeitintensiven Durchführung der Schüler-Interviews, davon „fasziniert“ (1LS, 24.18). Der Klassenlehrer sollte laut LS die Schüler-Interviews führen, da er die Schüler und ihre Reaktionen kennt. Die befragten Schüler hatten Freude und Gefallen am Schüler-Interview. Kategorie II „Unterrichtsunterstützung“ Ein Schwerpunkt im ersten Lehrer-Interview mit LS liegt in Kategorie II „Unterrichts- unterstützung“. Diese Kategorie unterteilt sich in drei Teilbereiche, die die befragten Schüler, den eigenen Unterricht und die Schulentwicklung betreffen. Aufgrund der Bedeutung dieser einzelnen Subkategorien werden diese einzeln ausführlich betrachtet und weiter aufgefaltet. Kategorie II.1 „Förderunterstützung bei den befragten Schülern“ Inhaltliche Kategorien Beobachtetes Vorhandensein nicht vorhanden wenig vorhanden vorhanden deutlich vorhanden II.1 Förderunterstützung bei den befragten Schülern x II.1.1 Lehrer und das einzelne Kind x II.1.2 Wissen über das einzelne Kind x II.1.3 Förderung x II.1.4 Einstellung des Kindes x II.1.5 Rückmeldung x Subkategorie II.1.1 „Lehrer und das einzelne Kind“ In Kategorie II.1.1 „Lehrer und das einzelne Kind“ werden Aussagen von LS interpretiert, die bereits vor den Schüler-Interviews existierten oder allgemeinen Bemerkungen zum jeweiligen Kind betreffen. LS berichtet, dass sie von den hohen Performanzen zweier leistungsstarker Jungen im Schüler-Interview überrascht wurde, obwohl sie bereits hohe Erwartungen an sie hatte. Worin die Überraschung besteht, erläutert sie nicht (vgl. Auswertung der Anfangssequenz 1LS). In einem Fall bemerkt sie nur, dass der Schüler ein schwieriges Kind ist, autistische Züge besitzt und im Pausenhof Selbstgespräche führt. Er ist ein „ganz, ganz introvertiertes Kind“ (1LS, 10.18). Aufgrund seiner Zurückhaltung erhält LS im Unterricht außer schriftlichen Leistungen keinen Einblick in die Kenntnisse und das Wissen dieses Schülers. Er beteiligt sich nicht am Unterrichtsgespräch (vgl. 1LS, 10.18-11.58). Dadurch kann sein gesamtes Leistungsspektrum nicht erfasst werden. Das Schüler-Interview bietet eine Möglichkeit mit ihm zu kommunizieren. Es verhilft ihr zu neuen Erkenntnissen, was er „tatsächlich zu leisten vermag“ (1LS, 10.46). Der Schüler liefert im Schüler-Interview bereitwillig Antworten, da er nur den Umgang mit Erwachsenen pflegt und die individuelle Zuwendung von LS im Schüler-Interview genießt, die im Unterricht bisher nicht vorgesehen ist. LS nutzt das Schüler-Interview als Entscheidungshilfe für die freiwillige Rücknahme einer Schülerin. Welche Erkenntnisse sie über das Kind durch das Schüler-Interview gewinnt, wird unter Kategorie II.1.2 „Wissen über einzelne Schüler“ erläutert. Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 77 Die Auswahl der zu interviewenden Kinder trifft LS. Diesen hat sie gesagt, dass sie „mal gucken wollte, was sie im Rechnen schon können“ (1LS, 28.48). Es besteht die Tendenz, dass für LS Mathematikunterricht hauptsächlich aus der Vermittlung von Arithmetik, dem so genannten Rechnen besteht. Vermutlich treten die Bereiche Anwendungen und Geometrie in ihrem Mathematikunterricht in den Hintergrund. Subkategorie II.1.2 „Wissen über das einzelne Kind“ Beim „Wissen über das einzelne Kind“ sind bereits Aussagen in der Auswertung der Anfangssequenz des ersten Lehrer-Interviews mit LS interpretiert worden (vgl. Auswertung Anfangssequenz 1LS). LS berichtet weitergehend, dass ein Schüler verschiedene Strategien beim Lösen der Interviewaufgaben anwendete, wie Hilfsaufgabe und Vereinfachen, obwohl sie den Kindern das schrittweise Ergänzen bis zum nächsten Zehner vorgibt bzw. empfiehlt. Sie benennt seine Vorgehensweise nicht mit den mathematikdidaktischen Fachbegriffen, sondern erläutert sie an Beispielen (vgl. 1LS, 16.02). Ob sie verschiedene Strategien in ihrem Mathematikunterricht zulässt, wird unter der Kategorie II.2 „Unterstützung des eigenen Unterrichts“ beleuchtet. LS schätzt ihre befragte Schülerin Sinette als leistungsschwach ein und möchte durch das Schüler-Interview mehr über das Kind und seine Rechenwege bzw. Denkwege herausfinden. Obwohl sie Sinette nach ihren Rechenwegen fragt, hat sie das Vorgehen des Kindes noch nie verstanden, so berichtet LS im Lehrer-Interview. Dabei setzt LS auf den Erkenntnisgewinn durch das Schüler-Interview, was ihrer Meinung nach nicht eintrifft. Sie erkennt im Schüler- Interview keine Strategien der Schülerin, außer dass sie zählend vorgeht. Sie erhält keinen Aufschluss, wieso das Kind Schwierigkeiten in Mathematik hat. Vielleicht fällt es LS schwer sich von ihren Einstellungen und Einschätzungen gegenüber der Schülerin zu verabschieden oder sie hat sie schon aufgegeben. Es könnte auch sein, dass LS, um das Wohl des Kindes besorgt ist. Deshalb fragt sie bei der Schülerin weniger nach den Lösungswegen als bei den Leistungsstarken, um ihr ihre Schwächen im Schüler-Interview nicht bewusst werden zu lassen und sie vor Misserfolg und Enttäuschung zu bewahren. Bereits im Lehrer-Fragebogen schrieb LS, dass die Lehrer dieser Schülerin überlegen sie zurückzunehmen und das Schüler-Interview „bei der Entscheidungsfindung“ (Lehrer- Fragebogen zu Sinette) für eine freiwillige Rücknahme von ihr vielleicht helfen kann. Ich „hab mir halt durch dieses Interview erhofft, eine Entscheidungshilfe vielleicht oder so eine Bestätigung auch zu finden“ (1LS, 09.59), aber „es ist also auch beim Interview nicht raus gekommen“ (1LS, 09.59). Im weiteren Verlauf des Schüler-Interviews berichtet LS, dass die Leistungen der Schülerin nicht ihren Vorstellungen entsprechen. Dies könnte ein Grund dafür sein, dass LS im Schüler- Interview vielleicht anders mit ihr umgeht und deswegen keine Erkenntnisse gewinnt. Die Videodokumente zum Schüler-Interview mit der Schülerin liegen vor und könnten diese Hypothese verifizieren, würden aber eine neue Forschungsarbeit erfordern, die bereits von Studenten in Seminararbeiten begonnen wurde. Bei LS scheint es so als liefere das Schüler-Interview ausschließlich neue Einsichten bei leistungsstarken Schülern, obwohl sie bei der leistungsschwachen Schülerin das Schüler- Interview als Entscheidungshilfe für eine freiwillige Rücknahme nutzt. LS bestätigt, auf die Frage der Interviewerin, ob das Schüler-Interview bei den beiden leistungsstarken Schülern mehr Erkenntnisse gebracht hat, dass das Schüler-Interview bei diesen eine stärkere Aussagekraft hatte als bei dem leistungsschwachen Mädchen. Sie antwortet aber lediglich mit „ja, ja“ (1LS, 09.25). Deshalb ist es fraglich, ob die Lehrerin sich auf die Frage der Inter- viewerin eingelassen und nachgedacht hat oder ob sie dies nur sagt, damit sie möglichst schnell ihre Ausführungen fortsetzen kann, bei denen die Interviewerin sie unterbrochen hatte. Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 78 Die Hypothese, dass das Schüler-Interview eine stärkere Aussagekraft bei leistungsstarken Schülern besitzt, soll im abschließenden Lehrer-Interview mit LS und in den anderen Fall- studien tiefergehend betrachtet werden. Subkategorie II.1.3 „Förderung“ Die Ideen oder Konsequenzen, die LS aus dem Wissen über die einzelnen Schüler durch das Schüler-Interview gewonnen hat, werden unter der Kategorie II.1.3 „Förderung“ verzeichnet. Sie will für einen Schüler ein optimiertes Lernklima schaffen und ihn ermuntern verschiedene Strategien zu finden. Ferner soll er z. B. bei einer Mess-Station das Klassenzimmer ver- messen, „wirklich auch agieren“ und „selber Aufgaben finden, was er gerne machen möchte“ (1LS, 16.02). Für ihre leistungsschwache Schülerin berichtet LS von keinen Förderideen. Sie überlegt, aber die Bildung von Fördergruppen aller Leistungsniveaus und würde Sinette bei den Leistungs- schwächeren einbinden. Auf die Frage der Interviewerin, ob LS Informationen aus dem Interviewprotokoll, dem Aus- wertungsbogen oder den Ausprägungsgraden direkt umsetzen konnte, verneint sie dies. Zur Subkategorie II.1.4 „Einstellung des Kindes“ äußert sich LS nicht im ersten Lehrer- Interview. Subkategorie II.1.5 „Rückmeldung“ Ihren Schülern gibt LS die Rückmeldung (Kategorie II.1.5) sich viel Mühe im Schüler- Interview gegeben zu haben. Sie meint, sie können „den Schülern nicht im Einzelnen sagen, das hast du schlecht gemacht“ (1LS, 25.15). Es scheint als falle es ihr schwer den Schülern eine differenzierte Rückmeldung zum Schüler-Interview zu geben, vor allem wenn die Leistungen der Kinder schwach sind. Möglicherweise besitzt LS eine eher defizitorientierte Sichtweise auf die Leistungen der Schüler. Ob sich dies verändert, soll im abschließenden Lehrer-Interview nochmals angeschaut werden. Ansonsten würde das Schüler-Interview sie unterstützen, indem sie neue Erkenntnisse über die Schüler gewinnt, diese aber im Umgang mit den Schülern nicht einsetzen kann. Damit schneidet LS die Problematik der Lehrer- rückmeldung an. Fazit zu Kategorie II.1 „Förderunterstützung bei den befragten Schülern“ Das Schüler-Interview liefert LS neue Einsichten bei ihren Schülern, vor allem den Leistungsstarken und bei „stillen“ oder „besonderen“ Kindern. Bei einer leistungsschwachen Schülerin nutzt sie das Instrument als Entscheidungshilfe für eine freiwillige Rücknahme. LS verwendet zur Beschreibung der Lösungswege der Kinder kein mathematikdidaktisches Fachvokabular. Ihren Schülern eine differenzierte Rückmeldung über ihre Leistungen im Schüler-Interview zu geben, scheint ihr schwer zu fallen. Kategorie II.2 „Unterstützung des eigenen Unterrichts“ Inhaltliche Kategorien Beobachtetes Vorhandensein nicht vorhanden wenig vorhanden vorhanden deutlich vorhanden II.2 Unterstützung des eigenen Unterrichts x II.2.1 Handlungsideen aus dem Interview x II.2.2 Sicht auf Unterricht/Veränderung des Unterrichts x II.2.3 Lernstandsbestimmung, Leistungseinschätzung der Schüler x Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 79 Die Kategorie II.2 bildet einen zentralen Bestandteil zur Beantwortung der Forschungsfragen. Subkategorie II.2.1 „Handlungsideen aus dem Interview“ Zuerst soll gezeigt werden, welche Handlungsideen LS aus dem Schüler-Interview entnommen hat (Kategorie II.2.1). Sie berichtet, dass sie aus dem Schüler-Interview Förderimpulse ableiten kann, gibt aber keine Beispiele an. Aus dem Schüler-Interview hat sie sich Handlungsideen entnommen und sie für ihren Unterricht eingesetzt. Anscheinend sind im Schüler-Interview Anregungen enthalten, die für sie in dieser Form neu waren. Sie unter- richtet Mathematik fachfremd. Genauer erklärt sie, dass sie gern permanent eine Wiegestation in der Klasse einrichten möchte. Warum sie diese Wiegestation einrichten will, erklärt sie nicht. Ob sie die Wiegestation einrichten möchte, da sie im Schüler-Interview feststellte, dass die Kinder hier Vorerfahrungen aufweisen können und Spaß am Umgang mit der Waage haben oder weil das Thema Masse im Lehrplan für Klasse 1 und 2 nicht als Unterrichtsstoff vorgesehen ist, bleibt unklar. Subkategorie II.2.2 „Sicht auf Unterricht/Veränderung des Unterrichts“ In Kategorie II.2.2 werden die Aussagen zur Sicht auf den Unterricht und die Veränderung des Unterrichts näher beschrieben. Dabei wird sowohl der Ist-Zustand als auch der Prozess in Bezug auf den (Mathematik-)Unterricht betrachtet. Bereits nach zwei geführten Schüler- Interviews ist LS der Meinung, sie müsse ihren Unterricht aufgrund der Interviewergebnisse umstellen. Sie will dazu von einer starken Differenzierung, die sie bisher in ihrem Unterricht machte, zu einer Individualisierung gelangen (vgl. Auswertung Anfangssequenz 1LS). Bisher setzte sie in ihrem Unterricht die Arbeitsformen Tages-, Wochenplanarbeit und freie Arbeit ein. Durch die Form der freien Arbeit erhalte sie im Unterricht die Möglichkeit „mir dann Kinder mal einzeln vorzunehmen“ (1LS, 20.38), d. h. sich intensiver mit einzelnen Kindern zu beschäftigen. Durch das Schüler-Interview erhalte sie außerdem ein Feedback über die fehlende Behandlung bestimmter Bereiche in ihrem Unterricht. Insgesamt will sie Konsequenzen für ihren Unterricht aus den Schüler-Interviews ziehen. Bei allen Kindern frage sie nach den Rechenwegen. „Ich frage oft Kinder, wie hast du denn das gerechnet, warum ist denn das so?“ (1LS, 08.14). Im Gegensatz dazu beschreibt sie ihre propagierte Vorgehensweise zur Berechnung der Aufgabe 26 + 7, die als Ergänzen bis zum nächsten Zehner bezeichnet werden kann. „Ich hab das bisher immer so gemacht, […] dass man eigentlich immer bis zum Zehner ergänzt, also beispielsweise 26 + 7, erst + 4, dann + 3, dass man die 7 eigentlich zerlegt“ (1LS, 16.02). Ist es sinnvoll die Kinder nach ihrem Rechenweg zu fragen, wenn nur ein Weg zugelassen wird? Vielleicht lässt LS seit den Schüler-Interviews andere Strategien der Kinder zu. Subkategorie II.2.3 „Lernstandsbestimmung, Leistungseinschätzung der Schüler“ Durch die Schüler-Interviews erhält LS Informationen zur Lernstandsbestimmung und Leistungseinschätzung ihrer Schüler (Kategorie II.2.3). Ihr wird durch das Schüler-Interview klar, „dass Kinder viel weiter sind in der mathematischen Entwicklung als wir das tatsächlich sehen, weil wir das nie so in unserem Unterricht so abfragen können oder so hinterfragen können, wie in diesem Interview“ (1LS, 06.53). Dabei stellt LS vermutlich fest, dass sie die Performanzen und das Verständnis ihrer Schüler für Mathematik im Mathematikunterricht nicht so detailliert erfassen kann, wie mit dem Schüler-Interview. Mit dem Schüler-Interview können die individuellen Kompetenzen des Kindes erhoben werden. „Dass Kinder wirklich […] mathematische Fähigkeiten besitzen, die wir gar nicht erkennen. Wir wissen zwar das Kind kann unheimlich gut mitarbeiten, ist fit, [Hm] aber was tatsächlich dahinter steckt, das hab ich (.) eigentlich erst durch das Interview rausgekriegt. Deswegen ist Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 80 es für mich ja unheimlich spannend und ich steh da auch dahinter“ (1LS, 06.53). Das Schüler- Interview liefert LS neue Sichtweisen auf die Leistungen der Schüler. Sie fand es „so was von erstaunlich, was in diesen Kindern drinsteckt, was man […] nicht vermutet“ (1LS, 37.42). Ob dies zu einer Einstellungsänderung bei LS gegenüber der Einschätzung der mathe- matischen Fähigkeiten ihrer Schüler führt, soll im abschließenden Lehrer-Interview betrachtet werden. LS würde die Schüler-Interviews „auch im Anschluss an [ihren] Unterricht machen, einfach (.) weil’s (.) für mich wichtig ist, die Kinder genauer einzuschätzen“ (1LS, 21.24). Die Schüler-Interviews haben über die Leistungseinschätzung der Kinder hinaus anscheinend Einfluss auf ihren Unterricht. Dies ist der Hauptgrund und gleichzeitig ihr „egoistisches Ziel“ (1LS, 21.24), wieso sie die Schüler-Interviews durchführt. Im Zusammenhang damit berichtet sie, dass sie den Wunsch habe alle Kinder ihrer Klasse zu interviewen. Aufgrund des hohen zeitlichen Aufwandes wählt sie bisher die Kinder unter bestimmten Kriterien aus, die sie aber nicht spezifiziert. Fazit zu Kategorie II.2 „Unterstützung des eigenen Unterrichts“ Durch das Schüler-Interview erhält LS Informationen über die fehlende Behandlung bestimmter Bereiche in ihrem Unterricht. Sie zieht daraus Konsequenzen für ihren Unterricht, indem sie etwa die Kinder nach ihrem Rechenweg fragt, obwohl sie nur einen Lösungsweg zulässt. LS gewinnt eine neue Sichtweise auf die Leistungen ihrer Schüler und stellt fest, dass sie höhere Leistungen vorweisen als sie erwartet hat. Aus dem Schüler-Interview hat sie Handlungsideen genommen und diese, wie eine Wiegestation, im Unterricht eingesetzt. Kategorie II.3 „Unterstützung der Schulentwicklung“ Inhaltliche Kategorien Beobachtetes Vorhandensein nicht vorhanden wenig vorhanden vorhanden deutlich vorhanden II.3 Unterstützung der Schulentwicklung x II.3.1 Vorstellung in der Konferenz bzw. den Kollegen x II.3.2 Rückmeldung an Kollegen x II.3.3 Fördergruppen für Schüler x II.3.4 Lehrer als Vertreter/Multiplikator des Interviews x Weitergehende Überlegungen von LS, die nicht nur ihren eigenen Unterricht betreffen, werden in Kategorie II.3 „Unterstützung der Schulentwicklung zusammengefasst. Subkategorie II.3.1 „Vorstellung in der Konferenz bzw. den Kollegen“ Dabei geht es in Kategorie II.3.1, um die Vorstellung des Schüler-Interviews in der Konferenz, und damit den Kollegen. LS und der Rektor der Schule, der auch am Projekt teilnimmt, aber bisher noch kein Schüler-Interview geführt hat, stellen in einer Gesamtkonferenz das Schüler-Interview vor. Den „theoretischen Hintergrund“ (1LS, 26.26) des Schüler-Interviews erläutert der Rektor. LS übernimmt den praktischen Teil und führt mit einem Kind ihrer Klasse den Teilbereich „Masse“ in der Konferenz vor. Die Kollegen in der Konferenz „waren also auch ganz angetan“ (1LS, 26.55). Mit der Verwendung des Wortes „auch“ bezieht sich LS wahrscheinlich auf die Kollegen und auf sich selbst, dass sie vom Projekt angetan ist. LS sagt, dass sie auf die Nachfrage einer Kollegin im Lehrerzimmer, als sie gerade das erste Schüler-Interview kurz unterbrochen hatte, „ganz euphorisch davon berichtet“ (1LS, 37.42) Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 81 habe. Interessant ist, dass sie von „euphorisch“ spricht, was in seiner Wortbedeutung entzückt, begeistert und auch berauscht beinhaltet. Erstaunlich fand sie vor allem fest- zustellen, „was in diesen Kindern drinsteckt, was man […] nicht vermutet“ (1LS, 37.42). Sie hatte von sich aus das „Bedürfnis“ (1LS, 37.42) ihre Erfahrungen den anderen mitzuteilen, da sie diese für verallgemeinerbar hält. Sehr eindrucksvoll drückt sie dies aus: „Einfach zu sagen, Mensch, da ist etwas, was sich lohnt mal durchzuführen. Also nicht nur für mich persönlich, sondern so generell auch für die Kolleginnen und Kollegen“ (1LS, 37.42). Darin zeigt sich deutlich ihre positive Einstellung gegenüber dem Schüler-Interview, indem sie betont, dass sich das Führen des Schüler-Interviews nicht nur für sie, sondern auch für die Kollegen lohnt. Die Verwendung von „generell“ könnte auch durch „grundsätzlich“ als Synonym ersetzt werden und hebt hervor, dass dieses Schüler-Interview laut LS für alle Lehrer ein geeignetes (Diagnose-)Instrument ist. Zu Subkategorie II.3.2 „Rückmeldung an Kollegen“ liefert LS keine Aussagen. Sie redet zwar mit Kollegen über das Schüler-Interview, gibt ihnen aber keine inhaltlichen Rückmeldungen zu den Leistungen einzelner Schüler im Schüler-Interview. Subkategorie II.3.3 „Fördergruppen für Schüler“ Die Einrichtung von Fördergruppen für Schüler an der Schule wird unter Kategorie II.3.3 aufgeführt. In Hessen müssen alle Lehrer ab 01.01.04 eine halbe Stunde mehr arbeiten und LS will diese Zeit sinnvoll einsetzen, indem sie die Bildung von Fördergruppen nach Begabungsniveaus überlegt. Beachtenswert ist, dass sie die Förderung über ihre Klasse hinaus für den ganzen Jahrgang ansetzt. Sie spricht davon drei verschiedene Leistungsniveaus zu fördern: „Begabtenförderung“, „die Schwächeren“ und „die mittlere Gruppe“ (1LS, 18.11). Sie ist der Meinung, dass alle Begabungsniveaus gefördert werden sollten, was nicht selbst- verständlich ist. Es scheint als wäre ihr diese Differenzierung der Niveaus durch die Schüler- Interviews ins Bewusstsein gerückt. „Förderung ist ja das geheime Wort“ (1LS, 18.49), so LS im ersten Lehrer-Interview. Ihre Aussage könnte im Zusammenhang mit dem Auftrag des Schulamtes stehen sich mit Diagnose- und Fördermaßnahmen im Mathematikunterricht auseinanderzusetzen oder sie bezieht sich auf Konsequenzen aus PISA-Ergebnissen, die Diagnostizieren, Differenzieren und Fördern als zentral ansehen. LS wird bewusst, dass für mathematisch begabte Kinder keine angemessene Förderung in der Schule existiert. „Wir haben also Kinder, die mathematisch richtig begabt sind und die werden nicht richtig gefördert“ (1LS, 35.08), da Mathematikunterricht „häufig über dies Reproduzieren (.) nicht hinausgeht oder wenig hinausgeht“ (1LS, 35.08). Sie ist der Meinung: Das „muss man eigentlich verändern“ (1LS, 35.08). Durch das Führen der Schüler-Interviews wurde LS zur Reflektion über mathematisch begabte Kinder angeregt, aber die Umsetzung einer Förderung scheint ihr schwer zu fallen. Jedenfalls gibt sie keine konkreten Vorschläge an. Subkategorie II.3.4 „Lehrer als Vertreter/Multiplikator des Interviews“ Die Subkategorie II.3.4 „Lehrer als Vertreter/Multiplikator des Interviews“ tritt nur bei LS auf. Bereits zu Beginn des ersten Lehrer-Interviews spricht sie davon eine Kollegin beim Führen der Schüler-Interviews mit einzubeziehen. Das Interesse der Kollegen weckt sie bei der Vorstellung des Schüler-Interviews in der Gesamtkonferenz. „Als Multiplikator sehe ich mich da, das im Kollegium so weiter zu tragen, dass es da auch mal in anderen Klassen ausprobiert wird“ (1LS, 26.55). Sie möchte in ihrer Funktion als Multiplikatorin ihre Kollegen anregen das Interview mit Kindern aus „anderen Klassen“ und verschiedenen Schulstufen auszuprobieren. Bisher hat sie als einzige Lehrerin Schüler-Interviews mit Kindern ihrer zweiten Klasse durchgeführt. Zu beachten ist, dass LS als stellvertretende Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 82 Schulleiterin eine verantwortliche Position in der Schule innehat. Das Muster schulinterner Lehrerfortbildung wird durch sie vorweggenommen. Fazit zu Kategorie II.3 „Unterstützung der Schulentwicklung“ LS besitzt eine positive Einstellung gegenüber dem Schüler-Interview und sieht die Durchführung von Schüler-Interviews für Kollegen und für sich als lohnend an. Sie informiert die Kollegen in der Konferenz und möchte als Multiplikatorin für das Schüler-Interview arbeiten, um andere Lehrer anzuregen, das Schüler-Interview zu erproben. Ferner regt sie die Bildung von Fördergruppen nach Begabungsniveaus an. Kategorie III „Schulsituation“ Inhaltliche Kategorien Beobachtetes Vorhandensein nicht vorhanden wenig vorhanden vorhanden deutlich vorhanden III Schulsituation x III.1 Förderung in der Schule x III.2 Mathematikunterricht in der Schule x III.3 Kooperation mit Kollegen x Aussagen von LS, die über ihre Schule hinaus relevant sind, finden sich in Kategorie III „Schulsituation“ wieder. Subkategorie III.1 „Förderung in der Schule“ Auf der einen Seite nennt sie unter III.1 „Förderung in der Schule“, dass Förderung ein zentrales Thema ist. Auf der anderen Seite schildert sie die Probleme, falls das Schüler- Interview nicht innerhalb der Unterrichtszeit durchgeführt werden kann, entsteht keine Diagnose und zwangsläufig auch keine Förderung. Insofern wird deutlich, dass die Umsetzung von Fördermaßnahmen durch organisatorische Probleme in der Schule belastet ist. Bei den mathematisch begabten Kindern spricht sie davon, dass sie nicht angemessen gefördert werden. Dies kann auch mit der unzureichenden Qualifikation der Lehrer im Bereich Förderung zusammenhängen. Subkategorie III.2 „Mathematikunterricht in der Schule“ Zum Mathematikunterricht in der Schule äußert sich LS „ich finde immer so gerade der mathematische Bereich wird ganz oft vernachlässigt“ (1LS, 35.08). Ferner gehe der Mathe- matikunterricht häufig nicht über die Reproduktion hinaus. Dies sollte ihrer Meinung nach geändert werden. LS nimmt eine Situationseinschätzung des Mathematikunterrichts vor und führt Vorurteile an. Ihre Bewusstheit erhöht sich, d. h. LS beginnt über Lehr- und Lern- prozesse im Mathematikunterricht zu reflektieren (vgl. Selter 1995, S. 116). Subkategorie III.3 „Kooperation mit Kollegen“ Kategorie III.3 „Kooperation mit Kollegen“ betrifft sowohl die eigene Schule als auch Vorstellungen, Visionen und Absichten, die alle Schulen betreffen. LS möchte, dass weitere Lehrer mit dem Schüler-Interview arbeiten. „Wie kann man das denn effektiv gestalten oder so gestalten, dass noch mehr [Lehrer] davon profitieren können, von diesem Interview“ (1LS, 36.11). Das Schüler-Interview hat bei ihr anscheinend solche Auswirkungen und positive Rückmeldungen (Bestätigungen) ausgelöst, dass sie dieses Instrument an Kollegen weiter- geben möchte. Ihr ist die Verbreitung des Schüler-Interviews wichtig, woraus sich folgern Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 83 lässt, dass sie vom Schüler-Interview überzeugt ist. Dieser Aspekt hängt stark mit II.3.4 „Lehrer als Vertreter/Multiplikator des Interviews“ zusammen. Fazit zu Kategorie III „Schulsituation“ Laut LS überschreite der Mathematikunterricht selten das Reproduzieren. Sie beginnt über Lehr- und Lernprozesse im Mathematikunterricht zu reflektieren. Um andere Lehrer auch dazu anzuregen, ist sie an einer flächigeren Verbreitung des Schüler-Interviews interessiert. Kategorie VI „Elternarbeit“ Inhaltliche Kategorien Beobachtetes Vorhandensein nicht vorhanden wenig vorhanden vorhanden deutlich vorhanden VI Elternarbeit x VI.1 Leistungsstandmeldung an die Eltern x VI.2 Einbindung der Eltern (Verantwortung an Eltern delegieren)/Förderung zu Hause x VI.3 Interesse der Eltern an Schule x Subkategorie VI.1 „Leistungsstandmeldung an die Eltern“ LS berichtet nicht, dass sie die Ergebnisse der Schüler-Interviews als Leistungsstandmeldung an die Eltern nutzt. Subkategorie VI.2 „Einbindung der Eltern (Verantwortung an Eltern delegieren)/Förderung zu Hause“ Sie tritt aber mit den Eltern in Kontakt: „Ich habe Rückmeldungen an die Eltern [der interviewten Kinder] gegeben“ (1LS, 25.43). Welcher Art diese Rückmeldungen sind, erläutert sie nicht. Ansonsten klärt LS mit den Eltern ab, ob ihre Kinder beim Schüler-Inter- view gefilmt werden dürfen. Damit erfolgt eine „Einbindung der Eltern“ (Kategorie VI.2). Subkategorie VI.3 „Interesse der Eltern an Schule“ Durch die von LS durchgeführte Auswahl der zu interviewende Schüler regen sich bei einigen Eltern Widerstände, die eine ungerechte Behandlung ihres Kindes vermuten. Sie zeigen Interesse am Schüler-Interview und an den Ereignissen in der Schule (Kategorie VI.3). Eine Mutter hat einen befragten Schüler über die Inhalte des Schüler-Interviews interviewt, damit ihr Kind „hinterher nur gut dasteht“ (1LS, 29.46). Fazit zu Kategorie VI „Elternarbeit“ Die Eltern zeigen Interesse am Schüler-Interview und an den Ereignissen in der Schule. Allgemeine Bemerkungen zum ersten Lehrer-Interview mit LS LS verwendet im ersten Lehrer-Interview sehr viele Füllwörter, wie „ähm“ und „äh“. Vermutlich ist die Verwendung der Füllwörter darauf zurückzuführen, dass LS im Prozess des Sprechens überlegt. Sie besitzt anscheinend eine stärkere Verstehens- und Handlungs- kompetenz als die Fähigkeit dies in Worte zu fassen. Im gesamten Lehrer-Interview verwendet LS das Wort „spannend“ siebenmal (1LS, 03.27, 06.53, 19.22, 21.24, 26.55, 27.44, 28.32) in Kombination mit dem Verb „finden“. Wahrscheinlich gebraucht LS dieses Wort, wenn sie Schwierigkeiten hat, ihre Erkenntnisse zu verbalisieren. Ihre Aussagen beziehen sich alle auf das Schüler-Interview und seine Durchführung mit einzelnen Schülern. LS berichtet, vom Schüler-Interview emotional über- Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 84 zeugt zu sein. Wenn jemand von einer Sache fasziniert ist, dann fällt es ihm schwer diese Faszination in Worte zu fassen und die Gründe dafür anzugeben. Diese Situation scheint bei LS vorzuliegen. Gesamtfazit zum ersten Lehrer-Interview mit LS Werden im ersten Lehrer-Interview mit LS alle Kategorien unter dem Aspekt eines Kompetenzzuwachses betrachtet, so wird deutlich, dass im Mittelpunkt des ersten Lehrer- Interviews bei LS die Auseinandersetzung mit dem Schüler-Interview als Diagnoseinstrument und ihre Verwunderung über die teilweise vorhandenen Abweichungen zwischen ihren Ein- schätzungen der Kinder und den gezeigten Leistungen im Schüler-Interview steht. Sichtbar wird dies vor allem an dem häufigen Auftreten der Kategorie II „Unterrichtsunterstützung“. Bis zum Zeitpunkt des ersten Lehrer-Interviews hat LS mit drei Schülern ein Schüler- Interview geführt. LS hat im ersten Lehrer-Interview Informationen geliefert, die über die drei bis dahin interviewten Schüler hinausgehen. Ungefragte Äußerungen geben noch weiteren Aufschluss über LS und ihre Gedanken zum Schüler-Interview. Das Schüler-Interview sieht sie zur Einschätzung der Leistungen ihrer Schüler als hilfreich und unterstützend an. Sie erhält kompetente Befunde über die befragten Schüler. Es gibt ihr zusätzlich Rückmeldungen über die behandelten Inhalte ihres Unterrichts. Als Konsequenz aus den geführten Schüler-Interviews verändert sie ihren Umgang mit den Schülern. Dies führt laut ihrer Aussage zu einer noch stärkeren Differenzierung in ihrem Unterricht. Der konkrete Kompetenzzuwachs lässt sich erst in der Entwicklung vom ersten zum abschließenden Lehrer-Interview aufzeigen, aber es lassen sich bereits Ansätze im ersten Lehrer-Interview finden. In den bis dahin stattgefundenen Arbeitstreffen war LS nur bei den ersten beiden anwesend. In diesen wurde lediglich das Interviewmaterial vorgestellt und die Durchführung des Schüler-Interviews übten die Lehrer miteinander, indem ein Lehrer einen anderen Lehrer mit Hilfe des Schüler-Interviewleitfadens interviewte. Daher wird keine Beeinflussung der Aussagen von LS im ersten Lehrer-Interview durch die Arbeitstreffen angenommen. Das Schüler-Interview bildet für LS ein Instrument „handlungsleitender Diagnostik“ (Wollring 2003), vor allem im Bereich Umgang mit den befragten Schülern und Reflektion über ihren eigenen Unterricht. Dies entspricht den beiden Subkategorien II.1 „Förderunter- stützung bei den befragten Schülern“ und II.2 „Unterstützung des eigenen Unterrichts“. Offene Fragen aus der Interpretation des ersten Lehrer-Interviews mit LS Nach der Sichtung und groben Auswertung des ersten Lehrer-Interviews mit LS blieben einige Aussagen von LS offen und zu unkonkret, so dass sie im abschließenden Lehrer- Interview angesprochen oder als Re-Interviewausschnitte LS vorgelegt wurden. Im Folgenden werden diese Aussagen aufgeführt und kurz erläutert, wieso sie LS gestellt wurden. Außerdem fand im März 2004 ein Treffen mit Vertretern des Hessischen Kultusministeriums statt, welche das Projekt unterstützen. Da bei diesem Treffen keine Nachfragen gestellt werden konnten, wurden einige Aussagen im abschließenden Lehrer-Interview angesprochen, um Näheres von LS dazu zu erfahren. Da LS die Kriterien zur Auswahl der zu interviewenden Kinder nicht angab und diese insofern wichtig scheinen als sie vielleicht weiteren Aufschluss darüber geben, bei welchen Schülern ihr das Schüler-Interview Unterstützung bietet, wurde sie dazu gefragt. In den Lehrer-Fragebögen zweier leistungsschwacher Kinder schreibt LS, dass sie das Schüler-Interview als Entscheidungshilfe für eine freiwillige Rücknahme und als Orientierung vor einer Überprüfung auf sonderpädagogischen Förderbedarf nutzen will. Um Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 85 herauszufinden, in welcher Weise das Schüler-Interview die Lehrer unterstützt, sollte erfragt werden, ob ihre Erwartungen an das Schüler-Interview erfüllt wurden. LS berichtet im ersten Lehrer-Interview (1LS, 16.02), wie die Schüler bei ihr Additions- aufgaben lösen sollen. Diese Sichtweise widerspricht dem Mathematikbild des Schüler- Interviews. Deshalb wurde dieser Ausschnitt ausgewählt und im abschließenden Lehrer- Interview LS als Re-Interviewausschnitt vorgelegt. Möglicherweise lässt sich eine Ent- wicklung von LS dadurch aufzeigen. Zu ihrem Unterricht äußert LS, dass sie stark differenziert, aber künftig individualisieren will. Um zu erheben, welche Bedeutung für sie „individualisieren“ besitzt, wurde sie dazu befragt. Das Schüler-Interview möchte sie in die Unterrichtszeit einbetten. Da unklar war, ob sie diesen Aspekt im abschließenden Lehrer-Interview anspricht, er aber für die Umsetzung des Schüler-Interviews wichtig scheint, sollte sie sich dazu äußern. Beim Treffen mit den Vertretern des Hessischen Kultusministeriums äußerte LS den Wunsch als Multiplikatorin für das Schüler-Interview fungieren zu können. Außerdem sei sie eine „Verfechterin des Schüler-Interviews“. Um die Dissemination des Schüler-Interviews zu fördern, wird LS gefragt, wie sie sich dies konkret vorstellt. Vielleicht können ihre Vor- stellungen zur Ausbildung von Multiplikatoren genutzt werden. In ihrer Klasse will LS, laut erstem Lehrer-Interview (1LS, 19.35) eine Wiegestation einrichten. Um zu erkunden, wie weit die Handlungsleitung des Schüler-Interviews reicht, wurde LS auf ihre Idee eine Wiegestation in der Klasse zu installieren, angesprochen. In ähnlicher Weise berichtet LS von der Idee Fördergruppen für unterschiedliche Leistungs- niveaus einzurichten. Ob sie bei den Ideen stehen bleibt oder sie in die Tat umsetzt, sollte im abschließenden Lehrer-Interview erhoben werden. Zur Kategorie VI „Elternarbeit“ hat LS im ersten Lehrer-Interview von Unstimmigkeiten mit den Eltern berichtet. Da aus den anderen Aussagen der Eindruck entstand, dass die Schüler- Interviews eine positive Wirkung auf die Elternarbeit haben, sollte durch diese Nachfrage herausgefunden werden, ob die Probleme mit den Eltern sich gelegt haben. 3.2.1.5 Auswertung des abschließenden Lehrer-Interviews mit der Lehrerin LS Das abschließende zweite Lehrer-Interview mit LS fand im Juli 2004 nach 11 Monaten Erprobung des Schüler-Interviews statt. Am 22.07.04 von 11.30 bis 12.30 Uhr befragte die Forscherin LS in der Schule A, wobei zu diesem Zeitpunkt bereits die Sommerferien ange- fangen hatten. Um die Erfahrungsbasis von LS in den Untersuchungsverlauf einordnen zu können, wird angegeben, wie viele Schüler-Interviews und dazugehörige Lehrer-Fragebögen sie bis dahin ausgefüllt hat. LS hat zwischen dem ersten und abschließenden Lehrer-Interview sechs Schüler interviewt. Davon sind fünf männlichen und eine weiblichen Geschlechts. Einer der Schüler ist leistungsschwach und die anderen, auch die Schülerin, befinden sich im mittleren oder hohen Leistungsniveau. Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 86 Übersicht der geführten Schüler-Interviews und dazugehörigen Lehrer-Fragebögen Name des Kindes Lehrer-Fragebogen Schüler-Interview Dennis - 05.11.03 Robin 12.11.03 12.11.03 Sinette 19.11.03 19.11.03 Erstes Lehrer-Interview mit LS 16.12.03 Marvin 28.01.04 28.01.04 Emanuel 12.02.04 12.02.04 Majken 30.03.04 31.03.04 Timo - 27.05.04 Julian 03.06.04 03.06.04 Christian 17.06.04 17.06.04 Zweites Lehrer-Interview mit LS 22.07.04 Nachdem LS im November 2003 jede Woche ein Schüler-Interview führte, interviewte sie 2004 jeden Monat ein Kind. Im Juni 2004 befragte sie zwei Schüler mit einem Abstand von zwei Wochen. Darin spiegelt sich wahrscheinlich der Zeitmangel wider, den LS sowohl im ersten als auch im abschließenden Lehrer-Interview mehrmals anspricht oder sie hat ihr Interesse an der Durchführung der Schüler-Interviews verloren. Auswertung des abschließenden Lehrer-Interviews mit der Lehrerin LS Das abschließende Lehrer-Interview mit LS wird anhand der Kategorien analysiert und die ihnen zugeordneten Aussagen interpretiert. Sie eröffnet das abschließende Lehrer-Interview mit dem Eingeständnis, dass das Führen der Schüler-Interviews Konsequenzen für ihren Unterricht hatte und ihn veränderte. Dies scheint eine der größten Veränderungen durch die Schüler-Interviews für LS zu sein. Kategorie I „Bewertungen des Schüler-Interviews als Instrument durch die Lehrer“ Inhaltliche Kategorien Beobachtetes Vorhandensein nicht vorhanden wenig vorhanden vorhanden deutlich vorhanden I Bewertungen des Schüler-Interviews als Instrument durch die Lehrer x I.1 Inhalt x I.2 Organisatorische Probleme x I.3 Emotionale Aspekte x I.4 Ausführende x I.5 Auswertung x I.6 Reflexion zu Lehrerbefragung x Es werden durch LS alle Subkategorien zu Kategorie I „Bewertungen des Schüler-Interviews als Instrument durch die Lehrer“ angesprochen. Subkategorie I.1 „Inhalt“ „Wenn man es also wirklich fest in der Schule installieren will, als ein Instrument zur Leistungsmessung, muss es so modifiziert werden, dass man es alleine machen kann“ (2LS, Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 87 26.26). Für LS ist das Schüler-Interview ein „Instrument zur Leistungsmessung“. Sie möchte den Geometriebereich ausweiten und den Arithmetikteil kürzen. Ihrer Meinung nach passt das Schüler-Interview zu den Bildungsstandards, muss aber noch im Bereich Geometrie verändert werden. Ansonsten sieht sie das Schüler-Interview als eine gute Basis für Vergleichsarbeiten und auch die Einführung der Bildungsstandards an. Subkategorie I.2 „Organisatorische Probleme“ Der Wunsch von LS, das Schüler-Interview so zu modifizieren, dass sie es alleine durch- führen kann, hängt mit organisatorischen Problemen zusammen. Andernfalls ist es in der Schule nicht installierbar. In den Unterricht kann es nicht eingebettet werden, höchstens in die Unterrichtszeit, aber LS ist auch bereit nachmittags Zeit dafür zu investieren. Für die weitere Arbeit mit dem Schüler-Interview wünscht sie sich Entlastungsstunden. Pro Schüler-Interview benötigt sie ca. zwei Zeitstunden. Als LS reflektiert, wie viel Zeit sie investiert hat, um in der Lage zu sein das Schüler- Interview mit einem Kind durchzuführen, erklärt sie, dass es nötig ist, sich einen Nachmittag mit dem Schüler-Interview auseinanderzusetzen. Wie sie bereits zu Beginn des ersten Lehrer- Interviews berichtete, hat sie ihren Interviewleitfaden nach Sprechtext und Handlungs- anweisungen farblich unterschiedlich markiert. Ferner hat sie sich dazu die Schülerantworten vorgestellt. „Wie wird das Kind damit umgehen. Da hab ich sehr lange dazu gebraucht am Anfang“ (2LS, 29.34). Sinnvoll empfand sie, dass sie den Ablauf eines Schüler-Interviews bei einem Arbeitstreffen der beteiligten Lehrer gesehen hat, „dann kann man es, wenn man es durcharbeitet nachvollziehen“ (2LS, 31.16). Eine pädagogische Mitarbeiterin der Arbeits- gruppe Wollring führte im ersten Arbeitstreffen mit einem Kind kleine Abschnitte des Inter- viewleitfadens durch, um den Lehrern eine konkrete Vorstellung des Interviews zu geben. Subkategorie I.3 „Emotionale Aspekte“ Gleich zu Beginn des abschließenden Lehrer-Interviews betont LS ihre emotionale Zuneigung zum Schüler-Interview. „Ganz spontan würde ich dazu sagen, dass ich ganz überzeugt bin von diesem Interview, dass es, ich für mich unheimlich viel daraus gelernt habe, auch im Hinblick auf meinen Unterricht“ (2LS, 00.09). Auf Seiten der Schüler berichtet sie, dass sie die individuelle Zuwendung genießen. Die Schüler sagten laut LS „Es ist schön, dass du so viel Zeit hattest“ (2LS, 12.35) und wir, die Schüler und die Lehrerin, „über so nen langen Zeitraum gemeinsam […] arbeiten konnten. Das fanden sie [die Kinder] toll“ (2LS, 12.35). Die Schüler wünschen oder sehnen sich nach individueller Zuwendung, die ihnen durch das Führen der Schüler-Interviews geboten wird. Subkategorie I.4 „Ausführende“ Beim Nutzen des Schüler-Interviews für den Interviewer sagt LS, dass die Schüler-Interviews bei ihr „ganz nachhaltig gewirkt [haben], positiv als auch negativ“ (2LS, 21.42). Ihr sind sowohl die Stärken als auch die Schwächen der Schüler bewusst geworden. „Gerade für die, die fachfremd unterrichten, ist das [Schüler-Interview] ne ganz große Hilfe“ (2LS, 39.44). LS unterrichtet selbst fachfremd Mathematik und fühlt sich durch die Erkenntnisse, die sie mit Hilfe der Schüler-Interviews gewonnen hat, beim Mathematik- unterrichten sicherer. Sie sieht das Schüler-Interview besonders für fachfremd unterrichtenden Mathematiklehrer als eine geeignete Unterstützung an. Unter allen Umständen will LS die Schüler-Interviews weiter durchführen, „weil es mir ganz, ganz intensiv […] Aufschlüsse gibt über das Kind und seine mathematischen Fähigkeiten“ (2LS, 47.36). Ohne das Schüler-Interview hatte sie vermutlich keine Anleitung/Hand- reichung, wie sie den Lernstandort des Kindes bestimmen kann. Wird diese Aussage in Zusammenhang mit dem vorhergehenden gesehen, so wird klar, dass ihr Unterricht schüler- Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 88 und prozessorientierter werden kann, da sie durch das Schüler-Interview den Lernstandort der Kinder kennen lernt und auf diesen eingehen kann. Ferner beschreibt sie, dass die Ergebnisse der Schüler-Interviews ihre Sicht auf Arbeiten und Noten verändert hat. Ihre Erkenntnisse durch die Schüler-Interviews hatten zum Teil Einfluss auf die Zeugnisnoten, „weil ich klebe auch nicht mehr so an diesen schriftlichen Arbeiten, die Kinder hinterher abliefern. Und das war also auch ne Auswirkung von diesen Interviews“ (2LS, 58.24). Obwohl LS Konsequenzen für ihren Unterricht und somit für alle Schüler aus den neun geführten Schüler-Interviews zieht, „würde [ich] mir auch wünschen, dass ich dieses Interview nicht nur mit ausgewählten Kindern machen kann, sondern dass ich’s, ich würde es gerne auch mit allen Kindern durchführen. Weil es wirklich mir einen ganz anderen Blick auf das Kind gibt“ (2LS, 1.01.05). Trotz der hohen zeitlichen Belastung und der geringen Realisierungschancen möchte LS die Performanzen jedes einzelnen Kindes durch das Schüler-Interview kennen lernen. Möglicherweise ist sie sich in ihrer Einschätzung der Schülerleistungen unsicher. LS äußert sich nicht dazu, dass sie Erkenntnisse, die sie bei einem befragten Kind gewonnen hat, auf ein nicht interviewtes Kind übertragen kann. LS könnte die individuellen Unterschiede zwischen den Kinder als so groß ansehen, dass sie jeden Schüler befragen und ihm individuelle Zuwendung schenken möchte. Es könnte aber auch der Fall sein, dass LS nicht genügend Fachkenntnisse besitzt, um die Phänomene, die sie bei einzelnen Kindern erkennt, mit den Ursachen in Zusammenhang zu bringen. Subkategorie I.5 „Auswertung“ Bei der Auswertung der Schüler-Interviews, um daraus Förderimpulse abzuleiten, ist für LS das Interviewprotokoll „aussagekräftiger als diese Ausprägungsgrade“ (2LS, 21.14). Das Interviewprotokoll enthält die Antworten des Kindes zu jeder einzelnen Aufgabe und zeigt dem Lehrer die aufgetretenen Schwierigkeiten des Schülers. Hingegen geben die Ausprägungsgrade zusammenfassend die Leistungen des Kindes wieder. Sie liefern einen Überblick über die Performanzen des Kindes, die einzelnen Probleme dieses Schülers sind aber nicht mehr offensichtlich. Um die hinter den Ausprägungsgraden stehenden Schwierig- keiten zu kennen und daraus Förderideen abzuleiten, wird eine hohe fachliche Kompetenz im Bereich mathematikdidaktische Diagnose benötigt. Da LS Mathematik fachfremd unter- richtet, liegen bei ihr möglicherweise diese Kompetenzen nicht vor. Daher ist es für sie sinn- voller das Interviewprotokoll zu nutzen als die Ausprägungsgrade. Subkategorie I.6 „Reflexion zu Lehrerbefragung“ Eine neue Subkategorie, die erstmals in den abschließenden Lehrer-Interviews auftritt, ist die „Reflexion zur Lehrerbefragung“. Für das Ausfüllen des Lehrer-Fragebogens hat LS viel Zeit benötigt und es ist ihr auch schwer gefallen. Sie hat sich bei den noch zu befragenden Schülern im Vorfeld „viel intensiver auch mit dem Kind auseinandergesetzt, […] im Unterricht auch“ (2LS, 08.21). Es wird vermutet, dass LS zuvor mehr die Klasse als Ganzes und nicht die einzelnen Individuen in ihr gesehen hat. Im Laufe des Lehrer-Interviews berichtet sie, dass sie nicht mehr nur auf schriftliche Arbeiten verlässt. Vielleicht war vor Beginn des Schüler-Interview Projektes das Erheben schriftlicher Leistungskontrollen die einzige ihr bekannte Möglichkeit Informationen über den Lernstand des Schülers zu erhalten. Sie vergleicht das Ausfüllen des Lehrer-Fragebogens mit dem Schreiben einer verbalen Beurteilung, „weil […] (..) es ist praktisch so als wollt ich ein Zeugnis schreiben über das Kind. […] Es ist die absolute Auseinandersetzung mit dem Kind und seinen mathematischen Fähigkeiten, das auch zu formulieren“ (2LS, 29.34). Dazu hat sie den Interviewleitfaden durchgesehen und sich überlegt, welche Antworten das Kind geben könnte. Dies erfordert ein gutes Einfühlungsvermögen, wie das Kind reagieren könnte, Wissen über die Kenntnisse des Schülers und damit eine Reflektion über das Kind an sich sowohl in seinen Fähigkeiten als auch in seinen Handlungsweisen. Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 89 Als letzte Frage im abschließenden Lehrer-Interview wurden LS die sechs aus den ersten Lehrer-Interviews herausgearbeiteten Kategorien vorgelegt, damit sie die für sie wichtigste Kategorie benennt. Insgesamt ist ihr Kategorie II „Unterrichtsunterstützung“ wichtig. Große Bedeutung hat für sie Kategorie II.1 „Förderunterstützung bei den befragten Schülern“. Diese Kategorie ist auch in ihren Ausführungen im Lehrer-Interview deutlich vorhanden. Bei II.2 „Unterstützung des eigenen Unterrichts“ ist sie der Meinung, dass das Schüler-Interview „herauskristallisiert hat, wo, wo noch Schwächen in meinem eigenen Unterricht sind […] Oder was ich vernachlässigt habe, was nicht zu vernachlässigen ist“ (2LS, 59.18). Ansonsten „muss ich [die Unterstützung des eigenen Unterrichts] selber leisten können“ (2LS, 59.18). Dabei bildet dieser Bereich einen Schwerpunkt im Lehrer-Interview. Vor allem die Veränderung der Sicht auf den Unterricht wird von ihr beschrieben. Anscheinend hat sie dies selber gar nicht so wahrgenommen. Im Schulprogramm der Schule A ist der Punkt „Diagnosefähigkeit und Fördermaßnahmen“ für alle Fächer vorgesehen. Das Schüler-Interview unterstützt als mathematikdidaktisches Diagnoseinstrument diesen Aspekt des Schulprogramms und damit die Schulentwicklung. Fazit zu Kategorie I „Bewertungen des Schüler-Interviews als Instrument durch die Lehrer“ Nach LS Meinung passt das Schüler-Interview zu den Bildungsstandards und stellt auch eine gute Basis für Vergleichsarbeiten dar. Sie sieht Kategorie II „Unterrichtsunterstützung“ als die wichtigste Kategorie an. Für fachfremd unterrichtende Mathematiklehrer empfindet sie das Schüler-Interview als Unterstützung. Mit Hilfe des Schüler-Interviews kann sie den Lernstandort des Kindes bestimmen und gewinnt einen „ganz anderen Blick auf das Kind“ (2LS, 1.01.05). Dadurch verändert sich ihre Sicht auf die Leistungen der Kinder und ihre (Zeugnis-)Noten. Das Ausfüllen des Lehrer-Fragebogens vergleicht sie mit dem Schreiben einer verbalen Beurteilung. Die Schüler genießen die individuelle Zuwendung von LS im Schüler-Interview. LS selbst ist dem Schüler-Interview emotional zugeneigt. Kategorie II „Unterrichtsunterstützung“ Der Schwerpunkt im abschließenden Lehrer-Interview mit LS liegt in Kategorie II.1 „Förderunterstützung bei den befragten Schülern“ und in Kategorie II.2 „Unterstützung des eigenen Unterrichts“. Beide Subkategorien tragen besonders zur Beantwortung der gestellten Forschungsfragen bei. Deshalb werden sie im Einzelnen betrachtet und analysiert. Kategorie II.1 „Förderunterstützung bei den befragten Schülern“ Inhaltliche Kategorien Beobachtetes Vorhandensein nicht vorhanden wenig vorhanden vorhanden deutlich vorhanden II.1 Förderunterstützung bei den befragten Schülern x II.1.1 Lehrer und das einzelne Kind x II.1.2 Wissen über das einzelne Kind x II.1.3 Förderung x II.1.4 Einstellung des Kindes x II.1.5 Rückmeldung x Subkategorie II.1.1 „Lehrer und das einzelne Kind“ Im ersten Lehrer-Interview spricht LS davon in ihrem Unterricht zu individualisieren. Dies bedeutet, wie sie im abschließenden Lehrer-Interview erklärt, dass sie an den individuellen Stärken und Schwächen der Kinder ansetzen will. Das Schüler-Interview liefert ihr dazu „einen ganz anderen Blick auf das Kind“ (2LS, 1.01.05). Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 90 Nach dem Führen des Schüler-Interviews mit einem leistungsschwachen Schüler wurde LS klar, nachdem sie über das Schüler-Interview und ihren Interviewstil mit diesem Schüler reflektiert hatte, dass er „zum Teil die Aufgabenstellung, die Fragestellungen nicht verstanden“ hat (2LS, 20.16). Sie überprüfte dies im Mathematikunterricht, indem sie mit ihm „hinterher noch mal […] Aufgaben aus dem Interview gerechnet [hat]. Und da hat er es nämlich gekonnt“ (2LS, 20.16). Welche Aufgabenstellungen dem Schüler Schwierigkeiten bereiteten, wird aus LS Aussagen nicht ersichtlich. Es war das fünfte von LS geführte Schüler-Interview. Nach neun geführten Schüler-Interviews berichtet sie im abschließenden Lehrer-Interview, würde sie „das Interview auch anders führen. Also da würde ich auch noch mal nachfragen, würde es [Fragestellungen] ihn auch noch mal erklären lassen, was er jetzt machen soll“ (2LS, 20.16). Zuvor war der Schüler für sie leistungsschwach. Es verwunderte sie nicht und war ihr verständlich (einleuchtend), dass er die Aufgaben nicht lösen konnte. Ob sie aus dieser Erkenntnis Konsequenzen gezogen hat, bleibt ungewiss. Beachtlich ist die Aussage von LS, dass sie bei keinem Kind im Schüler-Interview „eine Konzentrationsschwäche feststellen“ konnte (2LS, 04.29), obwohl diese bis zu zwei Zeit- stunden lang waren. LS führt dies auf die individuelle Zuwendung im Eins-zu-eins-Interview zurück. „Die [Kinder] waren zwar hinterher ermüdet, ganz klar, war ich auch, aber die haben das voll durchgehalten“ (2LS, 04.29). Subkategorie II.1.2 „Wissen über das einzelne Kind“ LS konnte durch das Führen der Schüler-Interviews „Wissen über das einzelne Kind“ (Kategorie II.1.2) sammeln. Individuelle Stärken und Schwächen der Kinder können, laut LS, mit Hilfe des Schüler-Interviews erhoben werden und diese Ergebnisse werden gut im Gedächtnis behalten. „Ich muss auch heute auch gar nicht mehr in die Unterlagen gucken von den Kindern, die ich interviewt habe, weil ich genau weiß, wo sind die Schwächen der einzelnen Kinder und wo sind die Stärken“ (2LS, 02.54). LS sagt, dass sie die Stärken und Schwächen der nicht befragten Kinder einschätzen kann, aber nicht in der Detailliertheit, wie bei den interviewten Kindern. LS weiß, „was se können und was se nicht können, aber nicht so detailliert“ (2LS, 02.54). Durch das Schüler-Interview erhält sie „Aufschlüsse […] über das Kind und seine mathematischen Fähigkeiten“ (2LS, 47.36). Dabei differenziert sie nicht, ob das Kind interviewt wurde oder nicht. Bei einem Schüler, der „nur reproduzierend arbeiten kann“ (2LS, 02.54), entdeckt LS durch das Schüler-Interview, dass er „ganz große Lücken in der Geometrie hat, obwohl wir das ganz ausführlich gemacht hatten“ (2LS, 02.54). Ihr war nicht bewusst, dass er im Bereich Geometrie Schwächen aufweist. Da „wär ich nie drauf gekommen, dass der ganz schwach in der Geometrie ist. Weil ihm einfach auch dieses Vorstellungsvermögen fehlt“ (2LS, 02.54). LS kann nach Führen des Schüler-Interviews die Schwäche des Schülers, das geringe räumliche Vorstellungsvermögen benennen. Sie erläutert noch genauer, dass Christian nicht erkennt, dass eine Figur sich nicht verwandelt, wenn ihre Lage verändert wird. Ihre Konsequenz aus dem Schüler-Interview ist, dass sie ihn „ganz gezielt in der Geometrie fördern“ (2LS, 02.54) muss. Im Mathematikunterricht hat sie eine Geometrieeinheit behandelt. Sie gibt den Kindern Legepläne, um sie mit Flächen auszulegen. Dabei fällt ihr auf, dass dieser Schüler dabei große Schwierigkeiten hatte. „Das hat er kaum hingekriegt. Nur mit ganz viel Hilfe nur“ (2LS, 35.00). Trotz der Erkenntnis, dass er Schwächen in Geometrie aufweist, scheint LS überrascht und für sie schwer nachvollziehbar, dass dieser Bereich ihm Probleme bereitet. Subkategorie II.1.3 „Förderung“ und Subkategorie II.1.4 „Einstellung des Kindes“ Einen leistungsstarken Schüler, den sie als zweites interviewte und im ersten Lehrer-Interview des Öfteren nannte, fördert sie in der Geometrie, da er dort Schwächen zeigte, die ihr erst durch das Schüler-Interview offensichtlich wurden. Daraufhin begann sie „da auch zu Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 91 arbeiten“ (2LS, 18.39). Als Konsequenz aus den Erkenntnissen des Schüler-Interviews lässt sie ihn in „Freiarbeitsphasen“ (2LS, 18.39) geometrische Muster mit Plättchen nachlegen. Durch das Schüler-Interview ist LS in der Lage das Leistungsvermögen des Schülers einschätzen zu können (vgl. 2LS, 56.37). Diese und die vorhergehende Bemerkung, dass LS Schüler fördert, indem sie geometrische Muster nachlegen, stützen die Vermutung, dass LS nach Durchführen der Schüler-Interviews Geometrie stärker in ihren Mathematikunterricht einbindet. Dies hatte Auswirkungen auf die Zeugnisnote. Er macht in Kontrollen Flüchtigkeitsfehler „und trotzdem hat der von mir in Mathematik ne Eins gekriegt“ (2LS, 56.37). Das Schüler- Interview hat, wie an diesem Beispiel gezeigt, zum Teil Einfluss auf die Zeugnisnoten, weil LS „nicht mehr so an diesen schriftlichen Arbeiten [hängt], die Kinder hinterher abliefern“ (2LS, 58.24). Im Gegensatz dazu hat ein nicht interviewtes Kind, das nur Einsen in Mathematik geschrieben hat, eine Zwei in Mathematik bekommen. LS ist vermutlich der Meinung, dass dieser Schüler nicht so hohe Fähigkeiten besitzt wie Robin. „Und das hat auch etwas mit dem Interview zu tun gehabt“ (2LS, 56.37). Diese Entscheidung erscheint auch emotional besetzt zu sein. LS meint, sie habe mit dem Schüler kein Schüler-Interview geführt, da er „wahrscheinlich ständig in Tränen ausgebrochen“ wäre (2LS, 56.37). Bei einem anderen Schüler, den LS als leistungsschwach einschätzt, wird ihr durch das Schüler-Interview bewusst, dass er „in der Arithmetik […] ganz, ganz schwach ist“ (2LS, 35.29), aber in Geometrie eine Stärke besitzt. Sie setzt bei seinen Schwächen an und fördert ihn. Wahrscheinlich verändert sie ihre Sicht auf den Schüler, da sie bemerkt, dass dieser leistungsschwache Schüler auch Stärken aufweist. Es wird vermutet, dass sich ihr Umgang mit dem Schüler wandelt. Einen Nachweis dafür bilden die nachfolgenden Aussagen von LS. Das Einmaleins „hat er ganz toll gelernt. Und da hab ich ihn auch sehr gelobt“ (2LS, 18.39). Zu bedenken bleibt, dass Schüler die Schwierigkeiten in Mathematik haben die Grundrechenarten nicht verstehen, das Einmaleins, aber wie ein Gedicht ohne Verständnis für die dahinter liegende fortgesetzte Addition bzw. Multiplikation auswendig lernen können. Ihre aufbauende Rückmeldung „hat sich auf sein Lernverhalten ganz positiv ausgewirkt“ (2LS, 18.39). Er hat „z. B. vorher nie mündlich mitgearbeitet. (.) Macht jetzt ganz eifrig mit und hat da wirklich auch Erfolgserlebnisse“ (2LS, 18.39). Nach ihren Aussagen zu urteilen, nimmt sie den Schüler mittlerweile anders wahr. Sie sieht nach dem Führen des Schüler- Interviews bei ihm nicht nur seine Schwächen, sondern bemerkt auch seine Stärken. LS gewinnt dadurch nicht nur ein anderes Bild ihres Schülers, sondern dadurch ändert sich auch die Einstellung des Schülers zum Unterricht. Weitergehend ist die Einstellungsveränderung bei einer leistungsschwachen Schülerin. Die Ergebnisse des Schüler-Interviews haben die Überlegung von LS unterstützt, dass dieses Mädchen freiwillig eine Klasse zurückgehen soll. Sie war durch die Anforderungen der zweiten Klasse überfordert und ist in der ersten Klasse „regelrecht aufgeblüht“ (2LS, 25.33). Die Schülerin „hat Erfolgserlebnisse und sie geht auch mittlerweile gerne in die Schule“ (2LS, 25.33). LS würde das Schüler-Interview als Entscheidungshilfe „immer wieder einsetzen“ (2LS, 25.33). Die Befunde des Schüler-Interviews haben bei dieser Schülerin zur Folge gehabt, dass sie freiwillig ein Jahr zurückgegangen ist, aber mit dem positiven psychischen Effekt, dass sie „gerne in die Schule“ (2LS, 25.33) geht. Das Schüler-Interview unterstützt nicht nur den Lehrer, sondern führt bei einigen Kindern auch zu einer positiven Einstellungsveränderung gegenüber dem Mathematikunterricht und teilweise, wie bei dieser Schülerin, gegenüber der Schule insgesamt. Für die Auswahl ihrer zu interviewenden Schüler will LS die Leistungsgrenzen der leistungsstarken und leistungsschwachen Kinder betrachten, um sie angemessen zu fördern. Dazu hat sie sich Kinder ausgesucht, die sie als leistungsstark einschätzt und bei denen sie herausfinden möchte, wie weit ihre Fähigkeiten reichen (vgl. 2LS, 01.00). Bei ihnen möchte Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 92 sie nur den Lernstand bestimmen. Ferner haben sie die Leistungsstarken entlastet, da sie der Meinung ist, sie nur noch in bestimmten Bereichen unterstützen zu müssen. In den anderen Bereichen kann sie sie alleine arbeiten lassen. Im „alltäglichen Unterricht gar nicht mehr so ein Augenmerk darauf legen musste, weil ich wusste, die, die muss ich jetzt in nem ganz anderen Bereich fördern“ (2LS, 02.14). Auf der anderen Seite der Leistungsspanne betrachtet sie die leistungsschwachen Schüler, um herauszufinden, an welchen Stellen sie Lücken haben und Schwierigkeiten auftreten (vgl. 2LS, 01.00). Dabei hat das Schüler-Interview ihr Aufschluss gegeben. LS ist der Meinung, dass sie sich aktiv bei den Leistungsschwachen einschalten muss, dass sie „nachhelfen“ (2LS, 01.00) muss. Bei den leistungsstarken Kindern macht sie dies nicht. Durch die Ergebnisse der Schüler-Interviews kann sie sowohl leistungsstarke als auch leistungsschwache Kinder gezielt fördern. Subkategorie II.1.5 „Rückmeldung“ Im Gegensatz zum ersten Lehrer-Interview berichtet LS, dass sie die Kinder nicht nur gelobt und ihr Durchhaltevermögen anerkannt hat, sondern auf die Frage der Kinder „Wie war ich denn?“ ihnen gesagt hat, „wo man noch ein bisschen üben müssen, in welchem Bereich und was eben auch schon ganz gut war“ (2LS, 10.15). Sie liefert den Schülern eine differenzierte Rückmeldung, die den Lernprozess wiedergibt (?), vergleichbar mit einer verbalen Beurteilung. Dabei orientiert sie sich an den Teilbereichen des Schüler-Interviews. Den Kindern spiegelt sie wider, wo sie Stärken und wo sie Schwächen haben, „weil das gilt ja auch die Stärken, dann auch noch zu stärken und da an der Stelle auch weiter zu arbeiten. Es geht ja nicht nur darum […] den Kindern zu beweisen, hier hast du ne Lücke und das war irgendwie Mist oder was weiß ich. Ne. Aber es geht einfach auch um eine positive Verstärkung“ (2LS, 10.49). LS Ansichten gegenüber den Leistungen der Schüler sind stärker prozess- und weniger defizitorientiert. Sie will nicht nur an den Schwächen der Kinder arbeiten, sondern ihre Stärken weiter ausbauen und ihnen dadurch auch Bestätigung geben. Vermutlich hat das Führen der Schüler-Interviews sie in dieser Sichtweise unterstützt. Fazit zu Kategorie II.1 „Förderunterstützung bei den befragten Schülern“ Aus den Aussagen von LS wird gefolgert, dass LS das Schüler-Interview als ein Diagnose- instrument sieht, das die Kinder prozessorientiert und nicht defizitorientiert betrachtet. LS verändert ihre Sicht auf die Schüler dahingehend. Durch die Interviewergebnisse, welche sie gut im Gedächtnis behält, erkennt LS individuelle Stärken und Schwächen der Kinder. Sie gibt den Kindern eine differenzierte Rückmeldung zu ihren Leistungen im Schüler-Interview. Im Unterricht kann sie daraufhin die Schüler gezielt fördern, z. B. in der Geometrie. LS gewinnt durch das Führen der Schüler-Interviews ein anderes Bild ihrer Schüler. Dies hat auch Einfluss auf die Zeugnisnote. Ferner ist eine Einstellungsveränderung bei einigen Schülern gegenüber dem Unterricht und der Schule nach dem Schüler-Interview zu verzeichnen. Kein Kind zeigte im Schüler-Interview Konzentrationsschwächen. Dies liegt vermutlich an der hohen individuellen Zuwendung im Eins-zu-eins-Interview. Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 93 Kategorie II.2 „Unterstützung des eigenen Unterrichts“ Inhaltliche Kategorien Beobachtetes Vorhandensein nicht vorhanden wenig vorhanden vorhanden deutlich vorhanden II.2 Unterstützung des eigenen Unterrichts x II.2.1 Handlungsideen aus dem Interview x II.2.2 Sicht auf Unterricht/Veränderung des Unterrichts x II.2.3 Lernstandsbestimmung, Leistungseinschätzung der Schüler x Subkategorie II.2.1 „Handlungsideen aus dem Interview“ „Handlungsideen aus dem Interview“ entnimmt LS aus den Teilbereichen „Strategien bei Addition und Subtraktion“, „Masse“ und Geometrie. Im Teilbereich „Strategien bei Addition und Subtraktion“ handelt es sich um die Zahlenmaueraufgabe. Dazu haben die Schüler Mauersteine hergestellt und laminiert. Die Schüler konnten selbst entscheiden, welches Zahlenmaterial sie auf die laminierten Mauer- steine schreiben und wie viele Mauersteine sie benutzen. Sie „konnten also da ihre Wege selber suchen“ (2LS, 08.21). LS nutzt diese offene Aufgabenstellung, um mit der Leistungs- heterogenität der Schüler umzugehen. Die interviewten Kinder haben den anderen Schüler erklärt, wie die Zahlenmaueraufgabe zu bearbeiten ist. Dabei entstanden auch „Riesen- mauern“ bis „in den 1000er-, 10 000er-Raum. (..) Aber eigentlich auch angeregt durch dieses Interview“ (2LS, 09.22). Sie begrenzt den Zahlenraum nicht bis 100, wie im zweiten Schul- jahr vorgesehen, da sie durch die Ergebnisse der Schüler-Interviews erfahren hat, dass einige Kinder weit über diesen Bereich hinaus rechnen können. LS möchte eine Waage in der Klasse aufstellen, damit die Schüler keine Probleme mehr mit dem Wiegen im Schüler-Interview haben. Im Schüler-Interview greifen sie auf ihr eventuell vorhandenes Vorwissen zurück. Den Umgang mit einer Waage kennen sie aus dem Unterricht nicht. Deshalb „kommt eine Wiegestation in die [erste] Klasse“ (2LS, 32.05), die LS nach den Sommerferien übernimmt. Eine Begründung liefert LS nicht, ob sie der Meinung ist, dass die Kinder bereits den Umgang mit Gewichten lernen sollten oder ob sie möchte, dass ihre Schüler in diesem Teilbereich „Masse“ gut abschneiden. Im Schüler-Interview kommt eine Aufgabe das Geometriepuzzle vor, bei der die Kinder aus vier Teilen ein Quadrat bilden und legen müssen. LS übernimmt diese Aufgabe in ihren Unterricht, indem sie die Kinder mit dem Tangram Figuren legen, nachlegen oder Legepläne auslegen lässt. Ihr geht es um den „spielerischen Umgang“ (2LS, 34.14) mit dem Tangram. Sie erwähnt keine geometrischen Kenntnisse, die daran erarbeitet werden könnten. Dabei erkennt sie, dass einigen Kindern das Auslegen der Legepläne sehr schwer fällt. Im weiteren Verlauf des Lehrer-Interviews spricht sie die Vernachlässigung der Geometrie und die Auswirkungen auf die darauf zurückzuführenden schwachen Geometrieleistungen der Schüler. Es wird vermutet, dass LS selten Geometrie mit den Schülern im Unterricht behandelte. Subkategorie II.2.2 „Sicht auf Unterricht/Veränderung des Unterrichts“ Der größte Teil aller Aussagen im abschließenden Lehrer-Interview bezieht sich auf die Kategorie II.2.2 „Sicht auf Unterricht/Veränderung des Unterrichts“ (ca. ¼ aller Kodes bezieht sich ausschließlich auf II.2.2). LS sagt zu Beginn des abschließenden Lehrer- Interviews, dass „ich für mich unheimlich viel daraus gelernt habe, auch im Hinblick auf meinen Unterricht“ (2LS, 00.09). Im gesamten Verlauf des Lehrer-Interviews werden immer wieder Aspekte angesprochen, die ihre Lernentwicklung diesbezüglich widerspiegeln. LS Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 94 wurde durch den Aufbau des Schüler-Interviews für bestimmte Gesichtspunkte (Betrachtungsweisen) sensibilisiert. In der Arithmetik fragt sie die Kinder nach ihrem Rechenweg (vgl. 2LS, 06.18). Dies hätte sie früher bereits gemacht, aber durch das Schüler-Interview fragt sie bewusster und gezielter nach. Sie beschreibt, dass im Schüler-Interview immer nach dem Lösungsweg gefragt wird. Das sei auch den Kindern aufgefallen, die sie fragend angeschaut haben, wenn sie nicht nach dem Lösungsweg gefragt hat. Daraufhin hat sie die Kinder bestätigt und sie gefragt, wie sie zur Lösung gelangten (vgl. 2LS, 18.03). LS ist der Meinung, dass den Kindern kein Lösungsweg vorgeschrieben werden kann, aber die Lösung sollte korrekt sein (vgl. 2LS, 06.18). Im ersten Lehrer-Interview hatte sie erklärt, dass alle Schüler einen Weg können und diesen auch benutzen müssen. Der folgende Ausschnitt aus dem ersten Lehrer-Interview mit LS lautet: „Ich bin jetzt gerade beim Zehnerübergang im Zahlenraum bis Hundert und ich, ich hab das bisher immer so gemacht, […] dass man eigentlich immer bis zum Zehner ergänzt, ne also beispielsweise 26 + 7, erst + 4, dann + 3, dass man die 7 eigentlich zerlegt“ (1LS, 16.02). Anhand dieses Re-Interview-Ausschnitts und der Reaktion von LS werden ihre Einstellungsveränderungen sichtbar. Ein halbes Jahr später reagiert sie sehr emotional und erschreckt auf ihre eigene Aussage. Sie sagt im abschließenden Lehrer-Interview, nachdem sie diesen Abschnitt aus dem ersten Lehrer-Interview gelesen hat: „Das ist ja schrecklich, was ich da gesagt habe. […] Würde ich heute nie mehr so sagen, was da steht“ (2LS, 13.56). Im Weiteren erläutert sie genauer, was sie mit ihrer Aussage meint. Das Ergänzen bis zum nächsten Zehner sieht sie als eine Strategie an, die sie den Schüler anbieten würde, aber „ich würde sie nicht als das Non-Plus- Ultra gelten lassen“ (2LS, 14.22). Sie will auch die Strategien, die „sich die Kinder zurechtlegen und wie die zum Ergebnis kommen“ (2LS, 14.22), gelten lassen. „Das ist für mich so auch die Quintessenz [aus dem Schüler-Interview], also aus der Arithmetik“ (2LS, 14.22). Es stellt sich heraus, dass sie mittlerweile die Schüler ihre eigenen Denk- und Lösungswege gehen lässt und an diesen interessiert ist. LS dokumentiert selbst ihren Wandel von einem vorgegebenen Lösungsweg zu einer Strategievielfalt. Im Unterricht fragt sie die Kinder nach ihren unterschiedlichen Strategien und lässt sie von den Kindern anschreiben. Sie macht daraus „eine Art Rechenkonferenz“ (2LS, 16.30), indem sie die Schüler nach ihrem Rechenweg fragt und sie ihre Rechenwege erklären und gegebenenfalls begründen. „Wie rechnest du denn am liebsten? Und sag mir mal warum“ (2LS, 16.30). LS gewinnt dadurch einen höheren Grad an Professionalität. Es entsteht eine stärkere Prozessorientierung. Nach LS „hat sich [dies] hundert Prozent verändert“ (2LS, 17.40). Bei ihr stand die Ergebnisorientierung im Vordergrund, „aber jetzt ist für mich auch ganz wichtig zu gucken, welchen Weg gehen die Kinder“ (2LS, 17.40). Das Ergebnis ist zwar wichtig und sollte auch richtig sein, aber „ich denke mal, das ist mehr der Weg dahin“ (2LS, 17.40). LS ist selbstständiges und flexibles Denken bei den Schülern wichtiger als das korrekte Ausführen von Algorithmen und das Gewinnen richtiger Ergebnisse. Dies spiegelt sich auch in der Notenvergabe wider, die in einem vorgehenden Abschnitt angesprochen wurde. Durch den Besuch mehrerer Lehrer-Fortbildungen hat LS, laut ihrer eigenen Aussage, eine andere Sicht auf den Mathematikunterricht gewonnen. Seither arbeitet sie z. B. viel mit der Hundertertafel, was sie zuvor nie gemacht hat. Sie hat ein „ganz anderes Bewusstsein für [Mathematik] bekommen“ (2LS, 14.22). Im Schuljahr 2003/2004 hat sie eine Fortbildung bei Wittmann besucht und „das hat mich auch so, (.) so überzeugt, weil das hat ja irgendwas […] mit dem Interview zu tun. Ne. Also wie man eben auch arbeiten kann“ (2LS, 15.20). Sie entnimmt der Fortbildung interessante Erkenntnisse, die sie in ihrem Unterricht umsetzt und die dem Mathematikbild der Untersuchung entsprechen, einem aktiv-entdeckenden Mathematikunterricht. LS erkennt, dass Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 95 das Schüler-Interview konstruktivistische Ansätze verfolgt, kann dies aber nicht benennen. Sie sieht aber dennoch die Parallele zwischen den Inhalten, die Wittmann in der Fortbildung vermittelt hat und dem Schüler-Interview. Sie will ihren Mathematikunterricht „angeregt durch dieses Interview“ (2LS, 15.40) verändern. Die Veränderung habe bereits vor dem Schüler-Interview begonnen, sei aber durch dieses verstärkt worden. LS bejaht die aufgestellte Aussage: „Das Schüler-Interview ist ein Katalysator zur Verbesserung der Unterrichtsqualität“. Das Schüler-Interview führte bei LS zur Reflexion über ihren Unterricht und zu Veränderungen in ihrem Unterricht. Ihr ist dabei klar geworden, welche Themen sie „vernachlässigen kann“ (2LS, 35.57). Sie äußert, dass das Schüler-Interview eine implizite Lehrerfortbildung ist, aber nur für die interessierten Lehrer. Wenn die Lehrer nicht bei der Lernstandserfassung des Kindes stehen bleiben, sondern Konsequenzen für ihren Unterricht daraus ziehen, dann stellt es eine Lehrer- fortbildung dar. „Das ist ja eigentlich das, was es letztendlich auch sein soll“ (2LS, 37.49). LS ist bewusst geworden, dass das Schüler-Interview sowohl ein mathematikdidaktisches Diagnoseinstrument für die Schüler ist als auch ein Reflexionsinstrument zur Unterrichtsveränderung der Lehrer im Sinne des konstruktivistisch angelegten Schüler-Inter- views. Schwächen ihres eigenen Unterrichts sind ihr durch das Schüler-Interview bewusst geworden. Nach LS Meinung hat die Veränderung des Unterrichts Auswirkungen auf die Schullaufbahn des Schülers. Sie konnte den Kindern gezielt Aufgaben stellen, da sie ihren Lernstand durch das Schüler-Interview wusste. Insofern hat sich ihr Unterricht verändert und dies hat somit Einfluss auf die Schullaufbahn der Schüler genommen. LS bemerkt durch das Schüler-Interview, dass sie Geometrie in ihrem Mathematikunterricht vernachlässigte und will deshalb bei ihrer neuen ersten Klasse „ganz, ganz großen Augenmerk darauf legen“ (2LS, 27.13). Sie beobachtet, dass Schüler, „die nicht kontinuierlich vom ersten Jahr an in dem Bereich [Geometrie] trainiert werden, dass die tatsächlich Schwächen haben“ (2LS, 27.13). Diese Aussage wirft Unstimmigkeiten auf, denn einige befragte Schüler, vor allem leistungsschwächere, zeigen hohe Performanzen in diesem Teilbereich. Vielleicht war LS verwundert, dass ihre leistungsstarken Schüler im Bereich der Geometrie Schwächen aufwiesen, obwohl sie keine Probleme mit den im Unterricht behandelten Themengebieten hatten. Vermutlich kommt LS deshalb auch zu dem Schluss Geometrie in ihrem Unterricht zu wenig behandelt zu haben. Obwohl die Ergebnisse der Schüler-Interviews bei LS verbleiben und im Schüler-Interview Aufgaben vorkommen, die die Schüler nur mit ihren Unterrichtskenntnissen Anfang des zweiten Schuljahres noch nicht lösen können, beginnt LS mit einem “teaching to the test”. Dabei betont sie aber, dass sie die Kinder bei der Erarbeitung und für die Erzeugung einer Vorstellung viel handelnd arbeiten ließ. Sie benutzte dazu auch das Hunderterfeld. Bei Lernkontrollen stellt sie jetzt fest, dass die Kinder eine Vorstellung von der Multiplikation haben. Zu einem gegebenen Punktmuster die passende Malaufgabe zu finden, bereitet ihnen keine Probleme. Sie führt ihre veränderte Vorgehensweise auf das Schüler-Interview zurück. Wie sie vor dem Schüler-Interview mit dem Thema Multiplikation umgegangen ist, kann nicht gesagt werden, da LS dazu keine Aussage macht. Insgesamt ist LS der Meinung, dass das Schüler-Interview „bei mir ganz viel ausgelöst [hat], für mich und meinen Unterricht“ (2LS, 35.57). Soweit sie die Wirkungen des Schüler-Interviews auf ihren Unterricht beschrieben hat, werden diese unter Kategorie II.2 erläutert und analysiert. Subkategorie II.2.3 „Lernstandsbestimmung, Leistungseinschätzung der Schüler“ LS betont, dass sie durch das Führen der Schüler-Interviews ihren Blick nicht nur auf die befragten Kinder, sondern auf alle Kinder verändert hat (vgl. 2LS, 06.18). Dies bedeutet, dass die Auseinandersetzung mit dem Schüler-Interview Rückschlüsse auf alle Schüler zulässt, Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 96 auch wenn nur einige befragt werden. Änderungen des Unterrichts, wie sie LS beschreibt, wirken sich auf die gesamte Klasse aus. Fazit zu Kategorie II.2 „Unterstützung des eigenen Unterrichts“ LS nutzt das Schüler-Interview als ein Reflexionsinstrument zur Unterrichtsveränderung im Sinne des konstruktivistisch angelegten Schüler-Interviews. Sie frage die Schüler gezielt nach ihrem Rechenweg. Dabei lasse sie eine Strategienvielfalt zu und schreibe den Schülern keinen Lösungsweg vor. Ihren Aussagen zufolge ist ihr selbstständiges flexibles Denken wichtiger als Algorithmen auszuführen und ausschließlich richtige Ergebnisse zu erhalten. Dadurch tritt die Prozessorientierung gegenüber der Ergebnisorientierung stärker in den Vordergrund. Ihr Blick verändert sich nicht nur auf die befragten Kinder, da das Schüler-Interview laut LS Rückschlüsse auf alle Schüler zulässt. Aus dem Schüler-Interview entnimmt LS Handlungsideen aus den Teilbereichen „Strategien bei Addition und Subtraktion“, „Masse“ und Geometrie. Ferner stellt sie fest, dass sie Geometrie in ihrem Mathematikunterricht vernachlässigte. Die schwachen Geometrie- leistungen einiger Schüler führt LS darauf zurück. Laut LS bietet das Führen von Schüler-Interviews interessierten Lehrern eine implizite Lehrerfortbildung. Kategorie II.3 „Unterstützung der Schulentwicklung“ Inhaltliche Kategorien Beobachtetes Vorhandensein nicht vorhanden wenig vorhanden vorhanden deutlich vorhanden II.3 Unterstützung der Schulentwicklung x II.3.1 Vorstellung in der Konferenz bzw. den Kollegen x II.3.2 Rückmeldung an Kollegen x II.3.3 Fördergruppen für Schüler x II.3.4 Lehrer als Vertreter/Multiplikator des Interviews x Zu den Subkategorien II.3.1 „Vorstellung in der Konferenz bzw. den Kollegen“ und II.3.2 „Rückmeldung an Kollegen“ traten im abschließenden Lehrer-Interview mit LS keine Aus- sagen auf, da sie ihre Kollegen bereits vor dem ersten Lehrer-Interview in der Lehrer- konferenz informiert hatte. Subkategorie II.3.3 „Fördergruppen für Schüler“ LS spricht im abschließenden Lehrer-Interview, wie im ersten Lehrer-Interview, die Bildung von Fördergruppen nach Leistungsniveaus in einem Jahrgang an. Bisher konnte sie ihre Idee aus zeitlichen Gründen nicht umsetzen (2LS, 22.53). Ob sie sie bei genügend zeitlichen Ressourcen ausgeführt hätte, kann nur vermutet werden. Subkategorie II.3.4 „Lehrer als Vertreter/Multiplikator des Interviews“ LS ist Fachleiterin für Mathematik an Grundschulen. Das Schüler-Interview hat für sie eine große Bedeutung. Es ist zu ihrem „Steckenpferd“ (2LS, 46.00) geworden. Sie möchte gern weitere Kollegen gewinnen. Dazu will sie das Schüler-Interview „in den Fachbereich integrieren und da auch was bewegen“ (2LS, 46.00). LS möchte nicht nur Multiplikatorin an der eigenen Schule sein, sondern ihre Einsichten auch an andere Kollegen weitergeben. Dazu will sie ihnen das Schüler-Interview demonstrieren und „die Auswirkungen also, was das Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 97 [Schüler-Interview] also mit mir gemacht hat […] und Auswirkungen für meinen Unterricht“ (2LS, 46.54) berichten. LS glaubt, dass das Schüler-Interview „gerade (.) für die, die fachfremd unterrichten ganz, ganz wichtig wäre“ (2LS, 46.54). Dabei ist zu bedenken, dass LS selbst Mathematik fachfremd unterrichtet. Das Schüler-Interview hat ihr anscheinend Unterstützung beim Mathematikunterrichten geboten. Es ist ihr so wichtig, dass sie ihre eigene dritte Klasse abgegeben hat, um „an diesem Interview und an der Entwicklung auch weiter mitarbeiten zu können“ (2LS, 00.09). Sie übernimmt dafür eine erste Klasse, in der sie Mathematik unterrichtet und weiterhin Schüler-Interviews erproben kann. Fazit zu Kategorie II.3 „Unterstützung der Schulentwicklung“ LS will nicht nur ihre Kollegen an der eigenen Schule, sondern alle Lehrer als Multiplikatorin über das Schüler-Interview informieren. Sie empfindet das Schüler-Interview als Unter- stützung beim Mathematikunterrichten, vor allem bei fachfremden Lehrern. Die Bildung von Fördergruppen nach Begabungsniveaus spricht sie, wie im ersten Lehrer-Interview, an. Aus zeitlichen Gründen sind sie noch nicht eingerichtet. Kategorie III „Schulsituation“ Inhaltliche Kategorien Beobachtetes Vorhandensein nicht vorhanden wenig vorhanden vorhanden deutlich vorhanden III Schulsituation x III.1 Förderung in der Schule x III.2 Mathematikunterricht in der Schule x III.3 Kooperation mit Kollegen x Subkategorie III.1 „Förderung in der Schule“ Im Schulprogramm der Schule A ist ein Punkt „Diagnosefähigkeit und Fördermaßnahmen“ für alle Fächer. LS sieht die Bedeutung dieses Aspektes. Im Bereich Mathematik wird er durch das Schüler-Interview unterstützt. Subkategorie III.2 „Mathematikunterricht in der Schule“ Allgemein für den Mathematikunterricht in der Schule hat das Schüler-Interview „eine Diskussion innerhalb des Kollegiums [über Strategieorientierung] ausgelöst“ (2LS, 06.18). Eine Kollegin, über die anderen Kollegen macht LS keine Aussagen, wehrt sich gegen die Strategieoffenheit. Sie schreibt den Kindern vor, bei einer Aufgabe wie 24 + 29 schrittweise, d.h. 24 + 20 + 9 rechnen zu müssen. Sie ist der Meinung, dass alle Kinder nach der gleichen Strategie rechnen sollen. LS versucht ihr zu vermitteln, dass Kinder ihre eigene Strategie anwenden dürfen, so lange das Ergebnis richtig ist. Die Kollegin ist nicht bereit andere Lösungswege zuzulassen. LS führt dies bei ihrer Kollegin auf Widerstände zurück sich auf Neues einzulassen. Daraufhin überlegte sich LS in einer Mathematikfachkonferenz zu thematisieren, dass Kinder auf unterschiedlichen Wegen zu ihren Lösungen gelangen. Ausgelöst wurde dies bei LS durch das Schüler-Interview. Durch das Führen der Schüler-Interviews wurde ihr nicht nur bewusst, dass sie selbst Geometrie in ihrem Unterricht vernachlässigt, sondern Geometrie bei allen Lehrern in der Schule „immer so ein bisschen Stiefkind ist“ (2LS, 27.13). Sie berichtet, dass die Lehrer Geometrie nur kurz am Ende des Schuljahres behandeln und ansonsten außer Acht lassen. LS wünscht sich eine stärkere Dissemination des Projektes über die Versuchsschulen hinaus. Sie hofft, dass es „auf breitere Beine gestellt wird [und] mehr in die Fläche geht“ (2LS, 1.01.05). Sie könnte sich auch vorstellen in Zusammenarbeit mit der Universität Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 98 Fortbildungen, auch für ganze Kollegien, zu organisieren (vgl. 2LS, 49.05). LS ist sehr engagiert und motiviert, um sich weiterzubilden. Dies spiegelt sich auch in ihrem Aufstieg von einer Lehrerin zur Rektorin dieser Grundschule wider. Sie möchte mit Hilfe des Schüler- Interviews den Mathematikunterricht, vor allem der fachfremden Lehrer, reformieren. Das Schüler-Interview scheint sie persönlich stark beeinflusst zu haben und sie nimmt an, dass alle fachfremden Lehrer in der gleichen Weise und mit derselben Begeisterung auf den Nutzen des Führens von Schüler-Interviews reagieren. Subkategorie III.3 „Kooperation mit Kollegen“ Eine verstärkte Auseinandersetzung mit den Kollegen ist seit dem ersten Lehrer-Interview bei LS zu verzeichnen. Zwar führt außer ihr niemand an der Schule Schüler-Interviews, aber wie oben bereits beschrieben, wird das Thema Strategieorientierung mit den Kollegen diskutiert und sie versucht die Kollegen stärker einzubinden. In der Lehrerkonferenz, in der der Teil- bereich Masse mit der Waage vorgeführt wurde, haben die Kollegen Interesse gezeigt und waren von der Sache angetan. Die Resonanz der Kollegen bezüglich des Diagnoseinstruments ist positiv. „Aber das hat nicht wirklich was ausgelöst, dass sie das, also ganz heiß darauf waren, das mal selber auszuprobieren“ (2LS, 43.44). Sie gibt aber zu bedenken, dass ihr das Durchführen der Schüler-Interviews durch die Doppelbesetzung mit ihrer Referendarin möglich war. Ihre Kollegen nimmt sie in Schutz und führt an, dass das Führen der Schüler- Interviews eine Zeitfrage bzw. Zeitmangel ist, der dadurch zustande kommt, dass Grundschullehrer unter 50 Jahren in Hessen verpflichtet sind 30 Stunden Unterricht zu halten. Fazit zu Kategorie III „Schulsituation“ LS wünscht sich eine stärkere Dissemination des Projektes. Im Schulprogramm der Schule A unterstützt das Schüler-Interview den Punkt „Diagnosefähigkeit und Fördermaßnahmen“. Mit Kollegen diskutiert LS daraufhin über das Thema Strategieorientierung und will mit ihnen thematisieren, dass Kinder auf unterschiedlichen Wegen zu ihren Lösungen gelangen können. Sie stellt fest, dass Geometrie ‚stiefmütterlich’ von den Lehrern in der Schule behandelt wird. Kategorie VI „Elternarbeit“ Inhaltliche Kategorien Beobachtetes Vorhandensein nicht vorhanden wenig vorhanden vorhanden deutlich vorhanden VI Elternarbeit x VI.1 Leistungsstandmeldung an die Eltern x VI.2 Einbindung der Eltern (Verantwortung an Eltern delegieren)/Förderung zu Hause x VI.3 Interesse der Eltern an Schule x Subkategorie VI.1 „Leistungsstandmeldung an die Eltern“ Auf Rückfragen der Eltern hat LS ihnen den Leistungsstand ihres Kindes mitgeteilt. Subkategorie VI.2 „Einbindung der Eltern (Verantwortung an Eltern delegieren)/Förderung zu Hause“ und Subkategorie VI.3 „Interesse der Eltern an Schule“ Sie bittet die Eltern um Erlaubnis für die Videodokumentation des Schüler-Interviews und erläutert ihnen, dass die Auswertung des Schüler-Interviews durch die Möglichkeit des mehr- maligen Nachvollziehens von Antworten und Handlungen des Kindes mit Hilfe des Videos eine fundierte Auswertung zulässt. Die Eltern stimmen der Videodokumentation zu und sind daran interessiert, dass LS auch ihr Kind interviewt (vgl. 2LS, 11.27). Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 99 Fazit zu Kategorie VI „Elternarbeit“ LS teilt den Eltern mit Hilfe der Ergebnisse des Schüler-Interviews den Leistungsstand des Kindes mit. Mit den Eltern tritt sie in Kontakt aufgrund der Durchführung der Schüler- Interviews. Allgemeine Bemerkungen zum abschließenden Lehrer-Interview mit LS LS verwendet im abschließenden Lehrer-Interview weniger Füllwörter, wie ähm und äh, als im ersten Lehrer-Interview. Es wird vermutet, dass LS ihre Faszination und ihre Erkenntnisse, die sie aus dem Führen der Schüler-Interviews gewinnt, durch die längere Beschäftigung klarer (eindeutiger) benennen kann. Die erste Zeit der undefinierbaren Faszination vom Schüler-Interview ist übergegangen in die Kennzeichnung des Nutzens des Schüler-Inter- views. Vielleicht ist LS im abschließenden Lehrer-Interview in der Lage ihre Erkenntnisse in Worte zu fassen, da sie, z. B. in den Arbeitstreffen fachdidaktische Begriffe erfahren hat. Das Wort „spannend“ verwendet sie nur zweimal (2LS, 15.20, 46.00). Einmal als sie einen inhaltlichen Zusammenhang zwischen dem Schüler-Interview und der Fortbildung von Wittmann erkennt und das andere Mal als sie ihre Überzeugung vom Schüler-Interview bekundet. Dabei zeigt sich in ihrer Aussage „weil das also wirklich für mich so spannend geworden ist“ (2LS, 46.00), dass sich ihre Sicht auf das Schüler-Interview erst entwickelt hat. Gesamtfazit zum abschließenden Lehrer-Interview mit LS Im Mittelpunkt des abschließenden Lehrer-Interviews stehen bei LS die Kategorien II.1 „Förderunterstützung bei den befragten Schülern“ und II.2 „Unterstützung des eigenen Unterrichts“. Besonders auffällig ist die Subkategorie II.2.2 „Sicht auf Unterricht/Ver- änderung des Unterrichts“. Das Schüler-Interview ist für LS ein Reflexionsinstrument zur Unterrichtsveränderung im Sinne des konstruktivistisch angelegten Schüler-Interviews. LS berichtet hauptsächlich von Konsequenzen für ihren Mathematikunterricht, die sie aus dem Führen der Schüler-Interviews gezogen hat. Sie ist vom Nutzen des Schüler-Interviews so überzeugt, dass sie als Multiplikatorin für das Schüler-Interview wirken und ihre positiven Erfahrungen anderen Kollegen, vor allem Fachfremden, vermitteln möchte (2LS, 46.54). Für interessierte Lehrer bildet laut LS das Schüler-Interview eine implizite Lehrerfortbildung. Deshalb wünscht sie sich eine stärkere Dissemination des Projektes. Ferner passt ihrer Meinung nach das Schüler-Interview zu den Bildungsstandards und stellt auch eine gute Basis für Vergleichsarbeiten dar. In Bezug auf die Schüler verändert LS ihre Sicht auf die Leistungen der Kinder und ihren Umgang mit ihnen. Sie betrachtet ihre individuellen Stärken und Schwächen prozessorientiert und nicht defizitorientiert. Dies führt bei einigen Schülern zu einer Einstellungsänderung gegenüber dem Unterricht. Die Eltern zeigen Interesse an den Schüler-Interviews und LS teilt ihnen den Leistungsstand ihres Kindes mit. 3.2.1.6 Vergleich der beiden Lehrer-Interviews mit der Lehrerin LS Im Folgenden sollen die beiden Lehrer-Interviews mit LS anhand der Kategorien miteinander verglichen werden, um einen möglichen Entwicklungsprozess über den einjährigen Untersuchungszeitraum bei LS aufzuzeigen. LS erweist sich als äußerst gesprächsbereit und auskunftsfreudig. Dies zeigt sich nicht nur an ihren eigenen Beiträgen in den Lehrer- Interviews, sondern lässt sich auch an der Tatsache festmachen, dass sie enthusiastisch beim Treffen mit Vertretern aus dem Hessisches Kultusministerium vom Schüler-Interview und seinem Nutzen berichtet. Diese Aussagen werden hinzugezogen, da sie LS vermutlich besonders wichtig und bedeutsam sind, so dass sie sie vor Entscheidungsträgern und Unter- stützern des Projektes äußert. Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 100 Im Schuljahr 2003/2004 hat LS neun Schüler ihrer eigenen zweiten Klasse interviewt. Vergleich der Kategorien zwischen den beiden Lehrer-Interviews mit LS Kategorie I „Bewertungen des Schüler-Interviews als Instrument durch die Lehrer“ LS sieht das Schüler-Interview als ein mathematikdidaktisches Diagnoseinstrument zur Bestimmung der Schülerperformanzen. Beim Besuch der Vertreter des Hessischen Kultus- ministeriums betont sie, dass sie eine „Verfechterin des Schüler-Interviews“ sei und keine Angst vor den Vergleichsarbeiten habe, wenn sie dieses Interview mit ihren Schülern durchführe. Am Ende der einjährigen Erprobung des Schüler-Interviews ist sie in der Lage mit Hilfe des Schüler-Interviews den Lernstandort des Kindes zu bestimmen und gewinnt dadurch einen „ganz anderen Blick auf das Kind“ (2LS, 1.01.05). Zuerst ist sie fasziniert vom Schüler-Interview und dann überzeugt davon. Sie führt die Schüler-Interviews nach dem Unterricht durch und ihre zeitorganisatorischen Probleme nehmen (subjektiv) ab, da sie stärker den Nutzen des Schüler-Interviews betrachtet. Gegenüber den Entscheidungsträgern fordert sie für die Durchführung der Schüler-Interviews Entlastungsstunden zu erhalten. Im abschließenden Lehrer-Interview erwähnt sie, dass sich ihre Sicht auf die Leistungen der Kinder und ihre (Zeugnis-)Noten verändert hat. Die positive Einstellung, die Freude und das Gefallen der Schüler am Schüler-Interview bleiben erhalten. Sie genießen vor allem die individuelle Zuwendung von LS im Schüler-Interview. Ein neuer Aspekt taucht im abschließenden Lehrer-Interview auf. LS vergleicht das Ausfüllen des Lehrer-Fragebogens mit dem Schreiben einer verbalen Beurteilung. Kategorie II „Unterrichtsunterstützung“ Kategorie II.1 „Förderunterstützung bei den befragten Schülern“ Das Schüler-Interview liefert LS neue Einsichten bei ihren Schülern und führt weiter zu einer Veränderung von einer defizitorientierten zu einer prozessorientierten Sicht auf die Leistungen der Schüler. LS vollzieht einen Perspektivwechsel in Bezug auf die Einschätzung der Leistungen ihrer Schüler. Dies betont sie auch vor den Vertretern des Hessischen Kultusministeriums. Sie berichtet, dass sie die Schüler bei vielen Aufgaben ihren Lösungsweg mündlich oder schriftlich artikulieren lässt. Dadurch ist für LS vermutlich die Einschätzung der Schülerleistungen einfacher und durchsichtiger geworden. Im ersten Lehrer-Interview berichtet sie das Schüler-Interview als Entscheidungshilfe für eine freiwillige Rücknahme zu nutzen und spiegelt im abschließenden Lehrer-Interview den Nutzen wider. Das Erkennen der individuellen Stärken und Schwächen der Schüler führt zu einer bewussten und gezielten Förderung, z. B. in der Geometrie, einem veränderten Umgang mit ihnen, und dadurch vermutlich zu einer Einstellungsänderung einiger Schüler gegenüber dem Unterricht. Beim ersten Lehrer-Interview kann LS ihren Schülern noch keine differenzierte Rückmeldung über ihre Leistungen geben. Im abschließenden Lehrer-Interview berichtet sie, dass sie jetzt dazu in der Lage ist. Zur Beschreibung der Lösungswege der Kinder verwendet LS kein mathematikdidaktisches Fachvokabular. Kein Kind zeigte im Schüler-Interview Kon- zentrationsschwächen. Dies liegt vermutlich an der hohen individuellen Zuwendung im Eins- zu-eins-Interview. Kategorie II.2 „Unterstützung des eigenen Unterrichts“ Beim ersten Lehrer-Interview berichtet LS, dass sie durch das Schüler-Interview Informationen über die fehlende Behandlung bestimmter Bereiche in ihrem Unterricht erhält. Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 101 Vor den Vertretern des Hessischen Kultusministeriums berichtet sie, dass sie Schwerpunkte aus dem Schüler-Interview in ihrem Unterricht konkretisiert. Ihre Einsichten werden umfassender und sie nutzt das Schüler-Interview als ein Reflexionsinstrument zur Unterrichts- veränderung im Sinne des konstruktivistisch angelegten Schüler-Interviews. LS hat den Schülern, wie im ersten Lehrer-Interview berichtet, einen Lösungsweg vorgegeben und im abschließenden Lehrer-Interview ist sie darüber schockiert. Sie lässt eine Strategievielfalt selbstverständlich zu und fragt die Schüler bewusst und gezielt nach ihrem Lösungsweg. Die Ergebnisorientierung wird für sie zweitrangig und die Prozessorientierung steht im Vordergrund ihrer Sicht auf die Schülerleistungen. Selbstständiges und flexibles Denken ist ihr wichtiger als das ausschließliche Berechnen korrekter Ergebnisse. Ihr Blick auf alle Schüler verändert sich dadurch. LS gelangt zu der Einsicht, dass die Schüler höhere Leistungen vorweisen als von ihr erwartet und sie den Zahlenraum im zweiten Schuljahr nicht bis 100 begrenzen muss. Die schwachen Geometrieleistungen einiger Schüler führt sie darauf zurück, dass sie Geometrie in ihrem Mathematikunterricht vernachlässigte. Jetzt behandelt sie stärker Geometrie in ihrem Unterricht. Im Laufe des Erprobungsrahmens entnimmt sie aus dem Schüler-Interview Handlungsideen aus den Teilbereichen „Strategien bei Addition und Subtraktion“, „Masse“ und Geometrie. Es scheint als habe das Führen der Schüler-Interviews stärkere Auswirkungen auf den Lehrer als auf die befragten Schüler. LS beginnt über sich, ihr Tun und ihren Umgang mit den Schülern zu reflektieren. Sie glaubt, dass das Schüler-Interview eine implizite Lehrerfort- bildung für interessierte Lehrer darstellt. Kategorie II.3 „Unterstützung der Schulentwicklung“ LS sieht die Durchführung von Schüler-Interviews für Kollegen und für sich als lohnend an. Im ersten Lehrer-Interview berichtet sie, dass sie die Lehrer in der Konferenz darüber informierte. Mittlerweile ist sie der Überzeugung, dass das Schüler-Interview die Lehrer beim Mathematikunterrichten unterstützen kann. Deshalb möchte sie als Multiplikatorin fungieren und allen Lehrern das Schüler-Interview und seinen Nutzen vorstellen. In ihrer Schule will sie Fördergruppen nach Begabungsniveaus einrichten, konnte dies aber bis jetzt aus zeitlichen Gründen nicht umsetzen. Kategorie III „Schulsituation“ LS ist an einer stärkeren Dissemination des Projektes interessiert und stellt sich als Multiplikatorin zur Verfügung. Zuerst reflektiert sie über Lehr- und Lernprozesse im Mathematikunterricht. Mathematikunterricht bestehe größtenteils aus Reproduktion. Im abschließenden Lehrer-Interview berichtet sie, dass sie ihre Kollegen mit einbezieht, indem sie mit ihnen über das Thema Strategieorientierung diskutiert. Sie versucht den Mathematikunterricht von der reinen Reproduktion zu befreien. Ihr wird auch bewusst, dass Geometrie von den Lehrern in der Schule zu wenig behandelt wird. Die Schule wird durch das Schüler-Interview bei „Diagnosefähigkeit und Fördermaßnahmen“ in ihrem Schul- programm unterstützt. Kategorie VI „Elternarbeit“ Durch die Ergebnisse des Schüler-Interviews tritt LS mit den Eltern in Kontakt und diese interessieren sich dafür. Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 102 Gesamtfazit des Entwicklungsprozesses der Lehrerin LS über den einjährigen Untersuchungszeitraum Bezug nehmend auf die drei gestellten Forschungsfragen lassen sich folgende Antworten für den Entwicklungsprozess von LS ableiten. Die Forschungsfragen lauten: - Welche Unterstützung bietet das Schüler-Interview dem Lehrer? - Welche Konsequenzen ziehen Lehrer aus dem Führen eines Schüler-Interviews? - Bilden die Schüler-Interviews ein Instrument „handlungsleitender Diagnostik“ (Wollring 2003)? Es zeigt sich, dass die Durchführung der Schüler-Interviews LS zuerst beim Umgang mit einzelnen Schülern unterstützt. Im Weiteren weitet sich dies auf alle Schüler ihrer Klasse und vor allem ihren Unterricht aus. Aus dem Führen der Schüler-Interviews zieht sie Kon- sequenzen für ihren Unterricht in dem Sinne, dass sie im Laufe der Untersuchung eine konstruktivistische Sichtweise auf die Schülerleistungen und den Mathematikunterricht ein- nimmt. Die Schüler-Interviews bilden ein Instrument „handlungsleitender Diagnostik“ (Wollring 2003) vor allem für LS, die dadurch angeregt wurde über ihren Umgang mit den Schülern, über ihr Unterrichten und über sich selbst zu reflektieren. Sie entwickelte eine Bewusstheit für den Mathematikunterricht, welche die Kompetenzen in der Konzeption und Organisation von Lernprozessen unterstützt (vgl. Selter 1995, S. 118). Die Schüler-Interviews wirken sich nicht nur für die Lehrer aus, sondern auch für die Schüler und zwar im Sinne des Zitates von Selter (1995, S. 126): „Die Reflexion über das eigene Lernen, Denken und Verhalten ist meiner Einschätzung nach eine wichtige Voraussetzung, um über das Lernen, Denken und Verhalten von Schüler reflektieren zu können“. Ihr Kompetenzzuwachs durch das Schüler-Interview liegt in einem Perspektivwechsel auf Mathematik, Mathematikunterricht und das Können der Schüler. 3.2.2 Lehrerin PB an Schule B – Kurzfach Schule B mit ca. 200 Schülern befindet sich im Kreis Kassel. An dieser Schule sind 12 Lehrer und 2 Sozialpädagogen tätig. 9 Lehrer unterrichten Mathematik. Davon haben 2 Lehrer Mathematik studiert und 7 Lehrer unterrichten Mathematik fachfremd. Etwa 80 % der Mathematik unterrichtenden Lehrkräfte haben das Fach nicht studiert. 3.2.2.1 Biographische Bemerkungen zur Lehrerin PB PB ist Lehrerin an Schule B. Zu Beginn des Erprobungszeitraums ist sie 34 Jahre alt. Seit 5 Jahren ist sie als Grundschullehrerin tätig. Ihre erste Ausbildung zur Grundschullehrerin erhielt sie in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik. Das Studium hat ihr „Spaß gemacht“ (PB, 34.15). Nach der Wende konnte sie als Erzieherin in Kassel tätig sein. Es folgte ein Studium der Sozialpädagogik an der Universität Kassel, welches sie mit einem Diplom abschloss. Um als Grundschullehrerin in Westdeutschland unterrichten zu dürfen, absolvierte sie eine Erweiterungsprüfung für das Lehramt Grundschule an der Universität Kassel. Dabei studierte sie Mathematik für die Klassen 1 bis 4 als Nebenfach (vgl. PB, 32.51). In ihrem Studium hat sie eine konstruktivistische Sicht auf die Mathematik kennen gelernt. Dies schildert sie im Lehrer-Interview (vgl. PB, 15.18). PB kann wegen ihres beruflichen Werdegangs als „unterrichtskulturelle Seiteneinsteigerin“ bezeichnet werden. Auf die Forscherin wirkt PB bei Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 103 den Arbeitstreffen mit den Lehrern sehr engagiert und motiviert. Sie stellt dort Nachfragen zu mathematikdidaktischen Fragestellungen, die sie gerade beschäftigen. Aus dem Lehrer-Interview ergibt sich folgende Sicht der Forscherin auf PB: Das Interesse von PB liegt speziell auf Kindern, die Schwierigkeiten in der Mathematik aufweisen. Daher hat sie ausschließlich leistungsschwache Schüler interviewt. Sie wünscht sich flankierende Fortbildungen zum Schüler-Interview, um eigene „therapeutische Kompetenzen“ (PB, 29.05) erwerben zu können. Durch das Schüler-Interview hat PB, laut ihrer eigenen Aussage, auf ihre Fragen nach möglichen Gründen für Probleme, die manche Kinder mit Mathematik haben, Ideen gefunden und ihre offenen Fragen fokussieren können (vgl. PB, 40.57). Im Schuljahr 2003/2004, während der Erprobungsphase der Untersuchung, unterrichtet sie als Klassenlehrerin eine Schuleingangsstufe. Diese setzt sich zu gleichen Teilen aus Kindern der Klasse 0, 1 und 2 zusammen, die gemeinsam in einer Klasse unterrichtet werden. In dieser Klasse erteilt PB den Mathematikunterricht. Seit 2 ½ Jahren unterrichtet sie in der Schul- eingangsstufe. Ihre Bereitschaft zur Teilnahme an dieser Fallstudie hat sie erst nach einem halben Jahr Erprobung erklärt. Sie wollte das Projekt erst an der Grundschule, an der sie tätig ist und zwei weitere am Projekt beteiligte Lehrerinnen arbeiten, beobachten, um für sich die Wirkung der Schüler-Interviews abschätzen und ihren eigenen zeitlichen Aufwand einschätzen zu können. Aus diesen Gründen existiert nur ein Lehrer-Interview mit ihr. Es liegen vier Schüler- Interviews und ein Lehrer-Fragebogen vor. 3.2.2.2 Mathematikunterricht der Lehrerin PB PB fühlte sich im Mathematikunterricht ihrer eigenen Schulzeit sehr sicher. Sie glaubt, dass dies an ihrem guten Lehrer lag. Ihren Aussagen zufolge hatte sie „keine Angst vor Mathematik“ und war „offen für dieses Spielerische an der Mathematik“ (PB, 33.13). Mathematischen Problemen gegenüber hatte und hat sie eine prozessorientierte Einstellung. Sie versuchte sie zu lösen oder suchte sich Hilfe. Sie hat dies nie als „einen Gewaltakt angesehen, den [sie] schnell bewältigen muss“ (PB, 33.13). Ihre Einstellung gegenüber Problemen und ihre Kompetenzorientierung bei sich selbst, spiegelt sich im nachfolgenden Zitat wider: „Ich glaub [ich] wäre […] immer in der Lage ein Problem zu lösen, oder mir, wenn ich’s gar nicht selber lösen kann, Hilfe zu holen, irgendwo. Und würde dann auch nicht, also ich erwarte auch nicht von mir, alles zu können. Oder immer alles zu können, sondern dann, wenn ich es brauche, glaube ich, bin ich in der Lage, es irgendwie zu lösen“ (PB, 34.15). Aufgrund ihrer Aussagen im Lehrer-Interview scheint es als vermittle PB diese Einstellung auch ihren Schülern. Sie berichtet im Lehrer-Interview u. a. die Prozessorientierung im Mathematikunterricht zu betonen. Durch das Schüler-Interview habe sie festgestellt, dass sie ein „totaler Geometriefan“ (PB, 01.52) sei und wurde dadurch angeregt einen geometrischen Inhalt im Unterricht zu thematisieren. Ferner wurde sie durch das Schüler-Interview in ihrer konstruktivistischen, prozess- und kompetenzorientierten Sichtweise auf die Kinder bestärkt, dass „es richtig ist, so auf die Kinder zu schauen“ (PB, 21.51). 3.2.2.3 Kohärenzentwicklung in den Lehrer-Fragebögen der Lehrerin PB Die Lehrerin PB interviewte im Zeitraum von Dezember 2003 bis Juni 2004 zwei Schülerinnen und einen Schüler. Das letzte Schüler-Interview im Juli 2004 wurde von einer studentischen Assistentin geführt. PB war beim Schüler-Interview anwesend. Alle vier Schüler sind aus der Schuleingangsstufe von PB. Diese umfasst die Klassenstufen 0 bis 2. Drei Schüler besuchen die Schule im dritten Jahr und eine im zweiten Jahr. Dies entspricht Klasse 2 und Klasse 1. Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 104 Von PB liegt ein ausgefüllter Fragebogen für das dritte Schüler-Interview vor. Für die anderen Schüler füllt sie, laut ihrer Aussagen aufgrund von Zeitmangel, keinen Fragebogen aus. Einschätzung der allgemein schulischen/mathematischen Leistungen der Schüler PB macht dazu im Lehrer-Fragebogen keine Angaben. Gründe für die Auswahl der Schüler PB gibt an, dass die Schülerin mündlich sehr zurückhaltend ist und sie daher wenig über ihre Strategien im Unterricht erfahren hat. Ihr ist bewusst, dass sie für schriftliche Arbeiten viel Zeit benötigt, sie aber meist fehlerfrei löst (vgl. Lehrer-Fragebogen Kristin). Möglicherweise gehört diese Schülerin zu der Gruppe der „stillen Leistungsträger“ (vgl. ENRP 2002), deren Leistungen durch ihre Zurückhaltung im Unterricht unterschätzt werden. Erwartungen an die Durchführung des Schüler-Interviews PB erhofft sich durch die Durchführung des Schüler-Interviews die mathematischen Leistungen ihrer Schülerin genauer einschätzen zu können. Aufgrund ihres zurückhaltenden Verhaltens im Unterricht ist PB unklar, welche Stärken und Schwächen sie besitzt und über welche Strategien sie verfügt (vgl. Lehrer-Fragebogen Kristin). Für die anderen befragten Schüler können keine Erwartungen angegeben werden, da PB für diese keinen Lehrer- Fragebogen ausfüllte. Bemerkungen zu den ausgefüllten Lehrer-Fragebögen von PB Es existiert nur ein ausgefüllter Lehrer-Fragebogen für das dritte Schüler-Interview. PB verwendet mathematikdidaktische Fachbegriffe. Sie gibt für jeden der drei Bereiche, Arithmetik, Anwendungen und Geometrie, zuerst die Stärken und dann die Schwächen des Kindes an und erläutert diese kurz. Dabei verweist sie auf die Thematisierung einzelner Gebiete im Unterricht oder auf die Anwendung im Alltag. Sie spricht keine einzelnen Phänomene an, sondern bezieht sich auf die mathematischen Teilbereiche des Schüler- Interviews. Zur Entwicklung der inhaltlichen Einschätzungen in den Lehrer-Fragebögen von PB Es können keine Angaben gemacht werden, da nur ein Lehrer-Fragebogen vorliegt. Vergleich der Lehrer-Einschätzungen mit den Schüler-Interview-Ergebnissen Anhand der Ergebnisse der Schüler-Interviews kann festgestellt werden, dass drei Schüler, zwei Schülerinnen und ein Schüler, niedrige Ausprägungsgrade und eine Schülerin, für die PB den Lehrer-Fragebogen ausfüllte, mittlere bis hohe Ausprägungsgrade erreichen. PB interviewt hauptsächlich leistungsschwache Schüler und eine zurückhaltende Schülerin. Sie nutzt das Schüler-Interview als Diagnoseinstrument für Kinder, die Schwierigkeiten in Mathematik aufweisen. Beim Vergleich der Voraussagen im Lehrer-Fragebogen mit dem Befund des Schüler- Interviews fällt auf, dass PB ihre Schülerin im Bereich Arithmetik gut einschätzt und in den Bereichen Anwendungen und Geometrie leicht unterschätzt. Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 105 3.2.2.4 Auswertung des Lehrer-Interviews mit der Lehrerin PB Das erste und einzige Lehrer-Interview mit PB fand am 19.07.04 von 18.00 bis etwa 19.00 Uhr bei ihr zu Hause nach siebenmonatiger Erprobung des Schüler-Interviews statt. PB hatte sich diesen Termin in den Sommerferien gewünscht. Sie ist der Meinung, dass sie während der Schulzeit nicht in der Lage ist, über das Schüler-Interview zu reflektieren. Das Problem bestehe darin, dass sie nach dem Unterricht sich erst wieder sammeln müsse, um Aussagen über schulische Angelegenheiten, wie auch das Führen der Schüler-Interviews, treffen zu können. Bis zum Lehrer-Interview hat PB zwei leistungsschwache Schüler, eine Schülerin und einen Schüler, und eine Schülerin mit mittleren bis starken Leistungen interviewt. Beim letzten Schüler-Interview mit einer leistungsschwachen Schülerin führt eine studentische Assistentin das Schüler-Interview und PB ist anwesend. Zu den vier Interviews mit Schülern ihrer eigenen Klasse hat sie nur für das dritte Schüler-Interview einen Lehrer-Fragebogen ausgefüllt. Übersicht der geführten Schüler-Interviews und dazugehörigen Lehrer-Fragebögen Name des Kindes Klassen- stufe Lehrer-Fragebogen Schüler-Interview Julia 2 - 10.12.03 Valentino 2 - 04.02.04 Kristin 2 02.06.04 02.06.04 Franziska 1 - 05.07.04 Lehrer-Interview mit PB 19.07.04 Wie zu erkennen ist, führte PB vergleichsweise sporadisch Schüler-Interviews durch. Auswertung des Lehrer-Interviews mit der Lehrerin PB Im Weiteren soll jede Kategorie zuerst einzeln und am Ende in Bezug auf den Kompetenzzuwachs von PB betrachtet werden. Kategorie I „Bewertungen des Schüler-Interviews als Instrument durch die Lehrer“ Inhaltliche Kategorien Beobachtetes Vorhandensein nicht vorhanden wenig vorhanden vorhanden deutlich vorhanden I Bewertungen des Schüler-Interviews als Instrument durch die Lehrer x I.1 Inhalt x I.2 Organisatorische Probleme x I.3 Emotionale Aspekte x I.4 Ausführende x I.5 Auswertung x I.6 Reflexion zu Lehrerbefragung x Bis auf Subkategorie I.5 „Auswertung“ treten bei PB alle Subkategorien auf. Dabei liegen Schwerpunkte auf den Subkategorien I.1.2 „Art des Interviews (Bildungsstandards, Vergleichsarbeiten)“, I.2 „Organisatorische Probleme“ und I.4.2 „Nutzen für Interviewer“. Alle diese drei Subkategorien hängen mit dem Nutzen und der Umsetzung des Schüler- Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 106 Interviews zusammen. Die Subkategorie I.5 „Auswertung“ tritt bei PB vermutlich nicht auf, da die studentischen Assistenten die Auswertung der Schüler-Interviews vornehmen. Subkategorie I.1 „Inhalt“ In der Interpretation soll nur auf die Kategorien eingegangen werden, die für die Beantwortung der Forschungsfragen relevant sind. Deshalb wird zu Kategorie I.1 „Inhalt“ nur auf den Unterpunkt I.1.2 „Art des Interviews“ Bezug genommen. PB kann mit Hilfe des Schüler-Interviews differenziert die Stärken und Schwächen sowohl bei leistungsstarken als auch bei leistungsschwachen Schülern erheben. Sie nennt zuerst das Wort „Stärken“. Vielleicht besitzt PB eine kompetenzorientierte Sicht auf die Leistungen ihrer Schüler. Das Schüler-Interview zeichnet sich laut PB dadurch aus, dass es Feinheiten liefere im Gegensatz zu anderen Diagnoseinstrumenten, die nur einen Status feststellen. PB scheint weitere Diagnoseinstrumente zu kennen und ist in der Lage diese mit dem Schüler-Interview zu vergleichen. Durch das Schüler-Interview werden von ihr besondere Begabungen, aber auch therapeutischer Bedarf bei Kindern erkannt. Es bietet ihrer Meinung nach die Möglich- keit zur Hilfe bei Schwierigkeiten in Mathematik (vgl. PB, 40.57). Dabei stellt PB fest, dass das Schüler-Interview für leistungsstarke Schüler verändert werden sollte. Vielleicht hat PB aus diesem Grund keinen leistungsstarken Schüler befragt. Das Schüler-Interview sollte dazu Aufgaben mit höherem Niveau enthalten, indem Strukturen und mathematische Zusammenhänge stärker betont werden (vgl. PB, 23.02). PB meint damit wahrscheinlich operative Übungen, um nicht die syntaktischen, sondern die semantischen Fähigkeiten der leistungsstarken Kinder abzufragen. Bisher bestehe das Schüler-Interview, vor allem im Bereich Arithmetik aus grundlegenden (basalen) Aufgaben. Um die Sinnhaftigkeit des Schüler-Interviews zu erhalten, ist PB der Meinung, dass eine ständige Weiterarbeit und Optimierung des Schüler-Interviews gut wäre. Das Schüler- Interview sei „sehr hilfreich“ (PB, 23.41) und stelle von der Idee und vom Konzept eine „zukunftsorientierte Herangehensweise“ (PB, 23.41) dar. Im Weiteren erklärt sie, dass sie das Schüler-Interview für hilfreich ansieht, da eine prozessorientierte Sicht im Gegensatz zur ergebnisorientierten Sicht der Vergleichsarbeiten ihrer Meinung nach eingenommen wird. Es biete einem die Chance „den Blick auf das Wesentliche [zu] richten“ (PB, 39.01), wenn die Bereitschaft vorhanden ist, sich auf das Schüler-Interview einzulassen. PB erläutert nicht genauer, was sie damit meint. Es wird vermutet, dass sich PB durch das Führen der Schüler- Interviews eine differenzierte kompetenz- und prozessorientierte Sicht auf die Schüler bei allen Lehrern erhofft. PB wird gefragt, ob das Schüler-Interview an die Bildungsstandards angepasst werden muss und ob sie das Schüler-Interview mit den Vergleichsarbeiten in Zusammenhang bringt. In Bezug auf die Bildungsstandards sieht sie zwei Seiten. Auf der einen Seite sollte ihrer Meinung nach das Schüler-Interview an die Bildungsstandards angepasst werden, um sich gegenüber Bildungsinstitutionen und bildungspolitischen Ämtern nach außen argumentativ zu behaupten. Auf der anderen Seite sieht sie eine Anpassung für den Gebrauch in der Schule nicht für nötig an. PB nimmt eine forschende Sicht ein, die sich nicht auf ihre Schule und ihren Unterricht begrenzt. Dies zeigt sich daran, dass PB die Erkenntnisse aus dem Führen der Schüler-Interviews hinterfragt und sich überlegt, welche Fortbildungen das Projekt rahmen könnten. Auf die Frage nach einem Zusammenhang zwischen den Vergleichsarbeiten und dem Schüler-Interview reagiert PB emotional. „Ja schrecklich, passt überhaupt nicht zusammen“ (PB, 45.52). Sie begründet ihre Aussage und erklärt, dass für die Vergleichsarbeiten möglicherweise „sehr ergebnisorientiert auswendig“ (PB, 45.52) gelernt wird. Wohingegen „das Interview […] an dem Prozess orientiert [ist], an den Strategien und von daher passt das nicht wirklich“ (PB, 45.52). PB scheint den konstruktivistischen Charakter des Schüler- Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 107 Interviews zu erkennen, da sie vermutlich in ihrem Studium an der Universität Kassel dies kennen lernte. Sie verwendet von sich aus die Begriffe „an dem Prozess orientiert“ und „Strategien“. Für die politischen Ämter, die das Projekt unterstützen, würde PB laut eigener Aussage die Berührungspunkte zwischen dem Schüler-Interview und den Vergleichsarbeiten zusammenstellen, damit das Projekt mit den Schüler-Interviews erhalten und weiter bestehen könnte. Subkategorie I.2 „Organisatorische Probleme“ PB hat ihren ersten Eindruck beim Zuschauen eines Schüler-Interviews gewonnen und fand dies sehr hilfreich. Sie benötigte danach etwa 2 Stunden, um den Interviewleitfaden durchzuarbeiten. Anschließend fühlte sich PB in der Lage ihr erstes Schüler-Interview führen zu können. Die Einbettung des Schüler-Interviews in den Unterricht hält PB nicht für möglich, denn sowohl die Interviewführung als auch der Unterricht würden oberflächlich werden und darunter leiden. „Dazu ist es zu wertvoll, als dass man es so halbherzig macht“ (1PB, 35.24). Zur Durchführung des Schüler-Interviews werden ihrer Meinung nach zwei Personen benötigt und ein dritter, der den Unterricht hält. Eine andere Möglichkeit sei die Schüler-Interviews im Nachmittagsbereich durchzuführen. PB investiert für das Führen eines Schüler-Interviews ein bis zwei Stunden nach dem Unterricht, „dann ist auch diese bizarre Situation, die da entsteht, diese Beziehung zu dem Kind, ist dadurch auch viel intensiver als so im Unterricht, [da] würde das gar nicht so intensiv werden“ (1PB, 35.24). PB beschreibt eindrucksvoll die individuelle Zuwendung und Aufmerksamkeit „diese bizarre Situation“, die durch die Eins-zu-eins-Situation im Schüler-Interview gegeben ist. Die Wortwahl „bizarr“ vermittelt den Eindruck, dass etwas Geheimnisvolles im Schüler-Interview passiert. Das Schüler-Interview ist „sehr aufwändig“ (PB, 41.38). Deshalb fordert sie, dass die Lehrer für das Führen der Schüler-Interviews Entlastungsstunden bekommen. PB glaubt, dass viele aus dem Projekt aussteigen werden, wenn die Schüler-Interviews, wie bisher „nebenbei und zum Nulltarif“ (PB, 42.04) durchgeführt werden sollen. Entweder hat PB Bedenken diese Ansprüche für sich selbst zu äußern oder sie nimmt, wie zuvor bemerkt, eine Sichtweise ein, die ihre Kollegen mit einbezieht und ein (hohes) Maß an Reflektiertheit zeigt. Subkategorie I.3 „Emotionale Aspekte“ Bei PB stehen die emotionalen Aspekte der Schüler im Vordergrund. PB äußert nur, dass sie beim ersten Schüler-Interview stark mit sich selbst als Interviewerin beschäftigt war. Eine intensive Beziehung zum Kind könne sie aufbauen, wenn das Schüler-Interview nicht im Unterricht, sondern danach durchgeführt wird. Auf Seiten der Schüler berichtet sie, dass sie nach dem Schüler-Interview sehr motiviert und fröhlich waren und sich außerdem „anders wahrgenommen gefühlt“ (PB, 12.46) haben. Der letzte von ihr genannte Aspekt ist vermutlich auf die individuelle Zuwendung im Schüler- Interview zurückzuführen. Auch die Eltern melden PB zurück, dass es ihrem Kind Spaß gemacht und sie ein fröhliches Kind empfangen hätten. Diese Aussage der Eltern bestätigt die Wahrnehmung von PB. Ferner betont PB, dass die letzten beiden Bereiche im Schüler-Inter- view, Anwendungen und Geometrie, die stärker handlungsorientiert sind als Arithmetik, im Grundschulmathematikunterricht bei den meisten Lehrern zu kurz kommen. Sie vermutet, dass diese Handlungsorientierung im Schüler-Interview bei einigen Kindern nicht mit Mathematik in Zusammenhang gebracht wird. Deshalb haben sie dies „als etwas Besonderes erlebt und sind auch mit einem guten Gefühl raus gegangen“ (PB, 12.46). Dieses positive Gefühl war anscheinend so stark, dass daraufhin andere Schüler gefragt haben, wann sie inter- viewt würden. Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 108 Subkategorie I.4 „Ausführende“ Die Anwesenheit des unterrichtenden Lehrers beim Schüler-Interview hält PB für wichtig, da ein anderer Eindruck vom Kind gewonnen wird als nur aus dem Lesen des Interview- protokolls. Fachfremden Lehrern sollte laut PB professionelle Begleitung beim Führen der Schüler-Interviews angeboten werden, wobei PB voraussetzt, dass Lehrer bereit sind sich auf das Schüler-Interview einzulassen. Für sie besteht der Unterschied nicht zwischen studierten und fachfremden Lehrern: Mathematik „vielleicht studiert zu haben [ist] jetzt kein Garant für eine differenzierte Sicht, sondern eher vielleicht, inwieweit Lehrer bereit sind in die Tiefe zu gehen, oder sich wirklich den Dingen zu stellen“ (PB, 30.33). Sie äußert die Befürchtung, dass das Schüler-Interview ohne professionelle Begleitung ineffektiv werden kann. Zu Beginn der Durchführung der Schüler-Interviews sah PB ein Ungleichgewicht zwischen Aufwand und Nutzen des Schüler-Interviews. Durch eine größere Routine sei dies laut PB ins Gleichgewicht gekommen. Dadurch besitze sie mehr Freiheit sich auf das Kind zu kon- zentrieren und es wahrzunehmen. Anfangs sei ihre Aufmerksamkeit noch stark durch die Durchführung des Schüler-Interviews gebunden gewesen. Den Aufwand für das Schüler- Interview sieht sie als gerechtfertigt an, da sie durch die Antworten der Kinder im Schüler- Interview Rückmeldungen über ihren eigenen Unterricht erhalte. Mit Hilfe des Schüler- Interviews könne sie zielgerichteter vorgehen, da sie die individuellen Stärken und Schwächen der Kinder kenne und so „mit geringem Aufwand zum gleichen Ergebnis“ (PB, 17.09) kommen könne. Das Schüler-Interview unterstütze den Mathematikunterricht „in die richtige Richtung“ (PB, 51.30) zu bringen. PB sieht das Schüler-Interview als eine Lehrerfortbildung, wenn weitere Angebote hinzukommen. Durch das Schüler-Interview sei „man […] immer wieder angehalten auf das Wesentliche zu achten“ (PB, 28.26). Vermutlich meint PB damit das aktiv-entdeckende Lernen und die prozessorientierte Sicht auf die Schüler. Die Schüler-Interviews haben sich bei ihr stark im Gedächtnis eingeprägt, „ich hab die alle noch präsent“ (PB, 25.40). Obwohl PB nur sehr sporadisch Schüler-Interviews geführt hat. Entweder kann sich PB gut daran erinnern, da sie nur vier Schüler-Interviews geführt hat oder das Schüler-Interview ist so aussagekräftig für sie, dass sie es noch erinnern kann. Subkategorie I.6 „Reflexion zu Lehrerbefragung“ PB fand das Ausfüllen des Lehrer-Fragebogens lästig, da sie oft im Stress war. Deshalb hat sie wahrscheinlich nur einen Lehrer-Fragebogen ausgefüllt. Das Lehrer-Interview empfindet sie gegenüber dem Lehrer-Fragebogen als „wirksamer oder gehaltvoller“ (PB, 37.54). Es findet auf ihren Wunsch in den Ferien statt, da sie nach dem Unterricht „noch so voll unter Strom“ (PB, 38.25) steht und nicht in der Lage ist tiefergehend zu reflektieren. Diese Aussage spiegelt möglicherweise das Engagement und den Einsatz von PB im Unterricht wieder, aber zugleich ihre geringe Distanzierungsfähigkeit, wenn sie nach dem Unterricht noch angespannt ist. PB bekommt am Ende des Lehrer-Interviews die, von der Forscherin herausgearbeiteten, sechs Kategorien vorgelegt. Die Durchführung der Schüler-Interviews liefert laut PB den Lehrern „Unterrichtsunterstützung“ (Kategorie II). Besonders wichtig ist PB Kategorie II.2 „Unterstützung des eigenen Unterrichts“. Des Weiteren hält sie die beiden Kategorien II.1 „Förderunterstützung bei den befragten Schülern“ und II.3 „Unterstützung der Schul- entwicklung“ für bedeutsam. Fazit zu Kategorie I „Bewertungen des Schüler-Interviews als Instrument durch die Lehrer“ PB sieht sich in der Lage die Stärken und Schwächen von Kindern aller Leistungsniveaus mit Hilfe des Schüler-Interviews zu erheben und anschließend zielgerichtet mit ihnen zu arbeiten. Dabei sieht sie im Schüler-Interview eine „zukunftsorientierte Herangehensweise“ (PB, Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 109 23.41), um „den Blick auf das Wesentliche [im Mathematikunterricht zu] richten“ (PB, 39.01). Sie erhält durch das Schüler-Interview Rückmeldungen über ihren eigenen Unterricht und Unterrichtsunterstützung (Kategorie II). Das Schüler-Interview ist laut PB ein kompetenz- und prozessorientiertes Diagnoseinstrument. Dagegen sieht sie in den Vergleichs- arbeiten die Ergebnisorientierung im Vordergrund stehend. Von daher passen Schüler-Inter- view und Vergleichsarbeiten ihrer Meinung nach nicht zusammen. Für fachfremde Lehrer wünscht sie sich eine professionelle Begleitung beim Führen der Schüler-Interviews. Ferner müssten die Lehrer, die Schüler-Interviews führen Entlastungs- stunden in Form einer Reduzierung ihrer zu haltenden Unterrichtsstunden bekommen. Die befragten Schüler waren laut Aussagen von PB nach dem Schüler-Interview motiviert und fröhlich. Sie fühlten sich vermutlich durch die individuelle Zuwendung der Lehrerin im Schüler-Interview anders wahrgenommen. Kategorie II „Unterrichtsunterstützung“ Ein Schwerpunkt im Lehrer-Interview mit PB bildet die Kategorie II „Unterrichtsunter- stützung“. Die drei Subkategorien werden weiter ausdifferenziert, wobei bei PB Kategorie II.1 „Förderunterstützung bei den befragten Schülern“ und Kategorie II.2 „Unterstützung des eigenen Unterrichts“ auftreten. Ihre Aussagen bezüglich der Kategorie II.3 „Unterstützung der Schulentwicklung“ sind allgemein gehalten und werden deshalb der Kategorie III „Schul- situation“ zugeordnet. Kategorie II.1 „Förderunterstützung bei den befragten Schülern“ Inhaltliche Kategorien Beobachtetes Vorhandensein nicht vorhanden wenig vorhanden vorhanden deutlich vorhanden II.1 Förderunterstützung bei den befragten Schülern x II.1.1 Lehrer und das einzelne Kind x II.1.2 Wissen über das einzelne Kind x II.1.3 Förderung x II.1.4 Einstellung des Kindes x II.1.5 Rückmeldung x Subkategorie II.1.1 „Lehrer und das einzelne Kind“ PB berichtet, dass sich ihr Blick nur auf die befragten Schüler verändert habe. Sie habe für eine Übertragung auf die anderen Schüler der Klasse zu wenige Kinder interviewt. Durch das Schüler-Interview gewinnt sie einen „intensiveren Eindruck“ (PB, 26.02) von dem jeweiligen Kind. Sie war überrascht über die Leistungen der Kinder, die „einem sehr nebulös erscheinen“ (PB, 39.26). Sie meint damit wahrscheinlich Schüler, die sich kaum am Unterricht beteiligen und daher keine Leistungen von ihnen im Unterricht sichtbar werden. Sie spricht auch leistungs- schwache Schüler an, bei denen sie durch das Schüler-Interview eine „differenzierte Sicht“ (PB, 39.26) gewinnt. Dabei stellt sie fest, dass das Kind Kompetenzen besitzt, welche es nicht mehr zeigt, „weil es schon so in dieser Rolle ist, schwach zu sein“ (PB, 39.26). Diese Äußerung spiegelt wider, dass PB sich bewusst ist manchmal nur die Schwächen eines leistungsschwachen Kindes wahrzunehmen, da sie nichts anderes von ihm erwartet. Subkategorie II.1.2 „Wissen über das einzelne Kind“ Beim „Wissen über das einzelne Kind“ berichtet PB, dass sie von den Leistungen der Kinder überrascht war und viele unterschätzt habe. PB drückt dies in ihrem allerersten Satz im Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 110 Lehrer-Interview aus: „Die Schüler haben mich überrascht. Ich hab viele Kinder unterschätzt, und es hat mein Unterricht vorangetrieben, […] so leise, also so ganz unbemerkt und ich […] hab’ eine andere Beziehung zu den Schülern bekommen, mit denen ich das gemacht habe“ (PB, 00.07). Diese Aussage bezieht sich auch auf die Kategorie II.1.4 „Einstellung des Kindes“ und Kategorie II.2.2 „Sicht auf Unterricht/Veränderung des Unterrichts“. Bei zwei Schülerinnen konnte sie erst durch die Einzelsituation im Schüler-Interview ihre Kompetenzen erkennen. PB hatte sie aufgrund ihres vermutlich zurückhaltenden Verhaltens im Unterricht unterschätzt. Bei einer der beiden Schülerinnen vermutete PB, dass sie „ganz viel abschreibt und dass sie […] eher Strategien hat, wie sie schnell an Ergebnisse kommt, aber nicht selbst, dass das nicht ihre Produkte sind“ (PB, 09.37). Durch die Erkenntnisse im Schüler-Interview musste sie ihre Einschätzung revidieren und stellte fest, dass die Schülerin die Kompetenzen besitzt. PB will sich keinen Fehler eingestehen und schiebt ihre Fehleinschätzung auf die Schülerin ab, indem sie meint, dass das Mädchen „halt so eine Persönlichkeit hat, dass man ihr das erst mal so nicht zutraut“ (PB, 09.37). Fehler, die die Schülerin im Schüler-Interview macht, führt PB auf eine falsche Strategie zurück, wobei PB betont, dass sie eine Strategie besitzt, oder sie begeht laut PB Flüchtigkeitsfehler. PB scheint es wichtiger zu sein, dass die Schülerin über eine Strategie verfügt als das zutreffende Ergebnis zu erhalten (vgl. PB, 10.39). Im Bereich Messen schneidet sie schlecht ab, da es laut PB noch nicht im Unterricht behandelt worden ist und sie anscheinend keine Vorerfahrungen dazu besitzt. Die Vermutungen zur Leistungseinschätzung zweier Schüler wurden durch das Schüler- Interview bestätigt und führten zu einer fundierten Aussage als Argumentationsgrundlage gegenüber Dritten. PB sah sich durch die Interviewergebnisse in ihrer Annahme bestätigt, dass eine leistungsschwache Schülerin ihrer Klasse ein „allgemeines Lernproblem“ (PB, 08.11) hat und keine spezifischen mathematischen Schwierigkeiten aufweist. Diese Erkenntnis war nach der Aussage von PB sowohl für die Eltern des Mädchens als auch für sie selbst entlastend. Das Kind benötigt vermutlich eine sonderpädagogische Förderung und kann nicht im Rahmen des regulären Grundschulunterrichts gefördert werden. PB ist der Meinung, dass die Ergebnisse des Schüler-Interviews eine „grobe Rückmeldung“ (PB, 19.43) über die Leistungen der Kinder geben. Durch die Anwesenheit beim Schüler- Interview erhielt sie eine „feinere Rückmeldung“ (PB, 19.43), wobei sie bei Kindern mit niedrigen Ausprägungsgraden zur genaueren Diagnose anschließend noch gezielt ähnliche Aufgaben stellen würde (PB, 21.35). PB fühlt sich in der Lage selbst ähnliche Aufgaben zu konzipieren, um die Schwächen des Kindes noch genauer zu diagnostizieren. Dies setzt das Wissen über die eigenen Kompetenzen bei PB voraus. Subkategorie II.1.3 „Förderung“ Bei der „Förderung“ bezieht sich PB ausschließlich auf leistungsschwache Kinder im Mathematikbereich. Durch das Schüler-Interview bestehe die Möglichkeit „zielgerichteter vorzugehen“ (PB, 17.09), da laut PB die Schwächen sichtbar werden und damit an ihnen „mit geringem Aufwand“ (PB, 17.09) gearbeitet werden kann. Ihr wurde bewusst, dass sie bei leistungsschwachen Kindern nach Mathematik im Alltag suchen und deren subjektiven Erfahrungsbereiche finden und nutzen will. Um ein Förderkonzept für diese Kinder zu erstellen, möchte PB ihnen ähnliche Aufgaben zu den Teilbereichen des Schüler-Interviews stellen, in denen sie niedrige Ausprägungsgrade erreicht haben. Diese geschilderte Vorgehensweise könnte der eines „Therapeuten“ entsprechen, der durch die Interview- ergebnisse einen Einblick in die Performanzen des Kindes erhält und dann problematische Bereiche näher betrachtet. Die Aussagen von PB zeigen eine Professionalität ihrerseits beim Umgang mit Kindern, die problematische Leistungen in Mathematik aufweisen. PB fände es hilfreich, wenn die Förderung an der Schule verbliebe oder durch die studentischen Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 111 Assistenten durchgeführt würde, die die Durchführung der Schüler-Interviews unterstützen. Sie sieht den Vorteil darin, dass zwischen dem Studenten und ihr eine Zusammenarbeit stattfinden würde, die mit vielen externen Förderinstituten ihrer Meinung nach nicht möglich ist. Diese seien meist nicht nur am Kind, sondern auch an wirtschaftlichen Belangen, „an Profit interessiert oder müssen bestimmte Programme durchziehen“ (PB, 18.10). Sie hofft, dass die höchste Priorität bei der Förderung durch die Studenten darin läge, dem Kind zu helfen. Subkategorie II.1.4 „Einstellung des Kindes“ Gleich zu Beginn des Lehrer-Interviews berichtet PB, dass ein Mädchen, welches „ganz wenig Bezug zur Schule hatte“ (PB, 00.07), seit dem mit ihr geführten Schüler-Interviews eine andere Einstellung zur Schule zeige. „Meiner Wahrnehmung nach [hat sie] von dem Tag an ein anderes Verhältnis zur Schule bekommen, oder ich weiß jetzt nicht wie lange das anhält, aber für eine bestimmte Zeit ist sie morgens anders in die Schule gekommen. Das fand ich erstaunlich“ (PB, 00.07). PB spricht nicht von einer Tatsache, sondern von ihrer Wahrnehmung. Dies scheint ein Beleg dafür zu sein, dass PB ihre Schüler sensibel beobachtet. In ihrer Aussage zeigt sich auch eine Faszination, dass vermutlich aufgrund der individuellen Zuwendung und der veränderten Wahrnehmung des Kindes durch PB sich die Einstellung des Kindes zur gesamten Institution Schule ändert. Meiner Meinung nach ist dies ein besonders positiver Nebeneffekt des Schüler-Interviews. Auf die Frage, ob sich bei den Kindern die Einstellung zum Mathematikunterricht verändert hat, verneint dies PB. Sie glaubt, dass dies vielleicht bei Schülern im dritten oder vierten Schuljahr sichtbar werden würde, da diese vermutlich im Stande wären, darüber zu reflektieren. Der folgende Ausschnitt ist die Antwort von PB auf die Frage, ob sich das Schüler-Interview auf die gesamte Schullaufbahn eines Kindes auswirke: „Ich glaube [das Schüler-Interview] bietet die Chance ein anderes Verhältnis zur Mathematik zu initiieren, bei dem Kind. Und weil ich glaub, viele Blockaden, die sind nur da, weil man vermeintlich Angst vor Mathematik hat, oder Mathematik sind einfach nur abstrakte Zeichen, die sinnentleert sind, und dass also, die Chance ist da, dem Sinn zu geben. Und auch dieses Gefühl zu entwickeln, eigentlich kann ich’s, ich kann nicht alles, aber es gibt Dinge, die kann ich, und dann gibt’s Dinge, die brauch ich in meinem täglichen Leben und das nennt, nennt sich auch Mathematik. Und dadurch wirkt sich’s auf die ganze Schullaufbahn aus, auf jeden Fall“ (PB, 31.55). PB verneinte zwar, dass die Schüler ihre Einstellung zum Mathematikunterricht veränderten, aber sie ist der Meinung mit Hilfe des Schüler-Interviews bei den Schülern ein anderes Bild von Mathematik aufbauen zu können. Sie möchte den Kindern bewusst machen, dass jeder Stärken und Schwächen besitzt. Im weiteren Verlauf berichtet sie, dass ihr Mathematiklehrer ihr diese Einstellung vermittelt hat, die sie jetzt an ihre Schüler weitergeben will. Mathe- matische Schwierigkeiten vieler Schüler führt sie auf die Angst vor Mathematik oder darauf zurück, dass für sie Mathematik keinerlei Bedeutung besitzt, auch nicht im Alltag. Wenn das Schüler-Interview bei allen Schülern und Lehrern, zu den von PB beschriebenen Einsichten führen würde, wäre es in allen Schulen zu implementieren. PB greift ihre Gedanken im Lehrer-Interview nochmals auf und ist der Meinung, dass sich das Schüler-Interview auf die „allgemeine Lernentwicklung“ (PB, 36.36) eines Kindes auswirke. Ihre Vermutung begründet sie damit, dass mit Hilfe des Schüler-Interviews die Leistungen der Schüler differenziert wahrgenommen und individuell gefördert werden können. Subkategorie II.1.5 „Rückmeldung“ Vor dem Führen des Schüler-Interviews hat PB ihren Schülern gesagt, dass sie „Expertenfragen“ gestellt bekommen. Mit der Verwendung des Begriffs „Expertenfrage“ möchte PB den Schülern klar machen, dass es nicht an ihrer mangelnden Kompetenz liegt, Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 112 wenn sie nicht alle Fragen beantworten können, sondern „Expertenfragen“ vorsehen, dass sie „an ihre Grenzen stoßen“ (PB, 11.46). Sie hat ihre Schüler gelobt, ihnen aber keine weitere Rückmeldung zum Verlauf des Schüler-Interviews gegeben. Für die Zukunft überlegt sie sich, den Schülern eine differenzierte Rückmeldung zu geben. Fazit zu Kategorie II.1 „Förderunterstützung bei den befragten Schülern“ Der Blick von PB auf die mathematischen Leistungen der befragten Kinder ändert sich. Sie hat viele unterschätzt und war über ihre Leistungen überrascht. Bei zwei zurückhaltenden Schülern konnte sie deren Kompetenzen erst durch das Schüler-Interview erkennen. Mit leistungsschwachen Kindern kann sie nach dem Schüler-Interview zielgerichtet an den Schwächen arbeiten, wobei sie für eine feinere Diagnose in den Teilbereichen mit niedrigen Ausprägungsgraden zusätzlich ähnliche Aufgaben stellen würde. Zur Förderung möchte sie auf die Subjektiven Erfahrungsbereiche der Kinder zurückgreifen. PB erhofft sich mit Hilfe des Schüler-Interviews ein anderes Bild von Mathematik bei den Schülern aufbauen zu können. Ihr ist es wichtiger, dass die Kinder über eine Strategie verfügen als nur das zutreffende Ergebnis zu erhalten. Sie berichtet, dass ein Mädchen nach dem Schüler-Interview seine Einstellung zur Schule verändert hat. Ferner wirke sich das Schüler-Interview auf die „allgemeine Lernentwicklung“ (PB, 36.36) der Kinder aus. Kategorie II.2 „Unterstützung des eigenen Unterrichts“ Inhaltliche Kategorien Beobachtetes Vorhandensein nicht vorhanden wenig vorhanden vorhanden deutlich vorhanden II.2 Unterstützung des eigenen Unterrichts x II.2.1 Handlungsideen aus dem Interview x II.2.2 Sicht auf Unterricht/Veränderung des Unterrichts x II.2.3 Lernstandsbestimmung, Leistungseinschätzung der Schüler x Subkategorie II.2.1 „Handlungsideen aus dem Interview“ Handlungsideen, welche PB dem Schüler-Interview entnommen hat, beschreibt sie am Anfang des Lehrer-Interviews ohne Nachfragen der Forscherin. Das Schüler-Interview habe ihre eigene Kreativität angeregt und „während des Interviewens sind mir Dinge, so wie Gedankenblitze gekommen, was ich unbedingt […] schon immer machen wollte“ (PB, 01.00). Aufgrund des Schüler-Interviews werden ihr Gedanken bewusst, die ihrer Meinung nach einen hohen Gehalt besitzen. Mit Hilfe dieser Ideen decke sie mehrere mathematische Kompetenzen gleichzeitig ab. Sie habe zwar einen intensiveren Vorbereitungsaufwand, aber erreiche damit mehr. Deshalb kommt der Aufwand und Nutzen für PB wieder ins Gleichgewicht. Das Schüler-Interview biete Aufgabenformate zum Üben, die vor allem am Ende des Schuljahres genutzt werden können, wenn keine neuen Inhalte mehr eingeführt werden. Es wird vermutet, dass PB auch sonst Aufgabenformate im Unterricht nutzt, da sie selbst den Begriff „Formate“ (PB, 01.00) verwendet und diese im Schüler-Interview anscheinend erkennt. Das Lehrer-Interview fand kurz nach Ende des Schuljahres statt und wird wahrscheinlich deswegen von PB erwähnt/angeführt. PB führt ein konkretes Beispiel aus dem Schüler-Interview an. Sie berichtet, dass sie Zahlenmauern im Unterricht nutzt und verschiedene Aufgabenstellungen dazu stellt. Auch das selbstständige Entwerfen von Zahlenmauern durch die Kinder war ihr nicht unbekannt. In Zusammenhang mit einer Aufgabe im Schüler-Interview ist PB die Idee gekommen Kinder Zahlenmauern entwerfen zu lassen, diese in die einzelnen Mauersteine zu zerschneiden und Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 113 dann einem anderen Schüler zum Zusammensetzen zu geben. Dabei kreierten Schüler sehr anspruchsvolle Zahlenmauern, so dass „teilweise [PB] da manchmal noch hart nachdenken musste“ (PB, 01.52). PB ist begeistert von der „kreativen Geschäftigkeit, [die] unter den Kindern herrschte, wie jeder mit seinem, auf seinem Niveau irgendwie was dazu beitragen konnte“ (PB, 01.52). Die Schüler müssen laut PB „Strukturen erkennen [, wobei sie] bestimmt viel sinnvoller vorgehen müssen, als wenn sie stupide addieren und subtrahieren würden“ (PB, 01.52). Sie stellt fest, dass es vor allem ein materieller und organisatorischer Aufwand und kein mathematischer war, die Stunde vorzubereiten. In all diesen Aussagen von PB spiegeln sich ihre konstruktivistische Sichtweise und die Betonung des aktiv- entdeckenden Lernens für die Schüler wider (vgl. Kapitel 1.3). Durch ihre Aufgabenstellung regt sie die Kooperation der Kinder an. Subkategorie II.2.2 „Sicht auf Unterricht/Veränderung des Unterrichts“ Laut PB hat das Schüler-Interview ihren Unterricht „so leise, also so ganz unbemerkt“ (PB, 00.07) vorangetrieben. Im weiteren Verlauf des Schüler-Interviews wird deutlich, dass PB das Schüler-Interview als indirekte Unterrichtsunterstützung empfindet, indem das Schüler- Interview „den Blick auf das Wesentliche“ (PB, 26.25) schärft. PB sieht das Schüler-Inter- view als einen Katalysator zur Verbesserung der Unterrichtsqualität. Ihrer Meinung nach müssen sich die interviewenden Lehrer öffnen und sich auf das Schüler-Interview einlassen. Durch das Schüler-Interview erhalte sie positive Rückmeldungen über die Effektivität ihres Unterrichts, da ein Kind z. B. sehr schnell und gut ein Geometriepuzzle im Schüler-Interview lösen konnte. PB führt dies auf ihren Unterricht zurück und ist danach emotional erfreut. „Das waren so total schöne Momente“ (PB, 04.10). Aufgrund der Rückmeldung über ihren eigenen Unterricht sieht sie den Aufwand des Schüler-Interviews für gerechtfertigt. PB hebt hervor, dass die Ergebnisorientierung im Unterricht wichtig ist, ihr aber die „Prozessorientierung wichtiger [ist], also für mich im Zusammenleben mit den Kindern und wie ich auch meinen Unterricht gestalte“ (PB, 16.22). Ihre konstruktivistische Sichtweise auf die Schülerleistungen, aber auch für den Aufbau ihres Unterrichts wird deutlich. PB wird durch das Schüler-Interview bewusst, dass zu wenig aktiv im Mathematikunterricht gehandelt wird, wie z. B. das Wiegen im Schüler-Interview. Deshalb sind die Kinder laut PB von dem Bereich der Anwendungen im Schüler-Interview begeistert. Viele Kinder sehen darin keine Mathematik. Dies hängt vermutlich mit dem Mathematikbild zusammen, welches die Lehrerin den Schülern vermittelt. Vielleicht entspricht für sie Mathematik dem Rechnen. PB ist der Überzeugung, dass dieses Denken bei den Kindern verstärkt wird, wenn der Lehrer nur einen Lösungsweg zulässt und diesen vorgibt. PB spricht davon, „weil gerade dieses Starre, so geht der Weg und den gehen wir jetzt alle und kein anderer wird zugelassen, der verbaut ja ganz viel“ (PB, 15.18). Sie hofft auf eine Öffnung des Blicks auf das Spielerische und Ästhetische der Mathematik durch das Schüler-Interview. Durch einen festgelegten und „starren“ (PB, 15.18) syntaktischen Weg wird die Entdeckung dessen verhindert. Sie spricht vom ästhetischen Reiz der Mathematik. Die Kinder sollen Strukturen entdecken und erkennen. Dabei müssen sie „bestimmt viel sinnvoller vorgehen“ als würden sie „stupide addieren und subtrahieren“ (PB, 01.52). Sie bezieht sich auf die Zahlenmaueraufgabe, die sie aufgrund des Schüler-Interviews im Unterricht erprobt hat. Es wird die konstruktivistische Sicht der Lehrerin PB deutlich. Steinweg (2004) beschreibt, dass bereits elementare Muster durch ihre Schönheit und ihren ästhetischen Reiz bestechen können. Dazu sollen in operativen Übungen arithmetische sowie geometrische Strukturen entdeckt werden (vgl. Steinweg 2004, in: Müller et al. 2004, S. 11). Hardy (1940) erläutert zur mathematischen Schönheit: „It may be very hard to define mathematical beauty, but that is just as true of beauty of any kind – we may not know quite what we mean by a beautiful poem, but that does not prevent us from recognising one when we read it” (in: Devlin 1997, S. 6). Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 114 Ihr wurde durch das Schüler-Interview das Themengebiet Geometrie ins Gedächtnis gerufen. Sie bezeichnet sich als ein „totaler Geometriefan“ (PB, 01.52). Daraufhin thematisiert sie Geometrie in ihrem Unterricht, speziell das „Geobrett“ (PB, 04.10). PB scheint geometrisches Wissen zu besitzen und davon fasziniert zu sein. Dennoch behandelt sie vermutlich Geometrie nicht so stark wie Arithmetik. Ansonsten würde sie nicht davon sprechen durch das Schüler-Interview angeregt worden zu sein, dies zu behandeln. Subkategorie II.2.3 „Lernstandsbestimmung, Leistungseinschätzung der Schüler“ PB berichtet, dass sie durch das Schüler-Interview, diese Lernstandsbestimmung und die damit einhergehende Leistungsfeststellung der Kinder „eine andere Beziehung zu den Schülern bekommen“ hat (PB, 00.07). Später schildert sie die Veränderungen bei den einzelnen Kindern. Wichtig ist, dass sich die Einstellung des Kindes wahrscheinlich verändert, da die Lehrerin zuerst ihre Beziehung und ihre Sicht auf den Schüler wandelt. Die Einstellungsveränderung des Schülers ist eine Reaktion auf die andere Sicht des Lehrers auf dieses Kind. PB beschreibt es auch in dieser Reihenfolge. Anscheinend ist ihr dies bewusst. Fazit zu Kategorie II.2 „Unterstützung des eigenen Unterrichts“ PB empfindet das Schüler-Interview als indirekte Unterrichtsunterstützung, welche „den Blick auf das Wesentliche“ (PB, 26.25) schärft. Ferner erhält sie positive Rückmeldungen über die Effektivität ihres Unterrichts. Aus dem Schüler-Interview entnimmt sie Handlungsideen für ihren Unterricht. Speziell nutzt sie die Zahlenmaueraufgabe, bei der Mauern selbst entworfen und anschließend in die einzelnen Mauersteine zerschnitten werden, um von einem anderen Schüler zusammengesetzt zu werden. In ihrem Umgang mit der Aufgabe wird ihr Wunsch deutlich den Blick auf das Spielerische und Ästhetische der Mathematik bei den Kindern zu öffnen. Dabei betont sie das aktiv-entdeckende Vorgehen der Schüler beim Lernen und ihre konstruktivistische Sichtweise auf deren Handlungen. Sie sollen Strukturen entdecken und erkennen. Das Themengebiet Geometrie wurde ihr durch das Schüler-Interview ins Gedächtnis gerufen und sie führte eine Unterrichtseinheit zum „Geobrett“ durch. Kategorie II.3 „Unterstützung der Schulentwicklung“ Inhaltliche Kategorien Beobachtetes Vorhandensein nicht vorhanden wenig vorhanden vorhanden deutlich vorhanden II.3 Unterstützung der Schulentwicklung x II.3.1 Vorstellung in der Konferenz bzw. den Kollegen x II.3.2 Rückmeldung an Kollegen x II.3.3 Fördergruppen für Schüler x II.3.4 Lehrer als Vertreter/Multiplikator des Interviews x Die Kategorie II.3 „Unterstützung der Schulentwicklung“ tritt vermutlich bei PB nicht auf, da mehrere Lehrer der Schule B am Projekt beteiligt sind und PB, meiner Meinung nach, das Führen der Schüler-Interviews stärker zur Effektivierung ihres eigenen Mathematikunterrichts nutzt. Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 115 Kategorie III „Schulsituation“ Inhaltliche Kategorien Beobachtetes Vorhandensein nicht vorhanden wenig vorhanden vorhanden deutlich vorhanden III Schulsituation x III.1 Förderung in der Schule x III.2 Mathematikunterricht in der Schule x III.3 Kooperation mit Kollegen x Subkategorie III.1 „Förderung in der Schule“ PB erhält an ihrer Schule eine Deputatsstunde, um Kinder mit Schwierigkeiten in Mathematik zu fördern. Die Verantwortung wird an einen Lehrer abgegeben, in diesem Fall PB, der dann der Förderlehrer der leistungsschwachen Kinder ist. PB hat anscheinend die Kompetenz, da sie die einzige Lehrerin ist, die die Deputatsstunde in ihrer Schule erhält. Durch das Schüler- Interview erhält sie eine kompetenzorientierte Diagnose, welche Stärken und Schwächen das Kind besitzt. Dadurch wird ihr die Möglichkeit gegeben, zielgerichtet im Förderunterricht vorzugehen. Subkategorie III.2 „Mathematikunterricht in der Schule“ Sie hofft und ist auch der Meinung das Führen der Schüler-Interviews biete die Chance, dass Lehrer, die vermutlich unter Mathematik nur Rechnen verstanden haben und eine defizit- und ergebnisorientierte Sicht auf die Kinder besitzen durch das Schüler-Interview einen kompetenz- und prozessorientierten Blick auf die Schüler gewinnen. In ihrem Kollegium gibt es seit dem Erproben der Schüler-Interviews mehr Gespräche über Mathematik. Subkategorie III.3 „Kooperation mit Kollegen“ PB schlägt einer Kollegin vor die Zahlenmauerstunde auch in ihrer Klasse durchzuführen. Diese lässt sich darauf ein und „kam auch völlig begeistert dann: Hey, das ist ja toll“ (PB, 01.52). Anhand der Verwendung des Wortes „auch“ wird angenommen, dass PB von ihrer Idee begeistert war und sie ihre Begeisterung mit einer Kollegin teilen wollte. Nicht nur auf der Ebene der Schüler, wie bei der Zahlenmaueraufgabe, sondern auch im Kollegium regt PB die Kooperation an. Aus ihrer Schule nehmen drei Lehrer teil. Daher sei das Schüler- Interview „einfach […] mehr in der Wahrnehmung“ (PB, 40.13). Um eine Auswirkung des Schüler-Interviews auf das gesamte Kollegium zu erreichen, scheint es als wäre es sinnvoll mehrere Lehrer jeder Schule in das Projekt einzubinden. Informiert wurden alle Lehrer über das Projekt in einer Lehrerkonferenz. Fazit zu Kategorie III „Schulsituation“ Für die Förderung von Kindern mit Schwierigkeiten in Mathematik erhält PB eine Deputats- stunde. Durch die Interviewergebnisse kann sie zielgerichtet mit den Schülern vorgehen. Sie ist der Meinung, dass alle Lehrer durch das Führen von Schüler-Interviews einen kompetenz- und prozessorientierten Blick auf die Schüler gewinnen können. Ihre Handlungsideen aus dem Schüler-Interview gibt sie an eine Kollegin weiter und regt die Kooperation im Kollegium an. Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 116 Kategorie VI „Elternarbeit“ Inhaltliche Kategorien Beobachtetes Vorhandensein nicht vorhanden wenig vorhanden vorhanden deutlich vorhanden VI Elternarbeit x VI.1 Leistungsstandmeldung an die Eltern x VI.2 Einbindung der Eltern (Verantwortung an Eltern delegieren)/Förderung zu Hause x VI.3 Interesse der Eltern an Schule x Subkategorie VI.1 „Leistungsstandmeldung an die Eltern“ PB hat die Schüler-Interviews im Zeitraum Dezember 2003 bis Juli 2004 geführt. Sie sind ihr so gut im Gedächtnis, dass sie am Ende des Schuljahres, Juli 2004, in Elterngesprächen „noch so davon zehren“ (PB, 25.40) konnte. Sie konnte den Eltern Rückmeldungen in Bezug auf ihre Sicht des Kindes, aber auch „auf die Persönlichkeit“ (PB, 25.40) geben. Es scheint als habe sie durch das Schüler-Interview einen Eindruck der Persönlichkeit des Kindes erhalten, welche im Mathematikunterricht oder allgemein im Unterricht oft nicht gesehen werden kann. Subkategorie VI.2 „Einbindung der Eltern (Verantwortung an Eltern delegieren)/Förderung zu Hause“ PB berichtet, dass Lehrer bei ungeklärten Schwierigkeiten und eigener Hilflosigkeit ihrerseits die Verantwortung an die Eltern delegieren und die Probleme von ihrem Unterricht ins Elternhaus verlagern. PB drückt dies sehr plastisch aus: Lehrer, die „den Eltern nur gesagt haben: Tun Sie was, aber ich kann Ihnen jetzt auch nicht so weiterhelfen“ (PB, 40.13). In dieser Aussage spiegelt sich die Hilflosigkeit und Inkompetenz der Lehrer in Bezug auf Diagnose und Förderung wider, die aber ein zentraler Bestandteil des Lehrerseins darstellt. PB hat mit den Eltern gesprochen, wenn sie Übungsbedarf beim einzelnen Kind gesehen hat, und ihnen Rückmeldungen gegeben (vgl. PB, 11.46). Sie ist der Meinung, dass viele Eltern bereit sind, „ganz viel zu tun“ (PB, 17.09). Über die Effektivität oder die Auswirkungen dieser Elternhilfen ist sie sich unsicher. „Manchmal wird dann zu schnell in einen blinden Aktionismus verfallen und ganz viel gemacht, was eigentlich im Endeffekt nicht so viel bringt“ (PB, 17.09). Mit Hilfe des Schüler-Interviews könne den Eltern zielgerichtet Informationen und Aufträge gegeben werden, wie sie ihr Kind fördern können. PB schildert eine Szene, in der die Eltern verzweifelt sind und bei der Lehrerin Rat suchen, wie sie in diesem Fall ihre Tochter fördern können. Die Eltern fragen „Was können wir denn tun?“ (PB, 08.39). PB versucht die Eltern „von diesem sinnlosen Üben wegzubringen, oder diesem ständigen du musst, du musst rechnen üben, du musst rechnen üben, […] das macht’s alles nur noch schlimmer“ (PB, 08.39). PB ist sich bewusst, dass die Eltern einen hohen Druck auf das Kind ausüben. Dies ist an der mehrmaligen Wiederholung des „du musst rechnen üben“ und vor allem der Verwendung des Wortes „müssen“ zu erkennen. Sie vermutet, dass durch das häufige Üben Fehler verfestigt werden und dies die Situation für das Kind verschlechtert. In dem Falle der leistungsschwachen Schülerin wird mit Hilfe des Schüler-Interviews festgestellt, dass das Kind eine allgemeine Lernschwäche besitzt und daher in allen Fächern eine besondere Zuwendung benötigt, die in einer „normalen“ Grundschule nicht gewährleistet werden kann. Subkategorie VI.3 „Interesse der Eltern an Schule“ Die Zahlenmauerstunde, die bereits mehrmals erwähnt wurde, war für die Schüler so anregend, dass sie ihren Eltern die zerschnittenen Mauersteine zum Zusammensetzen vorgelegt haben. Die Eltern waren über die Komplexität der Aufgabenstellung überrascht. Sie Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 117 waren „völlig erstaunt […], was für schwierige Sachen wir da schon mit den Kleinen machen“ (PB, 01.52). Bei den Eltern wird somit das Interesse am Mathematikunterricht und an der Schule geweckt. Es wäre schön, wenn die Eltern auch entdecken könnten, dass Mathe- matik nicht nur aus Rechnen besteht. Fazit zu Kategorie VI „Elternarbeit“ Durch die Schüler-Interviewergebnisse kann PB in Elterngesprächen Rückmeldungen über ihren Eindruck der Persönlichkeit des Kindes geben. Sie ist in der Lage den Eltern mitzu- teilen, in welchen Bereichen das Kind Übungsbedarf besitzt. Einige Lehrer könnten laut PB aus eigener Hilflosigkeit bei Kindern mit mathematischen Schwierigkeiten nicht weiterhelfen und verlagern die Verantwortung ins Elternhaus. Durch das Schüler-Interview wird diesen eine Hilfe angeboten. Ferner wird das Interesse der Eltern am Mathematikunterricht geweckt, da die Schüler ihre zerschnittenen Zahlenmauern den Eltern vorlegt haben. Diese waren über die Komplexität der Aufgabenstellung überrascht. Allgemeine Bemerkungen zum Lehrer-Interview mit PB Die Ausdrucksweise von PB im Lehrer-Interview ist sehr gewählt und dadurch entsteht der Eindruck eines hohen Grades an Reflexivität. Dies ist vermutlich auf ihre biographischen Voraussetzungen zurückzuführen. Innerhalb ihres Sozialpädagogikstudiums hat sie eine Diplomarbeit geschrieben, in der sie narrative Interviews nach der narrations-strukturellen Analyse nach Fritz Schütze ausgewertet hat. Diese Erfahrungen und Kompetenzen scheinen sich in ihren Antworten widerzuspiegeln. Sie ist die einzige Lehrerin, die auf die gestellten Fragen der Forscherin Rückfragen stellt. Vermutlich hängt dies auch mit ihrem Studium zusammen und mit der Lebensalternähe zwischen Forscherin und PB. Im gesamten Lehrer-Interview äußert sie viermal Aussagen, in denen es darum geht „das Wesentliche“ (PB, 26.25, 28.26, 39.01, 46.53) im Auge zu behalten. Aufgrund der Häufigkeit wird dahinter eine besondere Bedeutung vermutet. PB scheint mit Hilfe des Schüler- Interviews ihren Blick auf den Kern des Unterrichts ausrichten zu können. Was das Wesentlich für sie ist, kann nur vermutet werden, da sie sich nicht explizit dazu äußert. Es könnte sein, dass sie die konstruktivistische, kompetenz- und prozessorientierte Sicht auf die Mathematik und den Umgang der Schüler mit der Mathematik meint. Alle ihre Aussagen beziehen sich auf das Schüler-Interview und stehen mit der Kategorie II „Unterrichtsunter- stützung“ in Zusammenhang. Gesamtfazit zum Lehrer-Interview mit PB Werden die Aussagen von PB im Lehrer-Interview unter dem Aspekt eines Kompetenzzuwachses betrachtet, so wird deutlich, dass ihr durch das Schüler-Interview vor allem ihre Einstellungen gegenüber dem Mathematikunterricht und dem Lernen der Mathe- matik bewusst werden. PB besaß schon vor der Teilnahme am HBMD ein Mathematikbild im Sinne des Projektes. Jedoch war sie, wie sie im Lehrer-Interview berichtet, sich teilweise nicht sicher, wie sie dies im Unterricht umsetzen soll. Diese konstruktivistische Lern- und Lehrhaltung führt sie selbst auf ihr Studium zurück (PB, 15.18). Sie will bei den Schülern ein Mathematikbild erzeugen, bei dem das Spielerische und Ästhetische der Mathematik im Vordergrund steht. Bei ihr besteht anscheinend ein enger Zusammenhang zwischen ihrer Einstellung zur Mathematik und ihrem Mathematikbild und der Einstellung gegenüber dem Schüler-Interview. Charakteristika ihres Mathematikbildes sind, dass die Schüler eigenständig Problemstellungen bearbeiten, bei denen verschiedene Lösungswege und auch unterschied- liche Schwierigkeitsgrade möglich sind. Sie verweist auf die Zahlenmaueraufgabe im Schüler-Interview. Sie hat diese Aufgabe im Unterricht für die gesamte Klasse umgesetzt und gleichzeitig eine Kollegin animiert dieselbe Stunde in einer Parallelklasse durchzuführen. Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 118 Beide waren vom Verlauf der Stunde bezüglich des Engagements und dem mathematischen Verständnis der Kinder begeistert. Die Kinder haben die Initiative ergriffen, ihre selbst entworfenen Zahlenmauern mit nach Hause zu nehmen und ihren Eltern zum Zusammen- setzen zu geben. Diese waren über den Schwierigkeitsgrad und die ihnen unbekannte Art von Mathematikaufgaben überrascht und erfreut. Das Schüler-Interview unterstützt PB den Blick auf das Wesentlich zu richten, indem sie Rückmeldungen über ihren eigenen Unterricht erhält. Sie sieht das Konzept des Schüler- Interviews als eine „zukunftsorientierte Herangehensweise“ an. Der Mathematikunterricht sollte ihrer Meinung nach „in die richtige Richtung gehen“ und „das Interview [leiste] dazu einen Beitrag“ (PB, 51.30). Grundlegende Voraussetzung für den Transfer der Erkenntnisse aus den Schüler-Interviews in die eigene Unterrichtspraxis und den eigenen Umgang mit den Schülern ist nach dem Verständnis von PB die Bereitschaft sich darauf einzulassen. Nach dem Führen der Schüler-Interviews wird ihr bewusst, dass sie Geometrie stärker in ihren Unterricht einbeziehen will. Das Schüler-Interview bildet für PB ein Instrument „handlungsleitender Diagnostik“ (Wollring 2003), indem es Rückmeldungen über ihren eigenen Unterricht liefert. Dadurch wird sie angehalten immer wieder über ihr Tun zu reflektieren und macht sich ihren kompetenz- und prozessorientierten Blick auf die Leistungen der Kinder bewusst. Das Schüler-Interview dient ihr auch zur Gewinnung von Handlungsimpulsen. Des Weiteren bietet das Schüler-Interview eine Handlungsleitung in Bezug auf den Umgang mit den Schülern. Nach der Diagnose mit Hilfe des Schüler-Interviews kann PB zielgerichtet die Kinder fördern. 3.2.3 Lehrerin NS an Schule C – Langfach Schule C befindet sich im Kreis Kassel. Etwa 120 Schüler besuchen diese Schule. 10 Lehrer und zwei Lehramtsreferendare sind an dieser Schule tätig. Davon unterrichten 7 Lehrer Mathematik. 4 Lehrer haben Mathematik studiert und die anderen 3 Lehrer berufen sich auf ihre eigenen Unterrichtserfahrungen. Somit haben ca. 40 % der Mathematik unterrichtenden Lehrkräfte an Schule C das Fach nicht studiert. 3.2.3.1 Biographische Bemerkungen zur Lehrerin NS NS ist im Sommer 2003 eine Grundschullehrerin an Schule C, 27 Jahre alt. Seit einem Jahr hat sie ihr Referendariat beendet. Seitdem ist sie Klassenlehrerin einer ersten Klasse. Zudem unterrichtet sie in allen Klassenstufen fachfremd die Fächer Musik und Kunst. Von ihrer Unterrichtserfahrung ausgehend ist NS noch nicht als Lehrerin routiniert. Mathematik hat sie für die Klassen 1 bis 10 an der Universität Kassel als Wahlfach studiert. In ihrem Studium arbeitete sie am DFG-Projekt „Lernprozesse beim Kodieren von Raumvorstellung in zweckgebundenen Zeichnungen von Grundschülern“ (Wollring/Jung- wirth 2001) mit. Innerhalb dieses Projektes wurden Interviews konzipiert und NS führte mit Kindern auch einzelne Interviews. Sie besitzt im Gegensatz zu den anderen beteiligten Lehrern Erfahrung im Führen von Interviews mit Kindern. Sie scheint über eine gelernte An- erkennungskultur zu verfügen und den Kindern glaubhaft vermitteln zu können: „Ich bin daran interessiert, wie du das machst“. Diese Einstellung wirkt sich vermutlich positiv auf das Verhältnis zwischen Kind und Lehrerin im Schüler-Interview aus. Insgesamt macht sie einen aufgeweckten und interessierten Eindruck. In der Schule C kooperiert sie in Mathematik mit ihrem Kollegen AG, der Mathematik auch als Fach studiert hat. NS hat im Schuljahr 2003/2004 sowohl leistungsschwache als auch leistungsstarke Kinder interviewt. Insgesamt interviewte sie zehn Schüler ihrer eigenen ersten Klasse. Sie hat keine Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 119 Probleme die mathematischen Inhalte des Schüler-Interviews zu verstehen. Anscheinend gibt es für sie keine Schwierigkeiten die Antworten der Kinder im Schüler-Interview zu begreifen. 3.2.3.2 Mathematikunterricht der Lehrerin NS NS fühlt sich beim Mathematikunterrichten sicher. Sie glaubt einschätzen zu können, „was im Matheunterricht getan werden sollte“ (1NS, 23.31). Diese Aussage zeugt von eigener Sicherheit und Selbstvertrauen in Bezug auf Mathematikunterricht. Sie versucht die Dinge umzusetzen, die ihrer Meinung nach im Unterricht verändert werden sollten. Dabei ist sie „nicht immer zufrieden damit, weil man natürlich im normalen Alltag einfach so viele Stunden hat, dass man gar nicht die Zeit hat, das so intensiv zu machen“ (1NS, 23.31). Sie stellt hohe Ansprüche an sich selbst, welche sie nicht erreichen kann. Vielleicht besitzt NS ein geringes Selbstbewusstsein. Die konstruktivistische Denkhaltung des Schüler-Interviews ist NS durch ihr Studium bekannt und sie ist der Meinung, dass sich ihr Unterricht „nicht so gravierend“ (1NS, 18.39) vom Vorgehen im Schüler-Interview unterscheidet. Ihre konstruktivistische, prozess- und kompetenzorientierte Sichtweise auf die Kinder im Mathematikunterricht wurde durch das Führen der Schüler-Interviews gestärkt. 3.2.3.3 Kohärenzentwicklung in den Lehrer-Fragebögen der Lehrerin NS Die Lehrerin NS, die Mathematik für die Klassen 1 bis 10 als Wahlfach studiert hat, interviewte im Zeitraum von Oktober 2003 bis Juni 2004 insgesamt zehn Schüler davon drei Schülerinnen und sieben Schüler. Mit ihrem Kollegen AG befragt sie, vor dem ersten Schüler-Interview mit einem Schüler ihrer eigenen Klasse, einen leistungsstarken Zweit- klässler und eine leistungsschwache Zweitklässlerin. Nach dem ersten Schüler-Interview mit einem Schüler aus ihrer eigenen ersten Klasse interviewt sie mit AG zusammen im November 2003 einen leistungsschwachen Erstklässler aus der Parallelklasse. Im Juni 2004 führt sie nochmals zusammen mit ihrem Kollegen AG ein Schüler-Interview mit einem leistungs- schwachen Erstklässler aus der Klasse ihrer Kollegin. Bei den letzten beiden Schüler- Interviews mit Schülern ihrer eigenen Klasse ist NS anwesend, aber studentische Assistenten erproben sich als Interviewer. NS hat im Schuljahr 2003/2004 mit drei Schülerinnen und fünf Schülern ihrer eigenen ersten Klasse Schüler-Interviews geführt und für alle dazugehörigen Lehrer-Fragebögen ausgefüllt. Einschätzung der allgemein schulischen/mathematischen Leistungen der Schüler NS liefert bei der Begründung der Auswahl der Schüler teilweise Informationen über die deren Leistungen. Den ersten Schüler ihrer Klasse, den sie befragt, charakterisiert sie als einen leistungsstarken Schüler, dessen Arbeitsverhalten vorbildlich und seine „schriftlichen Ergebnisse […] meist fehlerfrei“ sind (Lehrer-Fragebogen Nicolai). Gründe für die Auswahl der Schüler Die Gründe zur Auswahl der Schüler können in vier Gruppen unterteilt werden. Ein Schüler arbeitet laut NS „konzentriert und ausdauernd“. Er zeigt sich „als sehr eifrig und lernwillig“. Deshalb möchte sie ihn befragen. Bei zwei Schülern, eine weiblich, einer männlich, steht im Mathematikunterricht die Angst und Unsicherheit im Vordergrund trotz (oder gerade wegen) der guten Leistungen, die sie erbringen. NS interviewt diese beiden Schüler, um deren Selbstbewusstsein zu stärken. Sie könnten als „stille Leistungsträger“ bezeichnet werden, deren Leistungen durch ihr ängstliches und somit zurückhaltendes Verhalten leicht unterschätzt werden. Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 120 Eine Schülerin und zwei Schüler befragt NS, da sie ihre Leistungen nicht einschätzen kann. Die Gründe dafür sind, dass ein Schüler aufgrund eines Umzugs erst später zur Klasse hinzugekommen ist, ein anderer Schüler Konzentrationsschwierigkeiten aufweist und eine Schülerin Schwierigkeiten mit der Abstraktionsfähigkeit besitzt. Für eine Schülerin und einen Schüler gibt NS an, sie ausgewählt zu haben, da sie große Schwierigkeiten im mathematischen sowie schulischen Bereich haben. Die Schülerin kam mit „keinerlei Vorerfahrungen und nur sehr geringe Mengenvorstellung“ in die Schule (Lehrer- Fragebogen Benita). Der Schüler spricht Deutsch nicht als Muttersprache und hat vermutlich deshalb Verständnisprobleme. In einem IQ-Test wurde „festgestellt, dass er normal intelligent ist“ (Lehrer-Fragebogen Atanas). Erwartungen an die Durchführung des Schüler-Interviews Mit Hilfe der Durchführung der Schüler-Interviews erhofft sich NS bei allen befragten Schülern eine bessere Einschätzung ihrer tatsächlichen Leistungsmöglichkeiten. Sie macht keine Unterscheidungen nach dem vermuteten Leistungsniveau der Kinder. Sie möchte bei allen herausfinden, ob sie zusätzliche Förderung oder Herausforderungen benötigen. Bei einem leistungsschwachen Schüler will sie das Schüler-Interview als Entscheidungshilfe nutzen, um besser beurteilen zu können, ob „eine Wiederholung des ersten Schuljahres empfehlenswert ist“ (Lehrer-Fragebogen Atanas). Das Schüler-Interview soll bei einer Schülerin, die sich ihrer Leistungen unsicher ist, zum Aufbau des Selbstbewertgefühls und Selbstbewusstseins dienen. NS will ihr „durch das Interview mehr Selbstbewusstsein in Bezug auf ihre Kenntnisse ermöglichen“ (Lehrer-Fragebogen Elena). NS denkt an das Befinden ihrer Schüler. Deutlich wird dies an ihrer Vermutung, dass eine Schülerin Freude am Schüler-Interview haben wird, da sie „Neuem gegenüber sehr aufgeschlossen ist“ (Lehrer- Fragebogen Sabrina). Bei einem konzentrationsschwachen Schüler will sie die Eins-zu-eins- Situation nutzen, um seine Stärken und Schwächen erkennen zu können, die im Unterricht aufgrund seiner Unruhe untergehen. Bemerkungen zu den ausgefüllten Lehrer-Fragebögen von NS Beim Lehrer-Fragebogen des ersten Schülers sind die Vermutungen von NS zu seinen Leistungen sehr undifferenziert. Dies könnte daran liegen, dass sie den Schüler bereits 8 Wochen nach Schuleintritt interviewt und sie ihn noch nicht einschätzen kann. Ab dem zweiten Lehrer-Fragebogen verwendet NS mathematikdidaktische Fachbegriffe. Sie beschreibt nicht einzelne Phänomene, deren Auftreten sie vermutet, sondern stellt sie in größere Zusammenhänge. Sie gibt grobe Diagnosen an. Ihre Aussagen formuliert sie in Sätzen. Der Lehrer-Fragebogen scheint NS genügend Freiraum für ihr fachliches Wissen zu bieten. Dort gibt sie ihre Einschätzungen für die drei Bereiche Arithmetik, Anwendungen und Geometrie wider. Ihre Vermutungen zu den Bereichen Arithmetik und Anwendungen sind umfassend. Lediglich im Bereich Geometrie sind ihre Aussagen spärlich. Ab dem sechsten Lehrer-Fragebogen werden ihre Bemerkungen aber reichhaltiger, da sie mit den Kindern Papierfaltübungen im Unterricht durchgeführt hat. Dadurch kann sie beim Ausfüllen der Lehrer-Fragebögen auf ihre Erfahrungen damit zurückgreifen. Zur Entwicklung der inhaltlichen Einschätzungen in den Lehrer-Fragebögen von NS NS verweist bereits im zweiten Lehrer-Fragebogen bei der Einschätzung der Schüler auf den Unterricht, ihr unterrichtliches Vorgehen und die Behandlung bestimmter Themen im Mathematikunterricht. Sie gründet ihre Vermutungen auf die unterrichtlichen Vorerfahrungen der Kinder oder gibt an, dass ihre Leistungen vielleicht auf Vorkenntnisse aus dem Alltag Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 121 zurückzuführen sind. Beim dritten Schüler-Interview betont NS im Lehrer-Fragebogen, dass der Schüler Aufgaben lösen können wird, die „über den inhaltlichen Bereich der 1.Klasse hinausgehen“ (Lehrer-Fragebogen Sayman). NS scheint sich bewusst zu sein, dass Kinder meistens mehr können und wissen als erwartet wird. Zwischen den Vermutungen und den Ergebnissen treten bei allen geführten Schüler-Interviews, bis auf das erste Schüler-Interview mit dem leistungsstarken Schüler, den NS in allen Bereichen unterschätzte, kaum Differenzen in den drei Bereichen Arithmetik, Anwendungen und Geometrie auf. Vergleich der Lehrer-Einschätzungen mit den Schüler-Interview-Ergebnissen Anhand der Ergebnisse der Schüler-Interviews kann festgestellt werden, dass sechs Schüler, zwei Schülerinnen und vier Schüler, mittlere bis hohe Ausprägungsgrade und zwei Schüler, eine Schülerin und ein Schüler, niedrige Ausprägungsgrade erreichen. NS befragt stärker leistungsmittlere und leistungsstarke Schüler. Es scheint als befrage sie Kinder, bei denen sie aus Gründen der Zurückhaltung oder Konzentrationsschwäche im Unterricht kaum Informationen über ihre Leistungsfähigkeit erhält. Dabei wählt sie die Schüler unabhängig vom Leistungsniveau aus. Beim Vergleich der Voraussagen in den Lehrer-Fragebögen mit den Ergebnissen der Schüler- Interviews fällt auf, dass NS alle ihre Schüler gut einschätzen kann. Auswertung des ersten Lehrer-Interviews mit der Lehrerin NS Nach 5 Monaten Erprobung fand das erste Lehrer-Interview mit NS statt. Die Forscherin führte das Interview mit NS am 28.01.04 von 13.15 bis 13.45 Uhr in der Schule C. Im Oktober 2003 interviewte NS einen leistungsstarken Schüler ihrer eigenen ersten Klasse. Er war zum Zeitpunkt des Schüler-Interviews erst ca. 8 Wochen in der Schule. Außerdem hat sie mit ihrem Kollegen AG bis dahin Schüler-Interviews mit einem leistungsstarken Schüler und einer leistungsschwachen Schülerin aus Klassen ihrer Kollegen geführt. Diese werden hier nicht dargestellt, da es ausschließlich um Kinder ihrer eigenen Klasse gehen soll. Übersicht der bis dahin geführten Schüler-Interviews und dazugehörigen Lehrer- Fragebögen Name des Kindes Lehrer-Fragebogen Schüler-Interview Nicolai 13.10.03 13.10.03 Erstes Lehrer-Interview mit NS 28.01.04 Auswertung des ersten Lehrer-Interviews mit der Lehrerin NS Mit Hilfe der Zuordnung von Aussagen zu Kategorien wird das erste Lehrer-Interview mit NS analysiert. Die Aussagen zu den jeweiligen Kategorien werden erläutert und interpretiert. Im ersten Lehrer-Interview mit NS bilden die Kategorie I „Bewertungen des Schüler- Interviews als Instrument durch die Lehrer“ und Kategorie II.1 „Förderunterstützung bei den befragten Schülern“ die Schwerpunkte. Kategorie I „Bewertungen des Schüler-Interviews als Instrument durch die Lehrer“ Inhaltliche Kategorien Beobachtetes Vorhandensein nicht vorhanden wenig vorhanden vorhanden deutlich vorhanden I Bewertungen des Schüler-Interviews als Instrument durch die Lehrer x Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 122 I.1 Inhalt x I.2 Organisatorische Probleme x I.3 Emotionale Aspekte x I.4 Ausführende x I.5 Auswertung x I.6 Reflexion zu Lehrerbefragung x NS spricht alle Subkategorien an, bis auf I.6 „Reflexion zu Lehrerbefragung“, welche nur in den abschließenden Lehrer-Interviews auftritt. Die Subkategorie I.4 „Ausführende“ kommt bei ihr häufig vor, da sie Schüler ihrer Kollegen interviewt hat und sich dazu äußert. Die Schwerpunkte liegen auf den Subkategorien I.1 „Inhalt“, I.2 „Organisatorische Probleme“ und I.4 „Ausführende“. Bei der Subkategorie I.1 „Inhalt“ wird bei der Auswertung des Lehrer-Interviews nur auf die Unterpunkte I.1.1 „Stoff“ und I.1.2 „Art des Interviews“ eingegangen, da die anderen für die Beantwortung der Forschungsfragen nicht relevant sind. Subkategorie I.1 „Inhalt“ NS stellt fest, dass das Schüler-Interview alle Bereiche der Grundschulmathematik – Arithmetik, Anwendungen und Geometrie – abdeckt. Dadurch entsteht eine Fülle von Material und Aufgaben. Sie findet die australischen Interviewaufgaben „gut durchdacht“ (1NS, 13.06) und sie könnte „jetzt nichts verändern“ (1NS, 13.06). Sie scheint von den Fragestellungen im Schüler-Interview überzeugt zu sein. Ferner bemerkt sie, dass das Schüler-Interview mehr Stoff abfragt als in Klasse 1 verlangt. Dies liegt in der Konzeption des Schüler-Interviews begründet. Es wird von einer großen Leistungsspanne ausgegangen und aufgrund dessen ist das Schüler-Interview für Klasse 0 bis 2 angelegt, wobei NS dem skeptisch gegenüber steht. Das Schüler-Interview geht „über viele Grenzen des Mathematikunterrichts hinaus […] und viele Bereiche [werden] jetzt schon abgefragt, die letztendlich noch nicht unbedingt Inhalt sind im ersten Schuljahr“ (1NS, 17.50). Wahrscheinlich orientiert sich NS stark am Lehrplan, nachdem sie seit Abschluss ihres Referendariats erst ein Jahr unterrichtet. Sie ist offensichtlich der Meinung, dass der Zahlenraum bis 20 im ersten Schuljahr nicht überschritten werden darf. Im abschließenden Lehrer-Interview soll betrachtet werden, ob sich ihre Einstellung dazu verändert hat. NS sieht das Schüler-Interview als ein Diagnostikinterview für alle Leistungsniveaus und nicht nur für leistungsschwache Kinder. „Ich kann zum einen sagen, gut ich hab ein lern- schwaches Kind, ich möchte gucken, wo hakt’s und ich kann sagen, ja ich hab ein wirklich sehr starkes Kind und ich muss gucken, wo kann ich ihn fördern“ (1NS, 13.44). Es ist ein Instrument zur Lernstandsbestimmung, welches die Heterogenität der Schülerleistungen berücksichtigt. Das Schüler-Interview „ist eine vielfältige Methode, um raus zu finden, wo steht das Kind“ (1NS, 13.44). Dabei betont NS, dass sie nur mit Hilfe der Materialien, die im Schüler-Interview verwendet werden, und konkreten Aufgabenbeispielen das Schüler- Interview vorstellen kann. Subkategorie I.2 „Organisatorische Probleme“ Zur Übung führt NS zu Beginn des Projektes gemeinsam mit ihrem Kollegen AG mehrere Schüler-Interviews. Dabei wechseln sie sich nach ca. der Hälfte des Schüler-Interviews in der Interviewführung ab. Diese geteilte Interviewführung ermöglicht eine intensivere Aus- einandersetzung mit dem Schüler-Interview, „dann kann man sich besser irgendwie rein denken […] in die Fragestellungen“ (1NS, 02.38). Das Ziel besteht darin, dass Einer alleine das Schüler-Interview führen kann. Die Organisation der Schüler-Interviews gestaltet sich im Schulalltag für einen Lehrer alleine schon schwierig. NS führt dann alle Schüler-Interviews alleine. AG interviewt keine Schüler mehr, nimmt aber weiterhin an den Arbeitstreffen der am Projekt beteiligten Lehrer teil. Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 123 Der Einbau des Schüler-Interviews in den Unterrichtsalltag ist aufgrund der Mehrarbeit kaum möglich. Das Führen eines Schüler-Interviews ist ein großer Aufwand, wobei die Länge eines Schüler-Interviews vom Leistungsniveau des Kindes – zwischen 1 h und 1 ¾ h – abhängig ist. Dies ist mit auf die Konzeption des Interviewleitfadens zurückzuführen, der als „choose your own adventure story“ (ENRP 2002, S. 41) erstellt wurde und daher bei verschiedenen Leistungsniveaus der Kinder zu einer unterschiedlichen Anzahl von abzufragenden und dann gestellten Interviewaufgaben führt. Dennoch will NS ihre ganze erste Klasse interviewen. Anscheinend möchte sie die Lernstände aller ihrer Schüler bestimmen, um differenziert mit ihnen umgehen zu können. Subkategorie I.3 „Emotionale Aspekte“ Zu Beginn des Schüler-Interviews auf die Frage „Was möchtest du spontan zum Schüler- Interview äußern?“ spricht NS dreimal ihre emotionalen Aspekte gegenüber dem Schüler- Interview an. Sie besitzt eine positive Einstellung gegenüber dem Schüler-Interview. Vor dem Führen des ersten Schüler-Interviews ist sie aufgeregt und unsicher. Im Nachhinein ist sie begeistert vom Schüler-Interview. Vor allem auch, weil sie die Freude und Begeisterung der Schüler beim Schüler-Interview erlebt. Subkategorie I.4 „Ausführende“ NS ist der Überzeugung, dass der Interviewer im Schüler-Interview der Mathematik- oder Klassenlehrer des Kindes sein sollte. „Derjenige, der wirklich das Kind auch aus dem Mathematikunterricht kennt, dem bringt es das meiste“ (1NS, 09.02). Diese Aussage von NS steht vermutlich in Zusammenhang mit den Schüler-Interviews, die sie für Schüler ihrer Kollegen durchgeführt hat und selbst keine Schlüsse aus den geführten Schüler-Interviews ziehen konnte, da sie die Schüler nicht unterrichtet. Auf der anderen Seite ist sie der Meinung, dass „jeder Normalsterbliche, das muss kein Lehrer sein“ (1NS, 25.38) das Schüler-Interview führen kann, wobei der Lehrer vielleicht das Schüler-Interview auf „eine bisschen geschicktere Art und Weise“ (1NS, 25.38) führt. Sie berichtet, dass jeder ähnliche Erfahrung, wie sie beim Führen eines Schüler-Interviews machen kann. Deshalb kann auch jede Person ein Schüler-Interview führen. Sie sieht ein größeres Problem darin, dass ein geringer Nutzen besteht, wenn sie das Schüler- Interview mit Schülern führt, die nicht aus ihrer Klasse stammen. Sie hat sie zwar durch das Schüler-Interview besser kennen gelernt und kann ihre Fähigkeiten einschätzen, kann dies aber nicht umsetzen, da sie die Schüler nicht in ihrem Unterricht hat. Daraus kann gefolgert werden, dass NS ihre Erkenntnisse durch das Führen der Schüler-Interviews in ihrem Unter- richt umsetzen will. An die Klassenlehrer hat NS die Ergebnisse der Schüler-Interviews weitergegeben. Durch die Videodokumentation könnte der Klassenlehrer noch genauer informiert werden. Insgesamt hält sie die Videodokumente der Schüler-Interviews für eine adäquate Informationsquelle nichtanwesender Lehrer. Ansonsten ist dies laut NS nicht effektiv. Beim Führen eines Schüler-Interview mit einem Schüler ihrer eigenen Klasse sieht sie den Aufwand und den Nutzen des Schüler-Interview im rechten Verhältnis. Sie kann die Schüler- leistungen besser einschätzen und traut allen Schülern mehr zu. NS spricht das Führen von Zweitinterviews an, das bedeutet, dass bereits ein Schüler- Interview mit dem entsprechenden Schüler geführt worden ist und in einem halben Jahr noch einmal interviewt wird. Betrachtet werden soll der Entwicklungsprozess eines Schülers, wobei sich NS fragt, ob die Veränderung der Schülerleistung darauf zurückzuführen ist, dass „die Kollegin den Unterricht umgestellt hat oder liegt es einfach daran, dass das Kind einen Entwicklungsschub“ hatte? Dies sind auch die zwei relevanten Fragestellungen die in Bezug auf Zweitinterviews gestellt werden müssen. Erstaunlich ist, dass NS von sich aus die Idee Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 124 von Zweitinterviews anführt. Ihre Gedanken bezüglich der Zweitinterviews erscheinen durchdacht und reflektiert. Subkategorie I.5 „Auswertung“ Bei NS tritt eine Besonderheit auf. Sie bestimmt zu Beginn des Projektes zusammen mit den studentischen Assistenten die Ausprägungsgrade. Um das Schüler-Interview objektiver werden zu lassen und damit keine Bemerkung des Kindes verloren geht, wurden zwei Interviewprotokolle angefertigt. Diese wurden dann in der halben Stunde nach dem Führen des Schüler-Interviews verglichen und daraus die Ausprägungsgrade bestimmt. Diese spiegeln die Interviewergebnisse für das einzelne Kind wider. Dabei empfand sie die Unterstützung der studentischen Assistenten als hilfreich und wäre sich alleine teilweise unsicher gewesen. Fazit zu Kategorie I „Bewertungen des Schüler-Interviews als Instrument durch die Lehrer“ Das Schüler-Interview deckt laut NS alle Bereiche der Grundschulmathematik ab und stellt ein Diagnostikinterview für alle Leistungsniveaus dar. Es berücksichtigt die Heterogenität der Schülerleistungen bei der Lernstandsbestimmung. Die konstruktivistische Denkhaltung des Schüler-Interviews ist NS aus ihrem Studium bekannt. Zu Beginn der Erprobungsphase teilt sie sich die Interviewführung mit ihrem Kollegen AG. Dabei ist die Länge eines Schüler-Interviews vom Leistungsniveaus des Kindes abhängig und beträgt 1 h bis 1 ¾ h. NS möchte gern ihre ganze erste Klasse interviewen. Sie ist vor allem vom Schüler-Interview begeistert, da die Schüler Freude daran haben. Der Interviewer sollte der Mathematiklehrer des Kindes sein, da bei fremden Schülern laut NS nur ein geringer Nutzen besteht. Um den Entwicklungsprozess eines Kindes zu beobachten, schlägt sie das Führen von Zweitinterviews vor. Die Ausprägungsgrade der Schüler-Interviews bestimmt sie zu Beginn des Projektes gemeinsam mit den studentischen Assistenten. Kategorie II „Unterrichtsunterstützung“ Ein Schwerpunkt im ersten Lehrer-Interview mit NS liegt in der Subkategorie II.1 „Förderunterstützung bei den befragten Schülern“. Im Folgenden werden alle Subkategorien einzeln betrachtet und ausführlich ausgewertet. Kategorie II.1 „Förderunterstützung bei den befragten Schülern“ Inhaltliche Kategorien Beobachtetes Vorhandensein nicht vorhanden wenig vorhanden vorhanden deutlich vorhanden II.1 Förderunterstützung bei den befragten Schülern x II.1.1 Lehrer und das einzelne Kind x II.1.2 Wissen über das einzelne Kind x II.1.3 Förderung x II.1.4 Einstellung des Kindes x II.1.5 Rückmeldung x Subkategorie II.1.1 „Lehrer und das einzelne Kind“ In der Kategorie II.1.1 „Lehrer und das einzelne Kind“ bezieht sich NS ausschließlich auf ihren bis dahin einzigen Schülern, den sie interviewt hat. Dabei ist das Besondere, dass der Junge erst 6-8 Wochen in der Schule, also in der ersten Klasse ist. NS wurde auf ihn aufmerksam, da er ihr sehr leistungsstark schien. Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 125 Das Schüler-Interview mit dem leistungsstarken Schüler löste bei NS Faszination und Erstaunen über die Leistungen eines Erstklässlers kurz nach Schulbeginn aus. NS bezeichnet das Schüler-Interview als „hochspannend“ (1NS, 03.39). Er hat „im arithmetischen Bereich, da bei den Taschenrechneraufgaben uns sechsstellige Zahlen vorgelesen“ (1NS, 03.39). Sie gewinnt durch das Schüler-Interview „einen anderen Blickwinkel“ (1NS, 03.39) für den Schüler. Nach dem Schüler-Interview ist sie der Meinung, dass der Junge eine herausragende Begabung besitzt. Sie betont, dass es „schon uns beiden, denke ich, was gebracht“ hat (1NS, 07.08). Ihr ist wichtig, dass nicht nur sie aus dem Schüler-Interview neue Erkenntnisse gewonnen hat, sondern auch dass der Schüler davon profitiert, da sie mit ihm anders umgeht. Subkategorie II.1.2 „Wissen über das einzelne Kind“ NS hat den Schüler ausgewählt, da ihr bewusst ist, dass „im Klassenverband […] oft nicht die Zeit“ (1NS, 03.39) vorhanden ist, um sich genauer mit einem Kind zu befassen. Außerdem ist der Unterricht meist thematisch an einen Wissensbereich gebunden, so dass in der Regel keine Erkenntnisse über die verschiedenen mathematischen Teilbereiche gewonnen werden. NS möchte mit Hilfe des Schüler-Interviews konkretes differenziertes Wissen über seine Fähigkeiten erhalten. Der Schüler zeigt im Schüler-Interview in allen mathematischen Teilbereichen, bis auf Geometrie sehr gute Leistungen. NS war die Tendenz klar, aber sie konnte es nicht genau einschätzen. Obwohl NS klar war, dass der Junge leistungsstark ist, wurde durch die Ergebnisse des Schüler-Interviews ihre Sicht bestätigt und verfeinert. Sie erhielt z. B. die Information, dass er in Geometrie Schwächen aufweist. Subkategorie II.1.3 „Förderung“ Daraus folgert NS auch, dass sie ihn in Geometrie fördern muss. Sie meint, dass sie „nicht sagen kann, na ja der rechnet schon ganz gut und kann schon viel, na ja, der kriegt noch mal ein Zusatzarbeitsblatt und dann ist gut, sondern er muss richtig gefördert werden“ (1NS, 03.39). NS erläutert nicht, was sie unter „richtig gefördert“ versteht. Ihre Aussage ist uneindeutig und oberflächlich. NS gibt dem Schüler „viel Zusätzliches an Material“ (1NS, 05.32). Auf Computerprogramme greife sie häufiger zurück. Die Arbeit mit dem Computer „macht [dem Jungen] viel Spaß“ (1NS, 05.32). Es scheint als unterscheide sich NS Förderung nicht von einer Förderung, die ausschließlich Zusatzarbeitsblätter verwendet. NS lässt ihrer Aussage nach den Schüler Stoff aus den nächsten Schuljahren bearbeiten. Anscheinend vertieft sie für den Schüler nicht die Inhalte, die im ersten Schuljahr behandelt werden. Der Schüler arbeitet erst mit den anderen Mitschülern zusammen und „dann kriegt er so seinen eigenen Lernplan“ (1NS, 06.15). NS meint damit vermutlich die Arbeit mit dem Computer und Knobelaufgaben, die sie ihm stellt. Sie macht ansonsten keine Angaben über eine gezielte Förderung des Jungen. Kollegen, deren Schüler sie interviewt hat, kann sie keine Förderhinweise zur Weiterarbeit mit dem jeweiligen Kind geben. NS fällt es anscheinend schwer aus den Interviewergebnissen Folgerungen für eine adäquate Förderung des Kindes zu ziehen. Vielleicht benötigt sie dazu noch weiteres Wissen oder zeitliche Möglichkeiten, um ihn „richtig“ zu fördern. Subkategorie II.1.4 „Einstellung des Kindes“ Seit NS dem Schüler seinen eigenen Lernplan gibt, „ist er sehr motiviert“ (1NS 06.15). Vor dem Schüler-Interview hat er sich laut NS im Mathematikunterricht manchmal gelangweilt. Vermutlich hat NS ihren Umgang mit dem Schüler aufgrund der Interviewergebnisse verändert und dadurch wandelte sich die Einstellung des Kindes von Langeweile zu einer Motivation gegenüber dem Mathematikunterricht. Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 126 Subkategorie II.1.5 „Rückmeldung“ NS betont, dass sie alle Kinder gelobt hat, „egal wer es und wie gemacht hat“ (1NS, 21.31). Diese positive, meiner Meinung nach, undifferenzierte Rückmeldung muss laut NS sein. Sie lobt die befragten Schüler ohne ihnen ein Feedback zu ihren Leistungen zu geben. NS ist sich unsicher, wie sie den Kindern ihren Leistungsstand erläutern soll. Deshalb gibt sie ihnen wohl diese nichts sagende Aussage. Bei dem leistungsstarken Schüler wird dies besonders deutlich. Laut NS weiß er, dass „er gut rechnen kann. Ja, was soll man dann groß sagen?“(1NS, 21.31). Fazit zu Kategorie II.1 „Förderunterstützung bei den befragten Schülern“ NS ist erstaunt und fasziniert über die Leistungen eines Erstklässlers im Schüler-Interview kurz nach Schulbeginn. Sie erhält durch das Schüler-Interview differenziertes Wissen über seine Fähigkeiten. Ihr war die Tendenz klar, aber erst durch das Schüler-Interview kann sie seine Leistungen genau einschätzen. Aufgrund der Interviewergebnissen fördert NS den leistungsstarken Jungen mit Knobelaufgaben und einem Computerprogramm. Seitdem der Schüler Extraaufgaben erhält ist er sehr motiviert. Sie gibt ihm keine differenzierte Rückmeldung, da sie sich unsicher ist, wie diese aussehen könnte. Kategorie II.2 „Unterstützung des eigenen Unterrichts“ Inhaltliche Kategorien Beobachtetes Vorhandensein nicht vorhanden wenig vorhanden vorhanden deutlich vorhanden II.2 Unterstützung des eigenen Unterrichts x II.2.1 Handlungsideen aus dem Interview x II.2.2 Sicht auf Unterricht/Veränderung des Unterrichts x II.2.3 Lernstandsbestimmung, Leistungseinschätzung der Schüler x Subkategorie II.2.1 „Handlungsideen aus dem Interview“ NS hat bis jetzt keine Interviewaufgaben in ihren Unterricht übernommen, kann sich dies aber vorstellen. Die Handlungsideen, die sich aus dem Schüler-Interview ergeben, findet sie gut. Sie gibt aber keine konkreten Beispiele an. Subkategorie II.2.2 „Sicht auf Unterricht/Veränderung des Unterrichts“ Auf der einen Seite ist sie der Meinung, dass das Schüler-Interview den regulären Unterricht unterstützt und auf der anderen Seite sagt sie, dass sie keine Impulse für den laufenden Unterricht erhält, da es inhaltlich „über viele Grenzen des Mathematikunterrichts auch hinaus- geht“ (1NS, 17.50). Vielleicht besteht der Unterschied im Verständnis der beiden Wörter „Unterstützung“ und „Impulse“ durch NS. Wahrscheinlich ist „Unterstützung“ für sie nicht so stark, wie „Impuls“ und insofern kann sie das eine bestätigen und muss das andere ablehnen. Das Schüler-Interview zeigt laut NS, „wie viel die Kinder können“, aber sie ist der Meinung, dass sie das „Systematische“ (1NS, 18.07) erst noch im Unterricht erarbeiten muss. Sie hat Bedenken, dass die Kinder Fähigkeiten nicht erwerben, wenn sie nicht getreu dem Lehrplan vorgeht. Sie steht einem veränderten Lerntempo bei den einzelnen Schülern sehr skeptisch gegenüber. Subkategorie II.2.3 „Lernstandsbestimmung, Leistungseinschätzung der Schüler“ Durch die Schüler-Interviews gewinnt NS eine neue Sicht auf die Leistungen der Schüler, indem sie die Schülerleistungen objektiver betrachten und bewerten kann. Ihr wird bewusst, dass es Kinder gibt, die Schwierigkeiten in der Arithmetik haben, aber in Geometrie gute Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 127 Leistungen erbringen. Der Blick auf das Kind wird geändert. Das Kind wird „nicht […] so abgestempelt, „oh die kann nicht so rechnen oder es fällt ihr schwer“, sondern dass man halt eher dann noch so sagen kann, „okay der Bereich, da muss gefördert werden, die anderen Bereiche sind aber gut” zum Beispiel“ (1NS, 01.33). In ihrer Aussage spiegeln sich eine prozessorientierte und förderdiagnostische Sicht und kein ergebnis- noch defizitorientierter Blick wider. Als Lehrerin erhält sie viele Informationen über die Kinder, „es bringt doch eine Menge, also für einen selber“ (1NS, 01.33). Fazit zu Kategorie II.2 „Unterstützung des eigenen Unterrichts“ Das Schüler-Interview unterstützt laut NS den regulären Unterricht, aber sie erhält keine Impulse für den laufenden Unterricht, da das Schüler-Interview über die inhaltlichen Grenzen des ersten Schuljahres hinausgehen. Durch das Schüler-Interview gewinnt sie eine neue Sicht auf die Schülerleistungen. Sie stellt fest, dass die Kinder in den verschiedenen mathematischen Teilbereichen ganz unterschiedliche Leistungen aufweisen können. NS besitzt eine prozessorientierte und förderdiagnostische Sicht auf die Kompetenzen der Schüler. Kategorie II.3 „Unterstützung der Schulentwicklung“ Inhaltliche Kategorien Beobachtetes Vorhandensein nicht vorhanden wenig vorhanden vorhanden deutlich vorhanden II.3 Unterstützung der Schulentwicklung x II.3.1 Vorstellung in der Konferenz bzw. den Kollegen x II.3.2 Rückmeldung an Kollegen x II.3.3 Fördergruppen für Schüler x II.3.4 Lehrer als Vertreter/Multiplikator des Interviews x Subkategorie II.3.1 „Vorstellung in der Konferenz bzw. den Kollegen“ NS hat in der Lehrerkonferenz über das Schüler-Interview berichtet und einige Aufgaben- stellungen aus verschiedenen mathematischen Teilbereichen vorgeführt, damit die Lehrer wissen, dass „es nicht der Arithmetikschwerpunkt ist“ (1NS, 10.17). Da nach NS Meinung viele Lehrer nur Arithmetik in ihrem Mathematikunterricht behandeln. Wahrscheinlich basiert ihre Meinung auf den Berichten ihrer Kollegen, was sie im Unterricht und wie sie es behandeln. Bei der Interviewvorstellung war NS die Interviewerin und der Referendar spielte das zu interviewende Kind. Dadurch wurde die zweite Phase in der Lehrerbildung mit einbe- zogen. Die Resonanz der Kollegen auf das Schüler-Interview war positiv. In der Konferenz bestand vor allem Interesse an den Anwendungen, speziell dem Themengebiet Längen. Anscheinend waren die Lehrer erstaunt, dass in der Mathematik, vor allem bei den Anwendungen, ein direkter Realitätsbezug besteht und aktiv gehandelt werden kann. Ein fachfremder Kollege von NS war über die Inhalte und die Vorgehensweise im Schüler- Interview überrascht. NS meint damit vermutlich das Zulassen verschiedener Lösungswege und das Behandeln aller drei Bereiche – Arithmetik, Anwendungen und Geometrie – im Mathematikunterricht. Durch Begeisterung versucht sie ihre Kollegen einzubeziehen und ihr Interesse zu wecken selbst Schüler-Interviews zu führen. Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 128 Subkategorie II.3.2 „Rückmeldung an Kollegen“ Ein Unterpunkt in Kategorie II.3 „Unterstützung der Schulentwicklung“ thematisiert die Rückmeldung an Kollegen. Damit ist die Information über die Interviewergebnisse an die Lehrer gemeint, deren Schüler NS interviewt hat, aber nicht unterrichtet. Sie informiert sie im Gespräch und liefert ihnen einen „allgemeinen Rückblick“ (1NS, 20.09). Es ist „mehr so ein drüber reden und Tipps geben, aber was dann letztendlich was bringt, das weiß ich nicht“ (1NS, 20.09). NS kann den Kollegen keine konkreten Hinweise geben, da sie entweder sich nicht festlegen will oder da sie Schwierigkeiten hat aus den Interviewergebnissen Folgerungen zu ziehen. Einer Kollegin sagt sie, in welchen mathematischen Teilbereichen das Kind gute Leistungen gezeigt hat und in welchen es gefördert werden sollte. Durch das Schüler-Interview ist NS in der Lage Kollegen eine grobe Rückmeldung anhand der mathematischen Teilbereichen zu geben. Förderhinweise hingegen kann sie nicht bieten. Rückmeldungen über die Interviewergebnisse gebe sie weder an die Schüler noch an die Eltern. Anscheinend sieht dies NS nicht für nötig an oder sie tut sich schwer diesen beiden Gruppen ein für sie sinnvoll erscheinendes Feedback zu geben. Es treten bei NS keine Aussagen zu den Subkategorien II.3.3 „Fördergruppen für Schüler“ und II.3.4 „Lehrer als Vertreter/Multiplikator des Interviews“ auf. Fazit zu Kategorie II.3 „Unterstützung der Schulentwicklung“ NS stellt das Schüler-Interview in der Lehrerkonferenz vor, indem sie mehrere Aufgaben aus unterschiedlichen mathematischen Teilbereichen präsentiert. Die Kollegen zeigen besonderes Interesse an den Anwendungen. NS will ihre Kollegen durch Begeisterung dazu animieren selbst Schüler-Interviews zu führen. Sie gibt grobe Rückmeldungen anhand der mathe- matischen Teilbereiche an die Kollegen, von denen sie Schüler interviewt hat. Hinweise zur Förderung der Kinder kann sie ihren Kollegen anscheinend nicht geben. Kategorie III „Schulsituation“ Inhaltliche Kategorien Beobachtetes Vorhandensein nicht vorhanden wenig vorhanden vorhanden deutlich vorhanden III Schulsituation x III.1 Förderung in der Schule x III.2 Mathematikunterricht in der Schule x III.3 Kooperation mit Kollegen x Subkategorie III.1 „Förderung in der Schule“ NS würde gern die ganze Klasse interviewen, um einen Überblick über den Lernstand ihrer Schüler zu erhalten und die Förderung in der Schule zu belassen, aber dies ist zeitlich nur durch Überstunden möglich. Der Klassenlehrer sollte laut NS für seine eigene Klasse da sein und nicht wegen der Durchführung von Schüler-Interviews ständig vertreten werden. Sie kann sich aber vorstellen, dass der Klassenlehrer mit einem Kind das Schüler-Interview führt oder dabei ist während die Klasse bei einem anderen Lehrer Fachunterricht hat, wie z. B. Kunst. Ihre Vision ist es eine Person in der Schule zu haben, die den ganzen Tag Zeit hat Schüler- Interviews zu führen oder dass ihre Anzahl an Unterrichtsstunden reduziert wird, so dass sie z. B. anstatt 29 Stunden 27 Stunden unterrichtet und ihr 2 Stunden pro Woche zum Führen von Schüler-Interviews zur Verfügung stehen. Es wird deutlich, dass den ausführenden Lehrern eine Zeitentlastung für die Schüler-Interviews gewährt werden sollte. Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 129 Subkategorie III.2 „Mathematikunterricht in der Schule“ Zum Mathematikunterricht an Schule C berichtet NS, dass sie die Computerprogramme „Lernwerkstatt“ und „Buddenberg“ einsetzen. In welcher Art und Weise sie genutzt werden, erläutert NS nicht. Es wird vermutet, dass sie zur Stillarbeit verwendet werden. NS meint, dass Lehrer die Mathematik fachfremd unterrichten „sehr dazu neigen, „Arithmetik ist wichtig und das andere machen wir so nebenher oder am Ende vom Schuljahr““ (1NS, 10.17). Dies vermittelt einem den Eindruck, dass diese Lehrer Mathematik dem Rechnen gleichsetzen. Es scheint als wolle sich NS als eine Lehrerin, die Mathematik für Klasse 1 bis 10 studiert hat, davon abgrenzen und damit klar machen, dass sie in ihrem Unterricht alle mathematischen Teilbereiche berücksichtigt und nicht nur Arithmetik behandelt. Subkategorie III.3 „Kooperation mit Kollegen“ Die Kollegen haben in der Lehrerkonferenz großes Interesse an den Schüler-Interviews bekundet, haben aber bislang keine Schüler-Interviews geführt noch daran teilgenommen. Mit dem Mathematikfachkollegen AG, der eine Parallelklasse in Mathematik unterrichtet, führt NS gute Fachgespräche und kooperiert mit ihm. Der Austausch von Materialien würde der Vielfältigkeit des Unterrichts dienen. Die Kooperation an der Schule ist soweit entwickelt, dass NS und AG die Möglichkeit hatten an einem Tag drei Schüler-Interviews hintereinander während der Unterrichtszeit zu führen. Ihre beiden Klassen wurden einen Tag lang vertreten. Dies war vermutlich möglich, da AG der Rektor der Schule ist. Fazit zu Kategorie III „Schulsituation“ NS will ihre ganze Klasse interviewen. Ihre Vision ist es, dass entweder eine Person nur Schüler-Interviews führt oder ihre Stundenanzahl reduziert wird, um Schüler-Interviews führen zu können. Laut NS behandeln viele fachfremd Mathematik unterrichtende Lehrer hauptsächlich Arithmetik. Eine Kooperation besteht mit ihrem Kollegen, der die Parallel- klasse unterrichtet, und auch am Projekt teilnimmt. Kategorie VI „Elternarbeit“ Inhaltliche Kategorien Beobachtetes Vorhandensein nicht vorhanden wenig vorhanden vorhanden deutlich vorhanden VI Elternarbeit x VI.1 Leistungsstandmeldung an die Eltern x VI.2 Einbindung der Eltern (Verantwortung an Eltern delegieren)/Förderung zu Hause x VI.3 Interesse der Eltern an Schule x Subkategorie VI.1 „Leistungsstandmeldung an die Eltern“ NS nutzt die Ergebnisse des Schüler-Interviews als konkrete Leistungsstandmeldung in einem Elterngespräch. Sie bezieht sich dabei auf den leistungsstarken Jungen ihrer eigenen Klasse. NS fühlt sich durch die Interviewergebnisse sicherer im Umgang mit den Eltern, „dass ich einfach auch den Eltern gegenüber das locker vertreten konnte, was ich da sage“ (1NS, 07.15). Subkategorie VI.2 „Einbindung der Eltern (Verantwortung an Eltern delegieren)/Förderung zu Hause“ NS vermittelt den Eltern, dass ihr Sohn eine „herausragende“ Begabung (1NS, 07.33) besitzt und gefördert werden sollte. Bei der Förderung möchte sie die Eltern einbinden und vielleicht Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 130 auch die Verantwortung an sie delegieren. Aufgrund der Berufstätigkeit der Eltern ist eine außerschulische Förderung des Jungen kaum möglich. NS versucht die Verantwortung für die Förderung an die Eltern dennoch weiterzugeben. Daraufhin haben die Eltern ein Computerprogramm besorgt, an dem er arbeitet. NS kennt das Programm nicht und hofft anscheinend, dass die Eltern eine gute Wahl getroffen haben. Die Sinnhaftigkeit dieses Vorgehens ist in Frage zu stellen. NS ist anscheinend nicht in der Lage den Eltern Förderhinweise zu geben. Ob sie selbst in ihrem Unterricht den Schüler fördert, ist zu bezweifeln, wenn sie den Eltern keine Tipps anbieten kann. Subkategorie VI.3 „Interesse der Eltern an Schule“ tritt bei NS im ersten Lehrer-Interview nicht auf. Fazit zu Kategorie VI „Elternarbeit“ Die Schüler-Interviewergebnisse unterstützen NS bei Elterngesprächen, da sie ihnen eine genaue Leistungsstandmeldung ihres Kindes geben kann. NS delegiert die Verantwortung für die Förderung des leistungsstarken Jungen an die Eltern. Sie liefert ihnen Informationen, aber keine konkreten Förderhinweise. Allgemeine Bemerkungen zum ersten Lehrer-Interview mit NS NS spricht im gesamten ersten Lehrer-Interview deutlich und überlegt. Dieser Eindruck entsteht, da sie nur wenige Füllwörter benutzt. Dagegen gebraucht sie viele einschränkende Floskeln. Sie will sich anscheinend mit ihren Aussagen nicht festlegen. Durch die Verwendung von ‘man’ wird dies deutlich oder NS will ihre Aussagen verallgemeinern. Das Bestreben nach Selbstschutz, das NS Verhalten charakterisiert, ist in der “Self-Protective Stage” des kognitiven Entwicklungsprozesses von Erwachsenen nach Loevinger (1976) und Oja (1980, S. 22) verankert (vgl. Peter 1996, S. 235). Gesamtfazit zum ersten Lehrer-Interview mit NS Wird das erste Lehrer-Interview mit NS unter dem Aspekt eines Kompetenzzuwachses betrachtet, kann festgestellt werden, dass NS eine neue Sicht auf die Schülerleistungen gewinnt und ihr die große Heterogenität der Performanzen bewusst wird. Dies zeigt sich in den beiden stark auftretenden Kategorien: Kategorie I „Bewertung des Schüler-Interviews als Instrument durch die Lehrer“ und Kategorie II.1 „Förderunterstützung bei den befragten Schülern“. Das Schüler-Interview bietet NS Unterstützung im regulären Unterricht und bei Elterngesprächen. Sie will ihren Unterricht öffnen, um besser mit den heterogenen Leistungen in ihrer Klasse umgehen zu können, die ihr durch das Führen des Schüler-Interviews bewusst wurden. Der mögliche Kompetenzzuwachs von NS lässt sich erst am abschließenden Lehrer- Interview aufzeigen. Offene Fragen aus der Interpretation des ersten Lehrer-Interviews mit NS Einige Aussagen von NS im ersten Lehrer-Interview sollten im abschließenden Lehrer- Interview noch einmal angesprochen werden, da in ihnen ein Entwicklungspotential gesehen wurde. Diese Abschnitte wurden NS als Re-Interviewausschnitte vorgelegt und sollen im Folgenden erläutert werden. NS sieht es als problematisch an, dass das Schüler-Interview inhaltlich über „viele Grenzen des Mathematikunterrichts […] hinausgeht“ (1NS, 17.50). Dies verwundert, da sie eine kompetenz- und prozessorientierte Sicht auf die Leistungen der Kinder besitzt, aber dennoch Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 131 an den vorgeschriebenen Inhalten des Lehrplans festhalten will. Durch erneutes Nachfragen im abschließenden Lehrer-Interview soll festgestellt werden, ob sich NS Meinung verändert hat. Zu ihrer Erkenntnis, dass die Kompetenzen der Kinder in den verschiedenen mathematischen Teilbereichen stark differieren, soll NS Stellung nehmen und ihre Aussage aus dem ersten Lehrer-Interview kommentieren. Im ersten Lehrer-Interview spricht NS davon, dass der leistungsstarke Junge „richtig gefördert“ (1NS, 03.39) werden muss. Da sie dies nicht näher erläutert, soll sie im abschließenden Lehrer-Interview erklären, was sie damit meint. NS wird gebeten, Gründe anzugeben, die für ihre Vorgehensweise sprechen, zum Erlernen des Schüler-Interviews die Interviewführung zu teilen. Dieser Aspekt wird angesprochen, da er für eine Implementation des Schüler-Interviews sinnvoll erscheint um neue Kollegen mit dem Schüler-Interview vertraut werden zu lassen. Bei einem Arbeitstreffen wurden alle Lehrer gebeten den Text „Förderdiagnostischorientierte Verfahren für den Mathematikunterricht“ von Werner (2003) zu lesen, um sie mit anderen mathematikdidaktischen Diagnoseinstrumenten vertraut zu machen. Ferner sollten sie dadurch in die Lage versetzt werden das Schüler-Interview mit den anderen Verfahren vergleichen zu können. Dazu sollten sie die folgenden Fragen beantworten: - „Ist das Verfahren in der Praxis, d.h. unter den gegenwärtigen zeitlichen und personellen Rahmenbedingungen anwendbar? - Welche Einsichten in die Lern- und Leistungsfähigkeiten und -möglichkeiten des Kindes lässt dieses Verfahren zu? - Welche Fragen bezüglich individueller mathematischer Einsichten, Kenntnisse und Fertigkeiten bleiben offen? - Sind die Ergebnisse des Verfahrens eindeutig oder lassen sie – je nach Beobachtungsstandpunkt – unterschiedliche Interpretationen zu? - Lassen sich aufgrund der Ergebnisse des Verfahrens konkrete Ansätze zur weiteren Förderung ableiten? Lassen sich Aussagen über den nächsten Entwicklungsschritt des Schülers treffen? - Welche ergänzenden bzw. erweiternden Diagnoseverfahren sind für dieses Verfahren empfehlenswert?“ (Werner 2003, S. 326). NS wurden diese Fragen am Ende des abschließenden Lehrer-Interviews gestellt, um ihren Standpunkt gegenüber dem Schüler-Interview klar zu erfassen. 3.2.3.5 Auswertung des abschließenden Lehrer-Interviews mit der Lehrerin NS Mit NS wurde das abschließende Lehrer-Interview im Juni 2004 nach 10 Monaten Erprobung des Schüler-Interviews geführt. Es fand am 22.06.04 von 12.30 bis 13.20 Uhr in der Schule C statt. Die Länge des abschließenden Lehrer-Interviews beträgt 50 Minuten. Bei den abschließenden Lehrer-Interviews ist NS die einzige Lehrerin, welche den Text Werner (2003) über verschiedene förderdiagnostischorientierte Verfahren gelesen hat. NS beantwortet der Interviewerin die im Text vorkommenden Fragen bezogen auf das in dieser Untersuchung verwendete Schüler-Interview. Die anderen beteiligten Lehrer haben alle diesen Text laut ihrer eigenen Aussage nicht gelesen. Insofern kann dieser Text von Werner ausschließlich auf die Antworten von NS Einfluss gehabt haben. NS erinnert sich am Ende des abschließenden Lehrer-Interviews nicht an die Fragestellungen. Die Interviewerin legt ihr die Fragen vor und darauf beantwortet sie diese. Vermutlich erinnert sie sich nicht an den Inhalt des Textes von Werner, da sie sich auch nicht an die Fragestellungen erinnert. Inwieweit die Kenntnis des Textes von Werner NS beeinflusst hat, lässt sich nicht klären. NS Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 132 Antworten, auf die im Text von Werner (2003) aufgeworfenen Fragen, unterscheiden sich nicht von ihren bereits zuvor im Lehrer-Interview gemachten Aussagen. Um die Erfahrungsbasis von NS in den Untersuchungsverlauf einordnen zu können, wird angegeben, wie viele Schüler-Interviews und dazugehörige Lehrer-Fragebögen sie bis dahin ausgefüllt hat. Zwischen dem ersten und dem abschließenden Lehrer-Interview interviewte NS fünf Schüler. Davon sind drei männlichen und zwei weiblichen Geschlechts. Die Schüler stammen aus allen Leistungsniveaus. Dies bedeutet, dass sie schwache, mittlere und hohe Leistungen aufweisen. Nach dem abschließenden Lehrer-Interview führten studentische Assistenten zwei Schüler- Interviews mit Schülern, die mittlere Leistungen zeigen. NS war bei beiden Schüler- Interviews anwesend. Übersicht der geführten Schüler-Interviews und dazugehörigen Lehrer-Fragebögen Name des Kindes Lehrer-Fragebogen Schüler-Interview Nicolai 13.10.03 13.10.03 Erstes Lehrer-Interview mit NS 28.01.04 Benita 22.03.04 22.03.04 Sayman 26.04.04 26.04.04 Atanas 03.05.04 03.05.04 Jonas 11.05.04 11.05.04 Elena 27.05.04 27.05.04 Abschließendes Lehrer-Interview mit NS 22.06.04 Sabrina 25.06.04 25.06.04 Sascha 25.06.04 25.06.04 Im März und April befragte NS je ein Kind und im Mai drei Schüler. Die studentischen Assistenten befragten im Juni zwei Schüler. Auswertung des abschließenden Lehrer-Interviews mit NS Das abschließende Lehrer-Interview mit NS wird anhand der Kategorien analysiert und die ihnen zugeordneten Aussagen interpretiert. Kategorie I „Bewertungen des Schüler-Interviews als Instrument durch die Lehrer“ Inhaltliche Kategorien Beobachtetes Vorhandensein nicht vorhanden wenig vorhanden vorhanden deutlich vorhanden I Bewertungen des Schüler-Interviews als Instrument durch die Lehrer x I.1 Inhalt x I.2 Organisatorische Probleme x I.3 Emotionale Aspekte x I.4 Ausführende x I.5 Auswertung x I.6 Reflexion zu Lehrerbefragung x Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 133 Bei NS liegen Schwerpunkte auf den Subkategorien I.2 „Organisatorische Probleme“ und I.4 „Ausführende“, die sich mit der Umsetzung und dem Nutzen des Schüler-Interviews befassen. Subkategorie I.1 „Inhalt“ NS empfindet den Aufbau des Schüler-Interviews als sinnvoll. Jeden Bereich – Arithmetik, Anwendungen, Geometrie – spricht sie an. Der Arithmetikbereich bestehe nur aus einem Frage-Antwort-Gespräch. Er ist sehr umfangreich, so dass manche Schüler beim Geometrie- bereich laut NS erledigt und entkräftet sind. Wenn der Bereich der Anwendungen kommt, dann „atmen sie noch mal so richtig auf, jetzt kommt irgendwie was anderes“ (2NS, 23.44). NS meint damit vermutlich die Aktivität der Schüler, z. B. den Umgang mit der Waage. Alle Bereiche der Grundschulmathematik werden in NS Äußerungen bedacht. Ihrer Meinung nach sind keine großen Anpassungen an die Bildungsstandards nötig, da diese „noch relativ offen gehalten“ (2NS, 42.57) sind. Sie fragt sich, ob eine Anpassung nötig ist. Sie würde gern das Schüler-Interview von den Bildungsstandards getrennt lassen. Warum dies so ist, bleibt unklar. Subkategorie I.2 „Organisatorische Probleme“ NS hält die geteilte Interviewführung zu Beginn der Erprobungsphase für sinnvoll, da eine intensivere Auseinandersetzung mit den einzelnen mathematischen Teilbereichen möglich ist, z. B. wechseln nach dem Arithmetikteil der Interviewer und der Protokollant seine Rolle. Dadurch werden zwei verschiedene Blickwinkel auf den Schüler eingenommen, die bereichernd sein können. Nach dem Schüler-Interview besteht die Möglichkeit sich darüber auszutauschen. Es wird die Kooperation zwischen Lehrern gefördert und die Sicht auf das Kind wird objektiver. NS und AG haben für das erste Schüler-Interview ein Kind ausgewählt, welches keine Schwierigkeiten in Mathematik besitzt. NS ist der Meinung, dass zur Durchführung eines Schüler-Interviews ein Interviewer und eine weitere Person, die protokolliert und Material reicht, genügen. Es wird deutlich, dass die Lehrer beim Führen der Schüler-Interviews unterstützt werden müssen und nicht in der Lage sind sie alleine durchzuführen. Generell sind laut NS die „zeitlichen und personellen Rahmenbedingungen“ (2NS, 46.08) schwierig. Ein Schüler-Interview sollte laut NS nicht länger als 1 bis 1 ½ h in Anspruch nehmen. Zur Vorbereitung auf das erste Schüler-Interview reiche ein Nachmittag aus. Sie habe versucht jede Woche ein Schüler-Interview zu führen, was aber aufgrund der Rahmenbedingungen nicht möglich war. Ihr neu gewonnenes Wissen kann NS, laut ihren Aussagen, aus Zeitgründen nicht umsetzen. Obwohl NS sagt „die Zeit lohnt sich“ (2NS, 46.08), die für ein Schüler-Interview investiert werden muss. Die aktuellen Bedingungen erschweren NS die Schüler-Interviews zu führen und die Erkenntnisse aus den Schüler- Interviews zu nutzen. Im Zusammenhang mit dem ersten von NS geführten Schüler-Interview berichtet sie von ihrer eigenen Unsicherheit und Aufregung, ob alles im Schüler-Interview gut geht. Sie sagt, dass sie mittlerweile einen vertrauten Umgang mit dem Schüler-Interview besitzt. Sie sei „ein bisschen lockerer […] in der ganzen Durchführung“ (2NS, 00.19). Den Interviewleitfaden benötigt sie „gar nicht mehr unbedingt“ (2NS, 00.19), da sie die Fragestellungen inzwischen im Kopf hat. Ihre Erfahrungsbasis scheint so groß zu sein, dass sie frei mit dem Schüler- Interview umgehen kann. Sie freut sich, wenn sie ein Schüler-Interview führen kann und dies nicht durch zeitliche Schwierigkeiten behindert wird. NS findet es gut, dass das Führen eines Schüler-Interviews sich vom Mathematikunterrichten unterscheidet. Dem Schüler-Interview gegenüber ist sie positiv eingestellt. Bei der Durchführung der Schüler-Interviews sieht NS keine Probleme. Schwierigkeiten kommen beim Protokollieren, Auswerten und Interpretieren auf. Ansonsten ist da „keine Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 134 große Kunst dahinter“ (2NS, 35.12). Diese Aussage von NS könnte abwertend gemeint sein, aber wahrscheinlich ist es aus ihrer Sicht kein Problem ein Schüler-Interview zu führen. Sie hat bereits in ihrem Studium an einem Interviewprojekt mit Schülern teilgenommen und einige Interviews geführt. Subkategorie I.3 „Emotionale Aspekte“ NS erzählt von der Freude und der Begeisterung der Kinder am Schüler-Interview. Diese reicht soweit, dass interviewte Kinder nach ein oder zwei Tagen NS fragen, ob sie noch mal befragt werden können, da es „so Spaß gemacht“ (2NS, 10.16) hat. Vor allem die Bereiche Anwendungen und Geometrie erwecken das Interesse der Schüler. Dies sind die beiden Gebiete, die im Mathematikunterricht der Grundschule kaum behandelt werden. Beim Schüler-Interview stehen sie nach dem Arithmetikteil. NS meint, dass die Kinder nach dem Schüler-Interview rausgehen und denken: „ach war ja schön und so den Arithmetikteil haben sie schon wieder vergessen“ (2NS, 23.57). Sie stellt fest, dass leistungsstarke Kinder Freude am Schüler-Interview haben und begeistert sind. Leistungsschwache Schüler sind sich im Schüler-Interview laut NS teilweise unsicher und haben Ängste. Im Mathematikunterricht erlebt NS dies bei diesen Schülern nicht. Bei einem leistungsschwachen Schüler dauerte allein der Arithmetikteil über 60 min, da er sich mit den Aufgabenstellungen schwer getan hat. Dies war für diesen Schüler äußerst anstrengend und vermutlich auch belastend. NS glaubt, dass Leistungsschwache mit dem Arithmetikteil Mühe haben. Deshalb würde sie das Schüler-Interview mit einer Fragestellung beginnen, bei der die Kinder das Gefühl haben „ach ich kann das ja eigentlich und ist gar nicht so schlimm“ (2NS, 23.57). Damit die Schüler gleich spüren, dass es um ihre Kompetenzen und nicht ihre Defizite geht. NS möchte ihnen ein positives Grundgefühl vermitteln. Subkategorie I.4 „Ausführende“ Das Führen des ersten Schüler-Interviews und seine Ergebnisse waren sehr einprägsam und intensiv, da es etwas Neues war. NS meint, dass sie die Interviewergebnisse inzwischen umso schneller vergisst, je mehr Schüler-Interviews sie führt. Grobe Ergebnisse aller Schüler- Interviews behält sie im Kopf. Interviewen möchte sie ausschließlich Kinder ihrer eigenen Klasse, da dies für sie effektiver ist und sie daraus Konsequenzen ziehen kann. Dazu müssen ihrer Meinung nach nicht alle mathematischen Teilbereiche, die über die Inhalte des Schüler-Interviews hinausreichen, abgefragt werden. Die Interviewergebnisse sind „relativ eindeutig“ (2NS, 46.08) lesbar. Willige und interessierte Personen können laut NS aus dem Führen der Schüler-Interviews viel lernen und können sich am Interviewleitfaden orientieren. NS bezieht sich in ihrer Aussage nicht ausschließlich auf Lehrer. Wichtig sind ihr der Wille und das Interesse daran. „Letztendlich würde es ja reichen, erst mal damit anzufangen das wirklich so, wie es in dem Konzept [bzw. Interviewleitfaden] ist, auch mit den Kindern durchzuführen. Das kann jeder Lehrer, das muss nicht ein Lehrer sein, das kann jeder. Also da ist keine große Kunst dahinter“ (2NS, 35.12). NS will anscheinend so viele Lehrer wie möglich für das Schüler- Interview gewinnen. NS ist sowohl an Zweitinterviews in Klasse 0 bis 2 interessiert als auch an Folgeinterviews mit Schülern im dritten und vierten Schuljahr. Sie möchte damit die Lernentwicklung eines Schülers nachzeichnen/dokumentieren. Sie sieht keine Notwendigkeit weitere Diagnoseverfahren einzusetzen. Sinnvoller hält sie es die Kinder ein zweites Mal zu interviewen und die Ergebnisse miteinander zu vergleichen. Interesse hat sie dabei an den Veränderungen, positiv, negativ oder gar nicht. Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 135 Subkategorie I.6 „Reflexion zu Lehrerbefragung“ Bei der Reflexion zur Lehrerbefragung schildert sie ihre Empfindungen gegenüber dem Lehrer-Fragebogen. Sie fand das Ausfüllen des Lehrer-Fragebogens „meistens ziemlich nervig“ (2NS, 37.13) und es war ihr „sehr lästig“ (2NS, 37.13). Jedoch sieht sie einen Nutzen des Lehrer-Fragebogens, weil „man dann natürlich sich vorher schon mal Gedanken macht und dann hinterher auch guckt, kann, stimmt’s denn so, und so mit der Einschätzung ist, ist es schon mal ganz interessant“ (2NS, 37.13). Ihr ist auch bewusst, dass ihre Reflexion über die Schülerleistungen vor dem Führen des Schüler-Interviews durch den Lehrer-Fragebogen angeregt wird. Auf die Frage, welche der herausgearbeiteten Kategorien aus den ersten Lehrer-Interviews sie für wichtig hält, antwortet sie mit Kategorie II „Unterrichtsunterstützung“. Ihre Aussage erläutert sie nicht weiter. Es wird vermutet, nachdem die Subkategorien II.1 „Förderunterstützung bei den befragten Schülern“ und II.2 „Unterstützung des eigenen Unterrichts“ bei ihr im abschließenden Lehrer-Interview Schwerpunkte sind, dass sie glaubt dies nicht näher erläutern zu müssen. Wenn von der Häufigkeit auf die Wichtigkeit geschlossen werden kann, so bildet Kategorie II „Unterrichtsunterstützung“ eindeutig den Schwerpunkt bei NS. Fazit zu Kategorie I „Bewertungen des Schüler-Interviews als Instrument durch die Lehrer“ NS ist der Meinung, dass das Führen von Schüler-Interviews für alle willigen und interessierten Personen sehr lehrreich ist. Sie beschränkt sich dabei nicht nur auf Lehrer. Dabei ist der Aufbau des Schüler-Interviews hilfreich. Für sie ist die Kategorie II „Unter- richtsunterstützung“ die Wichtigste. Ihre neu gewonnenen Erkenntnisse kann sie aufgrund schwieriger zeitlicher und personeller Rahmenbedingungen nicht umsetzen. Die geteilte Inter- viewführung hält sie für sinnvoll, da eine intensivere Auseinandersetzung mit den Inhalten des Interviewleitfadens möglich ist. Es wird die Kooperation zwischen Lehrern gefördert und die Sicht auf das Kind wird objektiver. Sie empfindet es als angenehm, dass sich das Führen der Schüler-Interviews vom Mathematikunterricht unterscheidet. Der Umgang mit dem Schüler-Interview ist ihr so vertraut, dass sie die Fragestellungen im Kopf hat, wobei sie nur grobe Interviewergebnisse erinnern kann. Durch das Ausfüllen der Lehrer-Fragebögen wird ihre Reflexion über die Schülerleistungen vor dem Schüler-Interview angeregt. Weitergehend ist sie an der Dokumentation der Lernentwicklung von Schülern durch Zweit- oder Folgeinterviews interessiert. Sie stellt fest, dass leistungsschwache Schüler teilweise im Schüler-Interview unsicher und ängstlich sind, wohingegen Leistungsstarke Freude und Spaß daran haben. Kategorie II „Unterrichtsunterstützung“ Die Subkategorien II.1 „Förderunterstützung bei den befragten Schülern“ und II.2 „Unterstützung des eigenen Unterrichts“ bilden Schwerpunkte im abschließenden Lehrer- Interview mit NS. Zur Beantwortung der gestellten Forschungsfragen sind diese beiden Subkategorien besonders relevant. Deshalb werden sie im Einzelnen betrachtet und analysiert. Kategorie II.1 „Förderunterstützung bei den befragten Schülern“ Inhaltliche Kategorien Beobachtetes Vorhandensein nicht vorhanden wenig vorhanden vorhanden deutlich vorhanden II.1 Förderunterstützung bei den befragten Schülern x II.1.1 Lehrer und das einzelne Kind x II.1.2 Wissen über das einzelne Kind x Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 136 II.1.3 Förderung x II.1.4 Einstellung des Kindes x II.1.5 Rückmeldung x Subkategorie II.1.1 „Lehrer und das einzelne Kind“ Im Umgang mit den Kindern im Schüler-Interview fände es NS gut, den Schülern erst zu zeigen, was sie können, um eine positive Atmosphäre zu schaffen. Sie möchte den Schülern ihre Einstellung vermitteln, dass sie an ihrem Wissen und nicht an ihrem Nichtwissen interessiert ist. Die Schüler erleben die individuelle Zuwendung und intensive Beschäftigung mit ihnen im Schüler-Interview als sehr positiv. NS ist der Meinung, dass teilweise gar nicht wichtig ist, was sie mit ihnen macht, sondern dass sie sich mit ihnen befasst, „nicht nur für fünf Minuten […], sondern wirklich für eine Stunde“ (2NS, 08.14). Die Schüler machen dann „problemlos mit, was ich da von ihnen will“ (2NS, 08.14). In dieser Aussage wird deutlich, dass NS bemerkt, wie wichtig für die Schüler die intensive Beschäftigung mit ihnen ist. Selbst Kinder, die kein Interesse an Mathematik haben, machen bereitwillig mit, da sie die individuelle Zuwendung genießen. NS zieht daraus keine Konsequenzen für ihren Unterricht. Jedenfalls berichtet sie nicht davon. Subkategorie II.1.2 „Wissen über das einzelne Kind“ Beim „Wissen über das einzelne Kind“ erwähnt NS nur zwei Schüler namentlich. Ansonsten versucht sie die Erkenntnisse aus den Schüler-Interviews auf ihre gesamte Klasse oder Schüler mit einem ähnlichem Leistungsniveau zu übertragen. NS berichtet von einem Schüler, der sich schlecht konzentrieren kann und der dadurch langsam im Unterricht ist. Sie ist „manchmal auch sehr genervt von dem […] und ich hatte manchmal so das Gefühl, ach, der kann gar nichts und der kriegt das immer alles nicht hin und es dauert furchtbar lange“ (2NS, 21.28). In ihrer Aussage wird deutlich, wie emotional sie daran beteiligt ist und dass sie eher einen negativen Blick auf diesen Schüler hat. Durch das Schüler-Interview stellte sie fest, dass er langsam ist, aber den behandelten Stoff des ersten Schuljahres anwenden kann und keine Probleme damit hat. Sie weiß jetzt: „O.k., er ist so, aber er kann das, und das ist in Ordnung, so wie er’s macht“ (2NS, 21.28). Ihre Einschätzung dieser Schülerleistung und ihre Einstellung gegenüber diesem Kind wandeln sich von einer defizitorientierten zu einer kompetenzorientierten Sicht durch das Führen des Schüler- Interviews. Ferner stellt NS mit Hilfe des Schüler-Interviews fest, dass er die Wochentage und Monate vergessen hat. Damit hatte NS nicht gerechnet, da sie dies im Mathematikunterricht behandelt haben. NS bittet die Mutter mit ihrem Sohn die Wochentage und Monate zu üben. Mittlerweile kann er dies. Mit der Förderung des von ihr als erstes interviewten leistungsstarken Jungen scheint NS Schwierigkeiten zu haben. Sie gibt ihm weiterhin Knobelaufgaben und lässt ihn am Computer Aufgaben des zweiten Schuljahres lösen. Es besteht die Überlegung ihn im Mathematik- unterricht in die zweite Klasse zu schicken. Mathematische Strukturen und Muster erkennt er sehr schnell. NS hat durch das Schüler-Interview seine Stärken festgestellt, kann ihm aber aufgrund der Belastung oder der nicht ausreichenden Qualifikation im Umgang mit leistungs- starken Schülern nicht gerecht werden. Dazu wäre eine flankierende Lehrerfortbildung zum Umgang mit leistungsstarken Kindern sinnvoll. NS scheint mit ihrer Förderung des Jungen nicht zufrieden zu sein. NS berichtet, dass sie sich im Unterricht bei einzelnen Kindern auf die Interviewergebnisse bezieht, indem sie ihnen z. B. sagt, dass sie ja weiß, „dass du toll rechnen kannst, hab ich ja am Dienstag [im Schüler-Interview] gemerkt“ (2NS, 10.16). Zur positiven Bestärkung und Motivation nutzt NS die Erkenntnisse aus den Schüler-Interviews. Wahrscheinlich drückt sie damit auch indirekt aus, dass sie die Schüler besser einschätzen kann und ihnen mehr zutraut. Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 137 Der genaue Ausprägungsgrad in den einzelnen mathematischen Teilbereichen im Schüler- Interview ist NS nicht so wichtig, sondern vielmehr die Tendenz. Sie möchte ein Bild über die Leistungen ihres Schülers gewinnen. Insgesamt hat sie Interesse an der Entwicklung eines Kindes in Bezug auf das Schüler-Interview. Dazu möchte sie mit dem Schüler ein Zweit- interview führen und den Entwicklungsprozess betrachten. Es scheint als sei NS stärker an den Prozessen als an den Ergebnissen interessiert. Subkategorie II.1.3 „Förderung“ NS will sich die Förderung anhand der Ausprägungsgrade des Schüler-Interviews erarbeiten. Ideen seien bei ihr vorhanden, aber dann „scheitert es […] schon an der Umsetzung“ (2NS, 19.58). Sie hat keine zeitlichen Ressourcen, um sich für jedes Kind einen Förderplan zu überlegen. Im Falle des leistungsstarken Jungen ist sie sich unsicher, wie er gefördert werden soll. Auf die Frage der Interviewerin, ob sie in die Tiefe oder in die Breite fördern will, weicht sie aus. Es scheint als habe sie die Frage nicht verstanden. Sie will differenziert seine Stärken und Schwächen betrachten und dort mit der Förderung ansetzen. Auf konkrete Förderideen, außer dem Einsatz des Computerprogramms und der Knobelaufgaben, gibt sie keine Hinweise. Am Ende des Lehrer-Interviews fasst sie zusammen, was im gesamten Verlauf des Lehrer- Interviews sichtbar wird. Konkrete Ansätze zur Förderung kann sie aus den Interviewergebnissen nicht ableiten, aber sie erhält Orientierungspunkte in welchen mathe- matischen Teilbereichen sie ihre Förderung ansiedeln muss. „Also, in welche Richtung es gehen muss ja, aber wie man es tatsächlich macht nein“ (2NS, 46.08). Subkategorie II.1.4 „Einstellung des Kindes“ Ein Mädchen, welches über zwei Wochen lang psychosomatische Beschwerden hatte und frühzeitig aufgrund von Schmerzen den Unterricht verließ, ist durch das Schüler-Interview „total aufgeblüht“ (2NS, 08.14). Sie war nach dem Schüler-Interview fröhlich, sie „hat das mit Begeisterung mitgemacht, ist hinterher strahlend nach Hause gegangen“ (2NS, 08.14), obwohl sie nicht gerne rechnet. Das Befinden des Kindes hat sich durch das Schüler- Interview verändert. NS erklärt sich dies so, dass das Mädchen es „total genossen hat, dass sie da so im Mittelpunkt stand“ (2NS, 08.14). Die individuelle Zuwendung hat die Einstellung des Kindes zur Schule und zum Unterricht gewandelt. NS meint, dass sie die Einzelsituation und die ganze Stunde höchste Aufmerksamkeit durch die Lehrerin nötig hatte, um wieder zu sich zu finden. Die Mutter war ganz irritiert, woher das Kind seine Freude wieder gefunden hat. Seither ist wieder alles in Ordnung. Anscheinend wirkt sich die individuelle Zuwendung der Lehrerin positiv auf das Verhältnis zwischen Lehrerin und Kind aus und indirekt durch eine mögliche Veränderung der Lehrersicht auf die Schülerleistung wandelt sich auch die Einstellung des Schülers zum Unterricht. NS meint, dass die Schülerin „von einem Tag auf den anderen wirklich wieder ganz anders“ war (2NS, 10.16). Ob dafür allein das Schüler- Interview und die individuelle Zuwendung ausschlaggebend waren, ist unklar, aber die Einstellungsänderung „war wirklich auffällig“ (2NS, 10.16). NS reflektiert über das Verhalten der Schülerin und stellt den Zusammenhang zum Schüler-Interview her. Subkategorie II.1.5 „Rückmeldung“ NS gibt den interviewten Schülern keine differenzierte Leistungsrückmeldung zu den Interviewergebnissen anhand der mathematischen Teilbereiche. Sie sagt ihnen „hast du toll gemacht und hast dich ja sehr angestrengt und so“ (2NS, 06.54). Sie belässt ihre Rückmeldung auf einer motivationalen und emotionalen Ebene. Eine Bemerkung zu ihren fachlichen Leistungen gibt sie nicht. NS gewinnt eine prozessorientierte Sicht auf die Schüler und ihre Leistungen, nutzt diese aber nicht im Umgang mit den Schülern. Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 138 Fazit zu Kategorie II.1 „Förderunterstützung bei den befragten Schülern“ Laut NS genießen die Schüler die individuelle Zuwendung und intensive Beschäftigung mit ihnen im Schüler-Interview. Dies wirkt sich teilweise positiv auf das Verhältnis zwischen Lehrerin und Kind aus. Die Erkenntnisse aus den Schüler-Interviews nutzt sie im Unterricht zu emotionalen und motivationalen Zwecken. Die Einstellung und das Befinden eines Kindes zum Unterricht und zur Schule wandeln sich nach dem Schüler-Interview. NS ändert ihre Sicht auf einen konzentrationsschwachen Schüler von einer Defizit- zu einer Kompetenzorientierung nach dem Schüler-Interview. Sie möchte ein Bild über die Leistungen der Schüler gewinnen. Ferner hat sie Interesse an der Leistungsentwicklung der Kinder. Aus den Interviewergebnissen kann NS keine konkreten Förderideen ableiten, aber sie erhält Anhaltspunkte in welchen mathematischen Teilbereichen sie die Förderung ansetzen muss. Den interviewten Schülern gibt NS keine differenzierte Leistungsrückmeldung zu den Interviewergebnissen. Sie lobt sie auf emotionaler Ebene. Kategorie II.2 „Unterstützung des eigenen Unterrichts“ Inhaltliche Kategorien Beobachtetes Vorhandensein nicht vorhanden wenig vorhanden vorhanden deutlich vorhanden II.2 Unterstützung des eigenen Unterrichts x II.2.1 Handlungsideen aus dem Interview x II.2.2 Sicht auf Unterricht/Veränderung des Unterrichts x II.2.3 Lernstandsbestimmung, Leistungseinschätzung der Schüler x Subkategorie II.2.1 „Handlungsideen aus dem Interview“ NS empfindet das Schüler-Interview als Katalysator für die Verbesserung des Unterrichts, aber sie ist sich unsicher, ob es bei jedem Lehrer wirkt. Sie ist der Meinung, dass im Schüler- Interview ein solches Potential steckt. Speziell im Bereich Geometrie fließen Elemente des Schüler-Interviews in ihren Unterricht mit ein. Sie denkt dabei nicht an konkrete Aufgaben- stellungen, aber sie hat z. B. im Kunstunterricht mit den Schülern gefaltet und daran geometrische Formen behandelt. Sie führt dies auf das Schüler-Interview zurück, setzt die Aufgaben aber nicht absichtlich, sondern eher unbewusst ein. Vermutlich verwendet sie dazu ihr Wissen aus ihrem Mathematikstudium, in dem Papierfalten, laut ihrer Information, in der Geometrie eine große Rolle spielte. NS beginnt, angeregt durch das Schüler-Interview auf ihre Kenntnisse in der Mathematik und ihres Studiums zurückzugreifen. Aufgrund der Erkenntnisse in den Schüler-Interviews zieht NS das Thema Zeit, speziell die Behandlung der Uhr in die erste Klasse vor, obwohl dies laut Lehrplan in der zweiten Klasse vorgesehen ist. Sie stellte bei den interviewten Schülern fest, dass diese kein fundiertes Wissen über die Uhr besitzen. Dabei schließt sie von einigen Schülern auf alle und generalisiert ihre Vermutungen. Das Thema Uhr „ist was, das können sie halt alle noch nicht, hatten wir ja bisher auch nicht“ (2NS, 01.19) im Mathematikunterricht. Sie überprüft aber ihre Aussage, indem sie einen „kleinen Test“ (2NS, 04.45), eine Lernstandortbestimmung mit den Schülern durchführt und ihre Vermutung bestätigt wird, dass sie sich in diesem Gebiet noch nicht auskennen. Die Eigenproduktionen der Schüler von einer Uhr waren laut NS schwach. Sie enthielten Zahlen „von null bis neunzehn, oder also bis siebenunddreißig oder so“ (2NS, 02.27). Deshalb thematisiert sie das Thema mit der ganzen Klasse und orientiert sich dabei am Vorgehen des Schüler-Interviews. Mündlich befragt sie die Schüler, zu was der kleine und der große Zeiger auf der Uhr nötig sind, was die Zahlen auf dem Ziffernblatt bedeuten, etc. Die Kinder haben zahlreiche Vermutungen dazu, aber sie verfügen über keine gesicherten Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 139 Kenntnisse. NS bastelt mit ihnen eine analoge Uhr und behandelt das Ablesen von vollen und halben Stunden daran. Sie übt mit den Schülern Fragestellungen, die im Schüler-Interview abgefragt werden. Es scheint als wolle NS ihre Schüler auf das Schüler-Interview vorbereiten (trainieren), um bessere Leistungen zu erhalten. Vielleicht findet sie aber das Thema Uhrzeiten so wichtig und deren Bedeutung im Alltag der Kinder, dass sie es den Schüler nicht länger vorenthalten will. Subkategorie II.2.2 „Sicht auf Unterricht/Veränderung des Unterrichts“ Ein großer Teil aller Aussagen von NS im abschließenden Lehrer-Interview beziehen sich auf die Kategorie II.2.2 „Sicht auf Unterricht/Veränderung des Unterrichts“. Aufgrund der Interviewerkenntnisse versucht NS ihren Mathematikunterricht vielfältiger zu machen. Sie will ihren Unterricht öffnen für die große Heterogenität der Leistungen bzw. der individuellen Stärken und Schwächen der Schüler und darauf mit adäquaten Aufgaben reagieren. Dies betrifft nicht nur die befragten Kinder, sondern bezieht sich auf alle Schüler. Sie versteht ihren Mathematikunterricht als kontinuierlich veränderungsbedürftig und setzt sich diesbezügliche Ziele, wie z. B. die Verbesserung ihrer Vorbereitung und der Vielfalt der Angebote in ihrem Mathematikunterricht. NS versucht „allgemein was zu verändern, weil ich eben merke, dass die Unterschiede doch größer sind als man immer so denkt“ (2NS, 04.45). Durch die Schüler-Interviews und deren Ergebnisse erreicht NS einen höheren Grad an Bewusstheit für die unterschiedlichen Leistungsstärken der Schüler, differenziert nach verschiedenen mathematischen Teilbereichen. NS würde gern noch genauer im Unterricht differenzieren und ist teilweise unzufrieden, da sie dies nicht umsetzen kann. Sie ist sich selbst gegenüber sehr kritisch und hat „schon einen anderen Anspruch noch mal irgendwie an sich“ (2NS, 11.57). Die Erwartungen an ihre eigene Person und ihr Tun werden durch das Schüler-Interview erhöht. Früher dachte sie, die Schüler werden schon mit der Aufgabenstellung zu Recht kommen. „Die Guten machen das halt mit und die Schwachen, na ja mit denen macht man noch mal extra und irgendwie kriegt man es schon so“ (2NS, 12.49). Sie reflektiert über ihre alten Ansichten und bekommt dabei ein „bisschen ein schlechtes Gewissen“ (2NS, 12.49). Nach einigen Schüler-Interviews sei kein Einheitsunterricht mehr möglich, getreu dem Motto: „Im Gleichschritt marsch und alle machen jetzt das Gleiche“ (2NS, 13.08). Ihr wurde bewusst, dass sie „einfach viel stärker differenzieren“ muss (2NS, 12.24). Da es laut NS nicht möglich ist jede Stunde perfekt vorzubereiten, fördert sie die Selbstständigkeit der Schüler ab Klasse eins. Sie übergibt das Lernen an die Kinder. Durch das Schüler-Interview gewinnt sie einen neuen Blick auf die mathematischen Aussagen der Schüler. Sie glaubt, dass sie in einem langen Prozess die Unterrichtsorganisation durch die Erkenntnisse aus den Schüler-Interviews verändert. NS meint, dass im Mathematikunterricht oft eine zu starke Ergebnisorientierung vorherrscht. Eine Prozessorientierung und die Betrachtung der Denkwege der Kinder hält sie für wichtiger. Die Rechenwege der Schüler zu erfragen, ist ihrer Meinung nach „sicherlich im Mathematikunterricht das Wesentliche, aber man macht es viel zu wenig und das sehe ich bei mir im Unterricht auch“ (2NS, 14.45). Die Einstellung von NS zum Mathematiklernen als Prozess wird hier deutlich und sie reflektiert kritisch über ihr eigenes Tun. Bei ihr hat sich durch das Schüler-Interview kein Perspektivwechsel in Bezug auf ihren Unterricht vollzogen, aber sie reflektiert viel stärker darüber. Nach jedem geführten Schüler- Interview wird sie dazu angeregt. „Ich denke manchmal ist man auch so in seinem Trott drin und dann macht man das so, weil man das immer so macht und dann guckt man was im Rechenbuch gerade dran ist und dann, klar dann hat man ein paar Ideen und mal hat man weniger Ideen, aber so ist man halt immer wieder gefordert auch mehr darüber nachzudenken und eben auch dadurch, dass man nicht alle Kinder innerhalb einer Woche befragt, sondern immer mal wieder jemanden“ (2NS, 25.14). Diese Aussage von NS trifft vermutlich auf viele Lehrer zu. Wenn das Schüler-Interview diese Prozesse auslöst, kann ein lebenslanger Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 140 Lernprozess und ein Reflektieren der Lehrer über ihren Unterricht aufrechterhalten werden. NS möchte dazu gerne jede Woche oder alle zwei Wochen ein Schüler-Interview führen, um die beschriebene Reflexion bei sich selbst anzuregen. Ferner führt sie aus, dass „dieses Dauernde wieder mal drüber nachdenken, was man selber so in seinem Unterricht macht, ist ja letztendlich auch eine Form von Fortbildung, einfach ja, so sich selbst gegenüber kritisch zu sein“ (2NS, 33.20). Sie sieht das Führen der Schüler- Interviews als eine Lehrerfortbildung, die nicht von außen bestimmt wird, sondern die der Lehrer selbst steuert. NS fasst dies unter dem Begriff „Selbstkritik“ zusammen. In der Professionalisierungsliteratur wird dies als die Fähigkeit zur Reflexion oder die Erhöhung der Bewusstheit zusammengefasst. Vor allem für fachfremd Mathematik unterrichtende Lehrer bietet das Schüler-Interview laut NS die Chance, dass das ständige Fragen nach den Lösungswegen der Kinder im Schüler-Interview den Lehrern präsent wird und langsam einen Platz in deren eigenen Unterricht findet. Die Angabe des Lehrplans im Mathematikunterricht der ersten Klasse nur den Zahlenraum bis Zwanzig zu behandeln, sieht NS nicht mehr so streng, da sie festgestellt hat, dass sich einige Kinder schon in höheren Zahlenräumen zurechtfinden. Zuvor hatte sie das Gefühl, dass die Schüler im Schüler-Interview mit vielen Bereichen konfrontiert werden, die noch nicht im Mathematikunterricht behandelt worden sind. Vermutlich hat NS die sehr unterschiedlichen Vorerfahrungen der Kinder nicht in Betracht gezogen und war vielleicht der Meinung, dass sie erst in der Schule Neues lernen. Subkategorie II.2.3 „Lernstandsbestimmung, Leistungseinschätzung der Schüler“ NS nutzt das Schüler-Interview als Hilfe zur Einschätzung der Schülerleistungen. Ihre Aus- wahl der Kinder beruht auf der Tatsache, dass sie die Tendenz der Schülerleistung ein- schätzen kann, aber sich nicht ganz sicher ist. Sie will deren Leistungen genau klären. Dazu verwendet sie das Schüler-Interview als Bestätigung ihrer Vermutungen. Sie stellt fest, dass „man Kinder einfach nicht in ein Schema pressen [kann], die sind dann doch zu individuell“ (2NS, 46.08). Dadurch gewinnt sie in Mathematik eine neue und veränderte Sicht auf die Schülerleistungen. Dies bleibt auf Mathematik beschränkt und überträgt sich nicht auf andere Fächer. Dabei bemerkt sie, dass die Leistungen der Kinder stark zwischen den einzelnen mathematischen Teilbereichen differieren können. „Also ich hatte schon Kinder, die waren in Arithmetik besonders gut und in Geometrie eher schwach, genau das Gleiche gab es umgekehrt“ (2NS, 22.40). Sie ist der Meinung, dass durch den Aufschluss über die Leistungen der Kinder Zeit gespart wird. Vermutlich bezieht sie ihre Aussage Zeit zu sparen auf den durch das Schüler-Interview zielgerichteten und differenzierten Umgang mit dem Schüler im Unterricht. „Die Einsichten in Lern- und Leistungsfähigkeiten, […] also dass es einem schon sehr viel Aufschluss gibt, und dass man eben auch die Zeit wirklich an anderer Stelle spart, […] das lohnt sich“ (2NS, 46.08). NS möchte alle Schüler ihrer Klasse interviewen, da sich das Schüler-Interview auf die Schullaufbahn eines Kindes (positiv) auswirkt. Zweitinterviews will sie durchführen, da sie die Entwicklung der Fähigkeiten der Kinder nicht als linear ansieht, sondern deren Ent- wicklungsprozess Sprünge aufweisen kann. Deshalb kann sie nicht genau vorhersagen, welche Fähigkeiten die Schüler nach z. B. einem halben Jahr aufweisen. Durch das Führen von Zweitinterviews will sie anscheinend ihre Vermutungen überprüfen. Fazit zu Kategorie II.2 „Unterstützung des eigenen Unterrichts“ NS empfindet das Schüler-Interview als Katalysator zur Unterrichtsverbesserung und nutzt die Ergebnisse zur Einschätzung der Schülerleistungen. Nachdem sie durch das Schüler- Interview die Bewusstheit für die große Heterogenität der Schülerleistungen gewonnen hat und den großen Differenzen in den unterschiedlichen mathematischen Teilbereichen bei den einzelnen Schülern, will sie in ihrem Unterricht stärker differenzieren. Ein Einheitsunterricht Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 141 sei nach dem Führen mehrerer Schüler-Interviews nicht mehr möglich. Besonders der Bereich Geometrie kommt in ihr Bewusstsein und sie bezieht ihr Wissen aus ihrem Mathematik- studium mit ein. Ferner thematisiert sie mit den Schülern das Thema Zeit und orientiert sich dabei am Schüler-Interview. Sie führt zu Beginn der Unterrichtseinheit eine Lernstandort- bestimmung mit ihnen durch. Die vorgegebenen Grenzen durch den Lehrplan sieht NS freier. Sie betrachtet durch das Schüler-Interview die Leistungen der Kinder prozessorientiert. Das Erfragen der Rechenwege hält sie für das Wesentliche im Mathematikunterricht. Sie würde gerne alle zwei Wochen ein Schüler-Interview führen, um in diesem Reflektionsprozess zu bleiben. Das Führen der Schüler-Interviews stelle eine Lehrerfortbildung dar und biete vor allem fachfremden Lehrern die Chance zu einer konstruktivistischen Sicht zu gelangen. Kategorie II.3 „Unterstützung der Schulentwicklung“ Inhaltliche Kategorien Beobachtetes Vorhandensein nicht vorhanden wenig vorhanden vorhanden deutlich vorhanden II.3 Unterstützung der Schulentwicklung x II.3.1 Vorstellung in der Konferenz bzw. den Kollegen x II.3.2 Rückmeldung an Kollegen x II.3.3 Fördergruppen für Schüler x II.3.4 Lehrer als Vertreter/Multiplikator des Interviews x Die Subkategorien II.3.1 „Vorstellung in der Konferenz bzw. den Kollegen“, II.3.2 „Rückmeldung an Kollegen“ und II.3.4 „Lehrer als Vertreter/Multiplikator des Interviews“ treten im abschließenden Lehrer-Interview mit NS nicht auf. Dies liegt vermutlich daran, dass die Kollegen mittlerweile alle informiert sind und NS nur Kinder ihrer eigenen Klasse interviewt. Subkategorie II.3.3 „Fördergruppen für Schüler“ NS vergleicht die erreichten Ausprägungsgrade von einem Erst- und einem Zweitklässler. Ihr wird dabei bewusst, dass eine große Heterogenität unter den Schülern besteht. Der Erstklässler kann in manchen mathematischen Teilbereichen mehr als der Zweitklässler und in anderen Gebieten weniger. Mit dieser Leistungsspanne zwischen Schülern aus der ersten und zweiten Klasse hat sie nicht gerechnet. Daraufhin überlegt sie, ob jahrgangs- und klassenübergreifende Lerngruppen für den Mathematikunterricht anhand der Interviewergeb- nisse gebildet werden sollen. Damit erhofft sie sich vermutlich eine Effektivitätssteigerung des Unterrichts für die Schüler. Mit Hilfe der Ausprägungsgrade seien Leistungsvergleiche zwischen Schülern möglich, wobei Tendenzen klar seien. Fazit zu Kategorie II.3 „Unterstützung der Schulentwicklung“ Aufgrund der großen Heterogenität der Schülerleistungen auch zwischen Erst- und Zweitklässlern überlegt NS jahrgangs- und klassenübergreifende Lerngruppen für den Mathe- matikunterricht anhand der Leistungsniveaus der Schüler zu bilden. Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 142 Kategorie III „Schulsituation“ Inhaltliche Kategorien Beobachtetes Vorhandensein nicht vorhanden wenig vorhanden vorhanden deutlich vorhanden III Schulsituation x III.1 Förderung in der Schule x III.2 Mathematikunterricht in der Schule x III.3 Kooperation mit Kollegen x Subkategorie III.1 „Förderung in der Schule“ Um die Förderung in der Schule zu implementieren, wünscht sich NS zur Lernstandort- bestimmung wöchentlich eine Stunde, in der sie Schüler-Interviews führen kann. Sie will damit die Stärken und Schwächen der Kinder erkennen und sie zielgerichtet fördern. Den Umgang mit den Interviewergebnissen der Schüler erachtet sie für problematisch. Sie ist sich unsicher, ob die Daten in der Schülerakte gesammelt werden sollen oder nur für den Lehrer von Bedeutung sind. NS sieht vermutlich im Führen der Schüler-Interviews nur die Informationen über den Leistungsstand des einzelnen Kindes. Ihr Denken bleibt auf den Schüler beschränkt, obwohl sie von Veränderungen in ihrem eigenen Tun berichtet. Dies scheint ihr nicht bewusst zu sein. Vermutlich taucht Subkategorie III.2 „Mathematikunterricht in der Schule“ bei NS nicht auf, da sie, wie bereits in Kategorie II.3 „Unterstützung der Schulentwicklung“ festgestellt, das Schüler-Interview für sich und ihren eigenen Mathematikunterricht nutzt. Subkategorie III.3 „Kooperation mit Kollegen“ Mit ihrer Kollegin, die die Parallelklasse unterrichtet, hat NS bei der Behandlung der Uhr in der ersten Klasse kooperiert. Zuerst hat NS die Unterrichtseinheit durchgeführt und daraufhin ihre Kollegin. Einige Schüler ihrer Kollegin hat NS mit dem Schüler-Interview befragt. Dadurch bestand ein weiterer Verknüpfungspunkt zwischen ihnen. Ansonsten scheint die Einbindung von Kollegen beim Schüler-Interview nicht möglich. Am Anfang der Erprobungsphase sind die Kollegen neugierig und möchten, dass Schüler, bei denen sie in Mathematik Schwierigkeiten sehen, von NS interviewt werden. Nachdem NS beschließt, aufgrund des Nutzens des Schüler-Interviews für sich selbst, nur noch Schüler ihrer eigenen Klasse zu befragen, nimmt das Interesse ihrer Kollegen ab. Inhaltliche Gespräche über die Schüler-Interviews finden nicht statt. Während der Unterrichtszeit können die Lehrer laut NS nicht am Schüler-Interview teilnehmen, da keine Unterrichtsvertretung möglich ist und außerhalb des Unterrichts sind sie nicht bereit Zeit zu investieren. Der Einbezug des gesamten Kollegiums scheint problematisch und könnte vermutlich nur durch die Bereitstellung von Extrastunden für das Führen der Schüler-Interviews gelöst werden. Fazit zu Kategorie III „Schulsituation“ Die Einbindung der Kollegen in das Projekt ist aufgrund der zeitlichen Probleme nicht möglich. NS kooperiert mit einer Kollegin bei der Durchführung der Unterrichtseinheit „Zeit“, welche sie am Schüler-Interviewleitfaden orientiert. Den Umgang mit den Interview- ergebnissen der Schüler sieht sie als problematisch an. Sie wünscht sich wöchentlich eine Stunde, um mit den Kinder das Schüler-Interview durchführen und damit die Förderung in der Schule belassen zu können. Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 143 Kategorie VI „Elternarbeit“ Inhaltliche Kategorien Beobachtetes Vorhandensein nicht vorhanden wenig vorhanden vorhanden deutlich vorhanden VI Elternarbeit x VI.1 Leistungsstandmeldung an die Eltern x VI.2 Einbindung der Eltern (Verantwortung an Eltern delegieren)/Förderung zu Hause x VI.3 Interesse der Eltern an Schule x Subkategorie VI.1 „Leistungsstandmeldung an die Eltern“ NS nutzt das Schüler-Interview und seine Ergebnisse beim Führen von Elterngesprächen. Sie möchte sich absichern, welche Fähigkeiten das Kind im Moment besitzt. Dadurch fühlt sie sich beim Gespräch mit den Eltern sicherer und hat objektive Daten zur Hand im Vergleich zu ihren subjektiven Einschätzungen der Schülerleistungen, wobei diese nicht stark voneinander differieren müssen. Sie gibt den Eltern Informationen, welche Stärken und Schwächen ihr Kind in Bezug auf die unterschiedlichen mathematischen Teilbereiche besitzt. Subkategorie VI.2 „Einbindung der Eltern (Verantwortung an Eltern delegieren)/Förderung zu Hause“ und Subkategorie VI.3 „Interesse der Eltern an Schule“ Eine Mutter wird in die Förderung ihres Sohnes einbezogen. NS bittet sie die Wochentage und Monate mit ihrem Kind zu üben. Die Mutter ist dazu bereit und NS berichtet, dass der Schüler diese Kenntnisse mittlerweile besitzt. NS bindet die Mutter somit in die Verantwortung mit ein und reduziert somit ihren Einsatzbereich. Bei einem anderen Schüler, der laut NS eine besondere Begabung in Mathematik aufweist, bittet sie die Eltern in einem Gespräch ihren Sohn außerhalb der Schüler zusätzlich zu fördern. Der Aufforderung von NS kommen sie nicht nach, da sie anscheinend, wie NS vermutet, seine besonderen Fähigkeiten nicht erkennen/ernst nehmen. Die Eigeninitiative der Eltern hält NS für schwach. Wenn sie ihnen sagen würde, wo der leistungsstarke Junge hingehen soll, würde sie dies machen. Ansonsten sehen sie, dass er keine Schwierigkeiten hat und halten ihre Aufgabe für erledigt. Fazit zu Kategorie VI „Elternarbeit“ Die Ergebnisse der Schüler-Interviews unterstützen NS bei Elterngesprächen. Sie fühlt sich sicherer. Ferner bezieht sie die Eltern in die Förderung der Kinder mit ein und delegiert teilweise die Verantwortung an sie. Allgemeine Bemerkungen zum abschließenden Lehrer-Interview mit NS Durch das Zurücknehmen der Interviewerin äußert sich NS in längeren Redebeiträgen. Sie scheint sich ihrer Aussagen sicher zu sein. Dennoch verwendet sich vermutlich aus Gründen der Verallgemeinerung häufig das Wort „man“. An einigen Stellen verwendet NS fast den gleichen Wortlaut, wie im ersten Lehrer-Interview. Vermutlich hat sich ihre Meinung und Einstellung zum Schüler-Interview nicht grundlegend verändert. Der Schwerpunkt der Aussagen von NS liegt in der Kategorie II „Unterrichtsunterstützung“, vor allem Kategorie II.2 „Unterstützung des eigenen Unterrichts“. Es scheint als trete das Schüler-Interview als Instrument in den Hintergrund und die Konsequenzen und der Nutzen des Schüler-Interviews gelangen in den Vordergrund. Ihre Sicht auf den Unterricht verändert sich, obwohl sie bereits durch ihr Studium eine konstruktivistische Sichtweise kennen gelernt hat. Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 144 Gesamtfazit zum abschließenden Lehrer-Interview mit NS Besonders auffällig ist im abschließenden Lehrer-Interview mit NS die Subkategorie II.2.2 „Sicht auf Unterricht/Veränderung des Unterrichts“. Laut NS regt das Führen der Schüler- Interviews einen langwierigen Prozess an, in dem die Unterrichtsorganisation durch die Erkenntnisse aus den Schüler-Interviews verändert wird. Sie sieht darin eine Lehrerfort- bildung. Als Konsequenz will sie ihren Unterricht stärker differenzieren und bezieht Geometrie in diesen ein. Die Schüler-Interviews bilden für NS ein Instrument „handlungsleitender Diagnostik“ (Wollring, 2003), indem sie stärker über ihren Unterricht reflektiert und daraus Konsequenzen zieht. Sie wird sich des prozessorientierten und konstruktivistischen Blicks auf die Schüler- leistungen bewusst. Ferner ist sie in der Lage mit den Schülern zielgerichtet und differenziert im Unterricht umzugehen. 3.2.3.6 Vergleich der beiden Lehrer-Interviews mit der Lehrerin NS Die beiden Lehrer-Interviews mit NS werden im Folgenden anhand der Kategorien miteinander verglichen, um einen möglichen Entwicklungsprozess über den einjährigen Untersuchungszeitraum aufzeigen zu können. NS nimmt regelmäßig an allen Arbeitstreffen teil. Trotz ihrer geringen Unterrichtserfahrung investiert sie viel Zeit für das Ausfüllen der Lehrer-Fragebögen und das Führen der Schüler-Interviews. Im Schuljahr 2003/2004 interviewte NS zehn Schüler ihrer eigenen ersten Klasse. Der Kompetenzzuwachs von NS und vor allem der höhere Grad an Bewusstheit lässt sich an der Entwicklung vom ersten zum abschließenden Lehrer-Interview, sowie der Lehrer- Fragebögen zeigen. Der Grad der Veränderungen ist bei NS geringer als bei LS. Dies liegt vermutlich an den verschiedenen Ausgangsvoraussetzungen in Bezug auf ihre Ausbildung als Mathematiklehrer. NS hat Mathematik für die Klassen 1 bis 10 studiert und erst ein Jahr Unterrichtserfahrung. Hingegen hat LS Mathematik nicht studiert, ist aber seit 30 Jahren unterrichtende Lehrerin. Vielleicht sind auf der einen Seite bei NS die Einstellungen und Ansichten nicht so gefestigt wie bei LS. Auf der anderen Seite besitzt LS einen sehr viel größeren Erfahrungsschatz beim Unterrichten als NS. Vergleich der Kategorien zwischen den beiden Lehrer-Interview mit NS Kategorie I „Bewertungen des Schüler-Interviews als Instrument durch die Lehrer“ Das Schüler-Interview ist laut NS ein Diagnostikinterview zur Lernstandortbestimmung für alle Leistungsniveaus. Nach dem Führen von acht Schüler-Interviews kann sich NS an die groben Interviewergebnisse der einzelnen Schüler erinnern. Ihr Umgang mit dem Interview- leitfaden wird vertrauter und somit sicherer. Durch das Ausfüllen der Lehrer-Fragebögen wird ihre Reflexion über die Schülerperformanzen angeregt. Sie interessiert sich für die Ent- wicklungsverläufe ihrer Schüler bezogen auf deren Kompetenzzuwachs in Mathematik. Dazu will sie Zweitinterviews durchführen. Bei den Schülern gewinnt sie differenziertere Einsichten, wie diese das Schüler-Interview empfinden. Zuerst hatte NS das Gefühl, dass alle Kinder davon begeistert sind. Sie stellt aber im abschließenden Lehrer-Interview fest, dass manche leistungsschwachen Kinder sich im Schüler-Interview ängstlicher als im Unterricht zeigen. Für alle willigen und interessierten Lehrer ist laut NS das Schüler-Interview sehr lehrreich. Im ersten Lehrer-Interview beschränkt sie sich auf die Erkenntnisse über die große Heterogenität der Schülerleistungen. Im abschließenden Lehrer-Interview wird dies durch die Veränderung der Sicht auf den Unterricht im abschließenden Lehrer-Interview erweitert. Organisatorische, vor allem zeitliche Schwierigkeiten bleiben während der gesamten Untersuchungsphase bestehen. Die geteilte Interviewführung hält sie vor allem für das Kennen lernen und das Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 145 Erlernen der Durchführung von Schüler-Interviews für sinnvoll. Dies ermöglicht eine intensivere Auseinandersetzung mit den Inhalten des Schüler-Interviews. Kategorie II „Unterrichtsunterstützung“ Kategorie II.1 „Förderunterstützung bei den befragten Schülern“ Die Schüler genießen die individuelle Zuwendung und intensive Beschäftigung mit ihnen im Schüler-Interview. Durch die Schüler-Interviews erhält sie nicht nur differenziertes Wissen über die Fähigkeiten der Kinder, wie sie im ersten Lehrer-Interview erwähnt, sondern sie nutzt diese Erkenntnisse auch zu emotionalen und motivationalen Zwecken in ihrem Unterricht. Dadurch verändert sich bei manchen Kindern die Einstellung zum Unterricht und zur Schule. Aus den Interviewergebnissen kann NS keine konkreten Förderideen ableiten. Sie gewinnt aber Anhaltspunkte. Diese Tatsache verändert sich über den Zeitraum eines Jahres nicht. Ferner gibt sie den einzelnen Schülern keine differenzierte Leistungsrückmeldung zu den Ergebnissen des Schüler-Interviews. Es scheint als sei sie sich unsicher, wie sie dies tun könnte. Kategorie II.2 „Unterstützung des eigenen Unterrichts“ NS Konsequenzen aufgrund der Interviewergebnisse verändern sich zwischen dem ersten und abschließenden Lehrer-Interview. Zuerst empfindet sie das Führen der Schüler-Interviews als Unterstützung des regulären Unterrichts. Im abschließenden Lehrer-Interview ist das Schüler- Interview für sie ein Katalysator zur Verbesserung der Unterrichtsqualität und eine Lehrerfortbildung, welche einen ständigen Reflexionsprozess über die Schüler und den Unterricht anregt. Sie bezieht die Themen Geometrie und Zeit in ihren Unterricht ein und sieht die Grenzen des Lehrplans nicht mehr so eng. Ihr wurde bewusst, dass eine große Heterogenität in den verschiedenen mathematischen Teilbereichen eines einzelnen Schülers und zwischen den Schülern bestehen. Daraufhin will sie ihren Unterricht stärker differenzieren. Sie besitzt eine prozess- und kompetenzorientierte Sicht auf die Schüler- leistungen. Diese Einstellung ist bei ihr schon vor den Schüler-Interviews vorhanden. Sie wird ihr aber durch das Führen der Schüler-Interviews bewusster und wird deswegen vermutlich intensiver angewendet. Kategorie II.3 „Unterstützung der Schulentwicklung“ NS stellt das Schüler-Interview in der Lehrerkonferenz vor. Im ersten Lehrer-Interview will sie ihre Kollegen durch Begeisterung in das Projekt einbeziehen. Dies scheint aber aufgrund zeitlicher Rahmenbedingungen nicht möglich, wie NS im abschließenden Lehrer-Interview berichtet. Gespräche mit den Kollegen über die Interviewergebnisse finden nicht mehr statt, da NS aus Effektivitätsgründen beschlossen hat, dass sie nur Kinder aus ihrer eigenen Klasse interviewt. Im abschließenden Lehrer-Interview schildert NS eine Idee jahrgangs- und klassenübergreifende Lerngruppen im Mathematikunterricht nach Leistungsniveaus zu bilden, da ihr durch die Schüler-Interviews die große Heterogenität der Schülerleistungen zwischen Erst- und Zweitklässlern bewusst wurde. Kategorie III „Schulsituation“ NS wünscht sich wöchentlich eine Stunde Unterrichtsentlastung, um Schüler-Interviews führen zu können. Dieser Wunsch bleibt vom ersten bis zum abschließenden Lehrer-Interview bei NS bestehen. Dadurch hofft sie vermutlich die Förderung in der Schule belassen zu können. Die Einbindung der Kollegen in das Schüler-Interview Projekt scheint nicht möglich. NS kooperiert aber mit einem Kollegen und einer Kollegin. Im abschließenden Lehrer-Interview gibt sie an, dass sie zuerst die Unterrichtseinheit „Zeit“ durchgeführt hat, orientiert am Inter- Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 146 viewleitfaden. Diese Informationen hat sie daraufhin an ihre Kollegin weitergegeben, damit sie es in ihrer Klasse erproben kann. Kategorie VI „Elternarbeit“ In Bezug auf die Elternarbeit verändern sich die Aussagen von NS zwischen dem ersten und abschließenden Lehrer-Interview nicht. Sie empfindet die Erkenntnisse aus den Schüler- Interviews als unterstützend bei Elterngesprächen. Die Eltern bezieht sie in die Förderung mit ein. Teilweise delegiert sie die Verantwortung für die Förderung der Kinder an sie. Gesamtfazit des Entwicklungsprozesses der Lehrerin NS über den einjährigen Untersuchungszeitraum Bezug nehmend auf die drei gestellten Forschungsfragen lassen sich folgende Antworten für den Entwicklungsprozess von NS ableiten. Im ersten Lehrer-Interview liegt der Schwerpunkt der Aussagen von NS auf den beiden Kategorien I „Bewertung des Schüler-Interviews als Instrument durch die Lehrer“ und II.1 „Förderunterstützung bei den befragten Schülern“. Bis zum abschließenden Lehrer-Interview gewinnt Subkategorie II.2.2 „Sicht auf Unterricht/Veränderung des Unterrichts“ die größte Bedeutung. NS Unterstützung durch das Schüler-Interview weitet sich von einzelnen Schülern auf den gesamten Mathematikunterricht und alle Schüler aus. Ihr wird die große Heterogenität der Schülerperformanzen bewusst. Dies hat zur Konsequenz, dass NS ihren Unterricht stärker differenzieren will. Das Schüler-Interview bildet für NS ein Instrument „handlungsleitender Diagnostik“ (Wollring 2003), da die Erkenntnisse aus den Schüler-Interviews bei ihr den Prozess anregen, die Unterrichtsorganisation zu verändern. Sie wird durch das Führen der Schüler-Interviews selbst angehalten, über ihr Tun und ihren Umgang mit den Schülern im Mathematikunterricht zu reflektieren. Die Durchführung der Schüler-Interviews stellt laut NS eine Lehrerfort- bildung dar. Sie gewinnt einen konstruktivistischen Blick auf die Schülerleistungen und das Aneignen der Mathematik. Das Schüler-Interview wird bei der Lehrerin NS von einem reinen Instrument zur Bestimmung der Schülerleistungen zu einem Mittel über den Unterricht zu reflektieren und eigenständig an der Qualität dessen zu arbeiten. 3.3 Vergleich der Lehrer-Interviews mit den Lehrerinnen LS, PB und NS In diesem Kapitel werden die Auswirkungen der Durchführung von Schüler-Interviews auf die drei zuvor ausführlich diskutierten Lehrerinnen mit ihren unterschiedlichen Voraus- setzungen verglichen. Anhand der Kategorien sollen Gemeinsamkeiten sowie Unterschiede zwischen den drei Einzelfällen der verschiedenen Ausprägungen der Mathematiklehrer- ausbildung herausgearbeitet werden. Diese Erkenntnisse beziehen sich nur auf die drei ausgewählten Lehrerinnen. Inwiefern ihre Erkenntnisse aus den geführten Schüler-Interviews verallgemeinert werden können, lässt sich nicht eindeutig klären. Jedoch besteht bei diesen drei Lehrerinnen die Besonderheit, dass sie eine positive Einstellung gegenüber dem Fach Mathematik besitzen und dies ihre Erkenntnisse über die Auswirkungen des Führens von Schüler-Interviews im Vergleich zu anderen Lehrern positiv beeinflussen könnte. Biographische Bemerkungen zu den drei Lehrerinnen Trotz ihrer unterschiedlichen Ausbildung im Bereich Mathematik, ihrer Lehrerfahrung und ihrem Lebensalter besitzen die drei Lehrerinnen eine besondere Affinität zum Fach Mathematik. Vielleicht hängen ihre Biographien und ihre Lerngeschichten mit der Interview- Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 147 lerngeschichte zusammen. Dies wird vermutet, da sie alle eine positive Einstellung zur Mathematik und dem Fach Mathematik besitzen. Mathematikunterricht der drei Lehrerinnen Die drei Lehrerinnen fühlen sich beim Mathematikunterrichten sicher. Sie entwickeln durch das Führen der Schüler-Interviews Bewusstheit. Dies bedeutet nach Selter (1995, S. 116), dass die Lehrer lernen „über Lehr-/Lernprozesse produktiv zu reflektieren“. Kategorie I „Bewertungen des Schüler-Interviews als Instrument durch die Lehrer“ Alle drei Lehrerinnen sehen das Schüler-Interview als ein mathematikdidaktisches Diagnoseinstrument zur Bestimmung der Schülerperformanzen aller Leistungsniveaus. Sie erkennen damit die individuellen Stärken und Schwächen ihrer Schüler und können an- schließend zielgerichtet mit ihnen weiterarbeiten. Die Lehrerin PB sieht im Schüler-Interview eine „zukunftsorientierte Herangehensweise“ (PB, 23.41), um „den Blick auf das Wesentliche [im Mathematikunterricht zu] richten“ (PB, 39.01). Angenommen, das „Wesentliche“ ist die Kompetenzorientierung bei der Sicht auf die Schülerleistungen, so wird dies von den beiden anderen Lehrerinnen LS und NS unterstützt. Die fachfremde Lehrerin LS gewinnt einen „ganz anderen Blick auf das Kind“ (2LS, 1.01.05) und die Wirkung reicht bis zu den (Zeugnis-)Noten. NS, die Mathematik für Klasse 1 bis 10 studiert hat, berichtet von der überraschenden Erkenntnis der großen Heterogenität der Schülerleistungen. Rückmeldungen über ihren eigenen Unterricht und Unterrichtsunterstützung (Kategorie II) erhält PB durch das Schüler-Interview. In Bezug auf die Vergleichsarbeiten hat die fachfremde Lehrerin LS keine Angst davor, wenn sie das Schüler-Interview mit ihren Schülern durchführt. Die mathematikdidaktisch ausgebildete Lehrerin PB sieht eine zu starke Betonung der Ergebnisorientierung bei den Vergleichsarbeiten. Das Führen von Schüler-Interviews empfinden die drei Lehrerinnen als lehrreich für alle Lehrer, vor allem für willige und interessierte. Sie sind von diesem Diagnoseinstrument überzeugt. PB wünscht sich für fachfremde Lehrer eine professionelle Unterstützung beim Führen der Schüler-Interviews, um den Nutzen aus den Schüler-Interviews zu erhalten und die Effektivität dessen zu wahren. Die Reflexion über die Schülerleistungen beider Lehrerinnen LS und NS werden durch das Ausfüllen der Lehrer-Fragebögen angeregt. LS vergleicht es mit dem Schreiben einer verbalen Beurteilung. PB äußert sich nicht dazu, da sie nur einen Lehrer-Fragebogen ausgefüllt hat. NS äußert explizit, dass sie sich für die Entwicklungsverläufe ihrer Schüler bezogen auf deren Kompetenzzuwachs in Mathematik interessiert. Dazu möchte sie Zweitinterviews durchführen. Es scheint als sei NS durch ihr Studium der „spiralhafte“ Aufbau der Mathematik bewusst. Eventuell will sie deswegen Zweitinterviews führen, um den Schülern das weitere Erlernen und Begreifen der Mathematik zu ermöglichen. Alle drei Lehrerinnen sprechen den hohen zeitlichen Aufwand für die Schüler-Interviews an. Sie fordern Entlastungsstunden zur Durchführung der Schüler-Interviews. LS zeit- organisatorische Probleme nehmen scheinbar ab, da sie den hohen Nutzen der Schüler- Interviews für sich sieht. Vermutlich hat sich die objektiv benötigte Zeit nicht verändert, wird aber subjektiv anders empfunden. Dies ist bei den beiden anderen Lehrerinnen nicht der Fall. In den Aussagen der Lehrerinnen wird deutlich, dass fast alle befragten Schüler Freude und Gefallen am Schüler-Interview hatten. Durch die individuelle Zuwendung der Lehrerin im Schüler-Interview fühlten sich die Kinder anders wahrgenommen und genossen dies. NS berichtet, dass manche leistungsschwachen Kinder sich im Schüler-Interview ängstlicher als im Unterricht zeigen. Nur NS berichtet von diesem Phänomen. LS und PB erleben die Kinder in einer positiven Stimmung. Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 148 Eine mögliche Idee zur Implementation des Schüler-Interviews und den Einbezug weiterer Lehrer liefert NS. Sie teilt sich die Interviewführung mit ihrem Kollegen. Die geteilte Inter- viewführung hält sie vor allem für das Kennen lernen und das Erlernen der Durchführung von Schüler-Interviews für sinnvoll. Dies bietet die Chance einer Supervision, indem die beiden interviewenden Lehrer sich im Anschluss über die Interviewführung und die Schüler- leistungen reflektieren und diskutieren können. Kategorie II „Unterrichtsunterstützung“ Bei allen drei Lehrerinnen ist die Unterrichtsunterstützung der Schwerpunkt des Nutzens durch das Führen von Schüler-Interviews. In den ersten Lehrer-Interviews steht bei ihnen Kategorie II.1 „Förderunterstützung bei den befragten Schülern“ im Vordergrund. Sie berichten vom Blick auf den einzelnen Schüler. In den abschließenden Lehrer-Interviews zeigt sich, dass sie ihr Augenmerk nach der einjährigen Erprobungsphase auf ein verändertes Unterrichtsverständnis richten. Ihre Einsichten in Kategorie II.1 „Förderunterstützung bei den befragten Schülern“ erweitern sie und beziehen diese auf die gesamte Klasse. Dadurch entsteht eine hohe Unterstützung für den eigenen Unterricht (Kategorie II.2). Kategorie II.1 „Förderunterstützung bei den befragten Schülern“ Durch die Schüler-Interviews erhalten sie differenziertes Wissen über die Fähigkeiten der Schüler. Das Erkennen der individuellen Stärken und Schwächen der Schüler führt zu einer bewussten und gezielten Förderung, z. B. in der Geometrie. Das Lehrerhandeln ändert sich und die Ergebnisse der Schüler-Interviews werden zu einer handlungsleitenden Diagnostik für die Lehrerinnen. Sie überlegen sich gezielte Maßnahmen für einzelne Schüler, abgeleitet durch das Schüler-Interview. LS verwendet die Ergebnisse des Schüler-Interviews als Entscheidungshilfe für eine frei- willige Rücknahme. Sie nutzt die Ergebnisse des Schüler-Interviews als Auswahlkriterium. PB will zusätzlich eine feinere Diagnose durchführen und auf die Subjektiven Erfahrungs- bereiche der Kinder zur Förderung zurückzugreifen. Bei ihr steht die Integration und Förderung der leistungsschwachen Schüler im Vordergrund. NS nutzt die Erkenntnisse aus den Schüler-Interviews zur emotionalen Unterstützung und motivationalen Zwecken in ihrem Unterricht. Konkrete Förderideen kann sie aus den Inter- viewergebnissen nicht ableiten. Sie gewinnt lediglich Anhaltspunkte. Obwohl NS die fachlich höchste Ausbildung in Mathematik der drei Lehrerinnen hat, nutzt sie die Interviewergebnisse an der Oberfläche, im Vergleich zu PB und LS. LS wandelt ihre Sicht auf die Schülerleistungen von einer Defizit- zu einer Kompetenz- orientierung. Sie interessiert sich für die Denk- und Lösungswege der Kinder, die sie ohne das Nutzen mathematikdidaktischer Fachbegriffe beschreibt. Diese konstruktivistische Be- trachtungsweise ist bei PB und NS durch ihr Studium an der Universität Kassel vorhanden. PB stellt fest, dass sie Kinder in ihrem Leistungsvermögen unterschätzt hat. Mit Hilfe des Schüler-Interviews möchte sie ein anderes Mathematikbild bei den Schülern initiieren und aufbauen. Dabei sollen sie lernen, über eine Strategie zu verfügen und nicht nur ein zu- treffendes Ergebnis zu erhalten. NS gewinnt genauere Informationen über die Schülerperformanzen durch die Schüler- Interviews. Die groben Leistungen der Kinder sind ihr vor dem Führen des Schüler-Inter- views klar. Es wird deutlich, dass sich bei LS ein Perspektivwechsel beim Blick auf die Schülerleistungen vollzieht. PB und NS erhalten durch das Führen der Schüler-Interviews neue Einsichten in die Performanzen der Kinder. Sie gewinnen neue Erkenntnisse in Bezug auf ihre Schüler und deren mathematischen Fähigkeiten. Besonders bei zurückhaltenden Kindern hilft und unter- Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 149 stützt das Schüler-Interview die drei Lehrerinnen, deren Kompetenzen wahrzunehmen, da sie im Unterricht oftmals übersehen werden. Differenzierte Rückmeldungen über die Interviewergebnisse geben die drei Lehrerinnen den Schülern nicht, obwohl sie durch die Schüler-Interviews den Lernstandort des Kindes be- stimmt haben. Anscheinend sehen sie dies nicht für nötig an oder sie fühlen sich nicht kompetent. Dies ist besonders unter dem Aspekt interessant, wie die Lehrerinnen mit den prozessorientierten Ergebnissen durch das Schüler-Interview umgehen und dem Schüler mitteilen. Emotionale und motivationale Bemerkungen erhalten die Kinder von den Lehrer- innen in Bezug auf das Schüler-Interview. Sie werden für ihre Kooperationsbereitschaft im Schüler-Interview gelobt. LS berichtet im abschließenden Lehrer-Interview, dass sie den Kindern rückmeldet, in welchen mathematischen Teilbereichen sie Stärken und Schwächen aufweisen. PB und NS denken dies an. Die differenzierte Rückmeldung scheint mit der Lehrerfahrung und dem Umgang mit den Kindern zusammenzuhängen. LS verfügt über die längste Erfahrung und scheint sich auch bei möglichen Unsicherheiten den Schülern Rückmeldungen zu geben. Nach dem Führen der Schüler-Interviews verändert sich die Einstellung einiger Kinder zum Mathematikunterricht oder zur gesamten Schule. Dies kann sowohl auf einen möglichen Sichtwechsel der Lehrerin auf die einzelnen Schülerleistungen zurückgeführt werden und einem anderen Umgang mit dem Kind als auch auf die individuelle Zuwendung und intensive Beschäftigung, die sie im Schüler-Interview erhalten. Das Führen der Schüler-Interviews wirkt sich positiv auf die psychische Verfassung einiger, vor allem leistungsschwacher Kinder und ihr Lernverhalten aus. Ferner sind die drei Lehrerinnen der Meinung, dass sich das Schüler-Interview auf die „allgemeine Lernentwicklung“ (PB, 36.36) der Kinder auswirke. Kategorie II.2 „Unterstützung des eigenen Unterrichts“ Die drei Lehrerinnen sehen das Führen der Schüler-Interviews als ein Reflexionsinstrument ihres Unterrichts. Es ist ein Katalysator zur Verbesserung der Unterrichtsqualität und eine selbstbestimmte Lehrerfortbildung. Es scheint als habe das Führen der Schüler-Interviews starke Auswirkungen auf den Lehrer und erst indirekt auf die befragten Schüler. Dies zeigt sich bei den drei Lehrerinnen auf unterschiedliche Weise. LS gewinnt eine konstruktivistische Sichtweise auf die Leistungen aller Schüler. Selbstständiges und flexibles Denken wird ihr wichtiger als das ausschließliche Berechnen korrekter Ergebnisse. Das von ihr berichtete Vorgeben von Rechenwegen im ersten Lehrer- Interview schockiert sie im abschließenden Lehrer-Interview. Die Prozessorientierung und Strategievielfalt steht gegenüber der Ergebnisorientierung eindeutig im Vordergrund. Sie wird durch die Schüler-Interviews angeregt über sich, ihr Tun und ihren Umgang mit den Schülern zu reflektieren. Ferner erhält sie Informationen über die fehlende Behandlung bestimmter Bereiche in ihrem Unterricht durch die Schüler-Interviews. PB empfindet das Schüler-Interview als indirekte Unterrichtsunterstützung, welche „den Blick auf das Wesentliche“ (PB, 26.25) schärft. Des Weiteren erhält sie positive Rück- meldungen über die Effektivität ihres Unterrichts. NS sieht das Führen der Schüler-Interviews im ersten Lehrer-Interview als Unterstützung des regulären Unterrichts. Im abschließenden Lehrer-Interview ist es für sie ein Katalysator zur Verbesserung der Unterrichtsqualität und eine Lehrerfortbildung, welche einen ständigen Reflexionsprozess über die Schüler und den Unterricht anregt. LS gewinnt durch das Führen der Schüler-Interviews eine prozess- und kompetenzorientierte Sicht auf die Schülerleistungen. Bei PB und NS ist diese Einstellung schon vor den Schüler- Interviews vorhanden. Sie wird aber durch das Führen der Schüler-Interviews bewusster und deswegen vermutlich intensiver angewendet. Die drei Lehrerinnen gelangen zu der Einsicht, dass die Schüler höhere Leistungen vorweisen als erwartet. LS und NS sehen keinen Grund den Zahlenraum im ersten und zweiten Schuljahr Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 150 bis 20 bzw. bis 100 zu begrenzen, da eine sehr große Heterogenität zwischen den Schüler- leistungen besteht. Bei PB ist dieses Denken nicht vorhanden, da sie eine jahrgangs- übergreifende Lerngruppe Klasse 0 bis 2 leitet. Aufgrund des unterschiedlichen Alters der Kinder geht sie von großen Leistungsdifferenzen aus. Wegen der großen Heterogenität der Performanzen der Kinder will NS ihren Unterricht stärker differenzieren. Aus dem Schüler-Interview entnehmen sie Handlungsideen für ihren Unterricht. LS entnimmt Anregungen zu den Teilbereichen „Strategien bei Addition und Subtraktion“, „Masse“ und Geometrie. PB berichtet speziell von der Nutzung der Zahlenmaueraufgabe, bei der Mauern selbst entworfen und anschließend in die einzelnen Mauersteine zerschnitten werden, um von einem anderen Schüler zusammengesetzt zu werden. In ihrem Umgang mit der Aufgabe wird ihr Wunsch deutlich den Blick auf das Spielerische und Ästhetische der Mathematik bei den Kindern zu öffnen. Dabei betont sie das aktiv-entdeckende Vorgehen der Schüler beim Lernen und ihre konstruktivistische Sichtweise auf deren Handlungen. Sie sollen Strukturen entdecken und erkennen. Aufgrund der Anregungen durch das Schüler-Interview behandelt NS das Thema „Zeit“ in Klasse 1 anstatt wie im Lehrplan vorgeschlagen in Klasse 2. Der Bereich Geometrie wird bei den drei Lehrerinnen stärker in ihrem Unterricht thematisiert. LS führt die schwachen Geometrieleistungen einiger Schüler darauf zurück, dass sie Geometrie in ihrem Mathematikunterricht vernachlässigte. Deshalb behandelt sie Geometrie. Ferner hält sie Geometrie für wichtig in Bezug auf die Entwicklung der mathematischen Fähigkeiten der Schüler. Das Themengebiet Geometrie wurde bei PB ins Gedächtnis gerufen. Daraufhin führte sie eine Unterrichtseinheit zum „Geobrett“ durch. NS erinnert sich an die Behandlung der Geometrie in ihrem Studium anhand von Falt- übungen. Diese bezieht sie in ihren Mathematik- und auch Kunstunterricht ein. Teilweise können, die aus dem Führen der Schüler-Interviews, neu gewonnenen Ideen und Einsichten aufgrund zeitlicher Engpässe nicht umgesetzt werden. Kategorie II.3 „Unterstützung der Schulentwicklung“ Das Schüler-Interview wurde auf Eigeninitiative von LS und NS in der jeweiligen Lehrer- konferenz vorgestellt. Sie sehen das Schüler-Interview als Unterstützung beim Mathematik- unterricht. Ihre Kollegen wollen sie in das Projekt einbinden. Dies wird jedoch durch zeitliche Rahmenbedingungen behindert. PB äußert sich nicht zu dieser Kategorie. Dies liegt vermutlich an Schule B, die an sehr vielen Projekten teilnimmt und die Lehrer teilweise kein Interesse mehr an Neuem haben. LS möchte als Multiplikatorin fungieren und allen Grundschullehrern das Schüler-Interview und seinen Nutzen vorstellen, da sie die Durchführung von Schüler-Interviews als lohnend ansieht. Ferner möchte sie in ihrer Schule Fördergruppen nach Begabungsniveaus einrichten, konnte dies aber aus zeitlichen Gründen noch nicht umsetzen. Vermutlich haben diese Visionen von LS, damit zu tun, dass sie selbst stark aus dem Führen der Schüler-Interviews profitierte und dies weitergeben will. Es könnte aber auch mit ihrer Position als Konrektorin und Fachleiterin für Mathematik in Zusammenhang stehen. Die Idee jahrgangs- und klassenübergreifende Lerngruppen im Mathematikunterricht nach Leistungsniveaus zu bilden, überlegt sich NS, da ihr durch die Schüler-Interviews die große Heterogenität der Schülerleistungen zwischen Erst- und Zweitklässlern bewusst wurde. NS beschränkt sich auf ihren Wirkungsbereich in Mathematik an ihrer Schule. Kategorie III „Schulsituation“ Sowohl PB als auch NS wollen die Förderung in der Schule belassen, da sie mit Hilfe der Interviewergebnisse zielgerichtet mit den Schülern vorgehen können. PB erhält dazu an ihrer Schule eine Deputatsstunde, um mit Kindern, die Schwierigkeiten in Mathematik haben, Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 151 arbeiten zu können. Wöchentlich eine Stunde Unterrichtsentlastung wünscht sich NS, um Schüler-Interviews führen zu können. Die Diagnose und Förderung der Kinder könnten damit in der Schule verbleiben. LS äußert sich dazu nicht. Möglicherweise liegt dies an ihrer fehlenden Qualifikation in Mathematik und der damit verbundenen Unsicherheit in diesem Bereich der Förderung. An einer stärkeren Dissemination des Projektes ist LS interessiert und stellt sich als Multiplikatorin zur Verfügung. PB ist der Überzeugung, dass alle Lehrer durch das Führen von Schüler-Interviews einen kompetenz- und prozessorientierten Blick auf die Schüler ge- winnen können. In NS Schule scheint die Einbindung der Kollegen in das Schüler-Interview Projekt nicht möglich. Die Kooperation mit einzelnen Kollegen ist bei den drei Lehrerinnen möglich. PB und NS geben ihrer jeweiligen Kollegin eine Unterrichtseinheit weiter, die sie aufgrund von Anregungen aus dem Schüler-Interview durchgeführt haben. LS diskutiert mit den Kollegen über das Thema Strategieorientierung. Sie versucht den Mathematikunterricht von der „reinen“ Reproduktion zu befreien. Ihr wird auch bewusst, dass Geometrie von den meisten Lehrern in der Schule zu wenig behandelt wird. Ihre Rolle als Fachleiterin für Mathematik wird in diesen Aussagen deutlich. An Schule A wird das Schulprogramm im Punkt „Diagnosefähigkeit und Fördermaßnahmen“ durch das Schüler-Interview unterstützt. Kategorie VI „Elternarbeit“ Die drei Lehrerinnen nutzen die Schüler-Interviewergebnisse unterstützend in Eltern- gesprächen. LS erläutert dies nicht genauer und scheint die Erkenntnisse aus den Schüler- Interviews zu verwenden, um mit den Eltern in Kontakt zu treten. Vermutlich hat dies mit der 30-jährigen Lehrerfahrung von LS zu tun. PB und NS geben den Eltern mit Hilfe der Inter- viewergebnisse Rückmeldungen über die Performanzen ihres Kindes. PB vermittelt den Eltern ihren Eindruck der Persönlichkeit des Kindes. Beide teilen den Eltern mit, in welchen Bereichen das Kind Übungsbedarf besitzt. Dadurch werden die Eltern in die Förderung miteinbezogen. NS delegiert zum Teil die Verantwortung an die Eltern. PB sieht das Schüler-Interview als Hilfe für Lehrer, die aus eigener Hilflosigkeit bei Kindern mit mathematischen Schwierigkeiten die Verantwortung ins Elternhaus verlagern oder abschieben. Vielleicht trauen sich PB und NS eher als LS ein Teil der Verantwortung für die Förderung eines Kindes an die Eltern abzugeben oder es hat mit der fachlichen Ausbildung zu tun. Möglicherweise sind nur die beiden mathematikstudierten Lehrerinnen in der Lage den Eltern Förderhinweise zu geben. Dies würde auch mit den Aussagen in Kategorie III zusammenpassen (1.Abschnitt). Laut den Aussagen der drei Lehrerinnen wird das Interesse einiger Eltern am Mathematik- unterricht durch die Schüler-Interviews oder daraus abgeleiteten Handlungsideen geweckt. Teilweise sind sie über die Inhalte und deren Komplexität überrascht. Allgemeine Bemerkungen zu den Lehrer-Interviews der drei Lehrerinnen LS, PB, NS Mit vermutlich zunehmendem mathematikdidaktischem Wissen scheinen die Lehrerinnen aus einzelnen Schwierigkeiten, die sie bei Schülern feststellen, umfassendere Schlüsse ziehen zu können. Durch das Führen der Schüler-Interviews entsteht somit ein hoher Nutzen für die Veränderung des Unterrichts. Bei der fachfremden Lehrerin ist der Wandel deutlicher nach- zuvollziehen, da ihr persönlicher Lernzuwachs höher ist als bei den beiden in Mathematik ausgebildeten Lehrerinnen. Gesamtfazit für die drei Lehrerinnen Bei den drei Lehrerinnen weitet sich die Unterstützung durch das Schüler-Interview von einzelnen Schülern, wie sie in den ersten Lehrer-Interviews berichten, auf den gesamten Ergebnisse – Darstellung und Interpretation der Forschungsergebnisse 152 Mathematikunterricht und alle Schüler aus. In den abschließenden Lehrer-Interviews steht die Subkategorie II.2.2 „Sicht auf Unterricht/Veränderung des Unterrichts“ im Mittelpunkt. Sie empfinden die Schüler-Interviews als Unterstützung ihres eigenen Unterrichts (Kategorie II.2). Grundlegende Voraussetzung für den Transfer der Erkenntnisse aus den Schüler- Interviews in die eigene Unterrichtspraxis und den eigenen Umgang mit den Schülern ist nach dem Verständnis der drei Lehrerinnen die Bereitschaft sich darauf einzulassen. LS gelangt im Laufe der Untersuchung zu einer konstruktivistischen Sichtweise auf die Schülerleistungen und den Mathematikunterricht. Den drei Lehrerinnen werden durch das Führen der Schüler-Interviews ihre Einstellungen gegenüber dem Mathematikunterricht und dem Lernen der Mathematik bewusst. Am Ende der Untersuchung besitzen sie laut ihren Aussagen alle eine konstruktivistische Lern- und Lehrhaltung. LS und NS wollen ihren Unterricht aufgrund der erkannten Heterogenität der Schülerleistungen durch die Schüler- Interviews bewusster differenzieren. Die Schüler-Interviews bilden ein Instrument „handlungsleitender Diagnostik“ (Wollring 2003) für die drei Lehrerinnen, indem sie angeregt werden über ihren Umgang mit den Schülern, über ihr Unterrichten und über sich selbst zu reflektieren. Grundlegende Einstellungsfragen des Lehrerseins werden durch das Führen der Schüler-Interviews angesprochen und regen zum Nachdenken an. Laut Selter (1995, S. 126) ist die „Reflexion über das eigene Lernen, Denken und Verhalten […] eine wichtige Voraussetzung, um über das Lernen, Denken und Verhalten von Schüler reflektieren zu können“. Bei LS vollzieht sich ein Perspektivwechsel auf Mathematik, Mathematikunterricht und das Können der Schüler. PB bietet das Schüler-Interview eine Handlungsleitung in Bezug auf die Förderung leistungsschwacher Schüler. Und bei NS regen die Erkenntnisse aus den Schüler-Interviews einen Prozess an, die Unterrichtsorganisation zu verändern. Insgesamt wird das Schüler-Interview für die drei Lehrerinnen von einem reinen Instrument zur Bestimmung der Schülerleistungen zu einem Mittel über den Unterricht zu reflektieren und eigenständig an der Qualität dessen zu arbeiten. Der Lehrer wird zum Experten für sich selbst. In den ersten Lehrer-Interviews stehen die emotionalen und sozialen Aspekte und die Auseinandersetzung mit dem Schüler-Interview an sich im Vordergrund, da die Lehrerinnen erst mit dem Instrument vertraut werden müssen. In den abschließenden Lehrer-Interviews geht es vermehrt um die Auswirkungen der geführten Schüler-Interviews. Das Schüler- Interview als Instrument an sich tritt in den Hintergrund. Über den Untersuchungszeitraum vollzieht sich eine Einstellungsänderung bzgl. der Schülereinschätzung und der Sicht auf den eigenen Unterricht. Trotz der drei unterschiedlich qualifizierten Lehrerinnen ziehen sie den gleichen Nutzen aus dem Führen der Schüler-Interviews. Aufgrund dessen werden nur die drei Lehrerinnen und nicht alle beteiligten Lehrer im Detail betrachtet. 4 Befunde – Reflexionsfähigkeit der Lehrer In diesem Kapitel werden die empirischen Erkenntnisse aus der Analyse der drei ausge- wählten Lehrerinnen mit dem theoretischen Vorwissen aus Kapitel 1 verknüpft und Folger- ungen daraus abgeleitet. Dabei soll aufgezeigt werden, welchen Nutzen Lehrer im Führen von Schüler-Interviews sehen. Wie bereits in Kapitel 1 dargestellt, muss das Lehrerwissen über Mathematik zusammen mit dem Wissen über das Denken der Kinder entwickelt werden (vgl. Philipp et al. 2003; vgl. Schifter 2001; Empson 2004, S. 139). Anhand der zuvor erläuterten Ergebnisse, kann festgestellt werden, dass die beteiligten Lehrer durch das Führen von Schüler-Interviews zusätzliches Wissen gegenüber ihrem bereits vorhandenen Wissen über das Denken der Kinder und deren Lösungswege bei mathematischen Aufgaben gewonnen haben. Dieses Wissen, “[…] the power of children’s mathematics” (Empson 2004, S. 134), sollte als Grundlage für den Unterricht dienen und möglichst auf Interaktionen des Lehrers mit seinen eigenen Schülern beruhen (vgl. Franke/Kazemi/Shih/Biagetti 1998). Selbst nach den ausführlichen Analysen der drei ausgewählten Lehrerinnen bleibt unklar, ob und in welcher Weise sie die Erkenntnisse aus dem Führen der Schüler-Interviews für ihren Unterricht konkret umsetzen, da alle Aussagen der Lehrer in den Lehrer-Interviews von ihnen selbst berichtet werden. Dazu wäre es nötig die Lehrer in ihrem Unterricht zu beobachten, um möglicherweise ihre Veränderung beim Unterrichten zu dokumentieren. Jedoch haben die beteiligten Lehrer ihre Erkenntnisse aus ihrer direkten Interaktion mit je einem ihrer Schüler im Schüler-Interview gewonnen. Auf welche Weise Lehrer in die Lage versetzt werden, Erkenntnisse über einzelne Schüler ihrer Klasse durch das Schüler-Interview auf andere Schüler zu übertragen, kann mit den vorliegenden Daten nicht geklärt werden. Wie Lehrer das Denken der Kinder nutzen, dokumentieren Fennema et al. (1996) auf der Basis einer Langzeitstudie mit 21 Erst- bis Drittklasslehrern, die an dem Projekt Cognitively Guided Instruction teilnahmen, auf fünf unterschiedlichen Ebenen. Franke et al. (2001) überarbeiteten die Ebenen, um die Integration der Lehrer-Beliefs und Praktiken zu reflektieren. Sie nannten das Klassifikationsschema “Levels of Engagement with Children’s Mathematical Thinking” (Franke et al. 2001, S. 662, in: Steinberg et al. 2004, S. 241): “Level 1: The teacher does not believe that the students in his or her classroom can solve problems unless they have been taught how […]. Level 2: A shift occurs as the teacher begins to view children as bringing mathematical knowledge to learning situations […]. Level 3: The teacher believes it is beneficial for children to solve problems in their own ways because their own ways make more sense to them and the teacher wants the children to understand what they are doing […]. Level 4A: The teacher believes that children’s mathematical thinking should determine the evolution of the curriculum and the ways in which the teacher individually interacts with students […]. Level 4B: The teacher knows how what an individual child knows fits in with how children’s mathematical understanding develops […]”. Die Entwicklung der drei ausgewählten Lehrerinnen über den Zeitraum des vorliegenden Projektes wird in Bezug zum Klassifikationsschema “Levels of Engagement with Children’s Mathematical Thinking” (Franke et al. 2001, S. 662) gesetzt. Dabei soll deutlich werden, inwieweit sich ihre Entwicklung vollzogen hat. Befunde 154 “Levels of Engagement with Children’s Mathematical Thinking” der Lehrerin LS Aufgrund der Aussagen und Berichte der fachfremden Lehrerin LS in den beiden Lehrer- Interviews ist davon auszugehen, dass sie sich zu Beginn der Untersuchung auf Ebene 1 befand. „At Level 1, teachers mostly used direct instruction, and, as measured by interviews and beliefs scales, did not believe children could invent their own strategies to solve problems” (Steinberg et al. 2004, S. 242). Diese Aussage lässt sich im ersten Lehrer-Interview mit LS aufzeigen (1LS, 16.02). Sie erklärt an dieser Stelle, wie sie ihren Schülern für die Berechnung der Addition einer zweistelligen mit einer einstelligen Zahl die Strategie schrittweise bis zum nächsten vollen Zehner „beibringt“. Am Ende der Untersuchung befindet sich LS auf Ebene 2 und/oder 3. Diese Einordnung beruht sowohl auf den vorherigen Analysen als auch auf ihrer Aussage im abschließenden Lehrer-Interview, dass sie „auch das gelten lassen [würde], wie die Kinder rechnen, welche Strategie sich die Kinder zurechtlegen und wie die zum Ergebnis kommen“ (2LS, 14.22). Insofern zeigen sich hier im Zuge des Führens von Schüler-Interviews eine Entwicklung der reflexiven Lehrerfähigkeiten und eine zunehmende Sensibilisierung für mathematische Denkprozesse von Kindern. “Levels of Engagement with Children’s Mathematical Thinking” der Lehrerin PB Die Lehrerin PB befindet sich bereits zu Beginn der Untersuchung auf Ebene 3; möglicherweise aufgrund ihres Studiums, da sie eine Strategienvielfalt zulässt und Interesse an den Lösungswegen der Schüler hat. Ihre Veränderung während der Teilnahme am Projekt geht bis zu Ebene 4A und/oder 4B. Lehrer auf Ebene 4B wissen, welche Probleme einzelne Schüler lösen können, welche Strategien sie nutzen und wie ihre Strategien mit dem mathematischen Verständnis zusammenpassen. Dieses Wissen wird von diesen Lehrern genutzt, um ihren Unterricht auf dem individuellen Denken der Kinder aufzubauen. PB scheint ihren Unterricht nach dem Denken der Kinder auszurichten, wie in ihrer Aussage im Lehrer-Interview deutlich wird. Für PB ist die „Prozessorientierung wichtiger [als die Ergebnisorientierung], also für mich im Zusammenleben mit den Kindern und wie ich auch meinen Unterricht gestalte“ (PB, 16.22). “Levels of Engagement with Children’s Mathematical Thinking” der Lehrerin NS Die Lehrerin NS scheint sich zu Beginn der Untersuchung, wie die Lehrer auf Ebene 2, noch teilweise unsicher zu sein, ob die Schüler allein Probleme lösen können. Dies zeigt sich in ihrer Aussage im ersten Lehrer-Interview, dass sie durch das Schüler-Interview sehe, „wie viel die Kinder können, aber trotzdem das Systematische muss ich trotzdem jetzt erst noch erarbeiten“ (1NS, 18.07). Sie scheint der Überzeugung zu sein, dass die Schüler etwas Wichtiges nicht lernen, wenn sie ihnen Mathematik nicht systematisch und das bedeutet vermutlich nicht Schritt für Schritt entlang des Lehrplans oder des Schulbuchs vermittelt. Im abschließenden Lehrer-Interview berichtet NS, dass sie „allgemein was zu verändern [versucht], weil ich eben merke, dass die Unterschiede doch größer sind als man immer so denkt“ (2NS, 04.45). Durch die Schüler-Interviews und deren Ergebnisse erreicht NS einen höheren Grad an Bewusstheit für die unterschiedlichen Leistungsstärken der Schüler, differenziert nach verschiedenen mathematischen Teilbereichen. Daher wird sie Ebene 4A und/oder 4B zugeordnet. Die Lehrer auf Ebene 4A sind der Meinung, dass das Schülerdenken das Curriculum lenken sollte. Lehrer die auf Ebene 3 und höher unterrichten, besitzen den konstruktivistischen Gedanken für ihr Unterrichten und den Umgang mit den Schülern und ihren Leistungen. In diesem Zusammenhang kann bei den drei ausgewählten Lehrerinnen festgestellt werden, dass ihnen im Verlauf der Untersuchung die Prozessorientierung (noch) wichtiger als die Ergebnisorientierung wird. Steinbring (2003) betont, dass für das Befunde 155 Unterrichten und für das Lernen der Kinder bedeutsam ist, ob „Mathematik eher als ein Produkt oder als ein Prozess angesehen wird“ (Steinbring 2003, S. 199). Die ausgewählten Lehrerinnen beginnen ihr Augenmerk stärker auf den Rechenweg als auf das Ergebnis zu legen. Dazu nutzen sie herausfordernden Fragen, wie z. B. „Wie hast du das herausbekommen?“, „Kannst du das einfacher herausbekommen?“, … Auch die australischen Lehrer sehen das Schüler-Interview als ein Modell, mit dem sie das Verstehen und Denken der Schüler mit Hilfe von herausfordernden Fragen erheben können (vgl. ENRP 2002, S. 176). Im vorliegenden Projekt schreibt niemand den Lehrern vor, was sie in ihrem Unterricht oder im Umgang mit ihren Schülern ändern sollen. Der Lehrer wird mit seinen individuellen Bedürfnissen und Vorstellungen ernst genommen. Jeder kann selbstständig entscheiden, wie er mit den Erkenntnissen aus den Schüler-Interviews umgeht und was er wie verändern will. Sie bleiben ihr eigener Herr und haben nicht das Gefühl, dass ihnen jemand etwas aufzwingt. Implizit ist es aber so, dass der Interviewleitfaden den Lehrern theoretische Kenntnisse vermittelt, da er auf verschiedenen aktuellen Forschungsergebnissen basiert. Dies wird von den Lehrern jedoch kaum wahrgenommen, jedenfalls nicht von ihnen angesprochen. Ein eigener Lernzuwachs besteht vor allem bei den fachfremden Lehrern in der Sicht auf Mathematik. In verschiedensten Untersuchungen zeigte sich, dass angehende Grundschul- lehrer ”see mathematics as an authoritarian discipline, and that they believe that doing mathe- matics means applying memorized formulas and procedures to textbook exercises” (vgl. Car- penter, Linquist, Mattews, Silver 1983; vgl. Ball 1990; vgl. Shuck 1996; in: Szydlik et al. 2003, S. 254). Möglicherweise existiert bei den beteiligten fachfremden Lehrern eine ähnliche Sichtweise. Dies wurde aber in den Lehrer-Interviews nicht abgefragt und lässt sich somit auch nicht klären. Alle beteiligten fachfremden Lehrer berichten, dass sie stärkeren Wert auf die Prozessorientierung legen, nachdem sie mehrere Schüler-Interviews geführt haben. Das Schüler-Interview als effektives Fortbildungsinstrument für Mathematiklehrer Lorenz (2003) fordert: „[…] Die Erstdiagnose bleibt genuine Aufgabe der Mathematik- lehrerin!“ (Lorenz 2003, S. 115, Hervorhebungen im Original). Wie kann diese Forderung umgesetzt werden unter dem Aspekt der hohen Arbeitsbelastung. Mand (1998) beschreibt, dass „der Wunsch, sich in Bibliotheken auf den neuesten Stand zu bringen, eher gegen Null tendiert, wenn die Zahl der zu erteilenden Wochenstunden in regelmäßigen Abständen erhöht wird, [und] die Förderausschussarbeit bzw. Gutachtertätigkeit nicht anstelle bisheriger Arbeiten treten, sondern als Mehrbelastung zu Buche schlagen“ (Mand 1998, S. 48). Die beteiligten Lehrer sind von der Arbeitsbelastung auch betroffen. Sie sehen das Schüler- Interview als ein sinnvolles Diagnoseinstrument an und investieren dafür zusätzliche Arbeit. Sie können sich weder vorstellen, das Schüler-Interview mit allen Schülern ihrer Klasse noch Schüler-Interviews ohne externe Unterstützung in Form von studentischen Assistenten durchzuführen. Wie bereits erläutert wurde, bildet das Schüler-Interview laut den Aussagen der beteiligten Lehrer ein Instrument, welches prozess- und kompetenzorientiert die Performanzen der Schüler betrachtet. Durchgeführt wird das Schüler-Interview vom unterrichtenden Lehrer selbst. Insofern entsteht eine Kompetenz, die in Kapitel 1.3 als Handlungsleitung bezeichnet wird. Bastian und Helsper (2000) propagieren für die Förderung der individuellen Professionalität des Lehrers, dass sie „vor allem eines kasuistischen, reflexiven Fallwissens, das mit Theorie- wissen vermittelt ist, sowie eines (berufs)biographisch selbstreflexiven, selbstbezüglichen Wissens“ (Bastian/Helsper 2000, S. 182) bedürfen. Das Fallwissen erwerben die Lehrer mit Hilfe der Schüler-Interviews. Die Reflexion der Lehrer wird durch die Lehrer-Interviews Befunde 156 sowie die Schüler-Interviews angeregt. In den Schüler-Interviews findet eine Reflexion in der Situation statt und in den Lehrer-Interviews eine Reflexion über die Situation. Diese Gedanken gehen auf das „Modell des reflektierten Praktikers“ nach Schön (1983) zurück, wodurch sich eine Professionalisierung der pädagogischen Arbeit entwickelt. Studien zeigen, dass Veränderungen in den Beliefs und in der Praxis in einem gegenseitigen interaktiven Prozess stehen. “Their reflections on these activities and the outcomes of changed practice influence the teachers’ beliefs about mathematics learning and teaching. Changes in attitudes and behaviours are iterative” (Tirosh/Graeber 2003, S. 673, in: Gellert 2003, S. 153). Reflexion ist eine grundlegende Komponente für eine professionelle Entwicklung, die davon ausgeht, dass Unterrichtserfahrung und Intuition nicht in Professionswissen übertragen werden kann, ohne Verallgemeinerungen und Verbindungen zu abgesichertem Wissen der Pädagogik, Psychologie und des Curriculums. “There is a developmental trajectory over the duration of the professional development programme with a gradual shift of emphasis from the more specific features of a particular lesson, to the more general, i.e., across lessons” (Johnson et al. 2004, S. 209/210). Das gleiche Phänomen, wie in obigem Zitat beschrieben, tritt bei den beteiligten Lehrern in ihren Aussagen vom ersten zum abschließenden Lehrer- Interview auf. Im ersten Lehrer-Interview beruhten ihre Aussagen auf einzelnen Schülern und ihren Besonderheiten. Im Laufe der Studie verallgemeinern sie ihre Erkenntnisse und beginnen Konsequenzen für ihren Unterricht aus den Schüler-Interviews zu folgern. Dies dokumentieren sie in den abschließenden Lehrer-Interviews. Das Schüler-Interview scheint dem Lehrer einen geschützten Raum zu bieten, um die Reflexion über seinen eigenen Unterricht anzuregen, ohne ihn bloßzustellen und ohne ihm Vorschriften zu machen. Aber auch der Schüler kann sich im Schüler-Interview ausprobieren ohne damit rechnen zu müssen, dass daraus Konsequenzen gezogen werden, wie z. B. Zensuren. In diesem Zusammenhang ist interessant, dass allgemein die Qualität des Unterrichts durch Rückmeldungen der Schüler zunimmt, wie Herrmann und Hertramph (1999) anhand der Selbstaussagen von Lehrern nachweisen konnten (vgl. Hertramph/Herrmann 1999, S. 68, in: Herzmann 2001, S. 48). Der Lehrer sollte nicht belehren, sondern mehr beobachten und verstehen. Aufgrund der Ergebnisse in Kapitel 3.3 wird davon ausgegangen, dass die teilnehmenden Lehrer sich in diese Richtung mit Hilfe der Schüler-Interviews weiterentwickelt haben. Laut Lorenz (2003, S. 113/114) sollten die Kinder „in ihren individuellen, auch fehlerbehafteten Lösungs- versuchen unterstützt“ und „die vorurteilsfreie Kommunikation zwischen den Kindern über die individuellen Lösungswege und Lösungsstrategien zum Hauptthema des Unterrichts“ gemacht werden. Dies wirke sich laut Lorenz (2003) positiv auf die Qualität des Unterrichts aus, wobei die leistungsschwachen Kinder am meisten davon profitieren. Auswirkungen des Schüler-Interviews auf die Lehrer-Eltern-Beziehung und Lehrer- Schüler-Beziehung Bei den an dieser Untersuchung beteiligten Lehrern berichten einige, dass sich ihr Umgang mit den Eltern, die sowohl für den Schüler als auch den Lehrer von Bedeutung sind, verändert hat. Teilweise sind die Eltern der Meinung, sie könnten kompetent ‚mitreden’, da im Lehrerberuf keine klare Abgrenzung zwischen Alltagstheorien und Laienwissen besteht. Im Gegensatz dazu verfügen die klassischen Professionen über eine eigene Fachsprache, die die Trennung zwischen Professionellen und Laien deutlicher werden lässt. Die größere Nähe zwischen professioneller pädagogischer und alltäglich pädagogischer Tätigkeit könnte auch positiv genutzt werden, um mit den Eltern ins Gespräch zu kommen (vgl. Bastian/Helsper 2000, S. 170/171). Durch die Ergebnisse des Schüler-Interviews wird eine Kommunikationsbasis zwischen Eltern und Lehrer geschaffen. Der Lehrer weiß mehr über das einzelne Kind und seine mathe- Befunde 157 matischen Fähigkeiten. Dadurch entsteht vermutlich ein größeres Vertrauen der Eltern in den Lehrer und seine Kompetenzen. Die Beziehung zwischen Lehrer und Schüler verändert sich der Studie nach durch das Führen der Schüler-Interviews. In kognitionspsychologischen Untersuchungen zeigt sich, dass aktives Lernen ohne bestimmte emotionale Bedingungen nicht möglich ist, wie z. B. die Beziehung und Interaktion zwischen Kind und Pädagoge (vgl. Bundschuh 1998, S. 174). „Emotionalität kann Zuwendung und Wahrnehmung fördern oder hemmen (Ängste, Druck, innere Spannung, …), geistige Tätigkeit intensivieren oder abschwächen“ (Bundschuh 1998, S. 175). Durch die intensive Beschäftigung mit und die individuelle Zuwendung des Lehrers für den einzelnen Schüler wird eine besondere Beziehung aufgebaut. Dies führt bei einigen Schülern zu einer positiven Einstellungsveränderung gegenüber dem Mathematikunterricht und teilweise gegenüber der Schule insgesamt (vgl. 2LS, 25.33). Gerade das Schüler-Interview hilft Teilleistungen der Schüler in Form von unvollständigen Lösungen oder Strategieansätze wertzuschätzen. Ausschlaggebend ist dafür eine kompetenz- und nicht defizitorientierte Sicht auf die Schülerleistungen. Es ist auch möglich, dass sich das Klassenklima, verstanden als die „sozial geteilte subjektive Repräsentation wichtiger Merkmale der Schulklasse als Lernumwelt“ (Eder 2002, S. 215), positiv verändert. Vor allem die Aspekte der sozialen Beziehungen zwischen Lehrern und Schülern, die Erwartungen an die Leistungen und das Verhalten der Schüler und der Ablauf von Lehr-/Lernprozessen können von den Schüler-Interviews beeinflusst werden. Die an der Untersuchung beteiligten Lehrer nähern sich durch das Führen von Schüler- Interviews den folgenden Aspekten für ein sinnvolles Beurteilen und Fördern im Mathematikunterricht an: - „Kompetenzorientiert wahrnehmen, - Kindern mehr Transparenz ermöglichen, - Prozessbezogene Kompetenzen, - Ermutigend rückmelden“ (Selter 2005). Die beteiligten Lehrer berichten, dass sie die Performanzen der Kinder stärker kompetenz- orientiert wahrnehmen und größeren Wert auf prozessorientierte Vorgehensweisen legen. Schwierigkeiten haben die beteiligten Lehrer jedoch, die für sich selbst gewonnene Transparenz der Performanzen des Kindes mit Hilfe des Schüler-Interviews den Schülern auch zur Verfügung zu stellen und ihnen ermutigende Rückmeldungen zu geben. Anscheinend fällt es den Lehrern schwer aufgrund ihrer Verpflichtung am Ende des Schul- jahres ergebnisorientierte Zensuren zu verteilen, den Kindern Rückmeldungen zu geben, wie sie sich in ihrem individuellen Lernprozess entwickelt haben. Wie bereits die Lehrerinnen NS und PB berichteten, sollten Lehrer offen und interessiert sein und sich bereitwillig mit ihren eigenen Kompetenzen auseinandersetzen, so dass das Führen der Schüler-Interviews für sie selbst und für die Schüler einen Nutzen besitzt. Jedoch sollten die Lehrer vor Beginn des Führens von Schüler-Interviews stärker in der Ausbildung ihrer Interviewkompetenzen unterstützt und geschult werden, damit sich im Schüler-Interview mit dem Kind nicht ihre Einstellungen gegenüber den Leistungen des Schülers widerspiegeln. Des Weiteren besteht ein großes Zeitproblem im Schulalltag die Schüler-Interviews durchführen zu können. Dennoch ist die Forscherin der Meinung, dass alle Lehrer, sowohl interessierte als auch nicht-interessierte, dieses Instrument kennen und mehrmals im Jahr für sich selbst und für ihre Schüler einsetzen sollten. Möglicherweise wird bei den nicht-interessierten Lehrern durch das Führen von Schüler-Interviews ein Lernprozess in Gang gesetzt, der dazu führt, dass sie sich intensiver mit ihrem Mathematikunterricht auseinandersetzen. Um den Nutzen des Führens von Schüler-Interviews zu intensivieren, könnte es sinnvoll sein, die Lehrer im Befunde 158 Austausch mit Kollegen über von ihnen geführte Schüler-Interviews und darin geäußerte Schülerlösungswege gemeinsam reflektieren zu lassen. Ausblick Vergleich der Studien PISA und ENRP Im Ausblick dieser Untersuchung wird erneut Bezug auf internationale Vergleichsstudien, wie TIMSS (Third International Mathematics and Science Studies), PISA (Program for Inter- national Student Assessment) und die grundschulspezifische Untersuchung IGLU (Inter- nationale Grundschul-Lese-Untersuchung) genommen. Diese Vergleichsstudien erheben die Leistung der Kinder individuell, schriftlich artikuliert, produktorientiert und zu bestimmten Zeitpunkten (Wollring 2003). Mit Hilfe des Schüler-Interviews werden in dieser Untersuchung die Performanzen der Kinder in einer Eins-zu-eins Situation zwischen Schüler und Lehrer erhoben. Dem Kind werden neben der hauptsächlich verwendeten Sprache verschiedene Artikulationsmöglich- keiten geboten und der Lehrer kann die Lösungsprozesse der Kinder verfolgen. Zusätzlich besteht die Möglichkeit sich auf Nachfragen Lösungswege mehrfach erklären zu lassen. Be- deutsam ist dies, da bei Grundschülern gilt: „Gesprochene Performanz geht vor geschriebener, und Performanz im Handeln geht vor Performanz im Text“ (Wollring 2004b, S. 3). Solche Erhebungen werden in der Mathematikdidaktik als Lernstandortbestimmungen (vgl. Schmidt/Weiser 1982, van den Heuvel-Panhuizen/Gravemeijer 1990, Spiegel 1992, Hengartner/Röthlisberger 1995, Spiegel/Knapstein 1995, Hengartner, 1999, Moser- Opitz/Schmassmann 2002) bezeichnet. Bei einem Vergleich des HBMD (Hessisches Basis-Interview zur Mathematikdiagnostik) mit den internationalen Vergleichsstudien fällt auf, dass zwar beide die Performanzen der Kinder erheben, aber die Vergleichsstudien bieten dem Lehrer, im Gegensatz zum HBMD, keine direkten Ansatzmöglichkeiten, da der Lehrer keine Rückmeldungen zu den Leistungen der einzelnen Schüler erhält. Insofern stellen sie für den Lehrer keine unmittelbare Unterstützung dar (vgl. Wollring 2003). Treffend ist dieser Sachverhalt in nachfolgendem Zitat eines un- bekannten Autors wiedergegeben: “It’s important to prove, but it’s more important to improve“. ENRP als Fortbildungsinstrument in Zusammenhang mit dem Neuen Hessischen Lehrerbildungsgesetz In der vorliegenden Arbeit wird die Frage diskutiert, ob sich ein interviewgestütztes Diagnoseinstrument als Fortbildungssubstanz lohnt. Nach den vorgestellten Ergebnissen zu urteilen, stellt das Schüler-Interview einen geeigneten Inhalt einer Fortbildungsmaßnahme dar, um die Lehrer dazu anzuregen eher einen prozessorientierten als einen ergebnis- orientierten Blick auf die Leistungen ihrer Schüler zu gewinnen und um den Lernstandort einzelner Schüler zu bestimmen. Das Führen von Schüler-Interviews bietet die Chance, den Ist-Zustand der Schülerperformanzen im Bereich Mathematik weitestgehend zu erfassen. Wird unter Diagnose jedoch auch die Förderung des Kindes nach der Erfassung des Ist- Zustandes verstanden, so müssten die Lehrer einen zusätzlichen Fortbildungskomplex zur Förderung, kombiniert mit dem Führen von Schüler-Interviews, besuchen. Die mit Hilfe der Grounded Theory erhobenen Erkenntnisse aus der Analyse der Lehrer- Interviews könnten zur Hypothesengenerierung für die Konzeption eines quantitativen Fragebogens an Lehrer genutzt werden. Zur Erprobung des Fragebogens werden aber über das Schüler-Interview informierte Lehrer benötigt, die auch eigenständige Erfahrungen mit dem Führen von Schüler-Interviews gemacht haben. Dieser Personenkreis existiert bis jetzt noch nicht. Studentische Assistenten, die im Rahmen ihrer schulpraktischen Studien Schüler- Ausblick 160 Interviews an verschiedenen Schulen erproben, könnten in ihrer anschließenden Referendariatsphase oder im Schuldienst diesen Personenkreis bilden. Der Fragebogen zu dieser quantitativen Untersuchung könnte möglicherweise aus geschlossenen Fragen zur Lehrerperson, ihrer Unterrichtserfahrung und ihrer Lehr-Erfahrung im Anfangsunterricht Mathematik bestehen. Offene Fragen mit eigenen Antwortmöglich- keiten sollten zur Einschätzung ihrer diagnostischen Kompetenz und den in Kapitel 4 vorgestellten Aspekte gestellt werden. Für besonders geeignet hält die Autorin die folgenden Aspekte: - das Schüler-Interview als ein Katalysator zur Verbesserung der Unterrichtsqualität, - stärkere Prozessorientierung im Mathematikunterricht, - individuelle Zuwendung im Schüler-Interview und - implizite Lehrerfortbildung durch das Führen von Schüler-Interviews. Dabei bestände die Möglichkeit dieselben Interviewausschnitte zu nutzen, wie sie in dieser Untersuchung den Lehrern im abschließenden Lehrer-Interview vorgelegt wurden. Mit Hilfe des Schüler-Interviews stellen die teilnehmenden Lehrer die Lernvoraussetzungen und Lernprozesse der Schüler fest. Durch das mehrfache Durchführen von Schüler-Interviews mit demselben Kind kann dessen Lernentwicklung beschrieben werden. Weinert et al. (1990) konnten zeigen, dass der „längsschnittliche Zusammenhang zwischen zwei Leistungsmess- zeitpunkten viel aussagekräftiger [ist] als alles, was in diesem Zusammenhang noch mit- wirken könnte, insbesondere die Intelligenz“ (vgl. Oser 2001, S. 281). Auch die unter- stützende Funktion der Schüler-Interviewergebnisse bei der Förderung der Schüler und der Beratung der Eltern zeigt sich deutlich in den Analysen (Kapitel 3) dieser Arbeit. Die Aus- prägungsgrade sind transparente Beurteilungsmaßstäbe, die theoretisch fundiert sind und dem Lehrer anzeigen, auf welcher Entwicklungsstufe sich das jeweilige Kind befindet. Für fach- fremde Lehrer scheint eine zusätzliche Fortbildung in den mathematischen Grundlagen sinn- voll, da laut Ball und Bass (2000) das mathematische Fachwissen für das Unterrichten fundamental ist. Sie behaupten, dass eine enge Beziehung zwischen den Ideen und ihrer Repräsentation besteht und dass, wenn Schülermethoden bewertet werden müssen und darauf aufgebaut wird, Fachverständnis grundlegend ist (vgl. Millett et al. 2004, S. 133). Herrmann (2002) betont, dass „Fortbildungsmaßnahmen zur Veränderung von Routinen […] auch für jene verpflichtend sein [müssen], die sich diesen Veränderungen nicht aussetzen möchten“ (Herrmann 2002, S. 133). Berater für problematische Mathematikleistungen – Multiplikatoren zur Dissemination des Schüler-Interviews Die beteiligten Lehrer dieser Untersuchung könnten als Multiplikatoren zur Dissemination des Schüler-Interviews fungieren. Sie könnten als schulinterne Berater mit Hilfe des Schüler- Interviews den Leistungsstand eines Kindes feststellen und gemeinsam mit dem unterrichtenden Lehrer auf der Grundlage der Interviewergebnisse erste Förderideen entwickeln. Die Fortschritte der Förderung könnten durch ein nochmaliges Durchführen des Schüler-Interviews erhoben werden. Lorenz (2003) fordert, dass solche schulinternen Berater in ihrer Qualifizierung im Sinne des lebenslangen Lernens durch eine ständige Weiterbildung gestützt werden sollen. Ferner steht ihnen eine Reduzierung der Unterrichtsverpflichtung zu (vgl. Lorenz 2003, S. 118). Auch die Lehrer dieser Untersuchung sollten im Sinne von Lorenz (2003) sowohl durch die Schüler-Interviews flankierende Fortbildungen unterstützt werden als auch für ihre Arbeit mit einer reduzierten Unterrichtsverpflichtung belohnt werden. Ausblick 161 Interventionsstudie als Fortbildungsmaßnahme Um die Wirksamkeit des Schüler-Interviews zu erhöhen, wird eine Interventionsstudie angedacht, in der eine Lehrergruppe, die Schüler-Interviews durchführt, von einem Experten (Mathematikdidaktiker) begleitet wird. In regelmäßigen Treffen wird ein Schüler-Interview, das der jeweilige Lehrer selbst geführt hat und als Videodokument vorliegt, in der Gruppe betrachtet und besondere Stellen, wie das Nicht-Einhalten der Abbruchbedingungen, Abweichungen vom vorgegebenen Sprechtext für den Lehrer, fehlerhafte Lösungen des Schülers, etc. gemeinsam analysiert. Zuvor hat der Lehrer das Schüler-Interview eigenständig ausgewertet und die Ausprägungsgrade bestimmt. Dies führt vermutlich zu einer intensiveren Auseinandersetzung mit dem einzelnen Schüler und seinen Performanzen. Durch die Kon- frontation mittels des Videodokuments mit dem eigenen Tun und Reagieren auf den Schüler sowie der Rückmeldung anderer Lehrer, wie das eigene Tun wahrgenommen wird, wird der Lehrer in einen intensiven Reflektionsprozess eingebunden. Dies könnte ein Schritt in Richtung Professionalisierung des Lehrers sein. Der Experte unterstützt mit fachlichem und fachdidaktischem Hintergrundwissen. Altrichter (2003) weist daraufhin, dass es nicht ausreicht allein über seine Tätigkeit zu reflektieren und diese weiterzuentwickeln. Professionalität erfordert „sich mit der eigenen Praxis und der Reflexion darüber auf den Diskurs der Berufsgruppe einzulassen; deren Erfahrungen und Qualitätsansprüche in der eigenen Tätigkeit zu berücksichtigen, zu über- prüfen und weiterzuentwickeln; die eigenen Entwicklungen und praktischen Theorien der kritischen Diskussion der Berufsgruppe auszusetzen; kurz in vielfältigen berufsbezogenen Austausch mit anderen Mitgliedern der Profession zu treten“ (Altrichter 2003, S. 58/59). Lehrerwissen über das Denken der Kinder In einer Untersuchung von Steinberg et al. (2004) mit einer Grundschullehrerin zeigte sich, dass ihr Unterrichten durch das Wissen über das individuelle Denken der Kinder geleitet wurde. Die Lehrerin profitierte weiterhin davon mit den Kindern über ihr Denken zu sprechen, aber das Gespräch wurde nun so gestaltet “to help children advance” (Steinberg et al. 2004, S. 258). Auch die beteiligten Lehrer entwickeln durch das Führen von Schüler-Interviews ein er- weitertes Wissen über das Denken der Kinder werden davon möglicherweise in ihrem Tun geleitet. Sie erhalten Informationen über Kinder aller Leistungsniveaus und können diese gemäß ihrer derzeitigen Performanz fordern. Lehrerausbildung und studentische Assistenten Im Neuen Hessischen Lehrerbildungsgesetz und in den Standards der KMK werden neue Forderungen an die Lehrerausbildung gestellt. Für eine verbesserte Ausbildung der Lehr- personen werden auch „in Bezug auf didaktische Kompetenzen, mit dem Ziel einer stärkeren individuellen Förderung der Schülerinnen und Schüler, denen mehr Selbstständigkeit und Eigenaktivität zugestanden werden sollte“ Neuerungen gefordert (Valtin/Bos 2004, S. 34). Im Rahmen der schulpraktischen Studien und in Zusammenhang mit dem HBMD-Projekt unterstützen speziell ausgebildete Studierende, so genannte studentische Assistenten (Spindeler 2003), die Lehrer bei der selbstständigen Durchführung der Schüler-Interviews. Diese lernen dadurch einen Teil der Schulpraxis und die mathematischen Leistungen einzelner Kinder kennen, sind für den interviewenden Lehrer Unterstützer bei der Interviewdurchführung, aber auch unvoreingenommene Beobachter und möglicherweise erste Ansprechpartner. Ausblick 162 Es wurden bereits Interviews mit den studentischen Assistenten analog zu den Lehrer- Interviews durchgeführt, um festzustellen, welchen Nutzen sie aus dem Unterstützen der Lehrer bei der Durchführung der Schüler-Interviews ziehen. Die Daten sind noch nicht bearbeitet. Alle studentischen Assistenten nehmen begleitend an einem fachdidaktischen Seminar teil, welches ihnen Zusatz- und Hintergrundinformationen liefert. Die Teilnahme an den Schüler-Interviews bringt neue Erfahrungen und erzeugt vermutlich kognitive Differenzen. Dies bedeutet nach Herrmann (2002) für die Lehrerausbildung: „lernen, Differenzen zu bilden zur eigenen Schulerfahrung und innerhalb neuer Schul- und Unter- richtserfahrungen, sowie Differenzerzeugung und -wahrnehmung artikulieren, reflektieren und begründen zu lernen“ (Herrmann 2002, S. 281, Hervorhebungen im Original). Die Erweiterung schulpraktischer Studien scheint eine sinnvolle Vorgehensweise zu sein, die Diagnosefähigkeit der Studierenden und ihren Umgang mit einzelnen Kindern bereits in der Ausbildung stärker auszuprägen. Es ist angedacht ein Modul Diagnostik an der Universität Kassel im Bereich Grundschulmathematikdidaktik unter Leitung von Wollring in Zusammen- arbeit mit dem Hessischen Kultusministerium zu konzipieren, welches das Schüler-Interview als Bestandteil enthält und mit einem Bachelor für Diagnosekompetenz abgeschlossen werden kann. Die Besonderheit dessen besteht darin, dass dieser universitäre Abschluss auch für im Dienst stehende Lehrer realisierbar sein soll. Dazu ist es denkbar, dass studentische Assistenten und Lehrer, die Schüler-Interviews führen, gemeinsam ein Seminar zu mathe- matikdidaktischen Themen an der Universität besuchen und dadurch eine Verknüpfung und ein Austausch zwischen erster und dritter Phase stattfindet. Wäre es möglich die zweite Phase in dieses Projekt einzubinden, so würde ein Austausch und eine Zusammenarbeit aller drei Phasen realisierbar. Mit einer hohen Reflexionsfähigkeit könnten vermutlich alle Beteiligten aus den verschiedenen Phasen voneinander lernen. Literaturverzeichnis Altrichter, Herbert (2003). Forschende Lehrerbildung. Begründungen und Konsequenzen des Aktionsforschungsansatzes für die Erstausbildung von LehrerInnen. In: Obolenski, Alexandra/Meyer, Hilbert (Hrsg.) (2003) Forschendes Lernen, Klinkhardt, Bad Heilbrunn, S. 55-70 Altrichter, Herbert (2000a). 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Vielen Dank an Sie, liebe Lehrerin, lieber Lehrer, dass Sie sich bereit erklärt haben, uns bei der Evaluation des Schüler-Interviews behilflich zu sein. Wir sind an Ihren Aussagen interessiert, um den Nutzen des Schüler-Interviews für den einzelnen Schüler und für den Unterricht zu erfassen. Nicht Ihr Kenntnis- und Wissensstand sind das Forschungsobjekt, sondern das Schüler- Interview an sich. Ihr Name und der Name des Schülers werden nur für meine Zuordnung erfasst. In der Arbeit werden sie anonymisiert. Teil 1: Informationen über die Lehrerin 1.1 Welche Klassenstufe unterrichten Sie zur Zeit? .................................................................................. 1.2 Wie viele Jahre haben Sie bereits Klasse (0), 1, 2 unterrichtet? .................................................................................. 1.3 Wie viele Jahre unterrichten Sie insgesamt schon (ohne Referendariat)? .................................................................................. 1.4 Wie viele Jahre unterrichten Sie bereits diesen Schüler? .................................................................................. Teil 2: Informationen über der Schüler 2.1 Wieso haben Sie speziell diesen Schüler ausgewählt? ............................................................................................................................ ............................................................................................................................ ............................................................................................................................ ............................................................................................................................ ............................................................................................................................ ............................................................................................................................ 2.2 In welchen der folgenden Teilbereichen weist dieser Schüler vermutlich Stärken oder Schwächen auf? Bitte benennen und begründen Sie Ihre Vermutungen! Zählen ............................................................................................................................ ............................................................................................................................ ............................................................................................................................ Stellenwertsystem ............................................................................................................................ ............................................................................................................................ ............................................................................................................................ Anhang 174 Additions-/Subtraktions-Strategien ............................................................................................................................ ............................................................................................................................ ............................................................................................................................ Multiplikations-/Divisions-Strategien ............................................................................................................................ ............................................................................................................................ ............................................................................................................................ Zeit ............................................................................................................................ ............................................................................................................................ ............................................................................................................................ Längen-Messung ............................................................................................................................ ............................................................................................................................ ............................................................................................................................ Masse/Gewichts-Messung ............................................................................................................................ ............................................................................................................................ ............................................................................................................................ Geometrie ............................................................................................................................ ............................................................................................................................ ............................................................................................................................ 2.3 Wie schätzen Sie die mathematischen und die allgemeinen schulischen Leistungen des Schülers (relativ zur Klasse) ein? ............................................................................................................................ ............................................................................................................................ ............................................................................................................................ ............................................................................................................................ ............................................................................................................................ ............................................................................................................................ ............................................................................................................................ 2.4 Welche Erwartungen haben Sie an die Durchführung des Schüler-Interviews? ............................................................................................................................ ............................................................................................................................ ............................................................................................................................ ............................................................................................................................ ............................................................................................................................ ............................................................................................................................ ............................................................................................................................ Vielen Dank, dass Sie sich Zeit genommen haben! Anhang 175 Leitfaden zum ersten Lehrer-Interview Name des Lehrers:.......................................................................................................... Schule: ............................................................................................................................ Datum des Lehrer-Interviews:........................................................................................ Name und Alter des Schülers: ........................................................................................ Datum des Schüler-Interviews: ...................................................................................... Einleitung zum Anlass des Gespräches Vielen Dank, dass Sie sich bereit erklärt haben, uns bei der Evaluation des Schüler-Interviews behilflich zu sein. Da wir sehr an Ihren Aussagen zum Schüler-Interview interessiert sind, führe ich heute mit Ihnen dieses Gespräch, in dem wir uns über das Schüler-Interview auf verschiedenen Ebenen unterhalten wollen. In meinem Sprachgebrauch nenne ich unser Gespräch Lehrer-Interview, was aber nicht bedeutet, dass ich Sie überprüfen will! Sie sind in meinen Augen viel mehr die Forscher und ich bin an Ihren Gedanken und Ideen interessiert! Nicht Ihr Kenntnis- und Wissensstand sind das Forschungsobjekt, sondern das Schüler- Interview und Ihre Einschätzung dazu. Ich hoffe, dass sowohl Sie als auch wir und vor allem die Kinder von der Durchführung des Projektes profitieren. 1. Folgende Bereiche sollen Gegenstand unseres Gespräches sein: 2. Spontane Äußerungen zum Schüler-Interview 3. Geänderte Sicht der Lehrerin/des Lehrers auf dieses Kind 4. Förderdiagnostischer Nutzen des Schüler-Interviews 5. Bewertung des Schüler-Interviews 6. Bedarf an Information, Kooperation, Unterstützung und Fortbildung / Implementation und Auswertung im Schulalltag Teil 1: Spontane Äußerungen zum Schüler-Interview Was möchten Sie spontan zum Schüler-Interview äußern? Haben Sie Schüler-Interviews geführt? Wie viele? Teil 2: Geänderte Sicht der Lehrerin/des Lehrers auf dieses Kind Was haben Sie durch das Schüler-Interview über den Schüler und seine mathe-matischen Leistungen erfahren? Wie sehen Sie das Kind nach dem Schüler-Interview? Inwieweit hat sich Ihre Sicht auf dieses Kind gegenüber vorher geändert? Teil 3: Förderdiagnostischer Nutzen des Schüler-Interviews Welche Ansatzpunkte zur Förderung liefert Ihnen das Schüler-Interview? Anhang 176 Was können Sie dem Interviewprotokoll, dem Auswertungsbogen und den Ausprägungsgraden entnehmen? Können Sie daraus Förderimpulse ableiten? Wie müsste ein Schüler-Interview gestaltet sein, welches Ihnen Handlungsideen vermittelt? Teil 4: Bewertung des Schüler-Interviews Wie bewerten Sie das Schüler-Interview? Fehlen Ihnen bestimmte Aufgaben oder Bereiche im Schüler-Interview? Ist das Schüler-Interview ein geeignetes Instrument zur Unterstützung des regulären Unterrichts (zur Unterstützung der Lehrerin)? Können Sie aus dem Interview Impulse für den laufenden Unterricht entnehmen (globale Impulse)? Steht für Sie der Aufwand für dieses Schüler-Interview und der Nutzen, den Sie daraus ziehen können, im rechten Verhältnis? Welche Rückmeldung haben Sie an den von Ihnen interviewten Schüler gegeben und wie hat sich der Schüler gegenüber seinen Eltern, Mitschülern oder Lehrern über das Interview geäußert? Teil 5: Bedarf an Information, Kooperation, Unterstützung und Fortbildung / Implementation und Auswertung im Schulalltag Haben Sie Mathematik als Fach studiert? Wie schätzen Sie Ihr persönliches Hintergrundwissen in Mathematik ein? Ist die Einbettung des Schüler-Interviews in die Unterrichtskultur bzw. den Unterrichtsalltag möglich? Halten Sie Ihre Erfahrungen bzgl. des Schüler-Interviews für eine typische Erfahrung, die mehreren Lehrerinnen so empfinden würden oder für eine individuelle Erfahrung, die nur für Sie alleine zutrifft? Möchten Sie noch etwas anmerken? Vielen Dank für das Gespräch! Anhang 177 Leitfaden zum abschließenden Lehrer-Interview Teil 1: Spontane Äußerungen zum Schüler-Interview Was möchten Sie spontan zum Schüler-Interview äußern? Wie viele Schüler-Interviews haben Sie geführt? Teil 2: Geänderte Sicht der Lehrerin/des Lehrers auf dieses Kind Inwieweit hat sich Ihre Sicht auf die befragten Kinder gegenüber vorher geändert? Haben Sie Erkenntnisse über die mathematischen Fähigkeiten hinaus gewonnen? Psychische Blockaden, Händigkeit, …? Überträgt sich die neue Sichtweise auf das Kind auch auf andere Fächer? Hat sich ihr Blick auf die befragten oder auf alle Schüler verändert? Welche Rückmeldung haben Sie an die von Ihnen interviewte Schüler gegeben? Wie haben sich die Schüler gegenüber Eltern, Mitschülern oder Lehrern über das Interview geäußert? Wenn ja, wie? Hat sich die Einstellung zum Mathematikunterricht bei den befragten Kindern Ihrer Meinung nach verändert? Ich gebe Ihnen jetzt einen Ausschnitt aus einem ersten Interview mit einer beteiligten Lehrerin vom April 2003 vor. Können Sie sich bitte dazu äußern und mir sagen, ob Sie die Ansichten dieser Lehrerin teilen und was Sie davon halten? Vertreten Sie eine ähnliche Meinung? A: interviewte Lehrerin, K: Interviewer Zeit Person Text 11:15 A Also so spontan ne merk ich, dass ich mich, dass ich total anders kucke. Nicht total, aber dass ich anders kucke bei einzelnen Kindern. K Auch bei anderen als bei Laura? A Nicht nur bei Laura, bei allen, also bei dem Max jetzt, der total fit ist im Einmaleins, lasse ich mir erklären, wie rechnest du das? Oder jetzt auch bei Pierce, wenn die im Kopf rechnen, irgendwie so, 19 – 11 oder so, dann frag ich zwischendurch mal, wie kommst du denn darauf? Michelle hatte heute wieder so eine ganz, ja ich weiß nicht mehr, was es war, 11 – 7 mit den Fingern, aber den Weg und da hin. Wo ich irgendwie schon sehe, da ist eine (andere) Strategie. Also da merk ich, ich mein Blick ist noch mal ein anderer. A Und freu, das merk ich an meiner Haltung. Und freu mich über die Erklärungen, die die zum Teil bringen! Und manchmal müssen sie sie mir dreimal erklären bis ich sie auch verstanden habe. Wie unterscheidet sich für Sie ergebnisorientiertes von prozessorientiertem Mathematiklernen? Welche Bedeutung hat dies für Ihren Mathematikunterricht? Haben sich Ihre Einstellungen zum Unterricht, zum Fach Mathematik, ... nach dem Führen der Schüler-Interviews verändert? Wie lernen Ihrer Meinung nach Kinder am besten Mathematik? Anhang 178 Hat sich Ihre Meinung von vor den Interviews bis heute geändert? Teil 3: Förderdiagnostischer Nutzen des Schüler-Interviews Was können Sie dem Interviewprotokoll, dem Auswertungsbogen und den Ausprägungs- graden entnehmen? Können Sie daraus Förderimpulse ableiten? Welche Veränderungen würden Sie am bestehenden Interview vornehmen? Teil 4: Bewertung des Schüler-Interviews Wie haben Sie sich auf das Führen des ersten S-Interviews vorbereitet? Wie hoch war der Zeitaufwand um mit dem S-Interview umgehen zu können? Wie viele Personen benötigen Sie um ein S-Interview zu führen? Wie gut prägt sich ein S-Interview im Gedächtnis ein? Hat sich Ihr Vorbereitungsaufwand für ihre Stunden oder allgemein Ihre Vorbereitung geändert? Auf welche Tatsache führen sie dies zurück? Haben die beiden Gebiete Anwendungen und Geometrie einen größeren Raum in Ihrem Unterricht gewonnen? Was halten Sie von der Aussage „Das ENRP (S-Interview) als Katalysator für die Verbesserung des Unterrichts (der Unterrichtsqualität)“ (vgl. Weigand, GDM, 01.03.04). Beim Besuch des HKM’s sagte eine Lehrerin, dass das Führen des S-Interviews eine „schleichende Lehrerfortbildung“ sei (Schmidt, HKM, 31.03.04, Blatt 3). Was halten Sie von dieser Aussage bzw. wie stehen Sie dazu? Eine andere Lehrerin meinte, das S-Interview würde sich auf die gesamte Schullaufbahn des Kindes auswirken. Sie verbrauche zwar 2h für das Interview, aber dadurch könne sie danach effektiver mit dem Kind arbeiten und spare letztendlich Zeit (Fricke, HKM, 31.03.04, Blatt 2). Was halten Sie von diesem Argument? Den Standpunkt A.G. (2.L-Interview), dass nur Fachlehrer das Interview führen dürfen, allen Lehrern vorlegen. 13.19 I Hm. Und wie stellen Sie sich das vor bei fachfremden Lehrern, ob, ähm, können die damit umgehen dann individuell die Grenzen zu setzen, wann abgebrochen [wird und wann nicht 13.28 H [Also, fachfremde Lehrer würde ich das Interview nicht machen lassen. [Hm] Würde ich’s wirklich nicht machen lassen. Weil die an sich, äh, im ganzen mathematischen Bereich schon unsicher sind. [Hm] Und, äh, meistens ist ja ’ne Buchgläubigkeit da, die halten sich an’s Buch und gehen stur nach’m Buch vor, weil sie eben da eine Sicherheit haben und wenn sie hier dann in’n, ja, so ’n richtig restriktes Instrumentarium an die Hand kriegen [Hm], was sie dann noch hinterfragen müssen, was da mathematisch abläuft, und das auch protokollieren sollen auch noch, also, [Hm],äh, da hätte ich meine Bedenken. 14.06 I Äh, könnte es vielleicht auch ein, sage ich mal, ein Instrument sein, um die fortzubilden (.) oder denen, ähm, Ideen an die Hand zu geben? Anhang 179 14.16 H Das könnte sein, aber nicht in Form des, äh, Interviews. Sondern da müsste man dann, äh, ja, diese Fragen mit den Kolleginnen, Kollegen selber durchgehen [Hm], ja mit denen das Ganze mal selber durchspielen, so dass sie das selber, äh, durcharbeiten und dann besprechen, was ist an dem Punkt mathematisch sinnvoll, was ist da oder was steckt dahinter, ’ne? Wie kann ich’s umsetzen im Unterricht. [Hm] Also dann ja(!), ’ne? [Hm] Aber nicht jetzt so darauf bauen, na ja, die machen da so, so’n Interview und die lernen dadurch. 14.47 I Das klappt wahrscheinlich nicht, oder? 14.49 H Ja, da bin ich’n bisschen skeptisch. Welche Meinung vertreten Sie? Teilen Sie diese Einstellung? (Wie stehen Sie zu dieser Meinung?) Teil 5: Bedarf an Information, Kooperation, Unterstützung und Fortbildung / Implementation und Auswertung im Schulalltag Sollte das S-Interview Bestandteil des Mathematikunterrichts werden? Welche Art von Evaluation halten Sie für sinnvoll? Wie denken Sie über die L-Fragebögen und die L-Interviews? Haben Sie für alle befragten Schüler einen L-Fragebogen ausgefüllt? Hat es seit den S-Interviews vermehrt Kollegen- oder Lehrerzimmergespräche über Mathematik gegeben? Oder das S-Interview? Welcher Art waren diese Gespräche? Schulinterne Dissemination (Schulen, die das ganze Kollegium einbeziehen): Drei Ebenen der Informiertheit über das S-Interview: Informiert sein, teilnehmen, ausführen können. Sind Ihre Kollegen über das S-Interview informiert oder nehmen sie daran teil oder können sie es ausführen? Bewertung des Projekts nach einem Jahr und Ihren Ausblick für das Projekt bzw. Ihre Wünsche/Vorstellungen/Visionen für das Projekt (inhaltlich, organisatorisch) Wie bewerten Sie das Projekt nach einem Jahr? Welche Vorstellungen/Wünsche/Visionen haben Sie für die Fortsetzung des Projektes (inhaltlich, organisatorisch)? Wie stellen Sie sich die Fortführung nach der Erprobungsphase vor? Ausbildung zu HBMD-Interviewern durch Fortbildung in Mathematikdidaktik flankieren? „Lehrer haben hohe Verantwortung für das Gelingen! Sonst sind Fortbildungsveranstaltungen oft nur Informationsveranstaltungen!“ Fragen zu Bildungsstandards und Auffassung zu den Vergleichsarbeiten Würden Sie das S-Interview inhaltlich an die Bildungsstandards anpassen? Warum? Würden Sie das Verfahren der Vergleichsarbeiten auf das S-Interview übertragen? Teil 6: Fragen zu den studentischen Assistenten Fragen zu der Rolle und dem Nutzen der studentischen Assistenten aus Sicht der Lehrer: Worin unterstützen die studentischen Assistenten Ihre Arbeit? Welche Rolle haben bei Ihnen die studentischen Assistenten? Hat sich die Situation mit den neuen studentischen Assistenten verändert? Arbeiten studentische Assistenten im Rahmen ihrer Staatsexamensarbeit mit befragten Kindern zusammen? Welchen Nutzen haben Sie davon? Anhang 180 Teil 7: Meine Kategorien zu den L-Interviews Den Lehrern meine Kategorien vorlegen: I. Bewertungen des S-Interviews als Instrument durch die Lehrer II. Unterrichtsunterstützung: 1. Förderunterstützung bei den befragten (einzelnen) Schülern 2. Unterstützung des eigenen Unterrichts 3. Unterstützung der Schulentwicklung III. Schulsituation IV. Kooperationspartner im Rahmen des Projektes V. Neue Ausbildungsmodelle VI. Elternarbeit VII. Kompetenzen des Lehrers Fallen Ihnen weitere Kategorien ein? Wollen Sie sich zu den einzelnen Kategorien äußern? Welches ist für Sie die wichtigste Kategorie? Sind für Sie alle genannten Kategorien von Bedeutung? Können Sie Unterpunkte zu diesen Kategorien nennen (Lehrer Subkategorien benennen lassen)? Teil 8: Fragen zum Test Förderdiagnostischorientierte Verfahren Allen Lehrern den Text über verschiedene Mathematiktests gegeben (Birgit Werner (2003) „Förderdiagnostischorientierte Verfahren für den Mathematikunterricht“ Zeitschrift für Heilpädagogik 8, 2003) und sie sollen sich entweder schriftlich oder mündlich, d.h. im nächsten Interview zu dem Text äußern! Sie sollen zum ENRP (HBMD) die sechs Fragen von S. 326 aus dem Text beantworten! - Ist das Verfahren in der Praxis, d.h. unter den gegenwärtigen zeitlichen und personellen Rahmenbedingungen anwendbar? - Welche Einsichten in die Lern- und Leistungsfähigkeiten und -möglichkeiten des Kindes lässt dieses Verfahren zu? - Welche Fragen bezüglich individueller mathematischer Einsichten, Kenntnisse und Fertigkeiten bleiben offen? - Sind die Ergebnisse des Verfahrens eindeutig oder lassen sie – je nach Beobachtungsstandpunkt – unterschiedliche Interpretationen zu? - Lassen sich aufgrund der Ergebnisse des Verfahrens konkrete Ansätze zur weiteren Förderung ableiten? Lassen sich Aussagen über den nächsten Entwicklungsschritt des Schülers treffen? - Welche ergänzenden bzw. erweiternden Diagnoseverfahren sind für dieses Verfahren empfehlenswert? Möchten Sie noch etwas anmerken? Vielen Dank für das Gespräch! Anhang 181 Transkript des ersten Lehrer-Interviews mit der Lehrerin LS am 16.12.03 Episode 1 00.47-01.55 Spontane Äußerung zum S-Interview Sehr skeptisch, selbst nervös, Interviewleitfaden gut durchgearbeitet, nervös, wie reagiert Schüler Zeit Person Text 00.47 I Was möchten Sie spontan zum Schüler-Interview oder zu den Schüler-Interviews sagen? 00.54 L Ähm. (..) Muss ich, muss ich erst mal darüber nachdenken. Also spontan würde ich sagen. Ähm, ich war, ich war sehr skeptisch, was auf mich zukommt, was auf die Schüler zukommt. Ich habe, ähm, ich war bei dem ersten Interview also selber etwas nervös, ähm konnte aber dann so im Laufe der Zeit, ich habe das alles vorher genau durchgearbeitet, diesen, dieses ganze Interview, weil äh es für mich ein bisschen undeutlich vom Layout war, was also, was [Handlungsbereich ist 01.23 I [formatiert 01.24 L Ja, und was also mein Bereich ist, und das habe ich also äh sehr stark durchgearbeitet vorher, hab’s mir markiert und dann war’s mir also schon auch ne Hilfe bei dem, bei dem Interview. [Hm] Dann, ähm; war ich am Anfang selber etwas nervös und aufgeregt, weil ich nicht wusste, äh, wie der, wie der Schüler drauf reagiert oder wie weit kommt der jetzt in diesen einzelnen Phasen und, oder wenn der jetzt auch zum Beispiel sagt, ich glaub du spinnst, ich hab jetzt keine Lust mehr, ich mach jetzt nicht mehr, wie ich dann reagiere. Solche Sachen auch, ne [Hm] (01.52) (…) Episode 2 01.55-02.40 1.Schüler Dennis unglaublich überrascht, wie weit der Schüler in den einzelnen Teilen (Bereichen) gekommen ist, als stark eingestuft, kein L-Fragebogen ausgefüllt, relativ weit gekommen 01.55 L Und ähm es ist aber bei dem ersten Schü(ler), Schüler ganz gut gelaufen und ich war unglaublich, äh, überrascht, wie weit der Schüler in den einzelnen, äh, Teilen, in den einzelnen Bereichen gekommen ist. Ich hab ihn zwar als stark eingestuft, aber das habe ich einfach nicht erwartet. 02.13 I Welcher Schüler war das jetzt, der Erste? 02.14 L Das war der [Dennis 02.16 I [Aha, der Dennis. Hm 02.17 L Bei dem hatte ich ja vorher kein Protokoll geführt, ne kein Protokoll, kein. 02.18 I Kein Fragebogen. 02.20 L Kein Fragebogen ausgefüllt. [Hm] Und trotzdem war ich also überrascht, wie weit er, er gekommen war. Ich wusste also, dass es ein sehr starkes Kind ist. Also ein Kind, meiner Meinung nach, auch mit autistischen Zügen ähm [Hm?] und der ist also auch relativ weit gekommen und ähm (02.36) (….) Episode 3 02.40-03.27 Gedanken zu Dennis und Robin Was kann ich für die beiden tun? 02.40 L Hat so für mich hinterher auch, ähm, oder auch nach dem Interview vom Robin hab ich hinterher auch gesagt, also irgendwas, äh, musst du für diese Kinder tun oder musst du deinen Unterricht irgendwie umstellen, weil mit dem, was wir gerade im zweiten Schuljahr machen, sind die eigentlich unterfordert. [Hm] Wobei ich bei dem Robin oder auch beim Dennis sehe, wenn wir mal ne Lernkontrolle oder so schreiben, dann machen die auch Flüchtigkeitsfehler rein, [Hm] aber einfach weil der Robin beispielsweise sehr hippelig ist und äh also sehr aktiv ist. Anhang 182 Episode 4 03.27-06.46 Fazit aus dem Interview Feedback für die Lehrerin, fehlt stofflich etwas, Kenntnis des genauen Lernstandes der Kinder, was mache ich jetzt mit diesen Kindern, individualisiere ich fast den Unterricht, Konsequenzen aus den Interviews, Konkurrenzdenken der Eltern bei der Weiterarbeit, Lehrerin trifft Auswahl der Kinder, Interview in Konferenz vorgestellt 03.27 L Aber das ist so das Fazit eigentlich, so für mich gewesen aus diesem, aus diesem Interview, ähm, erst mal ein Feedback für mich, ähm, gibt es Teile, ähm, aus diesem Interview, was du im Unterricht noch nicht thematisiert hast. [Hm] Nun sind wir aber erst in der Hälfte von der Zwei, ähm, fehlt da irgendetwas. Also das, äh, war für mich, äh, wichtig und ähm jetzt zu gucken, wie gehe ich jetzt mit den Kindern um, wo ich also weiß, äh, wo ich diesen ihren Lernstand genau kenne [Hm] und ähm das war für mich die ganz spannende Frage, wie, wie geht’s jetzt weiter, was passiert jetzt? [Hm] Lass ich das jetzt so stehen, arbeiten die jetzt so weiter, wie bisher auch oder ähm, was mach ich mit den Kindern [Hm] und es ist jetzt so, dass ich mit diesen Kindern, also wo ich das, ich weiß es auch von anderen Kindern, dass die also schon sehr fit sind, die kriegen ähm. Ich habe schon immer stark differenziert, aber jetzt geh ich noch eine Stufe weiter, jetzt also individualisiere ich fast. [Hm] Und ähm das ist, ich mein, das führt jetzt vielleicht hier in dem Interview also in diesem, was sie hier [gerade abfragen 04.41 I [Das ist schon o.k. 04.42 L [vielleicht zu weit, aber das stößt auch auf Widerstände bei Eltern, also nicht auf Widerstände, aber auch es gibt ein Konkurrenzdenken auf einmal innerhalb der Klasse. Wieso macht denn der das und mein Kind nicht. 04.56 I Ach, bei dem Schüler-Interview? 04.57 L Nee, sondern [oder?] so jetzt in der Weiterarbeit [ach so.], jetzt auch in der Weiterarbeit, wie ich jetzt weiterarbeite, weil das macht ja keinen Sinn das Interview zu führen, festzustellen, das Kind, ähm, ist äh (.), sag ich mal, sehr stark begabt in Mathematik [Hm] und ich fördere das jetzt nicht und ich lass den einfach so weiterlaufen [Ja.], wie bisher. [Hm] Soll ja ne Konsequenz daraus entstehen [Hm, ja.], sonst kann ich das ja lassen mit diesem Interview. [Ja.] Und es gibt da ein Konkurrenzdenken innerhalb der Eltern [mittlerweile 05.22 I [Echt jetzt schon? 05.23 L [Ja! Ja. Und [das ist etwas 05.26 I [Wie viele Interviews waren’s bisher? 05.27 L Drei. 05.28 I Das waren Robin, Dennis und. 05.30 L Äh Sinette. 05.31 I Und Sinette, das Mädchen noch. 05.32 L Ja, ja, aber dass andere Eltern jetzt zu mir kommen und sagen, aber warum ist denn mein Kind, mein Kind kann doch auch, und, ähm, dass die da, das ist leider so. 05.41 I Und wie gehen sie damit um? 05.43 L Also ich sage, dass ich ähm auswähle, wer jetzt erstmal, ähm, wer mit mir erstmal dieses Interview führt und äh, dass es das Ziel ist, äh versuchen alle zu erreichen, mit allen Kindern das Interview durchzuführen, aber ähm dass wir das aus zeitlichen Gründen eben so schnell nicht schaffen, [Hm] so erklär ich das den Eltern. 06.02 I Schön. Ja. 06.03 L Nee. Und ich hab’s ja auch in der Konferenz vorgestellt und da sind ja auch immer Eltern, es sind auch ausgerechnet Eltern aus meiner Klasse, die also mich dann auch sofort nageln ne [Hm] oder mich auch fragen, äh warum haben sie denn jetzt dieses Kind in der, in der äh Konferenz äh genommen und nicht mein Kind beispielsweise ne. (..) Ja, ja das ist leider so. [Oh, oh.] Und ich muss, ich muss jetzt äh wirklich vorsichtig sein. [Hm] Ich habe mir also schon überlegt, ob ich ähm nicht mal auch ähm ne Kollegin bitte, dass sie das mal in ihrer Klasse übernimmt, damit ich da nicht so im Fokus bin. [Hm(?)] (..) Also das ist nicht schön. (06.38) Anhang 183 Episode 5 06.46-10.13 Schüler und ihre math. Leistung (Robin, Sinette) Kinder wissen mehr im math. Bereich als wir sehen können, erst durch das Interview herausgekriegt, was dahinter steckt 06.46 I Was haben sie denn insgesamt durch die Schüler-Interviews über die Schüler und ihre mathematischen Leistungen erfahren? 06.53 L (..) Ähm, beim (.) Denn(is), beim Robin äh wusste ich äh, dass er ähm mathematisch gut begabt ist. [Hm] Ja, aber dass seine, dass seine Begabung (.) soweit geht, das habe ich bei ihm nicht, (.) vielleicht vermutet, aber ich ähm habe es also (.) nicht erwartet, dass er das tatsächlich so [Hm] bringt. [Hm] Und ähm, (.) das heißt eigentlich, dass Kinder viel weiter sind in der mathematischen Entwicklung als wir äh das tatsächlich sehen, weil wir das in äh nie so in unserem Unterricht so abfragen können oder so hinterfragen können, wie in diesem Interview. [Hm] Ja, dass Kinder wirklich ähm über mathematische äh Fähigkeiten oder mathematische Fähigkeiten besitzen, die wir gar nicht erkennen. [Hm, hm] Ne. [Ja.] Wir wissen zwar och das Kind kann unheimlich gut mitarbeiten, ist fit, [Hm] aber was tatsächlich dahinter steckt, das ähm hab ich (.) eigentlich erst durch das Interview rausgekriegt. [Hm] Deswegen ist es für mich ja unheimlich spannend und ich steh da auch dahinter. Und ich würde es auch ganz gerne weitermachen. [Hm] Nur eins ist klar, alleine äh, ist es nicht machbar. 08.10 I Und wie ist es bei den andern Beiden, bei Dennis und bei Sinette? 08.14 L Bei Sinette äh war mir klar ähm, also Sinette habe ich äh ausgewählt, weil sie ein sehr schwaches Kind ist [Hm] und ähm, ich (.) nicht rausfinde, also ich äh frage oft Kinder, wie hast du denn das gerechnet, [Hm] warum ist denn das so? Ich bei ihr noch nie rausgefunden habe, wie sie auf Lösungen kommt. Ich erkenne bei ihr keine Strategien und ich hatte, also außer Zählen, [Hm, hm] gut Zählen ist auch ne Strategie, aber ich ha, ich finde es bei ihr nicht raus und ich habe gehofft so in dem Interview, dass ich das rauskitzeln kann, aber auch da ist es nicht gelungen. (08.46) 09.05 L Also ich hatte mir durch dieses Interview bei Sinette erhofft, ähm so erhellend äh zu, zu, rauszufiltern, was, was ist dem mit dem Kind, [Hm] wo ähm, (.) warum ist das denn so schwierig, warum kann’s das jetzt einfach [Hm] noch nicht? Und das habe ich nicht rausgefunden. 09.20 I Also hat, hat das nicht so viel Wirkung gehabt bei, bei ihr also mehr den beiden Jungs? 09.25 L Ja, hm. (..) Ja, ich wollte rausfinden, warum äh, warum Sinette diese Schwierigkeiten in Mathematik hat, und das ist mir nicht gelungen. [Hm] Ich hab’s nicht rausgefunden. (09.33) 09.40 L Äh Sinette ist insgesamt ein ganz äh schwaches Kind [Hm] schwach begabtes Kind ganz willig und lieb, aber ich hatte ja ähm in diesem Protokoll vorher geschrieben, [Hm] dass wir überlegen sie zurückzunehmen [Ja.] und ähm hab mir halt durch dieses Interview erhofft, ähm, sag ich mal, so ne, so ne ähm (.) 09.58 I Entscheidungshilfe? 09.59 L [So ne, ja, so ne Entscheidungshilfe [Hm] vielleicht ne [Hm] oder so ne Bestätigung [Hm] auch zu finden. Ne, ich hatte halt gehofft, dass ich das irgendwie rausfinde, wie, wie sie arbeitet. [Hm] Es ist also auch beim Interview nicht rausgekommen. Episode 6 10.13-15.47 Eindrücke von Dennis beim Interview uns allgemein Autistische Züge, große motorische Störungen 10.13 I Und Dennis? Wie war’s bei dem mit den mathematischen Leistungen? 10.18 L Äh, bei Dennis, ähm (..) also Dennis ist ein ganz schwieriges Kind, ein ganz, ganz introvertiertes Kind. Also ich würde sagen, es ist äh eine Form von Autismus bei ihm, weil der ist also immer alleine, der spielt mit keinem. Der spielt, steht auf dem Schulhof ähm in der Pause äh gegen die Wand gelehnt und äh führt Selbstgespräche. (10.40) 10.46 L Das war für mich der Grund, ähm, den Dennis als ersten Schüler mal zu ähm interviewen, (.) um zu gucken, wie weit, weil ich sonst aus dem Unterricht ähm außer seinen schriftlichen Leistungen, aus ihm nichts rausholen kann. Äh, was er tatsächlich zu leisten vermag. (11.02) 11.02 I Aber (.) ähm (.). Wie hatten sie denn, was für einen Eindruck hatten sie denn beim Interview von dem Jungen? Anhang 184 11.08 L Da hat er ähm ganz offen. Er redet auch mit mir. Und äh, hat das also, er hat das wirklich prima gekonnt [Ja.] und also, also auch solche, so ein, so ein Satz, wie „Ich halt’s mal in die Kamera“ oder so ne, oder so hätte ich hinter ihm nicht vermutet. Aber (.) er ist im Umgang, äh er ist, er ist immer nur mit Erwachsenen zusammen und das (.) merkt man halt. (11.27) 11.44 L Aber äh er hat ganz große motorische Störungen, in der Feinmotorik und äh auch in der Grobmotorik. Es (.) ganz schwierig. Und da hab ich halt gedacht das Interview hilft mir. [Hm] Ne! Hat mir auch geholfen! (11.58) Episode 7 15.47-17.46 Ansatzpunkte zur Förderung der interviewten Kinder Förderung unterschiedlicher Rechenstrategien 15.47 I Haben sich denn bei allen Dreien für sie noch mal so richtige Ansatzpunkte zur Förderung, ähm, wo mehr, oder wo sie auch sagen können, woran sie das festmachen? (..) Was sie mit denen weitermachen? 16.02 L Ja, also ich hab zum Beispiel. Ich bin jetzt gerade beim Zehnerübergang ähm im Zahlenraum bis Hundert [Hm] und ähm ich, ich hab das bisher immer so gemacht, obwohl jetzt bin ich eines Besseren belehrt worden, also, dass man eigentlich immer bis zum Zehner ergänzt, ne also ähm beispielsweise 26 + 7, erst + 4, dann + 3, dass man die 7 eigentlich zerlegt, ne, dass aber, der, äh der Robin beispielsweise ganz anders rechnet. Der rechnet also ganz oft plus 10, und äh, weil er das besser kann, und nimmt 3 weg, [Hm] oder wenn er plus 9 oder minus 9 rechnet, ähm und das fördere ich bei ihm. Also zu gucken, dass der unterschiedliche Strategien, also unterschiedliche Rechen äh Strategien rausfindet und für sich die Optimale findet. [Hm] So was mache ich beispielsweise mit ihm oder ich geb ihm, jetzt habe ich so ne Messstation gemacht. Dass ähm er also, was weiß ich, ähm das ganze Klassenzimmer ausmessen darf, eben weil er das hier und schätzen lasse und dann gucke, dann wirklich nachmessen, ob das wirklich so, so auch [Hm] seinen Vorstellungen entspricht und dann lass ich ihn ähm wirklich auch agieren. Oder ich lass ihn auch selber Aufgaben finden, was er gerne machen möchte. [Hm] Das ist für mich auch so die Konsequenz daraus (17.15). 17.31 I Ähm, haben sie denn aus dem, aus dem Interviewprotokoll, oder aus dem Auswertungsbogen und aus den Ausprägungsgraden auch Informationen noch mal rausgezogen, wo sie, die sie direkt [umsetzen? 17.41 L [Ne. Episode 8 17.46-19.13 Förderung schwacher und starker Rechner mit der ½ h Mehrarbeit 17.46 I Und könnten sie sich vorstellen, da irgendwelche Förderimpulse draus abzuleiten, [Ja.] zum Beispiel für die Sinette? 17.52 L Ja, [Ja.] Ja, auf jeden Fall. Ähm (..). Also wir müssen ja jetzt ähm alle Lehrerinnen und Lehrer mehr arbeiten ab dem 01.01. ne (lacht), weil wir ja noch nicht genug tun und ähm [da 18.08 I [Das ist wahrscheinlich differenziert zu sehen (lacht). 18.11 L Ja! Ähm, da habe ich vor ähm meine zusätzliche halbe Stunde, die ich ähm mehr arbeiten muss in diese Förderung äh zu investieren [Hm] und zwar nicht nur Kinder aus meiner Klasse, sondern sag ich mal auch aus dem ganzen Jahrgang. [Hm] Ne. Wobei ich äh, wir noch nicht sicher sind, wer also ne, sag ich mal Begabtenförderung macht oder die Schwächeren fördert [Hm] oder die mittlere Gruppe hat. Also da wollen wir aber jetzt ansetzen und mit diesen Stunden äh da an unserer Schule was installieren. 18.40 I Und das geht auch vom, Herr Mell hat da ihnen schon grünes Licht gegeben, dass sie das machen dürfen oder? 18.46 L Ich bin seine Stellvertreterin. 18.47 I Ach so, da darf man das selber entscheiden. 18.49 L Nein, nein, das entscheiden wir schon gemeinsam. [Ja.] Aber ähm Förderung ist ja äh das geheime Wort ne und äh das [ist auch sinnvoll. Anhang 185 18.58 I [Sowohl oben als auch unten. 19.00 L Ja. Klar. [Ja.] (...) Und in diese Förderung würde ich äh Sinette gerne einbinden. 19.06 I Für die, für die Schwächeren? 19.07 L Für die Schwächeren. Ja. [Hm. Ja.] (19.11) (..) Episode 9 19.13-21.16 Handlungsideen aus dem Interview für den Unterricht Permanente Wiegestation, freie Arbeit, dadurch Zeit sich um einzelne Kinder zu kümmern, 19.13 I Haben sie denn ne Idee, wie so ein Schüler-Interview noch anders gestaltet sein könnte, dass man da draus richtige Handlungsideen (.) rausziehen kann? (..) 19.22 L Also so ganz spontan nicht. Ähm. Eher umgekehrt. Also ich habe mir so Handlungsideen eigentlich aus dem Interview so raus, [Hm] rausgenommen für meinen Unterricht ähm, das fand ich viel spannender. [Nämlich 19.33 I [Was denn zum Beispiel? 19.35 L Ähm also zum Beispiel so ne Wiegestation in der Klasse zu haben [Hm] und zwar permanent äh da zu haben, also dass die nicht, also wenn die Einheit zu Ende ist, dass die weggeräumt wird, oder so, [Ja.] sondern dass die da steht. [Hm] Ne, das ähm ist das, was ich als Nächstes bei mir äh installieren werde. [Ach so.] Ich muss mir halt nur eine gescheite Waage anschaffen. (I lacht) Die aus ähm, aus ähm Interview also die, oder für das Interview, das ist, sie ist sehr schön anzusehen, aber völlig ungeeignet. [Ja.] Äh. 20.07 I Und die, die Waagestation, die möchten sie dann immer dastehen lassen [Ja, die ja.] und die dürfen die, [Ja!] die Schüler während der Stunde einfach benutzen oder ähm [wie stellen sie sich das vor? 20.14 L [Ich ähm mache, arbeite ganz viel mit frei, also offene Angebote, [Hm] ich mach offenen Unterricht und ähm Wochenplanarbeit oder, oder, ja, [Hm] Tagesplanarbeit am Anfang Wochenplanarbeit und da kommen Aufgaben rein oder auch in der, in der totalen freien Arbeit. Ich mach ganz viel freie Arbeit, dann arbeiten die damit. 20.35 I Wo sie auch frei entscheiden können, ob sie jetzt Mathe, Deutsch oder sonst was machen [oder wie ist das? 20.38 L [Äh, das geb ich manchmal vor, [Ach so.] also je nachdem. Ich sag, wenn wir mal freie Arbeit haben, bezieht sich nur auf Mathematik. Ich habe sehr viele Materialien [Hm] in der Klasse und äh dann müssen sie sich nur mit Mathematik beschäftigen oder ähm, je nachdem ich hab ne Referendarin die Deutsch und Sachunterricht äh abdeckt und das sprech ich mit ihr ab. Und wenn wir freie Arbeit machen, dann können sie auch aus dem Deutsch oder Sachunterrichtsbereich, oder was dann eben gerne machen möchten. [Hm] Oder auch Lesezeit oder das suchen sie sich dann aus. Und dann habe ich als Lehrerin nämlich die Möglichkeit ähm mir dann äh Kinder mal ähm einzeln vorzunehmen [Hm] in der freien Arbeit auch. 21.13 I Schön. (…) Episode 10 21.16-25.03 Bewertung des S-Interviews Alleine nicht durchführbar, Interview sehr lang, Durchführung des Interviews nach dem Unterricht möglich, sollte aber in Unterrichtszeit integriert werden, Kinder genauer einschätzen, Konsequenzen für meinen Unterricht, möchte nicht auf das Interview verzichten, alle Schüler ihrer Klasse interviewen 21.16 I Wie bewerten sie denn das Schüler-Interview? So (..) Sinnvoll, nicht so sinnvoll, zeitaufwendig, äh (lacht) 21.24 L Das, äh, das ist klar. Zeitaufwendig ist es. Aber das kann schon sein, ähm mit der Routine, die man kriegt, wenn man also mehr und mehr Interviews geführt hat, dass das äh Interview kürzer wird. Für mich steht es fest, dass ich es alleine nicht durchführen kann. Ich kann nicht gleichzeitig das Interview führen, mir das Material holen, das geht noch, aber ich kann nicht gleichzeitig auch noch protokollieren. [Hm] Ne. Das ist äh eine schwierige Sache vom gesamten Anhang 186 Umfang es kommt drauf an, wie weit ein Kind kommt in dem gesamten Interview, ist es äh sehr lang. [Hm] (..) Ich bin in der glücklichen Lage eine Referendarin zu haben, und bin mit ihr doppelt gesteckt und in dieser Doppelsteckung ähm hab ich diese Interviews gemacht. [Ah so, schön.] Ansonsten ist es so, müssen sie es am äh, im Anschluss an den Unterricht machen. Das Kind ist müde, man selbst ist müde, [Hm] ne, also nach 6 Stunden Unterricht ist man auch ein bisschen abgegessen und ähm. Dann müsste man das Kind erst noch mal nach Hause fahren lassen. Wir müssen, äh, wir sind an zwei Standorten also bei uns fahren Kinder mit dem Bus auch erst nach Hause [Hm] und müssten dann wieder kommen. Ist problematisch. Also [Hm] man müsste versuchen das wirklich in die Unterrichtszeit zu integrieren [Hm] und da kann man’s allemal nicht alleine machen. [Hm] Das kriegen sie überhaupt nicht hin. [Ja.] (..) Spannend find ich’s trotzdem, ich würde das auch gerne weitermachen. Ich würde es auch im Anschluss an meinen Unterricht machen, einfach (.) äh weil’s (.) für mich wichtig ist, die Kinder genauer einzuschätzen. [Hm] (..) Und dann auch eben auch Konsequenzen für meinen Unterricht daraus zu ziehen. Das ist, das ist, sag ich mal, das ist mein egoistisches Ziel. [Hm] Also von daher bin ich froh, wenn jemand die Vorarbeit geleistet hat, aber man ke(nnt), man hat ja solche Instrumente ähm eben sonst nicht an der Hand, [Hm] ne, was äh, wie man die mathematischen äh Fähigkeiten von Kindern ablesen kann. [Hm] Von daher. 23.25 I Aber sie sind auch sonst in den Fächern interessiert an ihren Kindern oder? 23.29 L Immer! (.) Ja. 23.30 I Das merkt man auch! (lacht) Schön. Ähm, gibt es Bereiche oder Aufgaben, die ihnen fehlen im Schüler-Interview? Also von der Mathematik her Sachen, wo man sagt, das müsste, müsste man eigentlich noch mit denen machen? (..) Davon abgesehen, dass es schon lang ist, aber es kann ja noch mal sein, dass man irgendwie was. 23.50 L Ja, meiner Meinung nach sind die Bereiche schon abgedeckt. (23.53) 24.11 I Steht für sie der Aufwand für dieses Schüler-Interview und der Nutzen, den sie daraus ziehen können im rechten Verhältnis? (.) 24.18 L Äh (schnauft) (.), das kann ich nicht so richtig beurteilen, also wenn ich, das Interview ist schon sehr lang und sehr aufwendig. (..) Es gibt für mich keine Vergleiche, also es gibt ja kein anderes oder [Hm] es gibt ja nichts anderes, wo ich jetzt also sagen könnte, das ist äh jetzt sinnvoll oder das ist sinnvoll. [Hm] Insgesamt (.) äh, möchte ich nicht darauf verzichten. [Hm] Das kann ich so ganz deutlich sagen. Also ich bin ganz fasziniert und ich ähm, ich möchte wirklich nicht darauf verzichten. [Hm] Ich würde es auch gerne, wenn es die Zeit zulässt mit allen Kindern durchführen, mit allen Kindern meiner Klasse. [Hm] Nur äh sind wir da wahrscheinlich schon im 3.Schuljahr (I und L lachen). 24.58 I Ja, aber das, bei manchen wird das wahrscheinlich immer noch was herauskriegen. [Ja] Episode 11 25.03-31.40 Rückmeldung über das Interview An Schüler, Eltern, Vorstellung in der letzten Gesamtkonferenz (Vorführung des Masseteils mit einem Schüler ihrer Klasse), Multiplikator für das Kollegium, Leistungen von Kindern in der 1.Klasse?, befragte Kinder erzählen den Mitschülern über das Interview 25.03 I Welche Rückmeldungen haben sie denn an den, an den Schüler und welche an den, an die Eltern oder Mitschüler oder Lehrer oder so gegeben – also alle, [das gesamte Umfeld? 25.15 L [Also ich habe, ich hab die Rückmeldung an die Schüler war, ich meine ähm, ich kann den Schüler nicht im Einzelnen sagen, das hast du schlecht gemacht. [Hm] Das würde ich beispielsweise bei Sinette zum Beispiel, ist ja ganz schwach, ne, das würde ich, ich würde ihr nur insgesamt sagen, dass sie sich viel Mühe gegeben hat – habe ich ihr auch gesagt und dass sie vieles schon auch ganz gut gekonnt hat. [Hm] Ich kann ähm, ich kann da nicht zu ihr sagen, es war Mist, ne, kann ich nicht. [Hm] Ne, das mach ich nicht. 25.40 I Und für ihre Verhältnisse hat sie es wahrscheinlich auch gut gemacht. 25.43 L Eben. Denn sie hat sich ja sehr viel Mühe gegeben und ähm, wenn das also nicht, sag ich mal so meinen Vorstellungen entspricht, da kann das Kind nichts für. [Ja.] Ähm. Ich habe Rückmeldungen an die Eltern gegeben. [Hm] (.) Und (.) ähm ich habe jetzt auch die Eltern vom Robin, oder die Mutter vom Robin auch noch mal angerufen, dass es also hier, sag ich mal so, äh innerhalb des Hauses hier ähm, dass eben auch der Film von ihm gezeigt wurde, [Hm, hm] ne, das Interview, weil das ist eine Sache, die sie muss sie ja auch wissen. [Hm] Anhang 187 26.12 I (.) Und haben sie was zu ihren äh Kollegen gesagt? (.) Auch (.) irgendwie? 26.19 L Ähm. (.) Wir haben dieses ganze Modell jetzt in der letzten Gesamtkonferenz vorgestellt und zwar [hat mich 26.24 I [Sie und Herr Mell oder [Ja.] hauptsächlich sie wahrscheinlich? 26.26 L Herr Mell hat über den theoretischen Hintergrund äh was gesagt [Hm], wie das Ganze zustande gekommen ist und was damit gerade passiert und ich habe dann einen Teil aus dem Interview mit einem Schüler aus meiner Klasse demonstriert, im Kollegium. [Hm] 26.39 I Wie demonstriert? [War der mit 26.41 L [Also ich Der war mit in der Konferenz [ach schön] ja und ähm da haben wir den Teil mit dem Wiegen – [Hm], den haben wir da also mal demonstriert und damit die [Kolleginnen und Kollegen 26.49 I [Ach stimmt, da haben sie auch gesagt, sie hätten das noch zu Hause geübt oder in der Schule mit der Waage noch’n bisschen [Ja.] rumgespielt. 26.55 L Ja, weil ich wusste ja, dass dieses Biest nicht richtig funktioniert (lacht) und dann habe ich das versucht noch mal ein bisschen einzuölen, da oben [Hm] diesen, diesen äh, diesen Nullpunkt da, ne, aber, na ja, es ging, es krachte natürlich wieder durch und (lacht), aber es ist egal, aber äh das, dann habe ich den Schüler mitgenommen und dann haben wir es den Kolleginnen und Kollegen gezeigt. (Draußen vor der Tür.) Die waren also auch ganz angetan davon und äh jetzt überlegen wir halt, wie wir das ähm sag ich mal so als Multiplikator äh, sehe ich mich da, das im Kollegium [Hm] so weiter zu tragen, dass es da auch mal in anderen Klassen ausprobiert wird, weil ich find’s ganz spannend, auch mal zu gucken, wie ist’n das mit einem Kind im ersten Schuljahr. 27.39 I Ja, [das] und das ist ja sogar noch gemacht für das Nullte [Ja, ja.] also 27.44 L Ja, für die Eingangsstufe [Ja]. Ja. Gut, wir haben keine Eingangsstufe, aber ich äh würde es spannend finden, so was mal fürs erste Schuljahr durchzuführen, nur also bei den Kollegen weiß ich nicht, die Mathematik im ersten Schuljahr machen, ob die bereit dazu sind. 28.00 I Was man aber natürlich auch machen kann ist, dass sie, dass sie das Interview führen [Hm] und dass der äh, der Klassenlehrer [dabeisitzt, ne] dabeisitzt und das Protokoll führt oder [Ja.] die Materialien reicht oder so dass er auf jeden Fall mitkriegt, was das Kind erzählt. 28.14 L Ja, hm. Na ja, es heißt ja, dass also nach Möglichkeit der Fachlehrer oder der Klassenlehrer das Interview [Ja.] auch selber [Ja.] durchführen soll, weil er das Kind auch in seinen Reaktionen [Genau] viel besser kennt. 28.23 I Ja, ja. Aber wenn er, wenn er das sich halt nicht zutraut, dann gibt es halt noch die Möglichkeit, aber da empfehlen wir halt, dass der auf jeden Fall mit dabei sitzt und mitkriegt, wie es war. 28.32 L Ja, denn, ich meine, so für meine Klasse habe ich das jetzt gemacht, so vom zweiten Schuljahr, aber so die Fähigkeiten eines Kindes im ersten Schuljahr, wie weit die [Hm] in diesem Interview kommen, das äh würde ich auch mal ganz spannend finden. 28.45 I Was haben sie zu ihren Kindern gesagt, zu ihren anderen Schülern? 28.48 L Eigentlich gar nichts ähm. Ich ähm habe die Kinder mir vorher so für mich ausgeguckt unter ganz äh bestimmten Bedingungen, warum ich das mache und dann habe ich die Eltern angerufen, habe gefragt, äh ob sie damit einverstanden sind, äh dass sie auch dabei gefilmt werden. Gegen das Interview selber, da muss ich sie nicht fragen, [Ja] aber ob sie dabei gefilmt werden dürfen [Ja] und äh da waren sie auch mit einverstanden. Und den Kindern habe äh ich nur gesagt, dass ich also mal gucken wollte, äh was sie im Rechnen schon können, und dass wir uns da zusammen in einen anderen Raum setzen. Und dass äh die drei Studentinnen, die am Anfang mit dabei waren, die sind am letzten Tag vor den Ferien, vor den Herbstferien gekommen und haben sich bei den Kindern mal vorgestellt, dass sie die Gesichter schon mal gesehen haben. [Hm] Und dann äh nach den Herbstferien ging es dann los. Und die fanden das auch schön. Das hat ihnen gefallen. [Die, die Drei?] Die, die. Ja, den Kindern hat das auch gefallen, ne. 29.38 I Und was haben die, haben die irgendwas, haben die was weitererzählt, ähm, wo sie vielleicht mitgekriegt haben, an, an Kollegen oder an die Mitschüler oder [an die Eltern? 29.46 L [An die Mischü(ler), an die Mitschüler. An Mitschüler haben sie wohl äh schon was weitergegeben. Und der Robin, der kann sich ja Anhang 188 unheimlich viel merken, der hat beispielsweise (lacht) so Teile von Aufgaben, ne und was er da gemacht hat also an einen ähm der also, wo die Mutter mit in der Konferenz war, also mich also schon nervt, wann denn ihr Kind schon bald endlich drankommt, ne. Also schon äh wurde der Robin also schon interviewt, was da so alles dran kommt, ne. (I lacht) [Echt?] Damit das Kind ja hinterher nur gut dasteht. Ja klar. 30.13 I Ach was. [Hm] Und was hat die, die Sinette berichtet vom Interview? 30.18 L Gar nichts. 30.19 I (.) Ach, die hat gar nichts [gesagt. 30.21 L [Die hat nur gesagt, es war schön (.). 30.22 I Aber das [hat sie gesagt? 30.23 L [Ich habe sie hinterher gefragt, ich habe sie hinterher gefragt, wie war das denn für dich? Und da hat sie gesagt, schön. 30.26 I Ach, das ist ja hm. Und Dennis? 30.29 L (..) Der äh fand das ganz schön und bei dem Dennis weiß ich auch, warum er das ganz schön fand, weil er mich über einen ganz langen Zeitraum alleine hatte. (..) Ne, [Hm], weil er muss mich ja sonst sag ich mal mit 18 anderen Kindern noch teilen [Hm] und äh da kann man ihm natürlich nicht diese Aufmerksamkeit [Hm] schenken, geht nicht, ne. 30.52 I Da hat er sich gefreut, [Ja] die mal zu kriegen [Ja]. Aber der wird wahrscheinlich nichts an die anderen Schüler gesagt haben, oder? [Kein Ton, nein. Hm!]. Also war bloß Robin, der quasi [Hm, Robin hat erzählt] den anderen erzählt hat, wie es ist und [Ja] [was drankommt (lacht). 31.05 L [Doch, doch, etwas hat der Dennis erzählt, ähm der durfte nämlich hinterher das Duplo essen, und das hat er erzählt (lacht). 31.11 I Und das hat er erzählt? (lacht) 31.12 L Das hat er erzählt, ja. 31.14 I Ach, das ist ja nett (lacht ..). 31.16 L Das war nämlich dann so, [dass meine Referendarin, 31.18 I [Ja, nichts inhaltlich verraten, aber (lacht). 31.20 L Das war ne Referendarin dann hinterher, ähm die hat dann (.) den Kindern, ich weiß nicht, irgend, irgendwann, ich weiß nicht zu welchem Zeitpunkt, jedem ein Stück Schokolade aus so, eine kleine Ritter Sport gegeben, weil die anderen das ungerecht fanden, dass die ein Duplo gekriegt haben und sie nicht (lacht). 31.36 I Ach, das ist ja schön. [Ja] (.). Episode 12 31.40-34.12 Infos über die Lehrerin Mathematik fachfremd, viele Weiterbildungen in Mathematik, Lieblingsfach in der Schule (jetzt), anregende Ideen für Geometrie in unserem Bereich, 31.40 I Jetzt noch Fragen zum, zum Bedarf an Informationen und so. Haben sie Mathe als Fach studiert? 31.45 L Ne. 31.46 I Ne? Welche Fächer haben sie denn studiert? 31.48 L Äh, Sport und Erdkunde. Ich hab also für Hauptschule äh die Ausbildung gemacht, hab mich aber dann irgendwann später für Grundschule [Hm] äh entschieden. 31.58 I Und haben aber das Referendariat in der Hauptschule gemacht, oder? 32.01 L Ne, schon in der Grundschule. [Ach so] Das erste Studium hatte ich ähm für Hauptschule gemacht und dann habe ich mich aber, ähm habe ich aber dann noch Grundschulpädagogik dazu genommen und bin in die Grundschule gegangen. [Hm] Ähm hab aber viele Weiterbildungen in Mathematik gemacht, weil äh, weil das ist so’n schon auch in der Schule ein Fach gewesen, was mich sehr interessiert hat und auch gerne gemacht habe. Und es ist eigentlich auch heute äh in der, äh in der Schule noch mein, mein Lieblingsfach. 32.24 I Und im Studium wollten sie es nicht machen? Anhang 189 32.27 L Ne, ich hatte andere Schwerpunkte im Studium [Hm]. 32.30 I Wie schätzen sie denn ihr persönliches Hintergrundwissen in Mathematik ein? 32.35 L Äh, (...) wenn ich mich hier so umgucke ähm, dann kriege ich Komplexe [Wieso?], ne, nicht hier in dem Raum, aber so hier in der, in der Abteilung. Ähm (..) es ist wahrscheinlich äh (..). 32.52 I Wieso kriegen sie denn da Komplexe? 32.55 L Also wenn ich so sehe, was hier so alles, also hier an, in diesem geometrischen Bereich, weil das mache ich ja selber unheimlich gerne, ne. [Hm] Was da so alles hängt und, und was man eigentlich damit machen kann [Ja, ja.] alles, ne also, das fehlt mir. Das weiß ich einfach nicht und deswegen bin ich auch [heute, auch hier. 33.12 I [Da brauchen sie sich, brauchen sie sich aber nicht grämen, [weil 33.13 L [Das tue ich auch nicht 33.15 I Weil das, das den meisten, meisten Grundschullehrerinnen fehlt und, und ähm Herr Wollring ist auch quasi, (.) was hat er mir, zu mir mal gesagt, er sei der Faltguru. Er ist wirklich [Glaub ich.] in ganz Deutschland derjenige, [Ja, ja.] der für Grundschule am meisten in Geometrie macht. Insofern ist [Das ist sein Steckenpferd] es kein Wunder, wenn man das sieht und denkt, hm, habe ich noch nie gemacht (lacht). 33.35 L Ja, aber ich finde es anregend [Ja] und ähm ich werde mir so’n paar Ideen auch jetzt äh mitnehmen, weil ich als [klar] Schwerpunkt jetzt in der Vier ähm nach Weihnachten Geometrie mache und [Kann ich ihnen nachher noch was zeigen], ja, das wäre schön (I lacht). Äh, (..) ich sag mal so, mein Hintergrundwissen (..), es würde wahrscheinlich nicht ausreichen, wenn ich jetzt hier ein Examen machen müsste. 34.02 I (..) In Didaktik auf jeden Fall, würde ich schon sagen. 34.06 L Ja, na klar. 34.07 I Aber fachwissenschaftlich vielleicht [Ja], hm. [Ja] (..). Episode 13 34.12-39.30 Einbettung des Interviews in den Schulalltag In Unterrichtszeit selbst nicht einbettbar, bei Kooperation mit Uni vielleicht möglich, math. Bereich wird bei Förderung oft vernachlässigt (meist nur reproduzieren), Lernwerkstatt, Kollegen euphorisch vom Interview berichtet, weil sie so erstaunt war, was in den Kindern so drinsteckt, Bedürfnis dies den anderen Kollegen mitzuteilen, lohnt sich durchzuführen nicht nur für mich, sondern für alle, Assistenten 34.12 I Wie denken sie denn, ist die Einbettung von dem Schülerinterview in, in den Unterrichtsalltag möglich? 34.18 L (..)Habe ich ja vorhin schon gesagt, also in die Un(?). Jetzt, jetzt das reine Interview? 34.25 I Ja das Schüler-Interview, wie man das irgendwie (L schnauft) einbetten kann. 34.30 L Also ich hab, hab ich mir schon Gedanken gemacht. 34.33 I Also ich mein, sie hatten ja jetzt die Möglichkeit mit der Referendarin, aber wenn die nicht gegeben ist. 34.38 L Dann können sie es in die Unterrichtszeit selbst eigentlich nicht einbetten [Hm]. Das können sie eigentlich immer nur im Anschluss an den Unterricht machen [Hm]. Weil sie sind ja, in der Regel alleine, [Hm] ja, sei denn, es gibt äh so ne Unterstützung oder ne Kooperation mit der Uni. [Hm] Was ich mir eigentlich auch immer gut vorstellen kann. Dann kann [ich`s auch. 34.59 I [Existiert die eigentlich mit ihrer Schule? Eine Kooperation mit uns? 35.03 L Nein. Leider noch nicht. 35.04 I Ach so (..). Vielleicht kann sich, bietet sich [jetzt ja, was an. 35.08 L [Hoffe ich, ja, das hoffe ich, dass sich das daraus entwickelt. Ähm, weil ich finde immer so gerade der mathematische Bereich wird ganz oft vernachlässigt [Hm]. Ähm und äh, das finde ich ganz schade, weil [Ja] äh wir haben also Kinder, die mathematisch richtig begabt sind und ähm die werden nicht richtig gefördert [Hm]. (.) Weil, ich sag das mal, äh häufig über dies Reproduzieren (.) [Hm] nicht hinausgeht [Hm] oder wenig hinausgeht und ähm (.), das muss Anhang 190 man eigentlich verändern. 35.36 I Ja. Ja (.). 35.37 L Und ähm, das ist so ein bisschen auch meine Intention, ich hatte auch mit Frau Klein schon mal darüber gesprochen, ob man da eventuell auch so im Hinblick auf ihre Examensarbeit, so äh im Hinblick auf Lernwerkstatt oder so etwas mal in der Schule etabliert. 35.52 I Ich hab gerade schon gedacht, also Andrea Klein hat ja jetzt ein bisschen anderes Thema, aber Carolin Hahner, wenn die, wenn die Aufgaben entwickelt, die sie mit Robin macht, oder so, also wenn das auch jetzt wirklich [Hm] dann läuft. Dann, [Hm] wenn die Aufgaben so gestaltet sind, dass sie sie auch weitergeben kann an die Lehrer [Hm] an, an sie und an andere Kollegen, dann [Hm] können die ja auch damit arbeiten. 36.11 L So was. Ja, (.) ja (.). Und so was äh fehlt eigentlich in der Schule [Hm], aber ähm ansonsten kann ich mir ganz schlecht vorstellen, ähm dieses Interview in die Unterrichtsarbeit einzubetten [Hm]. Also im Moment nicht, also (.) ähm weil es gibt eigentlich keine Ressourcen in den Schulen [Hm]. Es gibt also keine Vertretungsressourcen und ähm, also ich kann nicht, weiß ich nicht. (..) Weil ich schon [Ja, ja] selber darüber nachgedacht habe, wie kann man das denn effektiv gestalten, oder so gestalten, dass ähm noch mehr davon profitieren können. [Hm], ne von diesem Interview und ich hab noch keine findende Lösung. 36.49 I Könnten sie sich vorstellen, so ne Kurzversion von dem Interview herzustellen? Also (.) zusammenzustreichen, wo sie sagen, das sind Aufgaben, die will ich unbedingt, dass das Kind gemacht hat, und also, aber die dann halt für alle Kinder gleich ist, so dass man sagt, das Ganze dauert vielleicht bloß eine halbe Stunde oder so? 37.06 L Kann ich so ähm auf die Schnelle nicht beantworten, da müsste äh ich mich noch mal richtig reinknien in das Interview [Hm] und müsste es darauf hin durchforsten, wo also äh, wo Teile sind, wo ich sagen kann, da kann man straffen [Hm]. Aber so, so auf Anhieb könnte ich das jetzt nicht sagen [Hm]. 37.22 I (.) Und dann noch eine Frage. Halten sie denn ihre Erfahrungen bezüglich des Schülers, Schülerinterviews für eine typische Erfahrung, die auch andere Kolleginnen und Lehrerinnen und Lehrer so machen, oder die jetzt nur für sie ganz individuell zutrifft? Wo sie sagen, das ist meine rein ähm persönliche [Erfahrung. 37.42 L [Ne, also, ähm ich hab dann, als ich das erste Interview durchgeführt habe, weil ich da wirklich so erstaunt war, was dabei rausgekommen [Hm] ist, ne. Ich hab zwischendurch ne Pause gemacht, weil ich einfach auch, das war rein organisatorisch so, damit der Dennis, mit dem ich das erste Interview durchgeführt habe, damit der auch äh frühstücken kann und äh Pause machen kann [Hm, ja]. Habe ich das einfach so belassen, wie es war und habe ihn dann runtergeschickt in die Pause [Hm] und nach der Pause ging’s weiter und ich bin dann ins Lehrerzimmer, weil ich auch noch organisatorische Sachen zu regeln hatte. Und da fragte mich jemand und wie war das jetzt und dann hab ich also ganz euphorisch davon berichtet, hab gesagt, also ich fand es, so was von erstaunlich, was in diesen Kindern drinsteckt, was man, was man nicht vermutet [Hm]. Also ich hatte für mich auch so das Bedürfnis den anderen zu sagen [Hm], ne. Einfach zu sagen, Mensch, da ist etwas, ähm was sich lohnt, mal durchzuführen [Hm]. Ne, also nicht nur für mich persönlich, sondern [Ja] so generell auch für die [schön] Kolleginnen und Kollegen. 38.38 I Möchten sie noch irgendwie was sagen oder (.) was, was wir hier noch aufzeichnen sollen? (lacht) 38.46 L Nö, fällt mir so spontan nichts ein. [Gut.] Ich hab ja immer, wenn so diese Interviews äh waren, immer was mir eingefallen ist [Ja], habe ich dann den Beiden gesagt [Ja] und die haben das dann wohl aufgeschrieben und mitprotokolliert [Ja] und. 38.58 I Und sie haben ja auch, also sie sind diejenige, die die Fragebögen am ausführlichsten ausfüllt, und wo ich schon immer denke, sie können ihre Schüler sehr gut einschätzen. Sieht jedenfalls [Ja] so aus. 39.10 L Ja, weil ich, [ähm beschäftige mich ja. 39.15 I [Also, wenn man das durchliest und vergleicht mit dem, was dann wirklich passiert ist [Hm], ist es schön zu sehen, dass, aber das liegt wahrscheinlich auch da dran, an dem Interesse, was die Kinder können und, und [Ja] wer die Kinder sind [Ja]. Dass man die dann besser einschätzen kann [Hm]. Gut, dann mach ich, dank ich und mach das Ding (aus). (39.30) Anhang 191 Transkript des zweiten Lehrer-Interviews mit der Lehrerin LS am 22.07.04 Zeit Person Text 00:02 I Nämlich erzählen. Ähm, was wollen Sie denn spontan noch mal zum Schüler-Interview sagen? 00:09 L Ähm, ganz spontan würde ich dazu sagen, dass ich ganz überzeugt bin von ähm diesem Interview, dass es, ich für mich unheimlich viel daraus gelernt habe, auch [Hm] im Hinblick auf meinen Unterricht, und dass das zur Konsequenz hat, dass ich jetzt bei der neuen Unterrichtsverteilung fürs nächste Schuljahr, obwohl ich ähm ganz eng bin mit meinen Stunden, also mich ähm aus meiner eigenen Klasse ausgeklinkt habe, aus dem Deutsch- und Sachunterricht, um in einem zukünftigen ersten Schuljahr äh Mathematik weiter zu unterrichten, [Hm] um auch an diesem Interview und an der Entwicklung auch weiter mitarbeiten zu können. 00:44 I Wie viel Interviews haben Sie denn insgesamt geführt? 00:46 L Ach du Schrecken. Zehn? Elf? Zwölf? Weiß ich nicht genau. [Hm] So was in dem Rahmen, ja. 00:53 I Welche Kriterien haben Sie denn für sich selbst so gesteckt, zur Auswahl der zu interviewenden Kinder? 01:00 L Ähm, zunächst erst mal äh wegen der zeitlichen Enge hab ich also ähm geguckt nach Kindern, die ganz fit sind in Mathe, [Hm] wo ich also, um, um ähm zu gucken, wie äh, wie weit sind die jetzt tatsächlich, [Hm] das war, das war diese eine Gruppe, die andere Gruppe waren meine ganz schwachen Schüler, um zu gucken, wo, wo klemmt’s, wo muss ich noch mal nachhelfen. [Hm] Weil, weil ähm das in meinem Unterricht gar nicht so rauskristallisiert werden konnte. [Hm] 01:29 I Gab’s für Sie nen Unterschied zwischen dem, (.) der Art oder so zu interviewen, wenn das jemand Leistungsstarkes und jemand Leistungsschwaches war? 1:39 L Ähm (.) eigentlich nicht. Aber! ich habe bei den leistungsschwächeren Kindern, habe ich andere Abbruchbedingungen zu Grunde gelegt als bei den fitten Kindern. [Hm] Also ich hab, weil ich ja weiß auch was ich im Unterricht gemacht habe, [Hm] was also inhaltlich auch gemacht habe, wo ich also der Überzeugung war, dass müssten sie jetzt eigentlich können. Und hab dann auch ent(sprechende), manchmal entsprechende Hilfen gegeben, wo sie dann auch auf die Lösung gekommen sind. [Hm] Das hab ich jetzt bei den leistungsstarken Kindern nicht gemacht. Weil das habe ich eigentlich vorausgesetzt, dass sie das können !M!üssen [Hm]. 2:11 I Wo hat ihnen das mehr Aufschluss gegeben? 2:14 L [Bei den, [bei den Kindern?] bei den schwachen Kindern. [Hm] Bei den. Also man kann es einfach nicht so trennen. Also bei den schwachen Kindern hat das für mich ähm Aufschluss gegeben, aber auch bei den fitten Kindern, wie weit die tatsächlich schon sind. [Hm] Wo ich dann, also in meiner, in meinem äh, alltäglichen Unterricht gar nicht mehr so ein Augenmerk darauf legen musste, weil ich wusste, die, die muss ich jetzt in nem ganz anderen Bereich fördern. Weil, ähm, ich hab dann auch so Einführungen in Sachaufgaben oder was weiß ich, ne. Hab ich bei den Kindern, hab ich, konnte ich ganz außer Acht lassen, [Hm] die konnte ich also ganz anders fördern. [Hm] 2:47 I Hat sich’s, wie weit hat sich denn ihre Sicht auf die befragten Kinder gegenüber vorher geändert? 2:54 L Das hab ich mich immer wieder auch gefragt, in, nachdem das Interview gelaufen ist. Also ich habe insgesamt nen ganz, ganz anderen Überblick über die Kinder, die ich interviewt habe und die ich noch nicht interviewt habe. Das bedauere ich ein bisschen, dass noch Kinder da sind, die ich nicht interviewt habe. [Hm] Und ich hätte, wenn ich noch Zeit hätte, hätte ich das gerne wirklich fü(r), gemacht für alle, um hinterher, ähm, mir also einen Gesamtüberblick über jedes einzelne Kind zu verschaffen. [Hm] Ich muss auch heute auch gar nicht mehr in die Unterlagen kucken von den Kindern, die ich interviewt habe, weil ich genau weiß, wo sind die Schwächen [Hm] der einzelnen Kinder und wo sind die Stärken. [Hm] Aber das kann ich wirklich nur für die Kinder sagen, die ich auch interviewt habe. Bei den anderen weiß ich also auch was se können und was se nicht können, aber nicht so detailliert. [Hm] Ich hab z.B. in dem, bei dem vorletzten Interview beim Christian Siebert festgestellt, dass der ganz große Lücken in der Geometrie hat, obwohl wir das ganz ausführlich gemacht hatten. [Hm] Aber das ist ein Kind, das hab ich also auch in dem Lehrerbefragungsbogen vorher geschrieben, der also nur reproduzierend arbeiten kann. [Hm] Also sobald Aufgabenumstellungen kommen oder Anhang 192 sobald er anfangen muss irgendwas zu überdenken, blockiert er, schafft er nicht. [Hm] Und das hab ich eben, das war also auch ganz aufschlussreich, ähm, bei dem Schüler zu kucken, wo hakt's denn. Und bei dem, den muss ich also ganz gezielt in der Geometrie fördern. [Hm] 4:18 I Haben sie denn auch Erkenntnisse über die mathematischen Fähigkeiten hinaus gewonnen? Jetzt so psychische Blockaden, Händigkeit oder Konzentrationsschwierigkeiten oder so irgendwas. 4:29 L Ähm. Ne. Eigentlich nicht, weil bei dem Interview, ähm, das ging ja, also teilweise über einen sehr, sehr langen Zeitraum. [Hm] Also. Also nahezu bis an zwei Stunden. Also bei einem sogar bis an zwei Zeitstunden. [Hm] Und das war sogar bei einem ganz schwachen Schüler. Ähm. Und der konnte sich also ganz, ganz lange Zeit konzentrieren. Das kann der aber in der Klasse eigentlich auch. Nur bei dem Interview, da ist das ja die Eins-zu-eins-Zuwendung, da hab ich also nicht zwanzig Kinder in der Klasse, sondern den einzelnen Schüler. [Hm] Und, ähm, ich hab bei keinem der Kinder, ähm, eine Konzentrationsschwäche feststellen können. Die waren zwar hinterher ermüdet, ganz klar, war ich auch, aber die haben das voll durchgehalten. [Hm] Und teilweise, obwohl sie vorher schon vier Stunden Unterricht hatten. [Hm] Trotzdem haben sie’s durchgehalten. (..) Also ich kann jetzt nicht sagen, dass ich da, also das für mich irgendwo eine Erhellung bekam. Das konnt ich nich so, konnt ich nicht so sehn. [Hm] 5:26 I Überträgt sich denn die neue Sichtweise auf die Kinder, und auf die befragten Kinder auch auf andere Fächer? 5:36 L Hm. (.) Ja. Also, ich hab dann, also mehr, beispielsweise mit meiner Referendarin über die Kinder gesprochen. Also jetzt nicht nur über die mathematischen Fähigkeiten, sondern, ähm, über die Inter(views), über das Interview selber. Über diese, über diese Technik, [Hm] wie man sich also mit einem Kind, ähm, eigentlich auch befassen kann. [Hm] Und was dabei rumkommt. Und darüber hab ich mich auch mit der Referendarin unterhalten. Und sie erkennt so ähnliche Strukturen, wie ich sie gesehen habe aus dem Interview, erkennt sie also in ihrem Unterricht auch. Also für Deutsch und für Sachunterricht. [Hm] 6:12 I Hat sich denn ihr Blick nur auf die befragten oder auf alle Kinder so ein bisschen verändert? 6: 18 L Hat sich auf alle Kinder verändert. Kann ich so sagen. Weil ich, also, ähm, durch die Schwerpunkte in de(m), in dem Interview, ähm, es also eigentlich auch Rückschlüsse auf meinen Unterricht zugelassen hat [Hm]. Und also, ich da also auf ganz bestimmte Dinge eben auch sensibilisiert wurde. Zum Beispiel, ähm, hab ich jetzt immer wieder, frag ich immer wieder Kinder. Also bei der Arithmetik: „Wie hast du das und das gemacht? [Hm] Kannst du mir das mal erzählen?“ Einfach um zu kucken, wie rechnen sie, was für eine Strategie wenden sie an. Das hab ich vorher (.) punktuell gemacht, aber nicht so gezielt wie jetzt. [Hm] Und, ähm, hat auch so eine Diskussion innerhalb des Kollegiums ausgelöst. Ich hab also eine Kollegin, die, äh, besteht darauf, wenn sie beispielsweise rechnend mit den Kindern, äh, 24 + 29, dass die 24 + 20 + 9 rechnen. Und lässt keine andere Möglichkeit zu und das hab ich also versucht ihr auch zu erklären, äh, dass also ganz egal wie die Kinder das rechnen, das ist ihr Lösungsweg. Und der, der muss, ähm, wenn die Lösung stimmt, müssen wir den Kindern diese, diesen Lösungsweg auch zugestehen. [Hm] Ist sie nicht bereit zu, weil das haben die früher so gelernt und so ist das. [Hm] Dass man da ne andere Strategie anwenden kann (..) ist ihr, ähm, weiß ich nicht, warum sie das nicht macht, aber sie tut’s einfach nicht und ne. Und das hat so für mich, so auch, so die Überlegung, so auch mal im Hinblick auf die Fachkonferenzen in Mathematik. Also darauf auch wirklich mal hinzuweisen. Ne. [Hm] Dass die, dass es unterschiedliche Lösungsmöglichkeiten, Strategien gibt, wie Kinder zu Lösungen kommen. [Hm] Ne. Das hat das auch bei mir ausgelöst, dieses Interview. 7:58 I Haben sie denn auch das Gefühl, sie können die mathematischen Leistungen von all ihren Schülern besser einschätzen? 8:04 L Ja. Kann ich besser einschätzen. Aber noch nicht bei allen. Ich hab noch nicht alle interviewt. [Hm]. 8:12 I Und wie, wie ist es ihnen gegangen bei dem Ausfüllen von dem Lehrerfragebogen? 8:17 L Ähm. 8:18 I [Jetzt sag ich mal so im Verlauf. Sie haben ja 10 Stück ausgefüllt. 8:21 L [Ja. Also beim ersten Mal war es ganz schwierig, hab ich ganz viel Zeit gebraucht für das Ausfüllen, weil ich das auch relativ gewissenhaft gemacht habe. Man bekommt dann, ähm, Routine und ähm es ist einfach auch so, weil ich wusste ich muss jetzt wieder ein Kind interviewen. Da hab ich mich also, ähm, viel intensiver auch mit dem Kind auseinandergesetzt. Vorher schon, im Vorfeld, [im Unterricht], im Unterricht auch. Ja. Hm. Oder ich habe auch, ähm, beispielsweise (.) so Aufgaben. Also nicht, nicht, nicht gleiche Aufgaben, aber ähnliche Aufgaben aus dem Interview beispielsweise mit den Mauern. Ne. Anhang 193 [Hm] Mit diesen, ne. Hab ich mir dann z.B., ähm, Mauersteine hergestellt. [Hm] Und hab die einlaminiert. Und die Kinder konnten sie beschreiben und konnten also da ihre Wege selber suchen. Und wie viele Ma(undeutlich), wie viele Mauersteine sie benutzen, hab ich den Kindern auch überlassen. Und gerade den fitten Kindern auch. [Hm] Ne. Solche Sachen hab ich dann auch einfach in meinen Unterricht integriert. 9:20 I Und wie ist das angekommen bei den Kindern? 9:22 L Ganz gut. Also auch bei den Kindern, die ähm, die noch nicht im Interview waren. Haben die anderen Kinder von berichtet. [Hm] Und haben ihnen dann also auch gezeigt, wie das geht, und ähm, da die Kinder bei mir im Unterricht oft auch frei arbeiten dürfen, also auch im Mathematikunterricht, ohne jetzt einen thematischen Schwerpunkt vorzugeben. Aber es ist einfach aus der Arithmetik im Zahlenraum bis 100 oder auch darüber hinaus, wie die Kinder das leisten können, äh, arbeiten können, oder aus dem Geometriebereich. Ist ganz egal. Aus allen Bereichen dürfen die auch frei arbeiten. Und dann haben die sich beispielsweise diese Mauersteine genommen. [Hm] Und haben also Riesenmauern auch gebaut. Also bis auch in den 1000er, 10000er-Raum gerechnet. [Hm] (..) Aber eigentlich auch angeregt durch, durch dieses Interview. [Hm] 10:09 I Welche Rückmeldungen haben sie denn an die interviewten Schüler gegeben? 10:15 L Erstens Mal haben mich Eltern gefragt, [Hm] wie das gewesen ist. [Hm] Hab ich ihnen gesagt, äh, wie sie da auch abgeschnitten haben. Ne. Und ich habe auch mit den Kindern darüber gesprochen. [Hm] Äh. Also ich hab sie auch gelobt und ähm, dass sie das auch toll durchgehalten haben und die Kinder haben mich auch hinterher gefragt: „Wie war ich denn?“ [Hm] Ne. Und dann hab ich ihnen auch was dazu gesagt, wo man noch ein bisschen üben müssen, in welchem Bereich und was eben auch schon ganz gut war. 10:42 I Haben sie dann die Struktur vom Interview zu Hilfe genommen und gesagt hier so vielleicht mal Addition, Subtraktion war ganz gut, aber Multiplikation 10:49 L [Ja. Das. Ja. Das hab ich dann aus dem Bereich, wo ich also wusste, wo sie noch Schwächen haben, [Hm] aber auch wo sie Stärken haben. Weil das gilt ja auch die Stärken dann auch noch zu stärken und da an der Stelle auch weiter zu arbeiten. Es geht ja nicht nur darum, sag, um den Kindern zu beweisen, hier hast du ne Lücke und das war irgendwie Mist oder was weiß ich. Ne. Aber es geht einfach auch um eine positive Verstärkung. [Hm] 11:11 I Und wie ist es mit der Situation mit den Eltern im ersten Interview und sie berichten, dass da ein bisschen, ähm, Probleme gab. Dass die sich, ja so ein bisschen aufgelehnt haben, weil sie ja nur einzelne Kinder interviewen können. Hat sich das ein bisschen verändert? 11:27 L [Das. Die haben sich nicht aufgelehnt. Nein, das war komisch. Die, ähm, die wollten dass, sie fragten immer nach: „wann kommt denn mein Kind dran?“ [Hm] Ne. Also so in der Richtung, eigentlich positiv zu sehen. Ähm. Die Eltern haben sich auch nicht aufgelehnt, kann ich so nicht sagen. Die waren auch beispielsweise mit dem Film immer einverstanden. [Hm] Manche haben hinterher gefragt: „Warum das so ist?“ Da hab ich ihnen dann erläutert, dass man dann die, äh, Interviewauswertung besser machen kann. Weil man dann eben auch sieht, wie die Kinder handeln, das kann man ja, also, wenn man das nur hört oder so. [Hm] Man sieht ja nicht, was sie machen. Deswegen war das ja auch ganz wichtig, weil ja vieles handelnd geschieht. [Hm] 12:03 I Welche Bedenken hatten die dann, Die wollten halt, dass ihre Kinder auch mitinterviewt werden, oder? Die Eltern. 12:11 L Die hatten. [weil das so] Ja. Die hatten letztendlich keine Bedenken mehr. Die wollten gerne, dass ihr Kind auch interviewt wird. Damit ich mir einen Eindruck von dem eigenen Kind verschaffen kann. [Hm] Ne. Also eher positiv zu sehen. [Hm] (….) 12:27 I Hat sich denn die Einstellung der befragten Kinder zum Matheunterricht geändert? (..) Soweit sie das beurteilen können von außen. 12:35 L Also ich will es mal so sagen. Die machen alle in der Regel ganz gerne Mathe. Also dass, ich kann jetzt nicht sagen, dass durch das Interview äh, sich etwas verändert hat bei den Kindern. (Schnauft) Die machten vorher schon gerne Mathe. [Hm] Und, ähm, also was ich, was die Kinder auch gesagt haben, war, ähm, „Es ist schön, dass du so viel Zeit hattest.“ [Hm] Das haben die Kinder gesagt. [Hm] Ne. Das war so. Über so nen langen Zeitraum gemeinsam mit(einander) äh, gemeinsam arbeiten konnten. Das fanden sie toll. [Hm] 13:05 I Ach jetzt muss ich hier kucken. Ich hab nämlich aus dem Interview mit ihnen einfach einen Ausschnitt rauskopiert. Und da würd mich interessieren, ob sie da etwas dazu sagen könnten? Also das ist ihr, ihr Gesagtes. 13:20 (12 Sec. Pause, liest) 13:32 L Also. Oh Gott das ist ja schrecklich. (..) [Was ?] (stöhnt) [ist schrecklich?] 13:36 (20 Sec. Pause, liest) Anhang 194 13:56 L Das ist ja schrecklich, was ich da gesagt habe. Hier also. Ich hab z.B., ich bin jetzt gerade beim Zehner-Übergang im Zahlenraum bis 100. Hm. Und hm ich. (8 Sec Pause) Würde ich heute nie mehr so sagen, [Hm] was da steht. [Hm] 14:17 I Was heißt das, „ich hab das bisher immer so gemacht“? (.) Was, was hieß das? 14:22 L Ich hab das eigentlich auch immer so gemacht, wie die Kollegin, wenn ich, ähm, ergänze erst bis zum Zehner. Ne. Also, dass ich praktisch zerlege. Ne. [Hm] Würde ich heute als eine Strategie anbieten. [Hm] Aber ich würde sie nicht als das Non-Plus-Ultra gelten lassen. Sondern ich würde auch das äh, gelten lassen, wie die Kinder rechnen. [Hm] Welche Strategie sich die Kinder zurechtlegen und wie die zum Ergebnis kommen. Das ist für mich so auch die Quintessenz daraus. Also aus der Arithmetik. [Hm] (.) Ich habe auch, (.) (Geräusch) angeregt durch Fortbildungen, ähm, ganz (…) Wie soll ich denn das sagen? Also ganz andere Ansätze mittlerweile in Mathematik. Ich hab z.B. ganz, ganz viel Übungen und, aus der Hundertertafel gemacht. [Hm] Was ich vorher nie gemacht habe. [Hm, hm] Das, ich hab da so nen ganz anderes Bewusstsein für bekommen. 15:17 I Und wann haben sie die Fortbildung gemacht? Jetzt dieses Jahr? Oder? 15:20 L Ja. Dieses Jahr. Bei dem Professor Wittmann z.B. ne. [Hm] Das war also eine. Und, ähm, das hat mich auch so, (.) so überzeugt, weil das hat ja irgendwas mit dem, also, hm, irgendwas auch mit dem Interview zu tun. Ne. Also wie man eben auch arbeiten kann. [Hm] Und, und das fand (Geräusche im Hintergrund) ich also ganz spannend. [Hm] 15:40 I Wenn sie da 15:40 L [Ja. Ich bin einfach auch so angeregt durch, angeregt durch dieses Interview. [Hm] Also auch im Mathematikunterricht Dinge anders zu machen. [Hm] 15:51 I Wenn sie da schnell mal drüber fliegen. Das hat ne andere Lehrerin gesagt. So ähnlich haben sie es glaube ich vorhin auch schon ausgedrückt. (30 Sec. Pause, liest) 16:30 L Hm. Kann ich so, kann ich so bestätigen, wie es da steht, weil, ähm, es in meinem Unterricht hat sich das auch mittlerweile heraus kristallisiert, dass ich Kinder oft frage: „Wie bist du denn auf die Lösung gekommen?“ Und dann, aus den Lösungen der Kinder, ähm, wie so eine Art Rechenkonferenz mache, oder so. [Hm] Dass die, ne, dass die unterschiedlichen Strategien, die die Kinder anwenden, also auch tatsächlich anschreibe. Und dann Kinder frage: „Welche, was ist denn für dich, wie rechnest du denn am liebsten? Und sag mir mal warum“. [Hm] Ne. Dass sie das dann auch erklären sollen. [Hm] 17:02 I Was würden sie jetzt zu den Begriffen prozessorientiert und ergebnisorientiert sagen? Wenn ich die jetzt so, auf ihren Matheunterricht, wenn sie die beziehen müssten? 17:16 L Können sie 17:17 I [Welche Bedeutung die haben? 17:19 L Kann ich jetzt nicht. Kann ich nichts mit anfangen. 17:20 I Also prozessorientiert sag ich jetzt mal mehr so vielleicht den, den Rechenweg stärker betrachten oder so. Oder den allgemeinen Prozess. Und beim ergebnisorientiert wirklich nur so kucken… 17:34 L [Dass es stimmt. 17:34 I [Ja. (hm, mm) 17:35 L Ne. Also dann würd ich eindeutig mehr prozessorientiert arbeiten. 17:39 I Und hat sich das? Das hat sich verändert? 17:40 L Das hat sich verändert! Das hat sich hundert Prozent verändert. Also für mich waren immer so die Ergebnisorientierung richtig. Dass das Ergebnis stimmt. Aber jetzt ist für mich auch ganz wichtig zu kucken, welchen Weg gehen die Kinder. [Hm] (Ich) mein, das Ergebnis sollte dann natürlich auch richtig sein. Ne. Aber ich denke mal, das ist mehr der Weg dahin. 17:59 I Und das hat sich jetzt gerade in dem letzten Jahr quasi verändert? Oder schon vorher? 18:03 L Vorher schon, aber schon, ähm, ich denke mal durch diese In(terviews) durch diese Interviews verstärkt. [Hm] Weil, äh, in den Interviews ja ständig auch nachgefragt wird: „Na, wie hast du gerechnet?“ [Hm] Weil, ähm, das ist den Kindern ja auch aufgefallen. Ne. Dann haben die mich immer schon fragend angekuckt. Und dann hab ich gesagt: „Klar ich will auch wissen, wie du das gemacht hast?“ [Hm] 18:24 I Im letzten In(terview) 18:25 L [Aber das hat sich ganz deutlich verändert. [Aha] Ja. 18:27 I Im letzten Interview haben sie gesagt: „Ich habe schon immer stark differenziert. Aber jetzt gehe ich noch eine Stufe weiter. Jetzt also individualisiere ich fast.“ Da würde mich interessieren, was, was bedeutet diese Individualisierung? 18:39 L Also ich habe genau gekuckt, wo haben Kinder Stärken, wo haben Kinder Schwächen. Und Anhang 195 das ist ja ganz unterschiedlich. [Hm] Also der Robin beispielsweise, der ist, also, der ist in der, gut, in der Geometrie war der noch nicht so fit. Und beim Robin hab ich dann angefangen, da auch zu arbeiten. [Hm] Gerade in diesen Freiarbeitsphasen [Hm] musste er Muster nachlegen mit Plättchen. Also, wo also zunächst erst mal die, ähm, die Plättchen vorgegeben waren, wo er dann sie einfach nur drauflegen musste. Aber dann waren, also nur noch die Konturen gegeben. Er, äh, ne ganze Form auslegen musste. Und dann musste er schon ganz gut nachdenken. [Hm] Solche Sachen. Oder. Ähm. Bei einem war es, war es in der Arithmetik glaub ich. Da hab ich dann ganz verstärkt nachgekuckt. [Hm] Was der, wo der also seine Schwächen hatte, aber auch wo er seine Stärken hat. Und hab da also auch angesetzt. Beim Emanuel beispielsweise, der ja ganz schwach in dem Interview war. [Hm] Ne. Hab ich dann später festgestellt, wenn ich mit dem ganz alleine arbeite, wenn sonst niemand dabei sitzt, ähm, war der längst nicht so schwach wie im Interview. [Hm] Und beim Ein-Mal-Eins beispielsweise, das hat er ganz toll gelernt. Und da hab ich ihn auch sehr gelobt. Und hab ihm also, so ne positive Verstärkung gegeben, und das hat sich auch auf sein, ähm, Lernverhalten ganz positiv ausgewirkt. [Hm] Der hat z.B. vorher nie mündlich mitgearbeitet. (.) Macht jetzt ganz eifrig mit und hat da wirklich auch Erfolgserlebnisse. [Hm] Ne. 20:11 I Und warum hat der das im Interview nicht zeigen können? Waren da zu viele Leute drum rum, oder? 20:16 L Der hat zum Teil die Aufgabenstellung, die Fragestellungen nicht verstanden. Heute würde ich mit dem Emanuel das Interview auch anders führen. Also da würde ich auch noch mal nachfragen, würde es ihn auch noch mal erklären lassen, was er jetzt machen soll. [Hm] Weil er das, ähm, hatten wir ja dann später auch herausgearbeitet, dass er das gar nicht verstanden hat. [Hm] Ne. [Hm] Denn ich hab hinterher noch mal mit ihm Aufgaben aus dem Interview gerechnet. [Hm] Und da hat er es nämlich gekonnt. [Ach, das ist ja spannend] Ja. 20:46 I Was für Förderimpulse können sie denn aus dem Interview entnehmen? Gibt's da ganz konkrete Hinweise oder mehr so, wie sie es schon ein paar Mal beschrieben haben? 20:55 L Ich denke mal, so wie ich es jetzt beschrieben habe. [Hm] Also ich würde. Das meine ich auch so bisschen mit individualisieren. Kucken wo sind Schwächen und die Stärken der Kinder und würde da ansetzen. [Hm] Ich würde das jetzt nicht unbedingt auf die ganze Klasse ausweiten. [Hm] 21:08 I Und woraus entnehmen sie es dann? Aus dem Interviewprotokoll oder aus den Ausprägungsgraden stärker? 21:14 L Aus dem Protokoll. [Hm] Weil das ist für mich aussagekräftiger als diese Ausprägungsgrade. 21:19 I Wieso das? 21:20 L Das kann ich besser, kann ich besser für mich interpretieren. [Hm] Und komischerweise muss ich die Kinder, die ich interviewt habe. Ähm. Da weiß ich, wo die Stärken und Schwächen sind. Da müsste ich heute kaum mehr nachkucken. 21:36 I Was, was würden sie dann sagen, wie stark prägt sich so ein Interview ein? 21:42 L Bei mir hat sich, hat das also ganz nachhaltig gewirkt. [Hm] Ähm. Positiv als auch negativ. Also z.B. bei dem Christian Siebert, [Hm] ähm, wär ich nie drauf gekommen, dass der ganz schwach in der Geometrie ist. [Hm] Weil ihm einfach auch dieses Vorstellungsvermögen fehlt. [Hm] Zu erkennen, wenn ich einen, äh, Rechteck, ähm, mit der, mit der langen Seite vor mich lege und wenn ich das drehe, dass das immer noch ein Rechteck ist. So was hat er gar nicht erkannt. [Hm] Ne. Solche Sachen. Das hat sich bei mir sehr eingeprägt. [Hm] 22:18 I Hier haben sie was berichtet, auch aus dem ersten Interview. Da würd mich interessieren, ob sie das eingerichtet haben? 22:25 L Sag ich sofort Mell. Das muss ich ab sofort ändern. [(lacht)] Gut zu wissen. 22:30 (25 Sec.. Pause, liest) 22:53 L (räuspert sich) (..) Das Problem hier ist. (6 Sec. Pause) Dass ich in meiner eigenen Klasse (…) gefördert habe. [Hm] Aber wie das jetzt in dem, im Jahrgang ist kann ich ihnen nicht sagen, weil die Kollegin und die beiden Kolleginnen an diesem Interview (..) nicht mitgearbeitet haben und auch keine Kinder aus dem Jahrgang interviewt worden sind. Wir haben ja jetzt eventuell die Möglichkeit, wenn wir in dem Interview weiter arbeiten wollen, dass wir Entlastungsstunden dafür bekommen. [Hm] Wie auch immer. [Hm] Und dann kucken, ob wir das etwas mehr im Jahrgang streuen können. [Hm] Und ob wir dann, wenn dann, ähm, so (..) herausgefunden haben, wo sind ganz schwache Kinder, oder wo sind stärkere Kinder. Das wir da durch nen Jahrgang (..) eventuell fördern können. Aber das ist, hat immer auch was mit Kapazitäten von Stunden zu tun. [Hm] Ne. In der Regel kriegen wir die Stunden vom Staatlichen Schulamt zugewiesen, dass wir die Stundentafeln abdecken können. [Hm] Und darüber hinaus sind keine Stunden da. [Hm] (..) Es ist auch immer so die Bereit(willigkeit), die so wie ähm, Kolleginnen und Kollegen bereit sind, ähm, sag ich mal so im Team auch zu Anhang 196 arbeiten. Das hat ja auch was damit, man, äh, es ist gibt ja auch ganz abenteuerliche Konstellationen, dass man sagt, was weiß ich, man durchmischt in zwei Stunden in der Woche alle Kinder im Jahrgang drei beispielsweise. [Hm] Und macht also so Leistungsgruppen oder, [Hm] oder was weiß ich, oder nach Neigung. [Hm] So was könnte man ja auch installieren. [Hm] Aber das ist ein langer Weg bis dahin. [Hm] 24:40 I Und bei den beiden Kolleginnen waren das Zeitgründe? Oder waren das mehr so Interessensgründe, dass da 24:46 L [Ich denke mal beides. [Hm] Beides. Eine von denen, eine Kollegin ist halt, die ich, was ich vorhin so beschrieben habe, die sagt: „so und so wird gerechnet und nicht anders.“ [Hm] Ne. 24:56 I Und die hat dann auch gar nicht so ein Interesse da dran. Oder? 25:01 L (schnauft) Ich will mal so sagen, wenn das jemand, wenn jemand da ist, der das machen würde für die Kinder aus ihrer Klasse, dann wär das okay. Aber selber 25:09 I Würd se sich mit dazu setzen? 25:13 L Ja. Könnt ich mir vorstellen. [Hm] Das könnt ich mir vorstellen. Weil kooperativ ist sie schon. 25:21 I Bei, bei der Sinette haben sie im, im Interview gesagt, das sollte für eine Entscheidungshilfe für ne freiwillige Rücknahme dienen. Das Schülerinterview. Hat es sie in der Entscheidung unterstützt? 25:33 L Ja. Sie ist zurückgegangen. Aber das hat nicht nur was mit Mathematik zu tun gehabt, sondern, ähm, mit dem Lernverhalten von ihr insgesamt. Und [Hm] bei ihrer (undeutlich) Bereitschaft zu lernen. Die war einfach überfordert. Und ist jetzt in, ist dann zurück in die erste Klasse. Und ist regelrecht aufgeblüht. [Hm] Und hat Erfolgserlebnisse und sie geht auch mittlerweile gerne in die Schule. [Hm] Das war auch ne fragliche Einschulung überhaupt gewesen. Man hatte ihr abgeraten, das Kind einzuschulen. Also aus ärztlicher Sicht. Und auch von, ähm, sag ich mal so von den Gesprächen vor Schulaufnahme. [Hm] Ja. Das sind dann auch wichtige Entscheidungshilfen. Würde ich auch immer wieder einsetzen. [Hm] 26:16 I Dann, welche Veränderungen würden sie denn am bestehenden Interview vornehmen? Sie haben ja mal mit Herrn Mell so, ganze Liste zusammengestellt gehabt. [Hm] 26:26 L Also ich würde, ähm, im Interview den Geometriebereich (.) ausweiten wollen, weil ich den für ganz wichtig halte. [Hm] (..) Ich würde in der Arithmetik und im Ein-Mal-Eins ein bisschen reduzieren. Das kann man reduzieren. [Hm] Mm. Ich würde es so modifizieren wollen, dass man das notfalls auch alleine machen kann. Denn ich kann da net immer nen ganzen Stab von Studenten oder auch, ähm, der da filmt oder, oder der hinterher die Auswertung macht abstellen, weil das ist unrealistisch. [Hm] Wenn man es also wirklich fest in der Schule installieren will, als ein Instrument zur Leistungsmessung, muss es so modifiziert werden, dass man es alleine machen kann. [Hm] Und den Geometriebereich, den würd ich ausweiten wollen. 27:10 I Und warum ist der so wichtig, ihrer Meinung nach? 27:13 L Weil der in den Schulen häufig zu kurz kommt. Ich möchte ihnen mal ein Beispiel sagen. Ähm. Am Ende vom Schuljahr fragte mich eine Kollegin, wo sind denn die Würfel und die Hohlkörper. Hab ich gesagt: „steht da und da in der Klasse.“ Und da sagt sie: “Ja, ja.“ Das ist einfach so, am Ende vom Schuljahr kommt noch ganz schnell die Geometrie dran. Und deswegen sind die Materialien am Ende vom Schuljahr ausgeliehen. Und das hat mich also wirklich auch nachdenklich gemacht. [Hm] Es war ne Kollegin aus der Förderstufe, aus dem Jahrgang sechs. [Hm] Und äh, das beobachte ich auch. Dass also Geometrie, ähm, immer so ein bisschen Stiefkind ist und so ein bisschen vernachlässigt wird. [Hm] Und beobachte das auch bei Schülern, die nicht kontinuierlich vom ersten Jahr an in dem Bereich trainiert werden. Dass die tatsächlich Schwächen haben. Auch bei der räumlichen Vorstellung. [Hm] Und da würde ich also ein größeres Augenmerk drauf legen wollen. Also auch wenn ich jetzt neu starte. Ich hab das bei mir selber auch beobachtet. [Hm] Das hat sich jetzt, also seit den letzten zwei Jahren hat sich das verändert. Also unabhängig [Hm] vom Interview, weil ich das selber schon gemerkt habe. Ähm. Man will immer, immer die anderen Bereiche, weil man meint die sind so wichtig, [Hm] ne, stärken, aber dass die Geometrie also auch einen ganz, ganz wichtigen Stellenwert hat, so auch im Hinblick auf, ähm, (…) ähm, so wie Kinder Dinge sehen. Also wenn ich z.B. irgendwo einen Quader habe oder so, [Hm] ne, dass also Kinder den auch irgendwo wieder erkennen als solchen. [Hm] Auch wenn ich ihn, wenn ich ihn veränder. Oder wenn ne Lagerveränderung mach, wenn ich ihn drehe, hochkant oder seitlich, dass das also immer noch, das, der gleiche Körper ist. [Hm] Haben Kinder unheimliche Schwierigkeiten mit. [Hm] Und ich würde. So jetzt, wenn ich wieder ne Eins übernehme, ich würde von Anfang an, also da auch ganz, ganz, ganz, ganz großen Augenmerk darauf legen. 29:09 I Haben sie denn das Gefühl, dass diese Schwächen in Geometrie sich vielleicht auch auf die Anhang 197 anderen Bereiche mit auswirken? (…) Also wenn man das nicht so intensiv behandelt. Oder, oder, dass es positiver wird in anderen Bereichen? 29:21 L Können, kann ich jetzt, kann ich nicht so beurteilen. Weil. Kann ich jetzt nicht so sagen. [Hm] 29:27 I Mm. (.) Können sie sich noch erinnern, wie sie sich auf das erste Schülerinterview vorbereitet haben? 29:34 L Ja. (..) Ähm, da hab ich erstens mal ganz lange Zeit gebraucht um den Fragebogen, den Lehrerfragebogen auszufüllen. [Hm] Weil, ähm, (..) es ist praktisch so als wollt ich ein Zeugnis schreiben über das Kind. [Hm] Ja. Also, wenn am Ende vom ersten Schuljahr ne verbale Beurteilung, [Hm] so ähnlich, äh, hab ich das empfunden. Es ist die absolute Auseinandersetzung mit dem Kind und seinen mathematischen Fähigkeiten, das auch zu formulieren. [Hm] Dann habe ich mich hingesetzt und habe das, den ganzen Interviewleitfaden durchgearbeitet [Hm] vorher. (.) Habe mir markiert, was ist mein Part. Was muss ich fragen. (..) Und äh, habe, also das hab ich also gleichzeitig gemacht mit diese, diesem, diese Markierung gemacht. Und dann überlegt wie, ähm, (.) was kann das Kind davon. Was, ähm, wie, [Hm] wie wird das Kind damit umgehen. Da hab ich sehr lange dazu gebraucht am Anfang. 30:33 I Was würden sie sagen, wie viel Zeit man insgesamt braucht, um, um mit dem Interview umgehen zu können? 30:38 L Wenn man ungeübt ist oder wenn man ungeübt ist? 30:41 I Wenn man ungeübt ist. Wenn jetzt Kollegen, die Interesse hätten, denen sagen würden, so, so viel Stunden oder was auch immer, musst du rechnen. Dann [kannst du 30:50 L [Pro Interview? 30:31 I Ne. Nicht pro Interview, sondern überhaupt. Dass man, so wie sie sich vorbereitet haben auf das erste Interview. Dass man es überhaupt mit einem Kind durchführen kann. 31:01 L Na ja. Es kommt immer noch drauf an, ob ich es alleine machen will. Oder ob ich Helfer habe, die mir das Material anreichen. 31:07 I Nehmen wir mal an es sind Helfer. 31:09 L Es sind Helfer. Gut. Also ich denke mal so vier Stunden, fünf Stunden. [Hm] 31:15 I Also ein Nachmittag oder so. 31:16 L Ja. Ja. Muss man sich mit auseinandersetzen. (….) Wobei ich will es vielleicht sogar noch ein bisschen revidieren, weil wir haben das Interview ja, also Teile vom Interview oder auch das ganze Interview in der Uni gesehen mit der Frau Spindeler. Ne. [Hm] Das ist also auch immer schon mal von, hm, Vorteil, wenn man es schon einmal gesehen hat, wie das abläuft. [Hm] Ne. Dann kann man es, wenn man es durcharbeitet nachvollziehen. Aber, wenn man sich ganz alleine dran setzt. (.) Ist es, ähm, nicht so einfach. Weil man kennt ja auch die Materialien erst mal nicht. Oder man muss die Materialien dabei haben. Und muss sich dann mit auseinandersetzen. Also das braucht schon richtig Zeit. [Hm] 31:58 I Da würd mich interessieren, ob sie das (.) umgesetzt haben. 32:05 L Nein. Die Waage, ne? [Hm] Es sind, also ich hab mir überlegt, ob ich mir selber eine kaufe. Und ich bin zu der Überzeugung gekommen, dass ich es nicht mache, weil die sind sehr teuer. [Hm] Aber wir haben (…) wir. Muss ich mal so sagen. Wir wollen Grundausstattungen in den einzelnen Klassen anschaffen. [Hm] Ja. Und da sind jetzt auch Gelder vom Schulelternbeirat freigegeben. Und ich würde mir ganz fest, äh. Das mach ich auch in der ersten Klasse. [Hm] Ich. Es kommt eine Wiegestation in die Klasse. [Hm] Die Gelder sind bewilligt. [Hm] Und das kommt. 32:43 I Wie ist es mit der Waage, die, die sie von uns haben? 32:47 L Die find ich nicht so praktisch. [Hm] 32:49 I Wieso? 32:50 L Weil, wenn ich da schwerere Teile drauflege, kracht es durch. [Hm] Das ist mein Problem. 32:57 I Und würden sie dann so ne, so ne Balkenwaage sich besorgen. Oder ne andere Art von Waage? 33:02 L [Also ich würde mir, ich würde gern, ich hätte gerne unterschiedliche Waagen. [Hm] Also beispielsweise, wie auf dem Markt. Ne. [Hm] Oder ne Balkenwaage. [Hm] Oder dann haben wir, ich weiß gar nicht wie die heißen, ähm, wo man diese, diese, äh, Gewichte auf die beiden Seiten stellen muss und [Das ist ja so ne Marktwaage. Oder?] Nee. Ne Marktwaage ist. Was ist ne Marktwaage? Aber ne Marktwaage ist auch, ähm, so wie, wie (.) 33:29 I [Im Supermarkt 33:31 L [Ja. Wie im Supermarkt mit dieser großen Schüssel dann [genau] Das ja so was. [Hm. Und dann mit digitaler Anzeige oder so.] Ja. Ne. Noch nicht mal mit digitaler Anzeige. Die müssen sie auch lernen abzulesen. Das find ich also auch [Ach so dann [Ne.] mit nem [Zeiger] Zeiger.] Hm. [Hm]. So was. [Hm] (..) Anhang 198 33:48 I Ähm 33:49 L Ja, weil dann haben Kinder einfach dieses Problem mit dem Wiegen gar nicht mehr, wie es sich in dem Interview, ähm, sich teilweise dargestellt hat. Ne. Wenn sie damit täglich umgehen. Sie sehen das zwar manchmal. Aber sie wissen nicht, wie man mit arbeiten muss. [Hm] 34:05 I Das letzte Mal waren sie ja an der Uni als wir das Interview geführt haben. Und dann haben sie ja so ein paar Ideen zur Geometrie mitgenommen. Haben sie denn davon was im Unterricht umgesetzt? 34:14 L Also. Ich ha(be). Ja. Ich habe z.B., äh, im Jahrgang zwei schon mit den Tangrams angefangen. [Hm] Also einfach auch so ein, dieser spielerische Umgang damit. Was man damit machen kann. [Hm] Figuren legen, andere sollen es nachlegen. Ich hab daraufhin auch Tangrams angeschafft. [Hm] Weil sie haben mir zwar gezeigt, wie man es selber machen kann, aber es fehlt das Parallelogramm (lacht). Aber ich weiß auch mittlerweile, dass man es selbst herstellen kann. Aber ich, äh, ich hab’s selber bezahlt. Und hab mir diese Materialien angeschafft. [Beziehungsweise] Ganz 34:42 I kann man das Parallelogramm auch so teilen, dass es zwei Dreiecke sind. Und dann kann man es komplett aus Dreiecken zusammensetzen. Und das Quadrat kann man ja auch teilen, so dass es Dreiecke sind. [ja] Chef nennt es immer dann ‚Dreieckstangram’, was halt nur aus, quasi aus Dreiecken aus verschieden großen besteht. [Hm] 35:00 L Dann hab ich, ähm, diese, hab ich die Kinder Flächen auslegen lassen. Hab mir dazu selber Material erstellt. [Hm] Also Legepläne und selber, dann müssen Kinder Flächen auslegen. Und da hab ich gemerkt, was die teilweise wirklich für Probleme haben, beim Handeln. Also. [Hm] Beispielsweise dieser Christian, ne [Hm] sollte so nen Lageplan, so ein Legeplan auslegen [Hm] mit geometrischen Formen. Das hat er kaum hingekriegt. [Hm] Nur mit ganz viel Hilfe nur. 35:28 I Gab’s auch positive Überraschungen? 35:29 L [Ja. Ja. [Hm] Beispielsweise der Emanuel. [Hm] Der hat so was mit links gemacht. [Hm] Der ist so in der Arithmetik oder so, ne ganz, ganz schwach ist. [Hm] Da hat er ne Stärke. 35:45 I Was halten sie denn von der Aussage: „Das Schülerinterview als Katalysator zur Verbesserung der Unterrichtsqualität“? 35:51 (6 Sec. Pause, überlegt) 35:57 L Das ist ne ganz schlaue Aussage. Bei mir war das so. [Hm] Aber ich hab, es hat für meinen Unterricht (.) ganz viel an Reflexion gebracht. Und auch, ähm, Veränderungen in meinem, in meinem Unterricht. Auch von meinen Unterrichtschwerpunkten. Und eigentlich auch so ein bisschen, was ich vernachlässigen kann. [Hm] Aber im Laufe dieses Jahres, das hört ja, das ist ja jetzt glaube ich ein ganzes Schuljahr gewesen. [Hm] Also das war bei mir am Anfang von der Zwei. Da hat ich ja mit Ein-Mal-Eins, Mal- und Geteilt-Aufgaben. Das hatten wir ja noch gar nicht, ähm, thematisiert. Aber ich wusste, dass das abgefragt wird, sag ich mal so in Anführungsstrichen, im Interview. [Hm] Und da fing ich also an ganz viel auch mit, ähm, mit Ein-Mal-Eins-Aufgaben. (..) Hm. Dass die Kinder sich beispielsweise irgendwelche, (..) hm, aus Katalogen aus(schneiden), ausschneiden mussten, was weiß ich 3x4 und so. Ne. Dass die also diese, diese Vorstellung haben, was das ist. [Hm] Also ich hab das also viel mehr so über, über Handeln gemacht, als ich das früher gemacht habe. [Hm] Das hat es bei mir ausgelöst. Und auch mit diesen Punktekarten, das hat sich also auch, ich hab dann also auch so ein Hunderterfeld in Punkten gehabt. Und da haben wir ganz viel mit gemacht. [Hm] Und das, das das merk ich heute, wenn Kinder rechnen. Oder wenn wir ne Mathearbeit oder einen Test geschrieben haben. Das war für die überhaupt gar kein Problem mehr, wenn sie ein Bild gesehen haben dazu ne Malaufgabe zu erstellen. [Hm] Und das war eben anders als ich es früher gemacht habe. [Hm] Und das war also für mich ganz symptomatisch. Also das hat bei mir ganz viel ausgelöst, [Hm] für mich und meinen Unterricht. 37:42 I Was halten sie denn von dem Begriff ‚Schleichende Lehrerfortbildung’, den eine Lehrerin zum Schülerinterview geäußert hat? 37:49 L Kann ich unterstützen. Kann ich unterschreiben. Also ich denke mal aber nur für jemanden, der das auch wirklich ernst nimmt. [Hm] Ja, der also, wo es, wo es nicht nur darum geht, äh, die Lernstandserfassung des Kindes, sondern auch Konsequenzen für meinen Unterricht. [Hm] Und dann, dass ist ja eigentlich das, was es letztendlich dann auch sein soll. [Hm] 38:09 I Ne andere Lehrerin meinte, sie könnte irgendwie, wenn sie sich zwei Stunden für ein Kind Zeit nimmt. Dann würde sie schlussendlich eigentlich Zeit sparen, weil sie dann nicht jede Woche überlegen müsste, was sie jetzt mit dem Kind macht, und sie glaubt auch, dass das Schülerinterview so ne Auswirkung hat auf die gesamte Schullaufbahn. Anhang 199 38:30 L Das hat dann, ähm, ne Auswirkung für die Schullaufbahn, wenn ich meinen Unterricht (..) verändere. Wenn ich nicht mehr über den Frontalunterricht gehe. Dann hat das tatsächlich Auswirkungen. [Hm] Wenn also Kindern, auch Freiräume lasse in Mathematik. Oder, wenn ich, äh, oder ich kann ganz gezielt im Wochenplan beispielsweise ganz andere Aufgaben, äh, geben, wenn ich da(s), wenn ich weiß, ähm, wo steht das Kind. [Hm, hm] Und das hat das Interview wirklich getan. Also jedenfalls für mich. [Hm] 39:03 I Ich hab hier einen Ausschnitt aus einem anderen Lehrerinterview. I bin ich. Und H ist der Lehrer. 39:09 (35 Sec. Pause, liest) 39:44 L Also zu dem ersten Teil, den brauch ich gar nicht fertig zu lesen. [Hm] Weil ich weiß, wo es hingeht. Halt ich für Quatsch. [Hm] Ähm. Ich hab selber auch nicht Mathematik studiert. Und, ähm, ich bin auch nicht buchgläubig. Ich arbeite kaum mit dem Mathematikbuch, weil die für mich nicht immer logisch aufge(baut), ähm, aufbereitet sind. [Hm] Weil mir häufig die Übung fehlt in den Büchern, muss ich sowieso nachlegen mit, mit Arbeitsblättern. [Hm] Und, ähm, gerade, wenn ich fachfremd bin, [Hm] ähm, setz ich mich mit der Thematik in dem Interview ganz anders auseinander. Das hat, äh, das, ich, ich reflektiere ganz anders. Und. Ähm. Ich hab das an dieser letzten Fortbildung gemerkt. Ähm. An, in unserer Arbeitsgruppe war ne junge Kollegin, die hat Mathematik studiert, die ist an manche Aufgaben ganz anders, viel analytischer rangegangen. Ne. (schmunzelt) Ähm. Und systematischer als, als die anderen, die nicht Mathematik studiert haben. Aber ich kann, äh, trotzdem nicht sagen, dass dieses Interview, ähm, nur von Lehrern und Lehrerinnen, äh, durchgeführt werden sollen, die Mathematik studiert haben. Auf gar keinen Fall. [Hm] Sag ich mal so, die brauchen es vielleicht eher nicht, [Hm] als die, äh, die nicht Mathematik studiert haben. [Hm] Also das würd ich so nicht unterschreiben. (...) Und außerdem das Problem ist ja in der Grundschule müssen wir in der Regel alle Fächer unterrichten. Und, äh, gerade für die, die fachfremd unterrichten, ist das ne ganz große Hilfe. [Hm] 41:20 I Jetzt noch mal was zum Einbetten irgendwie. Sie haben einmal im Interview gesagt: „man müsste versuchen, das wirklich in die Unterrichtszeit zu integrieren.“ Und dann haben sie später, haben sie dann so 41:31 L [Das Interview? 41:33 I Sie. Ja. [ja] Das Schülerinterview, [ja] das haben sie in ihrem Interview gesagt. Und dann haben sie so fortgeführt, wie auf dem…. I bin ich und L sind sie. 41:41 (28 Sec. Pause, liest) 42:10 L (schnauft) Der Meinung bin ich nach wie vor, dass man es nicht in die Unterrichtszeit einbetten kann, weil sie brauchen (holt tief Luft) tatsächlich, also auch, wenn sie geübt sind, [Hm] brauchen sie Zeit. Sie brauchen viel Zeit. (.…) Vor allen Dingen, wenn sie es dann alleine machen, sich dann das Material auch selber, äh, holen müssen. [Hm] Und das Protokoll schreiben müssen. Also ich gehe mal davon aus, selbst wenn ich es alleine machen, wenn ich so geübt bin, dass ich es kann. [Hm] Ähm. Zwei Stunden brauche. Das würde bedeuten, ich kann mich in den zwei Stunden nur um das eine Kind kümmern. Der Herr Wollring hatte das ja auch schon mal irgendwo an einer Stelle gesagt. Und die anderen arbeiten irgendwo hinten. Aber. Ähm. Kinder arbeiten sicherlich auch, äh, über längeren Zeitraum konzentriert und leise, wenn sie eine feste Aufgabe haben. Aber es ist auch so. Die würden auch kucken wollen. Es würde sie auch interessieren, was machen die beiden denn da. Und, ähm, das kann ich mir also ganz schlecht nur vorstellen, dass ich also irgendwo in einer Ecke sitze, mit dem Kind das mach und die anderen, [Hm] ähm, sind in der Klasse. [Hm] Ich würde das auch nach wie vor (.) außerhalb der Unterrichtszeit legen. Oder ich würde das Kind, wenn es meine, äh, meine Zeit zulässt aus dem Unterricht rausholen. [Hm] Aber ich würde es nicht in die Unterrichtszeit einbetten. Nicht in der Klasse. In die Unterrichtszeit vielleicht schon. [Hm] Aber nicht mit den anderen Kindern zusammen. [Hm] 43:33 I Jetzt was zu ihren Kollegen. Wie weit, sind die, welche sind denn, gibt es welche die sind informiert? Welche nehmen teil? Und welche führen durch? 43:44 L Wollen sie es ehrlich wissen. [jaa] (lacht) [(lacht)] Also ich bin die einzige, die es durchführt. [Hm] (…) Einfach weil ich durch meine Referendarin, durch die Doppelsteckung, [Hm] mm ein bisschen zeitlich unabhängiger bin. Etwas unabhängiger bin [Hm] als andere Kollegen. Und sie müssen sich mal vorstellen ne Grundschullehrerin, die unter 50 ist, muss mittlerweile 30 Stunden arbeiten. [Hm] Das sind jeden Tag 6 Stunden. Und dann sagen sie mir mal, wann die das dann noch durchführen soll. [Hm] Ne. Das ist wirklich ne Zeitfrage. Bei uns in der Schule ist es so, (..) hm. (.) Viele sind wirklich dran interessiert. Die fanden das auch toll. Wir haben das ja in der Konferenz, hatte ich [Hm] ja schon mal gesagt, vorgestellt. Also einen Bereich daraus. Mit dem Wiegen. [Hm] Und das fanden sie alle ganz toll. Auch das Material Anhang 200 dazu. Und wie Kinder damit, wie das Kind damit umgegangen ist. Aber das hat nicht wirklich was ausgelöst, dass sie das, also ganz heiß darauf waren, dass mal selber auszuprobieren. [Hm] Also ich wäre, wenn ich’s gewesen wäre, sehr neugierig gewesen. Ich hätte es ausprobiert. [Hm] Ne. (..) Bei den anderen ist es, denke ich, einfach auch Zeitmangel. Wirklich Zeitmangel. 44:58 I Und selbst das Beobachten wollte keiner. Also einfach sich mal mit dazu setzen. 45:08 L (holt tief Luft) Ich hab ja gesagt, wie gesagt, dadurch dass meine Referendarin, äh, in der Klasse ist, konnte ich mich dann rausklinken. [Hm] Gut, das wären eigentlich für mich Verwaltungsstunden gewesen. Aber dann hab ich hier die Verwaltung halt später gemacht. Aber das ist in der Unterrichtszeit, wenn die andere Kollegin [Hm] in ihrer eigenen Klasse ist. [Hm] Ich könnte das wirklich strenggenommen. Wir haben einige Kolleginnen, die volle Stundenzahl haben. Und da könnte ich das erst nach Zwei (Uhr) machen. [Hm] 45:38 I Und das wär auch ein bisschen spät auch fürs Kind. [Oder? 45:39 L [Auch fürs Kind. [Hm] Ja, nun kommt das bei uns noch erschwerend hinzu, weil bei uns Kinder aus, aus Dörnhagen sind und mit dem Schulbus fahren müssen. Und, und das erschwert es immer noch Mal dazu. [Hm, hm] 45:52 I Hat es denn seit den Interviews vermehrt Gespräche dann über Mathematik gegeben? Oder dass sie was berichtet haben, den anderen Lehrern? 46:00 L Ja. Also es kamen schon Impulse von mir. Mm. Was ich auch gerne, weil ich bin jetzt, ähm, Fachleiterin sag ich mal für Mathematik Grundschule (lacht) [(lacht)] mittlerweile. Ähm, weil’s auch. Ich will’s mal mit Steckenpferd umschreiben, weil das also wirklich für mich so spannend geworden ist und ähm, dass ich das gerne auch weiter machen möchte. [Hm] Äh, in den Fachbereich mehr integrieren und da auch was bewegen möchte. Aber das braucht auch wie gesagt Zeit. Das geht auch nicht von heute auf morgen. [Hm] Und ich suche wirklich jetzt auch noch, ähm, im nächsten Schuljahr Verbündete, die da auch (.) mitmachen. [Hm] 46:43 I Sie hatten auch in dem Zusammenhang vielleicht ganz interessant. Sie haben mal gesagt: „Sie könnten als Multiplikatorin für das Interview fungieren“ [Mm] Wie stellen sie sich das denn vor? 46:54 L Also erst mal in der eigenen Schule. [Hm] Aber auch. Ich würde gerne also auch, äh, so andere Kolleginnen und Kollegen, die damit noch nichts zu tun hatten. Ähm. Ihnen das demonstrieren und die Auswirkungen also, was das also mit mir gemacht hat dieses Interview. [Hm] Und Auswirkungen für meinen Unterricht. Das würde ich gerne transportieren wollen. [Hm] (..) Weil, äh, weil’s gerade (.) für die, die fachfremd unterrichten ganz, ganz wichtig wäre. [Hm] 47:24 I Welche Wünsche, Visionen haben sie denn, ähm. Ach ne. Wie bewerten sie erst mal unsere, das gesamte Projekt nach dem einen Jahr? 47:36 L Ähm. (…) Fakt ist, dass ich das für mich, das hatte ich ja damals schon einmal gesagt, als die von, äh, Wiesbaden da waren. Der Herr Storch. [Hm] Ne. Und so. Da hab ich gesagt, also Fakt ist, wenn das gekippt würde. [Hm] Aus welchen Gründen auch immer. Ich, das für mich immer weiter nutzen würde. [Hm] Also selbst, wenn ich das Material jetzt nicht mehr zur Verfügung hätte. Ich würde mir also irgendwas konstruieren, damit ich dieses Interview weiterführen könnte. [Hm] Weil ich das wichtig finde. Weil es mir ganz, ganz intensiv aus (.), ähm, Aufschlüsse gibt über das Kind und seine mathematischen Fähigkeiten. (…) Die Zusammenarbeit mit der Uni fand ich ganz positiv. Manch(mal) an manchen Stellen hätte sie, ähm, also noch gestrafft werden müssen. [Hm] Weil das wissen sie selber. Wir haben also, ähm, Uni ist die eine Seite. Aber wir haben auch hier unseren Schulbetrieb. [Hm] Mit also, ähm, mit der ganzen Verwaltung und was da noch da dran hängt. Und in der Regel waren es ja die Schulleiter, die da waren. Ne. [Hm] Und äh. Da an manchen Stellen hätte ich also noch mal gestrafft. Aber insgesamt fand ich die Zusammenarbeit und die Unterstützung von der Uni schon gut. Ich fand auch gut, dass wir die Studenten hatten. [Hm] Ne. Denn gerade, wenn man ungeübt ist, braucht man Hilfen. [Hm] Ne. Und ähm, von der Zusammenarbeit war ich ganz angetan. [Hm] 48:58 I Und welche Wünsche oder Visionen haben sie für die Fortsetzung von dem Projekt? 49:05 L Ich würde mir wünschen, dass wir das, dass wir da mehr in die Breite gehen könnten. [Hm] Also mit, mit Hilfe von der Uni, dass es also nicht, ähm, so auf einer oder auf zwei Kolleginnen belassen bleibt. [Hm] Sondern, dass da vielleicht, äh, Fortbildungen gibt. Oder was weiß ich für ganze Kollegien, die sich mal zusammen tun könnten. [Hm] Im Schulverbund beispielsweise. (...) (holt tief Luft) Weiterhin die Unterstützung bei den Interviews. [Hm] Kann ich mir gut vorstellen. 49:33 I [Durch die Studenten 49:34 L [Durch die Studenten. [Hm] Ich denke, die machen da auch Scheine, ne. Und, ne. [Hm] Und Mathematikstudenten wird es immer geben. Und dass es auf dem Wege auch weiter Anhang 201 gehen kann. [Hm] (.) Ja. 49:48 I Wie sehen sie denn das mit dem, wir haben uns das doch mal zusammen angekuckt, mit den Bildungsstandards und dem Schülerinterview? (..) Würden sie das anpassen? 50:00 L Ne. Eigentlich nicht. Weil es, es ist, so wie es ist eigentlich in Ordnung. Weil es die Bereiche ja tatsächlich abdeckt. [Hm] Ne. Also bis auf den Geometriebereich. Das hatte ich ja schon gesagt, [Hm] den würde ich also auch noch verändern. 50:14 I Und wie ist es mit den Vergleichs- und Orientierungsarbeiten im Vergleich zum Schülerinterview? 50:23 L Äh. Meinen sie jetzt die Orientierungsarbeiten für den Jahrgang 3. 50:26 I Ja. Oder, oder auch die, was Vergleichsarbeiten heißt in [der 4. 50:29 L [Ja. Vor. Vergleichsarbeiten. [Hm] 50:32 I Wie sie die so im Zusammenhang mit dem Schülerinterview sehen. Oder auch nicht sehen. 50:39 L (schnauft) Ich denke mal, dass dieses Interview, äh, eben weil es so, ähm, umfassend abfragt, also sag ich mal auch über, ähm, das, was Schüler eigentlich im zweiten Schuljahr kön(nen), können sollen. [Hm] Manchmal. Man, man, ähm, da bin ich mittlerweile aber auch darüber hinweg, dass man sagt: „Im zweiten Schuljahr wird der Zahlenraum bis (200) bis 100 erschlossen.“ Ne. Bin ich also längst auch darüber hinweg, dass [Hm] es also auch deutlich weiter gehen kann. Ne. [Hm] Ähm. (.) Weil das Interview, sag ich mal so, in diese Richtung auch abzielt, dass es also nicht begrenzt bleibt. Sondern also nach, nach oben, sag ich mal, irgendwie keine Grenzen sind. Ähm. Ist das eigentlich ne ganz gute Basis für diese Orientierungsarbeiten. [Hm] Oder auch Vergleichsarbeiten. Und äh, ich denke mal, dass, dass diese Standards, äh, auch erfüllt werden durch dieses Interview. [Hm] 51:31 I Vorhin haben sie schon mal die studentischen Assistenten erwähnt. Wie haben sie denn (.) Wie haben die sie denn unterstützt in ihrer Arbeit? 51:42 L Also ich war ganz zufrieden, so wie die Arbeit zwischen den Studierenden und mir gelaufen ist. [Hm] Wie es umgekehrt ist, weiß ich nicht. Die waren immer kooperativ. Wir haben immer, ähm, gemeinsame Termine gefunden. Ab, konnten wir gut absprechen. Und ähm, waren ganz zuverlässig. [Hm] Und auch hinterher die Auswertung, das kam häufig am gleichen Tag. Manchmal hat es ein bisschen gedauert. Aber ich hatte mir ja selber meinen Eindruck, ähm, der war ja, [Hm] der war ja eben auch da. Von daher war ich da nicht so unbedingt darauf angewiesen. Aber, (.) kann ich, ähm, nur unterstützen. Äh. Und auch die, äh, Studentinnen und Studenten loben. Haben sie gut gemacht. 52:18 I Und welche Rolle haben die bei ihnen eingenommen? 52:23 L Also die waren für mich also gleichwertige Partner. Ne. [Hm] Die haben also für mich ne ganz wichtige Rolle übernommen. [Hm] Nämlich das, was, äh, was ich eigentlich, ähm, sag ich mal so, im Laufe der Zeit sicherlich auch irgendwann lernen muss. Eben, wenn ich das Interview mal alleine machen will. [Hm] Ne. Wenn das also so auf solche Beine gestellt wird, dass es also nicht mehr unterstützt wird. Wenn es also in die Breite gehen soll. Aber die haben für mich ne ganz wichtige Aufgabe übernommen. Einmal mit dem Material. Dann, ähm, das Protokollieren. Und hinterher die Auswertung machen. [Hm] Weil das war für mich dann auch Zeitersparnis. [Hm] 52:56 I Hat sich die Situation mit den neuen studentischen Assistenten verändert? 53:01 L Ja. Dann. Es ist einfach so. Man hat also mit seinen Studenten vorher, mit den beiden oder mit den dreien. Das war also auch ein eingespieltes Team. [Hm] Und das musste man eben dadurch, dass Neue da sind, muss sich das erst mal wieder neu, ähm, formieren. Aber das war auch kein Problem. [Hm] 53:18 I Was meinen sie denn für einen Nutzen die Studenten da draus ziehen, dass sie da mitmachen? 53:24 L Die kriegen auch schon mal nen ganz anderen Blick. Also ich hatte ja eine Studentin, die hat selber Kinder. [Hm] Die hat, äh, einfach auch mal so gekuckt, wie ist das denn bei ihren eigenen Kindern. Die kriegen da einfach nen ganz anderen, ähm, Blick dafür. [Hm] Was von Kindern auch, ähm, was man von Kindern eigentlich auch fordern kann, was die können, was eigentlich irgendwo schlummert, wenn es nicht abgefragt wird. [Hm] Und diese Erfahrung haben die auch gemacht. Oder auch diese, äh, Unterschiedlichkeiten wie Kinder sind. Ne. [Hm] Also dass Kinder auf der einen Seite ganz schwach begabt sind. Und dann in der gleichen Klassenstufe also wirklich ganz enorme Leistung bringt und dass ein Lehrer ja eigentlich irgendwo auch auffangen muss. Den ganz Schwachen fördern. Aber auch das begabte Kind fördern. Und dass das also ganz oft ein Spagat ist. Das ist immer diese Schere von der man so spricht. [Hm] Ne. Und dass die dafür auch schon im Studium sensibilisiert werden. [Hm] Das find ich also ganz wichtig. 54:19 I Arbeiten denn auch studentische Assistenten im Rahmen von dem Projekt hier an der Staatsexamensarbeit? Anhang 202 54:27 L Ja. Die eine hat, äh, in dem Bereich geschrieben. (.) Und (.) die hatte dann auch Kinder aus meiner Klasse [Hm] im Geometriebereich. 54:39 I Und wie ist es bei ihnen angekommen? Also diese Arbeit, die Carolin da mit den beiden Kindern, mit Dennis [Ich hab die Arbeit leider] und Robin gemacht hat? 54:45 L [Ja. Ich hab die Arbeit leider noch nicht gelesen. Ich weiß auch nicht, ob sie sie schon abgegeben hat. 54:50 I [Doch sie hat sie schon abgegeben. 54:51 L [Hat se? Sie hatte mir 54:52 I [ist auch schon bewertet. 54:53 L [Hatte. Sie hatte mir versprochen, dass sie. Und wie ist sie bewertet worden? 54:56 I Ähm. Also ich wart bloß die, die äh. Das ist noch nicht die endgültige Bewertung. Die erste Einschätzung war, war ne Eins. Und die zweite ist noch nicht raus. [Mm] Und dann muss ja dann irgendwie geeinigt werden. [Hm] (…) Haben sie da irgendwelchen Nutzen davon gehabt? Von dieser Arbeit oder dieser, dass sie 55:17 L [Also, da hätte ich mir [mit ihrer Arbeit], da hätte ich mir unterm Strich mehr, äh, versprochen, weil ich hab, ich hatte damals, ich bin mit ihr so verblieben, dass ich gesagt hab gut okay die zwei Kinder, habe ich überhaupt gar kein Problem mit, aber die müssen das hinterher in die Klasse transportieren. [Hm] Ne. Und das ist zu kurz gekommen. Da hab ich dann also selber dann aufarbeiten müssen. Also noch mal viel selber machen müssen. War kein Problem. Es war nur anders besprochen. [Hm] Und. (.) Ähm. Was ich ganz interessant fand, war die Aussage von der Carolin. Was der Dennis bei dieser, bei dieser Zweierkombination. Ne, also. Er und Robin und mit Carolin. Er fand das toll, dass er wieder jemanden alleine hatte, weil das ist [Hm] also ein leicht autistisches Kind. Sag ich jetzt mal so. [Hm] Und. Ähm. Dem Robin, das ist so ein Luftikus. Ne. Der hat auch hinterher wieder, auch wieder viel vergessen. Ne. [Hm] „Ach ja!“ hat er gesagt, „ja, hab ich ja schon mal gemacht.“ Ne. Aber das ist nicht so bei ihm haften geblieben, [Hm] wie beim Dennis. [Hm] 56:20 I Hat sich das bei den beiden irgendwie ausgewirkt im Unterrichtsverhalten oder so? 56:24 L Nein. Hat ich mir erhofft. [Hm] Hat ich mir erhofft. Aber Dennis ist wirklich ein besonderer Fall. [Hm] 56:35 I (leise, vor sich hin) So was hab ich denn jetzt noch? Ach 56:37 L [Ach so. Was ich noch mal sagen will. [Ja] Durch dieses, das find ich jetzt ganz wichtig. Durch dieses Interview habe ich (.) die, das Leistungsvermögen von Robin gut einschätzen können. Und Robin ist ein Kind, der macht immer mal Flüchtigkeitsfehler. [Ja] Und der hat in seinen Mathearbeiten auch, oder, äh, auch wenn’s nur Punkte gab, so bei den Überprüfungen hat der immer mal ein, zwei Fehler reingehauen und trotzdem hat der von mir in Mathematik ne Eins gekriegt. [Hm] (..) Und ein anderes Kind, der ist, den hab ich nicht interviewt, weil, der wäre wahrscheinlich ständig in Tränen ausgebrochen. Der hat nur Einsen geschrieben. Hat aber keine Eins in Mathematik bekommen, (.) [Hm] sondern ne Zwei. [Hm] (..) Und das, ähm, hat auch etwas mit dem Interview zu tun gehabt. 57:27 I [Wieso hat der ne Zwei gekriegt? 57:29 L [Weil. Gut den hab ich zwar nicht interviewt. Aber, ähm, der ist bei, wenn ich z.B. Sachaufgaben bespreche. [Hm] Oder, wenn Aufgabenumstellungen kommen, der ist so, so eng in seinem Denken. Der lernt das was wir machen, das kann der hundertprozentig. [Hm] Aber sobald, ähm, so was aufgebrochen wird. Sobald der selbständig irgendwas entwickeln soll. [Hm] Fängt er an zu weinen, kann er nicht, ist ganz schlimm. [Hm] (..) Und das, ähm, und das hab ich beim Robin halt gesehen auch in dem Interview, wie der, wie der an, an neue Sachen ran geht, und wie der das löst. [Hm] Mit welcher Selbstverständlichkeit auch, und ohne Angst. Ähm. Das hat mich schon sehr beeindruckt. Also auch weit über den Hunderterraum hinaus. 58:17 I Haben die Interviewergebnisse insgesamt dann Auswirkungen gehabt auf die Zeugnisnoten? Oder auf die ? 58:24 L [Zum Teil zum Teil. [Hm] Weil ich, ähm. Ich klebe auch nicht mehr so an diesen, äh, schriftlichen Arbeiten, die Kinder hinterher abliefern. [Hm] Ne. Und das war also auch ne Auswirkung, äh, von diesen Interviews. [Hm] 58:41 I Hier hab ich versucht so Kategorien zu bilden aus den Lehrerinterviews, die ich bisher alle geführt hab. Und da gibt’s so, das sind die Kategorien, die so bei allen vorkommen. Welches ist denn ihnen das wichtigste? (.) Und der wichtigste Punkt? 58:55 (23 Sec. Pause, liest) 59:18 L Also ich finde bei dem Unter, Unterrichtsunterstützungen, (…) ganz wichtig den Punkt 1 ‚Förderunterstützung’ bei den befragten Schülern. [Hm] (….) Sollen wir jetzt so auch die Frage aus welcher Sicht sehe ich das. Sehe ich das aus der Sicht des Lehrers oder sehe ich aus Sicht des Schulleiters. [Hm] Ähm. (..) Unterstützung des eigenen Unterrichts muss ich Anhang 203 eigentlich als Lehrer selber leisten. Also, äh, ich weiß nicht wo soll ich mir Unterstützung herholen. Also das muss also etwas, ähm. Was ich in dem Interview, hm, herauskristallisiert hat wo, wo noch Schwächen in meinem eigenen Unterricht sind. [Hm] Sag ich mal. Oder was ich vernachlässigt habe. Was nicht zu vernachlässigen ist. [Hm] Mir da selber raushelfe. [Hm] Also dass muss ich also selber leisten können. [Hm] 1.00:14 (13 Sec. Pause liest) 1.00:26 L Unterstützung der Schulentwicklung. Wenn ich auch so, ähm, im Hinblick auf das Schulprogramm, ähm, im Hinblick auf das Schulprogramm denke. [Hm] Wir haben ja, äh, in unserem Schulprogramm so einen ähnlichen Punkt drin. Da geht es also um, äh, (..) Diagnosefähigkeit. [Hm] Also jetzt nicht nur bezogen auf den Mathematikunterricht, sondern überhaupt Diagnosefähigkeit und Fördermaßnahmen und, und Unterstützung. Das halt ich für nen ganz wichtigen Punkt auch. [Hm] 1.00:58 I So möchten sie noch [etwas 1.00:59 L [Ja. 1.01:00 I [Irgendwas anmerken. Also jetzt nicht zu denen, sondern insgesamt. 1.01:05 L Ja. Ähm. [Was ihnen noch wichtig ist.] Ich würde mir, ich würde mir wünschen, das hab ich schon gesagt, dass das weitergeht. [Hm] Also auch mit Unterstützung der Uni. [Hm] Und dass das, ähm, (..) auf breitere Beine gestellt wird. [Hm] Also sag ich mal mehr in die Fläche geht. Ich würde mir auch wünschen, dass ich dieses Interview nicht nur mit ausgewählten Kindern machen kann, sondern dass ich’s, ich würde es gerne auch mit allen Kindern durchführen. Weil es wirklich mir einen ganz anderen Blick auf das Kind gibt. [Hm] Das würde ich mir wünschen. 1.01:41 I Gut. Dann danke ich ihnen herzlich. Anhang 204 Transkript des Lehrer-Interviews mit der Lehrerin PB am 19.07.04 Zeit Person Text 00:01 I So, was (möchtest du) zum Schülerinterview (.) äußern? 00:07 L Ähm, dass die Schüler haben mich überrascht. [Hm] Ich hab’ viele Kinder äh unterschätzt, [Hm] und ähm es hat mein Unterricht vorangetrieben, (.) so in (.) eigentlich so, so leise, also so ganz unbemerkt [Hm] und ich hab’ ne ähm, ich hab’ ne andere Beziehung zu den Schülern bekommen mit denen ich das gemacht habe, und grad ein Mädchen die vorher glaube ich ganz wenig Bezug zur Schule hatte, hat meiner Wahrnehmung nach von dem Tag an nen anderes Verhältnis zur Schule bekommen, oder (.) ich weiß jetzt nicht wie lange das anhält, aber für ne bestimmte Zeit ist sie morgens anders in die Schule gekommen. [Hm] Das fand ich erstaunlich. 00:55 I Woran hast du die Veränderung an deinem Unterricht gemerkt, wenn die so leise und heimlich vor sich ging? 01:00 L Also ich hab’, ich wa(r) war mehr kreativ, also ich habe (.) äh, also während des Interviewens sind mir Dinge (.) so, so wie so Gedankenblitze gekommen, was ich äh unbedingt noch machen wollte, schon immer machen, machen wollte, und dann hab’ ich’s aber realisiert, weil mir während des Interviews noch mal die (.) der Gehalt noch mal so, so deutlich geworden ist. Und was ich (.) ähm, selbst wenn es vielleicht etwas ist, was man intensiver vorbereiten muss, aber ich hab dadurch viele andere Dinge abgedeckt, [Hm] und dann ist der Aufwand genau der gleiche. Und äh (.) also grad zum Ende des Schuljahres, wenn man dann sowieso nichts mehr einführt, sondern nur noch so übt, [Hm] dann bietet das einfach noch mal so andere (.) äh Formate, oder Möglichkeiten. 01:49 I Und was hast du dann gemacht? Kannst du das irgendwie konkret benennen? 01:52 L Also zum Beispiel die Sache mit den Zahlenmauern hab ich gemacht. Ich hab äh klar, wir führen Zahlenmauern ein, wir haben verschiedene ähm Formen, wie die Kinder danach damit arbeiten, und äh es war auch mal angedacht, oder vielleicht auch mal, hab ich’s vorher schon mal gemacht, dass die Kinder selber Mauern äh entwerfen [Hm]. Und, aber dass sie dann diese zerschneiden und einem anderen zum Zusammensetzen geben, soweit äh hatte ich das noch nicht umgesetzt, [Hm] realisiert. Und das ist mir während des Interviews ist mir diese Idee gekommen und ich habe das auch prompt umgesetzt, war begeistert, was das auch äh, welche (.) kreative Geschäftigkeit unter den Kindern herrschte, [Hm] wie jeder mit seinen, auf seinem Niveau irgendwie dazu was beitragen konnte. Und dass es auch wirklich sehr anspruchsvoll ist, also dass teilweise ich da manchmal noch hart nachdenken musste, um die Mauern wieder zusammen zu kriegen. Und die Kinder einfach auch wirklich äh Strukturen erkennen, und, und bestimmt viel sinnvoller vorgehen müssen, als wenn sie stupide äh addieren und subtrahieren [Hm] würden. [Hm] Und hab’s dann auch ner Kollegin vorgeschlagen, der Almut, und sie hat’s auch gemacht und kam auch völlig begeistert dann: Hey, das ist ja toll. Und (.), und da haben wir eigentlich gemerkt, dass es so viel Aufwand ist es gar nicht. Man muss (.) sich schon ein bisschen, also eher so (.) überlegen, dass das nicht so durcheinander kommt. Also wir haben die Blanko-Mauern auf verschieden farbigen Karton kopiert, damit Kinder, die nebeneinander sitzen, da, falls die Steine durcheinander [Hm] geraten. [Hm] (Sondern) man muss da eher in der Richtung überlegen [Hm], aber jetzt so mathematisch muss man ja eigentlich kaum was vorbereiten. (.) Und es war sehr motivierend und äh teilweise haben die Kinder es mit nach Hause genommen, haben’s dann ihren Eltern vorgelegt, die dann völlig erstaunt waren, was für schwierige Sachen wir da schon mit den Kleinen machen, also (.) das war (..). Und ich habe ähm auch gemerkt, dass ich ähm (.) eigentlich ja sowieso ein totaler Geometriefan bin, und da wurde ich wieder mal so angestoßen, mal wieder was (.) Geometrisches, also nen geometrischen Inhalt zu thematisieren. 04:09 I Und was hast du dann gemacht? 04:10 L Also wir haben dann noch mal was mit dem Geobrett gemacht. [Hm] (.) Und (.) und hatte auch ähm, also Kristin hat eine Sache, also (.) dieses Puzzle sehr gut hinbekommen, also [Hm] dieses quadratische Puzzle und ringsherum liegen diese Dreiecke, und sie hat wirklich (.) draufgeschaut, (.) hat auf drei oder vier waren’s, [Hm] Teile gezeigt, und es waren genau die, die da rein passten [Hm]. Und die zwei Studentinnen, die da dabei waren, haben solche Augen gekriegt. Und, (.) ich glaub, das lag auch in erster Linie daran, dass wir sehr viel schon äh, also grad mit diesen gleichseitigen Dreiecken [Hm], hatte ich schon gemacht. (.) Und, wo ich dann auch gemerkt hab, wie, was doch mein Unterricht so (.) äh dann doch, wie das doch so hängen bleibt [Hm]. Und das waren so total schöne Momente. (.) Wo ich auch äh, (...) ja so im(mer), immer mehr auch ähm diesen Aufwand gerechtfertigt sehe. [Hm], [Hm]. Anhang 205 05:12 I Wie viel Interviews hast du denn geführt? 05:15 L Noch nicht so viele, äh drei. [Hm] (.) Und bei einem war ich dabei. Ja. 05:25 I Und, würdest du sagen bei den, bei allen Kindern hat sich so deine Sicht auf die Kinder verändert? 05:32 L Also bei einem Schüler ist es ein bisschen schwierig, der Valentino. Das ist ein ganz, ganz äh (.) zurückhaltender Junge, der [Hm] auch äh in dieser Situation noch zurückhaltender war, (.) auch durch diese Kamera völlig irritiert war Also [Hm] da würde ich auch demnächst vorher besser das einsetzen, also wirklich nur bei Kindern einsetzen, wo ich das Gefühl hab, das ist erst mal vielleicht irritierend, aber danach [Hm] können die das ausblenden. Und da hat es eigentlich kaum, also da hat’s eher so meine Vermutung bestätigt. [Hm] Und (...) wie war noch mal die Frage jetzt? 06:13 I Ob du da ähm (..) bei allen Kindern irgendwie, ob sich da deine Sicht verändert hat, auf die mathematischen (.) Leistungen, von den Kindern, die du befragt hast? 06:24 L Also ich habe bei zwei, bei zwei Schülern (.) Sachen, die ich erst nur so vermutet habe, oder wo ich so’n Gefühl hatte, hatte ich danach das Gefühl, das steht auf. Also ich kann da ganz anders argumentieren, und das hat ne andere Grundlage, [Hm] ist dann nicht nur ne Vermutung, [Hm] ich kann dann sagen, (.) da ist von auszugehen. Und zwei (.) ähm Schülerinnen haben mich, äh ja, die hatte ich unterschätzt, die hätten, (.) die haben mir aufgrund ihres Verhaltens, was sie so im, im Klassenverband und im Unterricht zeigen, (.) nicht das, nicht all ihre Kompetenzen gezeigt. [Hm] Die konnte ich nur in dieser Einzelsituation dann ähm erkennen. [Hm] Ganz klar. 07:04 I Hast du auch Erkenntnisse noch gewonnen, die über die mathematischen Fähigkeiten hinausgingen, jetzt zum Beispiel irgendwelche Sachen wie psychische Blockaden oder Händigkeit oder irgend so was? 07:16 L Mm (verneinend). Also nur, dass äh (.) diese Alltagskompetenzen ja sehr entscheidend sind, also [Hm] dass, dass man das im(mer), immer mehr auch wirklich ähm mit einbeziehen sollte. Dass es ja ganz stark davon abhängt, was Kinder brauchen in ihrem Leben oder bisher gebraucht haben. [Hm] Und da auch ruhig äh grad bei schwachen Kindern richtig nach suchen, [Hm] um ihnen irgendwie Schule oder Mathematik so’n bisschen näher zu rücken. (..) Das ist mir noch mal deutlicher geworden. 07:47 I Hat sich dein Blick auf die, nur auf die befragten Kinder, oder auch auf alle Schüler ein bisschen verändert? 07:55 L Im Moment nur auf die Befragten, weil dazu waren es zu wenig [Hm] und dann. 08:01 I Und bei den befragten Kindern, hat sich die Sicht vielleicht auch übertragen auf, auf andere Fächer? 08:11 L (….) Ja, ich konnte bei einem Mädchen, wo ich erst dachte sie hätte in Mathematik Problem, (.) hab ich auch (..) über das Interview ähm (.) noch mal klarer herausgefunden, dass sie ein allgemeines äh Lernproblem hat. [Hm] Dass es kein (.) besonderes mathematisches ist. Es ist eher so ne Persönlichkeitssache. 08:37 I War das für dich dann entlastend? 08:39 L Ja. (.) Und auch so im, im Umgang mit der Mutter [Hm] das. (..) Weil, weil äh dann, (.) oder es war auch entlastend für Konsequenzen, die das hat. Man, man äh die Eltern sitzen ja da fragend: Und was können wir denn tun, und ja um, um sie dann auch von diesen sinnlosen Üben wegzubringen, oder [Hm] diesem ständigen du musst, du musst rechnen üben, du musst rechnen üben, sondern zu [Hm] sagen ne, Julia brau(cht), bräuchte was ganz anderes und nicht, dass wird sie nicht, das macht’s alles nur noch schlimmer. [Hm] So und das war dann auch noch mal (..) äh (...) so äh (.), das hatte auch ganz viel mit anderen Fächern zu tun [Hm]. 09:21 I Weil, im Fragebogen zu Kristin schreibst du irgendwie: Ich möchte Kristins mathematische Leistung besser einschätzen können, im Unterricht wird nur unklar deutlich, was sie wirklich kann beziehungsweise über welche Strategien sie verfügt. [Hm] Hast du denn da Aufschluss gewonnen? 09:37 L Ja. Also ich hatte bei ihr ganz klar die Vermutung, dass sie ganz viel abschreibt, [Hm] ähm und dass sie ähm so (.) ja eher Strategien hat, wie sie schnell an Ergebnisse kommt, aber nicht selbst äh, dass das nicht ihre Produkte sind. [Hm] Und ich hab in dem Interview herausgefunden, dass das tatsächlich ihre Produkte sind, und dass sie nicht abschreibt, dass sie das kann. [Hm] Und dass sie ähm (.), aber halt so ne Persönlichkeit hat, dass man ihr das erst mal so nicht zutraut. [Hm] 10:07 I Und wie bist du mit den Ergebnissen umgegangen aus Teil C und D, also ich hab da einfach mal paar Sachen rausgeschrieben, was weiß ich, ähm (..) zwölf minus sechs gleich sieben, sechzehn plus fünf gleich zweiunddreißig, (.) fünfundzwanzig plus neunundneunzig gleich dreihundertvier. (.) Oder ähm in dem Teil D gibt’s irgendwie so ne Aufgabe: Siebenundneunzig Personen, zwanzig Personen pro Bus, und dann steht im Interviewprotokoll neunzig Busse. Anhang 206 [Hm] 10:39 L Also diese, diese äh (..) Fehler da bei der Addition und bei der Subtraktion, da hab ich in der Situation gemerkt, dass das ähm Flüchtigkeitsfehler waren. Dass sie, [Hm] äh (.) oder äh, also bei einem Teil war auch ganz klar, da hatte sie einfach ne falsche Strategie, aber sie hatte eine. [Hm] (.) Und, ähm (.) oder sie war irgendwie auf’m falschen Dampfer, aber sie hat ähm, ich hab gemerkt, dass sie’s, dass sie dazu fähig ist. [Hm] Und, (.) und ich glaub, das mit den Bussen, das war, war für sie einfach völlig noch äh (...), da wusste sie gar nicht, was wir von ihr wollten. [Hm] (...) Aber so insgesamt, so, so die ganze, den, den Eindruck, den sie so gemacht hat, also sicherlich ist sie jetzt keine super leistungsstarke Schülerin, aber. 11:28 I Die Ergebnisse, die ich dir, dir jetzt grad gesagt hab, die ham dich jetzt nicht sonderlich verwirrt oder so? 11:32 L Nö. Weil ich hab sie ja dazu erlebt. Also [Hm] sicherlich, wenn ich nur das Protokoll gelesen hätte, wär’s anders gewesen [Hm]. 11:40 I Welche Rückmeldungen hast du denn an die interviewten Schüler gegeben? 11:46 L Also, an alle Kinder, dass sie äh das gut gemacht haben und dass äh es, ich hab ihnen vorher ja auch gesagt, dass es äh (.) ich nenn das immer Expertenfragen oder so, dass es wirklich eben, also wenn sie gleich damit rechnen, dass sie auch an ihre Grenzen stoßen, und dass, dass das kein Problem ist, dass [Hm] sie nicht denken: Oh Gott, ich bin schlecht, sondern (.) es wird irgendwann, es sind Fragen für Experten und irgendwann werde ich nicht mehr weiter kommen. [Hm] Das ist dann aber kein Problem. (.) Und dass sie das äh gut gemacht haben, also die Kinder habe ich gelobt, und (.) hab dann, ähm (..) aber wenn ich äh Übungsbedarf gesehen hab, dann mit den Eltern gesprochen, jetzt nicht mit den Kindern. 12:26 I Also dann keine differenziertere Rückmeldung mehr an die Kinder gegeben. 12:31 L Ne, noch nicht. [Hm] Das könnte ich mir mal so in der Zukunft durch den Kopf gehen lassen, aber erst mal nicht. 12:38 I Und haben sich die Schüler irgendwie, wie haben die sich gegenüber Eltern, Mitschülern, Lehrern oder so geäußert? 12:46 L Also die haben alle wohl, äh waren sehr motiviert und fröhlich und (.) hatten, äh haben sich wohl auch anders wahrgenommen gefühlt, also [Hm] grad diese, (.) diese (.) Aktivitäten am Ende, wo es auch wirklich mehr um wiegen und messen, das war sehr ansprechend und äh motivierend. Das ist wohl was, was wir offenbar im Unterricht nicht häufig genug machen und für die Kinder vielleicht auch wenig mit Mathematik zu tun hat und [Hm] dadurch ähm (.) also ham’s als was, ham das als etwas Besonderes erlebt und sind auch mit einem guten Gefühl rausgegangen, so dass andere gefragt haben: Wann sind wir auch endlich dran? [Hm] Also so. 13:31 I Hast du irgendwie mitgekriegt, dass die was zu ihren Mitschülern gesagt haben? 13:35 L Ne, das, das hab ich jetzt dann nur so an den Fragen der anderen, wann sie [Hm] auch endlich dran sind, dann mitbekommen. 13:42 I Und was haben die Eltern für eine Rückmeldung gegeben? 13:44 L Äh, es hätte Spaß gemacht, und es wär ähm (.) also n hätten ein fröhliches Kind empfangen. So [Hm] Also kein frustriertes oder 13:54 I Hat sich denn bei den befragten Kindern die Einstellung zum Mathematikunterricht deiner Meinung nach geändert? 14:00 L Also, das konnte ich jetzt nicht feststellen. [Hm] Aber vielleicht sind die Kinder dazu einfach auch noch zu jung [Hm] (...). Das könnte ich mir vorstellen, wenn man das ähm im dritten, vierten Schuljahr (...) macht, [Hm] dass das da. 14:20 I Ich hab dir hier so’n Ausschnitt aus nem andern Interview, und würd dich bitten, ob du da einfach (.) sagen könntest, was du davon hältst. [Hm] (...). Von ner anderen Lehrerin ist das (...). H ist die Lehrerin und [Hm] K bin ich. (Pause von 14:38 bis 15:09, da L den Text liest (Exzerpt aus Interview mit A.D.) 15:10 L Jetzt in Beziehung zu mir? Was ich äh 15:13 I Allgemein, was du von der Äußerung hältst. (.) Ob du ne ähnliche Meinung vertrittst. 15:18 L Also ich, ich hab vorher auch schon immer äh (..) also hatte so, diese Haltung, die hier beschrieben wird, die hatte ich vorher auch schon, aber aufgrund meines Studiums und meiner. (.) Und ich find es gut, wenn ähm so’n (..) Interview das auch bei Lehrern erreicht, die vielleicht sonst ähm Mathematik anders gesehen haben bisher. [Hm] Und wenn da einfach so’n differenzierterer Blick ist, oder auch ein Blick auf den Weg und äh (..) Weil gerade dieses starre (.) so, so geht der Weg und den gehen wir jetzt alle und äh kein anderer wird zugelassen, der verbaut ja ganz viel, und macht auch (..) also grad dieses spielerische und diese ästhetische was Mathematik auch hat, [Hm] geht ja dadurch auch völlig verloren. [Hm] Oder wird nie wahrgenommen und vielleicht öffnet das so ein bisschen dafür. 16:13 I Was für eine Bedeutung haben denn die beiden Begriffe ergebnisorientiert und prozessorientiert Anhang 207 für deinen Unterricht? 16:22 L Ja, ergebnisorientiert muss ich sein, bin ich gezwungen, weil an den Ergebnissen werde ich gemessen. (..) Und, also die Ergebnisse sind ja auch wichtig, [Hm] aber für mich ist (..) die Prozessorientierung wichtiger, also für mich im (.) im (.) Zusammenleben mit den Kindern und wie ich auch meinen Unterricht gestalte. [Hm] (.) Äh aber man darf diese Ergebnisorientierung nicht aus den Augen verlieren [Hm]. 16:54 I Als das, die Leute vom HKM da waren, hast du zwei Aussagen gemacht, die ich irgendwie so’n bisschen mitgeschrieben hatte. Die eine war: Mit geringerem Aufwand Erfolg erzielen durch das Interview. 17:09 L Ja, also zum Beispiel (.) bei äh Kinder, die nen, nen großes Problem haben. Also wirklich nen Mathematikproblem. [Hm] Da sind ja die Eltern oft ähm (.) oder gibt es viele Eltern, die bereit sind, ganz viel zu tun, und ich hab das Gefühl, da gibt’s auch (.) ähm manchmal wird dann zu schnell so’n, in so’n blinden Aktionismus verfallen und ganz viel gemacht, was eigentlich im Endeffekt äh (.) nicht so viel bringt. [Hm] Da könnt man gut ähm (.) hier viel zielgerichteter vorgehen und wenn man äh aufgrund des Interviews genauer weiß, wo das Problem liegt, oder was das Kind schon mal auf keinen Fall üben muss, weil’s kann, [Hm] dann viel, mit geringem Aufwand äh zum gleichen Ergebnis kommt, (.) indem man viel zielgerichteter vorgehen kann [Hm]. 18:01 I Und das andere war: In Kooperation mit der Uni Förderung eines Kindes innerhalb der Schule, (.) nicht in ausgelegtem Institut. 18:10 L Ja, und dass ähm, (..) das schließt daran an, dass ich denke, wenn ich als Lehrerin gen(au) irgendwie genau merke, das Kind braucht noch Übung im Zahlbereich bis zwanzig, muss es, oder es hatte, muss im Stellenwertsystem noch sicherer werden, dass ich dann, (.) ich mit meiner Kompetenz, äh an eine Studentin gehen kann und sagen: Hier die Übungen, die sind wichtig. Und wenn ich das äh Kind dann nur an irgend so ein Institut schicke, (.) weiß ich gar nicht, ob die, selbst wenn ich was aufschreibe oder irgendwo anrufe, ob das überhaupt irgendwen interessiert. Glaub ich eher nicht [Hm]. Weil die meisten sind ja schon eher auch ähm an äh Profit interessiert und, [Hm] oder müssen bestimmte Programme durchziehen, weil sie da. (.) Also da sind (.) die Interessen, da kommen noch viel, viel andere Interessen mit hinein, und so, im Zusammenarbeit mit der Uni hät ich das Gefühl, es geht wirklich, (.) dass die höchste Priorität liegt darin dem Kind zu helfen, [Hm] auf dem kürzesten Wege. [Hm] (..) Und das würde mir bei vielen anderen Dingen, hätte ich das Gefühl, da gäb’s noch (..) tausend andere Sachen, die ich da äh ertragen muss, oder erst mal aus dem Weg räumen, bis wirklich das, was ich eigentlich möchte, realisiert wird, [Hm] wenn überhaupt. 19:32 I Welche (.) oder was kannst du denn dem Interviewprotokoll, dem Auswertungsbogen und den Ausprägungsgraden entnehmen? 19:43 L Also das (.) find ich noch teilweise nen bisschen so, hätt ich jetzt noch ein Bedürfnis das noch ein bisschen (..) zu optimieren. [Hm] Aber schon so ne, erst mal so ne grobe Richtung, so’n, so’n (...) Status [Hm] und, ja ganz klar, dann einfach Bereiche, die (.) entweder noch äh Übung brauchen oder die auch, (.) zum Beispiel bei Kristin war klar, wir hatten das Messen noch nicht thematisiert und deswegen hat sie da auch völlig schlecht abgeschnitten [Hm], weil sie einfach, und das wohl auch zu Hause noch nicht gemacht hat, (..) wo man ganz klar sagen kann: Oh ja, (.) [Hm] müssen wir unbedingt noch machen (.) und äh (.) Also es hat schon, es gibt so ne ähm, so ne grobe Rückmeldung [Hm] finde ich. Aber so die feinere (...) äh die, die feinere Rückmeldung, die kriegt man wirklich nur, wenn man dabeisitzt [Hm] und dabei ist. 20:42 I Und was meinst du in welcher Richtung optimieren? 20:47 L Mh, (.) um dass vielleicht auch schneller ablesen zu können. (.) Aber das war jetzt so ne spontane Idee, ob das [Hm] überhaupt so gut ist, weiß ich nicht. 20:55 I Kannst du denn da irgendwelche Förderimpulse oder Ansatzpunkte draus entnehmen? 21:01 L Ja, also erst mal schon, aber, aber das reicht nicht aus. Man muss dann natürlich noch mal genauer hingucken. [Hm] Also ich würde, glaube ich, dann äh (.), wenn ich jetzt da so’n Förderkonzept erstellen würde noch mal bei denen Ausprägungsgraden, die halt nicht so, nicht so hoch waren, noch mal genauer hingucken. [Hm] Aber jetzt nur aufgrund des Protokolls fänd ich’s noch ein bisschen auf, (.) also noch nicht so sicheren Boden, da [Hm] schon so was zu erstellen, also würd ich noch mal so’n (.) Instrumentarium vorschalten. [Muss auch nichts aufwändiges sein. 21:33 I [Und was würdest du da machen? 21:35 L Ja noch mal gezielt äh ähnliche Aufgaben dem Kind noch mal [Hm] geben, oder Aufträge [Hm]. 21:42 I Hat sich durch das Schülerinterview bei dir so’n Perspektivwechsel vollzogen? 21:51 L Auf’m Unterricht nicht. (..) Und auf die Schüler eigentlich auch nicht. Also ich, ich hatte den vorher auch schon, aber ich hab ähm (.) wurde noch mal darin bestärkt, dass es äh richtig ist, so Anhang 208 auf die Kinder zu schauen [Hm, hm]. 22:09 I (…) Gibt’s irgendwelche Veränderungen, die du an dem bestehenden Interview vornehmen würdest? 22:16 L (…) Könnte ich so spontan, also die, die Kleinigkeiten, die hatten wir ja auch schon mal in der Veranstaltung besprochen, [Hm] (.) Ähm, also für mich wär’s auch (..) ähm sehr hilfreich, wenn das noch mehr, (.) nach äh nach oben hin mehr Möglichkeiten bieten würde, also so. 22:35 I Noch schwierigere [Ja] Aufgaben? Hm. 22:39 L Oder eben (.) auch vom, vom ähm Niveau her. Also jetzt vielleicht gar nicht m(ehr) die größeren Zahlenräume, sondern (.) äh um äh (.) also ich hab so, so zwei, drei Jungen, die gerne auch noch mal unter die Lupe nehmen würde, und da hab ich das Gefühl, da würde ich mit dem Interview überhaupt nicht weit kommen. [Hm] 22:58 I Wie, was meinst du mit, mit höherem Niveau? 23:02 L Also, (.) ja teilweise schon dann größere Zahlenräume, aber das ist es nicht, sondern (.) im Hinblick auf Strukturen und äh (..) so, also (..) diese mathematischen Zusammenhänge [Hm], das fehlt noch ein bisschen, es geht eigentlich mehr nur um dieses (.) Basale. 23:23 I Und, beschränkt sich das jetzt, sag ich mal auf den Arithmetikbereich, was du grad gesagt hast, oder bei allen Bereichen, auch bei den Anwendungen und bei der Geometrie? 23:31 L Ne, es ist mir besonders beim Arithmetikbereich aufgefallen. [Hm] 23:38 I Wie bewertest du denn das Schülerinterview insgesamt so? 23:41 L Also, bisher fand ich’s äh sehr hilfreich. [Hm] Und ne (...) eine (...) ja, ne (.) wie soll ich sagen, ne (.) von, von der Idee her, vom Konzept her, ne gute (..) hm, fehlt mir jetzt so ein geeignetes Wort, also so ne (..) zukunftsorientierte (.) Herangehensweise. Also ich, ich find, man sollte auf jeden Fall immer wieder sich zusammensetzen und das optimieren, oder [Hm] mit Leuten zusammensitzen, die regelmäßig (.) damit arbeiten, um, um’s (.) immer wieder anzupassen. [Hm] Damit’s auch (.) auf jeden Fall (..) sinnvoll ist. [Hm] Aber die Idee find ich sehr gut. 24:32 I Kannst du dich erinnern, wie du dich auf das erste Interview vorbereitet hast? 24:37 L Also noch sehr starr (.) (schmunzelt kurz) und äh da war ich auch noch ziemlich äh, also so, da war ich noch sehr stark mit mir als Interviewerin beschäftigt, [Hm] um das alles geregelt zu kriegen. 24:50 I Wie viel Zeit hast du dafür gebraucht? 24:54 L Also (.) zwei Stunden. (...) Also ich musste mich ja mit dem Material nicht beschäftigen, ich hab mich dann einfach mit dem Leitfaden noch mal so [Hm] und mir, mir so, so durch farbliche (..) Markierungen das äh Durchkommen erleichtert [Hm]. 25:12 I Und hast du irgendwann mal zugeguckt bei einem anderen Interview? 25:15 L Ja, hatte ich vorher [Hm]. 25:18 I Hat es dir was, hat geholfen? 25:20 L Ja, auf jeden Fall. (..) Um äh schon mal so ein Eindruck zu kriegen, und auch (...) ja, die ganze Situation schon mal erlebt zu haben, ohne dass man selber am Agieren [Hm] ist, find ich ganz wichtig. 25:35 I Wie stark prägt sich denn so ein Schülerinterview ein? Im Gedächtnis? 25:40 L Bei mir stark. Also ich hab die alle noch ganz präsent. [Hm] Und konnte das jetzt auch in Elterngesprächen, die jetzt stattgefunden haben, noch so, (..) davon zehren, also auch in, in meiner ganzen Sicht auf das ganze Kind, also [Hm] auch so auf die Persönlichkeit. 25:56 I Hat sich das auch ausgewirkt auf das Schreiben von deinen Zeugnissen, (.) was du da erlebt hast? 26:02 L Das kann ich jetzt so nicht sagen, weiß ich nicht. (..) Aber sicherlich hab ich einfach dann von dem Kind noch mal, (.) noch ein intensiveren Eindruck, als [Hm] jetzt von Kindern, mit denen ich das nicht gemacht hab, ganz klar. 26:17 I Meinst du denn das Schülerinterview ist ein geeignetes Instrument, um den regulären Unterricht zu unterstützen? 26:25 L Ja, also jetzt nicht direkt, aber indirekt schon. [Hm] (...) Also ich glaube, es schärft den Blick auf das Wesentliche (.) [Hm]. 26:39 I Was hältst du denn von der Aussage: Das Schülerinterview als Katalysator für die Verbesserung des Unterrichts, oder der Unterrichtsqualität? 26:50 L Da weiß ich jetzt nicht so richtig, was mit Katalysator gemeint ist (...). Als ähm (...). 27:01 I Also ich dachte so’n bisschen als, als Anstoß, [Hm] oder so. Oder Antreiber. 27:06 L Ja, auf jeden Fall. Also wenn man sich öffnet, also, (.) also ich, oder ich sprech jetzt mal nur so von mir. [Hm] Ja, auf jeden Fall. 27:16 I Stehen denn für dich der Aufwand für das Schülerinterview und der Nutzen in nem rechten Verhältnis? Anhang 209 27:21 L Also es, ähm es dauert lange, bis man richtig so rein kommt. Am Anfang hatte ich das Gefühl, es steht in keinem Verhältnis. [Hm] Aber man wird ja routinierter und jetzt find ich steht es in nem (.) guten Verhältnis. (..) Ähm, aber man muss sich einfach die Zeit geben, dass es länger dauert, bis man damit vertraut wird. [Hm] (.) Wie bei vielen Dingen. (..) Aber, (.) doch steht es (bezogen auf das rechte Verhältnis). 27:49 I Und jetzt steht’s in nem rechten Verhältnis, weil du dich irgendwie wohler fühlst beim, (.) beim Führen des Interviews, und das auch nicht mehr so lang dauert, oder wieso? 27:58 L Ja, weil ich auch ähm (.) routinierter werde, und dadurch ähm mehr Kapazität hab, dann das Kind wahrzunehmen und dadurch hab ich mehr von dem Interview. [Hm] Anfangs war ich zu sehr noch mit den Abläufen beschäftigt, und dann war ganz viel noch so gebunden, [Hm] was jetzt frei ist und mir auch hilft. 28:17 I Beim Besuch vom HKM hat eine Lehrerin gemeint: Das Schülerinterview sei so ne schleichende Lehrerfortbildung. (.) [Hm] Was hältst du denn davon? 28:26 L Also find, seh ich auch so. (..) Ähm, ich würd’s gar nicht mal schleichend nennen, ich denke, man ist dadurch (.) immer wieder (.) angehalten (..) auf das Wesentliche zu achten. (.) Und, und man hat einfach den äh regelmäßigen Austausch (.) ähm, mit anderen Interessierten, und (.) kann sich dadurch fortbilden. Aber es sollten vielleicht noch begleitend, also um’s für mich zu ner richtigen Fortbildung werden zu lassen, müssten da noch ein paar mehr Angebote kommen. Aber so 29:02 I Was könntest du dir da vorstellen? 29:05 L Ja, dass ich noch mehr, (...) also, dass ich jetzt noch mehr ähm Handlungsmöglichkeiten finde für Kinder, die ein richtiges Problem haben. Also mehr therapeutische Kompetenzen erwerbe. [Hm] (.) Ähm, also da fehlt mir noch ein bisschen. (.) Also, sicherlich habe ich meine Ideen, warum manche Kinder ein Problem haben mit Mathematik, [Hm] aber das sind erst mal n(ur), nur noch Ideen [Hm] und da hätt ich gern noch (.) äh mehr handfeste Argumente oder (…). 29:43 I Passend dazu ist vielleicht hier das, das ist ein Interviewausschnitt mit nem, mit nem Lehrer, und da interessiert mich einfach, was du denn, wie du darüber denkst. (..) Ob du seine Meinung teilst, oder (.) das anders siehst. 30:33 L (30.00-30.33 L liest den Text von A.G.) Hm, also ich, ich glaub auch, dass man schon genauer hinschauen sollte, wenn, (.) welche fachfremde (.) Lehrer man’s machen lässt, oder, oder zunächst erst mal nicht alleine machen lässt. [Hm] Ähm, also fachfremd, ich glaub manchmal (.) ist auch, auch selbst, das vielleicht studiert zu haben jetzt kein Garant (.) für ne differenzierte Sicht, sondern eher vielleicht ähm, (.) inwieweit Lehrer bereit sind in die Tiefe zu gehen, oder sich wirklich den Dingen zu stellen. [Hm] Und ich denk, wenn man dazu bereit ist und ähm, (..) dann sollte man die das ruhig machen lassen. Aber auf jeden Fall denen, die dass (..) ähm äußern, auch noch mal professionelle Begleitung anbieten. [Hm] Auf jeden Fall, weil ich glaub ohne die, ist es, kann das auch (..) wenig effizient sein [Hm]. 31:36 I Ne andere Lehrerin meinte, da als HKM-Leute da waren: Das Schülerinterview würd sich auf die ganze Schullaufbahn auswirken, und sie brauche zwar zwei Stunden für’s Interview, aber (.) das wär nicht so schlimm, weil sie danach effektiver mit dem Kind arbeiten könnte und dann würde sie letztendlich Zeit sparen. 31:55 L Ja, denk ich auch. Das äh seh ich auch so. Und ich glaube es, äh es, es bietet auch die Chance ein anderes Verhältnis zur Mathematik zu (.) ähm (..) zu initiieren, bei dem Kind. Und weil ich glaub, [Hm] viele Blockaden, die sind nur da, weil man vermeintlich Angst vor Mathematik hat, oder Mathematik sind einfach nur abstrakte Zeichen, die sinnentleert sind, und, und dass (.) also, die Chance ist da, dass ähm, dem Sinn zu geben. Und, [Hm] und auch dieses Gefühl zu entwickeln, eigentlich kann ich’s, ich kann nicht alles, aber es gibt Dinge, die kann ich, und, und dann gibt’s Dinge, die brauch ich in meinem täglichen Leben und das nennt, nennt sich auch Mathematik. [Hm] Um dieses (..) Und dadurch wirkt sich’s auf die ganze Schullaufbahn aus, auf jeden [Hm] Fall. 32:47 I Jetzt kommen noch ein paar Fragen: Hast du Mathematik als Fach studiert? 32:51 L Ja. 32:53 I Und wie schätzt du dein persönliches Hintergrundwissen in Mathematik ein? 32:59 L Ähm, (.) jetzt bezogen auf die (...) auf die Kompetenzen, die im Interview gefragt werden, oder? 33:09 I Allgemein (.) wie, wie sicher dich, du dich fühlst in Mathe und 33:13 L Also ich glaub, ich hab mich immer sehr sicher gefühlt, aber auch weil ich, (.) ich glaub nen guten Lehrer hatte. [Hm] Und ähm, ich hatte keine Angst (.) vor Mathematik. (.) Und hab auch nicht so (..) und hatte auch ähm, (.) ich glaub, ich war auch offen für dieses Spielerische an der Mathematik [Hm] und dadurch äh bin ich vielleicht auf die gleichen Probleme gestoßen wie ein anderer auch, der dann völlig kapituliert hat: Und ich bin zu blöd, ich kann das nicht. Und ich Anhang 210 hab dann äh, bin da anders rangegangen, konnte es vielleicht genauso nicht, aber hatte ne andere Einstellung dazu. [Hm] Und war dadurch (.) offen, oder hab, hab da nie das völlig (.) äh weg, abgetan oder nur als nen Gewaltakt angesehen, den ich schnell bewältigen muss, so [Hm]. 34:01 I Das ist jetzt bezogen auf deine Schulzeit? 34:33 L Ja. [Hm] 34:06 I Und so jetzt nach’m Studium, oder, oder im Studium? 34:10 L Naja, dass war ja dann so 34:13 I Hast du denn Kurz- oder Langfach gemacht? 34:15 L Kurz(fach). [Hm] Und ich hab das ja auch in der DDR, (..) also da war das ja auch so ein bisschen, (...) sicherlich anders als hier. (..) Aber es war immer ähm, also es hat mir Spaß gemacht. [Hm] Und, und ich glaub heute könnte, wär ich immer in der Lage (.) nen Problem zu lösen, oder mir, wenn ich’s gar nicht selber lösen kann, Hilfe zu holen, irgendwo. [Hm] Und würde dann auch nicht, (.) also ich erwarte auch nicht von mir, alles zu können. [Hm] Oder immer alles zu können, sondern dann, wenn ich es brauche, glaube ich bin ich in der Lage, es irgendwie zu lösen [Hm] so. 35:00 I Ist denn deiner Meinung nach die, die Einbettung von dem Schulerinterview in’n Unterrichtsalltag möglich? 35:06 L Ne, (..) finde ich, also so wie’s jetzt konzipiert ist, (.) würde ich das nie machen. 35:13 I Und wie könntest du dir das vorstellen? 35:15 L Zu zweit vielleicht oder, na ja dann halt fast zu dritt. 35:22 I Wie meinst du zu zweit oder fast zu dritt? 35:24 L Na ja, weil man brauch ja eigentlich zwei Leute für das Interview und dann [Hm] müsste ein dritter noch den normalen Unterricht machen. [Hm] (.) Weil ähm, also dass fände ich bisschen (..) äh sehr oberflächlich, also man würde dann oberflächlich Unterricht machen und oberflächlich das Interview durchführen, und dazu ist es zu, zu wertvoll, als dass man es so halbherzig macht. [Hm] (.) Also dann lieber diese ein, zwei Stunden hinterher investieren und, (.) und dann ist auch dieses äh bizarre, diese Situation, die da entsteht, diese, diese Beziehung zu dem Kind, die ist dadurch auch viel intensiver, als [Hm] so im Unterricht, (.) würde das gar nicht so (.) intensiv werden. [Hm] Außerdem wär ich da nur mit zehn Prozent meiner Aufmerksamkeit dabei und das wär nicht gut. 36:12 I Weil die anderen neunzig Prozent wären bei den restlichen Kindern. [Ja] Hm. 36:16 L Oder St(örungen), durch Störungen (.) gebunden. [Hm] 36:25 I Welche Art von Evaluation für das Projekt hältst du denn für sinnvoll? 36:30 L Hm, (Lacht). 36:32 I (Lacht). 36:36 L Ja, auf jeden Fall äh (.) Schüler, die’n Problem haben, dass man die sich genauer anschaut. [Hm] Ob denen (.) besser geholfen werden kann, also diese therapeutische Komponente. [Hm] Und genauso (..) Schüler, die ne besondere Begabung haben, [Hm] ob die dadurch vielleicht. (..) Also ne Evaluation im Sinn von äh, wie, wie differenziert ist es. [Hm] Also unterscheid(en), meiner Meinung nach unterscheidet es sich (.) ganz stark, also bei den anderen Diagnoseinstrumentarien werden eher so in der Breite so ein bisschen, (.) so’n Status erhoben, und die besondere Qualität dieses Interviews ist es, sind die Feinheiten. [Hm] Dass ich von jedem Kind genau weiß, das hat da und da Kompetenzen und in dem Bereiche muss es noch üben. (.) Und äh (.) ja, inwieweit sich das so auf so ne allgemeine Lernentwicklung auswirkt. [Hm] Aber wie jetzt so ne Evaluation, ich mein da könnte man wahrscheinlich (..) ne Habilitation drüber schreiben, oder so [Hm] 37:47 I Und wie, wie denkst du über die, die Lehrerfragebögen und die Lehrerinterviews? 37:54 L Ähm, (..) also aber auf jeden Fall erst mal ne, ne gute Möglichkeit, also den Fragebogen fand ich erst einmal lästig, weil es war so (.) ja oft halt auch so im Stress und [Hm] ähm (.) aber jetzt so, so ne Form find ich schon viel äh (..) wirksamere oder gehaltvoller [Hm]. 38:15 I Für dich jetzt auch? 38:16 L Ja, weil’s n ganz anderer Rahmen ist [Hm, hm]. 38:20 I Hängt das auch damit zusammen, dass es jetzt außerhalb der Schule ist, oder? 38:25 L Ja, sicherlich auch. Also ich glaub, wenn wir uns irgendwie so nach dem Unterricht getroffen hätten und ich noch so (.) voll unter Strom äh (.) hätte ich wahrscheinlich gar nicht gemacht. Hätte ich gesagt: Ne, geht nicht, will ich nicht. [Hm] 38:38 I Das weil es, weil du da noch so zu angespannt gewesen wärst, oder wieso? 38:43 L Ja, weil ich da noch nicht so richtig reflektieren kann, also [Hm] das kann ich erst besser, wenn ich entspannt bin. 38:49 I Bisschen Abstand. Anhang 211 38:50 L Ja. 38:51 I Hm. (..) Hast du denn irgendwie mitgekriegt, ob’s mehr Gespräche im Lehrerzimmer oder unter Kollegen über Mathe gab, seit dem (.) Schülerinterview? 39:01 L Würd ich schon so sehen. Ich mein, an unserer Schule ist das jetzt nicht unbedingt so’n Maßstab, aber (.) ich glaub schon, dass das ähm (..) also wenn man bereit ist, sich drauf einzulassen, den Blick auf das Wesentliche richten kann. [Hm] Die Chance ist da. 39:21 I Und welcher Art waren dann die Gespräche? 39:26 L Ja, dass man, also eher auch so, dass was ich selber beobachtet hab, dass man verblüfft ist, dass bestimmte Kinder (.) die, die einem sehr nebulös erscheinen, oder wo [Hm] man nur denkt: Oh, die ist schwach, ne, und hat einfach nur schwach, so [Hm] und dann einfach ne differenziertere Sicht, äh (.) das ist ja doch irgendwelche Kompetenzen gibt, die das Kind, weil es schon so in dieser Rolle ist, schwach zu sein, gar nicht mehr zeigt. [Hm] (..) Und das eben bezogen auf Mathematik ganz klar. Dass man da einfach denkt, die räumliche Vorstellung ist top, oder [Hm] ne [Hm] so. 40:04 I Wie ist es bei euch denn im Kollegium (.) gibt’s welche, also sind, sind alle informiert, nehmen alle teil, oder führen alle sogar aus? So’n Interview? 40:13 L Ne, nehmen nicht alle teil. (..) Also nur, eigentlich nur Almut und ich und Brigitte. [Hm] Und Sabine hat mal eins gemacht, Sabine Most. [Hm] (...) Aber es ist schon einfach dadurch mehr in der, in der Wahrnehmung [Hm] und ich glaube, also wenn es jetzt auch so, so ist, dass da so ne Stelle installiert wird, und ich krieg da ne Debutatstunde, dass auch äh bestimmte Lehrer, wenn sie merken ich hab da ein Prob(lem), ein Kind, das hat ein Problem, [Hm] dann zu mir kommen, und einfach [Hm] vorher (.) nichts gemacht hätten oder irgendwie den Eltern nur gesagt haben: Tun Sie was, aber ich kann Ihnen jetzt auch nicht (.)[(Lacht)] so weiterhelfen, ne. 40:55 I Weiß auch nicht, was ich Ihnen sagen soll. (Lacht) 40:57 L Genau. [Hm] Und so könnten sie sagen: Wir haben da ne Möglichkeit, Ihnen zu helfen. [Hm] (..) Und ich für mich finde es gut, ich will, ich hab da noch ganz viele Fragen offen, warum Kinder ein Problem haben mit Mathematik und was genau da vielleicht ein Problem sein könnte, und das hat sich schon ein bisschen mehr in so ne Richtung gef(ormt?), also die, fokussiert. [Hm] So meine Ideen sind schon da [Hm] andere. 41:30 I Wie bewertest du denn das Projekt, nach dem einen Jahr, was jetzt rum ist? 41:38 L Also, ähm es ist sehr aufwändig, [Hm] (.) aber äh ich glaub, wenn, wenn es die Möglichkeiten gibt, also man muss ihm auf jeden Fall gerecht werden, ich fänd’s sehr schade, wenn es weiter so läuft, wie es bisher gelaufen ist, weil man dann, also ich kann mir vorstellen, dass es viele es dann lassen, oder nur halbherzig machen. 42:01 I Was, was meinst du mit: Wie’s bisher gelaufen ist? 42:04 L Also so nebenbei und zum Nulltarif. [Hm, hm] Wenn man aber andere Möglichkeiten hat, zum Beispiel, dass Studenten kommen und sagen: Wir holen mal morgens ein Kind raus und machen das, [Hm] dann hat man viel weniger Aufwand, dann muss man nicht erst irgendwelche Eltern äh lange, also dann geht das einfach reibungsloser. [Hm] Oder man, man macht nachmittags das erste und den zweiten Teil irgendwann mal vormittags und kann einfach ein Kind mal einfach rausschicken und. [Hm] Also wenn einfach, es müsste noch äh, es muss, muss noch reibungsloser gehen. 42:41 I Würdest du dann gern beim Interview dabei sein, oder würdest du auch das Kind einfach abgeben? 42:45 L Also ich würd grundsätzlich gern dabei sein. [Hm] Aber es ist gut zu wissen, wenn ich überhaupt keine Zeit habe, dass es nicht an mir liegt. Also dass es auch stattfinden kann ohne mich. [Hm] Das ist ein gutes Gefühl. 42:57 I Und was meinst du, was du für Informationen dann bekommst? 43:02 L Na ja, das kommt dann eben auf die Person drauf an, [Hm] ich hoffe, dass ich dann immer (.) alle Informationen bekomme, die ich brauche. Bisher hat’s geklappt, [Hm] aber es kann sicherlich dann unterschiedlich sein, je [Hm] nach den Personen. 43:15 I Ach warst du jetzt nicht bei allen äh vier Interviews, die du geführt hast, dabei? 43:20 L Ich bin bei einem früher gegangen, [Hm] weil ich nen wichtigen Termin hatte und das ist aber dann super gelaufen, da hab ich nachher ganz lange telefoniert mit der Studentin [Hm] und hatte ne differenzierte Rückmeldung. [Hm] Das war o.k. 43:31 I Schön. (..) Und was würd’st du dir wünschen noch mal so für die Fortsetzung, wie das auch mit der Uni weiterlaufen soll? 43:40 L Also dass es ähm (...) auf jeden Fall ähm irgendwie noch anders installiert werden muss, dass man das nicht so stark als Belastung erlebt. [Hm] Also dass es auch, dass es sich mehr so einfügt. [Hm] Und dass diese Treffen (.) hm (...) wirklich nur für Leute, die interessiert sind an nem inhaltlichen Weiterkommen, also bisher war das ja eher nur so ne Treffen, was so die Anhang 212 Abläufe anging, [Hm] und, und wie, und dass es mehr wirklich so äh fachinhaltlich zur Sache geht. [Hm] Und dann nur für’n interessierten Kreis. 44:30 I Dann vielleicht auch themenspezifisch oder so, [Ja, genau] dass die Leute sich [Genau] aussuchen können. [Ja] Hm. 44:36 L So, wie’s jetzt ja eigentlich auch so angedacht ist, [Hm] glaube ich macht’s mehr Sinn. [Hm] Hat man mehr davon. 44:42 I Dann kann man sich vielleicht auch mehr selber einbringen, oder? 44:44 L Ja. [Hm] 44:47 I Würd’st du denn das, wenn du das im Zusammenhang mit den Bildungsstandards hörst das Schülerinterview, das irgendwie da dran anpassen? 44:55 L Ja, das find ich ganz schwierig. Also das haben wir ja auch mal versucht, [Hm] weil ich das Gefühl hab, da, da, das geht so’n ganz andere Richtung. Man [Hm] sollte es auf jeden Fall versuchen, um da auch irgendwie in der Zukunft argumentativ äh Möglichkeiten zu haben. [Hm] Also, ich, ich würde mal sagen für die, für die Außendarstellung ist es auf jeden Fall wichtig, [Hm] dass man das versucht. Aber für mich, in meinem (.) Umgang mit dem Interview ist das glaube ich nicht nötig. [Hm] (.) Also da muss man einfach trennen zwischen (.) äh sag ich mal inneren (Lacht) Überlegungen und den für die (..) [Hm] (.) für die Ämter und [Ja] so. 45:46 I Und wie sieht’s aus, wenn du das Wort hörst: Irgendwie Orientierungsarbeiten, Vergleichsarbeiten und Schülerinterview? 45:52 L Ja schrecklich, passt überhaupt nicht zusammen. (..) Also ich befürchte ja, dass viele dann nur für, also sehr ergebnisorientiert (..) auswendig lernen und dann wird’s sicherlich auch Möglichkeiten geben für Leute mit entsprechenden finanziellen Möglichkeiten, sich da ganz gezielt drauf vorzubereiten. [Hm] Und das Interview ist ja eher auch an dem Prozess interessiert ne, an den Strategien und von daher passt das (.) nicht wirklich. Also man, es ist sicherlich, es lohnt sich sicherlich da, die Berührungspunkte zu erkennen, [Hm] um dann auch Argumente zu haben, an den geeigneten Stellen, wo vielleicht auch Gelder fließen, [Hm] oder wo sonst vielleicht jemand das kappen könnte, aber für mich, so in meinem Kopf, sind im Moment noch zwei ganz getrennte Dinge. [Hm] Im Moment. [Hm] 46:47 I Jetzt zu den studentischen Assistenten, du hast ja vorhin schon mal erwähnt. Worin unterstützen die dich denn? 46:53 L Also ich find, dass ist ne große Erleichterung, weil äh, (.) weil die ganz viel Arbeit abnehmen, die so, die so Zeit frisst [Hm] und ähm, und ich eigentlich, wenn’s optimal läuft, mich mit den, nur noch mit dem Wesentlichen beschäftige, und den ganzen, (..) diese ganzen Zeit- und Energiefresser, die sind weg. [Hm] Das ist gut. 47:20 I Was für eine Rolle haben die für dich? 47:24 L Also ich find’s gut, die kommen noch mal von außen, [Hm] sind also jetzt keine (.) im System, (.) und äh für die Kinder ist es auch (.) noch mal, kriegt das noch mal ne andere Wichtigkeit. [Hm] (.) Und (...) ja und die gehen oft da noch so ganz (.) frisch ran, oder so [Hm] unbedarft. (..) Und das hilft mir dann manchmal auch irgend, aus irgendwelchen Mustern, also dass mir auch bestimmte Denkmuster bewusst werden und vielleicht irgendwann, [Hm] dass ich die lassen kann. 48:02 I Arbeiten irgendwelche studentischen Assistentin im Rahmen ihrer Staatsexamensarbeit mit befragten Kindern zusammen oder haben [Noch nicht] das manche angedacht? 48:11 L Fänd ich gut, ja. Aber ist noch, bei mir nicht. [Würde ich total schön 48:14 I [Und wie könntest du dir das vorstellen? Was die machen? 48:17 L Na ja zum Beispiel so ein Förderkonzept erstellen für ein Kind. [Hm] Oder so ne Lernentwicklung beobachten. [Hm] Regelmäßig einmal im Monat kommen und das Kind beobachten, [Ja] das fänd ich total gut. 48:31 I Hättest du da ein Kind, wo du dir das vorstellen [Ja] oder wünschen würdest? 48:34 L Hab ich ja auch schon mehrmals gesagt. Jaja. 48:37 I Beim wem wär das? 48:38 L Franziska. [Hm] (...) Und ich ähm (..) was ich auch noch ganz (..) oh superhilfreich fänd, wär so’n, noch konkrete Unterrichts- (.) ideen, [Hm] die, (.) die im, im Sinne des Interviews da noch mal Inhalte [Hm] aufarbeiten. Also Ideen, die ich vielleicht auch hab, aber wo mir einfach die Zeit fehlt und, oder Hilfe bei der Realisierung von Unterrichtsideen, die mir vielleicht auch während des Interviews kommen, oder in, (.) [Hm] in der Auseinandersetzung mit dem Interview, äh ich dann aber, mir die Zeit fehlt und ich dann die Möglichkeit hab zu sagen so, und so, und so hätte ich’s gern und kann man [Hm] das nicht vorbereiten. 49:26 I Könntest du dir das vorstellen, mit, mit ner Studentin da zusammen zu arbeiten? 49:30 L Total gerne. Anhang 213 49:31 I Ja? 49:31 L Ja. 49:32 I Zu sagen: So ich hab ein paar Ideen und setz mal um, und dann machen wir das zusammen [Ja] oder so? 49:36 L Oder sie kann das dann auch gerne selber ausprobieren und ich bin dabei, oder ja. Total gerne. [Hm] (.) Weil es gibt [immer so viele schöne Sachen. 49:42 I [Müssen wir mal gucken. 49:43 L Und man hat dann einfach, es, (.) ja es fehlt dann die Zeit, oder es flutscht [Hm] einem weg, oder [Hm] das. 49:52 I Guck mal, hier hab ich die, die ähm (.) Interviews von den Lehrern so ein bisschen versucht auszuwerten und ein paar so, quasi Kategorien gebildet. (.) Welche Kategorie wär denn dir die Wichtigste? Von den sieben Stück, die da stehen? 50:09 L Also (.) wie jetzt Kategorienbewertung? 50:14 I Genau. Unterrichtsunterstützung 50:18 L Und wa(s) äh, was, was soll das erste bedeuten? Bewertung des Schülerinterviews? 50:22 I Da, da kommen halt so Sachen wie: Ich find das Schülerinterview hilfreich, aufschlussreich, aufwändig, zeitaufwändig, materialaufwändig, [Hm] hm, dann aber auch so Sachen wie (.) ich hab selber Spaß dran als Lehrer, [Hm] oder die Schüler haben Spaß dran, solche Rückmeldungen mehr. [Hm] (..) Und dann das andere ist halt so, ja Unterrichtsunterstützung auf verschiedenen Ebenen, [Hm] dann allgemeine Schulsituation, wo einfach Rückmeldungen kommen von den Lehrern, dann Kooperationspartner ist die Uni gemeint, [Hm] neue Ausbildungsmodelle hauptsächlich die studentischen Assistenten, (.) wo wir das ja als SPS anrechnen, oder auch wo teilweise in manchen Schulen die Referendare damit eingebunden werden, und dann Elternarbeit, ja [Hm] was du vorhin schon selber gesagt hast mit Elterngesprächen und Kompetenzen des Lehrers, das hab ich immer mit dazugenommen ähm, ja dann ist das so was wie: Hat Mathe studiert, fühlt sich sicher, [Hm] unterrichtet gern Mathe und so was. 51:30 L Dann ist es, wär’s die Unterrichtsunterstützung. [Hm] Also jetzt die Förderung und (.) ja und die Schulentwicklung, das find ich auch ganz wichtig. Wo (.) ähm, wo geht’s hin mit dem Mathematikunterricht. [Hm] Dass es in die, meiner Meinung nach, richtige Richtung gehen sollte, und [Hm] dass das Interview dazu ein Beitrag leistet. 51:53 I Hast du den Text gelesen? Dieser. 51:56 L Ne. 51:57 I Oder? Gut. Willst du noch was sagen? (Lacht) 52:00 L Nein. 52:01 I Dann sind wir fertig. (Lacht) Ich danke dir. Anhang 214 Transkript des ersten Lehrer-Interviews mit der Lehrerin NS am 28.01.04 Episode 1 00.01-00.49 Vorstellen des Inhalts des Schülerinterviews Zeit Person Text 00.01 I Also noch mal wollt ich mich bedanken, dass du dich bereit erklärt hast, da mitzumachen und die Evaluation damit zu helfen von dem Schülerinterview [Hm] und es steht das Schülerinterview im Mittelgrund und nicht irgendwie zu gucken, was die Lehrer produzieren, sondern bringt es, ja, liefert es Unterstützung und beim Unterricht oder auch insgesamt für die Schule dieses Interview. Und ich hab jetzt das Gespräch, es sind mehrere Bereiche. Das Erste sind spontane Äußerungen zum Schülerinterview, dann geänderte Sicht der Lehrerin auf das Kind, förderdiagnostischer Nutzen, Bewertung und Bedarf an Information und Kooperation. [Hm] (00.49) Episode 2 00.49-02.22 Spontane Äußerung zum S-Interview Zeit Person Text 00.49 I Was möchten Sie spontan zum Schüler-Interview sagen? 00.53 N.S. Also insgesamt bin ich schon positiv von dem Ganzen überrascht. Ich bin mehr so mitgegangen am Anfang, wusste gar nichts drüber letztendlich, [Hm] sondern der Herr Gerland hat halt nur gesagt, wir machen da was an der Uni, hat was mit Mathe zu tun und so und Diagnostik. Und da hab ich gedacht, hört sich gut an, da geh ich einfach mal mit und am Anfang, als man dann so das ganze Material kriegte, da dachte man schon “oje”. Also, es ist halt ne Menge an Material, an Fragen und so und das erste Interview fand ich auch aufregend, muss ich sagen. “Also, ob man das so hinkriegt, mit dem ganzen Ablauf” und gut, die Studentinnen haben uns ziemlich dabei unterstützt, so sortiert gehabt, dass es wirklich relativ reibungslos ging. [Hm] Und dann war ich gleich, gleich nach dem Ersten, eigentlich recht begeistert von der Sache. (01.33) Episode 3 01.33-02.22 Nutzen des Schülerinterviews 01.33 N.S. Weil ich auch gemerkt habe, es macht den Kindern Spaß, [Hm] (.) also, die kommen, die sind hinterher begeistert im Normalfall, sag ich jetzt mal, fast alle die wir gemacht haben und es bringt doch ne Menge, also für einen selber. [Hm] Jetzt an Informationen und auch noch mal so, dass eben die verschiedenen Bereiche abgefragt werden, das finde ich auch gut. Es ist eben auch Kindern, die (.) im arithmetischem Bereich schwächer sind, dass die eben auch sehen, was sie leisten können oder dass wir auch sehen, dass die dann zum Beispiel im Geometriebereich ganz toll sind [Hm] und so. Das ist, ich denke es lenkt doch noch mal den Blick auch auf andere Dinge. Dass man nicht das Kind so abstempelt, „oh die kann nicht so rechnen oder es fällt ihr schwer”, sondern dass man halt eher dann noch so sagen kann, „okay der Bereich, da muss gefördert werden, die anderen Bereiche sind aber gut” zum Beispiel [Hm]. (02.20) (..) Episode 4 02.22-03.06 Durchführung des Schülerinterviews 02.22 I Wie viel Schülerinterviews waren es denn bisher insgesamt? 02.24 N.S. Ähm, sechs 02.26 I Sechs und jetzt kommen dann noch weitere? 02.28 N.S. Ja. Und bei den Sechs haben wir es immer so gemacht, dass ich den Arithmetikteil übernommen hab, vom Interview, und der Herr Gerland hat den Sachrechenteil gemacht. 02.37 I Wollt ihr es auch mal umdrehen, oder? 02.38 N.S. Wir haben eigentlich gesagt, dass wir halt demnächst das mal machen, dass wir uns abwechseln, dass einer das Ganze macht. Also, das war nur am Anfang so an Vorbereitungszeit ähm, teilen wir es uns auf, dann kann man sich besser irgendwie rein denken auch in die Fragestellungen und so und jetzt haben wir gesagt, jetzt sind wir so drin, dass es kein Problem ist, das von vorn bis hinten hin durchzuhalten. Es ist halt ja, eine Konzentrationssache auch, aber man kennt die Fragen inzwischen ja recht gut. 03.04 I Wie lang haben sie denn ungefähr gedauert? 03.06 N.S. Also, das erste hat relativ lange gedauert. Ich glaube, ein drei Viertel Stunde oder anderthalb Stunde. Und von Mal zu Mal ging es auch ein bisschen schneller [Hm] und je nachdem welche Kinder wir hatten [ja]. Jetzt aus der Eins ein Kind, was sehr schwach war, das hat relativ kurz Anhang 215 nur gedauert. [Hm] Und sonst, also ungefähr eine Stunde [Hm]. (03.27) (....) Episode 5 03.31-05.29 Erkennen der math. Leistungen der Schüler durch das Schülerinterview (Nico) 03.31 I Was hast du denn über, durch das Schülerinterview über die Schüler und ihre mathematischen Leistungen erfahren? (..) 03.39 N.S. Ähm, also die Kinder, die ich nicht aus dem Mathematikunterricht kannte, [Hm] da hat’s mir natürlich schon auch was gebracht, dass ich die jetzt so ein bisschen besser kennen gelernt hab und ihre Fähigkeiten besser kenne. Bringt mir letztendlich wenig, wenn ich die Kinder im Unterricht nicht hab. Ich kann’s halt höchstens an die Klassenlehrer weitergeben. [Hm] Aber wir haben ein Kind interviewt aus meiner Klasse und das war hochspannend, weil das war halt ein Junge, wo ich schon dachte, “na, der ist ziemlich fit,” und ich konnte aber schwer einschätzen, wie sehr er sich so auskennt, weil so im Klassenverband (.) hat man oft nicht die Zeit [Hm] und deswegen hab ich genau gesagt, den Nico, den möchte ich mir mal genauer angucken. Und das war ja schon im Herbst, glaub ich, also da war der sechs oder acht Wochen in der Schule und also das war wirklich faszinierend, weil der im arithmetischen Bereich, da bei den Taschenrechneraufgaben uns sechsstellige Zahlen vorgelesen hat [Aha] und es wirklich erstaunlich war, wie viel er konnte und von daher hab ich schon noch mal einen anderen Blickwinkel jetzt für ihn, also weil ich weiß, ich weiß jetzt ganz konkret, wie gut er ist und dass ich’s auch fördern muss. Also, dass ich jetzt nicht sagen kann, na ja der rechnet schon ganz gut und kann schon viel, na ja, der kriegt noch mal ein Zusatzarbeitsblatt und dann ist gut, sondern er muss richtig gefördert werden. [Hm] Ich hab auch, dass ich ihn nebenher dann noch an Computer setze oder so, er braucht immer noch mal so extra Sachen und er fing sonst an, sich im Matheunterricht zu langweilen, verständlicherweise. Weil er halt bis Tausend im Kopf locker rechnen kann und die Aufgaben da bis Zwanzig sind natürlich lächerlich für ihn. [Hm] Und dass es halt den Umfang hat, hab ich erst durch das Interview mitgekriegt. Das hätte ich vorher nicht gedacht. Und es war eben nicht nur der arithmetische Bereich, sondern die anderen Bereiche auch, also er konnte auch mit einer Waage umgehen. Geometrie nicht so, wie die anderen Bereiche, dass ich dann auch gedacht hab, “gut dann kann man ihm auch solche Sachen geben, [Hm] also zusätzlich, um den Bereich auch noch so ein bisschen zu unterstützen”. (05.28) Episode 6 05.29-07.08 Förderung des interviewten Schülers Nico 05.29 I Was hast du jetzt schon gemacht, so umgesetzt von den Sachen? 05.32 N.S. Erstmal, dass ich ihm viel Zusätzliches an Material gebe [Hm] und ihn häufiger auch mal an Computer setze und da ist es einfach so, dass man einfach nach Stufen gucken kann, wie weit er ist und das macht ihm sehr viel Spaß. 05.43 I Und was macht er da am Computer? 05.44 N.S. Ganz verschieden, wir haben ja die Lernwerkstatt von der Schule [Hm], da kann man in Mathe alles Mögliche auswählen für alle Jahrgangsstufen, man kann dann einfach gucken, wie weit er kommt und kann dann es immer wieder schwieriger machen. [Hm] Und ihm [ 05.58 I [Was ist das für ein Programm? 06.00 N.S. Lernwerkstatt. 06.01 I Ja, also da dieser Matheteil oder ist das von irgendjemand von ihnen zusammengestellt? 06.07 L.S. Nee, das haben alle Schulen jetzt bekommen [Hm] die Lernwerkstatt und die deckt die verschiedene Bereiche ab. 06.13 I Ach dieses Programm heißt Lernwerkstatt? 06.15 N.S. Dieses Programm heißt Lernwerksatt [Hm] und oder bei Budenberg mit, da arbeiten wir auch gerne mit, kann man ja auch bis zur Klasse 4 einfach die verschiedensten Möglichkeiten. Also, da gibt Knobelaufgaben, so was macht er halt gerne, einfach Rechenaufgaben, dass er einfach auch gefordert wird, wirklich bis Tausend zu rechnen, zum Beispiel. Und ja immer, er macht das Normale meistens schon mit [Hm] einfach auch, weil ich, er konnte z.B. am Anfang die Zahlen nicht richtig schreiben, konnte aber prima damit rechnen, da war’s natürlich wichtig, dass er den Ziffernkurs genauso mitmacht, wie alle anderen auch [Hm] oder ja, dass er lernt die Rechenzeichen richtig zu benutzen, richtig zu schreiben, obwohl er weiß, dass 200 größer ist als 130 oder so, muss er es natürlich trotzdem richtig schreiben können. So was macht er dann mit, macht dann meistens so ein Arbeitsblatt meistens fertig in drei Minuten und dann kriegt er so seinen eigenen Lernplan und seitdem ist er sehr motiviert. [Hm] (07.08) Anhang 216 Episode 7 07.08-07.31 Positiver Nutzen des Schülerinterviews für Lehrer und Schüler 07.08 N.S. Also das hat schon uns beiden, denke ich, was gebracht [eher positiv. [Hm] (.) 07.13 I [also eher positiv. 07.15 N.S. Und auch jetzt, dann kamen die Eltern zum ersten Elterngespräch. Das ist ja normal, dass man das so macht [Hm] und dass ich einfach auch den Eltern gegenüber das locker vertreten konnte, was ich da sage. Ich konnte einfach ganz genau sagen, wie gut der Junge ist. [Hm] Ich hatte das jetzt einfach ja, so konkret ja, vor mir. (07.31) Episode 8 05.29-07.08 Nicos außerschulische Hochbegabtenförderung 07.32 I Wie haben die Eltern reagiert? 07.33 N.S. Also der Vater sagte, ja ihm wäre schon aufgefallen, am Anfang, dass es ein bisschen langweilig für ihn gewesen wäre, dass und da hab ich ihm das gesagt, also, es war noch relativ kurz nach dem Interview und das er schon wüsste, dass der ja eine Begabung hätte, aber ja er meinte eher so, das wäre schon, na ja, manche Jungen würden ja ganz gut rechnen, so ungefähr. Also ihm war eigentlich nicht klar, dass es schon herausragend ist. [Hm] Und das hab ich ihm noch mal so klar gemacht und auch ihm gesagt, dass es ja Möglichkeiten gibt, das zu fördern, dass es also verschiedene Sachen gibt, wo man ihn vielleicht hinbringen könnte, auch, dass er einfach zusätzlich noch was hat. Das Problem ist halt, die Eltern sind berufstätig und der Junge ist nachmittags alleine zu hause. 08.20 I Ganz alleine? 08.21 N.S. Ganz alleine, also mit der großen Schwester. Das heißt, dann kann keine Förderung passieren, weil die keine Zeit haben ihn irgendwo hin zu bringen [Hm] und jetzt haben sie aber wenigstens ein Computerprogramm auch angeschafft für ihn und ich weiß nicht welches, aber, wo er dann Nachmittags allein so’n bisschen am Computer sitzt und das macht er gerne.[Hm] (08.39) Episode 9 08.39-09.02 Nicos Leistungen im Bereich Geometrie, Veränderte Sicht auf das Kind 08.39 I Und wie ist es mit Geometrie? 08.40 N.S. Jetzt bei dem Computer? 08.42 I Nee, so allgemein, weil du ja gesagt [Hm] hast, da war er nicht so fit. 08.45 N.S. Hmh. (.) Na ja, da kriegt er von mir immer so zusätzliche Sachen, zusätzliche Materialien. [Hm] (...) 08.53 I Also hat sich deine Sicht auf das Kind ja schon geändert? 08.56 N.S. Ja, ich sag mal die Tendenz war nur klar, aber ich konnt’s nicht so einschätzen [Hm]. (09.02) Episode 10 09.02-10.41 Durchführung des Schülerinterviews in der Konferenz 09.02 N.S. [Hm] Und ich denke, dass es letztendlich auch zeigt, dass der Klassenlehrer das Interview führen sollte [Hm] oder zumindest der Mathelehrer. Klar, dass Derjenige, der wirklich das Kind auch aus dem Matheunterricht kennt, dem bringt’s das meiste. (Ja) Und auch wenn er es selber führt, ich denke, das bringt dann weniger, wenn wir das führen und demjenigen das dann so berichten oder so [Hm]. Gut, mit dem Video vielleicht, dass derjenigen es sich auf Video angucken kann, das ist ja auch eine Möglichkeit. 09.30 I Die saßen jetzt auch aber nicht mit drin? 09.31 N.S. Nee, [Hm] das ging organisatorisch einfach nicht [ 09.33 I [ach so, ja 09.35 N.S. Wir haben jetzt in der Konferenz mal drüber berichtet und die waren schon alle sehr interessiert und dann haben wir mal so ‘ne kleine, ja so ‘ne kleine Vorführung, sag ich jetzt mal, gemacht, wie das so abläuft und das Material mal gezeigt, [Hm] halt ohne Kind [Ja, ja] und das war schon interessant und ich denke, die haben Interesse. [Ja] Ist halt die Frage, inwiefern sie dann das tatsächlich dann selber führen wollen, aber also wir haben es schon mal so vorgestellt, dass es eigentlich der Mathelehrer selber führt. 10.02 I Und dann in der Konferenz, wo ihr quasi die Materialien und den Interviewleitfadenaufgaben und vorgestellt oder was? 10.08 N.S. Ja, wir haben das so ein bisschen durchgespielt. Also, der Frank, der Referendar musste das Kind dann so’n bisschen spielen, ja, wir haben einfach so Beispiele daraus gemacht. 10.16 I Welche Beispiele waren das so? Anhang 217 10.17 N.S. Aus jedem Bereich hatten wir ein paar Sachen gemacht, [Hm] dass die einfach sehen, dass verschiedene Bereiche angesprochen werden und dass es nicht der Arithmetikschwerpunkt ist, weil ja doch auch die, die fachfremd Mathe unterrichten doch immer !SEHR! dazu neigen, “Arithmetik ist wichtig und das andere machen wir so nebenher oder am Ende vom Schuljahr” [ja] und auch grad dieses Sachrechensachen und so mit dem Reißen, das fanden sie doch interessant und das Interesse war groß. [Hm] (10.41) Episode 11 10.43-11.50 Handlungsideen aus dem Interview für den Unterricht 10.43 I Aber es ist bisher jetzt noch nicht irgendwie was passiert, dass Leute gesagt haben, “ich möchte auch”, oder? 10.47 N.S. Mm, es ist halt immer die Frage, wie baut man’s im Unterrichtsalltag ein [Hm] und alles, was mehr Arbeit bedeutet, ist auch immer so’ ne Sache. [Hm] Ob die Leute sich dann bereit erklären. 11.00 I Welche, also jetzt komme ich zu dem förderdiagnostischem Nutzen, gab’s Ansatzpunkte zu Förderungen jetzt speziell wahrscheinlich für diesen, wie heißt er Niklas? 11.10 N.S. [Nico 11.11 I Also ganz, ganz spezielle Punkte oder Aufgaben oder so, wo du gesagt hast, “die möchte ich jetzt gern übernehmen oder wo ich weiterarbeite”? 11.20 N.S. Direkt aus dem Interview heraus? [Ja] Habe ich jetzt noch nicht gemacht, [Hm] kann ich mir aber durchaus vorstellen. Da hatten die Studentinnen auch gesagt, dass sie da auch eventuell irgendwie weiter dran arbeiten wollten, aber das ist jetzt wohl doch nicht mehr so. Die hatten erst mal gesagt, dass sie sich vorstellen könnten, dass sie sich so ein Kind raus nehmen und dann eben auch gezielt Arbeitsblätter zum Beispiel entwerfen. 11.39 I In ihrer Staatsexamensarbeit? 11.40 N.S. Genau. 11.41 I Jetzt haben sie beide einen anderen Schwerpunkt. 11.42 N.S. Genau, die haben das jetzt beide so, deswegen hab ich erstmal gesagt, “gut machen wir da erstmal nichts”, [Hm] das hatten die so ein bisschen angedacht. Finde ich auch eine gute Idee. [Ja] (11.50) Episode 12 11.50-12.51 Durchspielen des Schülerinterviews durch Lehrer 11.50 I Konntest du denn mit dem Interviewprotokollauswertungsbogen und den Ausprägungsgraden irgendwie was anfangen, [Hm] dem was entnehmen? 12.00 N.S. Das fand ich gut. 12.00 I Wer hat den die Ausprägungsgrade festgelegt? 12.03 N.S. Das haben wir alle zusammen gemacht. 12.04 I Ach so, hm. 12.04 N.S. Wir haben dann hinterher das Protokoll gemeinsam ausgewertet und es waren immer zwei, die Protokoll geschrieben haben [Hm] und dann haben wir daraus so ein bisschen verglichen und dann eben anhand dieser Ausprägungsgrade, ja, versucht das einzuordnen. Und da war es auch gut, dass wir es mit mehreren gemacht haben. Also man, bei manchen Sachen ist man sich ja doch nicht so ganz sicher. [Hm] Aber das fand ich dann ganz gut, das hat mir schon was gebracht [Hm]. 12.29 I Das heißt, da war quasi nachher noch immer so’ne Nachsitzung von euch? 12.31 N.S. Ja genau, also wir haben immer ein Interview geführt [Hm] und hatten dann immer ungefähr so'ne halbe Stunde bis das nächste Interview war [Hm] und dann haben wir in der Zeit versucht, das so auszuwerten. 12.42 I Und da ging es auch primär nur um das Interview oder auch allgemein, sag ich, um Matheunterricht oder Themen oder? 12.49 N.S. Nee, eigentlich eher nicht, eigentlich erstmal nur um die Auswertung.. [Hm] (....) (12.51) Episode 13 12.56-13.34 Verbesserungsvorschläge seitens der Lehrerin 12.56 I Könntest du dir denn vorstellen, dass das Schülerinterview irgendwie, dass es noch anders gestaltet ist, dass man noch mehr Handlungsidee entnehmen kann? 13.06 N.S. Also, die Handlungsideen fand ich eigentlich gut, was ich nicht so gut fand, waren diese Fragen oft, also was heißt die Fragen, also dieser Aufbau dieses ganzen Interviewleitfadens, also dass man manchmal dieses Springen irgendwie nicht so deutlich war, an welcher Stelle muss ich jetzt springen, mehr so das Optische, sag ich jetzt mal [Hm], fand ich jetzt eher verwirrend, während Anhang 218 die Aufgaben ähm, hat man gemerkt, dass die gut durchdacht waren. Also da könnt ich jetzt nichts verändern, so spontan [Jo]. (13.34) Episode 14 13.35-14.52 Bewertung des Schülerinterviews 13.35 I Ja, wie, wie, wie findest du denn jetzt insgesamt so das Schülerinterview, wenn du jetzt jemand sagen müsstest was dazu? (..) 13.44 N.S. Ich find’s immer sehr schwer zu erklären, also wenn jemand fragt, “was macht ihr da eigentlich?” Dann find ich es total schwer es auf den Punkt zu bringen, [Hm] weil alle dann gleich sagen, “Ach ja, hat was mit Dyskalkulie zu tun”, [(lacht)] das ist dann so ja in die Richtung und in die Richtung geht’s ja nicht. Es deckt ja wirklich alles ab. Also ja, es ist’ ne Diagnostik, aber nicht nur für lernschwache Kinder, das ist halt, diese Vielfältigkeit, die es bietet. Ich kann zum einen sagen, gut ich hab ein lernschwaches Kind, ich möchte gucken, wo hakt’s und ich kann sagen, ja ich hab ein wirklich sehr starkes Kind und ich muss gucken, wo kann ich ihn fördern. Es ist so, es ist eigentlich eine vielfältige Methode rauszufinden, wo steht das Kind [Hm]. Und ähm, ja es jemandem vorzustellen geht eigentlich nur, indem man wirklich Beispiele bringt konkret mit Material. Weil alles, was man sonst so erzählt, ist ein bisschen schwammig (hmh). Finde ich. (..) 14.40 I Fehlen dir denn bestimmte Aufgaben oder Bereiche im Schülerinterview? (......) 14.50 N.S. Ist mir eigentlich nicht aufgefallen [Hm]. (.) (14.52) Episode 15 14.54-17.19 Das Schülerinterview als Instrument im Schulalltag 14.54 I Denkst du das Schülerinterview ist so ein geeignetes Instrument, um, um den regulären Unterricht zu unterstützen? (..) 15.00 N.S. Um den regulären Unterricht zu unterstützen, ganz sicher, die Frage ist die Organisation [Hm]. Weil, also, ich kann mir nicht vorstellen, wie man das im normalen Unterricht so nebenher so eben mal machen soll. Wie die Australier das wohl gemacht haben, denke ich, ist einfach utopisch und ja, die Sache, ja wie schaffe ich es, tatsächlich alle Kinder zu interviewen aus meiner Klasse als Mathelehrerin, [Ja] einfach rein organisatorisch ohne eben 30 Stunden mehr zu arbeiten [Hm] und wie bringe ich dann Kollegen dazu, das genauso zu machen? Ja, die Begeisterung muss erstmal da sein. Und daher Herr Gerland sagt immer, “man findet schon einen Weg das zu organisieren”, aber das führt dann vielleicht dazu, dass der Referendar in die Klasse muss, damit ich raus kann, um ein Interview zu führen [Hm] und da habe ich nichts dagegen, das geht mal, aber das kann ich nicht permanent machen. Und also, ich kann mir nicht vorstellen, dass wir zwei jetzt zusammen die ganze Schule interviewen, sage ich jetzt mal. [Hm] Finde ich, ist einfach von der Organisation zu’n großer Aufwand und da leidet zum Beispiel meine Klasse drunter, weil ich dann dauernd vertreten werden müsste. [Hm] 16.05 I Aber, also man kann ja, man muss ja nicht zu zweit, ja also, wenn dann kannst du ja auch alleine gehen mit den Studenten, das ist ja einwandfrei. 16.15 N.S. Ja, das müsste man halt sehen, wie man das so in einen schulorganisatorischen Rahmen bringt, dass es für alle halt, ja. 16.21 I Und was spricht gegen den Referendar, dass der ab und zu vertritt? 16.24 N.S. Ja, das führt dann dazu, dass der Referendar entsprechend länger arbeiten muss und dann vielleicht auch ja genervt ist, sag ich jetzt mal. Meine Klasse wird ja dann vertreten, das heißt, sie bringt also, arbeitet nicht mit mir daran normal weiter, sondern ich sag demjenigen schon, “mach bitte das und das”, aber sicherlich auf eine andere Art und Weise, das ist einfach so [Hm] und dadurch wird halt so'n bisschen Unruhe reingebracht [Hm] und ich hab nichts dagegen, wenn das alle zwei drei Monate mal ist oder auch wenn wir sagen, “hier wir haben einen ganzen Tag im Jahr haben wir mal gemacht, machen wir drei Interviews hintereinander und die Klassen werden eben vertreten, einen Tag”. [Ja] Okay, aber jetzt nicht jede zweite Woche ein ganzer Tag oder so [Hm] dafür finde ich, ist dann halt, ja, hat die Schule andere wichtige Sachen zu erledigen. Für die erste Klasse ist es ganz wichtig, dass da halt regulär der Klassenlehrer noch drin ist, dass nicht dauernd jemand anderes in Vertretung [Hm], das bringt wirklich viel Unruhe. (17.19) Anhang 219 Episode 16 17.19-17.40 Interviewen der ersten Klasse 17.19 I Steht das noch zur Diskussion, die komplette erste Klasse zu interviewen, deine? 17.25 N.S. Wir hatten das überlegt, das zu machen. 17.28 I Und wollt ihr das auch noch machen, oder? (.) 17.30 N.S. Prinzipiell ja, [(lacht)] prinzipiell, wenn wir das irgendwie geregelt kriegen. 17.35 I Wie viel habt ihr jetzt schon interviewt aus deiner Klasse? 17.37 N.S. Aus meiner Klasse nur zwei (.) von 19 (..)[(lacht)] (17.40) Episode 17 17.44-19.10 Impulse für den Unterricht 17.44 I Und hat das Interview dir auch Impulse für deinen laufenden Unterricht gebracht? (..) 17.50 N.S. Eigentlich nicht [Hm], weil es ja doch, ja über viele Grenzen des Mathematikunterrichts auch hinaus geht und viele Bereiche jetzt schon abfragt, die letztendlich ja noch nicht unbedingt Inhalt sind im ersten Schuljahr [Hm]. 18.06 I Was heißt Grenzen des Mathematikunterrichts? 18.07 N.S. Na ja, ich sag jetzt insofern, wenn ich jetzt gerade mal bis 20 rechne, ist es insofern eine Grenze, wenn die Kinder im Interview schon weiter rechnen [Ja]. Schadet ja nicht [Hm], aber das heißt ja nicht, dass ich jetzt in meinem Matheunterricht deswegen schon weiter rechne. Das ist für mich so im Grunde ‘ne Grenze. Das zeigt schon mal, wie viel die Kinder können, aber trotzdem das Systematische muss ich trotzdem jetzt erst noch erarbeiten. [Hm] (.) 18.35 I Und wie ist es im Bereich Anwendungen und Geometrie? 18.39 N.S. Ich mach sowieso relativ viel Geometrie [Hm]. Also ich denke, mein Unterrichtsstil unterscheidet sich jetzt auch nicht so gravierend. Also von der Art und Weise, während jetzt zum Beispiel der Kollege, von dem wir vorhin gesprochen haben, das schon anders macht und überrascht war, was für Aufgaben da im Interview drin sind. Vielleicht dann doch noch mal mehr hat anregen lassen. Das kann ich jetzt nicht beurteilen [Ja]. Aber mich hat’s jetzt nicht so überrascht, was da drin war, dass ich jetzt sage, oh ich muss meinen Unterricht total umstellen [Ja, ja]. (19.10) Episode 18 19.11-20.05 Verhältnis von Aufwand und Nutzen des Schülerinterviews zueinander 19.11 I Steht denn der Aufwand für das Schülerinterview und der Nutzen den du daraus ziehen kannst im rechten Verhältnis für dich? 19.17 N.S. Wenn es ein Kind aus meiner eigenen Klasse ist, ja, [Hm] wenn es ein Kind aus einer anderen Klasse ist, letztendlich nein [Ja]. Weil dann hab ich wenig davon [Ja]. Lerne ich zwar gut mit dem Interview auch so umzugehen, auch mehr über die Kinder zu erfahren, weiß dann zwar viel über dieses Kind [Ja], aber (.) ja gut was hab ich dann jetzt persönlich davon? 19.40 I Jo, ich mein vielleicht ‘ne Erweiterung des Wissens. (lacht) 19.42 N.S. Das sicherlich. Ja und das man auch so ein bisschen einschätzen kann, was Kinder doch schon, also dass man (stöhnt)den Kindern mehr zutraut, vielleicht [Hm]. Das vielleicht schon [Ja]. (.) ja. 19.54 I Und ansonsten halt die Empfehlung, dass der Klassenlehrer wenigstens [richtig] entweder das per Video oder mit drin sitzt dann, weil sonst wird’s echt schwierig [Ja]. (20.05) Episode 19 20.05-22.54 Rückmeldung über das Interview 20.05 I Wie habt ihr das denn gemacht, die Rückmeldung an die Lehrer? 20.09 N.S. Ja, im Gespräch halt bisher. [Hm]. Aber, man müsste ja eigentlich auf die ganze unterschiedlichen Bereiche auch eingehen, dass man nicht nur, wir haben eher so einen allgemeinen Rückblick gegeben. Also, wenn die Kollegin sagte, bei der Michelle zum Beispiel, “Ach, die ist manchmal so komisch manchmal kann sie’s, manchmal kriegt sie es gar nicht hin.” Ich weiß irgendwie nicht, wo die steht, da haben wir schon genauer gesagt, “den und den Bereich, das packt sie schon, da noch nicht so, da müssteste mal fördern.” Aber es ist noch nicht so greifbar, also dass ich jetzt der Kollegin sage, hier irgendwie das ist der das Ergebnis, sag ich jetzt mal und die und die Bereiche sind jetzt schon so aufgeschlüsselt, da muss weiter gearbeitet werden. Ja, das ist mehr so’n drüber Reden und Tipps geben, aber (..) was dann letztendlich was bringt, [Hm] das weiß ich nicht. 20.59 I Und was passiert, weiß man ja auch nicht. 21.00 N.S. Das weiß man ja nicht [Hm]. Man müsste letztendlich dann ja sagen, “okay in einem halben Anhang 220 Jahr nehme ich das Kind noch mal und gucke mal, ob sich was verändert hat.” Aber liegt es dann daran, dass die Kollegin den Unterricht umgestellt hat oder liegt es einfach daran, dass das Kind einen Entwicklungsschub hat? [Hm] Also so’ne Kontrollmöglichkeit hat man dann ja nicht, letztendlich. 21.17 I Das ist richtig, man kann nur gucken, was sich, was sich geändert hat, woran es lag, weiß man dann ja natürlich nicht. 21.23 I Welche Rückmeldungen hast du denn an die beiden Kindern, die du interviewt hast, aus deiner Klasse, zurückgegeben? (..) 21.31 N.S. Relativ wenig, also an Rückmeldungen [Hm], weil, ja, also wir sagen ja immer hinterher “hast du prima gemacht”, egal wer es und wie gemacht hat. [Hm] Die Rückmeldung muss halt schon sein und der Nico weiß, dass er gut rechnen kann [Hm]. Ja, (.) was soll man dann groß sagen? Also(.) also, ich hab ihm schon klar gemacht, dass er da ordentlich was geleistet hat und so, aber letztendlich, mehr weiß er darüber nicht [Hm]. (22.04) [Und wen hast du noch interviewt, ein Mädchen?] Die, wer war das, die Anna glaub ich … (?). (22.04-22.28 fehlt). 22.28 I Und wie ist mit ähm, (..) hast du dich noch mal gegenüber deinen Kollegen und, und, oder Eltern, Mitschülern noch dazu irgendwas gesagt, zu diesem Interview? (...) 22.42 N.S. Mh, also den Kollegen, ja [Hm], die wollten schon genauer wissen, die Eltern letztendlich wissen noch nix über das Interview (..)und den Schülern gegenüber auch nicht. (22.54) Episode 20 22.55-23.12 Reaktion der Mitschüler auf Nicos spezielle Förderung 22.55 I Und reagieren die Mitschüler irgendwie komisch, dass der Nico jetzt immer wieder andere Aufgaben kriegt? 23.00 N.S. Nö. 23.00 I Nö und die Eltern machen da auch kein. 23.01 N.S. [Das ist mehr so, ja es ist halt klar, dass er das kann und dann kriegt er eben was anderes. 23.09 I Das wird akzeptiert? 23.10 N.S. Das wird akzeptiert. [Hm] 23.11 I Schön. (23.12) Episode 21 23.11-24.11 Infos über die Lehrerin und ihren Unterricht 23.11 I Du hast ja Mathe als Fach studiert, [Hm] wie schätzt du denn dein persönliches Hintergrundwissen in Mathe ein? (......) 23.26 N.S. (Seufzt) (...) tja, (lacht), was soll ich dazu sagen (lacht)? 23.29 I Hast du Langfach oder Kurzfach studiert? 23.31 N.S. Langfach. (.) Also ich denk, ich kann schon einschätzen, ja, was, was im Matheunterricht getan werden sollte [Hm] und versuche es auch, so gut wie es geht umzusetzen. Ich bin nicht immer zufrieden damit, weil man natürlich im normalen Alltag einfach so viele Stunden hat, dass man gar nicht die Zeit hat, das so intensiv zu machen, [Hm] aber ich führe auch mit Herr Gerland viele gute Fachgespräche so über Inhalte, weil er eine Parallelklasse in Mathe hat [Hm, hm] da kann man das auch gut abstimmen [Ja] Materialien gemeinsam beschaffen, schon versuchen das vielfältig zu machen, aber, na ja man kann seinen eigenen Ansprüchen nie so ganz gerecht werden [(lacht)] (lacht), das ist einfach so (.). (24.11) Episode 22 24.12-25.22 Einbettung des Interviews in den Schulalltag 24.12 I Wie kannst du dir das denn vorstellen, dass das mit der Einbettung von dem Schülerinterview funktioniert im Schulalltag? (.).Irgend eine, ‘ne, ‘ne Idee oder ein Traum, wie das funktionieren könnte? (..) 24.24 N.S. Ja, man müsste zusätzlich halt, wie zum Beispiel die Studenten haben, jemanden an der Schule, der vielleicht den ganzen Tag da ist, oder ja, der wirklich für das Interview Zeit hat, so dass man dann sagen kann, “gut jetzt kann der Klassenlehrer mal für eine Stunde mit einem Kind dahin” oder so. Und in der Zeit muss die Klasse sinnvoll beschäftigt werden. Oder es ist eben gerade Fachunterricht, also wenn ich in Kunst drin bin, könnte ja die Klassenlehrerin mit dem, mit einem Kind zum Matheinterview [Hm] zum Beispiel gehen, [Hm] wenn sie noch da ist und die Zusatzzeit in Kauf nimmt, also oder man müsste eben wirklich im Stundenplan Stunden dafür schaffen, von diesen Unterrichtsstunden, die man sowieso geben muss, [Ja] die für solche Sachen da sind, die dafür auch genutzt werden. Also, dass ich jetzt nicht 29 Stunden gebe wie bisher, sondern halt meinetwegen 27 Stunden und zwei Stunden pro Woche hab ich Zeit mich mit Kindern im Interview zu beschäftigen. [Hm] Ob das realistisch ist, ist eine andere Sache Anhang 221 [lacht]. (25.22) [Deshalb hab ich auch nach einer Idee gefragt]. Episode 23 25.24-26.02 Erfahrungen der Lehrerin 25.24 I Denkst du denn, deine Erfahrungen sind irgendwie typisch und können andere Lehrer auch so machen oder ist das deine ganz individuelle Erfahrung mit dem Interview? 25.38 N.S. (.....) Das kann jeder genau so machen. Ich meine, es ist ja keine große Kunst. Also, [(lacht)] die Fragen sind vorgegeben, das Material ist da, das kann jeder Normalsterbliche, das muss kein Lehrer sein, durchführen. Denke ich schon, vielleicht hat man eine bisschen geschicktere Art und Weise das zu lenken, [Hm] wenn man das Kind kennt, vielleicht den Unterricht kennt, aber ansonsten muss das kein Lehrer sein, der das durchführt (ja) (.). (26.02) Episode 24 26.03-28.18 Ergänzung der Lehrerin bezüglich Änderungen am Interview-Leitfaden und Protokoll 26.03 I Möchtest du noch irgendwas sagen? Ansonsten bin ich am Ende. (lacht) 26.10 N.S. (.) Also schön wäre halt, wenn noch so ein bisschen arbeiten würde, dass das alles übersichtlicher ist, sowohl der Interviewleitfaden als auch das Protokoll. Das finde ich es sonst manchmal schwierig wirklich, ja was schreibe ich da jetzt hin, wo kreuze ich was an, dann ist es irgendwie, man hat gar nicht so viel Zeit das intensiv da zu überlegen, weil es ja dann gleich weiter geht [Hm]. Wenn ich jetzt tatsächlich das Interview führen soll und dann auch noch protokollieren soll, dann muss es so übersichtlich sein, dass ich wirklich nur Kreuze mache oder so. [Hm] Ja, ganz knapp, wo irgendwas, aber nicht mehr überlegen muss, muss das jetzt in die Spalte oder die Spalte also, zum Beispiel bei der Geometrie mit diesen Ähnlichkeiten [Hm] und diese Tabelle finde ich total unübersichtlich zum Beispiel. 26.50 I Wie könnte man das anders machen, hast du da irgendwie ‘ne Idee? 26.58 N.S. (....) Also auf jeden Fall erstmal jede Aufgabe vielleicht nur auf ein Blatt, also äh gut es ist ein Riesenberg, sehe ich ein, aber ja, auch so dieses Springen. Ich muss von A nach C springen, ja aber C fängt in der Mitte von B an oder so auf dem Blatt. Also, solche Sachen, weil man das einfach. 27.15 I Beim Interviewprotokoll haben wir es ja jetzt geändert, bei den neuen ist es tatsächlich, wenn man jede neue Seite oder wenn ein neues Gebiet anfängt, fängt auch eine neue Seite an. 27.27 N.S. Und in dem Geometrieteil, also diese Tabellenform finde ich unmöglich gewählt. Ich weiß dann auch manchmal nicht, wo soll ich da eigentlich was hinschreiben, da ist so wenig Platz. Das ist wahrscheinlich auch aus Platzersparnisgründen so gewählt, das ist klar. 27.40 I Ja bis jetzt ist ja dieser Interviewleitfaden und das Interviewprotokoll beides noch aus Australien übernommen [Ja]. Das heißt ja, wir haben eigentlich auch solche Formatierungssachen irgendwie gar nicht geändert, sondern einfach nur übersetzt und übernommen und deswegen sind wir natürlich dankbar, um die Anregungen (lacht), weil wir es ja auch noch erweitern wollen oder umarbeiten wollen. 28.01 N.S. Das wäre schon schön, wenn’s mehr ja auch mal Überschriften mehr fettgedruckt, oder einfach solche Sachen, die einem das Finden erleichtern. 28.12 I Hm. Gut, werde ich aufnehmen. (lacht) 28.15 N.S. Ja und sonst wäre es das eigentlich soweit. 28.18 I Gut. (28.18) Anhang 222 Transkript des zweiten Lehrer-Interviews mit der Lehrerin NS am 22.06.04 Zeit Person Text 00:02 N Also du hattest ja auch diesen Zettel da mit den Fragen uns gegeben, ne? 00:05 I Ja. 00:06 N Ich hatte das aber jetzt nicht irgendwie schriftlich mehr da. 00:07 I Ach, ist nicht schlimm. Ich frag dich einfach nachher [Ja] noch mal. [Genau] Ähm (.) möchtest du denn noch mal spontan was zu den Schülerinterviews sagen? 00:15 N Spontan? 00:16 I Ja, was dir so einfällt, oder (.) was dir wichtig ist. 00:19 N Hm, (...) also ich merke eigentlich weiterhin, dass es, dass es viel bringt. [Hm] Dass es ähm, dass es mir auch Spaß macht. Und dass man inzwischen schon so ein bisschen lockerer ist, einfach [Hm] in der ganzen Durchführung. Also wenn die Studenten mir da was anreichen, dann weiß ich gleich: Ah ja, dass ist das und die und die Aufgabe, und eigentlich brauch ich den Aufgabenzettel gar nicht mehr unbedingt, weil man irgendwie [Hm] so drin ist, und wenn die gut mitgucken und so, dann läuft das eigentlich richtig gut. Also es ist (.) nicht mehr so wie am Anfang, dass man dauert gucken musste, was kommt denn jetzt und wo spring ich denn jetzt hin und so, [Hm] sondern man ist schon sehr vertraut inzwischen. [Hm] (.) Ich weiß gar nicht, wie viel Interviews, wie inzwischen durchgeführt haben, aber schon ein paar. 01.01 I Und die meisten hast jetzt du auch geführt? 01:03 N Äh 01:04 I Oder? 01:04 N Also in letzter Zeit hauptsächlich ich, weil das irgendwie terminlich nicht anders passte. [Hm] Und da haben wir schon versucht, so eins pro Woche zu machen. [Schön] Wenn irgendwie sich’s organisieren ließ. 01:14 I In wie weit hat sich denn deine Sicht auf die befragten Kinder gegenüber vorher geändert? 01:19 N Ich hab jetzt immer Kinder ausgesucht, wo ich mir in manchen Dingen nicht so ganz sicher war. [Hm] Wenn ich zum Beispiel irgendwie ein Elterngespräch danach hatte oder so, dass ich einfach gedacht habe, jetzt guck ich noch mal in dem Bereich Arithmetik oder auch was anderes, wie’s denn da wirklich ist, und dann noch mal so, meistens hatte ich schon so ne Ahnung in die Richtung, [Hm] war mir nicht so ganz sicher, [Hm] und hab’s noch mal so als Bestätigung genutzt. [Hm] (.) Und ähm man selber wird halt einfach sicherer dann, wenn man Eltern gegenüber was vertritt, oder wenn man im Unterricht was macht und dann ein Kind einschätzen muss. [Hm] Und (.) ja, also meistens hatte ich schon so ungefähr die Tendenz im Kopf, aber wusste nur nicht so genau, und nach vielen Interviews jetzt mit Kindern aus meiner Klasse habe ich halt gemerkt, so der ganze Bereich Uhrzeiten war extrem schwach, [Hm] und dann hab ich da zum Beispiel mal was eingeschoben jetzt, und hab da mal länger so eine kleinere Einheit zu gemacht. (.) Weil ich gemerkt hab, das ist was, dass können sie halt alle noch nicht, hatten wir ja bisher auch nicht, [Ja] und im Mathebuch kommt’s auch irgendwann noch, und dann hab ich das jetzt schon mal so gemacht. [Hm] [Also so 02:19 I [Wie, wie waren denn dann die ähm, sag ich mal diese Eigenproduktionen, die Uhr, die die malen? (..) Hat die dir Informationen geliefert, oder? 02:27 N Also die Uhr war meistens ne Katastrophe. [Hm] Weil, also da standen zwar irgendwelche Zahlen drauf, aber meistens (.) also von Null bis neunzehn, oder also bis siebenunddreißig oder so, [Hm] da hatte man so das Gefühl, da können die Kinder einfach noch nicht viel mit anfangen. Sie wissen, da sind irgendwo Zahlen und [Hm] irgendwo sind Zeiger, [Hm] aber eigentlich viel ablesen konnten sie da nicht. [Hm] (.) Und das war halt auch so ein Grund, da hab ich mit den Kindern mal ne Uhr selber gebastelt dann und [Hm] mal wirklich besprochen, welche Zahlen da wirklich sind und wo die stehen und warum, [Hm] so dass ich jetzt einfach merke, dass ist was, das kannten sie noch nicht, und jetzt können sie’s aber, also natürlich nur so volle Stunden, halbe Stunden mehr noch nicht. [Hm] 03:07 I Hast du auch Erkenntnisse über die mathematischen Fähigkeiten hinaus gewonnen bei den Kindern? Sag ich jetzt mal, was weiß ich, (.) dass manche äh vielleicht psychische Blockaden haben, oder, oder? 03:19 N Mm, also manche reagieren in dem Interview schon anders als im normalen Unterricht. [Hm] Es gibt beides. Ich hatte welche, die waren total begeistert, und endlich dürfen sie mal, und: Ja das macht so ein Spaß und darf ich morgen noch mal? [Hm] Also da hatte ich, das waren mehr Anhang 223 so die, die auch recht fit sind. [Hm] Und dann hatte ich auch welche die richtige Ängste dann hatten: Ja, warum machen wir das? Und: Was machen wir da? [Hm] Also, und schon unsicher waren und das erlebe ich sonst im Unterricht nicht so. Das war schon mal interessant. [Hm] Und ein Mädchen hatte ich auch, die gesagt hat, hat: Also mit dem Rechnen ist kein Problem, aber ich möchte das nicht mit der Videokamera, ich schäme mich da so. [Hm] Wo ich dann auch gesagt hab: Brauchst du doch nicht und ist doch egal. Ne, dass wollte sie nicht so. Und die ist sonst gar nicht so, die [ist ganz 04:02 I [Ne Erstklässlerin? 04:03 N Ja. [Hm] Die ist ganz offen sonst und macht alles mit. [Hm] Und da war ich zum Beispiel ganz überrascht, wie die sich so verhalten hat. (..) Ja aber jetzt irgendwelche tiefgründigere Dinge (.) eigentlich nicht. [Hm] 04:17 I Überträgt sich die, die neue Sichtweise von den Kindern auch auf andere Fächer? Oder bleibt das bei Mathe? 04:25 N Mm, schwierige Frage. (.) Bleibt eigentlich eher bei Mathe hauptsächlich. Kann ich jetzt nicht sagen, dass da was anderes ist. [Hm] 04:35 I Hat sich dein Blick auf, nur bei den, bei den befragten Kindern ein bisschen geändert, oder dass man da einfach mehr weiß, oder bei allen Schülern? 04:45 N Mm, ja gut, also jetzt zum Beispiel der Bereich mit der Uhr, da hab ich dann gedacht, das geht nicht nur den Vier oder Fünfen so, die [Hm] ich da befragt habe, sondern da muss ich für alle mal was tun. Und [Hm] da hab ich dann auch mal so, einfach mal so’n (.) kleinen Test vorneweg gemacht, dass ich mal so gefragt hab, und wo dann einfach raus kam da kennt sich keiner groß aus. Also so, dass ich’s dann mal auf die anderen übertragen hab. Und sonst (.) mm, (.) also ich versuche es insgesamt ein bisschen vielfältiger noch zu machen im Matheunterricht. Weil ich einfach mehr so’n bisschen noch merke: Aha, der, der kann das schon, der kann das schon, der kann das schon, und [Hm] das noch mehr zu öffnen. Und das (.) betrifft ja dann auf jeden Fall alle Kinder, [Hm] dass ist jetzt nicht nur, dass die paar Kindern dann ein extra Angebote kriegen, sondern dass ich schon versuche, allgemein was zu verändern. [Hm] Weil ich eben merke, dass die Unterschiede doch größer sind, als man immer so denkt. 05:33 I Bei deinem Test zur Uhrzeit, hast [Hm] du dich da irgendwie auf das Interview bezogen und da geguckt, was da drin vorkommt und dann den aufgebaut, oder hast du den [so? 05:41 N [Ne. Also ich hab das hauptsächlich mündlich gemacht. [Hm] Aber eben schon, also schon den Aufbau der Uhr zum Beispiel, [Hm] das ist ja für’s Interview wichtig, [Hm] welche Zeiger gibt’s da, warum gibt’s da Zeiger, so was schon. [Hm] (.) Und ähm danach, dass was ich im Unterricht gemacht hab, das ähm ist das, was man im Interview braucht, klar. [Hm] Uhrzeiten ablesen, [Hm] volle Uhrzeiten ablesen, halbe und so. [Das schon 06:05 Und wie hast [du das mündlich gemacht? Mit der ganzen Klasse [Hm] oder mit Einzelnen? 06:09 N Ähm erst mit Einzelnen und anschließend aber mit der ganzen Klasse. [Hm] (..) Aber letztendlich konnte da keiner groß was. Also die hatten alle Vermutungen, [Hm] wie das so mit der Uhr geht und wozu die da ist, aber richtig fundiertes Wissen hatte eigentlich keiner. 06:23 I Und die ähm Vermutungen, waren die so gehaltvoll, oder? 06:27 N Es ging so. Also ich war etwas erschreckt. [(Lacht)] Aber ich denk, das ist auch normal. Ich mein die Uhr macht man eigentlich erst in der zweiten Klasse. [Hm] Aber sie haben’s problemlos verstanden. Und [Hm] die Kollegin in der Parallelklasse [Hm] hat’s auch dann gemacht, 06:40 I Ist das die [Frau Schein? Oder wer ist das? Hm 06:41 N [und hm. Genau. Und ähm von der haben wir ja auch Kinder im Interview. [Hm] So haben wir das ein bisschen parallel gemacht. 06:48 I Ach, schön. [Hm] Welche Rückmeldungen hast du denn den Kindern gegeben, die befragt worden sind? 06:54 N Jetzt über das Interview? [Hm] Mm, also ich hab immer gesagt: Hast du toll gemacht. [Hm] Und hast dich ja sehr angestrengt und so. Ich hab ihnen jetzt aber nicht irgendwie die einzelnen Bereich noch mal so aufgedröselt, dass ich gesagt habe: Da warst du ganz toll und da noch nicht, oder so. 07:09 I Das [hast du nicht gemacht. Hm 07:09 N [Das eigentlich ne, überhaupt nicht. Manchmal den Eltern. [Hm] Weil ich bei manchen Eltern dann einfach noch mal Hinweise geben konnte. Wenn jetzt, also wir hatten, ich hatte zum Beispiel einen Jungen, den habe ich befragt und da, der konnte nichts mehr, was die Anhang 224 Wochentage und die Monate und so anging. [Hm] Das hab ich aber alles schon mit den Kindern gemacht, das war bei ihm einfach weg, das hat er vergessen. [Hm] Und dann sagt er noch: Oh, wir haben das ja mal gemacht, aber wusste er nicht mehr. [Hm] Und im nächsten Elterngespräch hab ich halt der Mutter gesagt: Ähm, übrigens der Jonas, der hat da, das hat der alles wieder vergessen. [Hm] Würden Sie das denn noch mal mit ihm üben zuhause? [Hm] Ja, ja, kein Problem. Jetzt kann er’s. [Hm] Also das hat er mir, hab ich so ein bisschen auf die Mutter übertragen und das hab ich halt, eigentlich nur durchs Interview festgestellt, dass es so extrem ist. Also [Hm] er hat schon immer mal gefragt: Was is’n heute für ein Tag? Haben wir morgen Wochenende? Das war schon so, dass er sich nicht so [Hm] sicher war, aber dass er da gar nichts mehr wusste, das hab ich erst durch das Interview dann gemerkt. [Hm] Und, also (.) ja, ich hab’s mehr auf die Eltern übertragen, als den Kindern direkt [Hm] so gesagt. 08:05 I Ähm, (.) wie haben sich denn, sich die Schüler nicht nur gegenüber dir, sondern auch gegenüber den Eltern oder Mitschülern geäußert über das Interview? 08:14 N Sehr positiv. [Hm] Also es war dann so, nachdem die ersten zwei, drei Kinder aus meiner Klasse das gemacht haben, haben die anderen immer gefragt: Wo gehen die denn hin? Und was machst du mit denen? [Hm] Und darf ich denn das auch mal machen? [Hm] Und die meisten Kinder waren ja recht begeistert [Hm] und kamen dann da raus: Und oh, ich hab was Süßes gekriegt [(Lacht)] und hat Spaß gemacht. Also wirklich, die meisten haben gesagt: Es hat Spaß gemacht. [Hm] Und dann haben die anderen gesagt: Ich möchte das auch mal. Und ein Mädchen hatte ich, die war in den letzten Monaten im Unterricht sehr auffällig, sag ich mal, [Hm] also die war, hatte irgendwie ein schlimmes Erlebnis zu Hause, ist ja auch egal, was da vorgefallen war, auf jeden Fall [Hm] war sie unheimlich ängstlich, und hatte immer Bauchschmerzen, und dann wollt sie wieder nach Hause, und wieder Kopfschmerzen, da waren immer so, dass es ihr nicht so gut ging. [Hm] Und an einem Tag, als es schon wieder so war, also es war immer, sie kam morgens, dann ging’s noch, und irgendwann sagt sie immer: Ich habe Bauchschmerzen und kannste, kannste anrufen, und dann wurde sie irgendwann immer abgeholt. [Hm] Das zog sich über zwei Wochen. [Hm] Und irgendwann hab ich gesagt: Komm, heute gehst du mal nicht nach Hause, wir machen mal was zusammen. Und dann hab ich mit ihr das Interview gemacht, das passte gerade von dem Tag, [Hm, hm] und die ist da total aufgeblüht. Also die, da war nicht mehr mit Kopfschmerzen und Bauchschmerzen und überhaupt, sie war fröhlich, sie hat das mit Begeisterung mitgemacht, ist hinterher strahlend nach Hause gegangen, dass die Mutter mich noch angesprochen hat, und hat gesagt: Ja was, was is’n jetzt? [(Lacht)] Äh heute war ja gar nichts. Und dann hab ich ihr das auch erzählt, und seitdem ist das wieder erledigt. Also sie war dann auch wieder ganz normal. Sie hat, ich glaub, sie brauchte auch mal so (.) ja so die Einzelsituation, [Hm] dass da wirklich eine ganze Stunde mal mich für sich alleine hatte. [Hm] Und Rechnen macht sie eigentlich gar nicht gerne. Aber das war irgendwie, sie hat das total genossen, (.) dass sie da so im Mittelpunkt stand. [Hm] Und das haben mehrere glaube ich schon so gefühlt. Also, dass sie mich mal nicht nur für fünf Minuten haben, sondern [Hm] wirklich für eine Stunde, [Hm] dann machen sie das problemlos mit, was ich da von ihnen will, [Hm] das ist dann manchmal gar nicht so wichtig, aber sie merken halt, ich beschäftige mich mal richtig intensiv mit ihnen. 10:06 I Die Zuwendung ist dann [Ja, die Zuwendung] viel wichtiger als [Ja] der [Ja] Inhalt. Hat sich denn bei den anderen Sch(ülern), Kinder auch das so bisschen verändert? Also bei ihr hat sich ja quasi ne Einstellung geändert, auch [Ja] so ein bisschen. 10:16 N Die war von einem Tag auf den anderen wirklich wieder ganz anders. [Hm] Ich weiß nicht, ob’s das einzige war, was ausschlaggebend war, [Ja] aber es war wirklich auffällig. [Hm] Ähm, also mich haben oft die Kinder dann noch ein, zwei Tage später angesprochen und gesagt: Ach übrigens, das hat so Spaß gemacht. [Hm] Können wir das noch mal machen, oder so. (.) Oder dass ich auch mal gesagt hab: Ach guck mal hier bei dem Arbeitsblatt, ich weiß ja, dass du toll rechnen kannst, hab ich ja am Dienstag gemerkt, oder so. [Hm] Also dass von mir noch mal so ne Rückmeldung [Hm] kam. 10:44 I Gab’s bei, bei anderen Kindern auch noch mal so’n, was weiß ich, so’n Motivationsschub oder so? (.) [Hm] Aufgrund des Interviews? Dass, dass sich mehr zugetraut haben oder so? 10:55 N Das kann ich jetzt, also das könnte ich vermuten, aber [Hm] das kann ich jetzt nicht irgendwie belegen. Die sind eigentlich im Moment recht eifrig, von da her. [(Lacht)] Also auch schon vorher, arbeiten sie ganz prima. 11:07 I Ich hab hier mal nen Ausschnitt mitgebracht aus nem Interview mit ner anderen Lehrerin. Also A. ist die Lehrerin und K. bin ich. (.) Wollt dich einfach fragen, ob du dich da mal dazu äußern kannst, oder ob du so ne ähnliche Meinung vertrittst? 11:49 N Mm. (Zustimmend) Was war jetzt deine Frage? (Lacht) 11:51 I Ob du die Meinung vertreten kannst, ob, oder ob du das nicht nachvollziehen kannst? Anhang 225 11:57 N Ich kann das nachvollziehen. [Hm] Ähm, bei mir ist manchmal so, dass ich sogar beinah ein schlechtes Gewissen hab, weil ich dann denke, eigentlich müsste ich eben noch genauer gucken. [Hm] Also das, was sie hier sagt, dass sich der Blick geändert hat und [Hm] dass man genauer guckt und so, [Hm] und dann hab ich manchmal, bin ich richtig frustriert und denke die Mathestunde, es reicht einfach nicht, um so genau zu gucken. [Hm] Man hat schon einen anderen Anspruch noch mal irgendwie an sich. 12:22 I Und ist der durch das Interview noch, [noch stärker geworden? 12:24 N [Noch verstärkt würd ich mal sagen, ja. (..) Ja, oder weil man wirklich denkt, manche Kinder, die, die sind damit überfordert, was man die jetzt machen lässt. [Hm] Man muss einfach viel stärker differenzieren und man ist sich noch eher bewusst, wie stark man das machen [Hm] muss. Und wenn man’s dann mal nicht macht, dann denkt man immer: Hm na ja, also für die Starken jetzt, oder für die Schwachen jetzt, dann hat man eher so das Gefühl, man, man weiß es eigentlich besser, aber man schafft’s halt grad an dem Tag [Hm] nicht anders oder so. 12:48 I Und hat dann ein schlechtes Gewissen. Oder? 12:49 N Hat ein bisschen ein schlechtes Gewissen, weil [Hm] man’s noch genauer weiß. [Hm] Und vorher hat man vielleicht manchmal gedacht: Na ja, und ach die, die Guten machen das halt mit und die Schwachen, na ja mit denen macht man noch mal extra und irgendwie kriegt man’s [Ja] schon so. Also. 13:03 I Ist das dann überhaupt noch positiv für dich, wenn du (.)? 13:06 N Auf jeden Fall. 13:07 I Ja? 13:08 N Man merkt halt schon, man kann nicht so Stunden machen: Im Gleichschritt marsch und alle machen jetzt das Gleiche. Das ist eigentlich, nachdem man ein paar Mal das Interview gemacht hat, nicht mehr drin. [Hm] (.) Gut, dann muss man halt sehen für sich selber, wie man damit zurechtkommt, mit dem schlechten Gewissen. [Hm] Ich denk dann auch manchmal, es ist eben auch normal und man kann jedes, jede Stunde super vorbereiten und durchführen [Hm] geht eben auch nicht, [Hm] und dann muss man auch mal mit dem zufrieden sein, wie’s so ist. Aber man muss schon, denke früh sehen, grad auch in der Eins, dass man halt die Selbstständigkeit fördert. [Hm] Dann kann man nämlich auch (.) viele Bereiche einfach den Kindern so geben, und [Hm] dann weiß man, der kann das, der kann das, dann arbeiten die da dran und hat eben nicht so das Gefühl: Hm, jetzt sind die unterfordert, oder die sind überfordert. [Hm] Aber der Blick, denke ich, was sie hier sagt, ist auf jeden Fall anders, ja. 13:54 I Das heißt, die Organisation des Unterrichts ändert sich bisschen? Oder? 13:58 N Das wäre total wünschenswert, wenn die sich ändert, aber es ändert sich nicht von heute auf morgen. [Hm] Also man versucht vielleicht immer mal was zu ändern, [Hm] und hat das mehr im Hinterkopf: Aha, so kannst du’s nicht machen, weil du weißt ja, [Hm] dass und so, aber ähm ist ein langer Prozess. [Hm] 14:16 I Und wenn ich die beiden Begriffe jetzt sag, bezogen auf Mathematikunterricht oder Mathematiklernen, ergebnisorientiert und prozessorientiert? (.) Was denkst du dann da dazu? 14:28 N (Lacht) Wie jetzt? 14:30 I Ja was, was, was das für dich bedeutet irgendwie. Also [Hm]. 14:36 N Na ja also, (..) jetzt bezogen auf’s Interview, oder [Ja] auf den Unterricht [an sich? 14:41 I [Ja, beides. Also, was sich [Hm] daraus entwickelt hat. [Hm] 14:45 N Ja, ich denke, man guckt insgesamt schon immer zu sehr darauf, was im Matheinhalt letztendlich rauskommt. [Hm] Aber wichtig ist schon, was das Kind sich dabei denkt und wie es da, dahin kommt und wie das jeder individuell eben auch macht. Und eben was, was sie auch sagt, also dann mal zu fragen: Wie hast du das gerechnet? Und so. Ist sicherlich im Mathematikunterricht das Wesentliche, aber [Hm] man macht es viel zu wenig und [Hm] das sehe ich bei mir im Unterricht auch. Also (..) ja, weil man viel drüber weiß und sich selbst gegenüber kritisch ist, dann ist nicht alles toll, was man macht (Lacht). 15:19 I Hier gebe ich dir einfach mal ein Ausschnitt aus deinem eigenen Interview. Ob du da noch mal kommentieren kannst, oder ob sich da schon (.) das bisschen geändert hat? 15:35 N Na ja, der Bereich zum Beispiel mit der Uhr, hab ich ja eben schon gesagt, [Hm] das bezieht sich ja darauf, [Hm] also da hab ich auf jeden Fall (.) ähm (...) ja, das vorgezogen und intensiver gemacht, weil ich einfach gesehen hab, es geht jetzt schon und es ist auch für die Kinder kein Problem, [Hm] und ähm (..) ja es gibt immer mal Situationen im Unterricht, ähm wo man einfach denkt: Ach, das passt jetzt. [Hm] Auch mal was geometrisches, oder so. [Hm] Ich hab zum Beispiel in Kunst, was ähm zum Papierfalten mit den Kindern gemacht, und dann hab ich einfach mal so ein paar geometrische Sachen eingeschoben, weil ich gemerkt hab: Das Anhang 226 passt jetzt super. Also Quadrat und jetzt falten wie das so uns so, und was seht ihr jetzt, und so. [Hm, hm] Das ist jetzt nicht so absolut bezogen auf das Interview, [Hm] dass ich genau weiß, dass ist die und die Aufgabe und die mach ich jetzt heute [Hm, hm] absichtlich oder so. [Hm] Aber es fließt halt immer mal so mit ein. 16:25 I Und wie ist das mit der Grenze, die du da erwähnst? 16:52 N (…) Also, so ne Grenze in dem Sinne, sehe ich da eigentlich nicht mehr. [Hm] Dass ich jetzt sage, also das ist was, was ich überhaupt nicht machen könnte, oder so. (...) Gut, ja dass mit dem, (.) mit dem Zahlenraum, ok. Aber das ist jetzt auch nicht mehr so, weil wir jetzt schon am Ende des ersten Schuljahres sind, und dann [Hm] gibt’s einfach schon mehr Möglichkeiten. [Hm] Da ist das schon nicht mehr so festgelegt jetzt. Das war vielleicht schon mehr so am Anfang, dass ich [Hm] das Gefühl hatte, dass es, (.) ja, dass viele Bereiche im Interview schon abgefragt werden, mit denen die Kinder noch nie was zu tun hatten bisher. [Hm] Aber ich denk, das ist jetzt so ein bisschen aufgeweicht. [Hm] 17:30 I Was meinst du denn, wie deiner Meinung nach Kinder am besten Mathe lernen? 17:35 N Tja gute Frage, wenn ich das so genau wüsste (lacht). Also, was sehr, sehr wichtig ist, ist die Anschauung. [Hm] Und das ist auch das, was immer irgendwie am Anfang stehen muss. [Hm] Also die müssen sich ein inneres Bild davon machen, warum wir das machen und was das überhaupt soll. [Hm] Und schlimm ist es, wenn man sehr früh auf das Schematische kommt. Dann machen die das zwar brav, aber verstehen gar nichts. [Hm] Und da so hinzukommen, also immer erst die Anschauung, ein inneres Bild zu schaffen, und dann davon weiter zu abstrahieren. Das ist so der Weg, [Hm] den ich für sinnvoll halte. [Hm] Aber ich kann auch nicht sagen, dass ich ihn immer durchziehe. [Hm] Man ist dann auch manchmal, entweder zeitlich in Nöten, und ähm manchmal hat’s was mit der Organisation zu tun, [Hm] in der man, also man muss sehr viel über Material und Organisation nachdenken, [Hm] glaube ich, damit’s den Kindern wirklich klar wird. Aber es ist auch b(ei), durchaus bei Kindern unterschiedlich. [Hm] Also der eine versteht’s mit dem Material, der andere brauch noch mal ne andere Anschauungshilfe und da muss man manchmal, also den Kindern sehr viel Zeit geben, [Hm] und immer wieder aufs Material zurückgreifen, wenn man merkt, es ist noch nicht verstanden. [Hm] 18:41 I Kannst du denn aus dem Interviewprotokoll, Auswertungsbogen und Ausprägungsgraden dir Informationen entnehmen? 18:48 N Ja, auf jeden Fall. Also am besten finde ich diese Tabelle, wo man dann nachher so diese Sternchen hat und [Hm] genau weiß: Aha, in dem Bereich und mit dieser Tendenz dahin und so. [Hm] Das finde ich, ist übersichtlich. [Hm] Man kann so auch einzelne Schüler direkt nebeneinander legen und mal gucken, find ich auch sehr interessant, [Ja] und wir haben zum Beispiel auch mal diese Tabelle von nem Erstklässler neben die von nem Zeitklässler gelegt [Hm] und dann mal geguckt und eben festgestellt: Der Erstklässler ist in dem Bereich schon weiter als der Zweitklässler, und in anderen Bereichen ist es ganz anders. [Hm] So dass wir auch schon mal überlegt haben, ob’s denn tatsächlich möglich wäre so Gruppen zu bilden, so Lerngruppen in verschiedenen Bereichen, also auch [Hm] klassenübergreifend, also es war so’n bisschen [rumgesponnen 19:25 I [Auch jahrgangsübergreifend? Genau. 19:26 N [Auch jahrgangsübergreifend. [Hm, hm] Wenn man so diese Ergebnisse wirklich so hätte jetzt von allen, könnte [Hm] man ja mal in die Richtung denken. [Hm] (..) Doch, das finde ich schon sehr. Also die Ausprägungsgrade gut, ob die jetzt immer exakt stimmen, aber [Hm] es gibt auf jeden Fall ne Tendenz vor. [Ja, ja] Und da kann ich eben auch sagen, wenn jemand jetzt im Bereich Zeit oder was, (.) da auf Null ist, [Hm] dann, das kann irgendwie nicht sein. [Ja, ja] Dann muss, muss man da was tun. [Hm] 19:53 I Kannst du denn auch konkret irgendwie Förderimpulse daraus ableiten? Oder Ideen, was du machen willst? 19:58 N Ähm, prinzipiell ja. [Hm] Man(chmal), manchmal schei(tert’s), scheitert’s dann schon an der Umsetzung. [Hm] Also ich hab nicht die Zeit mir jetzt für jedes einzelne Kind da was genauer zu überlegen, [Hm] aber Ideen hätte ich schon. [Hm] Und deswegen finde ich’s auch gut, wenn’s dann irgendwie von den Studentinnen so angedacht wird. [Hm] Haben die jetzt ja auch mal gesagt, dass sie ein Interview machen mit nem Kind und sich dann genau Fördermaßnahmen überlegen. Das nimmt mir auch viel Arbeit ab. [Ja] 20:22 I Also da ist jetzt auch das Angebot jetzt grad da, weil [Ja] wir einfach ein ganzes Seminar haben. [Hm] Da sind noch zwanzig Studenten, die müssen Seminararbeit machen, und da haben wir jetzt gesagt: Pro schwaches Kind zwei Studenten, die sich [Hm] zusammen so ne Fördermaßnahme überlegen. Und da darfst du auch gern sagen, wen du gern, [Hm] [für wen Anhang 227 du was gern hättest. 20:38 N [Ja, ich hab schon mit denen gesprochen [Hm] und wir haben schon zwei Kinder ausgesucht, [Schön] die sie gerne hätten, so. Also ein ganz schwaches und ein so mittleres, [Hm] dass sie mal gucken können und ja ich bin auch gespannt und warte erst mal ab, was die dann, also so [Ja, ja] sich ausdenken. 20:52 I Dann hast du hier ne, auch aus deinem, aus nem Interview mit dir, (...) ob du da noch mal was zu sagen kannst? 21:02 (10 Sec. Pause, liest) 21:12 N Das kann ich jetzt eigentlich noch mal bestätigen. [Hm] Dass ich auch Kinder interviewt hab, bei denen ich dachte (Es klopft an der Tür. Das Interview wird kurz unterbrochen) 21:26 I Ach so ja, du hast gesagt, du könntest das bestätigen? 21:28 N Ja, ich hab jetzt, also ein Kind interviewt, den Jonas, [Hm] bei dem das war mit den [Mit] Wochentagen und Monaten, und der ist immer sehr (.) langsam im Unterricht, [Hm] lässt sich viel ablenken, da bin ich manchmal auch sehr genervt von dem, und der ist halt nachträglich in die Klasse gekommen und ähm (.) ich hatte manchmal so das Gefühl, ach, der kann gar nichts und der kriegt das immer alles nicht hin und es dauert alles furchtbar lange. [Hm] Und dann habe ich das Interview durchgeführt und hab gemerkt, das ist zwar so, [Hm] aber das was er leistet, reist, reicht völlig aus fürs erste Schuljahr. Und das, was wir gelernt haben, bis auf jetzt dies mit den Monaten [Hm] und so, konnte er alles. [Hm] Er konnt’s auch im Kopf und es war überhaupt kein Problem. [Hm] Und er ist halt einfach so ein bisschen unruhiger und so, und braucht dann manchmal so ein bisschen, aber der hat sich schon, er hat sich schon verändert für mich, dass ich einfach weiß: O.k., er ist so, aber er kann das, [Hm] und das ist in Ordnung, so wie er’s macht. [Hm] Und da schätz ich ihn dann einfach auch jetzt anders ein. Und er hat eben auch Bereiche, die er gut kann. [Hm] (.) So also. 22:29 I Und hat sich das mit dem Geometrie Arithmetik auch noch mal in [Hm] mehreren Interviews bestätigt, dass die, vielleicht die Starken in Geometrie nicht so stark sind und die Schwachen in Geometrie dafür ziemlich. 22:40 N Das kann man nicht so generell sagen [Hm] ähm (Danke Frau Siefart. Bitte (…) Tschüss. Tschüss.) Also ich hatte schon Kinder, die waren in Arithmetik besonders gut [Hm] und in Geometrie eher schwach, [Hm] genau das Gleiche gab es umgekehrt. [Hm] Aber es gab auch welche, die waren bei allem mittelmäßig und ähm es gab auch welche, die haben dann einfach konzentrationsmäßig nachgelassen. [Hm] Da der Geometrieteil ja nun ganz am Ende ist, [Hm] hatte ich manchmal das Gefühl, die konnten da nicht mehr so viel leisten, weil sie einfach k.o. waren [Hm] und das ist halt auch so die Frage, ob man das wirklich so lassen sollte vom Aufbau her, [Hm] dass dieser große Arithmetikteil, gut der ist natürlich wichtig, [Hm] aber, der ist schon am Anfang ein ganz schöner Klumpen, [Hm] find ich. 23:26 I Wie könntest du dir das vorstellen? 23:28 N Ja, dass man es vielleicht so ein bisschen abwechselt. Also ob man nun wirklich einen Bereich lassen muss inhaltlich Arithmetik [Hm] und dann Geometrie, oder ob man es nicht ruhig mischen kann. [Hm] Gut, ist fraglich wie es organisatorisch ist, [Mm] [aber 23:40 I [Also ich sag von uns aus kann man das gerne mal ausprobieren [Hm] 23:44 N Also ich denke für manche Kinder wäre es nicht schlecht. [Hm] Ich merke, so wenn dieser Bereich kommt mit der Waage und so, dann, (Hah) dann atmen sie noch mal so richtig auf, jetzt kommt irgendwie was anderes. [Hm] Vorher das ist ja schon eher so Frage Antwort. [Hm] 23:55 I [Und da sind sie dann wieder aktiver. 23:57 N [Ja, da sind sie aktiv, da können sie was machen und da mit der Waage, das ist, das macht ihnen unheimlich viel Spaß. [Hm] Andererseits ist das am Ende eben auch schön, dann gehen sie raus und denken: ach war ja schön und so den Arithmetikteil haben sie schon wieder vergessen, [(lacht)] denk ich so. Also (.) wir hatten halt ein Kind aus der Parallelklasse, der sehr schwach war [Hm] und der hat allein für diese Arithmetik über 60 Minuten gebraucht. [Boah] Der war wirklich, äh hat bei jeder Frage endlos überlegt. [Hm] Ja und dann haben wir natürlich abgebrochen und dann am, beim zweiten Mal wieder neu angefangen und dann noch mal ne Stunde für den ganzen Rest. [Hm] Und jetzt das zweite ging dann, [Hm] das war, das war zwar noch mal lang, aber das hat ihn nicht so irgendwie angestrengt, aber als ich ihm gesagt hab: „komm wir machen da noch mal weiter“ „Wie noch mal?“ und ich hab doch schon so viel. [Hm] Klar. [Hm] Also wer schwach ist, der hat da Mühe [Hm] in diesem ersten Bereich und wenn man was am Anfang hätte, was, wo die Kinder auch merken, ach ich kann das ja eigentlich und ist gar nicht so schlimm, [Hm] vielleicht ist es dann so ein bisschen Anhang 228 lockerer. 24:56 I Fändest du dann so einen Einstieg mit Geometrie gar nicht schlecht, oder? 25:00 N Könnte man machen, denn die Geometrie ist ja auch nicht so lang. [Hm] Könnte man ganz gut machen, [Hm] denke ich. 25:05 I Hat sich denn für dich so ein Perspektivwechsel vollzogen, insgesamt, sowohl auf die Kinder als auch auf deinen Unterricht oder so? 25:14 N Das kann ich jetzt nicht sagen, dass ich das gravierend vollzogen hätte, [Hm] aber ich denke da ist zumindest, man denkt mehr darüber nach [Hm] also man, gut ich bin jetzt ja noch nicht so lange im Schuldienst, aber ich, (Mm) ich denke manchmal ist man auch so in seinem Trott drin [Hm] und dann macht man das so, weil man das immer so macht und dann guckt man was im Rechenbuch gerade dran ist und dann, klar dann hat man ein paar Ideen und mal hat man weniger Ideen, aber so ist man halt immer wieder gefordert auch mehr darüber nachzudenken [Hm] und eben auch dadurch, dass man nicht alle Kinder innerhalb einer Woche befragt, sondern immer mal wieder [Hm] jemanden. Das finde ich eigentlich gar nicht schlecht so ein Interview pro Woche oder alle zwei Wochen. [Hm] 25:48 I [Das, das ist ganz schön viel 25:49 N [macht mir auch Spaß. Ja. Aber macht mir auch Spaß. Ja. Also es ist doch auch mal was anderes als normaler Unterricht. [Hm] Ich freu mich eigentlich dann, wenn ich mal wieder ein Interview machen kann. [Ist doch schön] 25:57 I Ja. Beim letzten Mal hast du etwas gesagt zu Nicolai, den du ja da befragt hattest und dann sprichst du irgendwie von, hm, sondern er muss richtig gefördert werden. [Hm] Da wollte ich dich fragen, was bei dir richtig gefördert ist, was das heißt bei dir. 26:12 N Also bei Nico ist es nicht getan ihm ein Zusatzarbeitsblatt zu geben, [Hm] weil der kriegt das, 3 Minuten später steht er ‚fertig’ [Hm] und es ist ja keine Förderung, wenn ich ihm was gebe, was er kann, [Hm] sondern er braucht was, wo er so irgendwie knobeln kann, [Hm] kniffligere Sachen und ähm. Ja, manchmal kriegt er halt so Knobelaufgaben, richtig, [Hm] wo du irgendwas austüfteln musst, was er unheimlich gerne macht. [Hm] Oder eben, ich lass ihn dann schon mit Sachen arbeiten, die aus dem zweiten Schuljahr sind, [Hm] hier am Computer, wo er merkt, das sind Sachen, die kann er noch nicht, [Hm] aber die kann er sich aneignen und der Computer ist dafür eigentlich ganz gut geeignet. [Hm] Da geht er auch gerne ran, da arbeitet er ganz selbständig. Nur mein Problem ist halt so ein bisschen, was ich dann mit dem, [Hm] wenn das jetzt immer so weiter geht und der wirklich schon so fit ist, so dass wir auch schon mal überlegt haben, ob der nicht in Mathe z.B. einfach in die zweite Klasse gehen soll. [Hm] Dass er, also an den Stunden, dann im Matheunterricht in der zweiten mitarbeitet, [Hm] dass er für sich so das Gefühl hat, er wird wirklich gefordert, [Hm] weil im Moment macht er das alles mit Links. [Hm] 27:18 I Würdest du deine Förderung eher so sagen, dass es eine Förderung in die Tiefe oder in die Breite. 27:24 N Also ich denke, da muss man schon genau gucken. [Hm] Also was er jetzt noch braucht und was er schon kann [Hm] und ähm, ja was heißt in die Breite, was heißt in die Tiefe. Ist manchmal schwierig, in manchen Bereichen kannst du nicht in die Tiefe oder in die Breite fördern, ist unterschiedlich [Hm] denke ich je nach Thema. [Hm] 27:43 I Und wie ist es mit so sag ich mal operative Übungen, Strukturen entdecken [und so? 27:49 N [So was liebt er, hm, und da ist er ganz, aber er sieht alles sehr schnell, also ich denke er hat da schon eine besondere Begabung. [Hm] Und da kann man ihn noch so, öh, schwierigere Sachen geben und man denkt jetzt aber und dann ruck zuck hat er das. [Hm] Also ich hab auch mit den Eltern gesprochen, ob sie ihn nicht noch irgendwie zu einem anderen Kurs oder so anmelden können, [Hm] dass er vielleicht auch nachmittags noch mal so was hat, [Hm] wo er schon so sein Talent auch so ein bisschen zeigen kann. 28:14 I Also ich glaube es wird nächstes Wintersemester wieder ‚Uni für Kinder’ angeboten. [Hm] 28:18 N [Ja, das wäre toll. 28:19 I [Dass du das im Hinterkopf hast . 28:21 N [Ja, ich hatte mit der Gitta schon mal gesprochen. 28:22 I [wenn du da vielleicht mit dazukommen. 28:23 N [das wäre ganz toll für ihn, glaube ich. 28:25 I Meinst du denn der wäre auch bereit zu noch mal einem Interview? Weil wir [Garantiert] haben uns jetzt weitere Aufgaben überlegt für Drittklässler [Ja] und vielleicht könnte er die ja auch schon. [Ganz bestimmt]. 28:34 N Also, ob er sie lösen kann, das weis ich nicht, aber, aber mitmachen würde er ganz bestimmt, [Hm] das ist so ein ganz ruhiger netter lieber Schüler, [lacht] der ist auch in seiner ganzen Art total nett. [Hm] Macht der garantiert. [Hm] Gut Spaß also [Schön] gar kein Problem. Und die Anhang 229 Eltern sind halt eher so, na ja, ach, ja der kann das halt ganz gut, [Hm] aber sie sehen jetzt nicht, dass er da schon besondere Fähigkeiten hat [Hm] Das hab ich ihnen zwar schon gesagt, aber sie sind jetzt nicht so, dass sie ihn zu Hause noch extra irgendwie fördern würden. [Hm] Ich hab zwar gesagt zu nem Kurs anmelden, ja das würden sie machen oder wenn ich ihnen sagen würde dienstags um drei soll er da hin, dann würden sie das auch machen. [Hm] Das wär kein Problem, aber so von sich aus, ph, ist gut, wenn es gut läuft, [Hm] so sind die eben. 29:15 I Welche Veränderungen würdest du denn am, am Interview vornehmen wollen? Also außer jetzt, vorhin hattest du ja schon gesagt, die Bereiche würdest du gern bisschen mischen oder? 29:24 N Ich finde manchmal die Abbruchbedingungen nicht so gut, [Hm] weil ich dann denke, na ja, das danach hätte er vielleicht noch gekonnt und jetzt muss ich schon wieder wechseln. [Hm] Finde ich manchmal sehr streng. Manche Bereiche find ich dafür auch sehr ausführlich. [Hm] Also gerade das mit dem Zählen am Anfang [Hm] und in 10er-Schritten und in 5er-Schritten und, also es ist halt schon viel. [Hm] Insgesamt sollte man es nicht noch so verlängern, finde ich, dass noch mehr dazu kommt, [Hm] das ist schon jetzt im Bereich, wo man denkt, natürlich fragt man nicht alles ab, [Hm] aber es hat ein breites Spektrum [Hm] und es ist so umfangreich, dass man, also, hm, länger als 1 bis 1½ Stunden sollte es wirklich nicht dauern. [Hm, hm] 30:04 I Kannst du dich noch erinnern, wie du dich auf das erste Schülerinterview vorbereitet hast? 30:09 N Ja, ich hab mir halt diese ganzen, ja Fragen da [Hm] noch einmal durchgelesen, mir irgendwie angemarkert, was ich da immer [Hm] jetzt sagen muss [Hm] und ähm, wir haben es so gemacht, dass wir das erste Interview aufgeteilt haben. Ich hab den Arithmetikteil gemacht und der Chef hat den Rest gemacht, weil wir irgendwie noch so ein bisschen unsicher waren, [Hm] ob wir das jetzt schon so hinkriegen und ich war richtig bisschen aufgeregt, [Hm] muss ich schon sagen. Ob das so klappen würde? Und dann haben wir uns auch ein Kind aus der Zwei genommen, wo wir wussten, ach der rechnet gut und es ist überhaupt kein Problem. [Hm] Also irgendwie erst einmal auf Nummer sicher gehen [Hm] und mal ausprobieren und ähm, ja man ist halt schon unsicher noch, wann muss man springen und so, [Hm] und das legt sich dann aber irgendwann. 30:48 I Kannst du ungefähr abschätzen, wie viel Zeit du da benötigt hast um das. 30:52 N [um das vorzubereiten? [Hm] Ach ein Nachmittag vielleicht. Ich hab mir das Daheim mal durchgelesen und angestrichen, paar Stunden. 31:00 I Und das mit der geteilten Interviewführung, denkst du das wäre eine gute Möglichkeit, wenn man jetzt, sag ich jetzt mal, wenn man neue Lehrer gewinnen will, so als Einstieg? 31:10 N Sicherlich. [Hm] Ich fand das auch ganz angenehm, dass man erst mal nur so einen Teil hat und dann wusste, so jetzt wird gewechselt und dann ist man auch mal in der Rolle des Protokollanten, [Hm] weil wir haben dann ja so getauscht, [Hm] und man hatte eben hinterher gut noch mal die Möglichkeit darüber zu sprechen, wenn zwei [Hm] dabei waren. [Hm] 31:26 I Wie viele Personen benötigt ihr denn für ein Schülerinterview? Oder wie viel brauchst du mindestens? 31:34 N Also jemand, der mir das Material anreicht. [Hm] Wenn derjenige gleichzeitig Protokoll führen kann, würde das ausreichen. [Hm] Mit der einen Studentin haben wir das schon mal so gemacht, aber irgendwie hatte die andere den Bus verpasst oder so. [Hm] Es ging. [Hm] Also, wenn sie die Videokamera aufstellen und es läuft von selber [Hm] dann, also die waren, die letzten waren soweit, dass sie am Ende wirklich alles anreichen konnten, protokollieren konnten und dann in der gleichen Zeit noch wieder alles eingepackt haben. [Hm] Also nach dem Interview war wieder alles wie vorher, [Hm] war schon toll. 32:02 I Und wie gut prägt sich so ein Schülerinterview ein? 32:05 N Ja, da hab ich jetzt neulich mal drüber nachgedacht. Bei dem ersten war das so ganz, (.) irgendwie (.) sehr einprägsam, so dass man genau wusste, ah ja, und da war der Bereich und je häufiger man das macht, desto schneller vergisst man’s auch, hab ich das Gefühl. Also, dann ist das so, na ja, diese Woche, diesen Tag und nächste Woche das, und dann überlegt man mal, was war denn eigentlich noch mal in dem Interview, [Hm] und wenn man sehr viele macht, hat man’s nicht so im Kopf. Also dann muss man es schon irgendwie als Auswertung dann auch [Hm] vor sich haben. [Hm] Man weiß schon grob, aber man weiß es nicht so genau wie am Anfang, da war es halt irgendwie, ja, noch intensiver dadurch dass [Hm] es auch (.) neuer war. [Hm] 32:39 I Hat sich dein Vorbereitungsaufwand für die Stunden irgendwie verändert? 32:44 N Nein (…) Also für den normalen Unterricht meinst du? [Hm] 32:53 I Was hältst du denn von der Aussage: Das Schülerinterview als Katalysator für die Verbesserung des Unterrichtes? 33:00 N Ja. Ich habe es ja schon einmal so angedeutet, [Hm] irgendwie, es geht schon in die Richtung. Anhang 230 Ob es bei jedem wirkt keine Ahnung [Hm] aber ich denke es steckt was drin. [Hm] 33:10 I Und beim Besuch des HKM, als wir uns da mittags zusammengesetzt haben, hat eine Lehrerin gesagt: Das Führen des Interviews wär ne schleichende Lehrerfortbildung. 33:20 N (Lächelt) (...) Ja, ist schon gut möglich. Also ich stell mir jetzt vor allem Kollegen vor, die halt von Mathe nicht so viel Ahnung haben. [Hm] Oder die einfach schon lange im Dienst sind. [Hm] Und wenn die dann mal so einfach, ja so in diese Fragen rein kommen, die ja auch immer so sind: Ein Kind rechnet was, man fragt immer, wie hast du das gemacht, [Hm] oder wie hast du das rausgefunden? [Hm] Könnte ich mir schon vorstellen, dass sich das auch in den eigenen Unterricht einfach ein bisschen mehr rein [Hm] ähm zieht. [Hm] (...) Von da her, und eben dieses dauernde wieder mal drüber Nachdenken, was man selber so in seinem Unterricht macht. Ist ja letztendlich auch eine Form von Fortbildung, [Ja] einfach ja, so sich selbst gegenüber kritisch zu sein. [Hm] 34:08 I Und ne andere Lehrerin meinte: Das Schülerinterview würd sich irgendwie auf die gesamte Schullaufbahn des Kindes auswirken, sie würd lieber irgendwie ein, zwei Stunden einmal investieren und dann wüsste sie, wie sie mit dem Kind arbeitet und könnt effektiver mit dem arbeiten, spart letztendlich Zeit. [Hm] Teilst du die Meinung [oder? 34:26 N [Ja, auf jeden Fall. 34:32 I Dann hab ich hier nen Standpunkt von nem, von nem Lehrer zu (.) ähm, dass nur Fachlehrer das Interview führen dürfen. 34:41 (31 Sec. Pause, liest) 35:12 N Ich bin da gar nicht so skeptisch. Sondern ich denke schon, also wenn die Leute willig sind und Interesse dran haben, [Hm] was man hier auch so hört, also die fragen immer: [Hm] wann macht ihr wieder Interview und was kam so bei raus? Ich denke, dann können die ne ganze Menge dadurch lernen und haben überhaupt kein Problem, dass anhand dieses ja, [Hm] dieses Konzeptes durchzuführen, weil letztendlich ist ja doch alles vorgegeben, man hat gar nicht so viel Freiheit, [Hm] –raum. Gut, man kann manchmal die Fragen ein bisschen anders stellen, wenn man jetzt merkt: Aha, das Kind hat’s nicht so ganz verstanden. Aber letztendlich würde es ja reichen, erst mal damit anzufangen das wirklich so, wie es in dem Konzept ist, auch mit den Kindern durchzuführen. [Hm] Das kann jeder Lehrer, das muss nicht ein Lehrer sein, das kann jeder. [Hm] Also da ist keine große Kunst dahinter. Ich denke es ist halt, klar, man muss interpretieren und hinterher, protokollieren und’s hinterher auswerten, [Hm] das ist das schwierigere an der Sache. [Hm] Aber das, die eigentliche Durchführung, sehe ich kein Problem. 36:07 I Sollte denn das Schülerinterview Bestandteil vom Mathematikunterricht werden? 36:12 L Zeitlich wäre es schön. (Lacht) [(Lacht)] Wenn man irgendwie eine Stunde pro Woche hätte, nur für Matheinterview. [Hm] Fänd ich gut. [Hm] 36:22 I Welcher Art der Evaluation würdest du denn für sinnvoll halten, also für das ganze Projekt? 36:27 L Ja, es ist schwierig. Es nimmt langsam nen Umfang an, den man ja irgendwie (..) ja, auch bei uns an der Schule. Wir haben jetzt einige Inter(views), Interviews durchgeführt, dann sind die ausgewertet, dann haben wir die Bögen, wir haben die, (.) alles Mögliche und jetzt, ja was machen wir jetzt damit? [Hm] Wie gehen wir jetzt damit um? [Hm] Das haben wir auch noch nicht so ganz geklärt. [Hm] Natürlich ist es für den Mathelehrer wichtig, dass der irgendwie diese Ergebnisse, sag ich jetzt mal, hat, [Hm] aber ähm (.) ja, wie macht man’s? Macht man wirklich das in die Schülerakte zum Beispiel, [Hm] ist es auch für jeden Schüler so wichtig? Wie macht man’s jetzt insgesamt an der Uni mit allen, ne? [Hm] Ist ja auch schwierig. [Hm] (..) Kann ich jetzt nicht so beantworten. 37:07 I Waren die, die Lehrerfragebögen und die, [Hm] und unsere Gespräche für dich irgendwie hilfreich, dass man. 37:13 N Also die Lehrerfragebögen im Vorfeld, [Hm] die fand ich meistens ziemlich nervig, [Hm] weil ich immer gedacht habe: Oh, jetzt muss ich das wieder ausfüllen, das war mir sehr lästig. [Hm] Ich denke es ist gut, weil man dann natürlich sich vorher schon mal Gedanken macht und dann hinterher auch guckt, kann, stimmt’s denn so, und so mit der Einschätzung ist, ist es schon mal ganz interessant. [Hm] Aber um das auszufüllen, das fand ich immer sehr lästig. [Hm] Und, also die Treffen in der Uni fand ich am Anfang prima, [Hm] und die letzten, fand ich, haben nicht mehr so viel gebracht. [Hm] Weil’s auch sehr stark auseinander ging. Die einen haben viele Interviews geführt, die anderen noch nicht so, die haben mehr Interesse da Förderbedarf zu ermitteln, [Hm] oder wie geh ich damit um. Also ich fand, es war so ein bisschen in der großen Gruppe nicht mehr so, (..) es hat nicht mehr so viel gebracht. [Hm] Also vielleicht sollte man dann wirklich überlegen in kleinere Gruppen zu gehen und wirklich mal zu gucken, wer hat an welcher Stelle, hängt da jetzt so ein bisschen und [Hm] braucht da noch mal was, hat da noch mal Bedarf? (.) Und ähm (.) natürlich ist es im Plenum, der Anhang 231 insgesamt, der Austausch wichtig, [Hm] das ist klar. 38:13 I Aber danach vielleicht in Kleingruppen was arbeiten, [Ja] wo jeder seine [Interessen 38:18 N [Ja, wo man so auch das Gefühl hat, ähm es bringt einen weiter. [Hm] Also man geht jetzt nicht da, nur da hin um irgendwas zu berichten, sondern auch um wieder was mitzunehmen. [Hm, hm] Das war am Anfang natürlich logisch, [weil man’s 38:29 I [Einfacher, hm. 38:29 N [ja, war’s einfacher, auch für euch, [Hm] weil wir’s ja alle noch nicht kannten, [Genau] noch nicht so eingearbeitet hatten, [Ja] und dann Probleme hatten und so, aber jetzt inzwischen denke ich, muss man halt gucken [Hm] inwiefern man dann, also so nen Nachmittag opfert ne [Hm] und dann hinterher so das Gefühl hat, na ja, ob ich jetzt da war oder nicht, (.) es bringt mir eigentlich so nix. [Hm] Also es ist jetzt etwas übertrieben kritisch [(Lacht)] (Lacht). 38:53 I Na ist doch gut, [wenn man solche Rückmeldungen kriegt. 38:53 N [Es geht nur in die Richtung. Wie ich das meine. 38:56 I Wie könntest du dir denn dann, hast du irgendwie so Wünsche oder Visionen, wie das Projekt fortgesetzt werden könnte? Inhaltlich oder auch organisatorisch? 39:07 N Ja. Also vielleicht wirklich in Kleingruppen was zu machen [Hm] und inhaltlich, mich würde noch so der Bereich der Förderung wirklich noch genauer interessieren. Also dass man jetzt kuckt, wo Kin(der), die und die Kinder hat man, und ja, was macht man jetzt mit so einem Kind wie Nico z.B. [Hm] Also noch genauer, nicht nur allgemein zu sagen: man könnte das und man könnte das, haben wir ja schon mal [Hm] bei einem Kind auch durchgespielt. [Hm] Sondern dass man irgendwie ja genauer auch noch Hilfen kriegt, ja jetzt weiß ich, der ist so gut und was kann ich jetzt machen, [Hm] wie mach ich das möglich oder dass wirklich dann mal ne Studentin sagt: jetzt überleg ich mir mal was konkret für den, und mach das mal, und wir probieren das aus, und hinterher kucken wir wie es war. [Hm, hm] Das fänd ich toll, so was. Ich merke einfach, dass ich selber nicht alles schaffe. [Hm] 39:49 I Da ist einfach zeitlich [genau] keine kein Platz mehr da. [Ne] Und wie könntest du dir die, die Erprobungsphase, also willst du die gerne fortführen oder wie stellst du dir das vor? 39:58 N [Also ich würde gerne noch die restlichen Kinder aus meiner Klasse interviewen. [Hm] Auf jeden Fall. Mein, gut vor den Sommerferien ist natürlich nicht mehr viel Zeit, dann sind sie in der zweiten Klasse. Aber, also so wie es jetzt ist, würde ich es ruhig durchziehen. [Hm] Und dann sagen: o.k. und dann wartet man ein bisschen und dann macht man vielleicht das Folgeinterview, oder je nach dem, [Hm] wie ihr dann. [Hm. Schön] Es soll ja dann schon noch ein Interview für drei/vier wahrscheinlich geben. Ne! Oder? 40:20 I Ja. 40:21 N [oder ist das noch unklar? 40:22 I [Ja oder das ist, das steht noch nicht so ganz, aber man kann natürlich, man könnte auch, sag ich mal nach einem halben Jahr noch mal [noch mal] das gleiche Interview und lässt halt, sag ich mal, Aufgaben, die das Kind gut lösen konnte weg [Hm] und setzt dann an bestimmten Punkten, dann fängt [genau] man halt nicht bei Aufgabe 1 an, [Hm] sondern bei Aufgabe 5, wie er ist und kuckt dann, wie hat sich’s entwickelt. [Hm] Und so was ist passiert. 40:42 N Also auf jeden Fall hätte ich daran Interesse. [Hm] Dass man auch mal so ne Entwicklung eben sieht. [Hm] 40:47 I Hat sich denn unter deinen Kollegen und so bei den Lehrerzimmergesprächen auch Gespräche übers Interview oder [Also] über Mathematik ergeben? Mehr? 40:55 N Am Anfang sehr stark. Da waren sie wirklich sehr interessiert. Und haben dann auch mal gesagt, ach ja, wird das Kind, da weiß ich immer nicht und kannst du nicht mal und so. [Hm] Und irgendwann haben wir dann gesagt, wir wollen mehr so die Kinder aus den eigenen Klassen interviewen, [Hm] dass man wirklich als Mathelehrer dabei ist, [Hm] weil’s uns selber auch mehr bringt. Also ich [Hm] kann natürlich Interviews machen mit Zweitklässlern und kann den hinterher, den Kollegen sagen: so und so war’s, aber mir bringt es nichts. [Hm] Außer dass meine Klasse irgendwie vertreten werden muss und ich geh ins Interview, es ist immer organisatorisch [Hm] schwierig, [Hm] so dass ich dann auch mal etwas egoistisch gesagt habe, dann möchte ich auch gerne erst mal meine [Hm] interviewen. Und dadurch sind die Gespräche jetzt mit den Kollegen bisschen seltener geworden. [Hm] Wenn jetzt die Studenten kommen, sagen sie immer: „ach ja, da sind sie ja wieder da und macht ihr denn wieder Interview?“ So. Aber jetzt inhaltlich eigentlich nicht. [Hm] Aber die haben durchaus Interesse und wir haben ja mal so ne kleine Szene durchgespielt, [Hm] so ein bisschen und ähm, die sind nicht so weit, dass die selber mal bereit wären, da so was zu machen, also so Anhang 232 weit [haben wir es auch noch nicht angedacht. 41:50 I [Und die mit reinzusetzen oder so? 41:52 N Das haben wir bisher organisatorisch einfach nicht hingekriegt. [Hm, hm] Also, Interesse ja, aber immer, wann machen wir das und wie kriegen wir das geregelt. [Hm] Also das ist wirklich ein Problem. Und da wir hier auch nicht so stark besetzt sind, [Hm] ist es wirklich schon schwierig, wenn einer aus dem Unterricht raus geht, um das Interview zu führen [Hm] und dann noch nen zweiten, ginge höchstens, wenn Kollegen Freistunden haben und dann sind sie nicht bereit. 42:16 I Ich hab dir, mir ging jetzt letztens im Kopf rum. Könnten nicht vielleicht, ähm, sag ich eine Studentin oder studentische Assistentin, hilft dir beim, beim Interview führen und die anderen Zwei machen den Unterricht oder so. Könntest du dir das vorstellen? Oder hättest du da bedenken? 42:32 N Ph, von mir aus ist das kein Problem. Machen die ja im Blockpraktikum auch. [Hm] Also als die hier zum Blockpraktikum da waren, haben die das auch gemacht. Die haben den Unterricht gemacht und ich bin ins Interview gegangen. [Hm] [Klar. 42:41 I Also wär vielleicht auch ne Möglichkeit. 42:42 N Wenn die Studenten bereit sind [Hm] und der Kollege z.B. sagt, hm, ich hab nichts dagegen oder so. Klar. [Hm] 42:51 I Würdest du denn das Interview was wir letztens überlegt haben, inhaltlich an die Bildungsstandards anpassen? 42:57 N Ich glaub, da muss man gar nicht so viel anpassen. [Hm] Also eigentlich sind die Bildungsstandards ja noch relativ offen gehalten, so wie wir ja das da uns. [Hm] Klar gibt es manche Bereiche, da sp, da passt es vielleicht noch nicht so gut, aber (schnauft). Schön wär’s natürlich, wenn das möglich wäre. [Hm] Aber ich äh, es weiß nicht, ob es nötig ist, oder ob man es nicht separat lassen kann. [Hm] 43:22 I Worin unterstützen dich denn die studentischen Assistenten, dich in deiner Arbeit? 43:26 N Also sehr stark in der Auswertung. [Hm] Das könnte ich auch alleine, [Hm] aber es würde mich wieder viel Zeit kosten. Und bisher ist es so, dass sie das hauptsächlich machen und mir dann wirklich ausgewertet geben. [Hm] Und dann kuck ich noch mal so drüber und hab einfach, ja, hab mir Zeit gespart. [Hm] Und sie machen halt auch das Ganze mit dem Material. Also die bauen das vorher auf und ich sag dann, z.B. um halb zehn, wollen wir das Interview machen und dann komm ich mit dem Kind in den Raum und die haben alles vorbereitet. [Hm] Also es ist schon super und das klappt auch gut. Die kommen immer pünktlich und also, da kann ich mich überhaupt nicht beklagen, [Hm] klappt wirklich gut. Sind net, freundlich und. 44:01 I [Wertet ihr die, am Anfang habt ihr die zusammen ausgewertet. [Ja] Jetzt machen das aber hauptsächlich [die Assis(tenten) die Studenten. 44:06 N [In letzter Zeit haben sie das immer selber gemacht, [Hm] weil sie dann auch nicht so viel Zeit hatten hinterher noch zu bleiben oder so, und ich dann auch nicht, [Hm] und dann haben sie es mit nach Hause genommen und da ausgewertet. 44:16 I Hat sich die Situation mit den neuen studentischen Assistenten irgendwie geändert? Oder? 44:21 N Nö. Also die haben sich ganz schnell irgendwie eingewöhnt [Hm] und die alten waren, einmal haben, waren die irgendwie parallel, haben, die ihnen alles gezeigt und das ging problemlos. Also beim ersten Mal waren sie noch ein bisschen unsicher. Klar. [Hm] So. Ob sie das alles so richtig machen und ab dem zweiten Mal war es überhaupt kein Problem. 44:38 I Und dann siehst du die schon als positive Hilfe, [die 44:41 N [Auf jeden Fall. [Hm] Ohne die wär es nicht möglich. [Hm] 44:47 I Jetzt hab ich hier mal zusammengestellt, das sind einfach, ich hab die Interviews durchgekuckt und hab gekuckt, was für Themen kommen vor. Die mit Überschriften, ähm, zusammengefasst. Aus den 20 Interviews. Jetzt wollte ich dich fragen, welche, wenn ich das jetzt als Kategorien bezeichne, welche findest du für dich am wichtigsten? 45:08 (10 Sec. Pause, liest) 45:18 N Hm. (...) Also der zweite Bereich mit der Unterrichtsunterstützung [Hm] auf jeden Fall. (..) Ich denke, das ist der am wicht(igsten), der am wichtigsten ist im Moment. [Hm] 45:35 I Hast du noch irgendeinen Punkt, der dir fehlt da drauf. Der dir ganz wichtig ist? 45:44 N Hm. (….) Nö. Eigentlich nicht. (.) Fällt mir jetzt nichts ein. 45:50 I Und jetzt hab ich dir, ich hab dir die Fragen noch rausgeschrieben aus dem, aus dem Text [Hm] (.) ähm (.) ja, (.) wenn du die einfach beantworten willst, oder auch sagst [Hm] irgendwie, das hab ich eigentlich schon gesagt, das brauch ich nicht noch mal. 46:08 N Ja, also ob das Verfahren in der Praxis (.) anwendbar ist im Moment, das mit der zeitlichen und personalen ja, zeitlichen und personellen Rahmenbedingungen, das ist sicherlich ein Punkt, der wird wahrscheinlich von jedem angesprochen, [Hm] hab ich ja auch schon gesagt, Anhang 233 es ist immer schwierig und wenn man, man muss selber hinterher sein, dass man’s, wenn man selber will und es wichtig findet, ich denke dann kann man’s im Unterricht irgendwie einbauen, aber es ist immer schwierig. [Hm] Und es darf nicht so sein, dass dann irgendwann sich die Eltern beschweren und sagen: Was ist denn da und da ist dauernd irgendwas und Vertretung [Hm] und so. [Hm] Den Rahmen darf es halt nicht überschreiten. [Hm] (.) Es wäre schön, wenn man mehr Zeit hätte. Also [Hm] das ist was, wo ich denke: Die Zeit lohnt sich. [Hm] Aber das scheint ja erst mal nicht in Sicht zu sein. [Hm] (.) Es ist anwendbar, aber eben ja, immer wenn, sobald jemand krank wird, wird’s schwierig. [Hm] (...) Ja, die Einsichten in Lern- und Leistungsfähigkeiten, das hab ich eigentlich auch schon gesagt, also dass es einem schon sehr viel Auf(schluss), Aufschluss gibt, [Hm] und dass man eben auch die Zeit wirklich an anderer Stelle spart, [Hm] das ist, das lohnt sich. (..) Hm. (...) Ja, welche Fragen offen bleiben, in Bezug auf mathematische Einsichten, Kenntnisse und Fertigkeiten, natürlich gibt’s da Bereiche, die nicht abgefragt werden. Aber das ist eigentlich (.) das, was mir am wenigsten irgendwie, was ich am (..) ja (..) das ist das geringste Problem, [Hm] denke ich. Also da kann man sicherlich die Aufgabenformate erweitern und (.) andere Sachen noch abfragen, wenn man denn will, aber die Frage ist, ob’s das wirklich bringt. [Hm] Also man sollte ja nicht irgendwie alles nur noch irgendwie abfragen. [Hm] Das liegt mir jetzt nicht so auf der Seele, dieses Thema. (..) Die Ergebnisse des Verfahrens sind relativ eindeutig schon zu lesen. [Hm] Ähm sicherlich gibt’s manchmal schon Unterschiedlichkeiten, ob’s nun der Ausprägungsgrad genau so ist oder genau so, [Hm] aber ich denke, es kommt gar nicht so genau drauf an, sondern die Tendenz ist wichtig. [Hm] (..) Weil man ja auch nicht sagen kann, ein Kind im ersten Schuljahr, muss die und die Ausprägungsgrade haben und ein Kind im dritten Schuljahr die und die, also dazu kann man Kinder einfach nicht in ein Schema pressen, [Hm] die sind dann doch zu individuell, aber ne Tendenz lässt sich ablesen und die ist eindeutig genug. [Hm] (...) Hm, lassen sich aufgrund der Ergebnisse konkrete Ansätze zur Förderung ableiten? Also, in welche Richtung es gehen muss ja, aber (.) wie man’s tatsächlich macht nein. [Hm] Und da denke ich ist noch ein Bereich, [Hm] da muss noch dran gearbeitet werden. (..) Und die Aussagen über den nächsten Entwicklungsschritt des Schülers kann man auch nicht ableiten, weil die Schüler meistens nicht so linear fortschreiten, [Hm] sondern die springen extrem. [Hm] (..) Dann kann’s eben auch sein, dass sie nen, einen Bereich komplett überspringen und dann ganz wo anders sind. [Hm] (...) Ja, welche weiteren Diagnoseverfahren sind empfehlenswert? Ich denke keine weitern, sondern lieber das, und dann nach nem halben Jahr noch mal, oder in erweiterter Form, [Hm] aber jetzt noch ein anderes Verfahren oben drauf zu setzen, glaube ich bringt nix. [Hm] (.) Weil’s dann zu sehr auseinander geht und man eigentlich keine Vergleichbarkeit mehr hat. [Hm] Während, wenn man jetzt das gleiche Interview noch mal macht, dann kann man ja wirklich genau die Bereiche vergleichen [Hm] und gucken, hat sich was verändert, positiv negativ, oder eben nicht. [Hm] 49:38 I Ja, jetzt, wenn du noch gern was anmerken möchtest, ansonsten danke ich dir herzlich [Hm] für deine ausführlichen Informationen. 49:47 N Nö, von mir aus war es das so weit. 49:49 I Gut.