Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade in Unternehmen – Ein ganzheitlicher Ansatz für das strategische Technologiemanagement Inauguraldissertation zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (Dr. rer. pol.) im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Universität Kassel vorgelegt von Dipl.-Oec. Stephan Speith Erstgutachterin: Prof. Dr. Marion A. Weissenberger-Eibl Zweitgutachter: Prof. Dr. Jan Marco Leimeister Tag der Disputation: 11. September 2008 Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde als Dissertation am Fachbereich Wirtschaftswissenschaf- ten der Universität Kassel angenommen. Sie entstand während meiner Tätigkeit als Wissenschaftler am Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung ISI sowie als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Innovations- und TechnologieMa- nagement der Universität Kassel. Die Verwirklichung dieser Arbeit wäre ohne die Unterstützung von vielerlei Seiten nicht möglich gewesen. Danken möchte ich meiner Doktormutter Frau Professor Weissenberger-Eibl für den großen akademischen Freiraum und Professor Leimeister für die Übernahme des Zweitgutachtens. Für die Sicherstellung der materiellen Grund- lagen des Vorhabens über eine Projektförderung möchte ich der Hessenagentur GmbH meinen Dank aussprechen. In diesem Zusammenhang möchte ich auch alle Vertreter aus den beteiligten Unternehmen erwähnen, die durch zahlreiche kritische und kon- struktive Anmerkungen den Erfolg dieser Arbeit erst ermöglicht haben. Ausdrücklicher Dank gebührt ferner meinen Kollegen, die mit Rat und Tat zum Gelin- gen der Arbeit ganz wesentlich beigetragen haben. Sehr gerne bedanke ich mich für die gute Zusammenarbeit und die guten Hinweise bei Dr. Kerstin Cuhls, Elna Schirrmeister, Dr. Philine Warnke, PD Dr. Ralf Isenmann, Sven Wydra, Oliver Som sowie meiner langjährigen Bürokollegin Antje Bierwisch. Der größte Dank gilt meinen Eltern und Großeltern, ohne deren Unterstützung mein bisheriger Lebensweg in dieser Form nicht denkbar gewesen wäre sowie meiner Part- nerin Selma Kölbl, die mir in einer nicht immer einfachen Zeit stets zur Seite gestanden hat. Stephan Speith I INHALTSVERZEICHNIS INHALTSVERZEICHNIS............................................................................................. I ABBILDUNGSVERZEICHNIS................................................................................... IV TABELLENVERZEICHNIS ....................................................................................... VI ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ................................................................................ VII 1 EINLEITUNG ........................................................................................................ 1 1.1 Problemstellung ............................................................................................ 1 1.2 Zielsetzung.................................................................................................... 2 1.3 Methodisches Vorgehen................................................................................ 3 1.4 Aufbau der Arbeit .......................................................................................... 4 2 VORAUSSCHAU UND PLANUNG NEUER TECHNOLOGIEPFADE.................. 7 2.1 Grundlegende Definitionen............................................................................ 7 2.1.1 Technologie, technologische Pfade...............................................................7 2.1.2 Technologiemanagement, strategisches Technologiemanagement, Vorausschau und Planung...........................................................................12 2.1.3 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade...................................16 2.2 Stand der Forschung – Ansätze der Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade.........................................................................................17 2.2.1 Datenbankanalysen und Indikatorik.............................................................18 2.2.2 Technologische Entwicklungsmuster...........................................................25 2.2.3 Szenarien.....................................................................................................30 2.2.4 Technologie-Bewertung...............................................................................35 2.2.5 Technologie-Roadmaps...............................................................................38 2.2.6 New Business Development ........................................................................42 2.2.7 Technologie-Folgenabschätzung.................................................................45 2.2.8 Sonstige Ansätze.........................................................................................47 2.3 Hypothesen ..................................................................................................56 2.3.1 Adressierte Problembereiche vorhandener Ansätze ...................................56 2.3.2 Forschungslücken........................................................................................63 2.3.3 Forschungsthesen .......................................................................................71 3 DAS AUFKOMMEN TECHNOLOGISCHER PFADE IN INNOVATIONSSYSTEMEN.................................................................................75 3.1 Grundlagen ..................................................................................................75 3.1.1 Actor-Network-Theorie.................................................................................76 3.1.2 Trajektorien und institutionelle Regime........................................................80 3.1.3 Technologiebasierte Innovationssysteme....................................................84 3.1.4 Zwischenfazit: Integration der theoretischen und empirischen Grundlagen 87 3.2 Strukturelemente..........................................................................................89 3.2.1 Akteure: Individuen und Organisationen......................................................89 3.2.2 Institutionen .................................................................................................92 II 3.2.3 Wissensbasis...............................................................................................94 3.2.4 Technologische Artefakte ............................................................................96 3.3 Funktionen ...................................................................................................97 3.3.1 Mobilisierung von Ressourcen...................................................................101 3.3.2 Schaffung und Verbreitung von Wissen.....................................................102 3.3.3 Beeinflussung der Richtung des Suchprozesses.......................................103 3.3.4 Gründungstätigkeiten.................................................................................104 3.3.5 Bildung von Märkten ..................................................................................106 3.3.6 Gesellschaftliche Legitimierung .................................................................107 3.4 Entstehungsphasen im Prozess der Pfadkonstitution ................................108 3.4.1 Präformation ..............................................................................................112 3.4.2 Pfadkreation...............................................................................................114 3.4.3 Pfadabhängigkeit und Pfadbrechung.........................................................120 3.5 Zwischenfazit: theoretische Fundierung der Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade.......................................................................................125 4 EIN GANZHEITLICHER ANSATZ FÜR DIE VORAUSSCHAU UND PLANUNG NEUER TECHNOLOGIEPFADE .......................................................................128 4.1 Inhaltliche Leitlinien der Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade ...................................................................................................................128 4.2 Einflussfaktoren der Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade .137 4.2.1 Ebene des gesellschaftlichen Umfelds ......................................................138 4.2.2 Ebene des technologiebasierten Innovationssystems...............................141 4.2.3 Ebene des Unternehmens .........................................................................143 4.3 Organisation der Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade ......145 4.3.1 Ist-Analyse .................................................................................................147 4.3.2 Identifikation von Anwendungskontexten...................................................149 4.3.3 Gap-Analyse ..............................................................................................151 4.3.4 Identifikation alternativer Technologiepfade ..............................................152 4.3.5 Strategieentscheidung ...............................................................................154 4.3.6 Evaluation und Wiederholung....................................................................155 5 FALLSTUDIEN ZUR VORAUSSCHAU UND PLANUNG NEUER TECHNOLOGIEPFADE.....................................................................................157 5.1 Untersuchungsdesign.................................................................................157 5.1.1 Forschungsmethode ..................................................................................158 5.1.2 Sampling....................................................................................................161 5.1.3 Erhebungs- und Auswertungsmethoden....................................................163 5.2 Fallstudie: Biotech......................................................................................167 5.2.1 Unternehmens- und Technologiebeschreibung.........................................167 5.2.2 Untersuchungsergebnisse .........................................................................168 5.2.3 Zwischenfazit .............................................................................................176 5.3 Fallstudie: Mobil .........................................................................................178 5.3.1 Unternehmens- und Technologiebeschreibung.........................................178 5.3.2 Untersuchungsergebnisse .........................................................................179 5.3.3 Zwischenfazit .............................................................................................185 5.4 Fallstudie: Nano .........................................................................................188 5.4.1 Unternehmens- und Technologiebeschreibung.........................................188 5.4.2 Untersuchungsergebnisse .........................................................................188 5.4.3 Zwischenfazit .............................................................................................192 III 5.5 Fallstudie: Sensor ......................................................................................194 5.5.1 Unternehmens- und Technologiebeschreibung.........................................194 5.5.2 Untersuchungsergebnisse .........................................................................195 5.5.3 Zwischenfazit .............................................................................................200 5.6 Zusammenfassung der Ergebnisse............................................................202 5.6.1 Cross-Case-Analysen................................................................................202 5.6.2 Typenbildung .............................................................................................211 5.6.3 Diskussion der Forschungsthesen.............................................................214 5.6.4 Kritische Reflexion des Untersuchungsdesigns.........................................224 6 ERWEITERUNG DES GANZHEITLICHEN ANSATZES FÜR DIE VORAUSSCHAU UND PLANUNG NEUER TECHNOLOGIEPFADE...............227 6.1 Typ 1: Vorausschau und Planung bei neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen ............................................................................................230 6.2 Typ 2: Vorausschau und Planung bei der Identifikation neuer Anwendungen für etablierte nicht beherrschte Technologien ............................................239 6.3 Typ 3: Vorausschau und Planung bei der Identifikation neuer Anwendungen für etablierte beherrschte Technologien .....................................................247 7 SCHLUSSBETRACHTUNG ..............................................................................256 7.1 Zusammenfassung der Ergebnisse............................................................256 7.2 Grenzen der Untersuchung und weiterer Forschungsbedarf......................259 LITERATURVERZEICHNIS ....................................................................................263 ANHANG.................................................................................................................285 IV ABBILDUNGSVERZEICHNIS Abbildung 1: Aufbau der Arbeit ...........................................................................................5 Abbildung 2: Prozess des strategischen Technologiemanagements ...............................13 Abbildung 3: Prozess der Vorausschau und Planung in Unternehmen............................15 Abbildung 4: Handlungsbestimmende Faktoren eines Akteurs ........................................90 Abbildung 5: Akteur-Netzwerke an unterschiedlichen Polen eines technologiebasierten Innovationssystems .....................................................................................91 Abbildung 6: Institutionelle Regelungen an unterschiedlichen Polen eines technologiebasierten Innovationssystems ...................................................94 Abbildung 7: Prozess der Pfadkonstitution in technologiebasierten Innovationssystemen ...................................................................................................................111 Abbildung 8: Erwartungsdynamik in neuen technologischen Pfaden .............................115 Abbildung 9: Landscape, technologiebasiertes Innovationssystem und Unternehmen..137 Abbildung 10: Phasen des ganzheitlichen Ansatzes der Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade ......................................................................................146 Abbildung 11: Konzeption des Vorgehens bei der Ist-Analyse.........................................148 Abbildung 12: Konzeption des Vorgehens bei der Identifikation von Anwendungskontexten ..............................................................................150 Abbildung 13: Konzeption des Vorgehens bei der Gap-Analyse......................................152 Abbildung 14: Konzeption des Vorgehens bei der Identifikation alternativer Technologiepfade ......................................................................................153 Abbildung 15: Konzeption des Vorgehens bei der Strategieentscheidung.......................155 Abbildung 16: Konzeption des Vorgehens bei der Evaluation und Wiederholung............156 Abbildung 17: Darstellung der Publikationen zu „Organismus A" nach thematischer Nähe... ..............................................................................................................170 Abbildung 18: Darstellung der Publikationen zu „Enzym I" und „Enzym II" nach thematischer Nähe.....................................................................................171 Abbildung 19: Roadmap für die Entwicklung und Kommerzialisierung von Organismus A durch das Unternehmen Biotech ...............................................................174 Abbildung 20: Roadmap Biotech mit aufzubauenden Kompetenzen und Folgeaktivitäten .... ..............................................................................................................175 Abbildung 21: Roadmap für die Entwicklung und Kommerzialisierung der Technologie C durch das Unternehmen Mobil...................................................................182 Abbildung 22: Roadmap Mobil mit aufzubauenden Kompetenzen und Folgeaktivitäten..184 Abbildung 23: Roadmap für die Entwicklung und Kommerzialisierung der Technologie A durch das Unternehmen Nano...................................................................190 V Abbildung 24: Roadmap Nano mit aufzubauenden Kompetenzen und Folgeaktivitäten..192 Abbildung 25: Darstellung der Publikationen aus einem Datensatz .................................196 Abbildung 26: Roadmap für die Entwicklung und Kommerzialisierung der Technologie A durch das Unternehmen Sensor................................................................198 Abbildung 27: Roadmap Sensor mit aufzubauenden Kompetenzen und Folgeaktivitäten..... ..............................................................................................................199 Abbildung 28: Idealtypen der Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade .........214 Abbildung 29: Vorgehen für den ganzheitlichen Ansatz der Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade ............................................................................229 VI TABELLENVERZEICHNIS Tabelle 1: Adressierte Problembereiche vorhandener Ansätze für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade................................................................61 Tabelle 2: Funktionen von Innovationssystemen..........................................................99 Tabelle 3: Strukturelemente und Funktionen in der Präformationsphase...................113 Tabelle 4: Strukturelemente und Funktionen während der Pfadkreation....................119 Tabelle 5: Strukturelemente und Funktionen in der Pfadabhängigkeit .......................123 Tabelle 6: Einflussfaktoren auf der Ebene der Landscape.........................................139 Tabelle 7: Einflussfaktoren auf der Ebene des technologiebasierten Innovationssystems ...................................................................................142 Tabelle 8: Einflussfaktoren auf der Ebene des Unternehmens ..................................144 Tabelle 9: Zu überwindende Lücken für die Anwendungskontexte bei Biotech .........173 Tabelle 10: Zu überwindende Lücken für die Anwendungskontexte bei der Mobil.......183 Tabelle 11: Zu überwindende Lücken für die Anwendungskontexte bei Nano.............191 Tabelle 12: Zu überwindende Lücken für die Anwendungskontexte bei Sensor ..........197 Tabelle 13: Kriterien für situationsspezifische Ansätze der Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade ............................................................................213 Tabelle 14: Spezifisches Vorgehen für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade bei Typ 1 ......................................................................233 Tabelle 15: Spezifisches Vorgehen für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade bei Typ 2 ......................................................................242 Tabelle 16: Spezifisches Vorgehen für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade bei Typ 3 ......................................................................250 VII ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ATBEST Assessment Techniques for Breakthrough and Emerging Science and Technology bzw. beziehungsweise CNC Computer Numerically Controlled CVD Chemical Vapor Deposition DARPA U.S. Defense Advanced Research Projects Agency d.h. das heißt DNA Desoxyribonukleinsäure d.V. der Verfasser ECN Energy research Centre of the Netherlands et al. und andere E3MG Energy-Environment-Economy Model at the Global Level f. folgende ff. fort folgende F&E Forschung und Entwicklung FMS Flexible Manufacturing Systems FN Fußnote ggf. gegebenenfalls GLP Good Laboratory Practice GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung GMP Good Manufacturer's Practice HIV Human Immunodeficiency Virus i.e. id est IPC International Patent Classification ITRS International Technology Roadmap for Semiconductors JRC-IPTS Joint Research Centre, Institute for Prospective Technological Studies Ltd. Private Company Limited by Shares (UK) MEMS Micro-Electro-Mechanical System Mio. Millionen NGO Non-Governmental Organisation VIII Nr. Nummer OEM Original Equipment Manufacturer PVD Physical Vapor Deposition QUEST Quick Environmental Scanning Technique resp. respektive SWOT Strenghs-Weaknesses-Opportunities-Threats u.a. unter anderem USPTO United States Patent and Trademark Office usw. und so weiter vgl. vergleiche v.a. vor allem v.s. versus WLAN Wireless Local Area Network z.B. zum Beispiel "The best way to predict the future is to invent it." Alan Curtis Kay 1 Einleitung 1 1 EINLEITUNG Dieses Kapitel stellt zuerst die behandelte Problemstellung und die adressierten For- schungsfragen der Arbeit dar. Anschließend werden die Ziele, das methodische Vor- gehen sowie die theoretischen Grundlagen der Arbeit behandelt. Im letzten Abschnitt wird der Aufbau der Arbeit vorgestellt. In diesem Zusammenhang werden die zentralen Inhalte der einzelnen Kapitel kurz diskutiert. 1.1 Problemstellung Auf der Seite der Forschung und Entwicklung stehen Unternehmen weltweit in einem sich beschleunigenden Wettbewerb um neue Technologien. Auf der Marktseite wird diese Entwicklung durch sich verkürzende Lebenszyklen von Produkten und Prozes- sen verschärft. Firmen sind in diesem Umfeld gefordert, technologische Optionen früh- zeitig aufzugreifen, um neue Märkte zu besetzen und Vorteile gegenüber ihren Konkur- renten zu erlangen. Die Identifikation dieser neuen Technologien und die Erarbeitung von Strategien für die Erschließung ihres Potenzials ist Kernaufgabe der Vorausschau und Planung. Während des Aufkommens neuer Technologien steht die Vorausschau und Planung jedoch besonderen Herausforderungen gegenüber. Situationen, in denen neue Technologien entstehen, sind durch eine hohe Dynamik und Komplexität der Entwicklungen, durch eine lange Zeitspanne bis zur erfolgreichen Anwendung der Technologie beim Kunden sowie durch häufig noch unbekannte Einsatzmöglichkeiten gekennzeichnet. In einem solchen Umfeld, dessen Entwicklung von einem Unterneh- men nur sehr eingeschränkt vorhergesagt und kontrolliert werden kann, besteht ein Bedarf an Methoden, die Firmen bei der Entscheidungsfindung unterstützen können. In der wissenschaftlichen Diskussion finden sich verschiedene Ansätze, um die Vor- ausschau und Planung im Bereich neuer Technologien durchzuführen. Bisher liegen jedoch nur wenige Erfahrungsberichte über ihre Anwendung in Unternehmen vor. Er- kenntnisse über die wesentlichen Aufgaben der Vorausschau und Planung in den be- schriebenen Situationen sowie die Charakteristika erfolgreicher Strategien für neue Technologien liegen nur punktuell vor. Des Weiteren fällt auf, dass nur sehr wenige der vorliegenden Methoden und Konzepte wissenschaftliche Erkenntnisse über den Inno- vationsprozess in seiner frühen Phase integrieren. Der überwiegende Teil der Ansätze legt ein lineares Innovationsmodell zugrunde, welches die tatsächliche Dynamik eines häufig chaotischen Entstehungsprozesses nur unzureichend abbildet. Offen ist in die- sem Kontext, auf welche wesentlichen Faktoren aus dem technologischen Umfeld sich 1 Einleitung 2 die Vorausschau und Planung konzentrieren sollte, um eine bessere Handhabung der hohen Komplexität während der Entstehung neuer Technologien zu erreichen. Schließ- lich fehlt eine strukturierte Vorgehensweise, die den Ablauf bei der Vorausschau und Planung beschreibt und gleichzeitig Aussagen über die zu beteiligenden Organisati- onseinheiten trifft. In diesem Kontext greifen vorhandene Ansätze lediglich einzelne Problemstellungen und Herausforderungen auf, ohne diese zu einem umfassenden Ansatz der Vorausschau und Planung neuer Technologien zu integrieren. Ausgehend von diesen Mängeln adressiert die vorliegende Arbeit die folgende Prob- lemstellung: Wie kann ein ganzheitlicher Ansatz für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade in Unternehmen gestaltet werden? Diese zentrale Fragestel- lung lässt sich in die folgenden Teilfragen aufgliedern: Wie können theoretische Er- kenntnisse der Innovationsforschung in die Vorausschau und Planung neuer Techno- logien integriert werden? Welche Aufgaben hat die Vorausschau und Planung in Situa- tionen, in denen neue Technologien entstehen, zu erfüllen? Welchen Kriterien sollten die entwickelten Strategien genügen, damit ein Unternehmen das Potenzial einer neu- en Technologie erfolgreich erschließen kann? Welche Faktoren aus dem Umfeld eines Unternehmens sollten betrachtet werden? Wie sollte das Vorgehen der Vorausschau und Planung erfolgen? Welche Personen und Organisationseinheiten sollten einbezo- gen werden? 1.2 Zielsetzung Das Ziel der Arbeit besteht darin, einen Ansatz für die Vorausschau und Planung neu aufkommender Technologien in Unternehmen zu entwickeln. Im Einzelnen lassen sich theoretische, konzeptionelle und empirische Teilziele unterscheiden, die für unter- schiedliche Adressaten in Forschung und Praxis von Relevanz sind. Die theoretische Zielstellung liegt darin, Erkenntnisse der Innovationsforschung in die methodische Diskussion der Vorausschau und Planung einzubringen, da diese beiden Felder bisher weitgehend isoliert voneinander stehen. Aus der Anwendung von theore- tischen Erkenntnissen sollen in diesem Kontext Rückschlüsse auf weiteren Untersu- chungsbedarf in der Innovationsforschung gezogen werden. Des Weiteren besteht die theoretische Zielsetzung in der Definition eines Kernbereichs von Aufgaben, die die Vorausschau und Planung neuer Technologien erfüllen sollte und in der Herausarbei- tung eines Sets von Charakteristika für erfolgreiche Strategien im Umfeld entstehender Technologien. Schließlich soll die Methodendiskussion im strategischen Technologie- management durch den vorgestellten Ansatz der Vorausschau und Planung gezielt 1 Einleitung 3 vorangetrieben werden. Dies gilt zum einen mit Sicht auf die Entwicklung theoriebasier- ter Vorgehensweisen und zum anderen für den Anspruch, neue Möglichkeiten zur Durchführung der Vorausschau und Planung neuer Technologien aufzuzeigen. Die konzeptionelle Zielsetzung besteht darin, einen Rahmen, mit dem die Einflussfak- toren auf die Entstehung neuer Technologien strukturiert analysiert und ausgewertet werden können, bereitzustellen. Dies soll eine Handhabung der Komplexität und eine Konzentration auf die wesentlichen Größen bei der Durchführung der Vorausschau und Planung ermöglichen. Die Konzeption des Ansatzes hat außerdem den Anspruch, die verschiedenen Anforderungen an die Vorausschau und Planung im Umfeld neuer Technologien ganzheitlich zu adressieren und in einer geeigneten Ablauf- und Aufbau- organisation zu konkretisieren. Die empirische Zielsetzung liegt darin, herauszufinden, welchen Problemen Unterneh- men bei der methodisch unterstützen Analyse und Strategiebildung für neue Technolo- gien gegenüberstehen, da bisher wenige Erfahrungsberichte zu dieser Thematik vor- liegen. In diesem Zusammenhang sollen gleichfalls Aussagen darüber getroffen wer- den, welche der in der Literatur vorgestellten Ansätze und Konzepte für die Voraus- schau und Planung neu aufkommender Technologien in Unternehmen geeignet sind und wie diese gegebenenfalls anzupassen oder zu kombinieren sind. 1.3 Methodisches Vorgehen Die Arbeit ist in unterschiedlichen theoretischen Diskussionen verortet, die die Grund- lage für das Entwickeln eines Ansatzes für die Vorausschau und Planung im Umfeld neuer Technologien bilden. Dabei spielen die betriebswirtschaftlich geprägte Diskussi- on über das Technologiemanagement und insbesondere das strategische Technolo- giemanagement eine Rolle. Die Identifikation und die Vorbereitung der Erschließung neuer Technologiefelder werden als Kernaufgaben der Vorausschau und Planung im strategischen Technologiemanagement angesehen. Aus dieser Forschungsrichtung werden insbesondere bestehende Ansätze der technologischen Vorausschau sowie der Technologieplanung aufgegriffen und kritisch diskutiert. Neben der betriebswirt- schaftlichen Perspektive werden Erkenntnisse aus der Innovationsforschung und der Innovationstheorie genutzt, um mit diesen das Methodenspektrum der Vorausschau und Planung neu aufkommender Technologien zu reflektieren und zu erweitern. Zu diesem Zweck werden insbesondere die Actor-Network-Theorie, die Gedanken über technologische Trajektorien, die Innovationssystem-Diskussion und die Pfadtheorie aufgegriffen. 1 Einleitung 4 Gegenstand dieser Arbeit ist ferner ein Review der in der Literatur vorhandenen Ansät- ze und Konzepte der Vorausschau und Planung neuer Technologien. Dabei wurden insgesamt 81 Ansätze, die im Zeitraum von 1990 bis 2007 in führenden internationalen Zeitschriften publiziert wurden, identifiziert und bezüglich ihrer Zielsetzung, Vorge- hensweise sowie ihrer Vor- und Nachteile diskutiert. Die Auswahl dieser Ansätze er- folgte nach einer Analyse sämtlicher Abstracts aus den entsprechenden Zeitschriften. Ausgehend von der Gegenüberstellung dieser Methoden wird Forschungsbedarf im Bereich der Vorausschau und Planung neuer Technologien lokalisiert. Dieser wird an- schließend in Forschungshypothesen konkretisiert. Die erarbeiteten Thesen bilden den Ausgangspunkt für die Konzeption eines ganzheitlichen Ansatzes der Vorausschau und Planung, der die Problembereiche der Vorausschau und Planung neuer Technolo- gien umfassend aufgreift. In diesem Zusammenhang werden die Vorteile und Möglich- keiten verschiedener Methoden und Konzepte integriert. Der Ansatz wird in einer Fall- studienuntersuchung mit vier Unternehmen angewendet. Die beteiligten Pilotunter- nehmen entstammen verschiedenen Branchen und sind in unterschiedlichen Techno- logiefeldern tätig. Die Zusammenarbeit erstreckte sich über einen Zeitraum von insge- samt einem Jahr. In dieser Zeit fanden 26 Interviews und elf Workshops in den Firmen statt, die unter anderem um Recherchen in Publikations- und Patentdatenbanken er- gänzt wurden. Die Ergebnisse aus der Anwendung des konzipierten Ansatzes wurden den Forschungshypothesen gegenübergestellt. Auf Basis dieser Diskussion erfolgte abschließend eine Anpassung und Erweiterung des vorgestellten Ansatzes für die Vor- ausschau und Planung neuer Technologien. 1.4 Aufbau der Arbeit Der Aufbau der Arbeit ist schematisch in Abbildung 1 dargestellt. An die Einleitung schließt sich im nächsten Kapitel die Definition zentraler Begriffe der Arbeit an. Ziel ist die Entwicklung einer Arbeitsdefinition der Vorausschau und Planung neuer Technolo- giepfade und ihre Verortung im strategischen Technologiemanagement. Anschließend erfolgt ein Review vorhandener Ansätze für die Vorausschau und Pla- nung neuer Technologiepfade. Dabei werden die zentralen Kennzeichen jedes Kon- zeptes einschließlich seiner Vor- und Nachteile diskutiert. Aus der Aufarbeitung der vorhandenen Ansätze leiten sich Forschungslücken ab, die mit den in Abschnitt 2.3 gebildeten vier Forschungshypothesen aufgegriffen werden. 1 Einleitung 5 Abbildung 1: Aufbau der Arbeit [Quelle: eigene Darstellung] Die erste Hypothese greift den Mangel an einer theoretischen Fundierung der Voraus- schau und Planung neuer Technologiepfade auf. Das Entwickeln einer theoretischen Grundlage, die diesen Mangel adressiert, erfolgt in Kapitel drei. Zu diesem Zweck wer- den verschiedene theoretische und empirische Bausteine zu einem Modell der Entste- hung neuer Technologiepfade integriert. Die Diskussion der ersten Forschungsthese sowie die Ableitung der Implikationen des entwickelten Modells für die Vorausschau und Planung erfolgen innerhalb dieses Kapitels. Die zweite bis vierte Hypothese spezifiziert Forschungsbedarf mit Sicht auf einen ganz- heitlichen Ansatz der Vorausschau und Planung neuer technologischer Pfade. Die Konzeption dieses Ansatzes, die Aspekte aus vorhandenen Methoden kombiniert und erweitert, erfolgt in Kapitel vier. Der ganzheitliche Ansatz integriert bestimmte inhaltli- che Leitlinien, nutzt einen Rahmen von Einflussfaktoren und konkretisiert sich in einer spezifischen Ablauf- und Aufbauorganisation. Wie kann ein ganzheitlicher Ansatz für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade in Unternehmen gestaltet sein? Definitionen Abschnitt 2.1 vorhandene Ansätze Abschnitt 2.2 Hypothesen Abschnitt 2.3 Konzept einer theoretischen Fundierung Abschnitt 3.1-3.3 theoriegeleitete Diskussion Abschnitt 3.4 Konzept eines ganzheitlichen Ansatzes Kapitel 4 Anwendung des ganzheitlichen Ansatzes in Fallstudien Kapitel 5 Erweitern des ganzheitlichen Ansatzes Kapitel 6 Schlussbetrachtung Kapitel 7 1 Einleitung 6 Im fünften Kapitel findet die empirische Anwendung dieses Ansatzes in vier Pilotunter- nehmen statt. Die Ziele dieser Fallstudien bestehen sowohl darin, den entwickelten Ansatz zu testen und Anpassungsbedarf zu lokalisieren, als auch darin, in der Literatur bislang nicht beschriebene Problembereiche der Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade in Unternehmen zu identifizieren. Zum Abschluss des Kapitels wer- den die Hypothesen zwei, drei und vier auf Basis der Fallstudienergebnisse diskutiert. Die Ergebnisse aus dem empirischen Teil fließen in die Erweiterung des Ansatzes in Kapitel 6 der Arbeit ein. Der Kerngedanke dieses Kapitels liegt darin, dass für unter- schiedliche Situationen der Entstehung neuer Technologiepfade andere Inhalte, Vor- gehensweisen und Teamstrukturen der Vorausschau und Planung notwendig sind. Ausgehend von dem zuvor getesteten Ansatz werden drei verschiedene Varianten der Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade entwickelt, deren Anwendung von der Art der Pfadentstehung sowie von der im Unternehmen vorhandenen technologi- schen Kompetenz abhängt. Das 7. Kapitel fasst die Ergebnisse der Arbeit in einer Schlussbetrachtung zusammen. Dabei werden die Grenzen der Untersuchung kritisch hinterfragt und weiterer For- schungsbedarf für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade aufgezeigt. 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 7 2 VORAUSSCHAU UND PLANUNG NEUER TECHNOLOGIEPFADE Im folgenden Kapitel werden zuerst die definitorischen Grundlagen der Arbeit vorge- stellt und der Stand der Forschung aufgearbeitet. Ziel ist zum einen das Entwickeln einer Arbeitsdefinition der Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade und zum anderen die Aufarbeitung des aktuellen Forschungsstandes zu Methoden der Voraus- schau und Planung neu aufkommender Technologiepfade. Ein besonderer Fokus wird anschließend auf der Herausstellung der in den vorhandenen Ansätzen adressierten Problembereiche gelegt. Diese Problembereiche bilden die Basis für das Identifizieren von Forschungslücken und die Formulierung von forschungsleitenden Hypothesen am Ende dieses Kapitels. 2.1 Grundlegende Definitionen Im diesem Abschnitt werden die zentralen Begrifflichkeiten der Arbeit vorgestellt. Dies umfasst zunächst die Definition neuer technologischer Pfade sowie eine Beschreibung ihrer Charakteristika. Aufbauend auf der Verortung der Vorausschau und Planung als Teilgebiet des strategischen Technologiemanagements, wird im Folgenden eine Ar- beitsdefinition der Vorausschau und Planung neu aufkommender Technologiepfade entwickelt. 2.1.1 Technologie, technologische Pfade Technologien stellen eine wesentliche Quelle für Innovationen dar.1 Technologien wer- den in dieser Arbeit als theoretisches und praktisches Wissen sowie als Fähigkeiten und Artefakte verstanden, die für das Entwickeln von Produkten, Prozessen und Servi- ces genutzt werden können. Träger von Technologie können Menschen, kognitive und physische Prozesse, Materialien, Maschinen und Anlagen sowie Werkzeuge sein.2 In verschiedenen deutschen Publikationen erfolgt zusätzlich eine Unterscheidung von Technologie und Technik. Nach diesem Verständnis sind Technologien wissenschaft- lich fundierte Erkenntnisse aus den Ingenieur-, Natur- und Sozialwissenschaften, die zur Lösung von praktischen Problemen genutzt werden können. Technik bezeichnet 1 Innovationen sind im Ergebnis neue Produkte, Verfahren, Organisationsformen und Geschäfts- modelle, die innerhalb einer Unternehmung erstmalig eingeführt werden und sich von den vorher eingesetzten Produkten, Verfahren, Organisationsformen und Geschäftsmodellen wesentlich un- terscheiden (vgl. Hauschildt 2004:7 und 2004:24; Tschirky 1998:266). 2 Vgl. Burgelman, Christensen & Wheelwright 2004:2. 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 8 die anwendungsbezogene Nutzung dieses Wissens in Produkten und Verfahren.3 In der internationalen Technologiemanagement-Literatur wurde diese Trennung - zwi- schen „Technology“ und „Technique“ - zu Gunsten eines breit ausgelegten Technolo- giebegriffs aufgegeben.4 Diese Arbeit folgt der internationalen Diskussion aus den nachstehenden Gründen. Erstens ist eine engere Verbindung zwischen Wissenschaft und Technologie festzustellen, so dass die Übergänge zwischen beiden Sphären zu- nehmend unscharf werden.5 Zweitens streben Unternehmen eine kommerzielle Nut- zung von Wissen an, auch wenn dieses Wissen noch nicht in konkreten Produkten und Prozessen manifestiert ist.6 Somit würde eine konsequent angewendete schmale Technologiedefinition das Management dieses Wissen aus der Betrachtung ausschlie- ßen.7 Drittens spiegelt sich die fehlende praktische Relevanz einer Begriffstrennung bei Autoren wider, die zu Beginn ihrer Arbeiten eine Abgrenzung vornehmen und im weite- ren Verlauf ihrer Ausführung auf eine Differenzierung von Technologie- und Technik- Management verzichten. Zu der oben vorgestellten Definition ist demzufolge hinzuzu- fügen, dass Technologien unterschiedliche Konkretisierungsgrade zwischen Wissen und Produkten aufweisen können. Neue Technologien unterscheiden sich nach dem Grad der mit ihnen einhergehenden Veränderungen. Einerseits existiert inkrementeller technologischer Fortschritt, bei dem sich der Wandel in kleinen Schritten entlang einer technologischen Entwicklungslinie vollzieht.8 Andererseits treten starke technologische Veränderungen auf, bei denen der Wandel mit hoher Intensität stattfindet und neue technologische Pfade entstehen. Das letztere Phänomen wird unter einer Vielzahl von Begriffen diskutiert, wie beispielsweise „radikale (technologische) Innovationen“,9 „disruptive Technologie“,10 „technologischer 3 Für diese Sichtweise vgl. Zahn 2004:125; Brockhoff 1999:27; Tschirky 1998:226f.; Zahn 1995:4; Wolfrum 1994:314; Ewald 1989:33. 4 Vgl. hierzu Fleck & Howells 2001:525. Diese Position wird im deutschsprachigen Raum ebenfalls vertreten von Gerpott 2005:18f.; Brodbeck 1999:17. Für eine Übersicht unterschiedlicher Tech- nologie- und Technikdefinitionen vgl. Brodbeck 1999:15ff. 5 Vgl. Gerpott 2005:19. 6 Vgl. Gerpott 2005:19. 7 Vgl. Brodbeck 1999:17. Hierzu würde insbesondere die Nutzung von neuem Wissen in neuen Produkten und Prozessen zählen. 8 Beispielsweise handelt es sich um Verbesserungen bestehender Produkte, die eine geringfügige Veränderung der zugrunde liegenden Technologien bei weitgehend ähnlicher Funktionalität ein- schließt. Vgl. hierzu Gerybadze 2004:77; Hauschild 2004:15; Macharzina & Wolf 2003:664; Ut- terback 1994:17f. Andere Autoren bezeichnen diesen Innovationstypus als „Sustaining Innovati- on“ (vgl. Kassicieh, Walsh, Cummings, McWorther, Romig & Williams 2002:375f.). 9 vgl. unter anderem Kostoff 2006; Hall & Martin 2005; McDermott & O’Connor 2002; Todd 1999; O’Connor 1998; Innovationskompass 2001. 10 vgl. unter anderem Danneels 2004; Kostoff, Boylan & Simmons 2004; Walsh 2004; Paap & Katz 2002, Adner & Zemsky 2003; Christensen 2002; Myers, Sumpter, Walsh & Kirchhoff 2002; Kas- sicieh, Walsh, Cummings, McWorther, Romig & Williams 2002; Chesborough 2001; Talbot 2001; Ehrnberg & Jacobsson 1997; Bower & Christensen 1995. 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 9 Durchbruch“,11 „technologische Diskontinuität“,12 „Technologiesprung“ oder „Kompe- tenz zerstörende Innovation“.13 Verschiedene Autoren kritisieren das Verwenden dieser Fülle ähnlicher Begriffe.14 Ausgehend von dieser Kritik erfolgten wiederholt Versuche, die konkurrierenden Begriffe auf theoretischer sowie empirischer Ebene voneinander abzugrenzen.15 Problematisch ist, dass diese Abgrenzungen jeweils anhand unter- schiedlicher Kriterien erfolgten, so dass bisher keine allgemein akzeptierte Definition vorliegt. Das Herausgreifen eines Begriffs aus den verschiedenen Vorschlägen birgt allerdings die Gefahr, wesentliche Teile einer wissenschaftlichen Diskussion durch die Definition auszuschließen. Diese Arbeit verwendet für die Bezeichnung starken techno- logischen Wandels daher den Begriff "neu aufkommende Technologiepfade". Dieser bietet verschiedene Vorteile. Zum einen verdeutlicht er das Entstehen wirklich neuer Technologien, die Kerngegenstand dieser Arbeit sind. Da er den verbreiteten Gedan- ken der Technologieentwicklung entlang spezifischer Linien aufgreift kann zum ande- ren seine grundsätzliche Akzeptanz in Wissenschaft und Praxis vorausgesetzt werden. Diese Arbeit unterscheidet drei Möglichkeiten des Entstehens neuer Technologiepfade. Erstens das Aufkommen neuer Technologien auf Basis neuer technologischer oder wissenschaftlicher Erkenntnisse,16 zweitens der Transfer bestehender technologischer Lösungen in neue Anwendungsfelder17 und drittens die Fusion von Technologien.18 Unabhängig von den verwendeten Bezeichnungen lassen sich verschiedene wieder- kehrende Charakteristika starken technologischen Wandels finden. Gemeinsam ist den oben vorgestellten Begriffen, dass sie die Veränderungen im Akteursumfeld als sehr 11 Vgl. Zhou, Yim & Tse 2005; Garud & Karnøe 2003; Brown 2000; Noori, Munro, Deszca & McWil- liams 1999a und 1999b; von Hippel, Thomke & Sonnak 1999. 12 vgl. van Notten, Sleegers & van Asselt 2005; Linton 2002; Kassicieh, Walsh, Cummings, McWorther, Romig & Williams 2002; Tschirky 1998; Ehrnberg & Jacobsson 1997. 13 vgl. Tripsas & Gavetti 2003; Pavitt 2003; Abernathy & Clark 1985. Tushman und Anderson (1986:445) sowie Anderson und Tushman (1990:606f.), die von einer Neukonfiguration von Kompetenzen sprechen. 14 Vgl. Hall & Martin 2005:274; von Notten, Sleegers & van Asselt 2005:178; Kostoff, Boylan & Simmons 2004:143; Hauschildt 2004:15; McDermott & O’Connor 2002:425; Kassicieh, Walsh, Cummings, McWorther, Romig & Williams 2002:376f.; Gatignon, Tushman, Smith & Anderson 2002:1103f.; Chesbrough 2001:1; Green, Gavin & Aiman-Smith 1995:203, Ehrnberg 1995:441ff. Diese Begriffsvielfalt wird teilweise als ein Hindernis für die Weiterentwicklung des Innovations- management-Feldes angesehen (vgl. hierzu Chesbrough 2001:2; Ehrnberg 1995:447). Lich- tenthaler (2007:18) merkt an, dass eine Ursache der Existenz dieser Begriffsvielfalt darin liegen könnte, dass verschiedene Autoren in unterschiedlichen industriellen Kontexten unterschiedliche Innovationen analysieren (vgl. hierzu auch Danneels 2004:250). 15 Vgl. hierzu Cabello-Medina, Carmona-Lavado & Valle-Cabrera 2006: 82ff.; Godvindarajan & Kopalle 2006:13ff.; Danneels 2004:247ff.; Kassicieh, Walsh, Cummings, McWorther, Romig & Williams 2002:376f.; Gatignon, Tushman, Smith & Anderson 2002:1109f.; Green, Gavin & Ai- man-Smith 1995:208ff.; Ehrnberg & Jacobsson 1997:325. 16 Vgl. Propp & Rip, 2005:27; Kostoff, Boylan & Simmons 2004:142; Rosenkopf & Tushman 1994: 328; Dosi 1982:152; Nelson & Winter 1977:67. 17 Vgl. Spinardi & Williams 2005a:95; Kostoff, Boylan & Simmons 2004:142; Adner & Levinthal 2002:53ff.; Rao & Singh 2001:243. 18 Vgl. Kodama 1995:137 und 1992:71ff. 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 10 dynamisch, komplex und langfristig beschreiben und daher Unternehmen sowie Per- sonen innerhalb des Unternehmens mit einer signifikant höheren Unsicherheit konfron- tiert sind als in Feldern mit technologischem Wandel entlang eines Pfades.19 Damit wird die hohe Unsicherheit zum zentralen Charakteristikum der Entstehung technologi- scher Pfade. Unsicherheit liegt vor, wenn die beteiligten Akteure die Ergebnisse und Konsequenzen ihrer Handlungen nur unzureichend vorhersagen können.20 Sie ist dem- zufolge eine Auswirkung unvollständiger Information.21 Bei der Entstehung neuer Technologien bedeutet dies, dass von den Akteuren benötigte Informationen erst durch Lernprozesse während des Entstehungsprozesses generiert werden.22 Lane und Max- field unterscheiden grundsätzliche Formen der Unsicherheit.23 Wahre Unsicherheit („Truth Uncertainty“) liegt vor, wenn Akteure unsicher sind, ob ihre Annahmen über zukünftige Konsequenzen von bestimmten Entwicklungen korrekt sind.24 Semantische Unsicherheit („Semantic Uncertainty“) tritt auf, wenn Akteure daran zweifeln, was eine antizipierte Konsequenz bedeutet.25 Bei ontologischer Unsicherheit („Ontological Un- certainty“) können von den Akteuren keine Annahmen über Konsequenzen möglicher Entwicklungen formuliert werden, da ihnen diese Entwicklungen nicht bekannt sind.26 19 Vgl. hierzu insbesondere Hall & Martin 2005:274f.; Zhou, Yim & Tse 2005:44; Danneels 2004:250f.; Kostoff, Boylan & Simmons 2004:143; McDermott & O’Connor 2002:425; Kassicieh, Walsh, Cummings, McWorther, Romig & Williams 2002:377; Damanpour 1996:699; Bower & Christensen 1995:47f.; Tushman & Anderson 1986:439. Green, Gavin und Aiman-Smith (1995:208f.) betonen vor allem den Aspekt der Unsicherheit als Merkmal radikaler technologi- scher Innovationen sowie das Fehlen von Informationen, das sich ebenfalls als Ursache von Un- sicherheit interpretieren lässt. 20 Vgl. Dequech 2004:374f.; Zahn 2004:125; Knight 2002:207; Song & Montoya-Weiss 2001:64; Milliken 1987:136; MacMinn & Holtmann 1987:120f.; Arrow 1962:610; Nelson 1962:566; Shackle 1943:102. Beispielsweise können der Erfolg von Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten oder die Reaktion von Kunden auf neue Technologien nicht ex-ante bestimmt werden. 21 Vgl. Arrow 1962:609. Im Gegensatz zu Risiken ist diese Unsicherheit nicht quantifizierbar und kann von Firmen und anderen Akteuren nicht über Versicherungen aufgefangen werden (vgl. Knight 2002:46ff.; Brockhoff 1999:107ff.; vgl. hierzu auch Shackles (1943:117, FN Nr. 2) Be- schreibung eines unvorhergesehenen Ereignisses). 22 Vgl. Hauschildt 2004:394; Dosi 1988:1127; Nelson 1962:566f. 23 Verschiedene Autoren versuchen die Quellen von Unsicherheit im Unternehmen zu klassifizieren (vgl. Hall & Martin 2005:275; Song & Montoya-Weiss 2001:61; Voeth & Backhaus 1995:397ff.; Brockhoff 1993:645; Karagozoglu 1993:338; Pearson 1990:186), allerdings erscheinen diese Einteilungen wenig theoretisch und empirisch fundiert. (für eine Ausnahme vgl. Mettler 1988:94ff.). 24 Vgl. Lane & Maxfield 2005:9. Dequech (2004:374f.) bezeichnet diese Art der Unsicherheit als „epistemologische Unsicherheit“ (vgl. hierzu auch Davidson 1996:479f. und Perlman & McCann 1996:185). 25 Vgl. Lane & Maxfield 2005:10. Beispielsweise messen verschiedene Netzwerkpartner einer An- nahme unterschiedliche Bedeutungen bei. 26 Vgl. Lane & Maxfield 2005:10; Dequech 2004:374; Perlman & McCann 1996:17. Für eine andere häufig verwendete Unterscheidung von Unsicherheit in "Effect Uncertainty" als Unsicherheit über die Auswirkungen eines zukünftigen Zustands auf einen Akteur, "Response Uncertainty" als Un- sicherheit über die Konsequenzen einer Handlung und "State Uncertainty" als Unsicherheit be- züglich möglicher zukünftiger Zustände vgl. Milliken (1987:136ff.). Ähnlich grenzt Camagni (1991:217f.) eine statische Informationslücke aufgrund des Fehlens von Informationen, eine sta- tische Bewertungslücke aufgrund der mangelnden Einschätzbarkeit von Informationen, eine sta- tische Kompetenzlücke durch eine mangelnde Fähigkeit, vorhandene Informationen richtig zu in- terpretieren, eine dynamische Kompetenz-Entscheidungslücke über die Konsequenzen unter- 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 11 Die Unsicherheit der Akteure (U) lässt sich als Funktion von Komplexität (K), Dynamik (D) und relevanter Zeitspanne der Veränderungen (Z) des Umfelds darstellen.27 U = f(D, K, Z) Dynamik ist die Veränderung von Faktoren im Akteursumfeld einschließlich ihrer Wechselwirkungen in einer spezifischen Zeitspanne.28 Komplexität bezieht sich auf die Anzahl und den Umfang von Faktoren im Akteursumfeld und drückt aus, dass das Um- feld auf Veränderungen eines Faktors nicht linear reagiert.29 Aufgrund dieser nicht- linearen Dynamik konfrontieren komplexe Umfelder Akteure mit Neuerungen, die von ihnen nicht oder nur unvollständig antizipiert werden können.30 Mit zunehmender Zeit- spanne steigen die Anzahl von Veränderungsmöglichkeiten der Umfeldfaktoren und die Anzahl potenzieller Folgewirkungen von Veränderungen. Die Faktoren der Komplexität, der Dynamik und der Fristigkeit des Umfeldes wirken positiv auf die Unsicherheit der Akteure, d.h. mit zunehmender Anzahl von Einflussfaktoren, wie beispielsweise Kon- kurrenten, alternativen Technologien oder potenziell relevanten Regeln im Unterneh- mensumfeld sowie mit der Rate ihrer Veränderung und der Anzahl der durch diese Veränderung ausgelösten Folgeveränderungen steigt die Unsicherheit des Umfelds. Situationen, in denen neue technologische Pfade entstehen, sind durch eine hohe Un- sicherheit bei den beteiligten Akteuren gekennzeichnet, die aus hoher Dynamik, hoher Komplexität und einer langen Zeitspanne von Entwicklungen resultiert. Technologi- scher Fortschritt entlang etablierter Pfade findet unter niedriger Unsicherheit statt.31 schiedliche Handlungen und eine dynamische Kontrolllücke über die Handlungen anderer Akteu- re, die das Unternehmen beeinflussen, voneinander ab. 27 Vgl. hierzu auch Freel 2005:50; Damanpour 1996:696; Dess & Beard 1989:57; Milliken 1987:138f. 28 Vgl. hierzu Baum & Silverman 2001:171. Unter Dynamik versteht man in der Physik „die Lehre von den Kräften und Wechselwirkungen und den von ihnen hervorgerufenen Bewegungs- oder Zustandsänderungen in physikalischen Systemen“ (vgl. Brockhaus 1996, Band 6, S. 57, Dyna- mik (4)). 29 Vgl. Batty & Torrens 2005:746. 30 Vgl. Batty & Torrens 2005:746; Anderson 1999:217f. 31 Vgl. hierzu u.a. Damanpour (1996:703), der ebenfalls zwischen "hoher " und "niedriger" Unsi- cherheit differenziert. Nominalskalierte Unterscheidungen mit zwei Dimensionen finden sich e- benfalls bei Pearson (1990:186f.) oder Brockhoff (1993:644f.). Raz, Shenar and Dvir (2002:103) charakterisieren Technologieprojekte nach vier Unsicherheitsstufen. Low-tech-Projekte greifen ausschließlich auf etablierte beherrschte Technologien zurück, medium-tech-Projekte basieren im Wesentlichen auf etablierten und nur in geringem Ausmaß auf neuen Technologien, high- tech-Projekte setzen neue vorliegende Technologien ein und super-high-tech-Projekte nutzen Technologien, die noch nicht bekannt sind. Zahn (1995:28) und andere unterscheiden vier Unsi- cherheitsgrade auf Basis der vorhandenen Kenntnisse. Der höchste Grad tritt auf, wenn neue Technologien sichtbar werden, die in einer Branche noch unbekannt sind („What we don’t know we don’t know“). Ebenfalls mit hoher Unsicherheit behaftet sind denkbare, aber noch nicht ent- wickelte technologische Synergien sowie vorstellbare, aber noch nicht erschlossene Anwendun- gen für beherrschte Technologien in anderen Branchen („What we don’t know we know“). Nied- rige technologische Unsicherheit liegt in Feldern vor, in denen bekannte aber noch nicht bearbei- 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 12 2.1.2 Technologiemanagement, strategisches Technologiemanagement, Vorausschau und Planung In dieser Arbeit wird das Technologiemanagement als ein Teilgebiet des Innovations- managements angesehen.32 In Anlehnung an Uhlmann umfasst das Innovationsmana- gement auf der einen Seite die Gestaltung des Innovationsprozesses, also die Pla- nung, Organisation, Führung und Kontrolle von Forschung und Entwicklung sowie Pro- dukt- und Prozessneuerungen33 und auf der anderen Seite die Gestaltung des unter- nehmensinternen institutionellen Umfelds, in dem diese Prozesse ablaufen.34 Techno- logiemanagement bezeichnet die Planung, Organisation, Führung und Kontrolle der Beschaffung, Speicherung und Verwertung technologischen Wissens.35 In seinem Vor- dergrund stehen die Nutzung neuer und bestehender Technologien im direkt wert- schöpfenden Bereich (Produkt- und Prozesstechnologien) sowie die organisations- und geschäftsbezogene Technologienutzung.36 Das Management von Forschung und Ent- wicklung ist ein Teilgebiet des Technologiemanagements, das sich mit der Generie- rung technologischen Wissens befasst.37 Innovations- und Technologiemanagement sind eng miteinander verknüpft.38 Das strategische Technologiemanagement erfüllt zwei Funktionen im Rahmen des Technologiemanagements. Erstens identifiziert es diejenigen Technologien, mit denen die Zielsetzungen des Unternehmens umgesetzt werden können, zweitens zeigt es Wege auf, die zu einer Beherrschung und Verwertung dieser Technologien führen.39 In tete Technologien erschlossen werden sollen („What we know we know“) sowie in beherrschten Technologiefeldern („What we know we don’t know“) (vgl. hierzu auch Liebl 2005:128f.). Low- tech- und medium-tech-Projekte lassen sich der in dieser Arbeit gewählten niedrigen Unsicher- heitsstufe zuordnen (Unsicherheitsgrade 1 und 2 nach Zahn), während insbesondere high-tech- Projekte mit Situationen hoher technologischer Unsicherheit korrespondieren (Unsicherheitsgra- de 3 und 4 nach Zahn). Da es beiden Konzepten an einer theoretischen Fundierung der Definiti- on unterschiedlicher Unsicherheitsstufen mangelt, wird in dieser Arbeit lediglich eine Unterschei- dung von hoher und niedriger Unsicherheit vorgenommen. 32 Vgl. hierzu auch Brockhoff 1999:70. 33 Vgl. hierzu Brockhoff 1999:71. 34 Vgl. Uhlmann 1978:82. Damit geht das Verständnis des Innovationsmanagements über die reine Gestaltung von Innovationsprozessen hinaus. Für eine Gegenposition vgl. Hauschildt 2004:30. Für ein breites Innovationsverständnis vgl. ebenfalls Tschirky 1998:255 sowie Zahn & Weidler 1995:359. Gegenstand des Innovationsmanagement sind Organisations- und Geschäftsinnova- tionen im indirekten Wertschöpfungsbereich sowie Produkt- und Prozessinnovationen im direk- ten Bereich (vgl. Tschirky 1998:266). 35 Vgl. Brockhoff 1999:70. Für eine Übersicht über verschiedene Technologiemanagement- Konzepte vgl. Tschirky 1998:194ff. 36 Vgl. Tschirky 1998:265f. 37 Vgl. Brockhoff 1999:70. 38 Vgl. Hauschildt 2004:31f.; Brockhoff 1999:70f.; Tschirky 1998:266f. Aus diesem Grund nehmen nicht alle Autoren eine Differenzierung von Technologie- und Innovationsmanagement vor (vgl. Gerpott 2005:57f.; Gerybadze 2004:5). 39 Vgl. Gerybadze 2004:111; Grant 2002:72, Eisenhardt 1999:65; Brodbeck 1999:20; Tschirky 1998:293f.; Ewald 1989:43. Vgl. hierzu auch die Diskussion von Major, Asch & Cordey-Hayes (2001:101ff.) über Foresight als Kernkompetenz von Unternehmen. 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 13 Verständnis dieser Arbeit stellen Technologiestrategien Muster oder Pläne dar, die Ziele, Leitlinien und Handlungsfolgen einer Organisation im Bezug auf die technologi- sche Basis in einen konsistenten Gesamtzusammenhang stellen.40 Die Konkretisierung der Strategien erfolgt einerseits durch strategische Programme, die zielorientierte Handlungsabfolgen spezifizieren.41 Ihre Realisierung ist andererseits durch Serendipi- ditätseffekte42 und ungeplante Handlungen geprägt.43 Der Ablauf des strategischen Technologiemanagements kann in sechs Phasen unterteilt werden (vgl. Abbildung 2).44 Vorausschau Realisierung Planung im eigentlichen Sinne Entschluss Planung im weiteren Sinne Kontrolle • strategische Überwachung • Exploration • Definieren von Planungsfeldern • strategische Optionen und • Programme • Durchführungskontrolle • Prämissenkontrolle • Projektmanagement • Venturemanagement • Bewerten der Programme • Bewerten der Optionen Abbildung 2: Prozess des strategischen Technologiemanagements [Quelle: in Anlehnung an Brockhoff 1999:179; Wolfrum 1994:44ff.; Ewald 1989:21] Das strategische Technologiemanagement stellt einen fortlaufenden kollektiven Lern- prozess dar, in dem Strategien expliziert, rationalisiert und diskutiert werden.45 40 Vgl. Quinn 1980:7 und 2003:10. In dieser Arbeit wird das Strategieverständnis eines „logischen Inkrementalismus“ (vgl. Müller-Stevens & Lechner 2003:71) bzw. einer „Guided Evolution“ (Lo- vas & Goshal 2000:876f.) verfolgt, bei dem das Top-Management lediglich Rahmenparameter für eine geplante Entwicklung setzt. Es werden sowohl geplante Strategien nach einem traditio- nellen Strategieverständnis (vgl. Bea & Haas 1997:44f.; Gerpott 2005:61) als auch ungeplante, emergente Strategien (vgl. hierzu vor allem Mintzberg 2003:4) zugelassen. 41 Vgl. Quinn 2003:10. Vgl. hierzu auch Brockhoffs (1999:151) Gedanke von Strategie als „zielori- entiertes Rahmenkonzept für Taktiken“. Strategische Programme werden für einzelne strategi- sche Technologiefelder, die ein relativ abgegrenztes, unabhängig planbares, aktuelles oder mögliches technologisches Betätigungsfeld eines Unternehmens darstellen, formuliert (vgl. Quinn 1980:8; Brodbeck 1999:23; Ewald 1989:38). Diese sind mit dem Programm für eine oder mehrere strategische Geschäftseinheiten abzustimmen (vgl. Brodbeck 1999:25). Siehe hierzu auch Chiesa und Manzini (1998:115): "Formulating a technology strategy means defining the tra- jectory by which technological resources are accumulated, avquired and used." 42 Vgl. Brockhoff 1999:35. 43 Vgl. Mintzberg 2003:4. 44 Vgl. hierzu Ewald 1989:23ff.; für eine andere Unterteilung vgl. Tschirky 1998:295. 45 Vgl. Müller-Stevens & Lechner 2005:21f. 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 14 Die in dieser Arbeit betrachtete Vorausschau und Planung konzentriert sich auf die ersten vier Phasen des strategischen Technologiemanagement-Prozesses. Die Vor- ausschau ist definiert als die systematische Erfassung und Beobachtung von neuen und bestehenden Technologien, die Bestimmung ihres Potenzials und ihrer Auswir- kungen auf die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens sowie die Speicherung und Verbreitung von Informationen.46 Die Planung ist ein kontinuierlicher Prozess, bei dem gegenwärtige, unternehmerische, risikoreiche Entscheidungen getroffen werden und der systematisch, unter größtmöglicher Kenntnis ihrer Wirkung in Zukunft erfolgt.47 Output dieses Prozesses sind insbesondere Selektions-, Kompetenz-, Quellen- und Timingentscheidungen.48 Diese Arbeit sieht die Vorausschau und Planung im strategi- schen Technologiemanagement als nicht voneinander zu trennende Aktivitäten an. Die Ursachen hierfür liegen in der thematischen Verschränkung im Prozess, der Beteili- gung des weitgehend gleichen Personenkreises und der fehlenden Relevanz der Tren- nung im Unternehmen. Im Prozess des strategischen Technologiemanagements über- schneiden sich Vorausschau und die Strategieformulierung („Planung im eigentlichen Sinne") bei der strategischen Analyse von Umfeld und Unternehmen („Planung im wei- teren Sinne").49 Diese Überschneidung und Abhängigkeit der beiden Aktivitäten von- einander findet sich sowohl der Literatur zur Vorausschau50 als auch in Veröffentli- chungen aus dem Themenfeld der Technologieplanung.51 Empirische Untersuchungen zu der technologischen Vorausschau bestätigen diese enge Verbindung mit Sicht auf 46 Vgl. Reger 2001:547. Dabei werden nicht nur technologische Informationen berücksichtigt, son- dern die Vorausschau bezieht sich ebenfalls auf soziale und wirtschaftliche Faktoren (vgl. Gery- badze 1990:72). Aus diesem Grunde wird auch von einer Bezeichnung als „technologische Vor- ausschau“ abgesehen. Alternativ zu dem Begriff der Vorausschau findet sich in der wissen- schaftlichen Literatur eine Vielzahl konkurrierender Begriffe, die sich inhaltlich häufig über- schneiden oder widersprechen. Die Technologiefrüherkennung bezieht sich neben dem Auf- nehmen schwacher Signale vor allem auf die Vorhersage von technologischen Entwicklungen (Gerpott 2005:101ff.; Wolfrum 1994:44ff.; Zweck 2005:173; teilweise wird für diese Aufgaben der Begriff der Technologievorhersage verwendet (vgl. Geschka 1995:628f.). Ebenso wie der hier verwendete Begriff der Vorausschau umfasst die Technologie-Frühaufklärung (vgl. unter ande- rem Liebl 2005) neben der reinen Vorhersage zusätzlich die Interpretation der gewonnenen In- formationen und die Strategieentwicklung (vgl. Liebl 2005:123; für die Gegenposition vgl. Geschka 1995:628). Ähnlich ist das Verständnis des Technology Forecasting (vgl. unter ande- rem Gerybadze 1990:72), der ebenfalls eine aktive Funktion in der Strategieentwicklung ein- schließt. 47 Vgl. Drucker (1974:125), der den Prozess der Planung noch auf das Organisieren und die Kon- trolle der Zielsetzungen ausdehnt. 48 Vgl. Weissenberger-Eibl 2004:244ff.; Brodbeck 1999:25; Ewald 1989:48f. Selektionsentschei- dungen beziehen sich auf die Auswahl spezifischer Technologiefelder; Kompetenzentscheidun- gen auf die Definition der angestrebten Kompetenztiefe; Quellenentscheidungen auf die eigene Leistungstiefe im Kompetenzaufbau; Timingentscheidungen auf den Zeitpunkt der durchzufüh- renden Aktivitäten. 49 Vgl. hierzu Ewald 1989:46f. 50 Vgl. Reger 2001:536; Major, Asch & Cordey-Hayes 2001:105. 51 vgl. hierzu Lang 1990:37f.; vgl. hierzu auch Wolfrum 1994:48. 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 15 die Beteiligten am Prozess der Vorausschau.52 Dies deutet darauf hin, dass in Unter- nehmen keine strikte Trennung von Vorausschau und Planung erfolgt. Vielmehr ist davon auszugehen, dass starke Iterationen und Feedback-Schleifen zwischen beiden Aktiviäten liegen. Mit Sicht auf den Abschluss der Vorausschau und Planung besteht allerdings Konsens in der wissenschaftlichen Diskussion; sie umfasst nicht mehr die Umsetzung der getroffenen Entscheidungen.53 Aufgrund der engen Verbindung von Vorausschau und Planung erfolgt im weiteren Verlauf der Arbeit stets eine gemeinsa- me Betrachtung und Nennung beider Aktivitäten. Zusammenfassend ergibt sich die folgende Definition der Vorausschau und Planung im Rahmen des strategischen Technologiemanagements. Die Vorausschau und Planung ist der Prozess der systematischen kontinuierlichen Erfassung und Analyse von neuen und bestehenden Technologien, der Bestimmung ihres Potenzials und ihrer Auswir- kungen auf das Unternehmen, der Speicherung und Verbreitung von Informationen und des darauf aufbauenden Treffens von unternehmerischen Entscheidungen über Technologien, Kompetenzen, Technologiequellen und Zeitpunkte von Aktivitäten. Vorausschau Vorausschau Pl an un g Definition des Suchfeldes Realisierung Interpretation der Daten & Identifikation von Strategieoptionen Bewertung von Optionen, Entscheidungsfindung & Strategiedefinition Auswahl von Informationsquellen & Datenerhebung Abbildung 3: Prozess der Vorausschau und Planung in Unternehmen [Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Reger 2001:538] Der Prozess umfasst erstens die Definition des zu untersuchenden Feldes, zweitens die Auswahl von Informationsquellen und die Datenerhebung, drittens die Interpretation von Daten und die Bewertung von Optionen sowie viertens die Entscheidungsfindung 52 Reger 2001:537ff. Besonders deutlich wird diese Überschneidung bei den Beteiligten am Pro- zess der Technologievorausschau. Diese umfassen das strategische Management, die For- schungsplanung und die Geschäftsleitung (vgl. Reger 2001:538; vgl. hierzu auch Reger, Blind, Cuhls, Kolo, Bürgel, Ackel-Zakour & Zeller 1998:11f.). 53 vgl. Reger 2001:548; Brockhoff 1999:178; Lang 1990:38; Ewald 1989:24. 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 16 und die Definition von Strategien (vgl. Abbildung 3).54 Die Ergebnisse der Vorausschau und Planung werden in den anschließenden Phasen des strategischen Technologie- managements, d.h. in den Phasen der Realisierung und Kontrolle, direkt genutzt. Über den Bereich des Technologiemanagements hinausgehend können sich indirekt auch neue Handlungsgebiete für das Innovationsmanagement ableiten.55 2.1.3 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit ist die Vorausschau und Planung im Kontext neuer technologischer Pfade. Es handelt sich um Situationen, in denen ein etablierter technologischer Pfad verlassen wird und eine neue technologische Trajektorie ent- steht. Die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade bezeichnet den Prozess der systematischen und kontinuierlichen Erfassung und Analyse dieses Pfades, des Bestimmung seines Potenzials und seiner Auswirkungen auf das Unternehmen, der Speicherung und Verbreitung von Informationen über diesen Technologiepfad und des darauf aufbauenden Treffens von unternehmerischen Entscheidungen bezüglich des Pfades. Diese Entscheidungen betreffen aufzubauende Kompetenzen, zu wählende Technologiequellen und festzulegende Zeitpunkte unternehmerischer Aktivität. Der Prozess umfasst die Definition des zu untersuchenden Feldes, die Auswahl von Infor- mationsquellen und die Datenerhebung, die Interpretation von Daten und die Bewer- tung von Optionen sowie die Entscheidungsfindung und Definition von Strategien für den neuen technologischen Pfad. Ziel der Vorausschau und Planung neuer Technolo- giepfade ist die Strategiebildung für die Positionierung des Unternehmens auf einem neuen technologischen Pfad. Neue Technologiepfade sind durch eine hohe Unsicherheit auf Seiten des Unterneh- mens gekennzeichnet. Wie zuvor dargestellt resultiert diese Unsicherheit insbesondere aus der Komplexität und Dynamik des Unternehmensumfelds. Das Unternehmen kann die Konsequenzen alternativer Handlungsmöglichkeiten nur sehr eingeschränkt ab- schätzen. Die Interpretation möglicher Handlungskonsequenzen durch verschiedene Akteure innerhalb des Unternehmens divergiert erheblich und nicht bekannte Entwick- lungen können einen erheblichen Einfluss auf das Unternehmensumfeld und die in Zukunft verfügbaren Handlungsoptionen ausüben. Der Zeithorizont bis zu einer erfolg- 54 Zu einer ähnlichen Unterteilung der Phasen vgl. Lichtenthaler 2002:29ff.; Reger 2001:538; Liebl 2005:123. 55 Vgl. Gerpott 2005:64; Hauschildt 2004:32. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn Strategien für Produkte sowie Prozesse des Unternehmens anzupassen sind. 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 17 reichen Nutzung der Technologie ist in der Regel wesentlich länger als in Situationen, in denen der technologische Fortschritt entlang etablierter Pfade verläuft. Die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade unterliegt verschiedenen Grenzen. Jede Aussage über die Zukunft, sowohl individuelle Pläne wie auch langfris- tig orientierte Outputs der Vorausschau und Planung, ist unsicher. Es kann kein gesi- chertes Wissen über die Zukunft existieren.56 Daher sind Prognosen oder Vorhersagen in Situationen, in denen neue technologische Pfade entstehen, wenig aussagekräftig.57 Allerdings bildet Wissen über die Zukunft die Voraussetzung für unternehmerisches Handeln im Gegensatz zum bloßen Reagieren auf das Umfeld.58 Die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade liefert auf der einen Seite einen Ersatz für dieses Wissen, indem sie Hypothesen und mögliche Entwicklungen aufzeigt.59 Auf der ande- ren Seite ermöglicht sie die Schaffung der Zukunft durch ein Unternehmen, wenn sich ihre Aussagen im Sinne von „Self Fulfilling Prophecies" bewahrheiten.60 Empirische Untersuchungen belegen, dass die Vorausschau und Planung im Umfeld neu entste- hender Technologien positiv auf den unternehmerischen Erfolg in diesen Situationen wirkt.61 2.2 Stand der Forschung – Ansätze der Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade In diesem Abschnitt erfolgt die Aufarbeitung des Forschungsstands zu Ansätzen der Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade. Es werden zunächst kurz die Kernannahmen und Vorgehensweisen einzelner Ansätze diskutiert sowie deren Vor- und Nachteile gegenübergestellt. Der Stand der Forschung bezieht sich einerseits auf Ansätze für Situationen, die unter den in Abschnitt 2.1.1 vorgestellten Begriffen diskutiert werden. Andererseits umfasst er Konzepte, die sich auf Situationen hoher Komplexität, Dynamik oder Unsicherheit beziehen. Für allgemeine Übersichten zum Methodenspektrum der Vorausschau und 56 Vgl. Bell 1997:6ff.; Bell & Olick 1989:117ff. "We do not know the future until after it has become present reality" (Bell & Olick 1989:125). 57 Dies gilt insbesondere für Entwicklungen im Bereich der Gesellschaft und ihre Auswirkungen auf neue Technologien (vgl. de Jouvenel 1967:313f.). 58 in Anlehnung an Bell & Olick 1989:125f.; vgl. hierzu auch de Jouvenel 1967:40ff. 59 Vgl. Bell & Olick 1989:127. 60 Vgl. de Jouvenel 1967:44ff. 61 Vgl. Song, Lee, Lee & Chung 2007:247; Simon, McKeogh, Ayers, Rinehart & Alexia 2003:19f.; Song & Montoya-Weiss 1998:132. 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 18 Technologieplanung wird auf die vorhandene Literatur verwiesen.62 Für die Identifikati- on der Ansätze wurde wie folgt vorgegangen. Die Recherche in verschiedenen Daten- banken, wie beispielsweise EBSCO oder TEMA Technik und Management, sowie wei- terführende Literaturstudien ergaben 39 Ansätze für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade. Zusätzlich erfolgte eine Analyse der Abstracts aus den Zeit- schriften „Futures", „International Journal of Technology Management", „IEEE Transac- tions on Engineering Management", „Journal of Engineering and Technology Manage- ment", „Journal of Product Innovation Management", „Long Range Planning", „R&D Management", „Research Technology Management", „Technological Forecasting & Social Change", „Technology Analysis & Strategic Management" und „Technovation" aus den Jahren 1990 bis 2007. Zusätzlich zur Analyse der Abstracts wurde der gesam- te Text einiger Publikationen ausgewertet, um ihre tatsächliche Relevanz für die The- menstellung zu evaluieren. Die Recherche ergab 42 weitere Ansätze, so dass dieser Abschnitt insgesamt 81 Ansätze umfasst. Die Aufarbeitung der Ansätze richtet sich nach ihrem methodischen Ausgangspunkt. Zuerst findet eine Diskussion von Ansätzen aus dem Bereich von Datenbankanalysen und Indikatoren statt. Anschließend erfolgt die Besprechung von Ansätzen, die auf der Nutzung von technologischen Entwicklungsmustern sowie Szenarien aufbauen. Da- nach werden Ansätze aus dem Bereich der Technologie-Bewertung, des Roadmap- ping, des New Business Development und der Technologie-Folgenabschätzung disku- tiert. Stützt sich ein Ansatz auf mehrere Methodenkonzepte, wird er entweder einer dominanten Methodenkategorie oder dem Bereich „sonstige Ansätze" zugeordnet, mit dem dieser Abschnitt endet. 2.2.1 Datenbankanalysen und Indikatorik Im folgenden Abschnitt werden die Ansätze der Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade, die den Feldern der Datenbankanalyse oder der Indikatorik zuge- ordnet werden können, diskutiert. Kerngedanke dieser Ansätze ist das Beobachten und Auswerten von Informationen in Datenbanken und das frühzeitige Aufspüren von Chancen und Gefahren, um die Reaktionszeit von Unternehmen oder sonstigen Orga- nisationen zu vergrößern. Der Abschnitt umfasst die in den folgenden Publikationen behandelten Konzepte für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade: • Porter & Detampel 1995, • de Miranda Santo, Massari Coelho, Maria dos Santos & Fellows Filho 2006, 62 Vgl. unter anderem Propp & Rip 2005; Technology Futures Analysis Methods Working Group 2004; Geschka 1995; Lichtenthaler 2002; Porter, Roper, Mason, Rossini & Banks 1991. 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 19 • Smalheiser 2001; Kostoff 2006, • Hinze 1994, • Daim, Rueda, Martin & Gerdsri 2006, • Graff 2003, • Kajikawa, Yoshikawa, Takeda & Matsushima 2007, • Day & Schoemker 2004 und 2006, • Patton 2005, • Spinardi & Williams 2005a und 2005b; Bozeman & Rogers 2002, Bozeman, Dietz & Gaughan 2001, • Dror 1993, • Pistoriums & Utterback 1995, • Ehrnberg & Jacobsson 1997; Ehrnberg 1995. Die Reihenfolge der Diskussion richtet sich nach der thematischen Nähe zwischen einzelnen Methoden und Konzepten. Aufeinander aufbauende Anätze werden zusam- men besprochen. Verschiedene methodische Ansätze des Data Mining entstammen dem Umfeld von Alan Porter. Von diesen beschäftigt sich die „Technology Opportunity Analysis" explizit mit neu aufkommenden Technologien. Ziel ist die Beobachtung des technologischen Umfelds und das Aufspüren neuer Technologien über Datenbankrecherchen.63 Nach einer Abgrenzung von Untersuchungsbereichen gemeinsam mit den Nutzern der Re- chercheergebnisse erfolgt die Definition von technologiespezifischen Keywords. Mit diesen Schlagwörtern werden Publikationsdaten erhoben, analysiert und visualisiert. Die Autoren betonen den iterativen Charakter der einzelnen Arbeitsschritte sowie die Bedeutung der regelmäßigen Wiederholung, d.h. der Kontinuität der Aktivitäten.64 Posi- tiv an diesem Ansatz ist insbesondere die frühe Zusammenarbeit mit den Nutzern der Ergebnisse sowie das Aufzeigen des Nutzungspotenzials der Ergebnisse für unter- schiedliche Aufgaben, wie beispielsweise Wettbewerbsanalysen, Analysen komple- mentärer Technologien sowie Recherchen nach ausgewiesenen Experten und mögli- chen Anwendungen. Forscher um de Marianda Santo integrieren Text-Mining-Ansätze in die langfristige Vorausschau im Umfeld der brasilianischen Nanotechnologie. Sie greifen sowohl auf bibliometrische Analysen von Patenten und Publikationen als auch auf das Mapping vorhandener Humanressourcen zurück. Im Vordergrund stehen der internationale Ver- gleich von Forschungsaktivitäten und das Finden aussichtsreicher Forschungsfelder.65 Insbesondere das Mapping von Humanressourcen, die eine Voraussetzung sind, um neue Technologien in Wissenschaft und Unternehmen zu etablieren, erscheint als eine 63 Vgl. Porter & Detampel 1995:237. 64 Vgl. Porter & Detampel 1995:241ff. 65 Vgl. de Miranda Santo, Massari Coelho, Maria dos Santos & Fellows Filho 2006:1020ff. 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 20 wichtige Ergänzung zu klassischen Datenbankanalysen. Der Ansatz geht jedoch nur in Teilbereichen auf spezifische Probleme wirklich neuer Technologien ein. Um Transfer- und Kombinationsmöglichkeiten von Technologien zu ermitteln, sucht Smalheiser mögliche Schnittstellen zwischen zwei eigenständigen Wissenschaftsbe- reichen.66 Der Autor grenzt diese Bereiche zuerst definitorisch ab und sucht anschlie- ßend nach gemeinsamen Problemstellungen. An einem Beispiel aus dem Bereich der Gentechnik dokumentiert Smalheiser die Möglichkeiten für die Identifikation aussichts- reicher neuer Forschungsfelder an den Schnittstellen etablierter Technologien.67 Das Potenzial des Ansatzes liegt sowohl darin, Transfermöglichkeiten von Erkenntnissen zu bestimmen als auch ganz neue Forschungsbereiche herauszufinden, mit Einschrän- kungen sogar ohne wissenschaftlich fundierte Kenntnis der Felder. Aufbauend auf die- sen Überlegungen schlägt Kostoff einen zweiten Evaluationsschritt unter Hinzuziehen von Technologieexperten vor, der auch den Abgleich mit existierenden Analysen des Feldes beinhaltet.68 Außerdem diskutiert dieser Autor die Erweiterung der abgegrenz- ten Wissenschaftsbereiche um deren angrenzende Felder mit dem Ziel, ein breiteres Spektrum potenzieller Schnittmengen zwischen Technologien zu erfassen.69 Im Rah- men dieser Erweiterungen findet auch eine Integration des Ansatzes mit anderen Me- thoden, wie beispielsweise Roadmaps oder Panels statt. Eine ähnliche Methode für die Analyse interdisziplinärer Forschungsfelder stellt Hinze vor. Die Autorin untersucht die Klassifikations-Codes verschiedener Literaturfelder in der Datenbank INSPEC und nutzt anschließend die Anzahl gleicher Unter- Klassifikationen als Indikator für die Verbindungen von zwei Feldern. Zusätzlich nimmt sie eine Co-Word-Analyse vor, um den Anteil gleicher Schlagwörter in den Indizies der Publikationen zu ermitteln.70 Auf Basis jeder Analyse zeichnet Hinze Karten der auf- kommenden Bioelektronik, die die Schnittstellen zwischen den Technologiefeldern Bio- technologie und Elektronik verdeutlichen.71 Durch diese grafische Darstellung kann ein Verständnis der Dynamik der Interaktion von Technologien aufgebaut werden, vor al- lem wenn das Feld zu unterschiedlichen Zeitpunkten untersucht wird. Zudem ist der Ansatz durch ein Zurückgreifen auf bereits verfügbare Klassifikationen vergleichsweise einfach anzuwenden. Problematisch ist der bei wissenschaftlichen Publikationen teil- weise sehr lange Zeitraum zwischen einem Forschungsergebnis und der Veröffentli- 66 Vgl. Smalheiser 2001:689f. 67 Vgl. Smalheiser 2001:691f. 68 Vgl. Kostoff 2006:929ff. 69 Vgl. Kostoff 2006:927f. 70 Vgl. Hinze 1994:357f. 71 Vgl. Hinze 1994:365ff. 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 21 chung und die hohe Aggregationsebene der Analyse, die nur grobe Rückschlüsse auf spezifische Entwicklungen in einem Teilfeld zulässt.72 Verschiedene Autoren haben eine Verknüpfung von auf Datenbanken basierenden Verfahren mit qualitativen Methoden der Vorausschau und Planung vorgenommen. Beispielsweise bestand das Ziel des Ansatzes von Daim, Rueda, Martin und Gerdsri darin, den mangelnden Bezug zu historischen Daten bei der Anwendung qualitativer Methoden wie z.B. Szenarien zu adressieren und zugleich der Beschränkung von Pa- tent- und Publikationsanalysen auf wissenschaftlich-technische Entwicklungen zu be- gegnen.73 Im Kern schlagen sie eine Kombination von Szenarien, Analogien und Sys- temanalysen vor. Diese sollten in Abhängigkeit des untersuchten Technologiefeldes als Ergänzung zu auf Datenbanken basierenden Verfahren angewendet werden.74 Aller- dings unterlassen es die Autoren, konkrete Kriterien für die Auswahl und Kombination spezifischer Methoden anzugeben, was die Anwendung ihres Konzepts erschwert. In einem Aufsatz über die Entwicklung der grünen Gentechnik stellt Graff eine Möglich- keit vor, neu entstehende technologische Pfade auf Basis von Patentdaten zu identifi- zieren.75 Zu diesem Zweck grenzt er unterschiedliche technologische Bereiche vonein- ander ab und wertet sie nach ihrer technologischen Heterogenität aus.76 Im Ergebnis identifiziert er dominante technologische Entwicklungslinien, die auf bestimmte Patent- gruppen zurückgehen. Für die Vorausschau und Planung neuer technologischer Pfade sind insbesondere die von ihm formulierten Kriterien für die Unterscheidung von Paten- ten von Relevanz. Patente, die eine hohe Generalität ("Heterogenität der zitierenden Patente") und Originalität ("Heterogenität der zitierten Patente") aufweisen, könnten Anhaltspunkte für das Entstehen neuer Technologiepfade sein. Ein Konzept für die Beobachtung von aufkommenden Forschungsfeldern im Bereich von Energietechnologien wurde von Forschern der Universität Tokio entwickelt. Ziel des Konzepts ist es, die Attraktivität verschiedener Forschungsfelder zu vergleichen, die Felder zu monitoren und die Ergebnisse in qualitativen Vorausschau-Ansätzen zu nutzen.77 In einem ersten Schritt wird ein für ein Forschungsfeld repräsentativer Publi- kationsdatensatz abgegrenzt. In einem zweiten Schritt bilden die Autoren verschiedene Cluster innerhalb dieses Feldes über Co-Zitationen. Für jeden Cluster werden die ku- 72 Vgl. Hinze 1994:372ff. 73 Vgl. Daim, Rueda, Martin & Gerdsri 2006:981f. 74 Vgl. Daim, Rueda, Martin & Gerdsri 2006:986ff. 75 Vgl. Graff 2003:1273. 76 Vgl. Graff 2003:1269ff. 77 Vgl. Kajikawa, Yoshikawa, Takeda & Matsushima 2007:2f. 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 22 mulierte Publikationsaktivität und der Trend zu publizieren ermittelt.78 Die Forscher ergänzen mit ihren Ergebnissen unterschiedliche Roadmaps. Sie kommen zu dem Schluss, dass für die Beurteilung neu aufkommender Technologiefelder ein kombinier- ter Ansatz mit qualitativen und quantitativen Elementen verfolgt werden sollte. Proble- matisch erscheint dieser Ansatz allerdings mit Sicht auf die Auswahl des ersten reprä- sentativen Datensatzes, da hier nur Veröffentlichungen, die mehrere andere Artikel zitieren, berücksichtigt werden. Hierdurch besteht die Gefahr, insbesondere neu auf- kommende Themenfelder, die „am Rand" der publizierenden Community liegen, sys- tematisch auszublenden. Des Weiteren setzt der Ansatz als Einstiegspunkt eine länge- re Historie des untersuchten Feldes voraus, was im Umfeld neuer Technologien nicht unbedingt gegeben ist. Verschiedene Konzepte für das Aufspüren schwacher Signale wurden von Wissen- schaftlern aus dem Umfeld der Wharton Business School entwickelt. Day und Schoe- maker schlagen ein Prozessmodell vor, das die Phasen der Suchfelddefinition, des Scanning, der Interpretation, der Handlung und des Lernens umfasst. Sie plädieren für eine stärkere Betrachtung der Bereiche außerhalb der Kerngeschäftstätigkeit von Un- ternehmen, um Veränderungen frühzeitig zu identifizieren.79 Zu diesem Zweck kombi- nieren sie unterschiedliche Ansatzpunkte, wie beispielsweise die Untersuchung ver- säumter Entwicklungen, die Suche nach Analogien in anderen Industrien, das Bench- marking von Unternehmen, die regelmäßig Veränderungen frühzeitig erkennen oder die Imagination von Technologien, die bestehende Geschäftsmodelle beeinflussen würden.80 Sie stellen die These auf, dass durch dieses Vorgehen die mentalen Modelle des Managements, mit denen Führungskräfte das Umfeld interpretieren, verändert werden können. Dies steigert nach Meinung der Autoren die Fähigkeit des Unterneh- mens, relevante Umfeldentwicklungen frühzeitig aufzugreifen.81 Die Potenziale des Ansatzes liegen insbesondere in der Kombination von Vorgehensweisen, die zum Teil ohne ausgeprägte Methodenkompetenz anwendbar sind. Einen mehrstufigen Ansatz für die Identifikation neuer Umfeldentwicklungen stellt Pat- ton vor. Dabei werden aus Publikationen einzelne Themen identifiziert und sehr breiten Kategorien (z.B. Technologie, Politik) zugeordnet.82 Die einzelnen Themen werden anschließend mit einem heterogenen Team in Workshops geclustert, evaluiert und mit 78 Vgl. Kajikawa, Yoshikawa, Takeda & Matsushima 2007:3ff. 79 Vgl. Day & Schoemaker 2006:2 und Day & Schoemaker 2004:130. 80 Vgl. Day & Schoemaker 2006:8ff. 81 Vgl. Day & Schoemaker 2004:133ff. 82 Vgl. Patton 2005:1085f. 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 23 möglichen gegenläufigen Entwicklungen verglichen.83 Der Ansatz ermöglicht die struk- turierte Aufnahme einer Vielzahl von Veränderungen sowie deren kritische Evaluation. Entscheidungsträger des Unternehmens sind bereits in die Themenclusterung invol- viert, um den Transfer von Analyseergebnissen in die Entscheidungsprozesse sicher zu stellen. Da sich dieser Ansatz nicht auf spezifische Technologiefelder oder Umfeld- bereiche beschränkt, ist allerdings von einem sehr hohen Zeitaufwand der Anwendung anzunehmen. Diesen können insbesondere Entscheidungsträger in der Regel kaum leisten. Spinardi und Williams schlagen die Nutzung des „Churn Model" für die Bewertung neu- en technologischen Wissens vor.84 Das „Churn Model" unterstellt, dass Wissen umso wertvoller ist, je intensiver es genutzt wird. Als Bewertungskriterien verwendet das Mo- dell die Breite der Wissensnutzung und die Wiederholungsrate dieser Nutzung.85 Unter der Annahme, dass führende Forschung vor allem bei guter Vernetzung der Forscher durchgeführt wird, könnte dieser Zusammenhang für die frühzeitige Bewertung von Technologien angewendet werden.86 “Research carried out in isolation is unlikely to be at the leading edge be- cause it fails to make use of advances made by others, and likewise, it will not itself prove beneficial to others.87 Je besser die untersuchten Wissenschaftler vernetzt sind, umso größer ist der Perso- nenkreis, in dem sich dieses Wissen potenziell verbreitet, und somit die Wahrschein- lichkeit, dass das produzierte Wissen eine Anwendung findet. Von Spinardi und Willi- ams wird dieser Grundgedanke zu dem Bewertungskonzept der „Generic Richness" weiterentwickelt. Die Autoren schlagen vor, Wissensflüsse in unterschiedliche For- schungsfelder anhand von Patenten oder Publikationen nachzuvollziehen.88 Die Breite der Wissensnutzung in verschiedenen Bereichen erhöht allgemein die Wahrscheinlich- keit, dass das Wissen zu einer erfolgreichen Anwendung in einem Bereich kommt. Der Ansatz bietet das Potenzial, neue Technologiefelder zu bewerten oder konkurrierende Technologien in einem frühen Stadium zu vergleichen. Ein ähnlicher Ansatz für das Aufspüren neu aufkommender Technologien wird von Dror vorgestellt. Basis seiner Untersuchung ist eine Analyse von 630.000 Patenten in der Datenbank des USPTO (United States Patent and Trademark Office). Neu auf- 83 Vgl. Patton 2005:1089f. 84 Vgl. Spinardi & Williams 2005b:60 und 2005a:101. 85 Vgl. Bozeman & Rogers 2002:772; vgl. hierzu auch Bozeman, Dietz & Gaughan 2001:721ff. 86 Vgl. Spinardi & Williams 2005a:101. 87 Spinardi & Williams 2005a:101 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 24 kommende Technologien mit weiterem Entwicklungspotenzial weisen drei Kriterien auf. Erstens ist die absolute Zahl von Patenten niedrig, zweitens wächst die Zahl der neuen Anmeldungen pro Jahr überdurchschnittlich stark und drittens ist der Anteil von Neue- rungen, die sich auf mehrere unverbundene Anwendungsfelder beziehen, hoch.89 Die Vorausschau und Planung neu entstehender Technologiepfade könnte dieses Konzept nutzen, um aussichtsreiche Technologien oder aufkommende Konkurrenztechnologien zu identifizieren. Problematisch ist jedoch, dass nicht in allen Technologienfeldern glei- che Patentneigungen vorliegen. Somit ist die Breite der in Patenten genannten IPC- Klassen nur eingeschränkt als Indikator für das Technologiepotenzial geeignet. Ein anderer Ansatz für die Identifikation neuer Technologien könnte in der Beobach- tung der Oszillationen von S-Kurven liegen. Pistorius und Utterback weisen nach, dass starke Schwankungen in der Reifephase von S-Kurven auf den Einfluss neu aufkom- mender Technologien zurückgehen können.90 Ausgangspunkt ihrer Argumentation ist die Beobachtung von Schwankungen in den Verkäufen der reifen Plywood- Technologie. Durch verschiedene Modellierungen weisen die Autoren nach, dass diese Bewegungen zum Teil auf das Auftreten einer neuen Technologie (Waferboard- Technologie) zurückzuführen sind.91 Das Oszillieren um eine erwartete S-Kurve könnte als möglicher „Sterbe-Indikator" etablierter Technologien und als Hinweis auf das Auf- kommen neuer Technologien genutzt werden. Allerdings weisen die Autoren auch dar- auf hin, dass der Großteil der Schwankungen auf Konjunkturzyklen zurückzuführen ist und der Einsatz dieses Indikators für die technologische Vorausschau aus diesem Grund problematisch ist.92 Ehrnberg und Jacobsson testen unterschiedliche Indikatoren für neu aufkommende Technologien im Bereich des Maschinenbaus. Sie analysieren die Patentierung, wis- senschaftliche Veröffentlichungen, Unternehmenseintritte, Veränderungen relativer Preise sowie Diffusionskurven.93 Den Ausgangspunkt ihrer Untersuchung bildet die Fragestellung, welcher Indikator das Aufkommen einer neuen Technologie als erstes anzeigt. Im Fall der CNC-Technologie sind zuerst Veränderungen der relativen Preis- unterschiede sowie das Aufkommen neuer Unternehmen zu beobachten. Erst danach kommt es zu einem Anstieg der Patentierung und der Publikationen sowie zu einer Verbreitung der Technologie. Im Fall der FMS-Technologie treten zuerst neue Unter- 88 Vgl. Spinardi & Williams 2005a: 106; Bozeman & Rogers 2002:791f. 89 Vgl. Dror 1993:53. 90 Vgl. Pistorius & Utterback 1995:223. Die verwendeten S-Kurven stellen die Verkaufzahlen von Produkten, in die eine bestimmte Technologie einfließt, über die Zeit dar. 91 Vgl. Pistorius & Utterback 1995:224ff. 92 Vgl. Pistorius & Utterback 1995:223. 93 Vgl. Ehrnberg & Jacobsson 1997:110ff.; vgl. hierzu auch Ehrnberg 1995:445ff. 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 25 nehmen in den Markt ein, danach steigen die Anzahl der Publikationen und die Verbreitung der Technologie.94 Damit scheinen neue Unternehmen das Aufkommen einer neuen Technologie am zuverlässigsten anzuzeigen, während Patente und Publi- kationen einen verhältnismäßig schlechten Indikator für radikalen technologischen Wandel darstellen. Allerdings ist bei diesen Ergebnissen zu berücksichtigen, dass es sich beim Maschinenbau um eine technologiebasierte Industrie handelt. Die Gültigkeit ihrer Beobachtung für wissenschaftsbasierte Industrien – in denen möglicherweise wissenschaftliche Publikationen am Anfang des Innovationsprozesses stehen – zwei- feln die Autoren an.95 2.2.2 Technologische Entwicklungsmuster Verschiedene Ansätze für die Vorausschau und Planung im Umfeld neu aufkommen- der Technologiepfade versuchen sich charakteristische Entwicklungsmuster neuer technologischer Pfade zunutze zu machen. Zu diesen Mustern zählen beispielsweise S-Kurven, Diffusionsverläufe oder Erwartungsdynamiken. Zum Teil finden sich in den Ansätzen auch Entwicklungsmuster, die auf komplexen Modellen des Innovationspro- zesses basieren. Der Abschnitt erfasst folgende Veröffentlichungen: • Bengishu & Nekhili 2006; McGrath 1998, • Paap & Katz 2004, • Linton 2002, • Hüsig, Hipp & Dowling 2005; Godvindarajan & Kopalle 2006, • Gartner 2002; Brown, Douglas, Eriksson, Rodriguez, Yearly & Webster 2005, • van Merkerk & van Lente 2005; van Merkerk & Robinson 2006, • Geels 2002, • Kemp 1994; Schot; Hogma & Elzen 1994, • Rinne 2004. Die Reihenfolge der Diskussion richtet sich nach ihrer thematischen Nähe. Die Bespre- chung aufeinander aufbauender Ansätze erfolgt zusammen. Ausgehend von Technologiethemen aus einer türkischen Delphi-Studie nutzen Bengi- su und Nekhili S-Kurven, um die kurzfristige Attraktivität einzelner Technologien zu validieren und Investitionsgelegenheiten zu identifizieren.96 Als Datenbasis werden die kumulierte Anzahl von Publikationen und Patenten aus den einzelnen Technologiefel- dern verwendet.97 Die von den Experten als attraktiv bewerteten Technologiethemen 94 Vgl. Ehrnberg & Jacobsson 1997:119. 95 Vgl. Ehrnberg & Jacobsson 1997:120. 96 Vgl. Bengisu & Nekhili 2006:843f. Für einen ähnlichen Ansatz der Bewertung neuer Technolo- gien auf Basis von S-Kurven vgl. McGrath (1998:677ff.). 97 Vgl. Bengisu & Nekhili 2006:836f. 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 26 der Delphi-Studie sind auch die nach der S-Kurven-Betrachtung interessantesten Fel- der. Der Ansatz bietet den Vorteil einer relativ einfachen Anwendung, da lediglich die Häufigkeit von Publikationen oder Patenten in einem Feld über die Zeit beobachtet wird. Allerdings ist lediglich eine Zeitpunktbetrachtung und keine Wiederholung vorge- sehen. Eine Evaluation und Anpassung der Aussagen an neue Entwicklungen wird somit nicht berücksichtigt. An die Entwicklung von S-Kurven ist das Konzept der Antizipation disruptiver Techno- logien durch Subsitutionsmuster angelehnt. Grundlage dieser Muster sind Veränderun- gen in der Kombination von Technologietreibern (z.B. Bedürfnisse, gesetzliche Rege- lungen) und technologischen Lösungen. Eine relative Alterung der Technologie im Vergleich zum dominanten Treiber, das Aufkommen eines neuen dominanten Treibers, den die alte Technologie nicht bedienen kann oder das Auftreten völlig neuer Treiber werden als Kriterien für das potenzielle Aufkommen neuer Technologien interpretiert.98 Damit ermöglicht das Konzept der Substitutionsmuster einen Ausgleich zu einer aus- schließlich technologiezentrierten Perspektive in der Vorausschau und Planung. Frag- lich ist jedoch, auf welche Treiber sich Unternehmen konzentrieren sollten, wenn die technologische Entwicklung gleichzeitig durch verschiedene Faktoren angetrieben wird. Außerdem erscheint die Bestimmung des Alters von Treibern und Technologien problematisch. Linton schlägt ein Vorgehen auf Basis der Modellierung von Diffusionskurven vor. Als zentrale Problembereiche der Vorausschau disruptiver Technologien identifiziert er eine große potenzielle Anwendungsbreite neuer Produkte, eine Vielzahl möglicher Po- sitionierungen auf der Wertschöpfungskette sowie einen Mangel an validen histori- schen Daten.99 Er schlägt daher vor, zeitlich versetzte Diffusionskurven für jeden ein- zelnen potenziellen Markt zu modellieren und dabei in Abhängigkeit der Wertschöp- fungskette unterschiedliche Lerneffekte zu berücksichtigen.100 Problematisch ist dieser Ansatz insbesondere durch den hohen Formalisierungsgrad bei einer in der Regel schlechten Datenlage.101 Weiterhin unterstellt das Vorgehen eine Vorhersagbarkeit auf Basis eines linearen Innovationsverlaufs von der Entwicklung bis zur Kommerzialisie- rung. Diese Linearität ist bei neuen Technologien häufig nicht gegeben. Schließlich besteht das Risiko, dass wesentliche Märkte übersehen und infolgedessen technologi- sche Potenziale unterbewertet werden. 98 Vgl. Paap & Katz 2004:16. 99 Vgl. Linton 2002:368. 100 Vgl. Linton 2002:369ff. 101 Vgl. Linton 2002:371. 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 27 Die Analyse des Durchbruchspotenzials neuer Technologien kann auf Basis von Christensens Überlegungen zu „Disruptive Technologies" erfolgen. Hüsig, Hipp und Dowling leiten aus der Ex-Post-Perspektive, die Christensen einnimmt, folgende Krite- rien für eine Ex-Ante-Bewertung von neuen Technologien ab:102 Disruptive Technolo- gien sind erstens einfach, billig und anfänglich leistungsschwächer (mit starker Ten- denz zu einer Verbesserung der Leistungsfähigkeit), zweitens werden diese von den führenden Kunden abgelehnt, drittens sind sie weniger profitabel bevor ein neues Ge- schäftsmodell gefunden wird und viertens sind sie zuerst in neuen Märkten erfolgreich. Weitere Kriterien betreffen beispielsweise etablierte Technologien, die ein Übermaß an Leistungsfähigkeit liefern, ohne den Low-End-Teil des Markes zu bedienen oder die Schnittpunkte zwischen den S-Kurven neuer und etablierter Technologien.103 Auf Basis dieser Kriterien erstellen die Autoren einen Fragebogen, den sie in persönlichen Inter- views von Industrieteilnehmern beantworten lassen. Neben der Bewertung einzelner Technologien ermöglicht es der Ansatz, das disruptive Potenzial verschiedener neuer Technologien im Telekommunikationssektor zu vergleichen. Problematisch erscheint jedoch die Ex-Ante-Bestimmung der Performanzkriterien, um die Technologien in spä- teren Phasen des Technologiezyklus konkurrieren. Gartners „Hype Cycle" nutzt die Dynamik von Erwartungen für das Ableiten von Aus- sagen über die Attraktivität neuer Technologien. Die Kernaussage des Ansatzes lautet, dass jede Technologie einen Zyklus von „Technology Trigger", „Peak of Inflated Expec- tations", „Trough of Disillusionment", „Slope of Enlightment" und „Plateau of Productivi- ty" durchläuft. Demzufolge sind zu Beginn das Interesse und die Erwartungen an eine neue Technologie sehr hoch und in der Regel überzogen. Wenn die Erwartungen ent- täuscht werden, geht das Interesse an der Technologie insgesamt zurück. Mit dem langsamen Transfer in erfolgreiche neue Anwendungen steigen das Interesse und die Erwartungen wieder an.104 Dieses Muster der Technologieentwicklung lässt sich bei vielen technologischen Innovationen beobachten, insbesondere wenn diese ein hohes Medieninteresse erfahren. Die Anwendung des Konzeptes für die Vorausschau ist rela- tiv einfach, beispielsweise durch eine grafische Darstellung der historischen Entwick- lung der Publikations- oder Patentaktivität zu einer Technologie. Problematisch ist das Auftreten von verschiedenen Hype- und Disappointment-Phasen hintereinander, die der Ansatz nicht berücksichtigt. Außerdem impliziert der Ansatz zu Unrecht, dass jede Technologie bis in die Phase einer produktiven Nutzung gelangt. 102 Vgl. Hüsig, Hipp & Dowling 2005:20f.; vgl. hierzu auch Godvindarajan & Kopalle 2006:15ff. 103 Vgl. Hüsig, Hipp & Dowling 2005:21f. 104 Vgl. Gartner 2005:2f.; Brown, Douglas, Eriksson, Rodriguez, Yearley & Webster 2005:4f.; Gart- ner 2002:1f. 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 28 Ebenfalls auf der Dynamik von Erwartungen basiert der Ansatz von van Merkerk und van Lente. Das Ziel der Autoren besteht darin, entstehende Pfadabhängigkeiten in ei- nem neuen Technologiefeld frühzeitig zu identifizieren, um so Aussagen über zukünfti- ge Entwicklungsrichtungen dieses Feldes treffen zu können. Die Analyse umfasst meh- rere Einflussgrößen: erstens die Erwartungen der Akteure innerhalb des Technologie- feldes sowie zweitens die Manifestierung dieser Erwartungen in der Forschungsagen- da jedes einzelnen Akteurs und drittens die Netzwerkbildung zwischen den Akteu- ren.105 Mit der Gesellschaft, Akteuren innerhalb eines Technologiefeldes und Forscher- gruppen bildet der Ansatz drei unterschiedliche Ebenen ab. Die Autoren werten Publi- kationen von Regierungsstellen und NGOs auf der gesellschaftlichen Ebene aus. Auf der Technologiefeld-Ebene nutzen sie Reports von Unternehmen oder Verbänden, die Marktpotenziale und Vermarktungskonzepte aufzeigen. Auf der Ebene von Forscher- gruppen analysieren sie wissenschaftliche Veröffentlichungen und Pressemitteilun- gen.106 Die Auswertung dieser Dokumente erfolgt unter anderem über die Identifikation von Keywords, die anschließend einer der Kategorien „Erwartung", „Agenda Setting" oder „Netzwerk" zugerechnet werden. Die anschließende Zuordnung der Akteure zu einer dieser Kategorien verdeutlicht den Entwicklungsstatus einer Technologie.107 Durch die Anwendung dieses Ansatzes haben die Autoren Entwicklungen des Netz- werks von Nanotubes aufgespürt und über die Zeit abgebildet. Das ausschließliche Zurückgreifen auf Publikationen erscheint jedoch aus drei Gründen problematisch. Ers- tens ist mit einer zeitlichen Verzögerung von unter Umständen mehreren Jahren bis zur Veröffentlichung neuer Erkenntnisse zu rechnen. Der tatsächliche Entwicklungs- stand lässt sich daher nur eingeschränkt abbilden. Zweitens ist es wahrscheinlich, dass wesentliche Akteure ihre Erwartungen und Netzwerke nicht publizieren. Drittens sind die Textanalyse und die Zuordnung einzelner Wörter zu Kategorien sehr zeitaufwendig. Für die Entscheidungsfindung in hochdynamischen Feldern ist der Ansatz aus diesen Gründen nur eingeschränkt geeignet. Geels hat den Versuch unternommen, komplexe technologische Innovationsmuster für die Vorausschau und Planung zu nutzen.108 Die Grundlage seiner Überlegungen bilden Muster in der Erwartungsentwicklung, in Lern- und Artikulationsprozessen sowie in der Netzwerkbildung. Für deren Identifikation in einem Technologiefeld nutzt der Autor 105 Vgl. van Merkerk & van Lente 2005:1097. Vgl. hierzu auch den Ansatz von van Merkerk & Rob- inson (2006), die ähnlich für den Bereich der Lap-on-a-Chip-Technologie vorgehen. 106 Vgl. van Merkerk & van Lente 2005:1098ff. 107 Vgl. van Merkerk & Robinson 2006:415ff. Je intensiver sich Erwartungen in den Agenden nie- derschlagen und je mehr Akteure in Netzwerken verankert sind, umso stabiler und reifer ist die Technologieentwicklung. 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 29 technologische Nischen („Mikroebene"), in denen sich die Muster frühzeitig herausbil- den. Anschließend dehnt der Autor die Analyse auf die Makroebene und die Gesell- schaft („Landscape") aus.109 Geels verdeutlicht die Möglichkeit eines Vergleichs auf- kommender Technologien am Beispiel der Transportindustrie.110 Er schlägt vor, die Entwicklungsmuster auch für die Aufstellung von Szenarien zu nutzen, um die Teil- nehmer für mögliche Dynamiken neuer Technologien zu sensibilisieren.111 Mit dem Ansatz können eine Vielzahl von Einflussfaktoren berücksichtigt und in einen konsi- stenten Zusammenhang gestellt werden. Allerdings ist die praktische Anwendung in Projekten von Unternehmen und öffentlichen Organisationen erst noch zu testen, da ein fundiertes Verständnis des Innovationsprozesses benötigt wird und die Zusam- menhänge zwischen den verschiedenen Mustern sehr komplex sind. Ausgehend von einem Review theoretischer Modelle der Technologieentwicklung, konzipiert Kemp einen Policy-Ansatz, mit dem ein Wechsel zwischen komplexen tech- nologischen Systemen initiiert werden kann.112 Als erste Phase schlägt der Autor das Prüfen von Einflussfaktoren der Verbreitung neuer Technologien vor. Zu diesen zählt er unter anderem vorhandene Standards sowie institutionelle Regelungen, erzielte Lerneffekte in bestehenden Technologien, langfristige ökologische Konsequenzen so- wie die Verfügbarkeit von komplementären Technologien, Infrastrukturen oder qualifi- ziertem Personal. Aufbauend auf der Analyse dieser Einflussfaktoren fordert der Autor die gezielte Öffnung technologischer Nischen durch die Politik in der zweiten Phase.113 Wie diese Öffnung erfolgen kann, verdeutlicht das „Strategic Niche Management" von Wissenschaftlern um Johan Schot. Veränderungen im Regelungsumfeld, das finanziel- le Fördern der Technologieentwicklung und das Schaffen neuer Netzwerke bilden den Kern ihrer Überlegungen.114 Das Potenzial dieser Ansätze liegt in der ganzheitlichen Betrachtung des wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Umfelds bei dem Wechsel zu einer neuen Technologie. Zudem zeigt es konkrete Handlungsoptionen für die Rea- lisierung von Technologiesprüngen auf. Allerdings stellen die Autoren kein Konzept bereit, mit dem sich die Ausprägungen der Einflussfaktoren systematisch prüfen las- sen. Dies erscheint mit Sicht auf die schwierige Eingrenzung des relevanten Umfelds neuer Technologien als problematisch. 108 Vgl. Geels 2002:360. Der Autor berücksichtigt mit der Co-Evolution von Technologie und Gesell- schaft sowie dem Sozialkonstruktivismus Anknüpfungspunkte aus verschiedenen Bereichen der Innovationsforschung. 109 Vgl. Geels 2002:365ff. 110 Vgl. Geels 2002:371ff. 111 Vgl. Geels 2002:380. 112 Vgl. Kemp 1994:1024ff. Der Autor unterstellt einen politisch induzierten Wechsel. 113 Vgl. Kemp 1994:1041f. 114 Vgl. Schot, Hoogma & Elzen 1994:1062. 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 30 Im Rahmen eines traditionellen Roadmapping-Ansatzes diskutiert Rinne die Möglich- keit, Durchbruchsinnovationen durch spezifische „Patterns" in „Mehr-Ebenen- Roadmaps" zu identifizieren. Er unterscheidet vier Entwicklungsmuster.115 Erstens kann ein schnelles Wegbrechen adressierter Märkte das Auslaufen eines Pfades an- zeigen und eine Suche nach neuen technologischen Lösungen anstoßen. Zweitens können relativ schnelle Wechsel von Produktgenerationen auf Probleme der Vermarkt- barkeit hindeuten und einem Technologiewechsel vorausgehen. Drittens kann der schnelle Verlust von Marktanteilen bei zwei konkurrierenden Produkten auf die Entste- hung einer Pfadabhängigkeit und den Durchbruch einer Technologie hindeuten. Vier- tens kann die Etablierung von Standards die radikale Beschleunigung technologischer Entwicklungen anzeigen.116 Das Potenzial dieses Ansatzes liegt vor allem in der Mög- lichkeit der visuellen Detektion disruptiver Veränderungen in bestehenden Roadmaps. Allerdings trifft der Autor keine Aussage darüber, ob auf Basis der vorgeschlagenen Roadmap-Struktur technologische Durchbrüche bereits erfolgreich identifiziert werden konnten oder ob es sich um eine konzeptionelle Betrachtung handelt. 2.2.3 Szenarien Szenarien im weiteren Sinn wurden in Form von Utopien und Dystopien bereits im an- tiken Griechenland für die Auseinandersetzung mit der Zukunft eingesetzt. Ausgehend von der Anwendung im militärischen Kontext sind sie als normative Zukunftsbilder seit den 60er Jahren in Unternehmen und öffentlichen Organisationen verbreitet.117 Der Abschnitt umfasst die folgenden Veröffentlichungen zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade: • Burt 2006, • Bruun, Hukkinen & Eklund 2002, • Mirow 1998, • Dortmanns 2005, • Noori, Munro, Deszca & McWilliams 1999a und 1999b, • Mercer 1997, • van den Hende, Schoormans, Morel, Lashina, van Loenen & de Boevere 2007, • Raynor & Leroux 2004, • Bers, Lynn & Spurling 1999. 115 Vgl. Rinne 2004:76. Die Roadmaps umfassen die Ebenen "Markt", "Produkt", "Regulierung" und "Technologie". 116 Vgl. Rinne 2004:77. 117 Vgl. Bradfield, Wright, Burt, Cairns & van der Heijden 2005:797. Übersichten über Szenariokon- zepte finden sich unter anderem bei Börjeson, Höjer, Dreborg, Ekvall & Finnveden 2006; van Notten, Sleegers & van Asselt 2005; Bradfield, Wright, Burt, Cairns & van der Heijden 2005. 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 31 Die Reihenfolge der Diskussion richtet sich nach der thematischen Nähe zwischen einzelnen Szenario-Konzepten. Wie oben werden aufeinander aufbauende Anätze zusammen besprochen. Burt verbindet den Szenario-Ansatz mit Elementen aus der „Disruption Theory" von Christensen sowie Elementen der Systemanalyse und beschreibt die Anwendung die- ses Ansatzes bei einem Großunternehmen.118 Dabei werden Szenarien entwickelt, Einflussfaktoren systemanalytisch untersucht und Quellen für Disruptionen identifiziert. Auf Basis dieses Vorgehens konnten Teilnehmer aus dem Unternehmen mögliche Dis- ruptionen bestimmen. Zudem konnten die Teilnehmer Quellen von Abhängigkeiten sowie Wechselwirkungen zwischen Einflussfaktoren der Technologieentwicklung her- ausarbeiten und so fundierte Kenntnisse über die Technologieentwicklung erhalten.119 Positiv an diesem Ansatz ist vor allem das Nutzen einer theoretischen Fundierung so- wie eines konsistenten Rahmens für die Analyse disruptiver Technologien. Allerdings ist die Reichweite dieses Rahmens problematisch, da Burt nicht nur „Disruptions", son- dern darüber hinausgehend auch „Discontinuities" bzw. Trendbrüche behandelt, die Christensens Ansatz nicht abdeckt. Bruun, Hukkinen und Eklund adressieren zwei Problembereiche der Szenarioerstellung im Umfeld von Trendbrüchen. Der erste Problembereich ist das Nutzen eines Rah- menmodells, das durch eine Fokussierung auf bestimmte Einflussfaktoren Entwicklun- gen außerhalb dieses Modells ausblendet. Die lineare Fortschreibung bestehender Trends, ohne das mögliche Abreißen dieser Trends zu berücksichtigen, wird als zweite Schwierigkeit herausgestellt.120 Die Autoren schlagen daher daie Erarbeitung von un- konventionellen sowie ereignisbasierten Szenarien vor, die über die genutzten Frame- works und bestehende Trends hinausgehen.121 Am Beispiel finnischer Aquakulturen demonstrieren die Autoren den Ansatz, indem sie insgesamt sieben unterschiedliche Szenarien entwickeln, die Trendbrüche darstellen. Das Potenzial dieser Vorgehens- weise liegt darin, Denkstrukturen bei beteiligten Personen zu explizieren und hierdurch ein Ausbrechen aus konventionellen Denk- und Handlungsmustern zu fördern. Jedoch schließen die Autoren mit dem Fazit, dass trotzdem unvorhergesehene Ereignisse auf- treten können und daher der Nutzen des Ansatzes vor allem in einem verbesserten Umgang mit Unsicherheit und nicht in einer Vorhersage liegt.122 118 Vgl. Burt 2007. 119 Vgl. Burt 2007:740ff. 120 Vgl. Bruun, Hukkinen & Eklund 2002:108f. 121 Vgl. Bruun, Hukkinen & Eklund 2002:112ff. 122 Vgl. Bruun, Hukkinen & Eklund 2002:121ff. 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 32 Für die Identifikation und das Angehen von Durchbruchsinnovationen wird bei Siemens der Ansatz des „Strategic Visioning“ verfolgt. Die zentrale Forschung und Entwicklung leitet in einem Top-Down-Prozess zusammen mit den strategischen Geschäftseinhei- ten neue Geschäftsfelder und hierfür notwendige Technologien aus langfristigen Sze- narien ab. Das Unternehmen wählt einen bereichsübergreifenden und ganzheitlichen Ansatz, bei dem ökonomische, ökologische, technische, politische, industriestrukturelle und soziale Einflüsse berücksichtigt werden. Siemens entwickelt auf Basis dieses Vor- gehens Strategien für einzelne Geschäftsfelder, die notwendige Ausgaben für For- schung und Entwicklung, Risiken, mögliche Kooperationspartner, Patentierungsmög- lichkeiten und Vertriebswege umfassen. Nach der Auffassung von Siemens stellen diese Durchbruchsinnovationen die größten Herausforderungen an das Management, da sich der technische Fortschritt in Sprüngen vollzieht, der Zeithorizont sehr lang und das Risiko extrem hoch ist. Des Weiteren sind die Märkte unbekannt und eine Planbar- keit ist nicht gegeben.123 Für die Entwicklung langfristiger Strategien stellt Dortmans einen Ansatz vor, der auf einer Verknüpfung von Forecasting und Backcasting basiert. Entscheidend ist das Entwerfen von Migrationslandschaften, die von möglichen Entwicklungspfaden eines Feldes oder einer Organisation durchzogen werden.124 Ziel des Ansatzes ist es, diese Entwicklungspfade – einerseits aus langfristigen Visionen, andererseits aus dem Sta- tus que – zu präzisieren sowie End- und Zwischenszenarien für das Realisieren dieser Pfade herauszuarbeiten. Der Autor gibt an, dass sich durch dieses Vorgehen das Risi- ko langfristiger Technologieentwicklungen minimieren lässt.125 Zu kritisieren ist, dass der Ansatz keine Hinweise darüber enthält, wie viele potenzielle Wege entwickelt wer- den sollten, zumal die Möglichkeiten nahezu unbegrenzt erscheinen. Außerdem ist davon auszugehen, dass die detaillierte Abgrenzung und Beschreibung der Migrations- landschaften sehr zeitaufwendig ist. Eine ähnliche Weiterentwicklung der Szenario-Methodik stellt die „Umbrella Methodo- logy" von Noori, Munro, Deszca und McWilliams dar. An eine Szenarioanalyse schlie- ßen sich eine Backcasting-Phase und eine Monitoring-Phase an. Ziel der Methode ist es, mögliche Umfeldentwicklungen möglichst ganzheitlich zu antizipieren, flexible Stra- 123 Vgl. Mirow 1998:488. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein traditionelles Verständnis der stra- tegischen Planung vorliegt, bei dem eine exakte Definition einzelner Schritte exakt erfolgt. Aller- dings scheint der Ansatz einem modernen Planungsverständnis zu genügen, da das Top- Management lediglich Rahmenparameter (in diesem Fall mögliche Partner, Vertriebswege und F&E-Ausgaben) definiert. 124 Vgl. Dortmans 2005:280f. 125 Vgl. Dortmans 2005:281. 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 33 tegien zu entwickeln und Veränderungen frühzeitig aufzunehmen.126 Die Autoren legen besonderes Gewicht auf das Explizieren von Unsicherheitsfaktoren, das Kombinieren von Methoden und Informationsquellen sowie die Kontinuität der Aktivitäten, die sie als Voraussetzungen sehen, um dieses Ziel zu erreichen.127 Die Anwendung der Methodik erfolgt am Beispiel des Elektroautos.128 Positiv ist an diesem Vorgehen, dass es die Einflussfaktoren aus dem Umfeld einer neuen Technologie umfassend analysiert und in der Planung berücksichtigt. Ferner handelt es sich um einen kontinuierlichen Pro- zess, der erst mit der erfolgreichen Produkteinführung endet. Dies kann eine optimale Wissensnutzung gewährleisten. In diesem Zusammenhang ist auch die konsistente Methodenintegration hervorzuheben. Durch das Nutzen von Sekundärinformationen für die Umfeldanalyse wird der Zeitaufwand potenziell reduziert. In dem Ansatz fehlen al- lerdings konkrete Hinweise darauf, wie unterschiedliche Technologiepfade identifiziert und wie die geforderten flexiblen Prozesse und Strategien realisiert werden können. Ausgehend von der Zusammenarbeit mit kleinen und mittleren Unternehmen entwickelt Mercer eine Szenario-Methodik, die die Erwartungen der Teilnehmer für die Voraus- schau nutzt. Zuerst identifizieren und beschreiben Teilnehmer an Szenario-Workshops in mehreren Fokusgruppen Technologietreiber und dokumentieren diese. Anschlie- ßend explizieren die Gruppen Wechselwirkungen zwischen den Treibern und bringen diese in einen konsistenten Zusammenhang. Aus diesem Set an zentralen Einflussfak- toren leiten die Teilnehmer zuerst sieben bis neun Mini-Szenarien ab, die sie im An- schluss zu zwei bis drei Kernszenarien verdichten. Abschließend erfolgt eine Konsis- tenzprüfung der Szenarien anhand externer Dokumente, wie beispielsweise bestehen- de Vorausschau-Studien.129 Das Potenzial dieses Ansatzes liegt nach Angaben des Autors in dem geringen Zeitaufwand für das Durchlaufen des gesamten Prozesses in wenigen (ca. ein bis zwei) Workshops, was eine wesentliche Verkürzung Szenarioer- stellung bedeutet. Zudem haben in einem von Mercer durchgeführten Projekt mehrere parallel arbeitende Fokusgruppen insgesamt über 150 externe Treiber identifiziert.130 Dies lässt auf die Möglichkeit einer ganzheitlichen Umfeldanalyse schließen. Proble- matisch ist der fehlende Rahmen, um das Umfeld zu analysieren, da die Teilnehmer durch den offenen Ansatz möglicherweise zentrale Einflussgrößen oder Zusammen- hänge übersehen. 126 Vgl. Noori, Munro, Deszca & McWilliams 1999a:547ff. 127 Vgl. Noori, Munro, Deszca & McWilliams 1999a:555ff. 128 Vgl. Noori, Munro, Deszca & McWilliams 1999b:564ff. 129 Vgl. Mercer 1997:158ff. 130 Vgl. Mercer 1997:161ff. 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 34 Ein alternativer Szenarioansatz, der Elemente virtueller Umwelten integriert, wurde von Phillips in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern der Universität Delft in den Nieder- landen vorgestellt. Ziel des Ansatzes ist es, einerseits Ideen für Anwendungen neuer Technologien zu ermitteln und andererseits komplexe Produktideen an Kunden zu kommunizieren.131 Den Ankerpunkt ihres Ansatzes bildet das Konzept von „Concept Narratives", die genutzt werden, um Kunden den Nutzen einer neuen Technologie für eine bestimmte Anwendung zu vermitteln.132 Die Möglichkeiten der Kommunikation des Nutzens validierten die Forscher in einem empirischen Test. Der Ansatz bietet das Po- tenzial, Endkunden sehr frühzeitig in den Produktplanungsprozess einzubinden und so die Erfolgschancen neuer Produkte zu erhöhen. Allerdings schlagen die Autoren keine Möglichkeit vor, wie die relevanten Kunden identifiziert werden können. Außerdem scheint der Ansatz auf das Kommunizieren einer relativ kleinen Anzahl von Anwen- dungen beschränkt zu sein. Somit besteht die Gefahr, dass die tatsächlichen Einsatz- möglichkeiten einer neuen Technologie nur unzureichend erfasst werden. Um bei Projektselektionen die Interdependenzen zwischen einzelnen Projekten zu er- fassen, konzipieren Raynor und Leroux einen Portfolioansatz, der auf der Szenario- technik und dem Realoptionsmodell basiert. Der Fokus liegt auf der Bewertung von Projektideen, die sehr weit von einer Kommerzialisierung in konkreten Produkten ent- fernt sind. Zu diesem Zweck werden in einem ersten Schritt mehrere Unternehmens- szenarien beschrieben, für die das Unternehmen im zweiten Schritt Strategien formu- liert. Auf Basis dieser Strategien definieren die Teilnehmer im dritten Schritt Kernpro- jekte, die erfolgskritisch und daher umfangreich zu finanzieren sind. Außerhalb liegen- de Projekte sollten nur die für das Projektüberleben notwendigen Ressourcen erhalten. Der vierte Schritt umfasst das Umsetzen der Strategien und das Wiederholen des Pro- zesses.133 Positiv ist an diesem Vorgehen, dass den Projekten in Abhängigkeit des Szenarios unterschiedliche Bedeutungen zukommen. Als Optionen werden nur die Projekte bewertet, die nicht im Kernbereich des Unternehmens liegen. Dies ermöglicht eine Konzentration auf zentrale unternehmerische Aktivitäten. Allerdings scheint die Analyse der szenariospezifischen Projektbedeutung anhand wenig definierter Kriterien zu erfolgen. Dies erschwert eine „objektive" Bewertung der Projekte. Im Kontext neu aufkommender Technologien kann eine Verbindung von Szenarien und der Erstellung von Business-Plänen erfolgen. Ziel des von Burs, Lynn und Spurling 131 Vgl. van den Hende, Schoormans, Morel, Lashina, van Loenen & de Boevere 2007:1. 132 Vgl. van den Hende, Schoormans, Morel, Lashina, van Loenen & de Boevere 2007:3f. Bei "Con- cept Narratives" handelt es sich um bildliche, schriftliche oder filmische Darstellungen einer mög- lichen Technologienutzung. 133 Vgl. Raynoer & Leroux 2004:30ff. 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 35 entwickelten Ansatzes ist es, Manager und technische Experten bei der Entwicklung von Strategien unter hoher Marktunsicherheit zu unterstützen.134 Zu diesem Zweck wird zuerst ein herkömmlicher Business Case erstellt, aus dem ein Finanzplan mit ei- ner Laufzeit von zehn Jahren abgeleitet wird. Unterschiedliche Szenarien und Zeit- wertberechnungen ergänzen diesen Finanzplan. Anschließend erfolgen das Identifizie- ren von Gemeinsamkeiten zwischen den Szenarien und das Entwickeln einer Strate- gie, die in jedem Szenario gültig ist. Auf Basis von Monte-Carlo-Simulationen findet danach eine Sensitivitätsanalyse des Zeitwerts der vereinheitlichenden Strategie statt.135 Grundsätzlich erhöht das Denken in unterschiedlichen Szenarien die Antizipa- tionsfähigkeit der Organisation. Allerdings ist fragwürdig, ob die gemeinsame Strategie tatsächlich allen möglichen Entwicklungen standhält, zumal der Ansatz keine kontinu- ierliche Anpassung vorsieht. Der Rückgriff auf eine Discounted-Cash-Flow-Bewertung erscheint vor dem Hintergrund der langen Betrachtungsperspektive und der hohen Unsicherheit ebenfalls problematisch. Es ist zu erwarten, dass durch die Wirkung an- fänglich negativer Cash-Flows und durch hohe Diskontierungsfaktoren zahlreiche aus- sichtsreiche Projekte ausselektiert werden. 2.2.4 Technologie-Bewertung Eine weitere Gruppe von Ansätzen der Vorausschau und Planung neuer Technologie- pfade beschäftigt sich mit der Bewertung von Technologien. Dabei handelt es sich um qualitative und quantitative Vorgehensweise. Der Abschnitt umfasst die folgenden Pub- likationen: • Benson, Sage & Cook 1993 • Suh, Suh & Baek 1994, • Perlitz, Peske & Schrank 1999; MacMillan, van Putten, McGrath & Thompson 2006, • Mills & Weinstein 1996. Die Reihenfolge richtet sich wie in den vorangegangenen Abschnitten nach ihrer the- matischen Nähe. Aufeinander aufbauende Anätze werden zusammen diskutiert. Für die Bewertung neuer Technologien in frühen Entwicklungsstadien schlagen Ben- son, Sage und Cook ein dreigliedriges Vorgehen vor. Die Autoren bewerten das Einsatzpotenzial einer Technologie in spezifischen Anwendungsfeldern anhand von Kriterien aus den Bereichen Technologie, Management und Markt.136 Im Bereich des 134 Vgl. Bers, Lynn & Spurling 1999:32ff. 135 Vgl. Bers, Lynn & Spurling 1999:37ff. 136 Vgl. Benson, Sage & Cook 1993:115. 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 36 Marktes spielen unter anderem Verhaltensanpassungen beim Nutzer, rechtliche Rege- lungen und Konkurrenztechnologien eine Rolle. Kriterien aus dem Umfeld des Mana- gements umfassen z.B. die Größe der Organisation sowie das Funktionieren von Ge- schäftsmodellen. Der technologische Bereich enthält Kriterien wie technische Proble- me der Produktion, Herstellungsstandards oder die Anzahl benötigter komplementärer Technologien.137 Die Anwendungsmöglichkeiten neuer Technologien können auf Basis dieses Vorgehens sehr detailliert analysiert werden. Allerdings fehlen Aussagen dar- über, wie ein Unternehmen diese vor der Bewertung erfolgreich identifizieren kann. Außerdem treffen die Autoren keine Aussagen über die Wiederholung des Vorgehens bei schnellen Veränderungen des Umfelds, z.B. beim Aufkommen neuer Technologien. Bei der Anwendung des Ansatzes besteht daher das Risiko, dass ein Unternehmen seine Strategie nicht schnell genug an eine veränderte Situation anpasst. Suh, Suh und Baek entwickeln eine Methode der Bewertung von Technologien für ein Großforschungsinstitut. Die Kernproblemstellungen, die sie aufgreifen, liegen in der mangelnden Verfügbarkeit von Daten für die Technologiebewertung in frühen Innovati- onsphasen und in dem Bedarf an technologiespezifischen Bewertungskriterien. Die Autoren schlagen ein zweistufiges Vorgehen vor, bei dem eine Gruppe von Experten zuerst die für eine Technologie relevanten Bewertungskriterien identifiziert. Die Exper- ten nutzen dabei ein vorgegebenes Set von Kriterien, das unter anderem soziale, tech- nisch und ökonomische Merkmale, die geeignete Strategie („Leader" vs. „Follower") und das relevante Geschäftmodell („Service Provider", „Network Provider", „Technolo- gy Leader") umfasst.138 Auf Basis der gewählten Kriterien bewerten Fach- und Füh- rungskräfte des Instituts anschließend verschiedene Technologien.139 Durch das spezi- fische Set von Merkmalen stellt der Ansatz sicher, dass unterschiedliche Technologien auch unterschiedlich behandelt werden. Des Weiteren können die Teilnehmer aus ei- nem umfangreichen Pool von Kriterien wählen. Wenn es zu einer ausgewogenen Zu- sammenstellung technologiespezifischer Bewertungskriterien kommt ist so prinzipiell eine ganzheitliche Bewertung möglich. Verschiedene Autoren entwickeln Ansätze für die monetäre Bewertung neu aufkom- mender Technologien. Darunter finden sich insbesondere Bewertungskonzepte auf Basis von Realoptionen.140 Bei diesen Ansätzen werden Investitionen in Forschungs- und Entwicklungsprojekte als Bündel verschiedener Optionen angesehen. Unter- scheidbar sind die Option, eine Investition auf unbestimmte Zeit zu verschieben; die 137 Vgl. Benson, Sage & Cook 1993:115ff. 138 Vgl. Suh, Suh & Baek 1994:268f. 139 Vgl. Suh, Suh & Baek 1994:268. 140 Eine kritische, sehr umfassende Darstellung findet sich bei Perlitz, Peske und Schrank (1999). 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 37 Option, ein Projekt auf verschiedenen Entwicklungsstufen abzubrechen; die Option, den Umfang von Investitionen an die zukünftige Situation anzupassen; die Option, ein abgeschlossenes Projekt abzubrechen und die zugrunde liegende Produktionsinfra- struktur zu veräußern; die Option, Inputs und Outputs zu verändern und die Option, eine Vielzahl weiterer Projekte durchzuführen.141 Für die Bewertung eines Projekts sind der Zeitwert von Cash-Flows und Investitionskosten, die Zeitspanne bis zum Auslaufen der Investition, die Unsicherheit des Projektwerts, die Verluste durch eine zeitliche Ver- schiebung von Entscheidungen sowie ein risikoloser Zinssatz zu ermitteln.142 Die Real- optionsmethodik ist besonders für gestufte Entwicklungsprojekte mit langer Laufzeit, wie sie beispielsweise in der Pharmaindustrie vorliegen, geeignet. Der Vorteil von Re- aloptionsbewertungen liegt darin, dass die Durchführung hochriskanter, langfristiger Projekte nicht wie bei der Discounted-Cash-Flow-Bewertung durch extrem hohe Dis- kontierungsfaktoren behindert wird. Zudem wird der Raum zukünftiger Handlungsmög- lichkeiten bei der Bewertung positiv berücksichtigt.143 Um das Verfahren weiter an die Unsicherheit über die Entwicklung neuer Technologien anzupassen, können beispiels- weise Monte-Carlo-Simulationen und Sensitivitätsanalysen der Ausgaben und Ein- nahmen durchgeführt werden.144 Problematisch ist die Akzeptanz der Ergebnisse des Verfahrens, da dieses für Nutzer außerhalb des Finanzsektors undurchsichtig er- scheint. Für die monetäre Bewertung von Projekten in unsicheren Umfeldern erarbeiten Mills und Weinstein einen Ansatz auf Basis der Discounted-Cash-Flow-Methode und der Szenario-Technik. Ausgangspunkt ist eine Kritik an den hohen Residualwerten bei her- kömmlichen Zeitwertermittlungen von langfristigen Strategien.145 Zum einen verlängern sie durch die Erarbeitung verschiedener Szenarien den Zeitraum der detaillierten Be- trachtung von Cash-Flows. Zum anderen bewerten die Autoren auch unterschiedliche Reaktionsmöglichkeiten des Unternehmens in jedem Szenario.146 Nach Meinung von Mills und Weinstein lassen sich die relevanten Bewertungsumfelder durch das Einbrin- gen des Szenario-Konzepts umfangreicher analysieren, strategische Optionen schnel- 141 Vgl. Perlitz, Peske & Schrank 1999:256f. Der Optionswert von einzelnen Projekten hängt außer- dem von dem gesamten Projektportfolio des Unternehmens ab. 142 Vgl. u.a. Perlitz, Peske & Schrank (1999:257ff.) für das Zusammenwirken dieser Variablen bei der Berechnung des Realoptionswerts. 143 Vgl. MacMillan, van Putten, McGrath & Thompson 2006:30f.; Perlitz, Peske & Schrank 1999:266f. 144 Vgl. MacMillan, van Putten, McGrath & Thompson 2006:34f. 145 Üblicherweise werden freie Cash-Flows nur für die ersten drei bis fünf Jahre im Lebenszyklus der Technologie detailliert bestimmt. Für die übrigen Jahre wird ein konstanter jährlicher Cash- Flow angenommen und aufsummiert. Erstens macht diese Summe ("Residualwert") häufig einen großen Teil des Zeitwerts aus und zweitens können in späteren Phasen erhebliche Schwankun- gen der Cash-Flows auftreten. 146 Vgl. Mills & Weinstein 1996:77ff. 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 38 ler entwickeln und Risiken besser erfassen.147 Allerdings ist fraglich, ob die Teilnehmer den Einfluss komplexer Entwicklungen auf den Cash-Flow des Unternehmens zuver- lässig einschätzen können. Des Weiteren ist zu kritisieren, dass durch diese Bewer- tung nur ein begrenzter Raum zukünftiger Entwicklungen und Reaktionsmöglichkeiten bewertet werden kann. 2.2.5 Technologie-Roadmaps Nach einer Anwendung durch Pionier-Unternehmen, wie beispielsweise Motorola, wird das Technologie-Roadmapping seit den 1990er Jahren in vielen Unternehmen einge- setzt.148 Roadmapping ist ein Prozess des strategischen Managements,149 der dazu dient, strategische Alternativen zu identifizieren, zu bewerten und auszuwählen. In der Regel stellen Roadmaps einen Konsens der bei ihrer Erstellung beteiligten Personen dar.150 Sie umfassen unterschiedliche Ebenen, wie beispielsweise Märkte, Produkte und Technologien, die zumeist in Relation zu einer Zeitachse stehen. Die folgenden Publikationen sind in diesem Ansatz berücksichtigt: • Holmes & Ferrill 2005, • Kostoff, Boylan & Simmons 2004, • Song, Lee, Lee & Chung 2007, • Walsh 2004, • Rip & Propp 2005, • Strauss & Radnor 2004, • Danila 1989. Die Besprechung der Roadmapping-Konzepte folgt entsprechend der thematischen Nähe. Wie oben werden aufeinander aufbauende Anätze zusammen diskutiert. Das T-Plan-Konzept der Universität von Cambridge wurde von Wissenschaftlern aus Singapur für die Identifikation und Auswahl neu aufkommender Technologien erweitert. Aufgrund der spezifischen Bedürfnisse von KMU dehnten die Forscher den Technolo- gie-Fokus zu Gunsten einer breiteren Sichtweise auf Probleme des Business Deve- lopment aus (z.B. Recruitment, Supply-Chain-Management). Um den Zeitaufwand des Top-Managements zu reduzieren, wurde außerdem mit strukturierten Fragebögen ge- arbeitet und verstärkt auf externe Experten zurückgegriffen. Die Autoren schlagen ein modulares fünfstufiges Konzept vor, das die Analyse von Unternehmen, Produkten, 147 Vgl. Mills & Weinstein 1996:83. 148 Vgl. Kappel 2001:40. 149 Vgl. Walsh 2004:168. 150 Vgl. Kostoff & Schaller 2001:132. 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 39 Märkten und Technologien sowie das Zeichnen von Roadmaps umfasst.151 Die von den Wissenschaftlern angewendete Vorgehensweise ist sehr strukturiert und wird nach Aussage der Autoren von den untersuchten KMU akzeptiert. Allerdings finden sich nur wenige Hinweise auf Probleme und Potenziale bei der konkreten Anwendung im Un- ternehmen. Insbesondere bleibt unklar, ob mit dem Ansatz die Identifikation und Aus- wahl neuer Technologien möglich ist oder ob der Fokus eigentlich auf vorhandenen Technologien der Firmen liegt, wie es die Fixierung auf Märkte und Produkte nahelegt. Auf Basis einer Fallanalyse von zwei großen öffentlichen Forschungsprojekten in Ko- rea stellen Song, Lee, Lee und Chung einen Management-Ansatz vor, um die Unsi- cherheit in frühen Projektphasen zu reduzieren. Die Autoren adressieren weniger die methodische Weiterentwicklung des von ihnen genutzten Roadmapping, sondern vor allem die kritischen Erfolgfaktoren der Planung hochkomplexer Entwicklungsprojekte für wirklich neue Technologien. Diese Faktoren umfassen das Planungsumfeld (z.B. Budget, Zeit, Know-how über Tools), die Unterstützung durch die Organisation (z.B. die Einbeziehung von Top-Management und Externen, die Benennung von Prozess- Ownern), die Zielorientierung (z.B. zielorientierte Planung, Zielkonsistenz), den Wis- sensaustausch (z.B. Visionen, Prozess-Know-how) sowie die verfügbare technologi- sche Erfahrung (z.B. grundlegende und verwandte Technologien).152 Insgesamt be- trachten die Autoren die Planung als zentrale Aufgabe, um hochkomplexe langfristige Projekte erfolgreich durchzuführen. Aus diesem Grund sollten Organisationen erhebli- che Ressourcen in die Projektplanung investieren. Hervorzuheben ist weiterhin, dass ein umfangreiches Set von Erfolgsfaktoren identifiziert wird. Allerdings unterlassen es die Autoren, einen Leitfaden für die Umsetzung dieser Erfolgsfaktoren in konkreten Projekten aufzustellen. Dies erschwert den Transfer der Ergebnisse in die Praxis der Projektplanung. Kostoff, Boylan und Simons entwickeln einen zweistufigen Prozess für das Identifikati- on und Entwicklung disruptiver Technologien. Mittels Publikationsanalysen bestimmen die Autoren Technologien, die das Potenzial aufweisen, eine bestehende Industrie zu verändern. Die Recherche findet auf Basis einer technologisch zu adressierenden Problemstellung statt.153 Ein heterogenes Team entwirft anschließend Roadmaps für verschiedene technologische Alternativen. Die Roadmaps umfassen die Ebenen „For- schung", „Entwicklung", „Fähigkeiten" und „Bedarf".154 Hervorzuheben ist an diesem Ansatz, dass die Autoren auf die Heterogenität der Teamzusammensetzung als Er- 151 Vgl. Holmes & Ferrill 2005:352f. 152 Vgl. Song, Lee, Lee & Chung 2007:247. 153 Vgl. Kostoff, Boylan & Simons 2004:146f. 154 Vgl. Kostoff, Boylan & Simons 2004:147ff. 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 40 folgsfaktor hinweisen und verschiedene Technologien simultan betrachten. Zudem betonen sie die Bedeutung der Visualisierung der Projektergebnisse bei der Konsens- findung. Allerdings bleibt unklar, ob der Roadmapping-Ansatz bereits in konkreten Pro- jekten genutzt wird und welche Erfahrung mit seiner Anwendung gemacht wurde. Wei- terhin scheint lediglich der Text-Mining-Schritt und nicht der Roadmapping-Schritt die Dynamik neuer Technologiepfade zu adressieren. Für das Roadmapping der Mikrosystem-Industrie wurde im Zeitraum 1998 bis 2002 ein neuer Vorausschau-Ansatz entwickelt. Dieser sollte dem disruptiven Charakter der Technologie besser Rechnung tragen als zuvor erprobte Methoden. Die Auslöser die- ser methodischen Neuentwicklung bildeten das Scheitern einer einfachen Kombination bestehender Roadmaps aus Forschung und Industrie sowie Probleme mit der stark formalisierten Vorgehensweise des traditionellen Roadmapping.155 Insbesondere konn- ten sich die Beteiligten nicht im Konsens auf Produkte und Technologietreiber verstän- digen.156 Der neue Ansatz lässt Raum für verschiedene technologische Trajektorien mit unterschiedlichen Leistungsparametern und mehreren potenziellen Anwendungen. Die Roadmap basiert auf dem Gedanken schneller „Probe-and-Learn"-Prozesse, die eine zügige Auswahl erfolgreicher Technologielinien ermöglichen.157 Herauszustellen ist die Flexibilität dieses Ansatzes für die simultane Abbildung zahlreicher Entwicklungen. Problematisch ist das zugrunde liegende lineare Innovationsverständnis, das komplexe Entwicklungszusammenhänge möglicherweise unzureichend vereinfacht. Ausgehend von dem Problem des Fehlens definierter Zielpunkte der Technologieent- wicklung in der frühen Innovationsphase entwickeln Rip und Propp das „Open-ended Roadmapping". Ziel des Ansatzes ist es, sowohl eine Richtung für konkrete Entwick- lungsentscheidungen bereitzustellen als auch Flexibilität mit Sicht auf später zu tref- fende Entscheidungen zu bewahren.158 Die Lösung sehen die Autoren in dem Bereit- stellen „geplanter Flexibilität", bei der sowohl frühzeitig kritische Projektbereiche (z.B. Prozesstechnologien, Regulierung) als auch Strategien für die Reaktion auf Entwick- lungen in diesen Bereichen definiert werden. Rip und Propp schlagen vor, alternative Entwicklungspfade aufzuzeigen und Anzeichen für eine Stabilisierung einzelner Pfade kontinuierlich zu ermitteln.159 Das Potenzial dieses Ansatzes liegt in dem Rückgriff auf empirische Erkenntnisse über die frühen Phasen des Innovationsprozesses und in dem expliziten Adressieren dieser Phasen durch geeignete Handlungsstrategien. Fraglich 155 Vgl. Walsh 2004:170ff. 156 Vgl. Walsh 2004:172. 157 Vgl. Walsh 2004:177. 158 Vgl. Rip & Propp 2005. 159 Vgl. Rip & Propp 2005. 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 41 ist allerdings, ob die beteiligten Akteure die Komplexität einer Vielzahl möglicher Ent- wicklungspfade sowie die zu bedenkenden Reaktionsstrategien handhaben können. Eine Integration von Szenarien in das Roadmapping für Situationen mit hoher Unsi- cherheit findet sich bei Strauss und Radnor. Die Autoren entwickeln auf Basis ihrer Erfahrungen in Unternehmen einen iterativen Prozess, der sich in insgesamt 15 Schrit- te unterteilt und zahlreiche Einflussfaktoren der Technologieentwicklung umfasst. Um der Unsicherheit im Unternehmensumfeld Rechnung zu tragen, schlagen sie vor, ein System von unterschiedlichen Entscheidungspunkten zu entwickeln. Bei „Flex points“, sollte eine Anpassung der Strategie erfolgen. Bei „Forks“ sollte ein Wechsel der Stra- tegie durchgeführt werden. „Checkpoints“ sollten an definierten Zeitpunkten oder nach Eintreten kritischer Ereignisse eine erneute Beurteilung der Situation auslösen. Für die Durchführung des Roadmapping und der Szenarienerstellung wird eine unveränderte Teamzusammensetzung empfohlen, um den Wissensfluss zwischen den Methoden herzustellen.160 Positiv sind insbesondere der antizipative Charakter und das Denken in alternativen Strategien. Die Vielzahl zu berücksichtigender Einflussfaktoren ermöglicht außerdem einen umfassenden Ansatz. Allerdings könnte es schwierig sein, die vorge- schlagenen 15 Schritte als unternehmensinternen Prozess zu definieren und dieses Vorgehen im Unternehmensalltag konsequent anzuwenden. Die Veröffentlichung erhält keine Hinweise darauf, ob Unternehmen den Ansatz bereits erfolgreich angewendet haben. Dem Roadmapping sehr ähnlich ist der bereits 1989 von Danila vorgestellte Ansatz des „Support Graph". Ziel diese Planungsmethode ist es, Projekte in sich schnell ver- ändernden Umfeldern zu formulieren. Zu diesem Zweck werden „Ziele", „Aktivitäten" und „Ressourcen" in einen hierarchischen Zusammenhang gebracht. An der Spitze stehen die Ziele, aus denen notwendige Aktivitäten abgeleitet werden. Den einzelnen Aktivitäten werden benötigte Ressourcen zugeordnet. Der Autor unterschiedet drei Vorgehensweisen, um den Support Graph zu erstellen: von Seiten der Ziele („Top- Down"), von Seiten der Aktivitäten („Bottom-Up") oder von beiden Seiten her kom- mend.161 Der Prozess der Erstellung soll zu einem Konsens zwischen den Teilnehmern führen, notwendige Aktivitäten identifizieren und Veränderungen im Unternehmen an- stoßen.162 Der Ansatz wurde in über 200 Projekten erfolgreich angewendet und hat sich ebenfalls für die Kontrolle der Projektdurchführung bewährt. Problematisch er- 160 Vgl. Strauss & Radnor 2004:55ff. 161 Vgl. Danila 1989:275ff. 162 Vgl. Danila 1989:279ff. 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 42 scheint die starre Formulierung der Hierarchie, da in den frühen Projektphasen in der Regel nicht alle zukünftigen Aktivitäten zuverlässig zu ermitteln sind. 2.2.6 New Business Development Weitere Ansätze für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade finden sich im Umfeld der Literatur über Corporate Venturing oder bei der Forschung zu Unter- nehmensstrategien im engeren Sinne wie beispielsweise im Rahmen des Resource Based View. Dabei werden auch empirische Untersuchungen der Strategiebildung be- rücksichtigt, sofern sie konkrete Konzepte für die Entwicklung von Strategien bei neu aufkommenden Technologiepfaden enthalten. Der Abschnitt erfasst folgende Artikel: • Bower & Christensen 1995; Christensen & Overdorf 2004, • Chiesa & Manzini 1998, • O'Brien & Fadem 1999, • Sainio & Puulmalainen 2004, • Rice, Kelley, Peters & O'Connor 2001. Die Reihenfolge der Diskussion richtet sich nach der thematischen Nähe der Ansätze. Die Besprechung aufeinander aufbauender Anätze erfolgt zusammen. Verschiedene Möglichkeiten, Unternehmen auf disruptive Technologien vorzubereiten, wurden von Wissenschaftlern um Clayton Christensen vorgestellt. Das im Folgenden beschriebene Vorgehen für die erfolgreiche Kommerzialisierung disruptiver Technolo- gien findet sich in einem Artikel von Christensen und Bower. Danach sollten Manager zuerst gemeinsam mit Experten definieren, ob es sich tatsächlich um eine disruptive Technologie handelt und ob diese von strategischer Relevanz für das Unternehmen sein könnte. Anschließend sollten frühe Märkte für die Technologie definiert werden. Nach der erfolgreichen Durchführung dieser ersten Schritte, sollte anschließend die Gründung eines neuen Unternehmens erfolgen. Ziel der Neugründung ist die Entwick- lung und Kommerzialisierung einer Technologie abseits starrer Strukturen der beste- henden Organisation.163 Dieses Vorgehen wird durch die Beobachtung gestützt, dass die Ressourcen eines Unternehmens am leichtesten an disruptive Technologien ange- passt werden können. Strukturen und Unternehmenskulturen lassen sich deutlich schwieriger verändern.164 Problematisch an dem vorgestellten Konzept ist der Mangel an analytischen Instrumenten, um die Charakteristika von Technologien sowie den Standpunkt des Unternehmens systematisch zu erfassen. Die vorgestellten Ansätze 163 Vgl. Bower & Christensen 1995:49ff. 164 Vgl. Christensen & Overdorf 2004:546. Diese Annahme erscheint insbesondere deshalb rele- vant, da Manager disruptiven Wandel häufig frühzeitig erkennen, aber ihre Organisationen nicht entsprechend dieses Wandels ausrichten. 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 43 basieren vor allem auf den Erfahrungen der Wissenschaftler. Der Transfer dieses Er- fahrungswissens in Unternehmen erscheint jedoch ohne weitere Konkretisierung nur begrenzt möglich. Auf Basis einer empirischen Untersuchung in drei großen Unternehmen formulieren Chiesa und Manzini eine Vorgehensweise für die Erarbeitung von Technologiestrate- gien in hochdynamischen Umfeldern. Dabei erfolgt zunächst ein Abgleich mit dem un- ternehmensstrategischen Rahmen. Anschließend finden eine unternehmensinterne und -externe Analyse statt, die zu der Identifikation einer einzigartigen Kombination zukünftiger technologischer Kompetenzen führen.165 Für den Aufbau dieser Kompeten- zen unterscheiden die Autoren fünf Strategien: die Vertiefung, die Erweiterung, die Ergänzung, die Erneuerung und die Zerstörung von Kompetenz. Nach Ansicht von Chiesa und Manzini sollten Unternehmen diese Strategien in aufeinander aufbauenden Zyklen, die von der Stufe der Technologieentwicklung abhängen, verfolgen. Beispiels- weise sollten die vorhandenen Kompetenzen ergänzt werden, wenn sich neue Anwen- dungsmöglichkeiten der Technologie ergeben. Macht der technologische Fortschritt Kompetenzen obsolet, sind diese gezielt abzubauen („Zerstören").166 Somit kann eine flexible Anpassung der verfolgten Strategie erfolgen, die auf Veränderungen der Tech- nologie reagiert. Positiv ist weiterhin das Entwerfen eines Zukunftsbildes für das Unter- nehmen („zukünftige Kompetenz"), um konkrete Zielpunkte zu definieren. Hierdurch kann innerhalb des Unternehmens das Committment für eine Strategie gesteigert wer- den. Bei Dupont wird ein dreigliedriger Ansatz für die Identifikation von neuen Geschäftsfel- dern verwendet. Dieser stützt sich im ersten Schritt auf langfristige Makro-Trends, wie beispielsweise Gesundheit, Sicherheit, Services oder den Bedarf an Infrastrukturen. Diesen Trends stellt das Unternehmen im zweiten Schritt technologische Entwicklun- gen gegenüber, wie beispielsweise die Entwicklung neuer Materialien, die Informati- ons- und Kommunikationstechnologie oder die Gesundheitsforschung.167 An der Schnittstelle dieser Trends verortet Dupont im dritten Schritt interessante Märkte, die anhand unterschiedlicher Kriterien bewertet werden. Die Bewertungskriterien umfassen vorhandene Kompetenzen, erzielbare Marktvolumina, Wettbewerbsituationen, benötig- te Ressourcen oder den Zeitraum bis zu einer Erschließung der Märkte.168 Insgesamt spielen die unternehmensinternen Faktoren eine erhebliche Rolle bei dieser Bewer- tung. Der Prozess erfolgt sehr offen und kreativ, so dass die Teilnehmer eine Vielzahl 165 Vgl. Chiesa & Manzini 1998:116. 166 Vgl. Chiesa & Manzini 1998:118ff. 167 Vgl. O'Brien & Fadem 1999:16f. 168 Vgl. O'Brien & Fadem 1999:18. 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 44 potenziell relevanter Märkte sowie neuer Technologiebedarfe identifizieren können. Allerdings ist das Vorgehen insgesamt wenig strukturiert, beispielsweise mit Sicht auf die Evaluation der Märkte und Technologiefelder. Einen ursprünglich nicht für die Vorausschau und Planung entwickelten, auf Checklis- ten basierenden Ansatz für die Evaluation disruptiver Technologien, stellen Sainio und Puumalainen vor. Am Beispiel unterschiedlicher Technologien untersuchen die Autoren das spezifische Potenzial für Disruptionen.169 Als Hauptkriterien legen sie die strategi- sche Bedeutung der Technologien für ein Unternehmen sowie das Ausmaß möglicher Veränderungen auf der Branchenebene zugrunde. Um diese Kriterien detailliert abzu- prüfen, stellen sie einen Katalog von Fragen bereit, der unter anderem Veränderungen des Kundenverhaltens, technologische Unsicherheit, Kannibalisierungseffekte, Pfad- abhängigkeiten und bestehende Kompetenzen umfasst.170 Zentrales Ergebnis ihrer Untersuchung ist, dass Unternehmen die Möglichkeiten disruptiver Technologien früh- zeitig erkennen, aber keine entsprechende Anpassung ihrer Strategien und Ge- schäftsmodelle vornehmen.171 Auch wenn dieser Ansatz nicht für die Vorausschau entwickelt wurde, können die verwendeten Kriterien Hinweise auf die Evaluation neu aufkommender Technologien bieten. Rice, Kelley, Peters und O'Connor adressieren den Informationsfluss von Wissen- schaftlern, die neue technologische Möglichkeiten als erste innerhalb eines Unterneh- mens identifizieren, an die Management-Ebene. Aufbauend auf einer Studie von acht radikalen Innovationsprojekten entwickeln sie Checklisten, die es Forschern erleichtern sollen, Ideen für die Kommerzialisierung neuer Technologien an das Management ei- nes Unternehmens zu kommunizieren.172 Die Autoren beschreiben die Verbindung von Technologie und Organisation als zentrale Herausforderung in diesem Prozess. Die Checklisten umfassen daher drei Bereiche, mit denen diese Verbindung potenziell her- gestellt werden kann: technologische Themen (z.B. neue Funktionen, Einsparungen, neue Kompetenzen), Themen aus dem Umfeld von Märkten (z.B. innovative Anwen- dungen, mögliche Demonstratoren) und Strategiethemen (z.B. Verbindungen zum Kerngeschäft und zu Unternehmensvisionen). Der Ansatz adressiert damit eine Prob- lemstellung, die häufig vernachlässigt wird, nämlich die Kommunikations- und Ent- scheidungsstrukturen innerhalb von Firmen. Für die frühzeitige Etablierung von Tech- nologien in Unternehmen scheint das Aufgreifen dieser Problembereich jedoch zentral. 169 Vgl. Sainio & Puumalainen 2007:3f. 170 Vgl. Sainio & Puumalainen 2007:4. 171 Vgl. Sainio & Puumalainen 2007:17. 172 Vgl. Rice, Kelley, Peters & O'Connor 2001:418. 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 45 2.2.7 Technologie-Folgenabschätzung In frühen Phasen der Entwicklung neuer Technologien ist die Einflussnahme auf diese Technologie relativ gut möglich, allerdings sind die negativen ökologischen und sozia- len Auswirkungen in der Regel nur eingeschränkt abzuschätzen. Ausgehend von die- sem als Collingridge-Dilemma bekannten Zusammenhang wurden verschiedene An- sätze für die Bestimmung von Technikfolgen und die Beeinflussung neuer Technolo- giepfade entwickelt. Im diese Abschnitt werden die folgenden Ansätze vorgestellt und ihre Potenziale für die Vorausschau und Planung neuer technologischer Pfade disku- tiert: • Dewick, Grenn & Miozzo 2004, • Fleischer, Decker & Fiedeler 2005, • Mettler & Baumgartner 1998, • van Merkerk & Smits 1990. Die Reihenfolge der Diskussion richtet sich wie oben nach ihrer thematischen Nähe. Die Besprechung aufeinander aufbauender Anätze erfolgt zusammen. Auf Basis der Theorie langer Wellen stellen Dewick, Green und Miozzo einen Ansatz auf, mit dem die langfristigen Umweltwirkungen von Basistechnologien („Pervasive Technologies"), wie beispielsweise der Nano-, Bio- und Informationstechnologie be- stimmt werden können. Dabei nehmen die Autoren eine sektorspezifische Betrachtung der Technologiefolgen vor. Grundannahme ist, dass die Verbreitung einer Basistechno- logie in einer bestimmten Industrie zu einer Veränderung der Inputs anderer Industrien in diese Industrie führt.173 Für die Prognose der Emissionswirkungen der drei oben ge- nannten Technologien legen die Autoren die Input-Output-Strukur des Cambridge Eco- nometrics E3MG-Modells174 zugrunde. Sie kommen zu dem Schluss, dass weltweite Emissionen durch die neuen Technologien reduziert werden können. Der Ansatz bringt eine wesentliche Perspektive in die Vorausschau und Planung ein: mit einer wachsen- den Bedeutung von Umwelttechnologien wird eine frühzeitige Bewertung der Umwelt- wirkungen neu aufkommender Technologien zunehmend relevant. Aufgrund der mögli- chen Veränderungen innerhalb von Industriestrukturen ist eine Bewertung langfristiger Technologiewirkungen auf Basis starrer Input-Output-Modelle jedoch problematisch. Zudem können die Einflüsse einer Technologie auf weitere Branchen nur schwierig abgeschätzt werden. 173 Vgl. Dewick, Grenn & Miozzo 2004:275. 174 Das E3MG-Modell ist ein nach Sektoren gegliedertes ökonometrisches Modell auf einer weltwei- ten Basis. Es wird beispielsweise genutzt, um die langfristigen Wirkungen klimapolitischer Maß- nahmen zu bestimmen. 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 46 Am Beispiel der Nanotechnologie stellen Fleischer, Dekker und Fiedeler eine Erweite- rung klassischer Ansätze der Technologie-Folgenabschätzung vor. Grundproblematik herkömmlicher Ansätze bei dem Aufkommen neuer Technologien ist das Fehlen von Produkten, an denen der Diskurs über mögliche Technikfolgen geführt werden kann. Die Autoren schlagen daher vor, Visionen aus öffentlich verfügbaren Roadmaps abzu- leiten und die Implikationen einzelner Visionen gemeinsam mit zukünftigen Stakehol- dern zu diskutieren.175 Durch dieses Vorgehen gelingt der Transfer eines Diskurses über Produkte in einen Diskurs über Visionen. Dieser Wechsel des Bezugsobjekts er- öffnet die Möglichkeit einer Kommunikation mit unterschiedlichen Stakeholdergruppen. Die Potenziale dieser Interaktion können Unternehmen für die Gestaltung neuer Tech- nologien nutzen. Offen bleibt allerdings, inwiefern der Ansatz tatsächlich funktioniert und wie die Vielzahl potenziell zu beteiligender Stakeholder identifiziert und ihre Betei- ligung koordiniert werden kann. Im Rahmen des Projekts PARTIZIPP der Nordrhein-Westfälischen Landesregierung wurde die Möglichkeit einer Beeinflussung neu aufkommender Technologien durch „einfache Bürger"176 geprüft. Zufällig ausgewählte Teilnehmer, die ausnahmslos keine Vorausschau-Experten waren, entwickelten Szenarien mit einem Zeithorizont von über 20 Jahren. Anschließend untersuchten die Beteiligten in mehreren Gruppen die Rolle der Mikroelektronik in diesen Szenarien. Ziel des Projekts war es, auf Basis der Analy- sen konkrete Schritte für politisches Handeln vorzuschlagen, um die Akzeptanz der Technologie zu steigern.177 Allerdings stellte sich heraus, dass es den beteiligten Per- sonen nur sehr eingeschränkt gelang, sich mögliche Wirkungen neuer Technologien vorzustellen. Aufgrund der Vorprägung durch Berichte aus den Medien fiel es den Teil- nehmern insgesamt sehr schwer, sich alternative Zukünfte vorzustellen.178 Durch die neue Technologie ausgelöste Veränderungen wurden außerdem überwiegend als ne- gativ angesehen. Der Ansatz zeigt zum einen den Bedarf einer frühzeitigen Kommuni- kation mit Endnutzern, da in dieser Gruppe eine erhebliche Skepsis gegenüber neuen Technologien bestehen kann. Zum anderen verdeutlicht das Ergebnis die Bedeutung von durch die Medien kommunizierten Zukunftsvisionen. Ein dreistufiger Ansatz für das Verbessern der sozialen Verankerung neuer Technolo- gien wird von van Merkerk und Smits vorgestellt. In einem ersten Schritt erhalten die Projektteilnehmer, die Experten im Umfeld der Lap-on-a-chip-Technologie sind, Infor- 175 Vgl. Fleischer, Decker & Fiedeler 2005:1113ff. 176 Im Original wird die Bezeichnung „Ordinary People" verwendet (vgl. Mettler & Baumeister 1998:536). 177 Vgl. Mettler & Baumgartner 1998:538ff. 178 Vgl. Mettler & Baumgartner 1998:545. 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 47 mationen über mögliche Technikfolgen. Anschließend erstellen die Teilnehmer Szena- rien über die zukünftige Technologienutzung in Workshops und evaluieren diese in einem dritten Schritt vor dem Hintergrund möglicher negativer Auswirkungen.179 Ein Fokus des Ansatzes ist das Vermitteln von Mustern sozio-technischer Entwicklungen, um den Teilnehmern die Konsequenzen von und Einflussmöglichkeiten auf neue Technologien zu verdeutlichen. Die Autoren machen den Erfolg ihres Vorgehens an der Entstehung neuen Wissens bei den Teilnehmern sowie an der Verbreiterung ihrer Perspektiven fest.180 Die Potenziale des Ansatzes liegen in der sehr umfassenden Vor- gehensweise, die eine ganzheitliche Vorausschau und Planung ermöglicht. Problema- tisch ist der hohe Zeitaufwand durch die Berücksichtigung einer Vielzahl von Akteuren und Einflussfaktoren sowie das „Vorgeben“ möglicher Technikfolgen im ersten Schritt. Letzteres kann gegebenenfalls eine kritische Auseinandersetzung der Teilnehmer mit weiteren negativen Konsequenzen der Technologienutzung erschweren. Das Vorge- hen gibt Unternehmen die Chance, Technologiefolgen frühzeitig in ihre Forschungs- und Entwicklungsabteilungen zu transferieren. 2.2.8 Sonstige Ansätze In diesem Abschnitt werden Ansätze diskutiert, die sich keiner der vorangegangenen Kategorien eindeutig zuordnen lassen. Dies trifft auf verschiedene Ansätze, die aus- schließlich Elemente anderer Methoden kombinieren, oder auf Konzepte, die sich auf keine der zuvor diskutierten methodischen Richtungen beziehen, zu. Der Abschnitt umfasst die folgenden Publikationen: • Slaughter 1990; Nanus 1982, • Mendonça, Pina e Cunha, Kaivo-oja & Ruff 2004, • Moncada-Paternò-Castello, Rojo, Bellido, Fiore & Tübke 2003; • Camillus & Datta 1991, • de Neufville 2000; • Schwery & Raurich 2004, • Iansiti 1995, • Seidel 2007; • Schröder & Jetter 2003, • Ortt, Langley & Pals 2007; Füller & Matzler 2007, • Kets, Burger & de Zoeten-Dartenset 2003, • Molani 1999, • Hall & Martin 2005, • Wolsterholme 2003, • Kassicieh & Rahal 2007, • Clark, Booth, Rowlinson, Procter & Delahaye 2007. 179 Vgl. van Merkerk & Smits 2007:6. 180 Vgl. van Merkerk & Smits 2007:19. 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 48 Die Reihenfolge richtet sich wie in den vorangegangenen Abschnitten nach der jeweili- gen thematischen Nähe. Aufeinander aufbauende Anätze werden zusammen disku- tiert. Der von Nanus vorgestellte und durch Slaughter erweiterte QUEST-Ansatz181 soll Or- ganisationen eine effiziente und effektive Möglichkeit bieten, mit hoher Unsicherheit in ihrem Umfeld umzugehen. Er baut auf einem fünfstufigen Prozess auf, um ein transpa- rentes und gut strukturiertes Vorgehen zu ermöglichen.182 Die einzelnen Schritte um- fassen die Vorbereitung, einen Scanning-Workshop, einen Zwischenbericht, einen Strategic-Options-Workshop und weiterführende Arbeiten. In diesem Prozess wird eine Vielzahl von Einflussfaktoren innerhalb und außerhalb des Unternehmens analysiert. Ein Fokus liegt auf der Antizipation möglicher Entwicklungen dieser Faktoren.183 Der Ansatz gibt verschiedene Hinweise für die Ausgestaltung von Vorausschau-Projekten. Eine optimale Teamstärke von ca. zehn Personen sollte nach Aussage der Autoren nicht überschritten werden. Des Weiteren wird vorgeschlagen, Entscheidungsträger möglichst frühzeitig einzubinden. Um eine kritische Reflexion der Ergebnisse zu er- möglichen, sollte das Projekt über einen längeren Zeitraum durchgeführt werden.184 Problematisch sind die fehlende Verknüpfung zu quantitativen Methoden und Daten- bankanalysen sowie die Einmaligkeit des Prozesses. Ein ähnliches Vorgehen schlagen Mendonça, Pina e Cunha, Kaivo-oja und Ruff vor. Ziel ihres Ansatzes ist es, Handlungsleitlinien für Organisationen in Situationen mit hoher Umfelddynamik zu entwickeln. Zu diesem Zweck werden zuerst schwache Sig- nale im Umfeld detektiert und Wilds Cards185 in der Organisation debattiert. Um eine strukturierte Diskussion zu ermöglichen, schlagen die Autoren eine Matrix aus Wild- Card-Typen (z.B. Technologie, Politik) und Wahrscheinlichkeitsgraden (z.B. „undenk- bar", „wahrscheinlich") vor. Zusätzlich nutzen sie ein Schema, mit dem die Wirkung der Wild Cards klassifiziert werden kann (z.B. „Dead End", „Slow Dead End").186 Der zweite Schritt zielt auf den Aufbau organisationaler Fähigkeiten für das Improvisieren in sich schnell verändernden Situationen. Zu diesem Zweck sind vor allem Leitlinien zu formu- lieren, die in einer dynamischen und komplexen Situation Entwicklungsrichtungen vor- geben können und gleichzeitig Handlungsflexibilität ermöglichen.187 Positiv ist an die- sem Ansatz der Transfer von Kenntnissen über antizipierte Entwicklungen in konkrete 181 QUEST= Quick Environmental Scanning Technique. 182 Vgl. Slaughter 1990:155f.; Nanus 1982:40f. 183 Vgl. Slaughter 1990:156ff. 184 Vgl. Slaughter 2004:156. 185 Wild Cards bezeichnen unerwartete Ereignisse. 186 Vgl. Mendonça, Pina e Cunha, Kaivo-oja & Ruff 2004:205ff. 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 49 Handlungsleitlinien. Allerdings treffen die Autoren keine Aussage darüber, ob der von ihnen entwickelte Ansatz in der Praxis erfolgreich angewendet wurde. Außerdem rekur- riert das Konzept ausschließlich auf qualitative Informationen, ohne dass eine Verbin- dung zu in Datenbanken verfügbaren Informationen hergestellt wird. An dem Institute for Prospective Technological Studies des Joint Research Centres der Europäischen Kommission (JRC-IPTS) wird ein Vorausschau- und Planungsansatz genutzt, der sämtliche Phasen des Innovationsprozesses abdeckt.188 Das Vorgehen umfasst drei Schritte. Es beginnt mit der Identifikation und Bewertung von Technolo- gien. Hierbei kommen neben Datenbank- und Trendanalysen auch Scoring-Modelle zum Einsatz. Der zweite Schritt setzt sich aus einer Herausarbeitung potenzieller Märk- te, einer Bestimmung des Marktpotenzials und einer Zusammenarbeit mit Pilotunter- nehmen zusammen. Dabei wird auch das Funktionsspektrum der Technologie definiert und mit denen anderer Technologien verglichen. Der dritte Schritt besteht aus einem Transfermodul, in dem mit Unternehmen über Lizenzen und oder andere geeignete Transferinstrumente verhandelt wird.189 Der Ansatz adressiert den gesamten Innovati- onsprozess, so dass ein kontinuierlicher Wissenstransfer zwischen den Beteiligten erfolgen kann. Positiv ist weiterhin, dass die Autoren einzelne Aussagen über die in den Phasen zu beteiligenden Personen treffen. Des Weiteren finden sich in der Veröf- fentlichung zahlreiche „Lessons Learned", die für Unternehmen und öffentliche Organi- sationen relevant sein können. Problematisch ist der starke Fokus auf Marktanalysen, vor allem wenn es sich um Technologien in sehr frühen Entwicklungsstadien handelt. Camillus und Datta entwickeln einen Management-Ansatz für sich schnell verändernde Umfelder auf Basis von Überlegungen aus der strategischen Planung und dem strate- gischen Issue-Management. Ziel ist es, den Mangel an Flexibilität in der strategischen Planung auf der einen und den Mangel bei der Motivation und Visionsbildung im Issue- Management auf der anderen Seite durch eine Kombination beider Ansätze auszuglei- chen.190 Die Autoren schlagen einen parallelen Prozess von Issue-Management und strategischer Planung vor, um das Umfeld kontinuierlich zu überwachen und gegebe- nenfalls eine Anpassung strategischer Stoßrichtungen vorzunehmen. Beide „Äste" die- ses Prozesses sind durch intensive Interaktionen und Rückkopplungen verbunden. Um das Vorgehen an die technologische Situation anzupassen, definieren die Autoren zu- sätzlich drei verschiedene Arten von Issues, die sich in Bezug auf die durch sie ausge- lösten Veränderungen unterscheiden. Je schwerwiegender die potenziellen Verände- 187 Vgl. Mendonça, Pina e Cunha, Kaivo-oja & Ruff 2004:210ff. 188 Vgl. Moncada-Paternò-Castello, Rojo, Bellido, Fiore & Tübke 2003:656f. 189 Vgl. Moncada-Paternò-Castello, Rojo, Bellido, Fiore & Tübke 2003:657ff 190 Vgl. Camillus & Datta 1991:67f. 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 50 rungen sind, umso zeitintensiver und umfassender sollte das Issue-Management erfol- gen.191 Durch die verschiedenen Varianten können die im Unternehmen verfügbaren Zeitressourcen effizient eingesetzt werden. Außerdem stellt der Ansatz eine ständige Interaktion zwischen der „normalen" Planung und der Planung für neue Themen her, so dass beide Aktivitäten nicht isoliert voneinander erfolgen. Problematisch ist der An- satz jedoch mit Sicht auf den Transfer der Ergebnisse der Planung in die Umsetzung. Diesen Aspekt lassen die Autoren weitgehend unberücksichtigt. De Neufville stellt einen systemanalytischen Ansatz für die Planung neuer Technolo- gien vor, um die Vielzahl benötigter Kompetenzen bei der Einführung großer technolo- gischer Systeme zu integrieren. In seinem Ansatz kombiniert er verschiedene Metho- den, wie beispielsweise Modellierungen, Entscheidungsanalysen, Sensitivitätsanaly- sen, Optimierungsrechnungen, Realoptionen oder Entscheidungsbäume,192 um techno- logische, wissenschaftliche, wirtschaftliche und politische Informationen aufzunehmen. Der Ansatz reicht von der Analyse über die Formulierung strategischer Programme bis zur Umsetzung von Projekten.193 Dieses ganzheitliche Konzept stellt einen bestmögli- chen Informationsfluss zwischen den einzelnen Phasen und Personen sicher. Des Weiteren wird eine Vielzahl von Faktoren bei der Vorausschau und Planung berück- sichtigt. Allerdings ist dieses umfangreiche Vorgehen nur eingeschränkt für Unterneh- men geeignet, da der Ansatz sehr zeitaufwendig erscheint und eine gute Kenntnis ver- schiedener Methoden erforderlich ist. Einen Ansatz für die Implementierung einer radikalen technologischen Innovation in einer durch inkrementelle Fortschritte geprägten Industrie stellen Schwery und Raurich vor. Um Problemstellungen der Technologieumsetzung frühzeitig und systematisch zu erfassen, kombinieren die Autoren SWOT-Analysen mit Potenzialanalysen und Road- maps.194 Mit dem Ziel, zusätzlich die hohe Unsicherheit des Umfelds bei der Analyse zu berücksichtigen, bewerten sie die Technologie durch den Realoptionsansatz. Für das Finden alternativer technologischer Lösungsmöglichkeiten wenden sie außerdem die TRIZ-Methode an.195 Positiv ist an diesem Ansatz, dass er bereits erfolgreich im Unternehmenskontext angewendet wurde und eine umfangreiche Dokumentation der Anwendung vorliegt. Allerdings ist fraglich, ob das Vorgehen tatsächlich der Dynamik neuer Felder gerecht wird, da beispielsweise nur klassische, starre Roadmaps entwi- ckelt werden. Vor allem scheinen Schwery und Raurich die Bedeutung von Flexibilität 191 Vgl. Camillus & Datta 1991:70ff. 192 Vgl. de Neufville 2000:232ff. 193 Vgl. de Neufville 2000:240. 194 Vgl. Schwerny & Raurich 2004:543ff. 195 Vgl. Schwerny & Raurich 2004:547. 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 51 in sich schnell wandelnden Umfeldern zu vernachlässigen. Unklar bleibt zudem, warum die Autoren genau diese Methodenkombination in der angegebenen Reihenfolge an- wenden. Auf Basis einer Untersuchung von 27 Produktentwicklungsprojekten in der Computer- und Hardwareindustrie stellt Iansiti einen Prozess vor, um Produkte in sich schnell ver- ändernden Umfeldern zu entwickeln. Obwohl dieser Ansatz stark auf das Projektma- nagement ausgerichtet ist, behandelt er relevante Aspekte für die Vorausschau und Planung. Die Grundidee des Ansatzes besteht in der Gestaltung eines Prozesses, in dem sich die Phasen der Konzeptentwicklung und der Implementierung überschnei- den. Diese Prozessauffassung steht im Gegensatz zum herkömmlichen „Concept Freeze" vor der Umsetzung eines Produkts.196 Den Bereich der Überlappung beider Phasen bezeichnet Iansiti als „Window-of-Opportunity", in dem das Unternehmen flexi- bel auf neue Entwicklungen des Umfelds und neue Erfahrungen reagieren kann.197 Der Autor schlägt vor, eine systemische Sicht auf Produkte und Prozesse einzunehmen und signifikant höhere Ressourcen in die Phase vor dem Festsetzen eines Konzepts zu investieren.198 Das Potenzial dieses Ansatzes liegt in einem neuen Verständnis der Vorausschau und Planung, die nicht mit dem Beginn der Implementierung von Ent- scheidungen abgeschlossen ist, sondern Projekte bis zum erfolgreichen Produktkon- zept begleitet. Offen bleiben Kriterien, an denen ein Unternehmen erkennen kann, wann das endgültige Design fixiert werden sollte, ohne eine verspätete Produkteinfüh- rung zu riskieren. Ein alternatives Vorgehen für die Produktentwicklung in sich schnell wandelnden Um- feldern leitet Seidel nach einer Analyse von mehreren Projekten in Unternehmen ab. Der Autor betont einerseits die Bedeutung von Produktkonzepten für die Richtungsge- bung im Innovationsprozess, weist jedoch andererseits darauf hin, dass sich erfolgrei- che Konzepte in der Regel erst in späteren Innovationsphasen ergeben.199 Um dieses Dilemma aufzulösen, entwickelt er den Ansatz eines „Concept Shift". Der Grundgedan- ke dieses Ansatzes liegt darin, dass sich ein Produktkonzept aus verschiedenen Kom- ponenten zusammensetzt, die im Verlauf der Produktentwicklung einzeln getestet und gegebenenfalls ausgetauscht werden. Jede Komponente ist durch ein spezifisches Vokabular gekennzeichnet, ihm liegt eine „Story" zugrunde und es existieren Kompo- nenten-Prototypen. Durch den Wechsel der Komponenten bei einem konstanten Ge- samtkonzept ist der Entwicklungsprozess durch Kontinuität geprägt und kann gerichtet 196 Vgl. Iansiti 1995:39f. 197 Vgl. Iansiti 1995:40f. 198 Vgl. Iansiti 1995:48f. 199 Vgl. Seidel 2007:524. 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 52 erfolgen. Gleichzeitig kann so die benötigte Anpassung des Produktkonzepts im Pro- zess der Innovation stattfinden.200 Mit dem Ansatz lässt sich ein hohes Maß an Flexibi- lität im Umfeld neuer Technologien erzielen, ohne die beteiligten Mitarbeiter durch permanenten Wandel zu überfordern. Allerdings lassen die Autoren offen, wie – d.h. anhand welcher Kriterien – erkannt werden kann, ob einzelne Komponenten auszutau- schen sind. Ein modulares Vorgehen für die Konzeptentwicklung von neuen Produkten in frühen Innovationsphasen schlagen Schröder und Jetter vor. In dem ersten Modul werden die Rahmenbedingungen der Neuproduktentwicklung aus der Unternehmensstrategie ab- geleitet. Das zweite Model umfasst den Entwurf von „Fuzzy-Cognitive-Maps", mit de- nen Beziehungen und Wechselwirkungen zwischen Produktfunktionalitäten, Kompo- nenten und Kundenbedürfnissen visualisiert werden.201 Das dritte Modul besteht aus der Bewertung neuer Informationen. Es wird kontinuierlich durchgeführt und wirkt zu- rück auf das zweite Modul. Wenn neue relevante Informationen erkannt werden, sind die Beziehungen und Wechselwirkungen der „Fuzzy-Cognitive-Maps" entsprechend anzupassen. Das vierte Modul umfasst sowohl Simulationen auf Basis der visualisier- ten Wechselwirkungen als auch die Entscheidungsfindung für ein Produktkonzept. Als fünftes Modul schließen sich die Produktentwicklung sowie die Erarbeitung von Alter- nativen an. Parallel zu diesen fünf Modulen findet im sechsten Modul die kontinuierli- che Beobachtung des Umfelds statt.202 Die Autoren betonen die Bedeutung der ge- meinsamen Visualisierung der „Maps", um Entwicklungen zu antizipieren und ein ge- teiltes Verständnis innerhalb des Unternehmens aufzubauen. Positiv sind außerdem die laufende Umfeldbeobachtung und die gegebenenfalls resultierende Anpassung der Zusammenhänge von Komponenten, Funktionen und Kundenbedürfnissen. Dieses Vorgehen erscheint mit Sicht auf die hohe Umfelddynamik sinnvoll. Allerdings ist eine Anwendung des Konzepts in Unternehmen nicht dokumentiert. Ausgehend von Ansätzen der Marktforschung entwickeln Ortt, Langley und Pals einen Methodenbaukasten für die Gewinnung von Kunden- und Nutzerinformationen bei Durchbruchsprodukten. Dabei erweitern sie einerseits bestehende Marktforschungsan- sätze um virtueller Produktkonzepte, virtueller Testumgebungen und Bedürfnisbewer- tungen. Andererseits kombinieren sie klassische Marktforschung mit Elementen der Vorausschau, wie beispielsweise Trend- und Szenario-Analysen oder Markt-Struktur- Analysen.203 Das entworfene Konzept ist insbesondere vor dem Hintergrund interes- 200 Vgl. Seidel 2007:530f. 201 Vgl. Schröder & Jetter:2003:532f. 202 Vgl. Schröder & Jetter:2003:531. 203 Vgl. Ortt, Langley & Pals 2007:5ff. 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 53 sant, dass über ein vorgegebenes Set prüfbarer Annahmen (z.B. über das mögliche Auftreten unbekannter Kundengruppen oder neuer Bedürfnisse) eine Methodenaus- wahl getroffen werden kann.204 Allerdings erscheint das Beurteilen dieser Annahmen in der Unternehmenspraxis vor dem Hintergrund hoher Unsicherheit im Umfeld technolo- gischer Durchbrüche problematisch. So müssten Unternehmen etwa einschätzen kön- nen, ob das Auftreten unbekannter Kundengruppen möglich ist. Für die Überprüfung der sozialen Robustheit radikaler technologischer Fortschritte hat das Energy Research Centre of the Netherlands ECN den Ansatz SOCROBUST ent- wickelt. Dieser basiert auf fünf Schritten, die eine Beschreibung der Ausgangssituation, eine Analyse strategischer Veränderungen, eine Bewertung dieser Veränderungen, eine Identifikation von Handlungslinien und eine Konzeption möglicher Entwicklungs- wege umfassen.205 Die Schwerpunkte des Ansatzes liegen auf der Identifikation benö- tigter Netzwerke für die Etablierung einer Technologie, auf dem Abgleich organisati- onsinterner und organisationsexterner Visionen und auf der Benennung kritischer Er- eignisse der Technologieentwicklung.206 Die Autoren beschreiben den Ansatz als sehr zeitaufwendig in der Anwendung durch die Kombination einer Vielzahl von Methoden und Arbeitsschritten. Positiv ist die intensive Auseinandersetzung mit den Möglichkei- ten der Beeinflussung technologischer Entwicklungen aus dem Blickwinkel einer ein- zelnen Organisation.207 Die Ganzheitlichkeit des Ansatzes ermöglicht es, sowohl tech- nologische Umfelder als auch Faktoren in einer Organisation zu erfassen und diese beiden Ebenen zu verknüpfen.208 Allerdings fehlt eine Aussage über die Resultate der Anwendung von SOCROBUST, vor allem darüber, ob die Manager die Technologien nach Anwendung der Methode besser einschätzen konnten. Zudem stellt sich der Pro- zess als einmalige Aktivität dar, da keine Iterations- oder Wiederholungsschleifen vor- gesehen sind. Insbesondere vor dem Hintergrund der Identifikation kritischer Ereignis- se, die bereits am Anfang des Prozesses stattfindet, erscheint diese Linearität proble- matisch, da im Projektverlauf weitere Ereignisse erkannt werden könnten, die eine An- passung der Handlungsstrategien erfordern. 204 Vgl. Ortt, Langley & Pals 2007:11. Für ein anderes Konzept virtueller Produkte zur Kundeninteg- ration vgl. Füller & Matzler (2007:381ff.). Diese Autoren sehen die Vorteile vor allem darin, früh- zeitig Kundenbedürfnisse richtig einzuschätzen, sehen jedoch ein Problem darin, dass nur Ni- schenkunden angesprochen werden können, deren Bedürfnisse nicht immer die eines Massen- markts repräsentieren Füller & Matzler (2007:384f.). 205 Vgl. Kets, Burger & de Zoeten-Dartenset 2003:9. 206 Vgl. Kets, Burger & de Zoeten-Dartenset 2003:10ff. 207 Vgl. Kets, Burger & de Zoeten-Dartenset 2003:15. 208 Der Ansatz greift unter anderem auf Elemente von Szenarien, Roadmaps, Technology Assess- ment, Datenbankanalysen und Netzwerkanalysen zurück. 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 54 Molina stellt am Beispiel der NewsPad-Technologie209 ein Konzept für das Sicherstel- len von Informationsflüssen zwischen unterschiedlichen Anspruchsgruppen in der Pro- duktentwicklung unter hoher Unsicherheit vor. Ziel ist es, ein neu zu entwickelndes Produkt bestmöglich an die Anforderungen der zukünftigen Nutzer anzupassen.210 Hierfür werden verschiedene Methoden eingesetzt wie Szenarien, Delphi- Untersuchungen oder Trendanalysen. Die frühzeitige Kommunikation mit Kunden über Spezifikationen des angestrebten Produkts, der Test von Prototypen durch die Kunden und die Präsentation des Produkts auf Messen stellen die Interaktion mit den Nutzern sicher. Der Ansatz sieht weiterhin die Einbindung anderer Stakeholdergruppen wie in diesem Fall von Zeitungsverlagen sowie News- und Werbeagenturen vor.211 Diese fin- det hauptsächlich in gemeinsamen Workshops statt. Die Potenziale des Konzepts lie- gen darin, Stakeholdergruppen in einem sehr komplexen Umfeld zusammen zu brin- gen. Mit dem Ansatz gelingt es innerhalb des Projektes, Prototypen zu entwickeln, die auf eine hohe Akzeptanz und ausreichende Zahlungsbereitschaft bei den Nutzern sto- ßen. Allerdings wurde die öffentliche Finanzierung des Projekts aufgrund der unsiche- ren Kommerzialisierungslage abgelehnt, so dass die Partner das Projekt beendeten. Insbesondere fehlten Geschäftsmodelle für die Content-Provider und technische Vor- aussetzungen für die Übertragung der Inhalte.212 Aufbauend auf dem Stakeholderansatz und Poppers evolutorischer Lerntheorie entwi- ckeln Hall und Martin ein Konzept, um negative soziale und ökologische Wirkungen von technologischen Innovationen zu managen. Die Ausgangsthese der Autoren be- steht darin, dass Unternehmen ein Methodenspektrum für die Handhabung von Disrup- tionen auf der Ebene von Industrien und Märkten zur Verfügung haben. Allerdings mangelt es nach ihrer Einschätzung an einem Konzept, um auf Brüche in den Bezie- hungen zu anderen gesellschaftlichen Stakeholdern zu reagieren.213 Ziel des vorge- stellten Ansatzes ist es daher, mögliche Stakeholder wie NGOs oder Endnutzer früh- zeitig zu identifizieren und deren Interessen sowie Bedenken in emergenten Strategien aufzugreifen. Da diese sekundären Stakeholder den Unternehmen vor Einführung ei- ner neuen Technologie häufig nicht bekannt sind, sollten Firmen einen „Piecemeal So- cial Engineering"-Ansatz verfolgen. Darunter verstehen Hall und Martin die Vorstellung offener Produktkonzepte, die gemeinsam mit möglichen Anspruchsgruppen verfeinert 209 Bei "NewsPad" handelte es sich um ein durch die EU gefördertes Projekt, bei dem ein Tablet Computer entwickelt wurde, der als "elektronisches Buch" für Zeitungsnachrichten genutzt wer- den sollte. 210 Vgl. Molina 1999:294ff. 211 Vgl. Molina 1999:299ff. 212 Vgl. Molina 1999:330. 213 Vgl. Hall & Martin 2005:273f. 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 55 und realisiert werden.214 Auf diese Weise findet ein offener Innovationsprozess statt, der es ermöglicht, kulturelle, soziale, ethische und religiöse Faktoren in frühen Innova- tionsphasen zu berücksichtigen. Problematisch ist dieser Ansatz jedoch, da es gesell- schaftlichen Gruppen schwerfallen könnte, neue Technologien ohne ein konkretes Produkt zu beurteilen sowie mögliche Wirkungen abzuschätzen. Wegen des hohen Zeitaufwands scheint der Prozess eher von öffentlichen Institutionen als von einzelnen Unternehmen durchführbar. Wolstenholme entwickelt auf der Grundlage von „System-Dynamics"-Modellen einen mehrstufigen Ansatz für die Evaluation einzelner Technologien. Ziel seines Ansatzes ist es, die Bewertung sowohl auf Basis der rein technologischen Eigenschaften als auch auf Basis der potenziellen Anwendung vorzunehmen, da sich nach seiner Mei- nung bestehende Ansätze auf einen dieser Bereiche beschränken.215 Den Ausgangs- punkt bildet die systemdynamische Modellierung des zukünftigen Anwendungsumfelds der betrachteten Technologie. Dieses Modell berücksichtigt ausschließlich die in der Anwendung etablierten Technologien. Anschließend werden die Auswirkungen der Nutzung einer neuen Technologie in dem Modell abgebildet und untersucht. Aufbau- end auf dieser Arbeit analysiert ein heterogenes Team, inwiefern Anpassungen des Modells zu einer Veränderung der Technologienutzung führen. Ziel dieses Schritts ist es, Implikationen für strukturelle Veränderungen des Umfelds abzuleiten, mit denen die Nutzung einer Technologie beeinflusst werden kann.216 Entsprechende Veränderungen können für die Strategieentwicklung des Unternehmens genutzt werden. Wolsterholme betont die Möglichkeiten, durch die Modellierung ein gemeinsames Verständnis zwi- schen den Teilnehmern aufzubauen und Konsequenzen der Technologienutzung zu antizipieren. Allerdings ist fraglich, ob sich die komplexen und zum Teil unbekannten Anwendungsumfelder neuer Technologien durch eine Modellierung ausreichend genau abbilden lassen. Zudem bleibt das Problem der Identifikation dieser Anwendungen unberücksichtigt. Kassicieh und Rahal stellen ein Vorausschau-Konzept für die strategische Regional- entwicklung vor. Für die Bestimmung des Potenzials unterschiedlicher Technologien in mehreren Regionen untersuchen sie unter anderem vorhandene Forschungs- und Kommerzialisierungsfähigkeiten sowie infrastrukturelle Aspekte (z.B. verfügbare Hu- manressourcen).217 Allerdings unterbleibt eine Prüfung der erzielten Erfolge des Ansat- zes vor dem Hintergrund der Fragestellung, ob Technologien auf Basis der Analyse 214 Vgl. Hall & Martin 2005:279f. 215 Vgl. Wolstenholme 2003:193f. 216 Vgl. Wolstenholme 2003:194f. 217 Vgl. Kassicieh & Rahal 2007:3ff. 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 56 erfolgreich in einer Region etabliert werden konnten. Die intensive Nutzung klassischer Patentanalysen deutet außerdem darauf hin, dass es sich bereits um relativ weit entwi- ckelte Technologiefelder handelt. Die Methode der „Modal Narratives" wird von Clark, Booth, Rowlinson, Procter und Delahaye entwickelt, um strategische Veränderungen innerhalb von Organisationen gezielt anzustoßen. Bei „Model Narratives" handelt es sich um Vorstellungen möglicher Entwicklungen, die in einer bestimmten Weise strukturiert sind. Im Gegensatz zu her- kömmlichen Szenarien werden keine Fragen nach dem „Was passiert wenn…?" son- dern nach dem „Was hätte (nicht) passieren können?" gestellt.218 Somit lassen sich auch historische Entwicklungen und deren Einflussfaktoren kritisch reflektieren. Nach Meinung der Autoren besteht der Unterschied zu konventionellen Szenarien vor allem darin, dass die Teilnehmer sich intensiver mit bestehenden Strukturen, Entscheidun- gen, Prozessen und Produktdesigns auseinandersetzen als dies bei einer „erdachten“ Zukunft der Fall wäre.219 Positiv ist das Potenzial der Hinterfragung aktueller Zustände und der daraus resultierende Wahrnehmung von Barrieren und Widerständen inner- halb von Organisationen bei dem Aufkommen neuer Technologien. Darüber hinaus könnte sich das Vorgehen auch auf die Analyse organisatorischer Umfelder übertragen lassen. Fraglich ist jedoch, ob die Beteiligten die gewonnenen Erfahrungen mit einer möglichen Vergangenheit auf Situationen in der Zukunft übertragen können und so bessere Strategien entwickeln können. 2.3 Hypothesen In diesem Abschnitt wird das zugrunde liegende Hypothesenmodell der Arbeit entwi- ckelt. Im ersten Schritt erfolgt eine Gegenüberstellung der zuvor diskutierten Ansätze und der in diesen Ansätzen aufgegriffenen Problembereiche der Vorausschau und Pla- nung neuer Technologiepfade. Im zweiten Schritt findet auf Basis dieser Analyse die Identifikation von Forschungslücken statt. Zum Abschluss werden Forschungshypothe- sen gebildet, mit denen die beschriebenen Lücken adressiert werden können. 2.3.1 Adressierte Problembereiche vorhandener Ansätze In diesem Abschnitt findet die Diskussion der adressierten Einzelproblemstellungen der oben besprochenen Ansätze statt. Insgesamt konnten über 100 Probleme der Voraus- 218 Vgl. Clark, Booth, Rowlinson, Procter & Delahaye 2007:87. 219 Vgl. Clark, Booth, Rowlinson, Procter & Delahaye 2007:86. 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 57 schau und Planung neuer Technologiepfade identifiziert werden. Diese wurden zu 32 Problembereichen verdichtet.220 Diese Problembereiche wurden wiederum den Per- spektiven „Theoretische Fundierung", „Aufgaben und Aktivitäten der Vorausschau und Planung", „Merkmale der zu erarbeitenden Strategien", „Einflussfaktoren im Umfeld", „Einflussfaktoren im Unternehmen", „Ablauforganisation" und „Aufbauorganisation" zugeordnet. Das Ergebnis dieser Aufarbeitung findet sich in Tabelle 1. Die folgende Diskussion der adressierten Problembereiche der Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade orientiert sich an den genannten Perspektiven. Es wird versucht, Gemeinsamkeiten und Unterschiede der oben gebildeten Gruppen von Ansätzen her- auszuarbeiten. Auffällig beim Vergleich der unterschiedlichen Ansätze aus Abschnitt 2.2 ist, dass sich nur bei relativ wenigen ein theoretischer Bezugsrahmen findet. Von den insgesamt 81 analysierten Methoden und Konzepten weisen lediglich 14 auf die Nutzung theoreti- scher Erkenntnisse für eine Durchführung der Vorausschau und Planung im Umfeld neu aufkommender Pfade hin.221 Unter den verwendeten Theorien spielen insbesonde- re die – maßgeblich auf Dosi zurückgehende – Theorie technologischer Trajektorien222 sowie die Theorie von Pfadabhängigkeiten in der Entwicklung von Technologien eine Rolle.223 Die betrachteten Ansätze betonen tendenziell sehr unterschiedliche Aufgabenstellun- gen, die die Vorausschau und Planung im Umfeld neuer Technologiepfade erfüllen sollte. Auffällig ist, dass sich insbesondere Szenario-basierte Ansätze intensiv mit die- sen Aktivitäten auseinandersetzen, während diese bei auf Entwicklungsmustern basie- renden Konzepten und Methoden des Business Development weniger stark betrachtet werden. Ansätze aus dem Umfeld von Szenarien und Indikatoren scheinen ein beson- deres Gewicht auf die kritische Reflexion und das Aufspüren schwacher Signale zu legen. Das Prägen von Erwartungen und die Kommunikation von Visionen der Techno- logienutzung spielen bei Szenarien sowie der Technologie-Folgenabschätzung eine große Rolle. Die Auslösung von Veränderungsprozessen in Unternehmen adressieren insgesamt sehr wenige Ansätze. In Bezug auf einzelne Gruppen von Ansätzen fällt auf, dass Roadmaps in der Regel weder eine kritische Reflexion noch eine Analyse 220 Eine Übersicht über die einzelnen Problembereiche und die einfließenden Faktoren findet sich in Anhang A. 221 Vgl. hierzu auch Anhang B. 222 Wie beispielsweise bei Dewick, Green & Miozzo 2004; Graff 2003; Kemp 1994. 223 Wie beispielsweise bei van Merkerk und Smits 2007; van Merkerk & van Lente 2006; Rip & Propp 2005; Kemp 1994. 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 58 A r t d e s A n s a t z e s * A n a l y s e e b e n e * * A n w e n d u n g * * * e x p l i z i t e t h e o r e t i s c h e G r u n d l a g e * * * * V i s i o n e n / E r w a r t u n g e n b i l d e n g e m e i n s a m e s V e r s t ä n d n i s a u f b a u e n R e f l e x i o n e r m ö g l i c h e n E n t w i c k l u n g e n a n t i z i p i e r e n K r e a t i v i t ä t / L e r n e n e r m ö g l i c h e n s c h w a c h e S i g n a l e i d e n t i f i z i e r e n W e c h s e l w i r k u n g e n h e r a u s a r b e i t e n V e r ä n d e r u n g e n a n s t o ß e n F l e x i b l e S t r a t e g i e n k o n k r e t e S c h r i t t e / W e g e l a n g f r i s t i g e S t r a t e g i e T i m i n g V i e l z a h l A n w e n d u n g e n / O f f e n h e i t g a n z h e i t l i c h e r A n s a t z t e c h n o l o g i s c h e s U m f e l d T e c h n o l o g i e t r e i b e r N e t z w e r k e / P a r t n e r A b h ä n g i g k e i t e n i m U m f e l d I n n o v a t i o n s k u l t u r t e c h n o l o g i s c h e B a s i s R e s s o u r c e n K o m p e t e n z e n A b h ä n g i g k e i t e n i m U n t e r n e h m e n h e t e r o g e n e s T e a m S t a k e h o l d e r e i n b e z i e h e n k o n t i n u i e r l i c h e s M i t w i r k e n T o p - M a n a g e m e n t e i n b e z i e h e n I t e r a t i v e r , f l e x i b l e r P r o z e s s k o n t i n u i e r l i c h e r P r o z e s s T e c h n o l o g i e - u . U n t e r n e h m e n s a n a l y s e A n a l y s e - u . E n t s c h e i d u n g s p r o z e s s e M e t h o d e n k o m b i n a t i o n Hinze 1994 I k j n x x Porter & Detampel 1995 I k j n x x x x x x x x x Ehrnberg & Jacobsson 1997 I k j n x x Smalheiser 2001 I k j n x x x Graff 2003 I k j v x x x x Patton 2005 I k n n x x x x x x x x x Daim et al. 2006 I k j n x x x x Day & Schoemaker 2006 u. 2004 I U n n x x x x x x x x x x x x Kostoff 2006 I b j n x x x x de Miranda Santo et al. 2006 I M j n x x x x x x x Kajikawa et al. 2007 I k j n x x x x Kemp 1994 M M j v x x x x x x x x x x x Linton 1997 M k n n x x Gartner 2002 M k j n x Geels 2002 M k j v x x x x x x x x x x Paap & Katz 2004 M U n n x x x x Hüsig et al. 2005 M U j j x x van Merkerk & van Lente 2005 M k j v x x x x x x Bengisu & Nekhili 2006 M b j n x Aufbau- organisation Ablauf- organisation Faktoren im Umfeld Faktoren im Unternehmen Aufgaben / Aktivitäten Merkmale der Strategien ** U=Unternehmen, M=Makro-Ebene, b=beide Ebenen, k=keine Angabe *** j=ja, n=nein **** v=vorhanden, n=nicht vorhanden * I=Datenbankanalysen und Indikatoren, M=Entwicklungsmuster, B=Technologie-Bewertung, S=Szenarien, R=Roadmaps, N=New Business Development, T=Technologie-Folgenabschätzung, So=Sonstige Teil 1/4 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 59 A r t d e s A n s a t z e s * A n a l y s e e b e n e * * A n w e n d u n g * * * e x p l i z i t e t h e o r e t i s c h e G r u n d l a g e * * * * V i s i o n e n / E r w a r t u n g e n b i l d e n g e m e i n s a m e s V e r s t ä n d n i s a u f b a u e n R e f l e x i o n e r m ö g l i c h e n E n t w i c k l u n g e n a n t i z i p i e r e n K r e a t i v i t ä t / L e r n e n e r m ö g l i c h e n s c h w a c h e S i g n a l e i d e n t i f i z i e r e n W e c h s e l w i r k u n g e n h e r a u s a r b e i t e n V e r ä n d e r u n g e n a n s t o ß e n F l e x i b l e S t r a t e g i e n k o n k r e t e S c h r i t t e / W e g e l a n g f r i s t i g e S t r a t e g i e T i m i n g V i e l z a h l A n w e n d u n g e n / O f f e n h e i t g a n z h e i t l i c h e r A n s a t z t e c h n o l o g i s c h e s U m f e l d T e c h n o l o g i e t r e i b e r N e t z w e r k e / P a r t n e r A b h ä n g i g k e i t e n i m U m f e l d I n n o v a t i o n s k u l t u r t e c h n o l o g i s c h e B a s i s R e s s o u r c e n K o m p e t e n z e n A b h ä n g i g k e i t e n i m U n t e r n e h m e n h e t e r o g e n e s T e a m S t a k e h o l d e r e i n b e z i e h e n k o n t i n u i e r l i c h e s M i t w i r k e n T o p - M a n a g e m e n t e i n b e z i e h e n I t e r a t i v e r , f l e x i b l e r P r o z e s s k o n t i n u i e r l i c h e r P r o z e s s T e c h n o l o g i e - u . U n t e r n e h m e n s a n a l y s e A n a l y s e - u . E n t s c h e i d u n g s p r o z e s s e M e t h o d e n k o m b i n a t i o n Mercer 1997 S U n n x x x x x x x x x x Mirow 1998 S U n n x x x x x x x x x Bers et al. 1999 S U j n x x x x x x x x x x x Noori et al. 1999a u. 1999b S U j n x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x Bruun et al. 2002 S M j n x x x x x x x x Raynor & Leroux 2004 S U j n x x x x x x x x x x Dortmans 2005 S k j n x x x x x x x x x Burt 2007 S U j v x x x x x x x van den Hende et al. 2007 S U j n x x x x x x Benson et al. 1993 B U j n x x x x x Suh et al. 1994 B U j n x x x x x x x x x x x x x Mills & Weinstein B U n n x x x x x x O'Brien & Fadem 1999 B U j n x x x x x x x x x x x Perlitz et al. 1999 B U j v x x x Danila 1989 R U j n x x x x x x x Holmes & Ferrill 2005 R U j n x x x x x x x x x x x x x Kostoff 2004 et al. R k j n x x x x x x x x x Strauss & Radnor 2004 R U n n x x x x x x x x x x x x x x x Walsh 2004 R M j n x x x x x x x x x x x x Rip & Propp 2005 R M j v x x x x x x x x x x x x Song et al. 2007 R M j n x x x x x x Aufbau- organisation Ablauf- organisation Faktoren im Umfeld Faktoren im Unternehmen Aufgaben / Aktivitäten Merkmale der Strategien ** U=Unternehmen, M=Makro-Ebene, b=beide Ebenen, k=keine Angabe *** j=ja, n=nein **** v=vorhanden, n=nicht vorhanden * I=Datenbankanalysen und Indikatoren, M=Entwicklungsmuster, B=Technologie-Bewertung, S=Szenarien, R=Roadmaps, N=New Business Development, T=Technologie-Folgenabschätzung, So=Sonstige Teil 2/4 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 60 A r t d e s A n s a t z e s * A n a l y s e e b e n e * * A n w e n d u n g * * * e x p l i z i t e t h e o r e t i s c h e G r u n d l a g e * * * * V i s i o n e n / E r w a r t u n g e n b i l d e n g e m e i n s a m e s V e r s t ä n d n i s a u f b a u e n R e f l e x i o n e r m ö g l i c h e n E n t w i c k l u n g e n a n t i z i p i e r e n K r e a t i v i t ä t / L e r n e n e r m ö g l i c h e n s c h w a c h e S i g n a l e i d e n t i f i z i e r e n W e c h s e l w i r k u n g e n h e r a u s a r b e i t e n V e r ä n d e r u n g e n a n s t o ß e n F l e x i b l e S t r a t e g i e n k o n k r e t e S c h r i t t e / W e g e l a n g f r i s t i g e S t r a t e g i e T i m i n g V i e l z a h l A n w e n d u n g e n / O f f e n h e i t g a n z h e i t l i c h e r A n s a t z t e c h n o l o g i s c h e s U m f e l d T e c h n o l o g i e t r e i b e r N e t z w e r k e / P a r t n e r A b h ä n g i g k e i t e n i m U m f e l d I n n o v a t i o n s k u l t u r t e c h n o l o g i s c h e B a s i s R e s s o u r c e n K o m p e t e n z e n A b h ä n g i g k e i t e n i m U n t e r n e h m e n h e t e r o g e n e s T e a m S t a k e h o l d e r e i n b e z i e h e n k o n t i n u i e r l i c h e s M i t w i r k e n T o p - M a n a g e m e n t e i n b e z i e h e n I t e r a t i v e r , f l e x i b l e r P r o z e s s k o n t i n u i e r l i c h e r P r o z e s s T e c h n o l o g i e - u . U n t e r n e h m e n s a n a l y s e A n a l y s e - u . E n t s c h e i d u n g s p r o z e s s e M e t h o d e n k o m b i n a t i o n Chiesa & Manzini 1998 N U j V x x x x x Rice et al. 2001 N U j n x x x x x x x x x x x x Christensen & Overdorf 2004 N U n n x x x x Sainio & Puumalainen 2007 N U j n x x x x x x Mettler & Baumgartner 1998 T M j n x x x x x x x Dewick et al. 2004 T M j v x x x Fleischer et al. 2005 T M j n x x x x x x x x x x van Merkerk & Smits 2007 T M j v x x x x x x x x x x x Slaughter 1990 So U n n x x x x x x x x x x x x x Camillus & Datta 1991 So U n n x x x x x x Iansiti 1995 So U j n x x x x x x x x x x Molina 1999 So k j n x x x x x x x x x x x x x x de Neufville 2000 So M j n x x x x x x x x x x x Schröder & Jetter 2003 So U n j x x x x x x x x x x x x x Moncada et al. 2003 So M j n x x x x x x x x x x x x Aufbau- organisation Ablauf- organisation Faktoren im Umfeld Faktoren im Unternehmen Aufgaben / Aktivitäten Merkmale der Strategien ** U=Unternehmen, M=Makro-Ebene, b=beide Ebenen, k=keine Angabe *** j=ja, n=nein **** v=vorhanden, n=nicht vorhanden * I=Datenbankanalysen und Indikatoren, M=Entwicklungsmuster, B=Technologie-Bewertung, S=Szenarien, R=Roadmaps, N=New Business Development, T=Technologie-Folgenabschätzung, So=Sonstige Teil 3/4 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 61 A r t d e s A n s a t z e s * A n a l y s e e b e n e * * A n w e n d u n g * * * e x p l i z i t e t h e o r e t i s c h e G r u n d l a g e * * * * V i s i o n e n / E r w a r t u n g e n b i l d e n g e m e i n s a m e s V e r s t ä n d n i s a u f b a u e n R e f l e x i o n e r m ö g l i c h e n E n t w i c k l u n g e n a n t i z i p i e r e n K r e a t i v i t ä t / L e r n e n e r m ö g l i c h e n s c h w a c h e S i g n a l e i d e n t i f i z i e r e n W e c h s e l w i r k u n g e n h e r a u s a r b e i t e n V e r ä n d e r u n g e n a n s t o ß e n F l e x i b l e S t r a t e g i e n k o n k r e t e S c h r i t t e / W e g e l a n g f r i s t i g e S t r a t e g i e T i m i n g V i e l z a h l A n w e n d u n g e n / O f f e n h e i t g a n z h e i t l i c h e r A n s a t z t e c h n o l o g i s c h e s U m f e l d T e c h n o l o g i e t r e i b e r N e t z w e r k e / P a r t n e r A b h ä n g i g k e i t e n i m U m f e l d I n n o v a t i o n s k u l t u r t e c h n o l o g i s c h e B a s i s R e s s o u r c e n K o m p e t e n z e n A b h ä n g i g k e i t e n i m U n t e r n e h m e n h e t e r o g e n e s T e a m S t a k e h o l d e r e i n b e z i e h e n k o n t i n u i e r l i c h e s M i t w i r k e n T o p - M a n a g e m e n t e i n b e z i e h e n I t e r a t i v e r , f l e x i b l e r P r o z e s s k o n t i n u i e r l i c h e r P r o z e s s T e c h n o l o g i e - u . U n t e r n e h m e n s a n a l y s e A n a l y s e - u . E n t s c h e i d u n g s p r o z e s s e M e t h o d e n k o m b i n a t i o n Wolsterholme 2003 So U j n x x x x x x x x Kets et al. 2003 So U j v x x x x x x x x x x x x x x x Schwery & Raurich 2004 So U j n x x x x x x x x x x Medonça et al. 2004 So U n n x x x x x x x x x x x x Hall & Martin 2005 So U j v x x x x x Clark et al. 2007 So M n n x x x x x x x Seidel 2007 So U j n x x x x Ortt et al. 2007 So U j n x x x x x x x Aufbau- organisation Ablauf- organisation Faktoren im Umfeld Faktoren im Unternehmen Aufgaben / Aktivitäten Merkmale der Strategien ** U=Unternehmen, M=Makro-Ebene, b=beide Ebenen, k=keine Angabe *** j=ja, n=nein **** v=vorhanden, n=nicht vorhanden * I=Datenbankanalysen und Indikatoren, M=Entwicklungsmuster, B=Technologie-Bewertung, S=Szenarien, R=Roadmaps, N=New Business Development, T=Technologie-Folgenabschätzung, So=Sonstige Tabelle 1: Adressierte Problembereiche vorhandener Ansätze für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade (Quelle: eigene Darstellung) Teil 4/4 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 62 komplexer Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Einflüssen als Aufgabenstel- lung definieren. Im Vergleich zu den anderen Ansätzen vernachlässigt die Technikfol- genabschätzung tendenziell das Aufspüren schwacher Signale und die Identifikation von Wechselwirkungen. Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass die vorgestellten Ansätze der Vorausschau und Planung insgesamt ein breites Feld von Aufgaben ab- decken. In Bezug auf die adressierten Problemfelder unterscheiden sich die Gruppen von Ansätzen jedoch zum Teil erheblich. Grundsätzlich spiegeln die Merkmale der Strategien für neue Technologiepfade die hohe Unsicherheit der Technologieentwicklung wider. Vor allem Roadmaps und Sze- narien greifen die in diesem Zusammenhang stehenden Problemstellungen intensiv auf. Bei Indikatoren, Entwicklungsmustern und Ansätzen aus dem Bereich des Busi- ness Development fällt auf, dass nur wenige Aussagen über die Charakteristika der entwickelten Strategien getroffen werden. In Bezug auf einzelne Merkmale scheinen vor allem die Langfristigkeit sowie die Berücksichtigung einer Vielzahl zukünftiger An- wendungsmöglichkeiten für neue Technologien von Bedeutung zu sein. Vor allem Szenarien, Roadmaps und die Technologie-Folgenabschätzung haben den Anspruch, konkrete Schritte abzuleiten oder mögliche Wege zu zukünftigen Zuständen aufzuzei- gen. Auffällig ist weiterhin, dass Ansätze auf Basis der Technologie- Folgenabschätzung das Timing von Entscheidungen sowie die zukünftige Flexibilität einer Strategie nicht explizit adressieren. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Ansätze auf der einen Seite die Notwendigkeit von Flexibilität und Offenheit der Strate- gien herausstellen, während sie auf der anderen Seite das Entwickeln konkreter Hand- lungsmaßnahmen zu definierten Zeitpunkten vornehmen. Die Ansätze der Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade berücksichtigen ein breites Set unterschiedlicher Einflussfaktoren. Dabei lassen sich Faktoren zum ei- nen innerhalb eines Unternehmens oder einer Organisation und zum anderen aus dem Umfeld unterscheiden. Tendenziell werden Einflussfaktoren aus dem Umfeld einer Or- ganisation insbesondere von Roadmapping- und Szenario-basierten Ansätzen sowie Entwicklungsmustern berücksichtigt, während sie bei Konzepten aus dem Bereich des Business Development sowie der Indikatorik eine geringere Rolle spielen. Demgegen- über adressieren Konzepte aus dem New Business Development vor allem Faktoren innerhalb des Unternehmens. Die übrigen analysierten Ansätze der Vorausschau und Planung neuer technologischer Pfade, insbesondere wenn sie der Gruppe von Ent- wicklungsmustern oder der Technologie-Folgenabschätzung zuzurechnen sind, schei- nen Faktoren innerhalb von Organisationen zu vernachlässigen. Insgesamt findet nur bei einer geringen Anzahl von Ansätzen eine Verknüpfung von Einflussfaktoren inner- 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 63 halb und außerhalb des Unternehmens statt. Die überwiegende Anzahl der Ansätze betont die Notwendigkeit einer ganzheitlichen Vorausschau und Planung, die sich nicht nur auf technologische Aspekte, sondern auch auf Gesellschaft und Politik konzent- riert. Die Treiber technologischer Entwicklungen spielen vor allem in Szenarien eine Rolle. Die in Abschnitt 2.2.7 beschriebenen sonstigen Ansätze beschäftigen sich auffäl- lig oft mit der Netzwerkbildung sowie mit potenziellen Netzwerkpartnern.224 Zusammen- fassend ist es nur schwer möglich, eine Tendenzaussage über die besondere Berück- sichtigung von Einflussfaktoren durch spezifische Ansätze zu treffen, da diese wenig einheitlich über die Ansätze verteilt sind. Verschiedene Ansätze adressieren Problembereiche in der Ablauf- und Aufbauorgani- sation der Vorausschau und Planung neu aufkommender Technologiepfade. Ansätze aus dem Bereich technologischer Entwicklungsmuster sowie die Technologie- Folgenabschätzung bilden – mit Einschränkungen – eine Ausnahme. Szenarien schei- nen sich verstärkt auf Probleme der Teamstruktur und der zu beteiligenden Personen zu konzentrieren, während Indikatoren und Data-Mining-Konzepte eher auf Probleme des Prozesses abzielen. Die Zusammensetzung des Teams aus heterogenen Berei- chen sowie die Einbindung verschiedener Anspruchsgruppen adressieren vor allem Technologie-Roadmaps. Auffällig ist der generelle Anspruch einer Kombination von Methoden und Informationsquellen in der Vorausschau und Planung. Signifikant ist weiterhin, dass viele Autoren auf die Einbindung von Stakeholdern eingehen. Insge- samt ist das Treffen von Tendenzaussagen über das Berücksichtigen von Problembe- reichen der Ablauf- und Aufbauorganisation jedoch nur eingeschränkt möglich. Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass das Feld der von den Ansätzen adressier- ten Problembereiche außerordentlich breit ist, so dass ein Vergleich der unterschiedli- chen Gruppen von Ansätzen nur begrenzt erfolgen kann. Einzelne Ansätze decken jeweils nur einen kleinen Teil des Spektrums von Problembereichen ab. Zudem ist eine außerordentlich geringe Nutzung innovationstheoretischer Konzepte für die Voraus- schau und Planung festzuhalten. 2.3.2 Forschungslücken Nachdem im vorangegangenen Abschnitt die adressierten Problembereiche existie- render Ansätze diskutiert wurden, findet im Folgenden die Identifikation von For- 224 Ein Erklärungsansatz hierfür könnte in dem relativ hohen Teil von Ansätzen der Neuproduktent- wicklung liegen. Diese betonen eine starke Interaktion mit Kunden, Nutzern und sonstigen Sta- keholdern. 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 64 schungslücken statt. Die Forschungslücken werden den Bereichen der theoretischen Fundierung, der inhaltlichen Leitlinien, der Einflussfaktoren sowie der Organisation der Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade zugeordnet. Aufbauend auf der Diskussion dieses Abschnitts erfolgt im Anschluss die Formulierung von Forschungs- hypothesen. theoretische Fundierung Die überwiegende Anzahl der Ansätze der Vorausschau und Planung im Umfeld neu aufkommender Technologiepfade verzichtet auf eine theoretische Fundierung.225 Wie oben diskutiert fehlt bei der Mehrheit selbst ein Bezugnehmen auf theoretische Kon- zepte. Das Beheben dieses Mangels an theoretischen Ausgangspunkten in der Vor- ausschau und Planung neuer Technologiepfade wird von verschiedenen Autoren direkt gefordert.226 Der Mangel erscheint insbesondere aus drei Gründen problematisch. Ers- tens erschwert er eine ganzheitliche Perspektive auf die Dynamik und Komplexität neu aufkommender Technologiepfade. Zweitens behindert er den Transfer von For- schungserkenntnissen über die Entstehung neuer Technologien in die Vorausschau und Planung. Drittens hemmen die nicht explizierten Annahmen über den Innovations- prozess die Anwendung der Ansätze. Diese Kritikpunkte werden im Folgenden vertie- fend diskutiert. Verschiedenen Autoren betonen die Notwendigkeit eines Verständnisses der Dynamik und Komplexität neu aufkommender Technologiepfade als Voraussetzung für die Durchführung der Vorausschau und Planung.227 Grundsätzlich sind zwei Quellen die- ses Verständnisses denkbar. Zum einen könnten die bei Managern vorhandenen Er- fahrungen über den Innovationsprozess in ihren Industrien und Branchen genutzt wer- den. Auffällig viele Autoren problematisieren allerdings die „mentalen Modelle" von Managern als Hindernis für das Handeln in Situationen von Technologiesprüngen, da diese häufig zu „falschen“ Schlüssen führen.228 Ein „objektives", auf Theorien und vali- dierten Modellen des Innovationsprozesses basierendes Verständnis erscheint aus diesem Grund geeigneter, um eine Sinn gebende Struktur bereitzustellen. Diese An- 225 Ausnahmen finden sich bei Burt 2007; Hüsig, Hipp & Dowling 2005, Hall & Martin 2005; Graff 2003; Geels 2002. 226 Vgl. insbesondere Ayres (2000:96) Plädoyer für eine Fundierung der Vorausschau von Diskonti- nuitäten. Vgl. hierzu auch Geels 2002:362. 227 Vgl. van Merkerk & Robinson 2006:411f.; van Merkerk & van Lente 2005:1095; Rip & Propp 2005; Paap & Katz 2004:22. 228 Vgl. hierzu Ilmola & Kuusi 2006:909; Schröder & Jetter 2003:522; Bruun, Hukkinen & Eklund 2002:123; Day & Schoemaker 2000:13f.; für eine andere Position vgl. Jones (2002:300f.), der herausfindet, dass Manger über ein "Meta-Wissen" verfügen, welches sie bei der Identifikation neuer Technologien unterstützt. 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 65 nahme wird durch die Erfahrung bestätigt, dass viele Manager Anzeichen von radika- lem Wandel in ihren Industrien zwar frühzeitig erkennen, diese allerdings nicht in einen Gesamtzusammenhang einordnen können.229 Demgegenüber konnten Autoren, die „schwache Signale" gemeinsam mit Managern in theoretischen Modellen verortet ha- ben, neue Einsichten über den Wandel in Industrien gewinnen.230 Die Innovationsforschung hat in den vergangen Jahren eine Vielzahl theoretischer Mo- delle und Konzepte hervorgebracht. Hierzu zählen beispielsweise Ansätze Nationaler, Sektoraler und Technologischer Innovationssysteme, Konzepte der Kreation technolo- gischer Pfade oder Modelle der Systemevolution. Bis auf wenige Ausnahmen sind die- se Konzepte in der Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade nicht vertre- ten.231 Eine wesentliche Ursache hierfür könnte in dem grundsätzlichen Fehlen einer Theorieorientierung der Vorausschau und Planung liegen. Augenscheinlich wird dieser Mangel bei dem dominanten linearen Innovationsverständnis, das auch verschiedene führende Forscher auf dem Gebiet der Technologievorauschau kritisieren. “Many mod- els assume linear relationships among variables, ignoring multivariate interactions and resulting nonlinearities".232 Der Bedarf an einer theoretischen Grundlage für Ansätze der Vorausschau und Planung im Umfeld neu aufkommender Technologien als Antwort auf diesen Mangel wird von Geels wie folgt zusammengefasst: „[…] we need a macro-theory of sociotechnical change, which is robust and broad enough to deal with a wide variety of situations. This conceptual framework needs to go beyond the linear model of innovation and meet the requirements articulated above (providing insights into the processes of radical and structural change, covering long-term processes, and sector- wide developments)."233 Gerade in Situationen, in denen sich technologischer Wandel schnell vollzieht und neue Technologiepfade entstehen, erscheint dieser Mangel einer theoretischen Fun- dierung problematisch. Der Mangel an einer theoretischen Fundierung von Ansätzen der Vorausschau und Planung erschwert insgesamt ihre Anwendung. Auch wenn der Urheber eines Ansat- 229 Vgl. Burt 2007:733f.; Patton 2005:1084f.; Christensen & Overdorf 2004:541; Slaughter 1990:155. 230 Vgl. van Merkerk & Smits 2007:17ff.; Burt 2007:733f. 231 Ein Versuch, Erkenntnisse aus der Innovationsforschung systematisch in die Vorausschau und Planung zu übertragen findet sich bei Rip (1995). 232 Technology Futures Analysis Methods Working Group 2004:291. Für diese Kritik vgl. auch Geels 2002:360ff. 233 Geels 2002:364f. Vgl. hierzu auch die Aussagen von Gordon, Glenn & Jakil (2005:1066), die bei zunehmender Komplexität einen wesentlichen Forschungsbedarf in der Entwicklung von Ansät- zen für nicht-lineare Prozesse sehen. 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 66 zes kein Innovationsmodell expliziert, ist davon auszugehen, dass er ein bestimmtes Verständnis des Innovationsprozesses als „mentales Modell" besitzt und dieses dem jeweiligen Ansatz zugrunde legt.234 Dem potenziellen Anwender eines Ansatzes ist dieses implizite Modell jedoch in der Regel nicht bekannt. Ob ein Ansatz für eine be- stimmte Situation geeignet ist, kann der Anwender daher nur eingeschränkt beurteilen. Es ist wenig überraschend, dass Autoren Probleme bei der korrekten Anwendung vor- liegender Ansätze beklagen.235 Als Ursachen benennen sie vor allem die mangelnde Definition von Anwendungssituationen und Anwendungslevels durch die Urheber der Ansätze. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass es an einer theoretischen Fundierung der Vorausschau und Planung mangelt. Für die Entwicklung des Feldes ist dieser Mangel aus den oben dargestellten Gründen hinderlich. inhaltliche Leitlinien Weiterer Forschungsbedarf findet sich in dem breiten Set von Aufgaben der Voraus- schau und Planung sowie den Anforderungen an die zu entwickelnden Strategien. Im Folgenden werden diese beiden Aspekte unter dem Begriff der „inhaltlichen Leitlinien" zusammengefasst. Der Oberbegriff der Leitlinie wird gewählt, da die einzelnen zu- sammengefassten Teilaspekte Konsequenzen für die Ausgestaltung der Ansätze sowie die Ergebnisse der Ansätze besitzen. Forschungsbedarf im Zusammenhang mit diesen Leitlinien besteht insbesondere an drei Stellen. Erstens erscheint es für das Entwickeln eines ganzheitlichen Ansatzes für die Voraus- schau und Planung neuer Technologiepfade grundsätzlich sinnvoll, eine Vielzahl dieser Leitlinien in der Vorausschau und Planung gleichzeitig zu berücksichtigen. Zudem be- nennen verschiedene Autoren den Bedarf, neue Ansätze für das Adressieren einzelner oder weniger Problembereiche zu erarbeiten.236 Allerdings mangelt es bisher an einer umfassenden und integrativen Berücksichtigung der verschiedenen Leitlinien. Zweitens machen Autoren immer wieder bestimmte Problembereiche zum Gegenstand ihrer Arbeiten, allerdings formulieren sie nur teilweise konkrete Vorgehensweisen, um diese anzugehen. Offen sind beispielsweise Fragen, wie eine flexible Strategie aussehen könnte. Des Weiteren bleibt häufig die Frage unbeantwortet, wie sich aus dieser Stra- 234 Vgl. hierzu Watts & Porter 1997:27. 235 Vgl. hierzu Gordon, Glenn & Jakil 2005:1098. 236 Zu verweisen ist insbesondere auf Rip & Propp (2005), Radnor & Strauss (2004:55f.), Men- donça, Pina e Cunha, Kaivo-oja & Ruff (2004:208ff.), Kets, Burger & de Zoeten-Dartenset (2003:7ff.) sowie Noori, Munro, Descza & McWilliams (1999a:559ff.), die bei der Berücksichti- gung einer Vielzahl von Aspekten am weitesten gehen. 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 67 tegie konkrete Schritte ableiten lassen.237 Gleichzeitig berücksichtigen existierende Ansätze nur partiell, wie ein gemeinsames Verständnis der Teilnehmer herbeigeführt werden kann, wie sich gezielt Raum für Kreativität schaffen lässt oder wie gleichzeitig eine Reflexion von Ideen und Strategien ermöglicht werden kann.238 Diese Unklarheit in Bezug auf die Umsetzung der Leitlinien hindert den Transfer der Ansätze in die Pra- xis. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Forschungsbedarf sowohl bei der Integration unterschiedlicher inhaltlicher Leitlinien als auch bei einem konsistenten ganzheitlichen Ansatz, um diese Leitlinien umzusetzen, besteht. Einflussfaktoren Die in Abschnitt 2.2 untersuchten Ansätze beschreiben eine Vielzahl von Einflussfakto- ren der Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade. Forschungsbedarf im Be- reich der Einflussfaktoren besteht aus drei unterschiedlichen Richtungen, die im Fol- genden erläutert werden. Situationen, in denen neue technologische Pfade entstehen, sind unter anderem durch eine hohe Dynamik und eine extreme Komplexität gekennzeichnet.239 Von verschiede- nen Autoren wird daher gefordert, einen systematischen Rahmen zu entwickeln, in den Umfeldentwicklungen und vor allem Wechselwirkungen zwischen ihnen eingeordnet werden können.240 Diese Problematik ist eng verknüpft mit dem Fehlen einer theoreti- schen Fundierung, die bei der Analyse und Bewertung von Einflussfaktoren handlungs- leitend wirkt. Vor diesem Hintergrund ist nochmals der oben gegebene Verweis auf die mentalen Modelle der an der Vorausschau und Planung beteiligten Personen anzufüh- ren. Diese impliziten Modelle können dazu führen, dass bestimmte Faktoren ausge- blendet, miss-interpretiert oder übersehen werden. Eine Folge dieses Fehlens eines ganzheitlichen Rahmens für die Analyse neuer Felder sind die in verschiedenen Publi- kationen bereitgestellten Kataloge von Faktoren, die im Rahmen der Vorausschau und Planung zu betrachten sind.241 Allerdings handelt es sich bei diesen Katalogen meist 237 Lösungsansätze für dieses Problem finden sich beispielsweise bei Dortmanns (2005:280), Rad- nor und Strauss (2004:55), Walsh (2004:177) und Kets, Burger und de Zoeten-Dartenset (2003:10f.). 238 Ausnahmen finden sich beispielsweise bei Mendonça, Pina e Cunha, Kaivo-oja & Ruff (2004:209ff.); Day & Schoemaker (2000:21ff.) und Brown & Eisenhardt (1997:7ff.). 239 Vgl. hierzu Abschnitt 2.1.1. 240 Vgl. Clark, Booth, Rowlinson, Procter & Delahaye 2007:34; Ilmola & Kuusi 2006:911; van Mer- kerk & van Lente 2005:1095; Fleischer, Decker & Fiedeler 2005:1117; Kets, Burger & de Zoe- ten-Dartenset 2003:14f.; Geels 2002:362. 241 Vgl. Sainio & Puumalainen 2007:2ff; Kets, Burger & de Zoeten-Dartenset 2003:14; DeTienne & Koberg 2002:361; Rice, Kelley, Peters & O'Connor 2001:414; Noori, Munro, Descza & McWilli- 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 68 um eine lose Zusammenstellung von Faktoren, der einerseits eine zugrunde liegende Systematik fehlt und bei der andererseits keine theoretische und empirische Fundie- rung erkennbar ist. Daran anknüpfend bemängeln verschiedene Autoren, dass bestimmte Einflussfaktoren bei dem Durchführen der Vorausschau und Planung systematisch ausgeblendet wer- den. Zum einen fokussiert sich ein Großteil der Ansätze auf Faktoren, die außerhalb einzelner Organisationen – beispielsweise Unternehmen – liegen, während nur relativ wenige Ansätze auch interne Einflussfaktoren betrachten. Die Beseitigung dieses Mangels wird in vielen Publikationen als ausstehender Forschungsbedarf angeführt.242 Zum anderen zeigt die breite Verteilung betrachteter Faktoren, dass jeder einzelne Ansatz nur Teilbereiche eines möglicherweise relevanten Sets herausgreift. Die vor- handenen Ansätze ermöglichen daher keine ganzheitliche Perspektive für die Analyse von Einflussfaktoren im Rahmen der Vorausschau und Planung. Die überwiegende Anzahl der Ansätze vernachlässigt darüber hinaus eine Kategorisie- rung von Faktoren nach ihrer Beeinflussbarkeit durch die Organisation. Es unterbleibt eine Aufschlüsselung in Faktoren, die prinzipiell gestaltbar sind und Faktoren, auf die Organisationen ausschließlich reagieren können.243 In einem konkreten Vorausschau- und Planungs-Projekt könnte dies dazu führen, dass die Beeinflussbarkeit von Fakto- ren ohne ein kritisches Hinterfragen angenommen wird, sich aber in der Projektumset- zung als nicht realisierbar herausstellt. Mit Sicht auf das langfristige Festlegen von Strategien könnten ebenfalls Faktoren als beeinflussbar erkannt werden, die ohne eine systematische Evaluation als nicht beeinflussbar angesehen würden. Für eine Evalua- tion der Einflussmöglichkeiten sprechen daher zwei Gründe. Erstens sind die tatsächli- chen Möglichkeiten strategischen Handelns auszuschöpfen und zweitens sind die ver- fügbaren Ressourcen auf die tatsächlich beeinflussbaren Faktoren zu konzentrieren. Insgesamt besteht daher ein Bedarf an einer systematischen Aufstellung von Einfluss- faktoren, die auch nach der Beeinflussbarkeit dieser Faktoren differenziert ist. Die Ana- lyse und Evaluation dieser Einflussfaktoren ist in einen Ansatz für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade zu integrieren. ams 1999a:555 und 1999b:567f.; Bers, Lynn & Spurling 1999:38; Suh, Suh & Baek 1994:269; Benson, Sage & Cook 1993:115ff.; Kemp 1994:1031; Slaughter 1990:155f. 242 Vgl. Sainio & Puumalainen 2007:2; Radnor & Strauss 2004:54; Walsh 2004:162; DeTienne & Koberg 2002:352; Veryzer 1998:317. 243 Ausnahmen bilden Christensen & Overdorf 2004:542f.; Kets, Burger & de Zoeten-Dartenset 2003:12; Geels 2002:365ff. 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 69 Organisation Die ausgewerteten Ansätze für die Vorausschau und Technologieplanung adressieren verschiedene Problembereiche der Aufbau- und Ablauforganisation. Mit Sicht auf die- jenigen Ansätze, die organisatorische Fragestellungen aufgreifen, fällt auf, dass ein Konsens in Bezug auf ausgewählte Problembereiche existiert. Hervorzuheben ist bei- spielsweise der wahrgenommene Bedarf an einem heterogenen Team, welches unter- schiedliche Funktionsbereiche repräsentiert und Interessen und Ansprüche umfassend artikuliert.244 In Zusammenhang mit dem Vorausschau- und Planungsprozess findet sich bei vielen Autoren weiterhin ein Verweis auf die Notwendigkeit einer Methodenin- tegration, um ein breites Spektrum von Informationen über neue Technologien aufzu- nehmen. Schließlich betonen viele Ansätze die Verbindung von Analyse- und Ent- scheidungsprozessen und die kontinuierliche Durchführung des Prozesses. Ein Mangel besteht erstens bei Ansätzen für eine situationsspezifische Organisation der Voraus- schau und Planung sowie zweitens bei Aussagen über eine Verknüpfung der Team- struktur mit einzelnen Phasen des Vorausschau- und Planungsprozesses. Der Bedarf, diese Mängel zu beheben, wird im Folgenden erläutert. Eine Forschungslücke besteht in der Variation von Vorausschau- und Planungsprozes- sen in Abhängigkeit der Spezifika einer neuen Technologie. In der Vorausschau und Planung findet in der Regel keine Differenzierung zwischen unterschiedlichen Aufbau- und Ablauforganisationen in Abhängigkeit der Ausgangssituation statt.245 Ein Hinweis auf den Bedarf einer solchen Differenzierung könnte jedoch in der Forderung verschie- dener Autoren nach möglichst flexiblen Prozessen der Vorausschau und Planung neu- er Technologiepfade gesehen werden,246 während gleichzeitig die Bedeutung eines strukturierten Vorgehens betont wird.247 Der Wunsch nach „strukturierter Flexibilität" könnte als Ausdruck der Einsicht gewertet werden, dass spezifische Ausgangssituatio- nen bestimmte Anforderungen an die Vorausschau und Planung stellen. Für die An- 244 Verweise auf weiteren Forschungsbedarf im Kontext dieses Problembereichs finden sich nur bei wenigen Autoren, beispielsweise bei Mackay und Metcalfe (2002:231). 245 Ausnahmen finden sich bei Hall und Martin (2005:273f.), die Durchbruchsinnovationen nach ihren Wirkungen auf unterschiedliche Stakeholdergruppen unterscheiden und aufbauend darauf verschiedene Vorgehensweisen empfehlen. Ein anderes Beispiel ist der Ansatz von Ortt, Lang- ley und Pals (2007:11), die verschiedene Methodenkombinationen in Abhängigkeit spezifischer Ausgangssituationen vorschlagen. Suh, Suh und Baek (1994:266) definieren zuerst ein techno- logiespezifisches Set von Bewertungskriterien, das anschließen für die Bewertung einzelner Technologien genutzt wird. Camillus und Datta (1991:70ff.) schlagen ein differenziertes Vorge- hen nach dem Umfang der potenziell ausgelösten Veränderungen vor. 246 Vgl. Mendonça, Pina e Cunha, Kaivo-oja & Ruff 2004:209; Radnor & Strauss 2004:53; Noori, Munro, Descza & McWilliams 1999b:556f. 247 Vgl. Ilmola & Kuusi 2006:914; Slaughter 1990:159; vgl. hierzu auch die Ergebnisse der Untersu- chungen von Lichtenthaler 2007:19; Constanzo 2004:225. 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 70 wender der Ansätze in Unternehmen und sonstigen Organisationen ist jedoch nur schwer ersichtlich, wie die Flexibilität eines Vorgehens zu erreichen ist, ohne gleichzei- tig die Strukturiertheit zu reduzieren. Auffällig ist weiterhin, dass wenige Autoren auf die Verknüpfung von Ablauf- und Auf- bauorganisation eingehen. Vor allem fehlt es an einer Zuordnung, welche Bereiche einer Organisation und welche Personen sich an welcher Phase der Vorausschau und Planung beteiligen sollten. In Bezug auf diese Problemstellung beschränken sich die Aussagen beispielsweise darauf, dass Entscheidungsträger oder Kundengruppen sehr früh in die Prozesse zu integrieren sind.248 Detaillierte Aussagen über eine phasen- oder aufgabenspezifische Teamzusammensetzung – sowohl mit Sicht auf Mitglieder innerhalb einer Organisation als auch mit Sicht auf möglicherweise zu beteiligende externe Personen und Institutionen – könnten jedoch aus unterschiedlichen Gründen sinnvoll sein. Eine Spezifizierung der konkreten Aufgabenverteilung könnte die Anwen- dung von Ansätzen im Unternehmens- und Organisationskontext erleichtern. Zudem besteht das Risiko einer Fehlleitung durch die in einzelnen Ansätzen ausgesprochenen Hinweise bezüglich der Teamzusammensetzung. Problematisch ist beispielsweise die Forderung, Stakeholder möglichst frühzeitig und umfassend in den Prozess zu integrie- ren.249 Wird unterstellt, dass diese Gruppen neue Technologien in den frühen Innovati- onsphasen nur schwer beurteilen können,250 besteht die Gefahr, dass Potenziale neuer Technologien nicht vollständig durch ein Unternehmen erkannt und ausgeschöpft wer- den. Schließlich erscheint es aus Gründen der effizienten Nutzung von Zeitressourcen sinnvoll, in den Situationen auf spezifische Kompetenzen zuzugreifen, in denen diese tatsächlich benötigt werden. Ein Effizienzgewinn – d.h. das Vorliegen der relevanten Informationen und Kompetenzen zur richtigen Zeit – sollte jedoch nicht durch einen Verlust notwendiger und gewünschter Kommunikation und Interaktion begleitet wer- den. Zusammenfassend besteht der Bedarf, eine auf die Erfordernisse des Umfelds ange- passte Vorgehensweise und Teamstruktur der Vorausschau und Planung neuer Tech- nologiepfade zu realisieren. 248 Vgl. Technology Futures Analysis Methods Working Group 2004:294f.; Porter & Detampel 1995:241; Iansiti 1995:49. 249 Vgl. hierzu unter anderem Holmes & Ferril 2005:353; Walsh 2004:178; Mackay & Metcalfe 2002:228; Bers, Lynn & Spurling 1999:39. 250 Vgl. hierzu unter anderem Day und Schoemaker (2000:21) sowie Veryzer (1998:318) für die Integration von Kunden in den frühen Phasen der Entstehung neuer Technologien. 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 71 2.3.3 Forschungsthesen Nachdem im vorangegangenen Abschnitt Forschungsbedarf im Umfeld der Voraus- schau und Planung neuer Technologiepfade lokalisiert wurde, findet in diesem Ab- schnitt die Formulierung von Forschungsthesen statt. Die insgesamt vier Hypothesen adressieren die theoretische Fundierung der Vorausschau und Planung neuer Techno- logiepfade, ihre inhaltlichen Leitlinien, die Einflussfaktoren sowie die Organisation ei- nes ganzheitlichen Ansatzes. Die einzelnen Hypothesen wurden aus der theoriegelei- teten Diskussion des vorangegangen Abschnitts abgeleitet.251 Sie fungieren als Rah- men für das Vorgehen in dieser Arbeit. Auf Basis der ersten These wird ein Konzept für die theoretische Fundierung der Vorausschau und Planung erarbeitet. Die übrigen Hypothesen zwei, drei und vier adressieren die Entwicklung eines ganzheitlichen An- satzes der Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade. Dieser berücksichtigt ebenfalls die aus der ersten Hypothese erzielten Einsichten. Eine stärkere theoretische Fundierung der Vorausschau und Planung im Umfeld neuer Technologiepfade ist anzustreben. Die Gründe hierfür liegen in dem Bedarf eines ob- jektiven Verständnisses der Dynamik und Komplexität dieser Situationen, in der Not- wendigkeit eines stärkeren Erkenntnistransfers zwischen Innovationsforschung und Vorausschau sowie in der Erleichterung der Anwendung spezifischer Ansätze. Die Fundierung sollte auf einer möglichst breiten theoretischen Basis aufbauen, um eine ganzheitliche Perspektive auf den Innovationsprozess und das Innovationsumfeld zu ermöglichen. Zudem sollte die theoretische Perspektive durch empirische Studien vali- diert sein. Weiterhin Seite sollte diese Fundierung bei der Ausgestaltung von Ansätzen genutzt werden können und in diesem Zusammenhang Grundlage einer Strukturierung und Reduzierung der Komplexität neuer Technologiepfade sein. Die erste Hypothese lautet wie folgt: 1. Die Vorausschau und Planung basiert auf einem impliziten Verständnis tech- nologischer Entwicklung, welches eine handlungsleitende Funktion ausübt. Ansätzen für Situationen, in denen neue technologische Pfade entstehen, liegt in der Regel ein Verständnis zu Grunde, welches wissenschaftliche Erkennt- nisse über den Innovationsprozess in diesen Situationen nur unzureichend be- rücksichtigt. Wenn diese Situationen durch ein theoretisch und empirisch vali- diertes Modell beschrieben werden können, könnte dieses Modell als Fundie- rung für die Vorausschau und Planung genutzt werden. 251 Für die induktive Hypothesenbildung vgl. Schnell, Hill & Esser 2005:49; vgl. hierzu auch Gerring 2007:72f.; Atteslander 2003:47ff.; Yin 2003:22f.; Diekmann 1997:107ff 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 72 Das Erkenntnisinteresse der ersten Hypothese liegt in zwei Bereichen. Erstens ist das Potenzial einer Integration von Innovationssystemen und technologischen Entwick- lungspfaden als theoretische Grundlage der Vorausschau und Planung zu diskutieren. Zu diesem Zweck wird ein theoretisches Modell der Entstehung technologischer Pfade in Innovationssystemen entwickelt. Die Diskussion dieser Hypothese findet entlang mehrerer Kriterien statt. Im Einzelnen spielen die Möglichkeiten der Erfassung der Komplexität und Dynamik neuer Technologiepfade, das grundsätzliche Verständnis für Entwickler von Vorausschau- und Planungsmethoden sowie die Akzeptanz bei poten- ziellen Anwendern eine Rolle. Zweitens ist das spezifische Potenzial dieser Verknüp- fung als Basis für den in dieser Arbeit entwickelten Ansatz der Vorausschau und Pla- nung neuer Technologiepfade zu untersuchen. Eine Evaluation dieser Eignung erfolgt in Fallstudien mit Unternehmen, in denen der entwickelte Ansatz angewendet wird. Ein ganzheitlicher Ansatz für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade sollte die Integration unterschiedlicher Leitlinien anstreben. Dabei sind einerseits die Aufgaben des Vorausschau- und Planungsprozesses zu berücksichtigen. Diese Auf- gaben umfassen unter anderem eine intensive Kommunikation und den Aufbau eines gemeinsamen Verständnisses zwischen den Teilnehmern sowie die Antizipation und kritische Reflexion von Entwicklungen. Andererseits sind den spezifischen Anforderun- gen an die zu entwickelnden Strategien Rechnung zu tragen. Grundsätzlich sollen die- se Strategien Flexibilität ermöglichen und gleichzeitig konkrete Wege und Handlungs- schritte aufzeigen. Ein besonderer Schwerpunkt ist auf die Konkretisierung aller inhalt- lichen Leitlinien zu legen. Anwendern der Ansätze für die Vorausschau und Planung sind handlungsorientierte Konzepte bereitzustellen, um das Umsetzen der formulierten Leitlinien zu ermöglichen. Die zweite Hypothese lautet wie folgt: 2. Ansätze für die Vorausschau und Planung neuer technologischer Pfade richten sich nach bestimmten inhaltlichen Leitlinien, die sich auf die zu erfüllenden Aufgaben und die Anforderungen an die zu entwickelnden Strategien bezie- hen. Vorhandene Ansätze berücksichtigen diese Leitlinien nur partiziell und konkretisieren diese nicht durchgehend. Wenn die in den vorhandenen Ansät- zen verfolgten Leitlinien integriert und über geeignete Konzepte konsistent operationalisiert werden, kann ein ganzheitlicher Ansatz der Vorausschau und Planung entwickelt werden. Das Entwickeln eines ganzheitlichen Ansatzes für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade gründet sich auf diese Hypothese. Ziel ist es, einen Ansatz zu kon- zipieren, der verschiedene Aufgaben und Aktivitäten sowie Anforderungen an die zu entwickelnden Strategien berücksichtigt und konkretisiert. Des Weiteren ist herauszu- 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 73 finden, ob weitere Aufgaben wahrzunehmen und zusätzliche Anforderungen an die zu entwickelnden Strategien zu berücksichtigen sind. Zu diesem Zweck wird ein Konzept- entwurf des ganzheitlichen Ansatzes gemeinsam mit Unternehmen in Projekten ange- wendet und gegebenenfalls angepasst. Neben der Integration unterschiedlicher Leitlinien solle ein ganzheitlicher Ansatz der Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade ein Set von Einflussfaktoren be- rücksichtigen. Die potenziell relevanten Faktoren sollten in einen systematischen, theo- retisch und empirisch fundierten Rahmen eingebettet sein. Dieser sollte es ermögli- chen, Entwicklungen im Umfeld sowie innerhalb eines Unternehmens strukturiert und ganzheitlich aufzunehmen. Weiterhin sollte durch diesen Rahmen eine Evaluation der Beeinflussbarkeit unterschiedlicher Einflussfaktoren unterstützt werden. Die dritte Hypothese lautet wie folgt: 3. Die Vorausschau und Planung im Umfeld neuer technologischer Pfade wird in einem Spannungsfeld von Einflussfaktoren durchgeführt. Diese liegen sowohl im Unternehmensumfeld als auch innerhalb des Unternehmens. Vorhandene Ansätze berücksichtigen diese Einflussfaktoren nur unsystematisch und evalu- ieren die Beeinflussbarkeit durch ein Unternehmen nicht. Wenn der Voraus- schau und Technologieplanung ein theoretisch und empirisch fundierter Rah- men zugrunde liegt, können Informationen systematisch aufgenommen und die Möglichkeiten der Beeinflussung ganzheitlich evaluiert werden. Das Erkenntnisinteresse dieser Hypothese liegt darin, einen konsistenten Rahmen von Einflussfaktoren zu entwickeln, der auf einer theoretischen Fundierung basiert. Aus- gangspunkt ist ein Modell der Entstehung technologischer Pfade in Innovationssyste- men, das im Zusammenhang mit der ersten Hypothese vorbereitet wird und um Ein- flussfaktoren innerhalb von Unternehmen zu erweitern ist. Zu Diskutieren ist die Mög- lichkeit einer systematischen Analyse und Evaluation von Einflussfaktoren auf Basis des entwickelten Rahmens. Zu diesem Zweck erfolgt im ersten Schritt die theoriegelei- tete Konzeption eines ganzheitlichen Rahmens, der im zweiten Schritt in Pilotunter- nehmen angewendet und im dritten Schritt erweitert wird. Die inhaltlichen Leitlinien der Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade sind in einer Ablauf- und Aufbauorganisation zu konkretisieren. Der Prozess sollte flexibel sein, kontinuierlich erfolgen und eine Verknüpfung der systematischen Analyse von Einflussfaktoren mit Entscheidungsprozessen gewährleisten. Um den Anforderungen unterschiedlicher Situationen der Pfadentstehung gerecht zu werden, sollte der Ansatz spezifisch in Bezug auf die Ausprägung bestimmter Einflussfaktoren sein. Die Aufbau- organisation sollte die Integration unterschiedlicher Fachkompetenzen und Stakeholder 2 Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 74 ermöglichen. Von besonderer Relevanz ist das Verknüpfen von Teamstruktur und Ab- lauf, um die Anwendbarkeit des Ansatzes durch Unternehmen zu steigern und Zeitres- sourcen effizient einzusetzen. Die vierte Hypothese lautet wie folgt: 4. Verschiedene Aufgaben der Vorausschau und Planung neuer technologischer Pfade sind in einem situationsspezifischen Ablauf zu erfüllen. Potenziell rele- vantes Wissen und benötigte Kompetenzen für jede Situation befinden sich an verteilten Stellen innerhalb und außerhalb des Unternehmens. Vorhandene Ansätze der Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade sehen in der Regel keine situationsspezifischen Ansätze vor und verknüpfen nur selten As- pekte der Ablauf- und Aufbauorganisation. Wenn die relevanten und betroffe- nen Stellen für das Erfüllen situationsspezifischer Aufgaben in einem struktu- rierten Prozess eingebunden werden, sichert dies die Qualität und die Effizienz des Ansatzes. Das Erkenntnisinteresse dieser Hypothese liegt auf zwei Ebenen. Erstens ist zu identi- fizieren, an welche spezifischen Ausgangssituationen eine Anpassung der Ablauf- und Aufbauorganisation der Vorausschau und Planung erfolgen sollte. Zweitens sind für jeden Typ Abläufe und Teamstrukturen zu konkretisieren, die ein effizientes Vorgehen ermöglichen und die Qualität der Ergebnisse sicherstellen. Um diese Hypothese zu evaluieren, wird ein ganzheitlicher Ansatz der Vorausschau und Planung konzipiert und in Zusammenarbeit mit Pilotunternehmen aus unterschiedlichen Technologiefeldern angewendet. Weiterhin wird versucht, Idealtypen möglicher Ausgangssituationen bei der Entstehung neuer Technologien zu identifizieren und darauf aufbauend Variationen des Ansatzes zu entwerfen. 3 Das Aufkommen technologischer Pfade in Innovationssystemen 75 3 DAS AUFKOMMEN TECHNOLOGISCHER PFADE IN INNOVATIONSSYSTEMEN Ziel dieses Kapitels ist eine stärkere theoretische Fundierung der Vorausschau und Planung im Umfeld neuer Technologiepfade. Zu diesem Zweck wird ein theoretisches Modell der Entstehung technologischer Pfade in Innovationssystemen entwickelt. Es wird unterstellt, dass technologiebasierte Innovationssysteme sich entlang technologi- scher Pfade entwickeln. Das Aufkommen technologischer Pfade geht mit der Entste- hung eines neuen technologiebasierten Innovationssystems einher. Mit der Actor- Network-Theorie und der Theorie technologischer Trajektorien baut das Modell auf einer theoretischen Basis auf, die eine ganzheitliche Perspektive auf den Innovations- prozess und das Innovationsumfeld ermöglicht. Sie wird durch das empirische Modell technologiebasierter Innovationssysteme ergänzt. Die Vorgehensweise innerhalb des 3. Kapitels gliedert sich wie folgt. Zu Beginn werden mit der Actor-Network-Theorie sowie technologischen Trajektorien die innovationstheo- retischen Grundlagen des Modells vorgestellt und in Beziehung zu der vornehmlich empirisch geführten Diskussion um technologiebasierte Innovationssysteme gesetzt. Nach der Einführung dieser Basis folgt die Darstellung von Elementen, Funktionen und Entwicklungsphasen neuer technologischer Pfade in Innovationssystemen. Die Eig- nung dieses Modells als theoretische Grundlage für die Vorausschau und Planung er- folgt zum Abschluss des Kapitels. 3.1 Grundlagen Die Basis des in diesem Kapitel entwickelten Modells für die Beschreibung des Auf- kommens neuer technologischer Pfade bilden erstens zwei Entwicklungslinien der Theoriediskussion in der Innovationsforschung und zweitens der in der empirischen Forschungstradition verwurzelte Ansatz von Innovationssystemen. Der Abschnitt 3.1 gliedert sich wie folgt. Zuerst wird die Actor-Network-Theorie als schwache Form des Sozialkonstruktivismus dargestellt. Sie legt einen Schwerpunkt auf die Erklärung des Entstehens von Verbindungen und Strukturen bei dem Aufkommen neuer Technolo- gien. Anschließend stellt der Abschnitt die theoretische Diskussion um technologische Trajektorien vor. Diese Diskussion beschreibt die Stabilisierung neuer Strukturen durch Institutionen. Darauf folgt die Einführung der Forschung im Bereich technologiebasier- ter Innovationssysteme, die sich auf das Identifizieren von Regelmäßigkeiten und Wir- 3 Das Aufkommen technologischer Pfade in Innovationssystemen 76 kungszusammenhängen in Innovationssystemen konzentriert. Zum Abschluss des Ab- schnitts werden die theoretischen und empirischen Stränge integriert. 3.1.1 Actor-Network-Theorie Dieser Abschnitt stellt die Grundbegriffe und Kernzusammenhänge der Actor-Network- Theorie vor. Danach wird das Entstehen neuer technologischer Pfade aus Sicht der Theorie beschrieben. Zum Abschluss zeigt der Abschnitt Vor- und Nachteile der Theo- rie für die Erklärung des Aufkommens neuer Technologiepfade auf. Eine grundlegende Debatte in der Technikphilosophie konzentriert sich auf die Ursache für technischen Fortschritt. Vertreter des technologischen Determinismus charakterisie- ren Technik als selbst-referenzielles System, auf dessen Entwicklung Mensch und Ge- sellschaft ihren Einfluss zunehmend verlieren. Die Konsequenz dieser Entwicklung besteht nach Ellul darin, dass der Mensch für die Kontrolle technischer Systeme in Zukunft nicht mehr benötigt wird.252 Den Gegenpol dieser Diskussion bildet der soziale Konstruktivismus, der die Technik als vom Menschen gestaltet begreift.253 Brey unter- scheidet drei verschiedene Spielarten dieser „Social Construction of Technology“.254 Der starke Sozialkonstruktivismus führt die Gestalt einer Technologie ausschließlich auf menschliche Elemente zurück und schreibt ihr keine genuin eigenen Eigenschaf- ten, Machtwirkungen oder Effekte zu („sozialer Determinismus"). Der abgemilderte Sozialkonstruktivismus akzeptiert den Einfluss von nicht gesellschaftlichen Faktoren auf Technologien, allerdings nur insoweit als dass eine Technologie Träger der sozia- len Eigenschaften ist, die ihr im Entstehungsprozess, beispielsweise durch Ingenieure, zugeschrieben wurden. Die im Folgenden diskutierte Actor-Network-Theorie billigt menschlichen ebenso wie nicht menschlichen materiellen Akteuren gleichermaßen einen Einfluss auf die Entstehung und Entwicklung von Technologien zu. Damit bildet sie eine Balance zwischen dem technologischen und dem sozialen Determinismus und eröffnet eine breite Perspektive auf technologischen Wandel.255 Der Actor-Network-Ansatz begreift eine soziale Sphäre – beispielsweise eine neue Technologie – als Netzwerk von heterogenen, menschlichen und nicht-menschlichen Elementen. Auf analytischer Ebene sind diese Elemente, wie z.B. Maschinen, Anlagen, 252 Vgl. Ellul 1962:394ff. 253 Vgl. Feenberg 1999:10ff.; Williams & Edge 1996:866; Winner 1980:126f.; Hughes 1987:62ff.; Pinch & Bijker 1987:28ff.; Bijker 1987:160ff. 254 Vgl. hierzu Brey 1997:5f. 255 Vgl. hierzu Law & Bijker 1992:290. Latour bezeichnet die Actor-Netzwork-Theorie als Form des Konstruktivismus, ohne die Ergänzung „sozial“ zu gebrauchen. 3 Das Aufkommen technologischer Pfade in Innovationssystemen 77 Arbeiter oder Wissenschafter, gleichgestellt.256 Auf Basis dieser Annahme geht die Actor-Network-Theorie Fragen der Entstehung, Entwicklung, Stabilisierung und dem Zerfall sozialer Strukturen nach.257 Der theoretische Fokus liegt insbesondere auf ent- stehenden Strukturen im Umfeld von Wissenschaft und Technik, wie bei Latour deut- lich wird: „… our entry into science and technology will be through the back door of science in the making, not through that more grandiose entrance of ready made science.“ 258 Für die Untersuchung des Entstehungsprozesses neuer Technologien stellt die Actor- Network-Theorie eine elementare Meta-Sprache bereit.259 Die im Folgenden verdeut- lichte Einfachheit der entwickelten Nomenklatur ist auf das hohe Abstraktionsniveau der Theorie zurückzuführen,260 die menschliche und nicht-menschliche Akteure zulässt, die keine festgelegte Analyseebene besitzt und ohne die Festlegung auf eine räumli- che Dimension auskommt.261 Ein wesentlicher Grundbegriff der Actor-Network-Theorie ist der Akteur, der die Quelle einer Handlung darstellt oder dem zugesprochen wird, die Quelle einer Handlung zu sein. Dabei kann es sich um einen Menschen oder einen beliebigen Gegenstand han- deln.262 Ein Akteur kann auch ein ungestört, d.h. einwandfrei interagierendes Akteur- Netzwerk sein.263 Zwischen zwei in einem Netzwerk verbundenen Akteuren befinden 256 Vgl. Latour 1987:180; Latour 1991:110; Latour 1996:8. Grundlage dieser Überlegung ist die Beobachtung, dass ein großer Teil menschlicher und zwischenmenschlicher Interaktion unter Einbeziehung nicht-menschlicher Objekte erfolgt. Beispielsweise werden Nachrichten per E-Mail versendet, Sprache wird über Telefonleitungen übertragen oder menschliche Fortbewegung fin- det mit Hilfe von Autos, Fahrrädern oder Straßenbahnen statt. Würden diese materiellen Objekte plötzlich wegfallen, so könnte die bestehende soziale Ordnung nicht mehr aufrecht gehalten werden (vgl. Law 2003a:3). 257 Vgl. Law 2003a:1f.; Law 1986:68ff. 258 Vgl. Latour 1987:4; vgl. hierzu auch Callon, Larédo & Mustar 1997:386f.; Callon, Law & Rip 1986:9f. 259 Vgl. Latour 1996:10. Für eine Einführung und Übersicht dieser Nomenklatur vgl. Akrich & Latour 1992; Callon 1991. 260 Vgl. Latour 2005:23. 261 Zur Dimensionslosigkeit der Actor-Network-Theorie vgl. Latour 1996:2ff.; Latour 1991:119. 262 Vgl. Latour 1996:5; Latour 1992:254. Die Handlungsmacht eines Akteurs, ob menschlich oder nicht-menschlich, ist am einfachsten vorstellbar, wenn dieser ausfällt. Erleidet eine Maschine ei- nen technischen Defekt, ist dies Ursache verschiedener Handlungen von Menschen (beispiels- weise die Reparatur durch einen Mitarbeiter der Instandhaltung) und Nicht-Menschen (bei- spielsweise der Stillstand anderer Maschinen). Ebenso kann der Unfall eines Mitarbeiters den Stillstand einer Maschine bedeuten. 263 Die Actor-Network-Theorie sieht funktionierende Netzwerke als „Black-Box“, die einen Input zuverlässig in einen Output umwandeln. Sie spricht in diesem Zusammenhang von einer „Punk- tualisierung". Beispielsweise erscheint eine funktionierende Produktionsanlage punktualisiert als einzelner Akteur, der bestimmte Ausgangsmaterialien in ein Produkt umwandelt, auch wenn die- se aus einer Vielzahl von Komponenten zusammengesetzt ist (vgl. Callon 1986:23). „The an- swer is that if a network acts as a single block, then it disappears, to be replaced by the action it- 3 Das Aufkommen technologischer Pfade in Innovationssystemen 78 sich ein oder mehrere Intermediäre. Akteure handeln, indem sie Intermediäre in Umlauf bringen.264 Ein Intermediär könnte ein Produkt, ein wissenschaftliches Paper, Geld, eine Telefonleitung oder auch eine andere Person sein. Charakteristisch für Intermedi- äre ist es, dass sie die Intention der Akteure unverfälscht weitergeben,265 es findet le- diglich ein Transport, aber keine Veränderung („Translation") der Intention statt. Jeder Intermediär trägt die Intentionen über ein Skript, das die Beziehungen der Akteure zu- einander definiert.266 Der Prozess, in dem dieses Skript in einen Intermediär übertragen wird – beispielsweise durch den Ingenieur, Designer oder Manager bei der Planung und Entwicklung eines neuen Produkts – wird als Inskription bezeichnet.267 Bei der Inskription spielen die Akteursbeziehungen, Verhaltensweisen oder Kompetenzen eine Rolle, die der Ingenieur bei der Verwendung des Intermediärs voraussetzt.268 Zusätz- lich existieren z.B. Präskriptionen, die von Akteuren grundsätzlich in einer Handlungssi- tuation erwartet werden können, Re-Inskriptionen, die nach einer Feedbackschleife erfolgen und Circumskriptionen, die das Umfeld der auszuführenden Handlung um- schreiben.269 Die Translation ist die kennzeichnende Operation innerhalb von Akteur-Netzwerken.270 Eine Translation von Akteur A auf Akteur B bedeutet, dass A über Intemediäre be- stimmte Interessen, Wünsche oder Strategien auf B überträgt und B hierdurch in ein Netzwerk einbindet. B kann diese Interessen, Wünsche und Strategien verändern und an einen Akteur C weitergeben.271 Durch die Prozesse der Translation definieren Ak- teure sich sowohl gegenseitig als auch die Struktur des Netzwerkes insgesamt. Jede Translation bringt die Konsequenz einer Veränderung des Netzwerkes mit sich.272 Ein self and the seemingly simple author of that action. At the same time, the way in which the effect is generated is also effaced.” (Law 2003a:5). 264 Vgl. Callon 1991:141; Law 1986:40; Rip 1986:88f. 265 Vgl. Latour 2005:39. 266 Vgl. Akrich 1992:208; Latour & Bastide 1986:54. 267 Vgl. Akrich 1992:208; Akrich & Latour 1992:259; Callon, Law & Rip 1986:11. 268 Bei zahlreichen modernen Kraftfahrzeugen ist es nicht mehr möglich, die Batterie selbständig, ohne den Besuch einer Werkstatt, zu wechseln. Der Defekt der Batterie (Akteur) wird über eine Kontrollleuchte (Intermediär) an den Fahrer (Akteur) übertragen, der seine Werkstatt in Person eines Mechanikers (Akteur) über das Telefon (Intermediär) benachrichtigt. Der Mechaniker (Ak- teur) lässt das defekte Fahrzeug durch einen Mitarbeiter (in der Regel Akteur) abschleppen und führt anschließend den Wechsel der Batterie durch. Der Konstrukteur des Fahrzeugs hat durch die Anordnung der Batterie festgelegt, dass die Werkstatt zu benachrichtigen ist, das Fahrzeug abzuschleppen und die Batterie durch einen ausgebildeten Mechaniker auszutauschen ist. Das Skript mit den notwendigen Handlungsanweisungen ist im Handbuch des Fahrzeugs sowie in den Schulungsunterlagen des Mechanikers niedergeschrieben. 269 Vgl. Akrich & Latour 1992:261. 270 Vgl. Latour 1991:124. 271 Vgl. Latour 2005:106ff.; Callon 1991:143f.; Latour 1987:108; Callon 1986:24f. 272 Vgl. Law 2003a:5; Law & Bijker 1992:293; Callon 1986:25. 3 Das Aufkommen technologischer Pfade in Innovationssystemen 79 Akteur-Netzwerk besteht aus mindestens drei Akteuren, die durch Intermediäre ver- bunden sind.273 Die Entstehung einer neuen Technologie ist aus Sicht der Actor-Network-Theorie ein Prozess, in dem sich neue Netzwerke von Akteuren herausbilden. Diese können aus bestehenden Netzwerken hervorgehen oder sich vollständig neu konstituieren.274 Vor- aussetzung ist das aktive Erweitern des Netzwerkes um neue Akteure durch Translati- onen.275 Neue Akteure werden unter anderem mit Versprechungen („Claims") über die Perspektiven des Netzwerkes eingebunden.276 Insbesondere in den frühen Phasen der Netzwerkentstehung sind die Translationen mit Konflikten verbunden, da die Akteure unterschiedliche Interessen verfolgen.277 Während eines Verhandlungsprozesses zwi- schen den Akteuren konvergieren die Interessen innerhalb des Netzwerks und die Kontroversen werden gelöst. Die akzeptierten Translationen werden durch das Fest- schreiben in materiellen Objekten und technischen Artefakten, d.h. durch Inskriptionen, beständig gemacht.278 Bei vollständig konvergenten Netzwerken, in denen alle Akteure die Strukturen unterstützen, tritt der Effekt der Punktualisierung auf. 273 Vgl. Callon 1992:84. Es hängt von der Position des Betrachters ab, ob einem Element innerhalb dieses heterogenen Netzwerks der Status eines Intermediärs oder der eines Akteurs zugespro- chen wird. Beispielsweise veranlasst der geplatzte Reifen den Fahrer eines Kraftfahrzeugs, sei- ne Werkstatt anzurufen. Der Reifen könnte demzufolge als Akteur bezeichnet werden. Der ge- platzte Reifen ist jedoch durch den Fehler eines bestimmten Mitarbeiters während der Produkti- on des Reifens entstanden. Als Quelle der Handlung könnte in diesem Fall der Produktionsmit- arbeiter gelten. Das perspektivische Verständnis des Akteur-Intermediär-Begriffs verdeutlicht ei- ne weitere Eigenschaft des Actor-Network-Ansatzes: das betrachtete Netzwerk entsteht in dieser Form aus der Beschreibung durch eine Person. Andere Personen würden das Akteur-Netzwerk in einer anderen Form wiedergeben. Letztendlich wird der Beschreibende durch seine Tätigkeit selbst Teil des Netzwerks (Law 2003b:10 [im Original 1999]; Latour 1996:9f.). Die Größe eines beschriebenen Netzwerks ist nach Latour (2005:148) ebenfalls durch den Beschreibenden be- stimmt, der die aus seiner Perspektive relevanten Elemente hinzufügt. 274 Der Actor-Network-Ansatz ermöglicht die Analyse neuer Netzwerke ohne die Annahme, dass schon zuvor Netzwerke bestanden. Die Analyse des Entstehungsprozesses kann ausgehend von einem „White-Spot“ begonnen werden (vgl. hierzu Latour 1996:10ff.). 275 Vgl. Latour 1987:141ff. Findet ein bei einem Unternehmen angestellter Forscher ein neues Ma- terial mit außergewöhnlichen Eigenschaften, so sind zuerst unterschiedliche Personen innerhalb und außerhalb des Unternehmens von dem Potenzial dieses Materials zu überzeugen (unter anderem der Abteilungsleiter, Manager, Vorstände, Investoren, Zulieferer, Kunden, usw.). Die Mobilisierung dieser Personen erfolgt über Translationen (vgl. hierzu auch Law 2003a:6; Latour & Bastide 1986:64ff.; Law 1986:68ff.). Diese Auffassung der Akteur-Netzwerk-Theorie unter- scheidet sich fundamental von einem passiven Verständnis der Technologiediffusion. 276 Vgl. Latour 1987:130ff. 277 Vgl. Callon 1992:81f.; Callon 1991:146f. Für die Einbindung der Akteure können verschiedene Strategien unterschieden werden, je nachdem welche Akteure einbezogen werden sollen und wie stark die eigenen Interessen der einzubindenden Akteure den Interessen innerhalb des Netzwerkes widersprechen (vgl. Latour 1987:108ff.). Interessen, die denen des Netzwerkes ent- gegenlaufen, werden als Anti-Programme bezeichnet (vgl. Latour 1991:120f.; Latour 1992:247ff.). Akteure, die eine Ausweitung des Netzwerkes verfolgen, haben geeignete Strate- gien (Programme) zu entwerfen, um diese Antiprogramme mit zu überwinden. Nach Law (2003a:6f.) antizipieren die Akteure dabei die Reaktion des Adressaten der Translation, um de- ren Erfolgswahrscheinlichkeit zu erhöhen. 278 Vgl. Law 2003a:6; Latour 1991; Latour 1987:132. Für Beispiele aus dem Bereich der Medizin- technik vgl. Law 2003b:10 sowie Singleton 1996:447ff. 3 Das Aufkommen technologischer Pfade in Innovationssystemen 80 Die Actor-Network-Theorie gibt einen Rahmen vor, mit dem insbesondere fünf Fragen im Entstehungsprozess neuer Technologien beantwortet werden können:279 • Wie sind Ursachen und Wirkungen innerhalb eines entstehenden Netzwerks verteilt? • Welche „Punkte“ (d.h. Akteure und Intermediäre) stehen miteinander in Verbin- dung? • Welche Größe und welche Stärke haben diese Verbindungen? • Wo liegen die Zentren und wer sind die Treiber eines entstehenden Netzwerks? • Wie verändern sich die Elemente eines Netzwerks im Entstehungsprozess? Der Actor-Network-Ansatz bietet durch den Fokus auf das Aufkommen neuer Netzwer- ke im Innovationsprozess sowie durch die Erfassung sehr unterschiedlicher Kategorien von Akteuren eine breite theoretische Grundlage für die Analyse der Dynamik neu ent- stehender Technologien. In diesem Zusammenhang lassen sich jedoch zwei Hauptkri- tikpunkte an der Actor-Network-Theorie formulieren. Erstens wird institutionellen Rege- lungen nur eine untergeordnete Bedeutung zuteil. Ihre Berücksichtigung beschränkt sich auf Prozesse der Inskription, Transkription oder Circumskription. Es mangelt je- doch an einem analytischen Rahmen und an einer Nomenklatur, die den Einfluss des institutionellen Umfeldes auf den Entstehungsprozess neuer Technologien erfassbar machen.280 Eine Ergänzung des Actor-Network-Ansatzes um eine Theorie mit einem institutionellen Fokus, wie sie beispielsweise im Rahmen technologischer Trajektorien diskutiert wird, erscheint daher sinnvoll.281 Zweitens erschweren die sehr breit definier- ten Akteurskategorien eine differenzierte Analyse und Konzeptionalisierung von Ein- flussfaktoren auf den technologischen Innovationsprozess. Eine weitere Präzisierung dieser Begriffe der Akteur-Netzwerk-Theorie erscheint für die Analyse des Entste- hungsprozesses neuer Technologien im Unternehmenskontext notwendig. 3.1.2 Trajektorien und institutionelle Regime Eine funktionierende Interaktion zwischen Akteuren setzt einen Grad an Berechenbar- keit voraus. Handlungen werden berechenbar, wenn Akteure an bestimmte Regeln 279 Vgl. Latour 1987:202. 280 Vorstellbar wäre es, Regelungen als durch einen bestimmten Akteurkreis gestützte Netzwerke zu begreifen. Allerdings ist so nur eine eingeschränkte Untersuchung der Wirkung dieser Rege- lungen auf den Prozess und die Dynamik der Entstehung und Stabilisierung eines Netzwerks möglich. 281 Vgl. in Ansätzen die Ausführungen von Green, Hull, McMeekin & Walsh (1999:778ff.) oder Ku- maresan & Miyazaki (2001:436f.), die jedoch keine Integration der theoretischen Fundamente vornehmen. 3 Das Aufkommen technologischer Pfade in Innovationssystemen 81 gebunden sind, die als Institutionen bezeichnet werden.282 Diese Regeln menschlicher Interaktion schränken die Möglichkeit opportunistischen oder potenziell falschen Ver- haltens durch die Implikation von Sanktionen ein.283 Sie basieren auf einem Geflecht kognitiver, normativer und regulativer Strukturen und Aktivitäten284 und gewährleisten letztendlich die soziale Ordnung in einer Gruppe.285 Institutionen sind daher sowohl in Perioden des Wandels als auch in Phasen der Stabilität von Bedeutung.286 In der Inno- vationstheorie greifen unter anderem Ansätze, die technologischen Wandel als Fort- schritt entlang technologischer Trajektorien begreifen, die Funktion und Wirkung dieser institutionellen Regelungen und die aus ihnen resultierende Dynamik technologischer Entwicklung auf. Den Ausgangspunkt dieser Ansätze bilden die Untersuchungen von Kuhn über wis- senschaftlichen Fortschritt, der sich in prä-paradigmatischen Phasen hin zu normalen paradigmatischen Phasen vollzieht. Paradigmen oder institutionelle Regime287 definie- ren Untersuchungsbereiche und Forschungsfragen, zeichnen Untersuchungsgänge vor und schränken das Methodenspektrum für bestimmte Forschungsfragen ein.288 Sie stellen Regelwerke dar, die zulässige Wege der Problemlösung festlegen. Halten diese Regeln neuen Erkenntnissen nicht stand, entstehen neue Ansätze, die um den Status eines Paradigmas konkurrieren.289 Dosi überträgt dieses Konzept auf technischen Fortschritt.290 Nach seinem Verständnis umfassen technologische Paradigmen Lö- sungsmodelle und -muster für abgegrenzte technische Problemstellungen und die hier- für grundlegenden aus der Naturwissenschaft abgeleiteten Prinzipien.291 Technologi- sche Regime geben eine Entwicklungsrichtung vor, indem sie über positives und nega- 282 Vgl. Kasper & Streit 1999:1. 283 Vgl. Burr 2004:99f.; Kasper & Streit 1999:30; North 2005:25 [im Original 1990]. Verschiedene Autoren folgen einem weiteren Institutionenverständnis, bei dem insbesondere Organisationen eingeschlossen werden (vgl. hierzu Coriat & Weinstein 2004:327ff). 284 Vgl. Scott 1995:33. 285 Vgl. Kasper & Streit 1999:28. 286 ”Institutions are the rules of the game in a society [....]” North 2005:3. 287 Im Folgenden wird die von Nelson und Winter vorgeschlagene Bezeichnung technologischer Regime und die Bezeichnung technologisches Paradigma synonym verwendet. Vgl. hierzu auch Rip & van den Belt 1987:139; Nelson & Winter 1977:57. 288 Vgl. Kuhn 1996:15 [im Original 1967]. 289 Vgl. Kuhn 1996:52ff. 290 Vgl. Dosi 1982:153. Im Gegensatz zu wissenschaftlichem Fortschritt basiert technischer Fort- schritt nach Auffassung von Dosi stärker auf implizitem Wissen und Erfahrungen. 291 Vgl. Dosi 1988:224 und 1982:152. Malerba & Orsenigo (1997:94ff.) erweitern diese Definition um die Wissensbasis einer Technologie. In dieser Arbeit wird die Auffassung vertreten, dass die Wissensbasis sich direkt in den Lösungsmodellen, Lösungsmustern und Prinzipien widerspie- gelt, was eine explizite Erwähnung der Wissensbasis in der Definition redundant macht. 3 Das Aufkommen technologischer Pfade in Innovationssystemen 82 tives Feedback Ausschlusseffekte bewirken.292 Der Zusammenhang von Paradigmen und einer Richtung technischen Fortschritts lässt sich wie folgt beschreiben: „[…] a technological paradigm can be defined as a ‘pattern’ for solution of selected techno-economic problems based on highly selected principles […]. Putting it another way, technological paradigms define the technologi- cal opportunities for further innovations and some basic procedures on how to exploit them. Thus, they also channel the efforts in certain directions rather than others: a technological trajectory is the activity of technological progress along the economic and technological trade-offs defined by a paradigm.”293 Demzufolge führen technologische Regime dazu, dass sich technischer Fortschritt ku- mulativ entlang spezifischer technologischer Trajektorien vollzieht. Dieser Fortschritt weist für jede Technologie ein charakteristisches „Momentum“ auf.294 Dabei betonen Nelson und Winter die Bedeutung von Routinen als Träger dieser Paradigmen.295 Durch die fortlaufende Reproduktion der Paradigmen in den Handlungen der Akteure festigen sich diese und erlangen Akzeptanz und Verbreitung. Erfolgreichen Kombinati- onen von Institutionen schließen sich weitere Akteure an, was zu einer Ausbreitung von Regimen führt.296 Während ihrer Verbreitung differenzieren sich Regime zuneh- mend aus.297 Im Folgenden werden institutionelle Regime und die dazugehörigen Trajektorien auf der Ebene einzelner Technologien betrachtet.298 Um diese Verringerung des Aggrega- 292 Nelson & Winter (1977:57) betonen den starken kognitiven Charakter dieser Paradigmen oder Regime, der sich wiederum durch die Bedeutung impliziten Wissens für technologischen Fort- schritt erklären lässt. 293 Dosi 1988:224f. 294 Vgl. Dosi 1982:152ff.; Nelson & Winter 1977:76. Vgl. hierzu auch North (2005:78) für die Bedeu- tung des institutionellen Rahmens auf einer gesamtgesellschaftlichen Ebene: „(1) the institu- tional framework will shape the direction of the acquisition of knowledge and skills and (2) that di- rection will be the decisive factor for the long-run development of that society.”. 295 Vgl. Nelson & Winter 1982:197ff. 296 Vgl. Scott 1995:56. 297 Vgl. Kasper & Streit 1999:122f. Carlsson & Stankiewicz (1995:45) bezeichnen dies als institutio- nelle Infrastruktur. 298 Die Theorie technologischer Trajektorien entstand in dem klassischen Fortschrittsverständnis der 60er- und 70er-Jahre des 19. Jahrhunderts. Nach dieser Auffassung führte „Big Science“ (z.B. die Atomenergie) zu bahnbrechenden technologischen Fortschritten, die sämtliche Wirt- schaftssektoren und Gesellschaftsbereiche durchdrangen. Radikale institutionelle Veränderun- gen innerhalb der Produktionssysteme lösten nach diesem Verständnis Veränderungen der Normen und Werte der gesamten Gesellschaft aus, wurden aber auch durch Normen und Werte aus der Gesellschaft geprägt (vgl. unter anderem Freeman & Perez 1988:58ff sowie Perez 1983:360 und 370ff.). Neben der erfolgreichen Anwendung auf der ursprünglich vorgesehenen Makro-Ebene (vgl. hierzu unter anderem die Studien von Pavitt 1990 und 1984) lässt sich der Ansatz von institutionellen Regimen und begleitenden Trajektorien sowohl auf die Mikroebene (beispielsweise einzelne Unternehmen, einzelne Technologiebereiche (vgl. Chiesa & Manzini 1998:115)) als auch auf die Meso-Ebene (beispielsweise neue Technologien oder Technologie- felder (vgl. Green, Hull, McMeekin & Walsh 1999:778ff.; Metcalfe & Boden 1992:61f.)) übertra- gen. 3 Das Aufkommen technologischer Pfade in Innovationssystemen 83 tionsniveaus – im Vergleich zur klassischen Interpretation – zu verdeutlichen, wird im weiteren Verlauf der Begriff eines technologischen Pfades verwendet, der durch das technologische Regime eine spezifische Entwicklungsrichtung erhält. Technologische Regime manifestieren sich auf der Unternehmens- bzw. Netzwerkebene wiederum in technologischen Konfigurationen.299 Sowohl durch die frühe Einbindung von Kunden in den Entwicklungsprozess als auch durch die zunehmende öffentliche Förderung von betrieblicher Forschung und Entwicklung interagieren technologischen Regime und Konfigurationen intensiv mit Institutionen auf der Ebene von Märkten und der gesamten Gesellschaft. Neue Regelwerke entstehen in unterschiedlichen technologischen Re- gimen und Konfigurationen parallel und werden jeweils durch die bestehenden ge- samtgesellschaftlichen Institutionen beeinflusst. Die Theorie institutioneller Regime bietet in Ergänzung zu der Actor-Network-Theorie eine Möglichkeit, die Stabilisierung von Beziehungen in neu aufkommenden Technolo- gien zu analysieren. Für eine Untersuchung neuer Technologien weisen beide Ansätze jedoch Mängel auf. Institutionelle Ansätze bieten zwar einen spezifischeren Rahmen als die Actor-Network-Theorie, mit Sicht auf die praktische Anwendbarkeit in der Vor- ausschau und Planung sind beide Ansätze jedoch zu wenig konkret. Daher ist einer- seits eine weitere Konkretisierung der Nomenklatur anzustreben. Andererseits sind Kategorien (z.B. Akteursgruppen, Gruppen von Artefakten, Arten von Institutionen) für die Analyse neuer Technologien präzise zu definieren und auszudifferenzieren, um eine Anwendbarkeit in der Vorausschau und Planung zu ermöglichen. Es mangelt ins- besondere an einem Leitkonzept, um Akteure und Institutionen im Kontext einer neuen Technologie systematisch zu erfassen und in Beziehung zueinander zu setzen. Des Weiteren spielt in beiden Theorien der Faktor Wissen eine zentrale Rolle, spiegelt sich jedoch nicht in der Nomenklatur wider. In der Vorausschau und Planung könnte dies dazu führen, dass der Faktor Wissen systematisch ausgeblendet wird. Um die genann- ten Mängel auszugleichen und eine ganzheitliche Fundierung zu erarbeiten, wird im folgenden Abschnitt der empirische Ansatz technologiebasierter Innovationssysteme vorgestellt. Ziel ist es, durch das Verschmelzen der drei Konzepte eine umfassende Perspektive auf die Entstehung neuer Technologien zu erhalten. 299 Vgl. zu dieser Sichtweise Metcalfe & Boden 1992:61f. Nach diesem Verständnis setzen Unter- nehmen neue Technologien in unterschiedlichen Konfigurationen, die durch spezifische Vor- und Nachteile gekennzeichnet sind, um. Innerhalb eines Regimes können Unternehmen mit unter- schiedlichen Umsetzungsstrategien der Technologie konkurrieren. Zusätzlich kann ein Wettbe- werb auf der Ebene von Regimen unterschiedlicher Technologien stattfinden, wie häufig in Mo- dellen technologischer Substitution unterstellt (vgl. Christensen 2002:16ff.). Mitentscheidend für die Wahl der Konfigurationen auf der Unternehmensebene sind Transaktionskosten. „I submit that several alternative modes commonly qualify, whence technology is more usefully regarded as a factor that delimits the set of feasible modes - the final choice thereafter turning on a trans- action cost assignment.” (Williamson 1985:89). 3 Das Aufkommen technologischer Pfade in Innovationssystemen 84 3.1.3 Technologiebasierte Innovationssysteme Die theoretischen Ansätze der Akteur-Netzwerk-Theorie sowie institutioneller Regime erfassen auf einer abstrakten Ebene allgemeine Merkmale der Struktur einer neuen Technologie. Der Einfluss spezifischer Faktoren auf den Prozess technologischer In- novation sowie deren Wechselwirkungen sind Gegenstand der zu Beginn der 90er- Jahre aufgekommenen Diskussion um Nationale Innovationssysteme. Den Ausgangs- punkt dieser Ansätze bildete die Beobachtung, dass sich die Entstehung und Ausbrei- tung von Innovationen zwischen verschiedenen Ländern unterscheidet, obwohl techni- sches Wissen prinzipiell gleichermaßen verfügbar ist. Diese Differenzen erklärten Wis- senschaftler mit der spezifischen Forschungslandschaft (Universitäten, staatliche und nicht staatliche Forschungsinstitute), der Ausstattung mit Humanressourcen (Bildungs- stand und Bildungssystem), dem Finanzsystem (Bereitstellung von Wagniskapital, Möglichkeiten des Kapitalmarktzugangs, Stabilität), dem Vorhandensein von Netzwer- ken (Firmen, Forschungsinstituten und Staat) aber auch mit der nationalen Kultur.300 Für die Analyse von Innovationssystemen unterhalb der nationalen Ebene wurden An- sätze mit einem niedrigeren Aggregationsgrad entwickelt und angewendet. Beispiele finden sich in Regionalen Innovationssystemen,301 Räumlichen Innovationssyste- men,302 Technologischen Innovationssystemen303 oder Sektoralen Innovationssyste- men.304 Um die Entstehung und Dynamik einer einzelnen Technologie zu analysieren, bieten sich die Ansätze Technologischer und Sektoraler Innovationssysteme an,305 deren wesentliche Charakteristika im Folgenden kurz dargestellt werden. Dabei wird in dieser Arbeit Edquist gefolgt, der technologische den sektoralen Konzepten zuord- net.306 Grundsätzlich werden unter dem Begriff des Innovationssystems sämtliche Determi- nanten des Innovationsprozesses zusammengefasst. Demzufolge sind alle wichtigen wirtschaftlichen, sozialen, politischen, organisationalen, institutionellen sowie sonstige 300 vgl. hierzu Edquist 1997. Für eine Übersicht über die Entwicklung des Konzepts Nationaler Inno- vationssysteme vgl. Sharif 2006; Balzat & Hanusch 2004; Edquist 1997. Für eine Übersicht und Abgrenzung unterschiedlicher Innovationssystem-Ansätze vgl. Edquist 2005 und 1997. Vgl. hierzu auch Weissenberger-Eibl 2005. 301 Vgl. hierzu unter anderem Cooke, Braczyk & Heidenreich 2004; Cooke, Gomez Uranga & Etxe- barria 1997. 302 Vgl. Oinas & Malecki 2002. 303 Vgl. Bergek, Jacobsson, Carlsson, Lindmark & Rickne 2006; Carlsson & Stankiewicz 1995; Carlsson 1995. 304 Vgl. Malerba 2004a und 2004b; Breschi & Malerba 1997. 305 Für eine Anwendung der Konzepte vgl. Malerba 2004a; Guerrieri & Tylecote 1997; Malerba & Orsenigo 1997. Für eine Anwendung im Kontext der Entstehung neuer Innovationssysteme vgl. Carlsson & Jacobsson 1997. 3 Das Aufkommen technologischer Pfade in Innovationssystemen 85 Faktoren Teil dieses Systems, wenn sie die Entwicklung, Diffusion oder Nutzung von Innovationen beeinflussen.307 „[…] a technological innovation system may be described as a network of agents interacting in the economic/industrial area under a particular institu- tional infrastructure and involved in the generation, diffusion, and utilization of technology”. 308 Der zentrale Fokus des Konzepts liegt auf der Dynamik und Transformation von Inno- vationssystemen.309 Technologische und Sektorale Innovationssystem sind gekenn- zeichnet durch miteinander verbundene Produktgruppen, die eine bestehende oder entstehende Nachfrage adressieren und auf eine gemeinsame Wissensbasis zurück- greifen.310 Ein Sektor („Industrial Area“) kann beispielsweise als ein Industriezweig (Maschinen- und Anlagenbau, Fahrzeugbau), ein Teil eines Industriezweiges (z.B. CNC-Maschinen, Nutzfahrzeugbau) oder eine Produktgruppe (punktgesteuerte CNC- Maschinen, Landmaschinen) abgegrenzt werden.311 Technologische bzw. Sektorale Innovationssysteme können in unterschiedliche geographische Kontexte (national und regional) eingebettet sein.312 Als wesentliche „Bausteine“ eines Sektors unterscheidet Malerba: • Wissen und Technologien, • Akteure und Netzwerke sowie • Institutionen.313 Die spezifische Kombination dieser Elemente macht die Struktur eines Sektors aus.314 Innovationssysteme befinden sich in einem offenen Veränderungsprozess, der durch 306 Vgl. Edquist 1997:3. Das von Geels (2005 und 2004) vorgestellte Konzept sozio-technischer Systeme kann aufgrund seiner starken Ähnlichkeit den Ansätzen Technologischer und Sektora- ler Innovationssysteme zugeordnet werden. 307 Vgl. Edquist (2005:182 und 1997:14). Die Gefahr, durch eine Definition ex ante wesentliche Einflussfaktoren systematisch auszuschließen, spricht für die Verwendung einer derart breit an- gelegten Definition (vgl. Edquist 2005:183). Die aus dieser Definition erwachsenden Schwierig- keiten einer exakten Abgrenzung von systeminternen und -externen Faktoren werden in Kauf genommen. Für eine stärker an Technologien orientierte Definition des Innovationssystems vgl. Carlsson & Stankiewicz (1995:23). 308 Bergek, Jacobsson, Carlsson, Lindmark & Rickne (2006:3). Vgl. hierzu die Ähnlichkeit der Defini- tion Sektoraler Innovationssysteme: "A sectoral innovation system can be defined as that group of firms active in developing and making a sector’s artefacts and in generating and utilizing a sector’s technologies - activities that may be accomplished in two ways: through processes of in- teraction and co-operation in artefact-technology development, and through processes of com- petion and selection in innovative and market activities.” (Malerba & Orsenigo 1997:111). 309 Vgl. Malerba 2004a:13. 310 Vgl. Malerba 2004a:16. 311 Vgl. Malerba 2005:68ff; Malerba 2004a:17. 312 vgl. Oinas & Malecki 2002:106. 313 Vgl. Malerba 2004a:17ff. 314 Vgl. Malerba 2004a:16. 3 Das Aufkommen technologischer Pfade in Innovationssystemen 86 eine Co-Evolution dieser Elemente gekennzeichnet ist,315 in dem Lernen eine zentrale Rolle spielt316 und in dem an unterschiedlichen Stellen Pfadabhängigkeiten auftreten.317 Durch die inhärente Komplexität kann dieser Prozess von keinem Akteur kontrolliert, sondern höchstens beeinflusst werden. Bewusstes Design von Strukturen und ihr zu- fälliges Entstehen spielen gleichermaßen eine Rolle.318 Das Konzept Technologischer bzw. Sektoraler Innovationssysteme wurde erfolgreich für die Analyse unterschiedlicher Sektoren, Industriezweige und Produktgruppen an- gewendet. Beispiele umfassen die Pharmabranche319, die chemische Industrie,320 das Internet und die mobile Kommunikation,321 die Softwarebranche,322 den Maschinen- und Anlagenbau,323 den Service-Sektor,324 die Automobilbranche325 oder die Schiff- fahrt.326 Den möglichen Anwendungsrahmen zieht Malerba jedoch weiter: “In general, sectoral systems may prove a useful tool for descriptive analy- ses of the innovation process in sectors; for the recognition of the factors affecting innovation; for studies of the relationship between innovation and the changing boundaries of sectors; for a full understanding of the short- term and long-term dynamics and transformation of sectors; for the identifi- cation of the factors affecting the international performance of firms and countries in the different sectors and for the development of new public pol- icy indicators.”327 Auf Basis der Konzepte Technologischer bzw. Sektoraler Innovationssysteme werden in dieser Arbeit einzelne Technologien betrachtet. Damit verschiebt sich das Aggrega- tionsniveau des Innovationssystems auf die Ebene einzelner Technologien. Diese Ag- gregationsstufe findet sich in den bisher durchgeführten Studien nicht, da in der Regel sehr technologische Systeme auf einer Makro-Ebene betrachtet wurden. Um aus die- sem Grund auch eine begriffliche Abgrenzung von Technologischen sowie Sektoralen Innovationssystemen zu erreichen, wird im Folgenden die Bezeichnung des technolo- 315 Vgl. Malerba 2004a:16. 316 Aufgrund der fundamentalen Bedeutung des Lernens schlägt Edquist (2005:203) vor, den Begriff „Systems of Learning“ anstelle von „Systems of Innovation“ zu verwenden. 317 Vgl. Edquist 1997:6. 318 Vgl. Edquist 2005:191; Malerba 2004a:35; Edquist 1997:14. 319 Vgl. McKelvey, Orsenigo & Pammolli 2004. 320 Vgl. Cesaroni, Gambardella, Garcia-Fontes & Mariani 2004. 321 Vgl. Edquist 2005. 322 Vgl. Steinmueller 2004. 323 Vgl. Wengel & Shapira 2004. 324 Vgl. Tether & Metcalfe 2004. 325 Vgl. Geels 2005. 326 Vgl. Geels 2002. 327 Malerba 2005:69. 3 Das Aufkommen technologischer Pfade in Innovationssystemen 87 giebasierten Innovationssystems verwendet.328 Technologiebasierte Innovationssyste- me umfassen alle wirtschaftlichen, sozialen, politischen, organisationalen, institutionel- len sowie sonstige Faktoren, wenn sie die Entwicklung, Diffusion oder Nutzung einer Technologie beeinflussen. Zusammenfassend bieten die Innovationssystemansätze eine Konzeptionalisierung der Struktur sowie der Einflussfaktoren der Technologieentwicklung. Zudem wurden die Ansätze in zahlreichen Fällen angewendet, so dass eine hohe empirische Validität und eine grundsätzliche Anwendbarkeit für die Analyse in der Vorausschau und Planung gegeben sind. Problematisch ist, dass die Modelle bislang nur sehr eingeschränkt für die Beschreibung der Entstehung von Innovationssystemen genutzt werden.329 Der Entstehungsprozess ist jedoch besonders für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade von Relevanz. Aus diesem Grund ist eine Erweiterung der Modelle für die Anwendung in der Vorausschau und Planung notwendig. 3.1.4 Zwischenfazit: Integration der theoretischen und empirischen Grund- lagen Die diskutierten theoretischen Ansätze beschreiben die Kernkomponenten – Akteure und Institutionen – die die Struktur von Technologien ausmachen. In der Actor- Network-Theorie werden neben Individuen und Organisationen materielle Artefakte (z.B. Prototypen, Maschinen und Anlagen) berücksichtigt. Das Aufkommen einer Ent- wicklungsrichtung für eine neue Technologie wird durch das Stabilisieren von Bezie- hungen über Institutionen erklärt. Durch die Dimensionslosigkeit der Actor-Network- Theorie wird die simultane Betrachtung von Individuen (z.B. einzelne Wissenschaftler oder „Business Angels“), Organisationen auf der Mikro-Ebene (z.B. Unternehmen, Ab- teilungen von Unternehmen oder Forschungsinstitute) und Organisationen auf der Makro-Ebene (z.B. Regierungen, Regulierungsbehörden und Verbände) möglich. Ak- teure auf unterschiedlichen Ebenen schaffen und erhalten Institutionen aufrecht und werden bei ihren Handlungen von Regelwerken beeinflusst. Die Integration dieser bei- 328 Der Begriff des Technologischen Innovationssystems wird insgesamt sehr unterschiedlich ver- wendet. Hughes (1987) diskutiert in diesem Zusammenhang die Integration unterschiedlicher Technologien zu einem technologischen System. Die um Carlsson entstandenen Ansätze Tech- nologischer Innovationssysteme legen ihren Fokus auf generische Technologien (vgl. Carlsson, Jacobsson, Holmen & Rickne 2002:235). Sektorale Konzepte orientieren sich stark an Bran- chenbezeichnungen. Dies ist bei der Technologieanalyse problematisch, da Technologien zum Teil in verschiedenen Industrien eingesetzt werden. 329 Die einzigen Ausnahmen bilden Carlsson & Jacobsson 1997 und Oinas & Malecki 2002. 3 Das Aufkommen technologischer Pfade in Innovationssystemen 88 den innovationstheoretischen Ansätze bietet einen breiten Theorierahmen, der sich auf die Entstehung neuer Technologien fokussiert.330 In Ergänzung dazu bietet das Konzept technologiebasierter Innovationssysteme unter- schiedliche Potenziale für die Vorausschau und Planung neu aufkommender Techno- logien. Einerseits konzentriert sich der Ansatz auf eine Handhabung von Komplexität durch die Bildung differenzierter Kategorien (z.B. Akteure, Institutionen, Wissen, tech- nologische Artefakte) sowie durch eine Fokussierung auf zentrale Prozesse innerhalb des Systems (z.B. Lernen, Entstehen von Pfadabhängigkeiten). Damit werden die in der Actor-Network-Theorie und in der Theorie technologischer Trajektorien verwende- ten Kategorien präzisiert. Andererseits verfolgen Innovationssystem-Ansätze das An- liegen, sämtliche Einflussfaktoren auf den Innovationsprozess zu erfassen. Dies stellt eine wesentliche Voraussetzung für ein ganzheitliches Modell der Entstehung neuer Technologien dar, wie es für die Fundierung der Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade benötigt wird. Im Gegensatz zu einer traditionellen ceteris-paribus- Sichtweise können mit Hilfe dieses Konzeptes co-evolutorische Prozesse in Netzwer- ken, institutionellen Strukturen, technologischen Artefakten und Wissen abgebildet werden. Modelle Technologischer Innovationssysteme wurden bereits erfolgreich für die Analyse des Innovationsprozesses in unterschiedlichen Kontexten angewendet, so dass auch von einer Anwendbarkeit in der Vorausschau und Planung auszugehen ist. Problematisch bei der Integration dieser drei Konzepte ist, dass bisher nur in Ausnah- mefällen das Entstehen neuer Innovationssysteme analysiert wurde.331 Für ein Modell des Aufkommens neuer technologischer Pfade ist daher eine Dynamisierung des Inno- vationssystem-Ansatzes erforderlich. Das erweiterte Innovationssystem-Modell soll den Prozess, in dem technologische Pfade zusammen mit technologiebasierten Innovati- onssystemen entstehen, abbilden. In Abschnitt 3.4 wird dieses Modell konzipiert. Davor findet eine detaillierte Beschreibung des Aufbaus von Innovationssystemen statt. Die- ser Aufbau umfasst sowohl die Strukturelemente (Akteure, Institutionen, Wissen, Arte- fakte) als auch die Funktionen des Systems. 330 Eine ähnliche Kombination der Actor-Network-Theorie und der Theorie technologischer Trajekto- rien findet sich bei Kumaresan und Miyazaki (2001). Die Autoren betonen die Bedeutung des Entstehens neuer Strukturen, allerdings ohne die Verknüpfung mit dem Ansatz Technologischer Innovationssysteme herzustellen (vgl. Kumaresan & Miyazaki 2001:436f.) 331 Ausnahmen finden sich bei Oinas und Malecki (2002) und Carlsson und Jacobsson (1997), die sich allerdings auf eine sehr grobe Einteilung unterschiedlicher Phasen beschränken (vgl. hierzu auch Abschnitt 3.4). Geels (2002) beschreibt den Wechsel zwischen zwei konkurrierenden so- zio-technischen Systemen. 3 Das Aufkommen technologischer Pfade in Innovationssystemen 89 3.2 Strukturelemente Das Ziel dieses Abschnitts besteht darin, die wesentlichen Elemente eines technolo- giebasierten Innovationssystems zu definieren und eine Kategorisierung für die An- wendung dieses Konzepts in der Vorausschau und Planung zu entwickeln. Den Aus- gangspunkt bilden die vier unterschiedlichen Element-Typen. Handlungstragende Ak- teure innerhalb eines Technologiefeldes können Individuen und Organisationen sein. Die Akteure greifen auf einen Stock von spezifischem Wissen zurück und erweitern, vertiefen und rekombinieren diesen. Ein institutionelles Regelwerk stabilisiert die Be- ziehungen der Akteure zueinander. Des Weiteren manifestieren sich Handlungen, technologisches Wissen und Institutionen in den technologischen Artefakten eines In- novationssystems.332 Elemente werden einem technologiebasierten Innovationssystem zugeordnet, wenn sie einen Einfluss auf den Innovationsprozess in diesem Feld aus- üben. 3.2.1 Akteure: Individuen und Organisationen Akteure sind definiert als Träger einer Handlung.333 Akteure innerhalb eines technolo- giebasierten Innovationssystems sind sowohl Individuen als formal strukturierte Orga- nisationen.334 Bei Individuen kann es sich beispielsweise um einzelne Personen For- scher, Manager, Ingenieure oder Designer handeln. Organisationen können unter an- derem Firmen, einzelne Abteilungen, Forschungsinstitutionen, Regierungen oder Be- hörden sein. Von besonderer Bedeutung für die Entwicklung von Technologien in ei- nem marktwirtschaftlichen Umfeld sind Unternehmen. Diese stellen einen wesentlichen „Lokus“ der Innovation dar, wie das Zitat von Constant belegt. “Purchase or use of almost any modern technology is mediated by the complex organizations that are required to integrate the knowledge and re- sources necessary to produce and distribute the artefact or service.”335 Mit dem Aufkommen einer neuen Technologie entstehen neue Akteur-Netzwerke, die einem technologiebasierten Innovationssystem zugeordnet werden können.336 Jeder einzelne Akteur ist gekennzeichnet durch spezifische Ziele, Erwartungen und Kompe- 332 Diese Teilung in vier Elemente unterscheidet sich von anderen Ansätzen auf dem Feld der Inno- vationssysteme. Malerba (2005:66f.) unterscheidet Wissen und Technologie, Akteure und Netz- werke sowie Institutionen. Ehrnberg und Jacobsson (1997:330ff.) grenzen wirtschaftliche Kom- petenzen, Netzwerke und Institutionen voneinander ab. 333 Vgl. Callon 1992:4; Callon 1991:80. 334 Vgl. Edquist 2005:188. 335 Constant 1987:231. 336 Vgl. Callon, Larédo & Mustar 1997:389. 3 Das Aufkommen technologischer Pfade in Innovationssystemen 90 tenzen. Diese Merkmale beeinflussen sein Handeln ebenso wie Faktoren aus seinem Umfeld (vgl. Abbildung 4).337 Die Akteure in einem Technologiefeld sind durch Hetero- genität dieser Merkmale gekennzeichnet. Akteur • Visionen • Befürchtungen Erwartungen • Gewinn • Reputation Ziele • Einfluss- faktoren Umfeld • technisch • organisa- torisch Kompetenzen Abbildung 4: Handlungsbestimmende Faktoren eines Akteurs [Quelle: eigene Darstellung] Die Akteure innerhalb eines Technologiefeldes stehen in Beziehung zueinander und formen hierdurch ein für ein technologiebasiertes Innovationssystem charakteristisches Netzwerk.338 Bei diesen Beziehungen kann es sich unter anderem um Kooperations- vereinbarungen, strategische Allianzen, Entwicklungsverträge, Freundschaften, ge- meinsame Mitgliedschaften in Forschergruppen, Patentstreitigkeiten, wissenschaftliche Zitationen, gemeinsame Doktorväter oder den Austausch von Gütern und Dienstleis- tungen handeln. Entscheidend für das Vorhandensein eines Netzwerks ist es, dass Beziehungen zwischen mindestens drei Akteuren vorliegen, unabhängig von dem Cha- rakter dieser Relationen.339 Die Verbindung heterogener Akteure erfolgt bei neuen Technologien häufig mit dem Ziel, unterschiedliche Kompetenzen zu integrieren, die beispielsweise für die Forschung und Entwicklung benötigt werden. Ebenso wie in der Actor-Network-Theorie können auch Netzwerke als Akteur definiert sein. Dabei hängt die Wahl der untersuchten Einheit von dem Ziel der Modellanwendung ab. Für die Ana- lyse von Wettbewerbern kann es sinnvoll sein, das Unternehmen als Einheit zu unter- suchen, für die Identifikation von profilierten Forschern oder Forschergruppen sollte eine auf Individuen bzw. Abteilungen gerichtete Analyse erfolgen. Ein Akteur-Netzwerk ist wiederum von anderen Netzwerken umgeben, die sich im Umfeld dieses Netzwerks befinden. 337 Vgl. hierzu Malerba 2004a:24; Callon 1991:142f.; Burns & Flam 1987:3f. 338 Diese Netzwerke unterschieden sich beispielsweise durch ihre Länge, die Breite oder den Grad der Polarisierung (Callon, Larédo. & Mustar 1997:389ff.). 339 Damit folgt das vorgestellte Modell Technologischer Innovationssysteme dem Netzwerkver- ständnis der Actor-Network-Theorie. Grundsätzlich führt dies weg von einer ausschließlichen Fi- xierung auf Unternehmensnetzwerke. Vor dem Hintergrund unterschiedlicher Ziele der Analyse 3 Das Aufkommen technologischer Pfade in Innovationssystemen 91 Innerhalb eines Innovationssystems können die Akteure den vier Netzwerkpolen • Technologie & Produktion, • Markt & Anwendung, • Staat und • Wissenschaft zugeordnet werden.340 Die Verteilung spezifischer Akteure auf unterschiedliche Pole ist jeweils für ein technologiebasiertes Innovationssystem charakteristisch. Eine beispiel- hafte Darstellung von Akteuren und deren Beziehungen innerhalb und zwischen den Netzwerkpolen findet sich in Abbildung 5. Technologie & Produktion Markt & Kunden Wissenschaft Politik & Regulierung Abbildung 5: Akteur-Netzwerke an unterschiedlichen Polen eines technologiebasierten Innovationssystems [Quelle: eigene Darstellung, in Anlehnung an de Laat 2000:9] Unabhängig von der Zuordnung zu einem Netzwerkpol können die Akteure unter- schiedliche Rollen einnehmen. Beispielsweise lassen sich „Gatekeeper", die Informati- onen aus einem Cluster341 innerhalb des Netzwerks an andere Cluster oder an andere Akteur-Netzwerke weitergeben, „Hubs", die zahlreiche Akteure verbinden, oder „Infor- (beispielsweise der Identifikation profilierter Forscher vs. der Analyse von Wettbewerbern) ist diese Erweiterung angebracht. 340 Vgl. hierzu de Laat 2000:9ff.; Callon 1992:73f. sowie die Untersuchung von van Merkerk & Ro- binson 2006:418. Diese Zuordnung ist nicht immer trennscharf möglich. Beispielsweise könnten Lead-User aufgrund ihrer in manchen Branchen zentralen Rolle für den Entwicklungsprozess dem Pol „Technologie & Produktion“ zugeordnet werden (vgl. von Hippel 1979:90f. und 1978:40) während ebenso eine Zuordnung zu dem Pol „Markt & Anwendung“ vorstellbar ist. 341 Cluster bezeichnen Gruppen von Akteuren innerhalb des Netzwerks, die besonders intensive oder enge Verbindungen zueinander aufweisen. 3 Das Aufkommen technologischer Pfade in Innovationssystemen 92 mation Brokers", die Informationen von außerhalb des Netzwerks einbringen, unter- scheiden.342 Die Verbindungen der Akteur-Netzwerk-Perspektive mit weiteren Strukturelementen des Innovationssystems können sich wie folgt gestalten. Das Herausbilden von Netz- werken innerhalb eines technologiebasierten Innovationssystems ist das Ergebnis der Handlungen von Akteuren. Ebenso sind die Hervorbringung, Verdrängung und Auf- rechterhaltung von Institutionen, die Herstellung technologischer Artefakte sowie die Veränderung der Wissensbasis innerhalb des Technologiefeldes Resultat individueller und organisatorischer Handlungen.343 Umgekehrt haben diese Strukturelemente einen Einfluss auf die Akteurs- und Netzwerklandschaft, wie in den folgenden Abschnitten diskutiert wird. 3.2.2 Institutionen In dieser Arbeit werden Institutionen als Regeln menschlicher Interaktion definiert. Da der Innovationsprozess auf interaktiven Lernprozessen basiert, liegt ein erheblicher Einfluss des institutionellen Umfelds auf die Entwicklung neuer Technologien vor.344 Die institutionellen Regelungen innerhalb eines Innovationssystems führen über drei Funktionen zu einem gerichteten Innovationsprozess: • die Reduktion von Unsicherheit, • die Regelung von Interaktion und • das Setzen von Anreizen.345 Insbesondere im Kontext der Entstehung technologiebasierter Innovationssysteme haben diese Funktionen eine wesentliche Bedeutung. Beispielsweise reduzieren Haf- tungs- und Qualitätsgesetze die Unsicherheit im Zusammenhang mit neuen Produkten und schaffen so die Voraussetzung für die Akzeptanz dieser Produkte. Gleichzeitig regeln diese Normen Verfahrensweisen, um mit Konflikten zwischen den Interaktions- partnern umzugehen, wie beispielsweise Nachweispflichten bei Gewährleistungsfällen. Durch Suchheuristiken sowie akzeptierte Problemlösungen werden zudem Anreize gesetzt, eine neue Technologie in eine bestimmte Richtung zu entwickeln. Ebenso können Standards, an denen sich die Akteure innerhalb eines Innovationssystems ori- entieren, eine koordinierende Wirkung entfalten. Neben der Förderung von Innovatio- 342 Vgl. Spencer 2003:432; Stephenson 1998:41. 343 Vgl. hierzu auch Burns & Flam 1987:3f. 344 Vgl. Edquist & Johnson 1997:51. 345 Vgl. Edquist & Johnson 1997:51. 3 Das Aufkommen technologischer Pfade in Innovationssystemen 93 nen hat das institutionelle Regelwerk aber auch die Wirkung einer Barriere, wenn etab- lierte Standards Innovationen hemmen. Sind Materialien oder Bearbeitungsverfahren standardisiert, verhindert dies möglicherweise den Einsatz technologisch überlegener Verfahren oder Werkstoffe. Des Weiteren bieten neue Technologien insbesondere in der frühen Entwicklungsphase häufig nicht die gleiche Zuverlässigkeit wie etablierte Verfahren. Gewährleistungspflichten können in solchen Fällen zu einem Hindernis der Etablierung neuer Produkte werden.346 Institutionen können nach verschiedenen Kriterien klassifiziert werden. Unterscheiden lassen sich formelle und informelle Institutionen,347 harte und weiche Institutionen348 oder formale, normative und kognitive Institutionen.349 Aufgrund ihrer Verbreitung in Wissenschaft und Unternehmen wird für die Vorausschau und Planung in der vorlie- genden Arbeit auf eine Unterscheidung von formellen und informellen Institutionen zu- rückgegriffen. Es wird unterstellt, dass die Regelungen auf einem Kontinuum zwischen einem formellen und einem informellen Ende liegen. Beispielsweise kann eine Instituti- on rein formell (z.B. in Form eines Gesetzes, das bestimmte technologische Ansätze untersagt und Sanktionen definiert) oder ausschließlich informell (z.B. ein erwartetes Einsatzgebiet einer Technologie) sein. Häufig ist eine eindeutige Zuordnung jedoch nicht möglich,350 vor allem da formelle und informelle Regelungen in der Regel inein- ander greifen.351 Neben einer Trennung von formellen und informellen Institutionen können die ein Netz- werk betreffenden Regelungen nach vier Netzwerkpolen unterschieden werden.352 Geels geht davon aus, dass jede dieser Sphären über ein spezifisches institutionelles Geflecht verfügt. Im Folgenden wird unterstellt, dass spezifische Regelungen am Poli- tik- und Regierungspol, am Pol „Technologie & Produktion“, an dem Markt- und An- wendungspol sowie am Wissenschaftspol vorzufinden sind. Beispiele für solche Rege- 346 Zu der Uneindeutigkeit der Wirkung von Institutionen in Innovationssystemen vgl. Edquist & Johnson 1997:54f. Dies gilt unter anderem auch für Routinen in Unternehmen, die auf der einen Seite den Umgang mit neuen Technologien ermöglichen, auf der anderen Seite aber spezifisch für etablierte Technologien sein können (vgl. Pavitt & Steinmueller 2002:354ff.). 347 Vgl. Kasper & Streit 1999:31; Edquist & Johnson 1997:54. 348 Unter „harten“ Institutionen werden bindende Regelungen, unter „weichen“ Institutionen eher grundsätzliche Empfehlungen verstanden (vgl. Edquist & Johnson 1997:50). 349 Vgl. Coriat & Weinstein 2004:329f.; Scott 1995:33. 350 Beispielsweise sind Kriterien für wissenschaftliches Arbeiten teilweise schriftlich fixiert, deren Inhalt ist jedoch nicht abschließend definiert, es sind wenige Sanktionen festgelegt und die Re- gelung ist nicht für die Akteure bindend. 351 Vgl. Geels 2004:905; Coriat & Weinstein 2004:329. Z.B. wird die Umsetzung von gesetzlichen Regelungen zum Umweltschutz in Standards konkretisiert, die eine bestimmte Nutzungsweise des Endproduktes unterstellen. In diesem Fall sorgt ein Geflecht von formellen (gesetzlichen und normativen) und informellen Regelungen für die Berücksichtigung von Umweltschutzaspekten bei der Umsetzung einer neuen Technologie. 352 Vgl. Geels 2004:906. 3 Das Aufkommen technologischer Pfade in Innovationssystemen 94 lungen sind in Abbildung 6 entlang des Kontinuums von formellen zu informellen Insti- tutionen dargestellt. Ergänzt werden diese Regelungen innerhalb des technologieba- sierten Innovationssystems durch Regelungen, die sich im Umfeld befinden. Technologie & Produktion Markt & Anwendung Staat Wissenschaft formell informellinstitutionelle Regelungen Patentierungs- regelungen Produkt- standards nachhaltige Produkte und Prozesse Nutzungsweise (Handbuch) Nutzungsweise (Erfahrung) Rechtsbindung des Handelns Konsultation von Stakeholdern vor Gesetzesinitiativen Verbote von Forschungs- richtungen Publikationsregeln in Zeitschriften Abbildung 6: Institutionelle Regelungen an unterschiedlichen Polen eines technologiebasierten Innovationssystems [Quelle: eigene Darstellung] Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Institutionen durch Akteure entste- hen und die Handlungen dieser Akteure wiederum beeinflussen. Weiterhin wird unter- stellt, dass sich Institutionen in dem Design der Artefakte eines Netzwerks nieder- schlagen, z.B. im Fall von Produktstandards. Da Institutionen einen richtungsweisen- den Charakter besitzen, beeinflussen sie die in einem Technologiefeld akkumulierte Wissensbasis und die zulässigen Lernmodi. Umgekehrt können Veränderungen in der Wissensbasis neue Regelungsbemühungen, etwa das Aufstellen neuer Standards, auslösen. 3.2.3 Wissensbasis Jedes technologiebasierte Innovationssystem verfügt über eine charakteristische Wis- sensbasis.353 In Anlehnung an Davenport und Prusak wird Wissen im Rahmen dieser Arbeit wie folgt definiert als: “[...] fluid mix of framed experience, values, contextual information, and ex- pert insight that provides a framework for evaluating and incorporating of 353 Vgl. Malerba 2005:66; Carlsson & Jacobson 1997:268. 3 Das Aufkommen technologischer Pfade in Innovationssystemen 95 new experiences and information. It origins and is applied in the mind of knowers. In organizations it often becomes embedded not only in docu- ments or repositories, but also in organizational routines, process practices, and norms.”354 Der Wissensbegriff umfasst somit die Komponenten Kenntnisse und Fähigkeiten, die in einem Kontext mit Personen, Normen, Werten und Handlungen stehen.355 Dieser Kon- text ist die Voraussetzung dafür, dass „reine" Informationen, die aus Daten und Zei- chen aufgebaut sind, zu Wissen werden.356 Wissen lässt sich in die Kategorien implizi- tes und explizites Wissen einteilen.357 Ersteres umfasst nach Weissenberger-Eibl the- menabhängiges Kontextwissen, situationsbezogenes Horizontwissen sowie lebens- weltliches Hintergrundwissen.358 Es lässt sich durch Sprache und Zeichen nur schwie- rig vermitteln. Formales, explizites Wissen liegt beispielsweise in Dokumenten vor und kann über Sprache und Zeichen eindeutig kommuniziert werden.359 Das in einem technologiebasierten Innovationssystem vorhandene Wissen lässt sich den Polen „Wissenschaft“, „Technologie & Produktion“, „Markt & Anwendung“ sowie „Politik“ zuordnen.360 Bei Wissen im Bereich des wissenschaftlichen Pols handelt es sich vor allem um Grundlagenwissen in den Bereichen der Naturwissenschaften und der Medizin, das durch Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten generiert wurde. Der Pol von Technologie und Produktion umfasst sowohl Wissen über die Produkt- und Prozessgestaltung (z.B. Designs und Konstruktionsprinzipien) als auch Wissen über die Integration unterschiedlicher Technologien, Komponenten und Ausgangsmateria- lien.361 Wissen im Bereich von Märkten und Anwendungen setzt sich auf der Anbieter- seite aus Kenntnissen von Kundenbedürfnissen, Kaufverhalten, Vertrieb und Marketing und auf der Nachfragerseite aus Kenntnissen über die Anwendung, alternative Anbie- ter und Qualität zusammen.362 Im Regierungsbereich handelt es sich vorwiegend um Wissen über Technikfolgen in Gesellschaft und Umwelt sowie um nationale Standort- wirkungen. Das Wissen im politischen Bereich wird vor allem für die Regulierung einer Technologie genutzt. 354 Davenport & Prusak 2000:24. 355 Vgl. Weissenberger-Eibl 2006:26f. 356 Vgl. Weissenberger-Eibl 2006:27; Rehäuser & Krcmar 1996:6. 357 Vgl. hierzu Weissenberger-Eibl 2006:3; Für eine Übersicht über verschiedene Wissensbegriffe und Vertreter vgl. Weissenberger-Eibl 2006:249ff. 358 Vgl. Weissenberger-Eibl 2006:27. 359 Vgl. Polanyi 1985:10. 360 Vgl. Bergek, Jacobsson, Carlsson, Lindmark & Rickne 2006:12 für eine Einteilung nach den Wissenstypen Wissenschaft, Produktion, Technologie, Markt, Logistik, Anwendung und Design. 361 Vgl. Danneels 2002:1103; vgl. hierzu auch Moncada-Paternò-Castello, Rojo, Bellido, Fiore & Tübke 2003:666. 362 Vgl. Danneels 2002:1102f. 3 Das Aufkommen technologischer Pfade in Innovationssystemen 96 Im Zeitablauf wird der Wissensbasis eines technologiebasierten Innovationssystems neues Wissen hinzugefügt, Wissen wird verändert und weiterentwickelt sowie verteilt und gespeichert.363 Die vorherrschenden Arten des Wissens sowie die Wissensvertei- lung an den unterschiedlichen Polen können sich im Verlauf des Innovationsprozesses wandeln.364 Gerade in der frühen Entwicklungsphase eines Innovationssystems rekur- riert die Wissensbasis auf Wissen aus anderen Systemen, bevor sich eine eigene, cha- rakteristische Wissensbasis herausbildet. Im Folgenden werden die Zusammenhänge mit anderen Elementen technologiebasier- ter Innovationssysteme diskutiert. Akteure können als wesentliche Träger des Wissens definiert werden. Individuen sind die bedeutendsten Träger impliziten Wissens, wäh- rend sich explizites Wissen vor allem in Organisationen in Form von Routinen manifes- tiert. Die Akteure beeinflussen durch ihre Handlungen die Wissensbasis eines Innova- tionssystems, indem z.B. neues Wissen hervorgebracht und genutzt wird. Wissen über eine Technologie beeinflusst das institutionelle Umfeld, da es teilweise neue gesetzli- che Regelungen (z.B. im Fall der Gentechnik) oder eine Veränderung der Nutzungs- gewohnheiten (z.B. im Fall der Einführung des Mobilfunks) erfordert. Wissen bildet außerdem die Voraussetzung für die Gestaltung und für die Anwendung technologi- scher Artefakte. 3.2.4 Technologische Artefakte Eine weitere Klasse von Strukturelementen innerhalb von Innovationssystemen sind technologische Artefakte. Als technologische Artefakte werden einzelne Gegenstände oder Gruppen von Gegenständen bezeichnet, die durch menschliche Handlungen ent- stehen und die zusammen oder alleine eine bestimmte Funktion erfüllen.365 Es kann sich beispielsweise um Produktionsstätten, Maschinen, Anlagen, Roboter, wissen- schaftliche Instrumente, Zwischen- oder Endprodukte handeln. Ein technologiebasier- tes Innovationssystem umfasst eine Vielzahl technologischer Artefakte, die einzeln oder mit mehreren Artefakten und Personen zusammenwirken. Technologische Arte- fakte und die Verbindungen zwischen ihnen sind wesentliche Charakteristika eines technologiebasierten Innovationssystems.366 363 Vgl. Foray 1997:64; Smith 1997:95. Die Prozesse, die im Zusammenhang mit der Erweiterung und Verbreitung der Wissensbasis stehen, werden in Abschnitt 3.3.2 vertiefend diskutiert. 364 Vgl. Malerba & Orsenigo 1997:97. 365 Vgl. Callon 1991:135 366 Vgl. Malerba 2005:66. Bestimmte Produktionsverfahren und die zugehörige Produktionsinfra- struktur können spezifisch für Technologien, wie beispielsweise Anlagen für das Spritzgießen in der Herstellung von Kunststoffbauteilen, sein. 3 Das Aufkommen technologischer Pfade in Innovationssystemen 97 Im Entstehungsprozess eines Innovationssystems bildet sich eine spezifische Struktur technologischer Artefakte heraus. Zum einen werden vorhandene Artefakte neu kom- biniert oder verändert, beispielsweise wenn auf vorhandenen Produktionsstraßen neue Produktionsprozesse realisiert werden. Zum anderen kann für die Herstellung oder Anwendung neuer Technologien das Schaffen neuer Artefakte erforderlich sein. Dies gilt z.B. für neue Zwischen- und Endprodukte oder hochspezialisierte Fertigungsma- schinen. Grundsätzliche Beziehungen technologischer Artefakte zu anderen Elemente techno- logiebasierter Innovationssysteme werden im Folgenden dargestellt. Technologische Artefakte werden durch die Handlungen der Akteure erstellt oder kombiniert. Dabei manifestieren sich bestimmte Verhaltenserwartungen der Ingenieure und formelle Re- geln im Design der Artefakte. Fertigungsmaschinen werden entsprechend gesetzlich definierter Sicherheitsanforderungen konstruiert und Endprodukte implizieren durch ihre Gestaltung eine bestimmte Art der Anwendung. Artefakte beeinflussen daher das Zusammenwirken und Handeln der Akteure in einem Innovationssystem maßgeblich. In der Art und Weise der Integration von Artefakten innerhalb eines Innovationssys- tems spiegelt sich außerdem die verfügbare Wissensbasis innerhalb des Systems wi- der. Beispielsweise kann für den Entwurf eines Produktionsablaufs der Erwerb von neuem Wissen erforderlich sein oder neue Kenntnisse können eine Anpassung der Produktionsstruktur nahelegen. Ebenso ist das Design eines Endprodukts das Ergeb- nis des Wissens über Kundenanforderungen, Produktionsmöglichkeiten, Anwendungen oder Faktorpreise. 3.3 Funktionen Im Folgenden werden – anknüpfend an die vorangegangene Diskussion der Elemente – unterschiedliche Funktionen technologiebasierter Innovationssysteme vorgestellt. Die Berücksichtigung einer Funktionsperspektive bietet mehrere Potenziale bei der Analy- se dieser Systeme:367 • Die statische Betrachtung von Systemelementen wird um eine Prozessperspek- tive erweitert.368 • Es können diejenigen Funktionen identifiziert werden, die von den Akteuren ei- nes Systems nur unzureichend erfüllt werden. 367 Auf den Forschungsbedarf im Zusammenhang mit dem Verständnis von Funktionen von Innova- tionssystemen und deren Potenzial weisen unter anderem Edquist (2005:201) sowie Balzat & Hanusch (2004:201) hin. 368 Vgl. Bergek, Jacobsson, Carlsson, Lindmark & Rickne 2006:11; Edquist 2005:201; Liu & White 2001:1092. 3 Das Aufkommen technologischer Pfade in Innovationssystemen 98 • Konkurrierende Technologien innerhalb eines Innovationssystems lassen sich nach dem Grad der Erfüllung unterschiedlicher Funktionen beurteilen. Die Kernthese der Betrachtung von Funktionen eines Innovationssystems lautet, dass in vollständig entwickelten Innovationssystemen ein charakteristisches Set an Funktio- nen erfüllt wird.369 In Anlehnung an Bergek, Jacobsson, Carlsson, Lindmark und Rickne werden Funktionen im Folgenden als die zentralen Prozesse innerhalb eines technolo- giebasierten Innovationssystems verstanden.370 Diese dienen der Erfüllung der „übergreifenden Zielsetzung“371 beziehungsweise der „Hauptfunktion“372 eines Innovationssystems, und zwar „dem Aufrechterhalten von In- novationsprozessen, das heißt der Entwicklung, Verbreitung und Nutzung von Innova- tionen.“373 Zum Umfang und zu der Bezeichnung einzelner Funktionen existieren ver- schiedene Ansätze,374 die in Tabelle 2 gegenübergestellt sind. Alle Autoren weisen darauf hin, dass die Funktionen eines Innovationssystems eng miteinander verknüpft sind.375 Ein Vergleich der von unterschiedlichen Autoren definierten Funktionen zeigt, dass die neueren Beiträge jeweils einen Kern von sechs bis sieben Funktionen identifi- zieren. Dagegen differieren die Anzahl und die Bezeichnungen der Funktionen bei den früheren Beiträgen sehr stark. Insbesondere die Konzepte von Hekkert, Suurs, Negro, Kuhlmann und Smits376 sowie von Bergek, Jacobsson, Carlsson, Lindmark und Rickne377 sind nahezu deckungsgleich in Bezug auf die Funktionsbezeichnung und die Inhalte. In dieser Arbeit wird eine Klassifikation von sechs Funktionen als Grundlage der Vor- ausschau und Planung neuer Technologiepfade vorgeschlagen. Diese lehnt sich aus den im Folgenden diskutierten Gründen an die Arbeiten von Hekkert, Suurs, Negro, Kuhlmann und Smits sowie Bergek, Jacobsson, Carlsson, Lindmark und Rickne an. 369 Vgl. hierzu Bergek & Jacobsson 2003:198. 370 Vgl. Bergek, Jacobsson, Carlsson, Lindmark & Rickne 2006:11. 371 Vgl. Bergek, Jacobsson, Carlsson, Lindmark & Rickne 2006:11. 372 Vgl. Edquist 2005:182. 373 Edquist 2005:182. „The main function in SIs [Systems of Innovation, d.V.] is to pursue innovation processes, i.e. to develop, diffuse and use innovations.”. 374 Innerhalb dieser Debatten werden sowohl die Bezeichnungen „Funktion“ (Bergek, Jacobsson, Carlsson, Lindmark & Rickne 2006; Bergek & Jacobsson 2003, Rickne 2000) und „Aktivität“ (Hekkert, Suurs, Negro, Kuhlmann & Smits 2006; Edquist 2005; Liu & White 2001), synonym verwendet. Nach Edquist (2005:182) werden Aktivitäten innerhalb eines Innovationssystems als diejenigen Faktoren definiert, die die Entwicklung, Diffusion und Nutzung von Innovationen be- einflussen. In dieser Arbeit wird ausschließlich der Begriff der Funktion verwendet. 375 Vgl. hierzu unter anderem Bergek & Jacobsson 2003:199. 376 Vgl. Hekkert, Suurs, Negro, Kuhlmann und Smits 2006:9ff. 377 Vgl. Bergek, Jacobsson, Carlsson, Lindmark & Rickne 2006:11ff. 3 Das Aufkommen technologischer Pfade in Innovationssystemen 99 Rickne 2000 Bergek & Jacobsson 2003 Liu & White 2001 Edquist 2005 Hekkert et al. 2006 Bergek et al. 2006 • Schaffen von Hu- mankapital • Schaffen und Verbrei- ten techno- logischer Chancen • Inkubatoren (Gebäude, Ausrüstung, administra- tive Unter- stützung) • Fördern von Regulierun- gen • Legitimie- rung von Technologie und Unter- nehmen • Schaffen von Märkten und Markt- wissen • Unterstüt- zen von Networking • Führen von Markt- und Partnersu- che • Fördern von Finanzie- rungen • Schaffen eines Ar- beitsmark- tes • Schaffen neuen Wis- sens • Richtungs- gebung für den Such- prozess • Bereitstellen von Res- sourcen • Schaffen positiver ex- terner Effek- te • Fördern der Entstehung von Märkten • Bildung • Forschung und Ent- wicklung • Implemen- tierung • Endanwen- dung • Verbindung • Forschung und Ent- wicklung • Kompe- tenzaufbau • Formation neuer Pro- duktmärkte • Kommuni- kation von Qualitätsan- forderungen • Schaffen und Verän- dern von Organisati- onen • Networking durch Märk- te und an- dere Me- chanismen • Schaffen und Verän- dern von Institutionen • Inkubation • Finanzie- rung • Consulting • Gründertä- tigkeiten • Wissens- entwicklung • Wissens- verbreitung • Richtungs- gebung für den Such- prozess • Marktbil- dung • Schaffen von Legiti- mität, Ü- berwinden von Hinder- nissen • Mobilisie- rung von Ressourcen • Wissens- entwicklung und - verbreitung • Richtungs- gebung für den Such- prozess • Gründungs- bemühun- gen • Marktbil- dung • Legitimie- rung • Mobilisie- rung von Ressourcen • Schaffen positiver ex- terner Effek- te Tabelle 2: Funktionen von Innovationssystemen [Quelle: Liu & White 2001:1093; Bergek & Jacobsson 2003:198f.; Rickne 2000:175; Edquist 2005:190f.; Hekkert, Suurs, Negro, Kuhlmann & Smits 2006:9ff.; Bergek, Jacobsson, Carlsson, Lindmark & Rickne 2006:11ff.] Erstens berufen sich diese Autorengruppen bei der Zusammenstellung des Funktions- sets auf empirische Arbeiten sowie eine Synthese der vorangegangenen theoretischen 3 Das Aufkommen technologischer Pfade in Innovationssystemen 100 Beiträge,378 während sich die übrigen Autoren vornehmlich auf empirische Arbeiten in bestimmten Industrien oder Ländern stützen.379 Der Geltungsbereich des theoretisch und empirisch begründeten Funktionssets ist potenziell höher. Zweitens ist die Abgren- zung der Funktionen untereinander in diesen Konzepten besser möglich als bei den Autoren, die besonders viele Funktionen unterscheiden. 380 Dies vereinfacht eine Ope- rationalisierung im Rahmen der Vorausschau und Planung. Drittens beziehen sich die beiden oben genannten Autorengruppen auf das Konzept Technologischer Innovati- onssysteme.381 Es wird unterstellt, dass das für Technologische Innovationssysteme spezifische Set für die Anwendung auf technologiebasierte Innovationssysteme im Sinne dieser Arbeit besser geeignet ist als die übrigen Funktionsunterscheidungen. Viertens erscheint dieses Funktionsset für die Vorausschau und Planung am besten geeignet, da sich die hier bezeichneten Funktionen weitgehend komplementär zu den Strukturelementen technologiebasierter Innovationssysteme verhalten. Somit wird eine zusätzliche Sichtweise auf den Innovationsprozess ermöglicht, die Redundanzen mit der Element-Perspektive vermeidet. Fünftens weisen die späteren Anätze eine Kon- vergenz in der Funktionsbeschreibung auf. Dies könnte auf einen beginnenden Kon- sens im Bereich der Funktionsdefinition hindeuten. Zu den Funktionen technologiebasierter Innovationssysteme in dieser Arbeit werden daher die Schaffung und Verbreitung von Wissen, das Beeinflussung der Richtung des Forschungsprozesses, Gründungsaktivitäten, die Bildung von Märkten, die politische Legitimierung und die Mobilisierung von Ressourcen gezählt. Die bei Bergek, Jacobs- son, Carlsson, Lindmark und Rickne beschriebene Funktion der „Erzeugung von Ex- ternalitäten“ wird als kollektives Ergebnis der übrigen Aktivitäten verstanden und daher nicht vertiefend betrachtet.382 Die folgenden Abschnitte stellen diese Funktionen ein- 378 Vgl. Bergek, Jacobsson, Carlsson, Lindmark & Rickne 2006:12; Hekkert, Suurs, Negro, Kuhl- mann und Smits 2006:9. 379 Vgl. Bergek & Jacobsson 2003; Liu & White 2001; Rickne 2000. 380 Beispielsweise könnte bei Edquist (2005:190f.) die „Kommunikation von Qualitätsanforderungen“ dem „Schaffen und Verändern von Institutionen“ zugeordnet werden. Die Funktionen „Inkubati- on“ und „Finanzierung“ liegen ebenso wie die Funktionen „Formation neuer Produktmärkte“ und „Networking durch Märkte und andere Mechanismen“ sehr dicht beieinander. Ähnlich verhält es sich bei dem „Führen von Markt und Partnersuche“ und dem „Schaffen und Verbreiten technolo- gischer Chancen“, dem „Schaffen von Humankapital“ und dem „Schaffen eines Arbeitsmarktes“ oder dem „Fördern von Finanzierungen“ und der „Inkubation“ bei Rickne (2000:175). 381 Liu & White (2001:1092) betrachten das nationale chinesische Innovationssystem. Edquist (2005:201) nimmt eine übergreifende Perspektive ein. 382 Vgl. hierzu auch die Darstellung von Bergek, Jacobsson, Carlsson, Lindmark & Rickne (2006:20ff.) bei der deutlich wird, dass positive Externalitäten durch eine Erfüllung der übrigen Funktionen entstehen. Verstärkte Gründungstätigkeiten führen zu einem insgesamt gesteigerten Ressourcenzufluss sowie zu der Bildung neuer Märkte und zur Herausbildung einer Entwick- lungsrichtung. Somit lässt sich die Funktion der „Entstehung von Externalitäten“ als Ergebnis der einzelnen Funktionen verstehen und unter diese Funktionen subsumieren. 3 Das Aufkommen technologischer Pfade in Innovationssystemen 101 schließlich ihrer Verbindung zu den Strukturelementen technologiebasierter Innovati- onssysteme dar. 3.3.1 Mobilisierung von Ressourcen Der Input von Ressourcen ist eine Grundvoraussetzung für die Entwicklung eines technologiebasierten Innovationssystems. Es handelt sich um unterschiedliche zu mo- bilisierende Ressourcen, wie Humanressourcen, finanzielle Ressourcen oder physika- lische Ressourcen.383 Innerhalb der Kategorie der Humanressourcen kann es sich bei- spielsweise um qualifizierte Arbeitskräfte handeln, die durch spezielle Lehr- und Stu- diengänge, innerbetriebliche Weiterbildungsangebote, Diplom- oder Doktorarbeiten sowie sonstige universitäre Veranstaltungen mobilisiert werden; um Manager, Unter- nehmensgründer und Finanziers, die durch die Erwartung von Renditen, Verdienst- möglichkeiten, von strategischen Wettbewerbsvorteilen oder attraktiven Zukunftsmärk- ten angezogen werden oder um Wissenschaftler, die durch neue Forschungspro- gramme, das Vergeben von Forschungsstipendien oder Forschungspreise angezogen werden. In der Kategorie des intellektuellen Kapitals können Rechte wie Lizenzen oder Patente zu mobilisieren sein, um innovative Tätigkeiten, wie die Neuproduktentwick- lung oder die Konzeption von Produktionsprozessen zu ermöglichen.384 Zu der Katego- rie der finanziellen Ressourcen zählt insbesondere Kapital, um Unternehmensgrün- dungen, Forschungsvorhaben oder Entwicklungsprojekte durchzuführen. Bei physikali- schen Ressourcen handelt es sich beispielsweise um Rohstoffe, Zwischenprodukte oder technologische Infrastrukturen wie z.B. Produktionsanlagen.385 Ohne diese erste Funktion ist die Existenz eines technologiebasierten Innovationssys- tems nicht vorstellbar. Wie in den folgenden Abschnitten deutlich wird, handelt es sich bei der Mobilisierung von Ressourcen um eine Voraussetzung, damit andere Funktio- nen erfüllt werden können. Die Funktionserfüllung lässt sich in den Strukturelementen des Innovationssystems ablesen. Zum Beispiel indizieren die Anzahl und die Zuwachs- rate der Akteure in einem Netzwerk das Erfüllen der Mobilisierung von Humankapital. Die verfügbare Produktionsinfrastruktur sowie die Input-Output-Beziehungen des Sys- 383 Bergek, Jacobsson, Carlsson, Lindmark und Rickne (2006:19) unterscheiden Humankapitel, Finanzkapital und komplementäre Güter, allerdings mangelt es an einer theoretischen oder em- pirischen Begründung dieser Unterscheidung. Diese könnten insbesondere Ansätze der res- sourcenbasierten Theorie des Unternehmens liefern. Zusätzlich zu Human- und Finanzkapital unterscheiden diese Ansätze häufig die Kategorie physikalischer Ressourcen (vgl. hierzu unter anderen Eisenhardt & Martin 2000:1106f.; Prahalad & Hamel 1990:82). 384 Beispielsweise hängt der Fortschritt in der Lab-on-a-Chip-Technologie von dem Zugang zu zent- ralen Patenten der Unternehmen Affymetrix und Oxford Gene Technology Ltd. ab (vgl. hierzu Deutscher Bundestag 2004:117). 385 vgl. hierzu Teece, Pisano & Shuen 1997:516. 3 Das Aufkommen technologischer Pfade in Innovationssystemen 102 tems signalisieren die Bewegungen physikalischer Ressourcen. Die bei den Akteuren verfügbaren finanziellen Mittel zeigen die Mobilisierung von Finanzkapital an. In der Vorausschau und Planung erfolgt daher eine Analyse der Strukturelemente, um Rück- schlüsse auf die Mobilisierung von Ressourcen zu ziehen. 3.3.2 Schaffung und Verbreitung von Wissen Die Wissensbasis einer Technologie verändert sich im Entwicklungsprozess von Inno- vationssystemen.386 Der Wissensbasis wird neues Wissen hinzugefügt, bestehendes Wissen wird verändert, weiterentwickelt und innerhalb des Innovationssystems verbrei- tet.387 Die Erfüllung dieser Teilfunktionen im Kontext eines technologiebasierten Inno- vationssystems wird im Folgenden diskutiert. Es können zwei Arten der Wissensgenerierung unterschieden werden. Es besteht die Möglichkeit, vorhandene Routinen weiter zu verfeinern und vorhandenes Wissen zu vertiefen („Exploitation“) oder neues Wissen hervorzubringen („Exploration“).388 Ein technologiebasiertes Innovationssystem ist in den frühen Phasen vornehmlich durch Prozesse der Exploration gekennzeichnet, während in etablierten Innovationssystemen die Exploitation des vorhandenen Wissens überwiegt. Zusätzlich sind verschiedene Arten der Wissensgenerierung an den Netzwerkpolen zu unterscheiden. Im Bereich des Wissenschaftspols werden neue Kenntnisse vornehmlich durch Forschungsprojek- te im Bereich der Grundlagenforschung und durch wissenschaftliche Diskurse erlangt. Technologisches Wissen entsteht sowohl durch Forschungs- und Entwicklungsaktivitä- ten als auch durch „Learning-by-Doing“.389 Wissen über Märkte und Anwendungen wird in der Interaktion von Unternehmen und Anwendern sowie durch die Nutzer selbst („Learning-by-Using“) generiert.390 Im Bereich der Regierung ist Wissen über die Fol- gen und Risiken neuer Technologien sowie über geeignete Förderpolitiken relevant. Es wird über Studien und Gutachten, in Fachausschüssen oder durch die Tätigkeit von Arbeitgruppen erlangt. Die Verteilung des Wissens innerhalb eines technologiebasierten Innovationssystems ist von den vorhandenen Wissensarten abhängig. Patente, Publikationen und Lizenzen erhalten mit steigendem Formalisierungsgrad des Wissens einen höheren Stellenwert, 386 Vgl. Malerba & Orsenigo 1997:97. 387 Vgl. Foray 1997:64; Smith 1997:95. Die Untersuchungen von Weissenberger-Eibl (2006:119ff.) über das Wissensmanagement in Netzwerken bestätigen die Zentralität des Generierens, Vertei- lens und Transferierens von Wissen. 388 Vgl. Cohendet & Lerena 1997:228ff; March 1991:72f. 389 Vgl. Arthur 1994:84. 390 Vgl. hierzu Danneels 2002:1102f.; Geroski 2003:61f. 3 Das Aufkommen technologischer Pfade in Innovationssystemen 103 während individuelle Kommunikation, Arbeitsgruppen und Trainings oder individuelle Mobilität vor allem im Kontext einer wenig formalisierten Wissensbasis von Relevanz sind.391 Die Diffusionsgeschwindigkeit von Wissen ist unter anderem determiniert durch die Offenheit der Wissensbasis, das heißt den Zugang zu relevantem Wissen.392 Sie hängt weiterhin von dem gemeinsamen Wissen der Individuen innerhalb des Systems ab.393 Grant zählt hierzu insbesondere ein gemeinsames Set an hochspezifischem Wissen, eine gemeinsame (Fach-)Sprache sowie andere geteilte Formen symbolischer Kommunikation.394 Neben der systemspezifischen gemeinsamen Wissensbasis ist die wechselseitige Anerkennung individueller Wissensbereiche eine zentrale Vorausset- zung für den Wissenstransfer innerhalb eines Innovationssystems.395 Das Speichern von Wissen erfolgt neben der Ablage in Datenbanken unter anderem über Routinen innerhalb der Unternehmen. Das Erfüllen dieser Funktion spiegelt sich insbesondere in der verfügbaren Wissens- basis eines technologiebasierten Innovationssystems wider. Das Wissen manifestiert sich jedoch auch in den vorhandenen technologischen Artefakten (z.B. in innovativen Fertigungskonzepten, neuen Materialien oder Produktdesigns), in dem institutionellen Geflecht (z.B. in spezifischen Interaktionsstandards, gesetzlichen Regelungen zum Umwelt- und Verbraucherschutz, Nutzungsgewohnheiten der Anwender) oder in den Akteursbeziehungen (z.B. in F&E-Kooperationen) innerhalb des Systems. Die Evalua- tion der Funktion der Schaffung und Verbreitung von Wissen erfolgt in der Voraus- schau und Planung neuer Technologiepfade daher über die detaillierte Betrachtung der Strukturelemente. 3.3.3 Beeinflussung der Richtung des Suchprozesses In der Konstruktivismus-Diskussion von Technologie lautete eine Kernthese, dass sich Technologien nicht nach einer internen Logik entwickeln, sondern dass die Entwick- lungsrichtung aus der Summe von Entscheidungen einzelner Akteure resultiert.396 Die- se These impliziert, dass in sämtlichen Innovationsphasen Entscheidungen über unter- schiedliche Entwicklungsoptionen beispielsweise von Design und Funktionalität zu tref- fen sind, die das Erscheinungsbild einer Technologie prägen. Das Zustandekommen 391 Vgl. Malerba & Orsenigo 1997:97. 392 Vgl. Foray 1997:64. Die Offenheit der Wissensbasis lässt sich in vier Dimensionen definieren: Formale Kodifizierung vs. Informalität, Öffentlichkeit vs. Privatheit, Ausweis- vs. Geheimhal- tungspflicht sowie allgemeinem Verständnis vs. Spezifität der Codes. 393 Vgl. Grant 1996:115. 394 Vgl. hierzu auch Weissenberger-Eibl 2006:4f. 395 Vgl. Grant 1996:116. 396 Vgl. hierzu insbesondere Bijker, Hughes & Pinch 1987. 3 Das Aufkommen technologischer Pfade in Innovationssystemen 104 dieser Entscheidungen wird in der Funktion „Beeinflussung der Richtung des Suchpro- zesses“ zusammengefasst.397 Aufgrund der Vielzahl der am Innovationsprozess beteiligten Akteure, der Masse kon- kurrierender Konzepte und der Breite von Optionen, ist der technologische Innovati- onsprozess gerade in den frühen Phasen als nicht zentral steuerbar anzusehen. Die Richtung des Suchprozesses wird daher durch unterschiedliche Aktivitäten vorgege- ben. Dazu zählen etwa die Ausgestaltung von Forschungsprogrammen und einzelnen Förderbekanntmachungen, die gesetzliche Regulierung einer neuen Technologie, die Artikulation spezifischer Bedürfnisse durch die Anwender oder die Erstellung von Tech- nologieroadmaps und von Strategiepapieren auf der Branchenebene. Die Funktion der Fokussierung und Koordination von Aktivitäten übernehmen insbesondere in den frü- hen Phasen des Innovationsprozesses zusätzlich Zukunftserwartungen.398 Grundsätz- lich kann unterstellt werden, dass mit einer eindeutigen Ausgestaltung der For- schungsprogramme, mit einer von allen Akteuren unterstützen Technologieroadmap sowie mit einer höheren Konvergenz positiver oder negativer Zukunftserwartungen die Orientierung des Suchprozesses besser funktioniert. Die Erfüllung der Funktion der Richtungsgebung im Suchprozess lässt sich in der Vor- ausschau und Planung durch die Analyse der Strukturelemente erfassen. Beispiels- weise zeigen sich Einigkeiten oder Differenzen innerhalb des technologiebasierten Innovationssystems an dem Vorhandensein konkurrierender Institutionen. Dabei kann es sich um alternative Erwartungen der Akteure, verschiedene Standards oder unter- schiedliche Förderpolitiken öffentlicher Geldgeber handeln. Die Existenz einer Vielzahl von Anwendern in den Akteur-Netzwerken lässt auf eine gute Artikulation ihrer Bedürf- nisse schließen. Liegen übergeordnete Akteure (z.B. Verbände) vor, die von sämtli- chen anderen Akteuren unterstützt werden, so lässt dies ebenfalls den Rückschluss auf eine abgestimmte Strategie und eine gute Funktionserfüllung zu. 3.3.4 Gründungstätigkeiten Die zentrale Bedeutung von Gründern im Prozess der technologischen Innovation wur- de bereits durch Schumpeter herausgestellt, der diese als Auslöser von Prozessen der kreativen Zerstörung ausmachte.399 Gründungstätigkeiten in technologiebasierten In- novationssystemen umfassen den Aufbau neuer Unternehmen durch Entrepreneure 397 Vgl. Hekkert, Suurs, Negro, Kuhlmann & Smits 2006:11. 398 Vgl. Brown, Rappert & Webster 2000; van Lente 1993:67ff. 399 Vgl. Schumpeter 1934:110f. 3 Das Aufkommen technologischer Pfade in Innovationssystemen 105 oder die Diversifikation etablierter Unternehmen in dieses System.400 Gründer erfüllen die Funktion, Geschäftsmöglichkeiten, die sich in einem neuen Innovationssystem er- geben, auszunutzen.401 Sie entdecken neue Chancen, tragen Risiken und koordinieren die Aktivitäten verschiedener Handlungsträger. Durch Gründer werden eine Vielzahl von Anwendungen, Technologien und technologischen Konfigurationen experimentell entwickelt.402 Die Gründungstätigkeit ist nicht nur auf den Bereich von Unternehmen beschränkt, sondern erfasst darüber hinaus den Aufbau von neuen Verbänden, Bil- dungs- und Forschungseinrichtungen, Regulierungsinstitutionen oder Unternehmens- netzwerken. Rip diskutiert die Möglichkeit, neue „Makro-Akteure" zu schaffen, um öf- fentliche Güter (z.B. Integration, Koordination) bereitzustellen.403 Diese Makro-Akteure haben sich insbesondere bei dem Setzen von Standards oder Normen bewährt, wie das Beispiel der ITRS verdeutlicht.404 In verschiedenen Staaten wird die Gründungstä- tigkeit durch öffentliche Förderaktivitäten aktiv unterstützt. Beispielsweise wird die Be- reitstellung von Risikokapital für Unternehmensgründungen durch staatliche Agenturen vorgenommen. Zusätzlich unterstützen staatliche Organisationen Entrepreneure durch die Vermittelung von Managementwissen, die Herstellung von Kooperationen mit Uni- versitäten oder die Bereitstellung von Markt- und Technologieinformationen.405 Die Gründungstätigkeit ist insbesondere in der frühen Entstehungsphase neuer Technolo- gien von Bedeutung. Mit zunehmendem Reifegrad einer Technologie geht diese ten- denziell zurück.406 Die Gründungstätigkeit innerhalb eines technologiebasierten Innovationssystems hängt von der Erfüllung der übrigen Funktionen ab. Nur wenn Ressourcen mobilisiert, Unsi- cherheiten durch einen gerichteten Innovationsprozess reduziert und gesellschaftliche Legitimation vorhanden ist, entsteht ein Klima, in dem Unternehmensgründungen reali- siert werden.407 In der Vorausschau und Planung lässt sich die Erfüllung dieser Funkti- on durch die Beobachtung der Akteure prüfen. Verändert sich die Struktur des Innova- tionssystems durch zahlreiche neue Akteure, so ist auf umfangreiche Gründungstätig- keiten zu schließen. 400 Vgl. Hekkert, Suurs, Negro, Kuhlmann & Smits 2006:9. 401 Vgl. Bergek, Jacobsson, Carlsson, Lindmark & Rickne 2006:15. 402 Vgl. hierzu Bergek, Jacobsson, Carlsson, Lindmark & Rickne 2006:15. 403 Vgl. Rip 1995:426f. 404 Dieses Forum wurde 1997 mit dem Ziel des Schaffens einheitlicher Standards und der Promoti- on dieses Standards gegründet. Mittlerweile engagieren sich mehr als 220 Firmen (2006) in un- terschiedlichen Arbeitsgruppen (vgl. ITRS 2006). 405 Vgl. die Darstellung von Salmenkiata & Salo (2002:186) für Finnland und die USA. 406 Vgl. Anderson & Tushman 1990:606ff.; Tushman & Anderson 1986:446. 407 Vgl. Hekkert, Suurs, Negro, Kuhlmann & Smits 2006:10. 3 Das Aufkommen technologischer Pfade in Innovationssystemen 106 3.3.5 Bildung von Märkten In der Entwicklung neuer technologiebasierter Innovationssysteme entstehen neue Märkte oder bestehende Märkte werden verändert.408 Ein Markt ist über die Dimensio- nen Kundengruppe („Customer Groups“), Funktionsumfang („Customer Function“) und alternative technologische Lösungen („Alternative Technologies“) definiert.409 Neue Märkte liegen vor, wenn neue Funktionen ermöglicht, angeboten und nachgefragt wer- den.410 Die Marktbildung kann sowohl durch die Initiative von Herstellern neuer Produk- te und Dienstleistungen („Manufacturer-active-Paradigm“), die neue Funktionen anbie- ten, als auch durch neue Bedarfe von Kundengruppen („Customer-active- Paradigm“),411 die neue Funktionen nachfragen, ausgelöst werden.412 Das Funktionieren der Marktbildung hängt von unterschiedlichen marktinternen und marktexternen Faktoren ab.413 Wichtige interne Einflussfaktoren der Marktbildung sind: • der relative Vorteil eines neuen Produkts (beispielsweise größere Profitmög- lichkeiten, verbesserte Zuverlässigkeit, einfachere Anwendung, Zeitersparnisse sowie Ersparnisse sonstiger Ressourcen),414 • die Unsicherheit im Zusammenhang mit der Qualität neuer Produkte (bei- spielsweise durch das Risiko weniger ausgereifter technologischer Lösungen oder Moral-Hazard-Probleme),415 • die Erstmaligkeit neuer Lösungen,416 • die Signale der Marktpartner (beispielsweise Garantien, Reputation, Werbung und Zertifikate)417 sowie 408 Vgl. hierzu Bergek, Jacobsson, Carlsson, Lindmark & Rickne 2006:16; vgl. hierzu auch das Bei- spiel von Green (1992:170ff.), der die Kreation neuer Märkte am Beispiel biotechnologischer Produkte nachvollzieht. 409 Vgl. Abell 1980:169ff. 410 Vgl. hierzu Speith 2004:20. Die minimale Voraussetzung für einen Markt ist die Kombination eines Anbieters, der eine Technologie nutzt, um mindestens ein Produkt anzubieten, das eine Funktion erfüllt. Weiterhin besteht ein Markt aus mindestes einem Kunden, der ein Produkt oder eine Dienstleistung zur Befriedigung eines Bedürfnisses nachfragt (vgl. Schobert 1979:17ff.; Bauer 1989:19f.; Stackelberg 1951:240ff.). 411 Vgl. von Hippel 1979:83ff.; von Hippel:1978:40ff. 412 Vgl. hierzu Speith 2004:21ff.; Wieandt 1994:56f.; Schneider 1991:354. Komplementär zu diesen beiden Entstehungsarten unterscheidet Geroski (2003:61f.) das Entstehen von Märkten durch „Technology-push“ sowie durch „Market-pull“-Prozesse. 413 Für eine ausführliche Diskussion unterschiedlicher Einflussfaktoren auf die Bildung und Entwick- lung von Märkten vgl. Speith (2004:23ff.). 414 Vgl. hierzu Day 1986:66. 415 Vgl. hierzu Stiglitz 1989:822; Day 1986:66. 416 Wenn Individuen oder Unternehmen mit Informationen hohen Erstmaligkeitsgrades konfrontiert sind, haben diese keinen Nutzen für sie. Zuerst ist eine Information zu bestätigen, damit Unter- nehmen ihren Wert erkennen, einordnen und bewerten können. Diese Bestätigung kann zum Beispiel durch Signale oder Produktdemonstrationen erfolgen. Je schneller eine Bestätigung stattfindet, umso eher kommt es zu einer Transaktion (vgl. hierzu unter anderem Schneider 1991: 351 und von Weizsäcker 1974:95ff.). 417 Vgl. hierzu unter anderem Spreemann 2002:618ff. und Wieandt 1994:61. 3 Das Aufkommen technologischer Pfade in Innovationssystemen 107 • die Verfügbarkeit von Produkttests und Demonstrationen.418 Wichtige marktexterne Einflussfaktoren sind beispielsweise: • das Wettbewerbsumfeld (insbesondere in Form potenzieller technologischer Al- ternativen, die das Risiko von „Sunk Investments“ für Anbieter und Nachfrager mit sich bringen)419 oder • das rechtliche und politische Umfeld (beispielsweise in Form staatlicher Nach- frage oder durch Anreize für private Nachfrage).420 Märkte für neue Technologien sind häufig zuerst Nischenmärkte, da neue Lösungs- möglichkeiten meist nicht mit etablierten Ansätzen auf Massenmärkten konkurrieren können.421 Diese Nischenmärkte sind durch Kundengruppen mit besonderen Bedürf- nissen gekennzeichnet, die bereit sind, für eine Problemlösung Nachteile in bestimm- ten Leistungsmerkmalen (z.B. Preis) in Kauf zu nehmen.422 Unternehmen haben in diesen Marktnischen die Chance, Lerneffekte über technische Spezifikationen, Kun- denbedürfnisse und Kombinationsmöglichkeiten mit anderen Technologien zu erzie- len.423 Die Lerneffekte ermöglichen wiederum über schnelle Performanceverbesserun- gen eine Ausweitung des Marktes. In der Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade spielt neben der Analyse vor allem die Identifikation neuer Märkte eine Rolle. Diese setzt bei den Strukturelementen des technologiebasierten Innovationssystems an. Über die Betrachtung der Akteure innerhalb des Netzwerkpols „Markt & Anwendung" können Rückschlüsse auf die Aus- bildung von Märkten gezogen werden. Die Analyse technologischer Artefakte (z.B. Produktkonzepte, Demonstratoren, Prototypen) ermöglicht die Erfassung des abge- deckten Funktionsspektrums. Vergleichbare Artefakte in anderen Innovationssystemen geben Hinweise auf weitere Anwendungspotenziale der Technologie. 3.3.6 Gesellschaftliche Legitimierung Legitimität bezeichnet die soziale Akzeptanz bei den Stakeholdern einer neuen Tech- nologie.424 Sie ist gegeben, wenn die Institutionen des technologischen Regimes mit den Institutionen des Umfeldes und denen der einzubindenden gesellschaftlichen 418 Vgl. Rogers 1995:243f. 419 Vgl. hierzu Speith 2004:28f. 420 Vgl. Rogers 1995:219f. 421 Vgl. Kemp, Rip & Schott 2001:275. 422 Vgl. Hekkert, Suurs, Negro, Kuhlmann & Smits 2006:12; Danneels 2004:256; Christensen 2002:45f.; Adner & Levinthal 2002:51f. 423 Vgl. Geels 2004:912. 424 Vgl. Bergek, Jacobsson, Carlsson, Lindmark und Rickne 2006:17. Die Legitimierungsfunktion ist der Funktion "Schaffen und Verändern von Institutionen“ nach Edquist (2005:181) ähnlich. 3 Das Aufkommen technologischer Pfade in Innovationssystemen 108 Gruppen im Einklang stehen. Das Verständnis dieser Funktionen geht demzufolge über die reine politische und gesetzliche Legitimierung, die bedeutende Teilaspekte darstellen, hinaus, indem auch gesellschaftliche Normen und Werte berücksichtigt wer- den. In technologiebasierten Innovationssystemen lassen sich drei Strategien für die Her- stellung von Legitimität unterscheiden. Erstens können die vorhandenen institutionellen Regelungen, beispielsweise über Gesetzesänderungen oder leicht anzupassende Nut- zungsgewohnheiten, verändert werden. Zweitens besteht die Möglichkeit, die Instituti- onen etablierter Innovationssysteme zu übernehmen. Drittens können Akteure völlig neue Regelungen schaffen.425 Bei der Einführung neuer Technologien werden diese unterschiedlichen Strategien häufig kombiniert. Die Legitimität eines Innovationssys- tems hat direkte Auswirkungen auf den Zufluss von Ressourcen.426 Insbesondere für die Überwindung von Widerständen aus etablierten Innovationssystemen ist Legitimität erforderlich, wie die folgenden Beispiele verdeutlichen. Im Bereich der Solarenergie in Deutschland erfolgte eine politische Legitimierung durch die Aktivitäten von Umwelt- schutzgruppen, Interessenverbänden und Landesregierungen gegen den Widerstand der nationalen Regierung.427 Bei Biokraftstoffen fand die gesellschaftliche Legitimie- rung durch das gemeinsame Lobbying von Bauernverbänden und weiteren Gruppen gegen die Interessen der Automobilindustrie statt.428 Die Erfüllung der Legitimierungsfunktion spiegelt sich vor allem in dem Institutionen- geflecht des technologiebasierten Innovationssystems wider. In der Vorausschau und Planung kann unter anderem die Abweichung der Regelungen innerhalb des Systems von den Institutionen außerhalb untersucht werden, um Rückschlüsse auf die Funkti- onserfüllung zu ziehen. Eine weitere Möglichkeit besteht in der Analyse der Akteure innerhalb des Innovationssystems. Unterstützen sowohl Verbände als auch Regierun- gen und Nicht-Regierungsorganisationen das Netzwerk, so ist von einer hohen Legiti- mation auszugehen. 3.4 Entstehungsphasen im Prozess der Pfadkonstitution Nachdem die vorangegangenen Abschnitte die Strukturelemente und Funktionen tech- nologiebasierter Innovationssysteme behandelt haben, wird im Folgenden die Entste- hung und Entwicklung eines Innovationssystems als pfadabhängiger Prozess darge- 425 Vgl. hierzu Bergek, Jacobsson, Carlsson, Lindmark & Rickne 2006:17f. 426 Vgl. Hekkert, Suurs, Negro, Kuhlmann & Smits 2006:13. 427 Vgl. Bergek, Jacobsson, Carlsson, Lindmark & Rickne 2006:19. 3 Das Aufkommen technologischer Pfade in Innovationssystemen 109 stellt. Zu diesem Zweck wird ein Modell der Pfadkonstitution entworfen, das die Phasen der Präformation, der Pfadkreation und der Pfadabhängigkeit umfasst. Die Entstehung neuer Innovationssysteme thematisierten bisher nur wenige Autoren. Carlsson und Jacobsson unterscheiden drei Entwicklungsphasen: „Embryo“, „Infant“ und „Adolescent“.429 Sie machen diese Phasen an dem Zufluss von Ressourcen von außerhalb des Systems fest. Erst in der letzten Phase kann sich nach ihrer Meinung ein neues Innovationssystem selbst aufrechterhalten.430 Oinas und Malecki verknüpfen die Diskussion Regionaler Innovationssysteme mit den Lebenszyklus-Ansätzen von Tushman und Anderson und unterscheiden Phasen der Variation, der Konsolidation und des inkrementellen Fortschritts.431 Von beiden Konzepten wird nicht problemati- siert, welche Einflussfaktoren auf die Entstehungsdynamik wirken, welche Prozesse innerhalb des Innovationssystems ablaufen und wie die Entwicklungsrichtung eines neuen Innovationssystems bestimmt wird. Für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade ist die Beantwortung dieser Fragen jedoch zentral. Mögliche Anknüpfungspunkte für ein Modell der Entstehung von Innovationssystemen könnten in Konzepten liegen, die die Entwicklung einzelner Technologien beschreiben. Weit verbreitet ist das Modell des „Technology Cycle“ von Tushman und Anderson,432 das auch Oinas und Malecki variiert haben. Der Technology Cycle verläuft in vier Pha- sen. Auf eine technologische Diskontinuität („Variation“) folgt eine Phase des Wachs- tums („Era of Ferment“), in der eine Substitution und ein intensiver Wettbewerb statt- finden. Anschließend wird ein Dominantes Design gewählt, auf dessen Basis ein in- krementeller Verbesserungsprozess erfolgt.433 Ein alternatives, zunehmend populäres Modell baut auf Davids Untersuchungen über die Verbreitung der QWERTY-Tastatur auf. In diesem Verständnis entwickeln sich Technologien entlang charakteristischer Pfade, die ab dem Punkt eines „Lock-in“ nur schwierig zu verlassen sind.434 Kern die- 428 Vgl. Hekkert, Suurs, Negro, Kuhlmann & Smits 2006:13. 429 Vgl. Carlsson & Jacobsson 1997:272f. 430 Vgl. Carlsson & Jacobsson 1997:273. 431 Vgl. Oinas & Malecki 2002:107ff. 432 Vgl. Anderson & Tushman 1990; Tushman & Anderson 1986; vgl. hierzu auch die grundlegen- den Überlegungen von Abernathy & Utterback 1978:641f. sowie die Arbeiten von Utterback 1994:17f. 433 Vgl. Tushman & Anderson 1986:440ff.; Vgl. hierzu auch Nelson 1998:323f.; Rosenkopf & Tush- man 1994:406ff.; Anderson & Tushman 1990:604ff. Nelson (1998:325) bezeichnet diese Phase als „Period of Experimentation and Flux“. 434 Vgl. David 1985; vgl. hierzu im Folgenden auch Weissenberger-Eibl 2007:1396ff. Zu unterschei- den ist die einfache Historizität als Abhängigkeit von historischen Ereignissen („Past Dependen- cy“) von der in diesem Abschnitt betrachteten Pfadabhängigkeit („Path Dependency“). Lässt sich der Zustand eines Systems zum Zeitpunkt t allein auf Basis des Zustandes in t-1 prognostizie- ren, unabhängig davon, wie das System zu t-1 gelangt ist, so liegt „Past Dependency“ vor. Ist der Zustand eines Systems in t von dem Zustand in t-1 und von den Übergängen zwischen vo- 3 Das Aufkommen technologischer Pfade in Innovationssystemen 110 ser Ansätze ist, dass frühe Entscheidungen im Innovationsprozess das spätere Er- scheinungsbild einer neuen Technologie prägen. „In der Pfadabhängigkeitstheorie werden Entscheidungsprozesse zwar in der Anfangsphase als offen beschrieben, d.h. es sind unterschiedliche We- ge möglich. Ab einem bestimmten Zeitpunkt prägen jedoch die vorange- gangenen Entscheidungen die wahrgenommenen Möglichkeiten. Dieser Sachverhalt konstituiert das Basismerkmal von pfadabhängigen Prozes- sen: die Historizität von Entscheidungen.“435 Der Grundgedanke der „Path Dependency“ wurde insbesondere durch Garud und Karnøe um das Schaffen neuer Pfade („Path Creation") erweitert.436 Schreyögg, Sydow und Koch unterscheiden aufbauend auf diesen Überlegungen die Phasen der Präfor- mation, in der verschiedene unverbundene Ereignisse auftreten, der Pfadkreation, in der sich ein neuer Pfad herausbildet und der Pfadabhängigkeit, in der eine stabile ge- richtete Entwicklung erfolgt. Dabei werden die ersten beiden Phasen durch ein kriti- sches konstituierendes Ereignis getrennt. Die letzte Phase wird durch den Lock-in ein- geleitet. Im Zeitverlauf schränkt sich der wahrgenommene Entscheidungsspielraum der Akteure stetig ein.437 Dieser Phaseneinteilung sehr ähnlich ist der Vorschlag von Rycoft und Kash. Auf Basis von Fallstudien in sechs Technologiefeldern unterscheiden die Autoren drei für die Pfadabhängigkeit charakteristische Innovationsmuster. An ein Mus- ter der Veränderung, in dem eine neue Technologie aufkommt, schließt sich eine Transformation, in der erhebliche Veränderungen dieser Technologie stattfinden und ein normales Muster der Innovation, in dem inkrementelle Fortschritte erfolgen, an.438 Obgleich die Ansätze des „Technology Cycle", der Pfadkonstitution und der Innovati- onsmuster starke Gemeinsamkeiten aufweisen, hat das Konzept der Pfadabhängigkeit verschiedene Vorteile. Da es unabhängig von der Durchsetzung eines Dominanten Designs ist, kann das Auftreten konkurrierender und nebeneinander existierender Pfa- de mit spezifischen Designs erfasst werden. Für den Ansatz spricht ferner, dass Pha- sen und einzelne Ereignisse eindeutig voneinander getrennt sind. In dem Konzept des „Technology Cycle“ stehen die Ereignisse der Diskontinuität sowie der Selektion eines Dominanten Design auf einer Stufe mit den Phasen des Wachstums und der inkremen- tellen Verbesserung. Rycroft und Kash wiederum definieren keine Ereignisse zwischen den auftretenden Innovationsmustern, was eine Abgrenzung der einzelnen Phasen rangegangenen Zuständen (t-2, …, t-n) abhängig, so liegt eine pfadabhängige Entwicklung vor (vgl. Araujo & Harrison 2002:6). 435 Schreyögg, Sydow & Koch 2003:262. 436 Vgl. Garud. & Karnøe 2003 und 2001. 437 Vgl. Sydow, Schreyögg & Koch 2005:15ff.; Schreyögg, Sydow & Koch 2003:285ff. Ein ähnliches Verständnis findet sich bei Greener 2004:13. 3 Das Aufkommen technologischer Pfade in Innovationssystemen 111 erschwert. Daher wird im Folgenden auf den von Schreyögg, Sydow und Koch vorge- stellten Prozess der Pfadkonstitution als Ausgangspunkt der Entwicklung eines Modells der Entstehung von Technologiepfaden und Innovationssystemen zurückgegriffen. Das in den nächsten Abschnitten entwickelte Modell unterscheidet die Phasen der Prä- formation, der Pfadkreation und der Pfadabhängigkeit (vgl. Abbildung 7). Es wird an- genommen, dass die potenziellen Entwicklungsmöglichkeiten eines technologiebasier- ten Innovationssystems zu Beginn offen sind. Mit der Festigung der Elemente in einer bestimmten Struktur und der Erfüllung der Funktionen werden die potenziellen Entwick- lungsrichtungen eingeschränkt. Je mehr bewusste und unbewusste Entscheidungen – im Sinne von Festlegungen – über die Struktur und die Erfüllung der Funktionen getrof- fen werden, umso weiter reduziert sich der Raum zukünftiger Möglichkeiten. Schluss- endlich erfolgen nur noch kleine, inkrementelle Veränderungen – die Entwicklung folgt einem Pfad. Die Phasen der Entstehung technologischer Pfade in Innovationssyste- men sind durch ein „konstituierendes Ereignis“ und den „Lock-in“ voneinander getrennt. E nt sc he id un gs sp ie lra um + + * * * ** * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * tkonstituierendes Ereignis Lock-In * * * * * * * Präformation Pfadkreation Pfadabhängigkeit Abbildung 7: Prozess der Pfadkonstitution in technologiebasierten Innovationssystemen [Quelle: in Anlehnung an Schreyögg, Sydow & Koch 2003:287] Das Modell der Entstehung technologischer Pfade in Innovationssystemen zielt auf das Beantworten von drei, für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade zent- rale Fragestellungen ab: • Wie entstehen technologiebasierte Innovationssysteme und durch welche Pro- zesse sind die einzelnen Phasen ihrer Entwicklung gekennzeichnet? • Welche Einflussfaktoren bestimmen das Aufkommen von technologischen Pfa- den und wie festigt sich eine Entwicklungsrichtung? 438 Vgl. Rycoft & Kash 2002:22. 3 Das Aufkommen technologischer Pfade in Innovationssystemen 112 • Welche Möglichkeiten haben einzelne Akteure, den Prozess der Pfadkonstituti- on zu beeinflussen? Für das Beantworten dieser Fragen werden im Folgenden die Phasen der Pfadkonsti- tution vertiefend diskutiert. Die nächsten Abschnitte gehen dabei insbesondere auf die Strukturelemente und die Funktionen technologiebasierter Innovationssysteme in jeder Entstehungsphase ein. 3.4.1 Präformation In dem folgenden Abschnitt wird die Präformationsphase im Prozess der Pfadkonstitu- tion dargestellt. Zu Beginn werden mögliche Entstehungsursachen des Aufkommens neuer technologischer Pfade identifiziert. Anschließend findet die Beschreibung der Strukturelemente sowie der Funktionen innerhalb des technologiebasierten Innovati- onssystems in der Präformationsphase statt. Mit Sicht auf den gesamten Prozess der Pfadkonstitution verfügen die Akteure in dieser Phase über den größten Spielraum an Entscheidungsmöglichkeiten. Dieser Spielraum ist jedoch nicht unbegrenzt, sondern wird durch die umgebenden Systeme eingeschränkt.439 In der Präformationsphase treten einzelne, unverbundene Ereignisse auf,440 deren Be- deutung für einen neuen technologischen Pfad sich erst im historischen Rückblick be- urteilen lässt.441. Die Ereignisse bewegen sich innerhalb eines Rahmens, der sich im Zeitablauf verkleinert.442 Die Auslöser für das Auftreten einzelner Ereignisse können in einem weitgehend ungerichteten Suchprozess liegen443 oder rein zufällig erfolgen. Ein Beispiel für einen ungerichteten Suchprozess liegt in der „Mindful Deviation“, d.h. dem bewussten Abweichen von Bestehendem, um neue technologische Chancen zu identi- fizieren.444 Alternativ zu einem gerichteten Suchprozess können Ereignisse auch zufäl- 439 Vgl. Sydow, Schreyögg & Koch 2005:10f. Eine Einschränkung der möglichen Entscheidungspo- tenziale erfolgt durch die Umsysteme, die das Verhalten innerhalb des entstehenden Innovati- onssystems restringieren, beispielsweise durch gesetzliche Regelungen, Moralvorstellungen, bestimmte Konstruktionsprinzipien oder technische Interdependenzen (vgl. unter anderem Win- deler 2003:318). 440 Bei diesen Ereignissen kann es sich beispielsweise um neue gesetzliche Regelungen, um durchgeführte Forschungsprojekte, um Publikationen von Forschungsergebnissen oder theoreti- schen Konzepten, um den Bau von Demonstratoren oder Prototypen, um Konferenzen oder Workshops, um Vereinbarungen über Kooperationen oder um sonstige Vorgänge mit Relevanz für einen neuen technologischen Pfad handeln. 441 Vgl. Garud. & Karnøe 2001:7f.; vgl. hierzu auch Rosenkopf & Tushman 1994:404. 442 Vgl. das sich verjüngende Viereck in Abbildung 7. 443 Vgl. Schreyögg, Sydow & Koch 2003:263. 444 Vgl. Garud & Karnøe 2003:281; Garud & Karnøe 2001:2. March (1991:71f.) sowie McNamara & Baden-Fuller (1999:292) sprechen in diesem Zusammenhang von einer "Exploration". Rammert (1983:185) bezeichnet diesen Prozess vor einem strukturationstheoretischen Hintergrund als produktive Variation („Productive Variation“). Weichen die Ansätze zu stark von vorhandenen 3 Das Aufkommen technologischer Pfade in Innovationssystemen 113 lig in einen bestimmten Rahmen fallen. Dabei kann es sich etwa um unbeabsichtigte Entdeckungen von Forschern oder Anwendern handeln. Es ist davon auszugehen, dass die Präformation eines Pfades gleichzeitig durch gerichtete sowie zufällige Aspek- te gekennzeichnet ist, wie das Beispiel der Post-it®-Notes verdeutlicht.445 Am Ende der Präformationsphase tritt ein konstituierendes Ereignis auf, das die Ent- stehung eines neuen technologiebasierten Innovationssystems maßgeblich beeinflusst. Dieser „Trigger“ markiert den Übergang zu der Phase der Pfadkreation. In der Innova- tionsforschung konnten unterschiedliche „Trigger“, wie ein erfolgreiches wissenschaftli- ches Experiment,446 eine im Labor erfolgreich angewandte neue Technologie,447 die Demonstration eines funktionierenden Konzepts,448 die Formation eines neuen F&E- Akteure • ggf. Kreation neuer Akteure als auslösen- des Ereignis (z.B. Forschungsinstitut) Institutionen • ggf. neue Regulierung als auslösendes Ereignis • „Test" neuer Verhaltensmuster Wissensbasis • ggf. neues Wissen als auslösendes Ereig- nis (z.B. wissenschaftlicher Durchbruch) St ru kt ur el em en te u nd ih re B ed eu tu ng d er Pr äf or m at io n Artefakte • ggf. Demonstrator / Prototyp als auslösen- des Ereignis Mobilisierung von Ressour- cen • keine systematische Mobilisierung (ggf. Finanzierung von Einzelprojekten) Schaffung und Verbreitung von Wissen • ungerichtet, einzelne unverbundene Ereig- nisse (z.B. Forschungsprojekte) Beeinflussung der Richtung des Suchprozesses • findet nicht statt, kann als auslösendes Ereignis erfolgen (z.B. Roadmapping- Workshop) Gründungstätigkeiten • einzelne Gründungen möglich, kann auslö- sendes Ereignis darstellen Bildung und Entwicklung von Märkten • keine Märkte vorhanden, auf denen Tech- nologie angeboten wird Fu nk tio ne n un d ih re B ed eu tu ng in d er P rä fo rm at io n gesellschaftliche Legitimie- rung • erfolgt nicht Tabelle 3: Strukturelemente und Funktionen in der Präformationsphase [Quelle: eigene Darstellung] Strukturen ab, treten Widerstände auf, die eine Weiterverfolgung verhindern (vgl. Garud. & Karnøe 2003:281). 445 Garud. & Karnøe (2001:13ff.) beschreiben, wie ein Wissenschaftler im Rahmen einer Reihe von Experimenten einen Klebstoff mit einer sehr schwachen Klebewirkung entwickelt. Die Kommer- zialisierung dieses Klebstoffs in Post-It®-Notes ist geprägt durch zufällige Entdeckungen und ge- zielte Weiterentwicklung durch den Wissenschaftler. 446 Vgl. Brown 2000:98ff.; Latour 1987; Dosi 1982. 447 Vgl. Dussauge, Hart & Ramanantsoa 1992:33. 448 Vgl. die Erfahrung aus den Scania Laboratories bei Myers, Sumpter, Walsh & Kirchhoff 2002:322. 3 Das Aufkommen technologischer Pfade in Innovationssystemen 114 Konsortiums,449 ein neues Programm für die Forschungsförderung,450 ein Roadmap- ping-Workshop,451 die Nachfrage neuer Funktionsmerkmale durch eine Kundengrup- pe452 oder veränderte gesetzliche Regulierungen453 identifiziert werden. Abschließend ist der Status der Strukturelemente sowie der Funktionen in der Phase der Präformation zu diskutieren. Diese erste Phase der Entstehung technologiebasier- ter Innovationssysteme ist durch das weitgehende Fehlen einer Struktur gekennzeich- net (vgl. Tabelle 3). Das Auftreten eines neuen Strukturelements kann als auslösendes Ereignis für das Aufkommen eines neuen Entwicklungspfades fungieren und in der Folge eine Co-Evolution der Strukturelemente auslösen. Die einzelnen Funktionen des Innovationssystems sind nicht erfüllt. Nachdem in diesem Abschnitt die erste Phase der Entstehung eines neuen technolo- giebasierten Innovationssystems beschrieben wurde, gehen die folgenden Abschnitte auf weitere Entwicklungsphasen im Prozess der Pfadkonstitution ein. 3.4.2 Pfadkreation In diesem Abschnitt wird die Phase der Pfadkreation diskutiert, die durch das Aufkom- men einer gerichteten Entwicklung des technologiebasierten Innovationssystems ge- kennzeichnet ist. Dieser Abschnitt der Pfadkonstitution beginnt mit einem konstituie- renden Ereignis, das selbstverstärkende Effekte auslöst und endet mit dem Lock-in. In der Pfadkreation kommt es zu einer zunehmenden Einschränkung der Akteure in Be- zug auf ihre wahrgenommenen und tatsächlichen Handlungsmöglichkeiten. Der Ab- schnitt geht zuerst auf die zentralen Merkmale dieser Phase ein. Dabei handelt es sich insbesondere um den Prozess der Erwartungsbildung und um das Auftreten technolo- gischer Nischen. Anschließend werden Ursachen des in dieser Phase zu beobachten- den „mäanderns“ des entstehenden Pfades diskutiert. Der Abschnitt endet mit einer Beschreibung von Strukturelementen und Funktionen des Innovationssystems wäh- rend der zweiten Phase der Pfadkonstitution. Ausgangspunkt des Aufkommens gerichteter Entwicklung in der Phase der Pfadkreati- on ist das nachhaltige Auftreten selbstverstärkender Effekte. Diese werden zuerst durch das „konstituierende Ereignis“, das den Übergangspunkt zwischen den beiden 449 Vgl. Sydow, Windeler & Möllering 2004:4. 450 Wie Talbot (2001:45) unter anderem am Beispiel von Förderprogrammen der DARPA im Bereich von Kommunikationsnetzwerken oder Time-Sharing-Anwendungen zeigt, die die Grundlage des heutigen Internet bilden. 451 Vgl. Sydow, Windeler, Möllering & Schubert 2005:24. 452 Beispielsweise die Nachfrage nach neuen Bearbeitungsverfahren in der Halbleiterindustrie. 453 Vgl. Rao & Singh 2001:244. 3 Das Aufkommen technologischer Pfade in Innovationssystemen 115 ersten Phasen markiert, hervorgerufen.454 Um den Prozess der Richtungsentstehung gegen vorhandene Widerstände oder gegen eine Nichtbeachtung in Gang zu setzen und ein sich verstärkendes Momentum zu generieren,455 nutzen die Akteure das For- mulieren von Erwartungen.456 Durch Versprechungen über die Nutzungs- und Anwen- dungsmöglichkeiten einer neuen Technologie mobilisieren sie andere Akteure und zu- sätzliche Ressourcen für die Technologieentwicklung. Zudem begründen und legitimie- ren diese Erwartungen die Handlungen der Akteure und reduzieren Unsicherheiten über die Entwicklungsperspektiven einer Technologie.457 Durch den Prozess der Er- wartungsbildung werden im Ergebnis die wahrgenommenen Entscheidungsmöglichkei- ten der Akteure kanalisiert und es treten kognitive Abhängigkeiten („Dependencies“) auf.458 Aufgrund der zentralen Bedeutung für das Entstehen selbstverstärkender Effek- te und damit für das Aufkommen technologischer Pfade wird die Erwartungsbildung im Folgenden detailliert beschrieben. 1. Aufzeigen einer technologischen Chance 2. Aussagen über einen zukünftigen Zustand der Welt (Szenario, Zukunftsbild) 4. zu erfüllende Anforderungen an die neue Technologie 3. Agenda für weitere Aktivitäten auf Basis der getroffenen Aussagen 5a. technologische Nische, um Aktivitäten zu verfolgen 5b. Aktivitäten um die Anforderungen zu erfüllen Erwartungszyklen in Sub-Systemen 6. Resultate der Technologieentwicklung und NutzungsmöglichkeitenVerbinden technologischer Möglichkeiten mit gesellschaftlichem Nutzen Abbildung 8: Erwartungsdynamik in neuen technologischen Pfaden [Quelle: in Anlehnung an Geels & Smit 2000:881] 454 Vgl. Schreyögg, Sydow & Koch 2003:263. Welches Ereignis innerhalb der Entwicklung als aus- lösend bezeichnet werden kann, lässt sich erst ex-post bestimmen. 455 Vgl. Garud & Karnøe 2003:278f.; vgl. hierzu auch Rammert 1983:185f.; Nelson & Winter 1977:76. 456 Vgl. van Merkerk & van Lente 2005:1096; Brown, Douglas, Eriksson, Rodrigues, Yearley & Webster 2005:7; Brown, Rip & van Lente 2003:3f.; Martin 2000:40; van Lente 1993:177. Latour (1987:108) spricht in diesem Zusammenhang von “Promises”, durch die Akteure gezielt mobili- siert werden können. 457 Vgl. van Lente 1993:187; Berkhout 2006:300. 458 Vgl. van Merkerk & Robinson 2006:414ff. 3 Das Aufkommen technologischer Pfade in Innovationssystemen 116 Ausgangspunkt der Erwartungsbildung ist das In-Beziehung-Setzen technologischer Möglichkeiten mit einem spezifischen gesellschaftlichen Problem durch Wissenschaft- ler oder Unternehmen (vgl. Abbildung 8).459 Dabei wird die technologische Option ei- nerseits als sehr bedeutend herausgestellt,460 indem beispielsweise Analogien zu er- heblichen historischen Fortschritten gezogen werden.461 Andererseits erfolgt die Dar- stellung und Kommunikation eines Zukunftszustandes,462 in dem die Technologie ein definiertes gesellschaftliches Problem löst oder eine zentrale Funktion erfüllt. Die Lü- cke zwischen dem zukünftigen technologischen Umfeld und dem Status quo wird durch die Beschreibung von Zwischenzuständen ergänzt, so dass der Eindruck entsteht, dass diese lediglich wie Punkte zu verbinden seien. Im Ergebnis wird so ein technolo- gischer Pfad in ein attraktives zukünftiges Umfeld aufgezeigt.463 Aus diesem Pfadent- wurf wird anschließend eine Agenda abgeleitet, die zentrale Problemstellungen und aussichtsreiche Lösungswege benennt und so die Koordination der Aktivitäten vieler unterschiedlicher Akteure ermöglicht.464 Der beschriebene Zukunftszustand („Vision“) wird von den Akteuren des entstehenden Innovationssystems auch dafür genutzt, Marktpotenziale zu identifizieren, den Zufluss von Ressourcen für die Technologieent- wicklung zu reklamieren465 und Ineffizienzen zu Beginn der Technologieentwicklung zu rechtfertigen.466 Die aus der Agenda abgeleiteten Aktivitäten laufen maßgeblich in technologischen Nischen ab. Bei Nischen handelt es sich um abgegrenzte Felder, in denen sich neue Technologien bis zu einem bestimmten Reifegrad entwickeln, bevor sie in einem breiteren Kontext 459 Vgl. Brown 2000:93ff.; Lampel 2001:305. 460 Vgl. Brown (2000:89ff.). Martin (2000:50) weist nach, dass die ersten Biotechnologieunterneh- men gezielt auf Möglichkeiten zur Bekämpfung von Krebs und HIV hingewiesen haben, um eine größtmögliche Aufmerksamkeit und Akzeptanz für ihre Aktivitäten zu erhalten. Ebenso wird die Brennstoffzelle von ihren Befürwortern als Kernelement einer ökologischen Energiewirtschaft im Jahr 2020 definiert (vgl. Initiative Brennstoffzelle 2007). 461 Vgl. hierzu Brown 2000:97f.; Martin 2000:49. 462 Die Möglichkeiten, eine Vision weiter zu kommunizieren, um einen möglichst großen Kreis an Personen (beispielsweise Investoren, Wissenschaftler, Politiker) zu erreichen, umfassen unter anderem Metaphern, Erzählungen oder Modelle (vgl. Berkhout 2006:308). Lampel (2001:318) spricht in diesem Zusammenhang bildlich von „technologischen Dramen“, die von Befürwortern einer neuen Technologie erzählt werden. „Technological dramas have two advantages in this regard. First, they reduce the time needed to communicate with the relevant constituencies. Second, when effective, they transform a loose aggregation of potential supporters into a cohe- sive group of backers.” 463 vgl. Lampel 2001:322. 464 Vgl. hierzu unter anderem Konrad 2006:430; Berkhout 2006:305; van Lente 1993:67. 465 Vgl. hierzu unter anderem Berkhout 2006:302; Brown, Rip & van Lente 2003:3; Martin 2000:50. Martin (2000:49ff.) zeigt dies am Beispiel der Gentherapie, van Merkerk und van Lente (2005:1099ff.) für Nanotubes und van Merkerk & Robinson (2006:414) für die Lab-on-a-Chip- Technologie. 466 Vgl. Michael 2000:25. Es besteht außerdem die Möglichkeit, negative Erwartungen („Befürch- tungen“) zu formulieren, um einem Innovationssystem Support zu entziehen und eine bestimmte technologische Entwicklung zu verhindern (vgl. hierzu Micheal 2000:30f; Brown, Rip & van Lente 2003:3). 3 Das Aufkommen technologischer Pfade in Innovationssystemen 117 diffundieren.467 Sie stellen Orte dar, an denen Akteure über neue Technologien lernen können.468 “These spaces, in the form of technological niches, function as local breed- ing spaces for new technologies, in which they get a chance to develop and grow. Once the technology is sufficiently developed, and broader use is achieved through learning processes and adaptations in the selection envi- ronment, initial protection may be withdrawn in a controlled way.469 Die Resultate der Aktivitäten in technologischen Nischen, d.h. das Ausloten von An- wendungsmöglichkeiten, Leistungsparametern und möglichen Technologiekombinatio- nen, führen zu einer Bestätigung oder einer Enttäuschung der Erwartungen. Charakte- ristisch für die Erwartungsdynamik innerhalb eines neuen technologiebasierten Innova- tionssystems ist der Wechsel von hohen Erwartungen („Hype“) und ihrem Verfehlen („Disappointment“).470 Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass Erwartungen zu Beginn des Prozesses durch die Medien oder durch Wissenschaftler zu überschwäng- lich formuliert werden, um die benötigte öffentliche Aufmerksamkeit und Unterstützung zu erhalten.471 Als Reaktion auf eine verfehlte Visionen ist im Extremfall der Verzicht auf eine weitere Unterstützung der Aktivitäten denkbar.472 In einem abgemilderten Fall können die Akteure Erwartungen umformulieren473 oder neu interpretieren, um noch- mals Unterstützung zu mobilisieren.474 In Abbildung 7 ist die Phase des Aufkommens gerichteter Entwicklung durch ein „Mä- andern“ des entstehenden Pfades gekennzeichnet. Der technologische Pfad kann sich noch innerhalb einer relativ großen Entscheidungsbreite hin und her bewegen. Für diese Bewegungen können unterschiedliche Ereignisse verantwortlich sein. Im Folgen- den werden verschiedene Beispiele skizziert. 467 Vgl. Geels 2004:912f.; Kemp, Rip & Schot 2001:289; Kemp, Schot & Hoogma 1998:178ff.; van Lente 1993:211f. Technologische Nischen unterscheiden sich somit von Marktnischen. Aller- dings gehen Sie diesen häufig voraus (vgl. Kemp, Rip & Schot 2001:275). 468 Vgl. Garud & Karnøe 2001:12ff. Vgl. hierzu auch das Beispiel der Brennstoffzellen-Busse von Harborne, Hendry & Brown 2007:172ff. 469 Kemp, Rip & Schot 2001:280. 470 Vgl. Martin 2000:54; Brown 2003:11; Brown, Douglas, Eriksson, Rodrigues, Yearly & Webster 2005:3f. 471 Vgl. Brown 2003:6; Brown & Micheal 2003:6ff. Zu diesen Hypes kommt es insbesondere, wenn die Akteure Technologien nur schwer einschätzen oder konkurrierende Technologien nur schlecht vergleichen können (vgl. Rosenkopf & Tushman 1994:414; Garud & Karnøe 2001:7f.). Beispielsweise beschreibt Lösch (2006:395ff.) die Entwicklung der Vision von Nanorobotern, die sich durch die menschliche Blutbahn bewegen. Diese ermöglichte erst die Kommunikation über die Nanotechnologie in den Massenmedien. 472 Vgl. die Ausführungen von Konrad (2006:441) zu dem Beispiel von Time Warners „Full Service Network“ und dem Projekt „Interactive TV“ der Deutschen Telekom. 473 Vgl. Martin (2000:59), der nachvollzieht, wie Biotechnologieunternehmen neue Anwendungs- möglichkeiten aufzeigen, nachdem sich die alten Erwartungen als nicht realisierbar erwiesen hatten. 3 Das Aufkommen technologischer Pfade in Innovationssystemen 118 • Die Entwickelung und Anpassung von Komponenten und Baugruppen innerhalb von Prototypen oder ersten Produkten kann zu Veränderungen der Technologie führen.475 Wenn sich unter mehreren konkurrierenden Komponenten nur eine bewährt, so lenkt dies den Pfad in eine bestimmte Richtung. • Eine weitere Möglichkeit für eine Richtungsänderung besteht in der Verände- rung des Akteur-Netzwerks. Insbesondere in den frühen Phasen eines techno- logischen Innovationssystems kann durch den Input neuer Akteure das Momen- tum verändert werden, z.B. wenn neue Kundengruppen attraktive Marktpoten- ziale eröffnen.476 • Fort- und Rückschritte von Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten beeinflus- sen die Entwicklungsrichtung einer neuen Technologie. So findet etwa bei der Suche nach Alternativen infolge gescheiterter F&E-Tätigkeiten und enttäuschter Erwartungen gegebenenfalls eine Neuorientierung innerhalb von Forschergrup- pen, Firmen oder Netzwerken statt.477 • Durch Entrepreneure, die einen neuen Pfad hervorgebracht haben und diesen gezielt fördern, kann eine Richtungsänderung ausgelöst werden, wenn diese die von ihnen verfolgten Konzepte verändern oder fallenlassen.478 Hierin liegt ein Beispiel für ein „Strategic Manoeuvring“, bei dem Akteure Handlungen vor- nehmen, um Einfluss auf die Strategien anderer Akteure zu nehmen.479 • Durch eine unterschiedlich schnelle Co-Evolution von Strukturelementen kann es zu Richtungsänderungen kommen. Beispielsweise kann es sein, dass eine notwenige Anpassung des institutionellen Umfelds langsamer erfolgt, als sie von den Akteuren gefordert wird. Dies zieht möglicherweise eine Veränderung von Aktiviäten und Artefakten nach sich, so dass sich das technologiebasierte Innovationssystem in eine andere Richtung bewegt.480 • Änderungen in den Erwartungen können Wechsel der Entwicklungsrichtung verursachen. Dies kann der Fall sein, wenn die in der Erwartungsbildung ge- wonnene Dynamik gerichtet ist und selbstverstärkende Effekte aufweist, aller- dings noch nicht fixiert ist. Erwarten die Teilnehmer, dass sich eine Technologie in einer anderen Anwendung durchsetzen wird, kann zu Richtungsänderungen in der Technologieentwicklung kommen.481 Es ist ebenfalls vorstellbar, dass nicht alle Teile des technologiebasierten Innovations- systems einen Richtungswechsel vollziehen. Infolgedessen können in der Phase der Pfadkreation mehrere unterschiedliche technologische Pfade und mehrere Innovati- onssysteme entstehen. Grundsätzlich kommt es in der Phase der Pfadkreation zu einer zunehmenden Einschränkung der Akteure in Bezug auf ihre wahrgenommenen und tatsächlichen Handlungsmöglichkeiten. Diese Einschränkung resultiert sowohl aus der 474 Vgl. Konrad 2006:439. 475 Vgl. Sydow, Windeler & Möllering 2004:4. 476 Vgl. Garud & Karnøe 2003:278. 477 Vgl. van Merkerk und van Lente (2005:1106) für das Beispiel der Nanotubes. 478 Vgl. Garud & Karnøe 2001:19. 479 Vgl. Sydow, Schreyögg & Koch 2005:17. 480 Vgl. hierzu unter anderem Garud & Karnøe 2001:11 und 2001:27; Nelson 1998:330; Green 1992:170. 481 Vgl. Rammert 1983:185f. 3 Das Aufkommen technologischer Pfade in Innovationssystemen 119 Akteure • Kreation neuer Akteure und Bilden von Netzwerken • sukzessives Besetzen der einzelnen Netz- werkpole • „Test" von Ressourcenkombinationen in Unternehmen Institutionen • institutionelle Struktur bildet sich heraus • „Test" neuer Reglungen • öffentliche Regulierung erfolgt Wissensbasis • extrem schnelle Verbreiterung der Wis- sensbasis • Herausbilden einer spezifischen Wissens- basis St ru kt ur el em en te u nd ih re B ed eu tu ng in d er P fa dk re a- tio n Artefakte • ggf. Konkurrenz um Designs und Stan- dards • marktfähige Produkte entstehen (z.B. Kleinserien) • Schnittstellen zu anderen Produkten und zwischen Komponenten werden zuneh- mend standardisiert Mobilisierung von Ressour- cen • erheblicher Zustrom von Ressourcen aus anderen Innovationssystemen • zunehmender Input von Ressourcen aus dem entstehenden technologiebasierten Innovationssystem Schaffung und Verbreitung von Wissen • neues Wissen wird schnell aufgebaut • Wissen aus anderen Feldern wird integriert • systematische Wissensverbreitung (z.B. Ausbildung) beginnt Beeinflussung der Richtung des Suchprozesses • Richtungsgebung durch das Bilden von Erwartungen • verschiedene Gruppen versuchen Einfluss auszuüben • Möglichkeit des Auftretens mehrerer Pfade Gründungstätigkeiten • umfangreiche Gründungen erfolgen • zahlreiche Ein- und Austritte in das Innova- tionssystem Bildung und Entwicklung von Märkten • Technologie ist aufgrund spezialisierter Bedürfnisse in Nischenmärkten etabliert • Versuche der Etablierung auf Massen- märkten werden unternommen Fu nk tio ne n un d ih re B ed eu tu ng in d er P fa dk re at io n gesellschaftliche Legitimie- rung • gesellschaftliche Diskurse über neue Technologie erfolgen • Gruppen treten als Befürworter und Geg- ner des neuen technologiebasierten Inno- vationssystems auf Tabelle 4: Strukturelemente und Funktionen während der Pfadkreation [Quelle: eigene Darstellung] 3 Das Aufkommen technologischer Pfade in Innovationssystemen 120 Konvergenz von Erwartungen482 als auch aus der sich herausbildenden Struktur des technologiebasierten Innovationssystems.483 Diese Entwicklung setzt sich fort, bis es zu dem für die Pfadabhängigkeit charakteristischen „Lock-in“ kommt. Zusammenfas- send ist für die Phase des Aufkommens gerichteter Entwicklung festzuhalten, dass sich das Erscheinungsbild des technologiebasierten Innovationssystems stabilisiert.484 Ein- zelne Strukturelemente und Funktionen sowie ihre Bedeutung im Prozess der Pfadkre- ation sind in Tabelle 4 dargestellt. Ausgehend von der Erwartungsbildung werden die einzelnen Funktionen des aufkom- menden Innovationssystems in der zweiten Phase der Pfadkonstitution zunehmend erfüllt. Durch die erwarteten Möglichkeiten werden Akteure angezogen, die in die auf- kommende Struktur integriert werden.485 Nischen fungieren als Ort, an dem diese Ak- teure Handlungsweisen und Institutionen testen und neue Kompetenzen aufbauen, bis sich spezifische Konfigurationen aus Ressourcen und Routinen herausbilden.486 Durch Lernprozesse wird eine Verbreiterung der Wissensbasis erzielt, die von dem Aufkom- men technologischer Artefakte, die über reine Prototypen hinausgehen, begleitet wird. Des Weiteren bildet sich ein spezifisches institutionelles Regelungsgeflecht heraus, das mit den Regelungen der Umsysteme weitestgehend konform ist.487 Die Akteure sind in der Phase der Pfadkreation in ihren Handlungsmöglichkeiten bereits einge- schränkt, allerdings konstatiert sich erst am Ende der Phase eine beständige Entwick- lungsrichtung. Die Phase der Pfadkreation endet mit dem Lock-in. 3.4.3 Pfadabhängigkeit und Pfadbrechung Dieser Abschnitt stellt die Phase der Pfadabhängigkeit im Entstehungsprozess techno- logiebasierter Innovationssysteme dar. Zu Beginn geht er auf unternehmensexterne und unternehmensinterne Ursachen für das Auftreten pfadabhängiger Innovationspro- zesse ein. Anschließend findet eine Betrachtung von Strukturelementen und Funktio- nen innerhalb des technologiebasierten Innovationssystems nach dem Lock-in statt. 482 Vgl. Brown, Douglas, Eriksson, Rodrigues, Yearly & Webster 2005:7. 483 „As it gains momentum, the emerging path begins enabling and constraining the activities of involved actors.“ (Garud & Karnøe 2003:278). Vgl. hierzu auch Greener 2004:16. 484 Vgl. Berkhout 2006:302. Dabei kann die Reihenfolge unterschiedlicher Ereignisse für die später eingeschlagene Entwicklungsrichtung eine bedeutende Rolle spielen (vgl. David 1985:335). Zu diesem Phänomen findet sich eine Aussage bei Baum und Silverman (2001:169) „…historical accidents may tip outcomes strongly in a particular direction.“ und bei Arthur (1994:86) „…, and these small ‚random’ events can accumulate and become magnified by positive feedbacks so as to determine the eventual outcome.“ 485 Vgl. Garud & Karnøe 2003:279f.; Kemp, Schot & Hoogma 1998:178. 486 Vgl. Danneels 2004:247f.; Schreyögg, Sydow & Koch 2003:270; Rycoft & Kash 2002:27; Teece, Pisano & Shuen 1997:515; Metcalfe & Boden 1996:61f.; vgl. Abernathy & Clarke 1985:7. 487 Vgl. Rao & Singh 2001:264; Nelson 1998:327ff. 3 Das Aufkommen technologischer Pfade in Innovationssystemen 121 Der Abschnitt endet mit einer Diskussion der Möglichkeiten, etablierte technologische Pfade aufzubrechen und Raum für neue Pfade und das Entstehen neuer technologie- basierter Innovationssysteme zu schaffen. Ausgangspunkt der Phase der Pfadabhängigkeit in der Technologieentwicklung ist das Auftreten eines Lock-ins488 beispielsweise durch ein von den Kunden akzeptiertes Pro- duktkonzept, durch die Investition in Produktionsanlagen, durch einen gesetzlichen Produktstandard oder durch ein Dominantes Design.489 Ab diesem Ereignis finden nur noch inkrementelle Veränderungen des Innovationssystems, die die grundsätzliche Entwicklungsrichtung nicht verändern, statt.490 Ursachen für das Auftreten dieser Ab- hängigkeiten sind selbstverstärkende Effekte,491 die sowohl positiv als auch negativ wirken.492 Selbstverstärkende Effekte führen im Ergebnis dazu, dass Organisationen und Individuen ihren Entscheidungsspielraum als eingeschränkt wahrnehmen.493 In der Technologieentwicklung macht sich diese „Alternativlosigkeit“ dadurch bemerkbar, dass ein Wechsel zu einer anderen Technologie nach dem Lock-in extrem kostspielig für die Akteure ist.494 Die Gründe für diese Abhängigkeiten und die mit ihnen verbun- denen hohen Wechselkosten werden im Folgenden vertiefend beschrieben. David sieht die Ursachen für Abhängigkeiten in technischer Verbundenheit, steigenden Skalenerträgen sowie einer Quasi-Irreversibilität von Investitionen.495 Da technologi- sche Systeme auf mehreren Technologien aufbauen, bedingt der Wechsel einer Tech- nologie Anpassungen bei den Übrigen. Zudem erfordern Technologien teilweise hohe Anfangsinvestitionen in Produktionsinfrastrukturen, die durch Technologiewechsel ob- solet werden können. Arthur sieht steigende Skalenerträge durch Kostendegression 488 Vgl. Arthur 1994:92f. 489 Vgl. hierzu Rycoft & Kash 2002:30; Nelson 1998:324f; Rosenkopf & Tushman 1994:419; Tushman & Anderson 1986:441. 490 Vgl. hierzu Nelson 1998:324f.; Anderson & Tushman 1990:613ff.; Tushman & Anderson 1986:441ff. Dieser Prozess lässt sich als "Normal Science“ (vgl. Kuhn 1996:10), "Era of Incre- mental Change“ (vgl. Rosenkopf & Tushman 1994:417ff.) oder „Exploitation-Phase“ (vgl. March 2001:73ff.) bezeichnen. 491 Vgl. Schreyögg, Sydow & Koch 2003:262; vgl. hierzu auch Weissenberger-Eibl 2007:1394ff. 492 Vgl. Greener 2004:8. Sie wirken positiv, indem sie bestimmte Handlungsweisen aufzeigen und negativ durch das faktische Ausschließen von Handlungen. 493 Vgl. North 1990:101f.; Araujo & Harrison 2002:7; Sydow, Schreyögg & Koch 2005:11. 494 Vgl. Sydow Schreyögg & Koch 2005:10f. Greener (2004:11) spricht in diesem Zusammenhang von einer „absence of awareness of choice“, die allerdings nach Meinung von Windeler (2003:320f.) durch ein ausreichendes Maß an Reflexion überwunden werden kann. Vgl. hierzu auch die Ausführungen zu der „Mindful Deviation“ nach Garud & Karnøe (2003 und 2001) sowie von Kemp, Rip & Schot (2001). 495 Vgl. hierzu David 1985:334f. Bei dem Beispiel der QWERTY-Tastatur liegt eine technische Ver- bundenheit vor, da der Wert eines Firmencomputers (bzw. einer Schreibmaschine) entscheidend von der Verfügbarkeit qualifizierter Bediener abhängt. Positive Skalenerträge entstehen nicht nur auf Seiten der Investoren, die in eine neue Schreibmaschine investieren, sondern auch auf Sei- ten der Bediener, die eine Schreibtechnik erlernen müssen. Mit einer höheren Verbreitung von Arbeitsmöglichkeiten steigt ihre Chance auf Beschäftigung und Einstellung. 3 Das Aufkommen technologischer Pfade in Innovationssystemen 122 und Erfahrungskurveneffekte als zentrale Ursachen für die Dominanz einer technologi- schen Lösung.496 Skaleneffekte entstehen sowohl in der Produktion als auch auf der institutionellen Ebene,497 da z.B. eine Neugestaltung von Institutionen erhebliche Inves- titionen erfordert498 und Koordinationsschwierigkeiten hervorruft.499 Eine weitere Rolle spielen die von Katz und Shapiro identifizierten Netzwerkexternalitäten. Dabei hängt der Nutzen einer neuen Technologie von der Anzahl komplementärer Produkte und Services sowie von der Anzahl der Akteure ab, die die gleiche Technologie verwen- den.500 Schließlich beeinflussen Lern- und Gewöhnungseffekte der Anwender und Nut- zer einer Technologie deren Kaufentscheidungen zu Ungunsten alternativer technolo- gischer Lösungen.501 Insbesondere unternehmensinterne Ressourcenkonfigurationen stellen eine weitere Ursache pfadabhängiger Entwicklungen von Innovationssystemen dar. Dabei entfalten verschiedene Arten von Ressourcen unterschiedliche Wirkungen. Auf der untersten Ebene einer Ressourcenpyramide werden „Assets“ – finanzielles Kapital, Humankapi- tal und physisches Kapital – für das Beherrschen einer Technologie benötigt.502 Auf einer Ebene darüber sind „Zero-Level Capabilites“ – d.h. grundlegende Routinen für Geschäftsprozesse – auf dem Gebiet des Managements von Organisation und Tech- nologie erforderlich.503 Für diese beiden Ressourcenkategorien eines Unternehmens gilt, dass sie für den Einsatz in spezifischen Technologien kombiniert werden. Da der Transfer der Kombinationen in andere technologische Bereiche in der Regel schwierig ist, stellen sie starke Quellen von Pfadabhängigkeiten dar. Die Wirkung von „Higher- Level-Capabilities" – d.h. Fähigkeiten, die unabhängig von einzelnen Geschäftsfeldern und Technologien sind – auf die Entstehung von Abhängigkeiten ist hingegen nicht eindeutig zu beschreiben.504 In dieser Arbeit wird daher unterstellt, dass sie sowohl Ursachen für Abhängigkeiten als auch Auslöser eines Pfadwechsels sein können. 496 Vgl. Arrow 2000:178; Arthur 1994:84. 497 Vgl. hierzu Greener 2004:6; Wilsford 1994:251. 498 Vgl. hierzu North 2005:95. Beispielsweise sind Akteure zu mobilisiern, um die vorhandenen Regelwerke zu verändern und diese Veränderungen durchzusetzen. 499 Vgl. Schreyögg, Sydow & Koch 2003:262. 500 Vgl. Katz & Shapiro 1985:424; Arthur 1989:117ff. 501 Vgl. Rosenberg 1982:122f.; Rycoft & Kash 2002:27. 502 Vgl. Teece, Pisano & Shuen, 1997:516; Hall 1993:608f. 503 Vgl. Burr 2004:123ff.; Winter 2003:992f.; Amit & Schoemaker 1993:35f.; Hall 1993:609ff. 504 Zum einen lassen sich diese Fähigkeiten als Quelle von Dependenz interpretieren. Teece, Pisa- no und Shuen (1997:523f.) unterstellen, dass die Fähigkeit, neue technologische Optionen zu identifizieren und zu nutzen, von den früheren Erfahrungen des Unternehmens beeinflusst wird (vgl. hierzu auch Leonard-Barton 1992:118ff.). Diese Argumentationslinie stützen verschiedene empirische Untersuchungen (vgl. Christensen 2002; Kleppner & Simons 2003; Tushman & An- derson 1986). Auf der anderen Seite lassen sich dynamische Wettbewerbsfähigkeiten gerade als unabhängig von Geschäftsfeldern charakterisieren (Burr 2004:133f.). 3 Das Aufkommen technologischer Pfade in Innovationssystemen 123 Diese Effekte führen dazu, dass sich ein etabliertes Innovationssystem in einer kon- stanten Richtung entlang eines technologischen Pfades entwickelt. Akteure • stabiles Akteur-Netzwerk, an allen Netz- werkpolen besetzt Institutionen • vollständiges Regelungsumfeld, das die Netzwerke stabilisiert Wissensbasis • Wissensbasis wird inkrementell erweitert St ru kt ur el em en te ih re B ed eu tu ng in d er Pf ad ab hä ng ig ke it Artefakte • Dominante Designs und Standards liegen vor • Produkte weisen standardisierte Schnitt- stellen auf Mobilisierung von Ressour- cen • Mobilisierung von Ressourcen erfolgt routi- niert • Innovationssystem "trägt" sich selbst Schaffung und Verbreitung von Wissen • neues Wissen wird auf Basis der vorhan- denen Erkenntnisse gewonnen • Wissen wird sehr effizient verbreitet Beeinflussung der Richtung des Suchprozesses • Forschungsprobleme sind kollektiv definiert • Einigkeit über wesentliche Forschungs- schwerpunkte • neue Lösungen werden auf Basis der vor- handenen Ansätze konzipiert Gründungstätigkeiten • Gründungstätigkeit ist rückläufig und nimmt im Zeitablauf weiter ab • Konsolidierung setzt sich fort Bildung und Entwicklung von Märkten • Technologie ist als Schlüsseltechnologie auf Massenmärkten etabliert Fu nk tio ne n un d ih re B ed eu tu ng in d er P fa da b- hä ng ig ke it gesellschaftliche Legitimie- rung • Technologie ist weitestgehend legitimiert Tabelle 5: Strukturelemente und Funktionen in der Pfadabhängigkeit [Quelle: eigene Darstellung] Zusammenfassend kann für die Phase der Pfadabhängigkeit die Aussage getroffen werden, dass sich ein Akteur-Netzwerk herausgebildet hat und dieses durch ein institu- tionelles Netzwerk stabilisiert wird.505 Des Weiteren existiert eine Wissensbasis, die dem technologischen Innovationssystem zuzuordnen ist, und es besteht ein spezifi- scher Pool technologischer Artefakte (vgl. Tabelle 5). Sämtliche Funktionen des tech- nologiebasierten Innovationssystems werden erfüllt. Hinsichtlich der Erwartungsdyna- mik herrscht auf kollektiver wie individueller Ebene ein Konsens über die zukünftigen 505 Vgl. Geels 2004:124f. 3 Das Aufkommen technologischer Pfade in Innovationssystemen 124 Anwendungsmöglichkeiten der Technologie, über ihre Vorteile und auch über die mit ihr zusammenhängenden Forschungsfragen.506 In der Phase der Pfadabhängigkeit kann es zu der Herausbildung unterschiedlicher „Äste" – im Sinne von Abspaltungen – eines technologischen Pfades kommen. Ein Beispiel für die Entstehung einer solchen Verzweigung liegt in dem Transfer einer Technologie in einen völlig neuen Anwendungskontext.507 Dieser Transfer erfordert in der Regel Anpassungen der Produktionsanlagen, die Interaktion mit neuen Kunden- und Anwendergruppen, die Beachtung anderer gesetzlicher Regelungen oder den Auf- bau neuen Wissens über das Einsatzverhalten einer Technologie. Von einem techno- logischen Pfad, auf dem sich ein Innovationssystem bewegt, können mehrere solcher Verzweigungen ausgehen. Diese führen dazu, dass sich innerhalb des technologieba- sierten Innovationssystems Sub-Systeme entwickeln, die eine spezifische Struktur, d.h. Zusammensetzung der Strukturelemente und eine spezifische Funktionserfüllung auf- weisen. Neben der Entstehung von Verzweigungen kann die Pfadabhängigkeit durch eine ge- zielte Pfadbrechung aufgehoben werden.508 Die Auslöser für das Brechen eines Pfades können in einem bewussten Abweichen von Bestehendem, beispielsweise in Form der „Mindful Deviation“,509 liegen oder rein zufällig erfolgen, z.B. durch neue wissenschaftli- che Entdeckungen, die Innovationspotenziale oder Kostenvorteile versprechen.510 Es ist ebenfalls denkbar, dass etablierte Pfade durch neue gesetzliche Regelungen (z.B. im Bereich des Umweltschutzes) zu verlassen sind.511 In der Folge beginnt der Prozess der Pfadkonstitution erneut. Das Besetzen eines neuen technologischen Pfades geht mit der Entstehung eines neuen technologiebasierten Innovationssystems, das durch eine spezifische Elementstruktur gekennzeichnet ist, einher. 506 Vgl. hierzu van Merkerk & van Lente 2005:1097; Rycoft & Kash 2002:31; Nelson & Winter 1977:258f. 507 Vgl. Spinardi & Williams 2005a:95; Kostoff, Boylan & Simmons 2004:142; Adner & Levinthal 2002:53ff.; Rao & Singh 2001:243. 508 Vgl. Garud & Karnøe 2001. 509 Vgl. Garud & Karnøe 2003:281; Garud & Karnøe 2001:2; March 1991:71f. Andere Autoren wei- sen in der Tradition des sozialen Konstruktivismus auf die Flexibilität der Interpretation beste- hender Pfade ("Interpretative Flexibility“) hin (vgl. Feenberg 1999:78ff.). 510 Vgl. Cowan & Hultén 1996:63. 511 Vgl. hierzu das von Perez & Soete (1988:460ff.) beschriebene Konzept des "Window of Oppor- tunity“. Vgl. hierzu auch Zundel, Nill & Sartorius 2004:11. 3 Das Aufkommen technologischer Pfade in Innovationssystemen 125 3.5 Zwischenfazit: theoretische Fundierung der Vorausschau und Pla- nung neuer Technologiepfade Das Ziel dieses Kapitels bestand in der Entwickelung einer Grundlage für einen stärke- ren Theoriebezug der Vorausschau und Planung im Umfeld neuer Technologiepfade. Zu diesem Zweck wurde ein theoretisches Modell der Entstehung technologischer Pfa- de in Innovationssystemen entwickelt. Dieses Modell beschreibt das Aufkommen tech- nologiebasierter Innovationssysteme als Prozess der Pfadkonstitution, der über die Phasen der Präformation und der Pfadkreation in eine Phase der Pfadabhängigkeit mündet. In den Phasen der Pfadkreation und der Pfadabhängigkeit können sich Ver- zweigungen herausbilden, die mit der Entstehung von Sub-Systemen innerhalb des Innovationssystems einhergehen. Technologiebasierte Innovationssysteme sind durch eine charakteristische Zusammensetzung der strukturbildenden Elemente – Akteure, Institutionen, Wissen, Artefakte – gekennzeichnet. Innerhalb eines Systems werden zentrale Funktionen – die Mobilisierung von Ressourcen, die Schaffung und Verbrei- tung von Wissen, die Beeinflussung der Richtung des Suchprozesses, Gründungstä- tigkeiten, die Bildung von Märkten und die gesellschaftliche Legitimierung – erfüllt. Technologiebasierte Innovationssysteme bezeichnen alle wirtschaftlichen, sozialen, politischen, organisationalen, institutionellen sowie sonstige Faktoren, wenn sie die Entwicklung, Diffusion oder Nutzung einer Technologie beeinflussen. Mit dem entwickelten Modell der Entstehung technologischer Pfade in Innovationssys- temen lassen sich unter anderem folgende Fragestellungen beantworten, die für die Durchführung der Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade in Unternehmen von zentraler Bedeutung sind: • Wie entstehen technologiebasierte Innovationssysteme und durch welche Pro- zesse sind die einzelnen Phasen ihrer Entwicklung gekennzeichnet? • Welche Einflussfaktoren bestimmen das Aufkommen von technologischen Pfa- den und wie festigt sich eine Entwicklungsrichtung? • Welche Möglichkeiten haben einzelne Akteure, um den Prozess der Pfadkonsti- tution zu beeinflussen? Das Verständnis der Prozesse, die bei der Entstehung neuer Pfade ablaufen, ist die Voraussetzung für eine Analyse und eine Interpretation dieser Situationen. In der Ana- lyse ermöglicht das entwickelte Modell die Handhabung der Komplexität durch das Aufzeigen zentraler Prozesse (z.B. Erwartungsbildung, technologische Nischen, Wechsel der Entwicklungsrichtung, Verstärken von Abhängigkeiten). Die Kenntnis von Ursachen und Verläufen der Pfadkonstitution liefert die Basis für zielorientiertes Han- deln in Unternehmen. Dieses Handeln kann sich z.B. in der frühzeitigen Positionierung 3 Das Aufkommen technologischer Pfade in Innovationssystemen 126 auf einem aussichtsreichen Technologiepfad oder in einer gezielten Beeinflussung der Entwicklungsrichtung ausdrücken. Die Kenntnis der Einflussfaktoren, die das Aufkom- men neuer Technologiepfade bestimmen sowie ihrer Wechselwirkungen ist ebenfalls für die Analyse eines neuen Feldes relevant. Noch größere Bedeutung erlangt diese Kenntnis in der Vorausschau, um potenzielle Entwicklungsrichtungen und Entwick- lungsbarrieren einer neuen Technologie auf Basis der Analyse von Einflussfaktoren (z.B. Regulierungsbemühungen, existierende Kompetenzen, etablierte Produktionsinf- rastrukturen, vorhandene Wissensbasen) zu antizipieren. Zusammenfassend gestattet die Nutzung des Modells in der Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade sowohl die frühzeitige Entwicklung von Handlungsstrategien als auch die Besetzung strategischer Positionen. Unternehmen können dadurch Vorteile im Prozess der Tech- nologieentwicklung gegenüber ihren Konkurrenten erzielen. Auf Basis der in Abschnitt 2.3.3 aufgestellten Forschungsthese ist die Eignung des Modells als theoretische Fundierung der Vorausschau und Planung neuer Technolo- giepfade zu evaluieren. Die These lautete wie folgt: 1. Die Vorausschau und Planung basiert auf einem impliziten Verständnis tech- nologischer Entwicklung, welches eine handlungsleitende Funktion ausübt. Ansätzen für Situationen, in denen neue technologische Pfade entstehen, liegt in der Regel ein Verständnis zu Grunde, welches wissenschaftliche Erkennt- nisse über den Innovationsprozess in diesen Situationen nur unzureichend be- rücksichtigt. Wenn diese Situationen durch ein theoretisch und empirisch vali- diertes Modell beschrieben werden können, könnte dieses Modell als Fundie- rung für die Vorausschau und Planung genutzt werden. Das Erkenntnisinteresse der ersten Hypothese lag darin, das Potenzial einer Integrati- on von Innovationssystemen und technologischen Pfaden als theoretische Grundlage der Vorausschau und Planung zu bestimmen. Das in diesem Kapitel entwickelte Modell verknüpft die beiden Konzepte, indem es die Entstehung technologischer Pfade als einen Prozess beschreibt, der mit der Entstehung technologiebasierter Innovationssys- teme einhergeht. Die theoretische Grundlage sollte die Erfassung der Komplexität neuer Technologiepfade unterstützen. Das vorgeschlagene Modell bietet die Möglich- keit, unterschiedliche Perspektiven – Strukturelemente, Funktionen, Entstehungspha- sen – einzunehmen und hierdurch Situationen, in denen neue Pfade entstehen, ganz- heitlich zu erfassen. Die Bildung von Kategorien innerhalb der einzelnen Perspektiven lässt gleichzeitig die angestrebte Komplexitätsreduktion zu. Weiterhin sollte diese theoretische Grundlage sowohl für Entwickler von Vorausschau- und Planungsmethoden als auch für potenzielle Anwender nachvollziehbar sein. Der 3 Das Aufkommen technologischer Pfade in Innovationssystemen 127 Gedanke der Technologieentwicklung entlang charakteristischer Pfade ist in der Wis- senschaft und in der Unternehmenspraxis weit verbreitet. Daher kann ein Verständnis des vorgestellten Modells bei Methodenentwicklern und Anwendern vorausgesetzt werden. Problematisch erscheint jedoch die Integration des Innovationssystem- Konzepts, da dieses bislang noch nicht für die Vorausschau und Planung genutzt wird. Daher werden in den folgenden Kapiteln dieser Arbeit Anwendungsmöglichkeiten des Modells aufgezeigt, um Aussagen über eine praktische Nutzung treffen zu können. Die Anwendung des entwickelten Ansatzes zusammen mit Pilotunternehmen wird weitere Rückschlüsse auf das Verständnis und die Akzeptanz des Modells in der Unterneh- menspraxis zulassen. Das in diesem Kapitel vorgestellte Modell bildet die Grundlage eines ganzheitlichen Ansatzes der Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade. Es wird insbesonde- re genutzt, um einen Rahmen für die Analyse von Einflussfaktoren der Technologie- entwicklung zu definieren. Aussagen über die Anwendung dieses Rahmens für die Vorausschau und Planung in Unternehmen werden in der Diskussion der weiteren For- schungsthesen in Abschnitt 5.6.3 getroffen. 4 Ein ganzheitlicher Ansatz für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 128 4 EIN GANZHEITLICHER ANSATZ FÜR DIE VORAUSSCHAU UND PLANUNG NEUER TECHNOLOGIEPFADE In diesem Kapitel wird ein Referenzmodell für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade entwickelt. Zuerst werden Konkretisierungsmöglichkeiten für die inhaltlichen Leitlinien der Vorausschau und Planung diskutiert. Anschließend findet auf Basis des zuvor entwickelten theoretischen Modells der Pfadentstehung eine Segmen- tierung von Einflussfaktoren in die Dimensionen Landscape, technologiebasiertes In- novationssystem und Unternehmen statt. Diese Faktoren bilden die Basis der im dritten Abschnitt dargestellten Ablauf- und Aufbauorganisation der Vorausschau und Planung. 4.1 Inhaltliche Leitlinien der Vorausschau und Planung neuer Technolo- giepfade Grundlage der Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade sind verschiedene inhaltliche Leitlinien. Diese formulieren zum einen durchzuführende Aktivitäten und Aufgaben. Zum anderen spezifizieren sie Anforderungen an die zu entwickelnden Stra- tegien im Umfeld neuer technologischer Pfade. Die inhaltlichen Leitlinien umfassen: • die Erstellung von Visionen und Erwartungen, • das Aufbauen eines gemeinsamen Verständnisses zwischen den Teilnehmern, • die Antizipation möglicher Entwicklungen, • das Ermöglichen von Kreativität und Lernen, • die Identifikation schwacher Signale, • die Herausarbeitung von Wechselwirkungen zwischen Einflussfaktoren, • das Reflektieren von Strategien, • das Anstoßen von Veränderungen, • die Formulierung flexibler Strategien, • die Ableitung konkreter Schritte und Handlungsoptionen und • die Erarbeitung langfristiger Strategien. Den Kern der Diskussion dieses Abschnitts bildet die Konkretisierung dieser Leitlinien über geeignete Konzepte, die in den ganzheitlichen Ansatz der Vorausschau und Pla- nung neuer Technologiepfade einfließen. Verschiedene Publikationen betonen die Erarbeitung von Visionen und Erwartungen für eine neue Technologie. Diese Aufgabe drückt sich in der ersten inhaltlichen Leitlinie der Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade aus. Visionen sind einerseits normative Zielpunkte der technologischen Entwicklung und andererseits Bilder mögli- cher Zukünfte. Verknüpft mit dem Erstellen von Visionen ist das Erzeugen von Erwar- 4 Ein ganzheitlicher Ansatz für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 129 tungen über mögliche Entwicklungen. Diese sind nicht nur statische Bilder, sondern besitzen zusätzlich einen dynamischen Charakter. Die erste Leitlinie umfasst ebenfalls die Kommunikation der Visionen und Erwartungen innerhalb des Unternehmens. Diese Verbreitung ist Voraussetzung für einen ausgedehnten Diskurs, der wiederum in einer Anpassung der Visionen und Erwartungen resultieren kann. Die lange Frist, die hohe Dynamik und die Komplexität des Umfelds erschweren die Formulierung von Visionen und Erwartungen beim Entstehen neuer Technologiepfade. Zur Unterstützung stehen Unternehmen in diesen Situationen unterschiedliche methodische Vorgehensweisen zur Verfügung. Eine relativ einfache Möglichkeit liegt in der Übernahme von Visionen aus öffentlich verfügbaren Quellen.512 Dies spart einen zeitaufwendigen Erstellungs- prozess und bettet die Position des Unternehmens in öffentlich geteilte Erwartungen ein. Die Erstellung von Visionen über die zukünftige Nutzung der Technologie kann außerdem aus dem Unternehmen selbst erfolgen. Als Methode bieten sich Workshops oder Fokusgruppen mit einem möglichst heterogenen Team an. Neben Personen un- terschiedlicher hierarchischer Ebenen sollten verschiedene Funktionsbereiche einge- bunden und bei Bedarf zusätzlich Personen von außerhalb des Unternehmens integ- riert werden. Zudem sollten sich die Teilnehmer in Bezug auf ihre fachlichen Kompe- tenzen und ihre kulturellen Hintergründe unterscheiden.513 Die Bildung eines möglichst vielschichtigen Teams sichert die Zusammenführung einer großen Anzahl von Per- spektiven, Interessen und Erfahrungen. Vor allem in Feldern, die sich schnell verän- dern, ist diese Heterogenität der Perspektiven wichtig, um möglichst differenzierte Zu- kunftsbilder zu entwerfen.514 Ankerpunkte dieser Szenarien sollten zukünftige Anwen- dungsfelder der Technologie sein, da in der Regel noch keine Produktkonzepte existie- ren, die im Zentrum einer Vision stehen können.515 Für die Visionsbildung in dieser Arbeit wird der Begriff des Anwendungskontexts verwendet, um neben der reinen Technologienutzung die Bedeutung der Umfelder der Anwendung zu betonen. Im Zent- rum des Anwendungskontexts stehen langfristig relativ stabile Kundenbedürfnisse und technologische Funktionen. Neben der Erstellung von Visionen und Erwartungen liegt eine wesentliche Aufgabe der Vorausschau und Planung darüber hinaus in ihrer Inter- pretation. In diesem Zusammenhang sind mögliche Konsequenzen für das Unterneh- 512 Vgl. Kets, Burger & De Zoeten-Dartenset 2003:13f. 513 Vgl. Stacey 1993:16. Der Autor betont, dass heterogene Kulturen Auslöser von Konflikten sind und hierdurch die Teamfindung und die Selbstorganisation des Teams vorantreiben. 514 Vgl. hierzu den breiten Konsens in der Methodenforschung über den Bedarf an heterogenen Teams, der sich in Tabelle 1 zeigt. 515 Vgl. van den Hende, Schoormans, Morel, Lashina, van Loenen, & de Boevere 2007:3; Day & Schoemaker 2000:21; Veryzer 1998:317; Chiesa & Manzini 1998:115. 4 Ein ganzheitlicher Ansatz für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 130 men abzuleiten und mit den Szenarien innerhalb des Unternehmens zu kommunizie- ren.516 Der Aufbau eines gemeinsamen Verständnisses über die Möglichkeiten einer neuen Technologie – als eine weitere inhaltliche Leitlinie – hängt mit der Bildung von Visionen und Erwartungen zusammen. Ziel ist es, einen von allen Beteiligten getragenen Kon- sens (z.B. über eine Vision oder eine Strategie) zu erzielen, um ein Committment der Beteiligten aufzubauen und eine Koordination von Aktivitäten zu ermöglichen. Zudem kann im Rahmen der Konsensfindung Vertrauen zwischen den Teilnehmern aufge- baut517 und eine gemeinsame Sprache gefunden werden.518 Beides beeinflusst die weitere Zusammenarbeit des Teams positiv. Insbesondere in sich schnell wandelnden Feldern ist das gemeinsame Verständnis jedoch schwer aufzubauen, da eine Vielzahl von Interpretationsmöglichkeiten und Entwicklungsrichtungen vorstellbar sind.519 Aus dem gleichen Grund ist eine geteilte Perspektive jedoch besonders wichtig, um die Abstimmung zwischen verschiedenen Organisationen, Funktionsbereichen und Perso- nen zu ermöglichen. Die gemeinsame Visualisierung von Entwicklungen oder Visionen ist ein Mittel, um den Aufbau eines „shared understanding“ in komplexen Situationen zu beschleunigen. In diesem Zusammenhang bildet das physische „Aufzeichnen" von Entwicklungen und Zielpunkten den Auslöser einer konstruktiven Diskussion zwischen den Beteiligten. Verschiedene Forscher sehen Roadmaps als eine besonders gute Möglichkeit der gemeinsamen Visualisierung, Konsensfindung und Koordination von Aufgaben in neuen Technologiefeldern an.520 Diese Roadmaps sollten unterschiedliche Einflussgrößen, wie beispielsweise Anwendungskontexte, alternative Technologien, Kompetenzen oder Umfeldentwicklungen, gegenüber der Zeit abbilden. Eine weitere zentrale Aufgabe der Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade ist die Antizipation möglicher Entwicklungen und der mit ihnen verbundenen Chancen und Risiken. In komplexen, hochdynamischen Feldern ist diese Antizipation zentral, da keine zuverlässige Prognose von Entwicklungen erfolgen kann. Diese Bedeutung unterstreicht eine Fallstudienuntersuchung von Brown und Eisenhardt. “One reason that probing the future is associated with successful product portfolios may be that probes give managers options for the future. In high- velocity industries, new futures arrive quickly, making it particularly chal- lenging to predict which of the possible futures will arrive and when. Given 516 Vgl. Mendonça, Pina e Cunha, Kaivo-oja & Ruff 2004:208f. 517 Vgl. Slaughter 1990:157. 518 Vgl. Walsh 2004:175. 519 Vgl. hierzu die Ausführungen von Walsh 2004:170ff. 520 Vgl. Technology Futures Analysis Methods Working Group 2004:300; Kostoff, Boylan & Sim- mons 2004:157; Walsh 2004:175. 4 Ein ganzheitlicher Ansatz für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 131 this uncertainty, options give managers more possible responses. When the future does arrive, managers are more likely to have something readily available to do and can more quickly adjust.”521 Die Antizipation umfasst das „Vorausdenken" von Entwicklungen des Umfelds und das „Erdenken" von Strategien, um auf diese Entwicklungen zu reagieren. Sie hat zwei Effekte. Erstens schafft sie bei den Teilnehmern das Bewusstsein, dass der Entwick- lungsprozess des Technologiepfades nicht linear verläuft sondern unterschiedliche Richtungen einschlagen kann. Zweitens sensibilisiert sie die Teilnehmer dafür, dass die Zukunft „anders eintreten wird" als von ihnen erwartet. Beide Effekte unterstützen das Herausbilden von „innerer Flexibilität": treten unvorhergesehene Ereignisse auf, fällt es den Teilnehmer leichter, die „alten", obsoleten Strategien zu verwerfen, neue Optionen zu identifizieren und sich auf diese einzulassen. Möglichkeiten, die Antizipati- on zu forcieren, bestehen in dem Entwurf unterschiedlicher Strategien und Zielpunkte. Außerdem können Ereignisse definiert werden, die den Erfolg von Strategien gefähr- den würden, wie beispielsweise das Aufkommen technologischer Alternativen oder neuer Bedürfnisse. Des Weiteren können Teilnehmer Analogien aus Entwicklungsbrü- chen in anderen Industrien oder Technologiefeldern ziehen und deren Auswirkungen auf den neuen technologischen Pfad übertragen.522 Eine weitere inhaltliche Leitlinie der Vorausschau und Planung liegt darin, durch stän- dige Reflexionen möglichst objektive Resultate zu erlangen. Da im Umfeld neuer Technologiepfade ist keine vollständige Objektivität vorstellbar ist, ist es lediglich mög- lich, Positionen und Entwicklungen aus verschiedenen Perspektiven zu analysieren und systematisch neu zu interpretieren. Das Ziel dieser Leitlinie besteht demzufolge vornehmlich darin, den Teilnehmern die Subjektivität und Unsicherheit ihrer Einschät- zungen bewusst zu machen. Zu diesem Zweck können beispielsweise die den Strate- gien zugrunde liegenden Annahmen expliziert und wiederholt kritisch hinterfragt wer- den.523 Eine andere Möglichkeit liegt in dem Hinzuziehen von Externen, die nicht an der Erarbeitung einer Strategie beteiligt waren. Dies bietet das Potenzial, den Bias in- nerhalb einer Teilnehmergruppe aufzuzeigen. In diesem Zusammenhang ist insbeson- dere auf die Gefahr des „Group Think" hinzuweisen.524 Denkbar wäre weiterhin der Abgleich mit alternativen Visionen, die in öffentlich verfügbaren Dokumenten vorliegen können oder in Erwartungen anderer Akteure zum Ausdruck kommen können.525 Ein 521 Brown & Eisenhardt 1997:20. Zu der Bedeutung der Antizipation vgl. auch Slaughter 1990:156ff. 522 Vgl. Day & Schoemaker 2006:9f. 523 Vgl. Schnaars & Berenson 1986:71f. 524 Vgl. Day & Schoemaker 2006:10. 525 Vgl. Kets, Burger & de Zoeten-Dartenset 2003:13f. 4 Ein ganzheitlicher Ansatz für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 132 anderer Ansatzpunkt könnte im Abgleich mit Ergebnissen von Datenbankanalysen526 oder von Analysen technologischer Entwicklungsmuster liegen.527 Das Einsetzen meh- rerer redundanter Gruppen mit Teilnehmern aus dem Unternehmen, die simultan die gleiche Aufgabenstellung bearbeiten, kann ebenfalls die Konfrontation mit abweichen- den Positionen ermöglichen.528 Vor dem Hintergrund einer vielschichtigen Reflexion sollte der beteiligte Personenkreis ein hohes Maß an Heterogenität aufweisen. Das Vorgehen der Vorausschau und Planung sollte konkrete Zeitpunkte für die Hinterfra- gung von Ergebnissen vorsehen. Verschiedene Ansätze der Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade beto- nen das Erreichen von Kreativität und Lernen. Kreativität ist unter anderem bei der Analyse von Umfeld und Unternehmen, bei der Antizipation möglicher Entwicklungen und bei der Konzeption von Strategien von Relevanz. Alternative Kombinationsmög- lichkeiten von Faktoren sowie unkonventionelle Wege bieten Unternehmen das Poten- zial, Zeit- und Wettbewerbsvorteile gegenüber Konkurrenten zu erlangen. Die systema- tische Anwendung von Kreativitätstechniken ist eine Möglichkeit, Projektteilnehmern neue Perspektiven zu eröffnen.529 Die Integration von weiteren kreativen Elementen, wie unter anderem von Spielen oder Gruppenarbeiten sowie das Erzeugen einer posi- tiven Grundstimmung in Workshops unterstützen ebenfalls das Aufkommen neuer Ideen. Voraussetzung für das Formulieren erfolgversprechender Strategien in der Vor- ausschau und Planung ist des Weiteren das schnelle und umfassende Lernen über neue Technologien sowie über die Gegebenheiten im Unternehmen. Im Umfeld neuer Technologiepfade wird dieses Lernen zum einen durch eine Vielzahl von Informationen und zum anderen durch mögliche Widersprüche zwischen diesen Informationen er- schwert. Ansätze, um mit dieser Problematik umzugehen, liegen beispielsweise in ei- ner heterogenen Teamzusammensetzung, die eine umfassende Aufnahme und viel- schichtige Interpretation von Informationen ermöglicht. Potenziale bei der Aufnahme und Analyse einer Masse von Informationen bieten zusätzlich automatisierte Auswer- tungen von Datenbanken.530 Ein weiterer Ansatzpunkt besteht in der Integration der durch den neuen Technologiepfad voraussichtlich betroffenen Stellen innerhalb des Unternehmens. Hierdurch können die Wirkungen auf das Unternehmen optimal erfasst und ein bestmöglicher Transfer der generierten Erkenntnisse in die spätere Entschei- dungsumsetzung erreicht werden. 526 Vgl. Porter & Detampel 1995:249. 527 Vgl. Rinne 2004:76. 528 Vgl. Mercer 1997:158ff. 529 Vgl. Stern & Jaberg 2007:116ff. 530 Vgl. Kajikawa, Yoshikawa, Takeda & Matsushima 2007:3ff.; Porter & Detampel 1995:241ff.; Dror 1993:53ff. 4 Ein ganzheitlicher Ansatz für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 133 Die frühzeitige Identifikation schwacher Signale im Umfeld des Unternehmens ist ins- besondere in Situationen mit schnellen Veränderungen von Bedeutung, da hierdurch die verfügbare Reaktionszeit des Unternehmens verlängert wird.531 Schwache Signale werden in diesem Zusammenhang als erste Anzeichen von Veränderungsprozessen verstanden. Für ihr Aufspüren sind unterschiedliche Vorgehensweisen denkbar. Poten- zial liegt in der Nutzung von Informationen aus Datenbanken, beispielsweise bei der Identifikation neuer Technologien, die aus neuen Erkenntnissen, die an den Schnittstel- len von Disziplinen liegen, entstehen. Schnittstellen von Technologiefeldern können identifiziert werden, indem zwei Wissenschaftsbereiche voneinander abgegrenzt und anschließend über Schlagwörter potenzielle Verbindungen zwischen diesen Feldern hergestellt werden.532 Schwankende S-Kurven in der Reifephase von Technologien können ebenfalls als schwache Signale des Auftretens neuer Technologien interpretiert werden.533 Eine weitere Möglichkeit kann im Hinzuziehen führender Wissenschaftler bestehen, die einen guten Überblick über die jeweiligen Forschungsfelder besitzen und neue Entwicklungen frühzeitig erkennen. Die Suche nach schwachen Signalen sollte kontinuierlich erfolgen. Die Entwicklung neuer Technologiepfade ist durch komplexe Interaktionen bestimmt. Um ein Verständnis dieser nicht-linearen Dynamik aufzubauen, ist das Herausarbeiten von Wechselwirkungen zwischen unterschiedlichen Einflussfaktoren von Bedeutung. Ein Ansatzpunkt, um mögliche Wechselwirkungen zu identifizieren, besteht in der Mo- dellierung des Umfelds, beispielsweise auf Basis chaostheoretischer Modelle.534 Das Durchlaufen mehrerer aufeinanderfolgender Simulationsvorgänge erlaubt das Heraus- filtern von charakteristischen Entwicklungsmustern, die in der Vorausschau und Pla- nung genutzt werden können. Eine andere Möglichkeit liegt in der Visualisierung von Entwicklungen in Roadmaps, die unterschiedliche Ebenen und Einflussfaktoren ein- schließlich möglicher Rückkopplungen berücksichtigen. Für das Unternehmen sind vor allem Wechselwirkungen zwischen Handlungen des Unternehmens und dem Umfeld relevant. Die Ableitung möglicher Auswirkungen von externen Entwicklungen kann in bereichsübergreifenden Workshops erfolgen. Besondere Bedeutung kommt der Betei- ligung von unternehmensexternen Teilnehmern zu, da diese auf Trends hinweisen können, die innerhalb des Unternehmens nicht gesehen werden. Schließlich führen Wechselwirkungen in der Technologieentwicklung zur Herausbildung oder Verstärkung von Abhängigkeiten. Das Aufspüren von Lock-ins vor Konkurrenten ermöglicht es Fir- 531 Vgl. Gerybadze 2004:46. 532 Vgl. Kostoff 2006:929ff.; Smalheiser 2001:691f.; Hinze 1994:357ff. 533 Vgl. Pistorius & Utterback 1995:223. 534 Vgl. Baum & Silverman 2001:171. 4 Ein ganzheitlicher Ansatz für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 134 men, aussichtsreiche, stabile technologische Lösungen frühzeitig zu identifizieren und zu verfolgen. Frühindikationen von Abhängigkeiten sind beispielsweise konvergente Erwartungen und Agenden der Akteure innerhalb eines Technologiefelds.535 Schließlich bietet die Vorausschau und Planung die Möglichkeit, auch innerhalb von Organisationen einen entsprechenden Wandel zu initiieren oder zu forcieren. Neue Technologiepfade erfordern häufig Anpassungen innerhalb von Unternehmen, indem sie technologische Kompetenzen oder bestehende Produktionsinfrastrukturen obsolet machen. Um Veränderungen in der Vorausschau und Planung zu initiieren, sollten so- wohl Entwicklungen im Umfeld als auch Strukturen innerhalb des Unternehmens kri- tisch hinterfragt werden. Beides bietet das Potenzial, Anpassungsbedarf frühzeitig zu definieren und entsprechende Maßnahmen auszulösen. Durch die Einbeziehung der betroffenen Unternehmensbereiche bereits in die Analyse einer neuen Technologie können diese Prozesse besonders effizient gestaltet werden. Ein weiterer Aspekt der inhaltlichen Leitlinien der Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade betrifft die Anforderungen an die zu entwickelnden Strategien. Da neue Technologien durch nicht-lineare Dynamik gekennzeichnet sind, die sich einer zuverlässigen Prognose entziehen, sind flexible Strategien bereitzustellen, die die prin- zipielle Offenheit der Technologieentwicklung berücksichtigen. Strategien für neue Technologiepfade sollten sicherstellen, dass in Zukunft Handlungsfreiheit besteht, um auf bestimmte unvorhergesehene Entwicklungen zu reagieren. Zudem sollten sie ei- nem zu frühen Lock-in der Technologieentwicklung vorbeugen, um das technologische Entwicklungspotenzial bestmöglich auszuschöpfen.536 Für die Herstellung strategischer Flexibilität lassen sich unterschiedliche Ansatzpunkte identifizieren. Zum einen kann sich eine Strategie auf die Formulierung von abstrakten Handlungsleitlinien beschrän- ken, die emergente Strategien in hochdynamischen Feldern ermöglichen.537 „Consequently, the essence of strategy […] is to build a posture that is strong (and potentially flexible) in selecting the ways that the organization can achieve its goals despite the unforeseeable ways external forces may actually interact when the time comes.”538 Eine Alternative in der Formulierung grober Leitlinien liegt in der Erarbeitung von ver- einheitlichenden Strategien, die in sämtlichen vorstellbaren Zukunftsszenarien funktio- nieren. Diese erfordern jedoch in der Regel bereits zum Entscheidungszeitpunkt einen 535 Vgl. van Merkerk & van Lente 2005:1097. 536 Vgl. Rip & Propp 2005. 537 Vgl. Mendonça, Pina e Cunha, Kaivo-oja & Ruff 2004:211. 538 Quinn 2003:15. 4 Ein ganzheitlicher Ansatz für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 135 hohen Kapitaleinsatz539 und bergen das Risiko, bei völlig unvorhergesehenen Entwick- lungen zu versagen. Andererseits ist das möglicherweise geringere Committment der Teilnehmer beim Formulieren abstrakter „Guidelines" problematisch.540 Zudem steht diese inhaltliche Leitlinie der im Folgenden diskutierten Forderung nach möglichst kon- kreten Strategien entgegen. Die Formulierung von konkreten Schritten und Maßnahmen, die Wege zu angestrebten zukünftigen Zuständen aufzeigen, ist ein Ziel der Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade. Die Definition konkreter Vorgehensweisen widerspricht jedoch mög- licherweise der zuvor angesprochenen Konzeption offener, flexibler Strategien. Um diesem Dilemma der Strategiebildung für neue Technologiepfade zu entgehen, sind verschiedene Ansatzpunkte vorstellbar. Eine Option besteht im Entwerfen unterschied- licher Wege zu einem angestrebten Zukunftszustand.541 Eine Alternative liegt im Ent- werfen mehrerer Pfade zu verschiedenen Zukünften.542 Beispielsweise kann ein Unter- nehmen konkurrierende Technologiepfade gleichzeitig besetzen, mit der ein zukünfti- ger Bedarf adressiert werden kann.543 Weitere Möglichkeiten, flexible und gleichzeitig konkrete Strategien zu vereinbaren, sind die Definition zukünftiger Entscheidungspunk- te. Eine Strategie kann beispielsweise „Flexibilitätspunkte", bei denen Anpassungen der Entwicklungsrichtung vorzunehmen sind, „Windows", bei denen bisherige Strate- gien weiter zu verfolgen sind oder „Gabelungen", bei denen auf eine andere Strategie zu wechseln ist, beinhalten.544 Zudem kann das Durchführen einer Strategiereflexion bei dem Auftreten bestimmter kritischer Ereignisse im Umfeld oder innerhalb des Un- ternehmens festgelegt werden.545 Da in diesen Fällen konkrete Handlungsweisen defi- niert sind, ist von einem höheren Committment der Teilnehmer auszugehen als bei der Nutzung offen formulierter Leitlinien. Eine weitere inhaltliche Leitlinie betrifft die Fristigkeiten der erarbeiteten Strategien für neue Technologiepfade. Neue Technologien sind in der Regel in verschiedenen Kon- texten zu erproben, bevor eine erfolgreiche Anwendung gefunden wird. Das Risiko, dass sich die Technologie in den ersten Anwendungsfeldern als nicht erfolgreich er- weist, ist relativ hoch. Um einen verfrühten Rückzug aus einer Technologie zu vermei- den, sind langfristig ausgelegte Strategien anzustreben, die ein potenzielles Scheitern 539 Vgl. Bers, Lynn & Spurling 1999:37ff. 540 Vgl. Day & Schoemaker 2000:24f. 541 Dortmanns (2005:280f.) spricht in diesem Zusammenhang von Migrationslandschaften. Diese stellen die Gesamtheit von Wegen dar, die zwischen einem Ist-Status und einem strategischen Zielpunkt liegen. 542 Vgl. Rip & Propp 2005; Kets, Burger & de Zoeten-Dartenset 2003:9. 543 Vgl. Kostoff, Boylan & Simmons 2004:146; Walsh 2004:177. 544 Vgl. Radnor & Strauss 2004:55. Vgl. hierzu auch Kets, Burger & de Zoeten-Dartenset 2003:10. 4 Ein ganzheitlicher Ansatz für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 136 einkalkulieren. Der Zeithorizont, für den zu planen ist, hängt dabei von den Innovati- onszyklen der jeweiligen Industrie ab; mit tendenziell längeren Zyklen in den Bereichen Materialien, Pharmatechnologie oder Luft- und Raumfahrt und kürzeren Zyklen im Be- reich der Informations- und Kommunikationstechnologie. Zusätzlich sollte ein mögli- ches Vorgehen darauf ausgerichtet sein, ein schnelles Lernen über ein Anwendungs- feld und damit auch ein schnelles Scheitern zu ermöglichen.546 Unabhängig von der Frist sollten die jeweiligen Strategien das Timing von Entschei- dungen definieren, um gemeinsame Zielpunkte zu dokumentieren und eine Koordinati- on von Aktivitäten zu ermöglichen. Im Umfeld neuer technologischer Pfade erschweren die hohe Veränderungsrate und das Auftreten von Ereignissen, die zum Zeitpunkt der Planung nicht absehbar sind, jedoch die zeitliche Fixierung von Entscheidungen. Starre Deadlines für einzelne Teilaktivitäten sollten vor dem Hintergrund eines sich schnell entwickelnden Umfelds ebenfalls vermieden werden, da möglicherweise die Anpas- sung oder der Abbruch von Aktivitäten erforderlich sind.547 Daher sollten sich Unter- nehmen beispielsweise auf die Festlegung von Ziel-Zeitpunkten für langfristige Strate- gien sowie auf Zeitpunkte für Strategie-Reviews beschränken. Eine weitere Möglichkeit besteht in der gemeinsamen Definition von „Indikator-Ereignissen", bei denen be- stimmte Entscheidungen zu treffen sind, unabhängig vom Zeitpunkt, an dem sie auftre- ten. Geeignete Indikatoren können beispielsweise die Verfügbarkeit komplementärer Technologien, das Aufkommen technologischer Alternativen sowie Veränderungen in der Gesetzgebung oder in den Bedürfnissen von Kundengruppen sein. Eine langfristig ausgerichtete Planung, in der auch einzelne Ereignisse abgebildet werden, können Unternehmen in einer Roadmap erarbeiten. In diesem Abschnitt erfolgte die Diskussion und Konkretisierung der verschiedenen inhaltlichen Leitlinien der Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade. Die fol- genden Abschnitte ergänzen diese Diskussion um die systematische Analyse von Ein- flussfaktoren sowie die Organisation eines ganzheitlichen Ansatzes der Vorausschau und Planung. 545 Vgl. Dortmans 2005:280. 546 Vgl. Bessant, Lamming, Hannah & Phillips 2005:1373; Mendonça, Pina e Cunha, Kaivo-oja & Ruff 2004:209; Day & Schoemaker 2000:21. 547 Vgl. Noori, Munro, Descza & McWilliams 1999a:559; Calori & Atamer 1990:46. 4 Ein ganzheitlicher Ansatz für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 137 4.2 Einflussfaktoren der Vorausschau und Planung neuer Technologie- pfade Ausgangspunkt der Definition eines Rahmens für das Aufnehmen von Einflussfaktoren ist die theoretische Fundierung der Arbeit. Das entwickelte Modell des Aufkommens von Technologiepfaden in Innovationssystemen wird in diesem Abschnitt für die Vor- ausschau und Planung auf den drei Ebenen „Umfeld/Landscape“, „Technologiefeld“ und „Unternehmen/Unternehmensbereich“, konkretisiert (vgl. Abbildung 9). Das Umfeld bezeichnet unter anderem gesellschaftliche, politische und rechtliche Rahmenbedin- gungen, langfristige globale Trends sowie andere technologiebasierte Innovationssys- teme. Das technologiebasierte Innovationssystem enthält Einflussfaktoren aus dem Bereich von Akteuren, die sich mit der Technologie befassen. Die dritte Ebene betrifft die Einflussfaktoren innerhalb des Unternehmens. Aufgrund der schnellen Verände- rungen in Situationen der Pfadentstehung ist teilweise keine eindeutige Zuordnung von Einflussfaktoren zu einer Ebene möglich. Zudem kann im Zeitablauf auch eine Bewe- gung der Einflussfaktoren zwischen einzelnen Ebenen erfolgen. Beispielsweise geht eine Expansion des technologiebasierten Innovationssystems im Prozess der Pfadent- stehung mit der Integration von Faktoren aus dem Umfeld einher. Umfeld / Landscape technologiebasiertes Innovationssystem Unternehmen / Unternehmensbereich A kt eu re In st itu tio ne n W is se n A rte fa kt e Abbildung 9: Landscape, technologiebasiertes Innovationssystem und Unternehmen [Quelle: eigene Darstellung] Der im Folgenden diskutierte Rahmen unterscheidet Akteure, Institutionen, Wissen und Artefakte auf den drei betrachteten Ebenen. Die einzelnen Funktionen technologieba- sierter Innovationssysteme fließen in diese Strukturelemente ein. Dies erscheint aus zwei Gründen gerechtfertigt. Zum einen bildet sich die Funktionserfüllung wie zuvor diskutiert in den Strukturelementen des Innovationssystems ab.548 Zum anderen liefert 548 Vgl. hierzu die Diskussion in Abschnitt 3.3. 4 Ein ganzheitlicher Ansatz für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 138 das Aufspannen einer Zwölf-Felder-Matrix aus drei Ebenen und vier Strukturelementen einen handhabbaren Rahmen für die Vorausschau und Planung in Unternehmen. Ein Cubus mit drei Ebenen, vier Strukturelementen und sechs Funktionen ist für die An- wendung als Analyse- und Beschreibungsrahmen in Unternehmen zu komplex. In den nächsten drei Abschnitten findet eine Konkretisierung der betrachteten Ebenen „Umfeld“, „technologiebasiertes Innovationssystem“ und „Unternehmen“ statt. Auf jeder Ebene werden relevante Einflussfaktoren benannt und Einflussmöglichkeiten eines Unternehmens auf diese Faktoren diskutiert. 4.2.1 Ebene des gesellschaftlichen Umfelds Die Ebene des gesellschaftlichen Umfelds bzw. der Landscape umfasst Faktoren aus dem gesellschaftlichen, rechtlichen, politischen, wirtschaftlichen und technologischen Bereich, die weder dem technologiebasierten Innovationssystem noch dem Unterneh- men zuzuordnen sind. Die Landscape bildet den Kontext, in dem sich einzelne techno- logische Pfade entwickeln. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass sie sich relativ langsam verändert und die Beeinflussungsmöglichkeiten durch ein Unternehmen im Vergleich zu den anderen Ebenen tendenziell gering sind.549 Umgekehrt ist der Einfluss der Landscape auf die Entwicklung eines technologischen Pfades indirekt. Auf die generel- le Bedeutung der Aufnahme von Informationen und Entwicklungen aus dem Umfeld weist die von vielen Ansätzen angestrebte Ganzheitlichkeit der Vorausschau und Pla- nung hin (vgl. Tabelle 1). In der Vorausschau und Planung ist das frühzeitige und strukturierte Analysieren der Landscape aus mehreren Gründen von Bedeutung. Technologische Pfade dehnen ihren Einflussbereich von abgegrenzten Nischen her aus. Im Zeitablauf werden Fakto- ren aus dem Umfeld aufgenommen und in das technologiebasierte Innovationssystem integriert. Die Analyse des Umfelds in den frühen Phasen der Pfadentwicklung gestat- tet daher die Identifikation von Anknüpfungspunkten für die Weiterentwicklung techno- logischer Pfade. Das gezielte Steuern der Entwicklung in die so identifizierten Regio- nen ermöglicht es, Potenziale des technologischen Pfades schneller und effizienter zu erschließen. Ferner können möglichen Barrieren der Technologieentwicklung im Um- feld des Pfades frühzeitig erkannt werden. Auf Basis dieses Wissens kann eine ent- sprechende Anpassung oder ein Abbruch der unternehmerischen Aktivitäten in dem Feld erfolgen. Die frühzeitige Analyse reduziert somit die Gefahr von potenziell hohen 549 Vgl. Geels 2004:913. 4 Ein ganzheitlicher Ansatz für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 139 Anpassungskosten einer Technologie in späteren Entwicklungsstadien sowie das Risi- ko von „Sunk Investments". Die Tabelle 6 dokumentiert eine Auswahl von Akteuren, Institutionen, Wissen und Arte- fakten aus dem Umfeld des technologiebasierten Innovationssystems. Charakteristisch für diese Elemente ist, dass sie nicht in direkter Verbindung mit dem neu entstehenden technologischen Pfad stehen. Akteure Institutionen Wissen Artefakte La nd sc ap e • Regierungen, Mi- nisterien, Regie- rungsorganisatio- nen (vgl. Slaughter 1990:155) • sonstige politische Akteure • Gewerkschaften • Stiftungen • Verbände • Umweltorganisati- onen • Gremien und Ar- beitskreise • Akteure aus ande- ren technologieba- sierten Systemen • Verfassungsregeln • Steuergesetze • verfügbare Schutz- rechte • Patentgesetze und Appropriierungs- systeme (vgl. Kemp 1994:1041) • Umweltschutz- Gesetzgebung • Forschungs- und Wissenschaftsge- setze • Sicherheitsstan- dards • Prioritäten der Forschungsförde- rung • Struktur von Bil- dung und Ausbil- dung • Lebensweisen (vgl. Kemp 1994:1031) • Innovationskultur • Offenheit • Regime anderer Technologiepfade • Grundstock wis- senschaftlicher Er- kenntnisse und Theorien • Kenntnisse und Fähigkeiten • Wissensbasen anderer technolo- gischer Pfade • Ver- und Entsor- gungsstruktur • Produkte und Pro- zesse anderer Technologiepfade (vgl. Kemp 1994:1031) • Schnittstellen zur Infrastruktur ande- rer Technologie- pfade • natürliche Umwelt • sonstige Infrastruk- turen Tabelle 6: Einflussfaktoren auf der Ebene der Landscape (Quelle: eigene Darstellung) Akteure umfassen einzelne Personen, informelle Gruppen oder formalisierte Organisa- tionen. Bei der Kategorie der Institutionen handelt es sich sowohl um Gesetze als auch um Normen, Werte und Verhaltensgewohnheiten, die den Rahmen für das Institutio- nengeflecht innerhalb eines technologiebasierten Innovationssystems darstellen. Die Kategorie des Wissens enthält allgemein verfügbares theoretisches Grundlagenwis- sen, generelles tätigkeitsbezogenes Know-how oder Wissensbasen anderer technolo- 4 Ein ganzheitlicher Ansatz für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 140 gischer Pfade. Im Bereich der Artefakte spielen vor allem verfügbare Infrastrukturen, die natürliche Umwelt oder die Artefaktstruktur anderer Technologiepfade eine Rolle. Für die Analyse kann es sinnvoll sein, einzelne Strukturelemente differenziert zu be- trachten. Beispielsweise können im Bereich der Akteure unterschiedliche Personen innerhalb einer Regierung verschiedene Position beziehen, die für den neu aufkom- menden Pfad unterschiedliche Konsequenzen haben könnten. Dementsprechend könnte eine Analyse einzelner Regierungsstellen oder Ministerien erfolgen. Gleiches gilt für das institutionelle Geflecht des Umfelds, für die Wissensbasis und die vorhan- denen Artefakte. Die Wahl der betrachteten Aggregationsstufe hängt stets von dem Ziel der Analyse ab. Aufgrund der großen Anzahl von Elementen im Bereich der Landscape zeigt die Tabel- le 6 lediglich einen Ausschnitt der Gesamtmenge. Aus drei Gründen erscheint das er- schöpfende Vorgeben eines zu analysierenden Sets von Einflussfaktoren nicht mög- lich. Erstens verschieben sich durch die hohe Dynamik die Systemgrenzen zwischen Innovationssystem und Umfeld kontinuierlich, so dass keine klare Zuordnung möglich ist. Zweitens unterscheiden sich die potenziell relevanten Faktoren aus dem Umfeld in Abhängigkeit unterschiedlicher Technologiepfade. Drittens ist eine Vorgabe aufgrund der großen Anzahl potenziell relevanter Einflussfaktoren im Umfeld nicht möglich. Grundsätzlich sollte sich die Auswahl an betrachteten Faktoren daher ebenso wie das Aggregationsniveau am Einzelfall der untersuchten Technologie orientieren. Das we- sentliche Kriterium für die Inklusion von Elementen liegt dann im Ziel der jeweiligen Analyse, in der subjektiven Einschätzung der Projektteilnehmer sowie ggf. im Vorhan- densein von Daten. Neben einer statischen Ist-Analyse der Strukturelemente sollten im Rahmen der Vor- ausschau und Planung auch Veränderungen der Einflussfaktoren des Umfelds ent- sprechende Berücksichtigung finden. Eine Möglichkeit für dieses Dynamisieren der Perspektive wäre beispielsweise die Nutzung langfristiger Megatrends. Megatrends bezeichnen gesellschaftliche, politische oder wirtschaftliche Entwicklungen, die über einen längeren Zeitraum hinweg bestehen und globale Auswirkungen haben.550 Zu den langfristigen Trends lassen sich unter anderem die zunehmende Alterung der europäi- schen Gesellschaften, die Tertiarisierung der Wirtschaftsstruktur, die Globalisierung und gleichzeitige Regionalisierung oder die zunehmende Bedeutung von Fragen des Umweltschutzes oder der Ernährung zählen.551 550 Vgl. Cuhls, Blind & Grupp 1998:12 und Naisbitt 1982:5. 551 Zusammenfassungen dieser Trends finden sich beispielsweise bei O'Brien & Fadem 1999:16f. 4 Ein ganzheitlicher Ansatz für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 141 Die Erhebung der Einflussfaktoren in einem Projekt der Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade kann durch unterschiedliche Methoden erfolgen. Zur Verfü- gung stehen dabei Analysen von Datenbanken mit populärwissenschaftlichen Quellen, wissenschaftlichen Veröffentlichungen oder Patenten sowie Interviews mit Experten außerhalb oder innerhalb von Unternehmen. Weiterhin können öffentlich verfügbare Roadmaps, Strategiepapiere und Studien, unternehmensinterne Dokumente, Analysen und Reports genutzt werden. Schließlich können Diskussionen mit mehreren internen und ggf. externen Teilnehmern in thematischen Workshops stattfinden. Für eine Dy- namisierung der Perspektive stehen unterschiedliche Methoden der Vorausschau zur Verfügung.552 Die Methodenauswahl hängt ebenso wie die Abgrenzung des Umfelds vom Ziel der Vorausschau und Planung, von der verfügbaren Datenlage sowie den zur Verfügung stehenden zeitlichen und finanziellen Ressourcen ab. Vorschläge für den Einsatz spezifischer Methoden finden sich im Abschnitt über die Organisation des ganzheitlichen Ansatzes der Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade. 4.2.2 Ebene des technologiebasierten Innovationssystems Die Ebene des technologiebasierten Innovationssystems umfasst sämtliche Faktoren, die die Technologieentwicklung direkt beeinflussen. Zu ihnen zählen alle wirtschaftli- chen, sozialen, politischen, organisationalen, institutionellen und sonstigen Faktoren, wenn sie unmittelbar auf die Entwicklung, Diffusion oder Nutzung wirken.553 Im Prozess der Pfadentstehung verläuft die Grenze zwischen dem Innovationssystem und dem Umfeld fließend. Es werden kontinuierlich neue Faktoren aus der Landscape integriert, beispielsweise wenn neue Nutzergruppen die Anwendung der Technologie erproben. Andere Faktoren verlassen das System, beispielsweise im Fall von Nutzern, die auf eine andere technologische Lösung wechseln. Das Innovationssystem setzt sich aus Akteuren, Institutionen, Wissen und Artefakten zusammen. Im Gegensatz zum Umfeld ist innerhalb dieses Systems ein höherer Grad der Beeinflussung durch ein Unterneh- men gegeben. Die Beobachtung und Analyse der Faktoren innerhalb des technologiebasierten Inno- vationssystems steht im Zentrum der Vorausschau und Planung neuer Technologie- pfade. Informationen über Einflussfaktoren innerhalb des Systems ermöglichen die Identifikation von Partnern, Kompetenzträgern und Wettbewerbern, die im Verlauf der Technologieentwicklung zu berücksichtigen sind. Die Beachtung gesetzlicher und in- 552 Übersichten zum verfügbaren Methodenspektrum finden sich beispielsweise bei Technology Futures Analysis Methods Working Group 2004; Lichtenthaler 2002; Geschka 1995; Porter, Ro- per, Mason, Rossini & Banks 1991. 553 Vgl. Edquist 1997:14. 4 Ein ganzheitlicher Ansatz für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 142 formeller Regelungen ist Voraussetzung für eine spätere Anwendung der Technologie. Des Weiteren findet die Erfassung von konkurrierenden technologischen Ansätzen, relevanten wissenschaftlichen und technologischen Erkenntnissen oder komplementä- ren Technologien statt. Schließlich ist die Analyse von Komponenten, Produkten oder Prozessen, mit denen die neue Technologie abzustimmen ist, die Basis für die Anpas- sung und Erweiterung der Technologie. Die Tabelle 7 beinhaltet eine Übersicht über die zu berücksichtigenden Einflussfaktoren innerhalb des technologiebasierten Innova- tionssystems. Akteure Institutionen Wissen Artefakte te ch no lo gi eb as ie rt es In no va tio ns sy st em • Netzwerke • etablierte Unter- nehmen • Start-ups • Forschungsinstitu- te • Forschergruppen • Universitäten • Kunden (vgl. Bers et al. 1999:34) • Anwender und Nutzer • Branchenverbände • Venture Capital sowie andere In- vestoren • Business Angels • indirekte Stakehol- der (vgl. Hall & Martin 2005:281) • Wettbewerber (vgl. Bers et al. 1999:34) • Regulierungsinsti- tutionen • technologiespezifi- sche Regulierun- gen (vgl. Noori et al. 1999a:547) • Standards • Such-Heuristiken • öffentliche Förder- programme (vgl. Kassicieh & Rahal 2007:9) • Erfahrungen und Nutzungsgewohn- heiten von Kun- den, Marktstruktu- ren (vgl. Noori et al. 1999a:547; Kemp 1994:1031) • wissenschaftliche Grundlagen des Pfades • Know-how, Fähig- keiten und Anwen- dungswissen • Design-Know-how • Produkt- und Technologiezyklen • vorhandene Paten- te • Produktionsstätten • verfügbare Ma- schinen und Anla- gen • komplementäre Technologien (vgl. Rice et al. 2001:414; Bers et al. 1999:44) • komplementäre Produkte und Pro- zesse • konkurrirende technologische Ansätze (vgl. Mc- Dermott & O'Con- nor 2002:427) • Komponenten- und Subtechnologien (vgl. Kostoff et al. 2004:152; Bers et al. 1999:34) • Schnittstellen Tabelle 7: Einflussfaktoren auf der Ebene des technologiebasierten Innovationssystems (Quelle: eigene Darstellung) Diese Übersicht erfasst nur einen Ausschnitt der möglicherweise zu berücksichtigen- den Einflussfaktoren. Ebenso wie im Bereich des Umfelds liegt auch auf der Ebene des Innovationssystems – vor allem in den frühen Entstehungsphasen – eine Problematik der Abgrenzung von System und Umfeld vor. Es gilt daher die oben getroffene Aussa- ge: die Zuordnung von Elementen hängt vom Ziel der Analyse, von der subjektiven 4 Ein ganzheitlicher Ansatz für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 143 Einschätzung der Projektteilnehmer sowie vom Vorhandensein entsprechender Daten ab und ist projektspezifisch vorzunehmen. Die Funktionen des Innovationssystems sind aus Gründen der Redundanz sowie der Übersichtlichkeit in diesen Strukturelementen abgebildet.554 Die Erfüllung der Funktion der Gründungstätigkeiten zeigt sich beispielsweise im Vorhandensein von Start-ups oder neuen Tochterunternehmen etablierter Firmen. Aussagen über die Wissensgene- rierung finden sich bei der Analyse des vorhandenen Wissens in Publikationen oder Patenten sowie in der Veränderung des Wissensstandes im Zeitablauf. Die Untersu- chung von Förderprogrammen oder Investorverhalten lässt Rückschlüsse auf den Ressourcenzufluss zu. Die Analyse von Institutionen, wie beispielsweise Kundenver- halten oder Such-Heuristiken, ermöglicht Aussagen über die Richtungsgebung des Entwicklungsprozesses. Dabei sollte die Analyse der Einflussfaktoren des Innovationssystems aufgrund der hohen Dynamik nicht nur statisch erfolgen, sondern mögliche Veränderungen und Er- weiterungen aller Einflussfaktoren einbeziehen. Zu diesem Zweck kann auch auf Trends oder zentrale Treiber der Technologieentwicklung innerhalb des Systems zu- rückgegriffen werden.555 Bei diesen Treibern kann es sich beispielsweise um dominan- te Bedürfnisse, Gesetze, Qualität oder Kosten handeln.556 Für die Erhebung der Ein- flussfaktoren innerhalb des technologiebasierten Innovationssystems sind grundsätz- lich die gleichen Methoden – d.h. verschiedene Konzepte aus dem Methodenspektrum der Vorausschau und Planung – anwendbar wie im Bereich des Umfelds. Eine Diskus- sion einzelner Methoden für spezifische Zwecke erfolgt im Rahmen der Vorstellung der Organisation des ganzheitlichen Ansatzes. 4.2.3 Ebene des Unternehmens Die Ebene des Unternehmens umfasst ein Unternehmen, einen einzelnen Unterneh- mensbereich oder eine Tochtergesellschaft, die in das technologiebasierte Innovati- onssystem eingebettet sind. Für die Grenzen zwischen dem Unternehmen, dem tech- nologiebasierten Innovationssystem und dem Umfeld gilt, dass diese im Prozess der Pfadentstehung fließend verlaufen. Beispiele hierfür liegen im Abwerben von For- schergruppen anderer Unternehmen, im Kauf von anderen Unternehmen und Produk- tionsstandorten oder im Erwerb von Forschungsergebnissen. Innerhalb des Unterneh- 554 Eine ausführliche Diskussion der Interaktion von Strukturelementen und Funktionen erfolgt in Kapitel 3. 555 Vgl. Holmes & Ferrill 2005:350; Mercer 1997:157. 556 Vgl. Paap & Katz 2004:16; Mercer 1997:158ff. 4 Ein ganzheitlicher Ansatz für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 144 mens sind Akteure, Institutionen, Wissen und Artefakte zu unterscheiden. Dabei ist die Einflussmöglichkeit eines Unternehmens auf interne Faktoren höher als auf Faktoren der anderen Betrachtungsebenen. Die Analyse des Unternehmens als Bestandteil der Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade ist aus mehreren Gründen wichtig. Erstens stellen die Verände- rungsmöglichkeiten einer Organisation – wie beispielsweise das bestehende Ge- schäftsmodell – eine potenzielle Barriere der erfolgreichen Umsetzung neuer Techno- logien dar.557 Werden diese Innovationshemmnisse nicht rechtzeitig identifiziert und Akteure Institutionen Wissen Artefakte Unter- neh- men / Unter- neh- mens- be- reich • Kapitaleigner • Top-Management • Forschung und Entwicklung • Marketing • Vertrieb • Fachkräfte und Spezialisten (vgl. de Miranda Santo et al. 2006:1020) • soziale Netzwerke im Unternehmen (vgl. Kassicieh & Rahal 2007:10; DeTienne & Ko- berg 2002:361) • Netzwerke mit Partnern (vgl. De- Tienne & Koberg 2002:361) • sonstige Akteure • Unternehmens- und Bereichsstra- tegien (vgl. Costanzo 2004:230; Rice et al. 2001:414) • Innovationsstrate- gie und Selbstver- ständnis (vgl. Christensen & O- verdorf 2004:542) • Unternehmenskul- tur (vgl. Slaughter 1990:156; Day & Schoemaker 2006:21) • Geschäftsmodell (vgl. Sainio & Puumalainen 2007:4) • Anreizsysteme (vgl. Radnor & Strauss 2004:54) und Performanzin- dikatoren (Slaugh- ter 1990:155) • Allokationssyste- me (vgl. Lich- tenthaler 2007:17; Paap & Katz 2004:22) • Entscheidungs- und Machtstruktu- ren (vgl. Slaughter 1990:156) • Kompetenzen (vgl. Christensen & O- verdorf 2004:542; Hall & Martin 2005:274) • Fähigkeiten zur Rekonfiguration von Ressourcen und Kompetenzen • Markt- und Bran- chenwissen • Wissen über Kun- den • Projektmanage- ment-Fähigkeiten (vgl. McDermott & O'Connor 2002:431) • Erfahrungen mit Prozessen und Verfahren • Kenntnisse über Materialien • andere Projekte des Unternehmens (vgl. Raynor & Le- roux 2004:29; De- Tienne & Koberg 2002:361) • bestehendes Pro- duktportfolio (vgl. Paap & Katz 2004:22; McDer- mott & O'Connor 2002:427; Rice et al. 2001:414) • vorhandene Pro- duktionsprozesse • vorhandene Ma- schinen und Anla- gen • vorhandene Ge- schäftsbereiche des Unternehmens (vgl. O'Brien & Fa- dem 1999:18) • finanzielle Res- sourcen (vgl. Christensen & Overdorf 2004:542; Iansiti 1995:49) • Slack-Resources (vgl. Lichtenthaler 2007:16; Stacey 1993:17) Tabelle 8: Einflussfaktoren auf der Ebene des Unternehmens (Quelle: eigene Darstellung) 557 Vgl. Day & Schoemaker 2006:21; Christensen & Overdorf 2004:542. 4 Ein ganzheitlicher Ansatz für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 145 adressiert, so kann dies zum Scheitern der Technologiekommerzialisierung führen. Zweitens bietet die Unternehmensanalyse die Möglichkeit, proaktiv Entscheidungen über eine entsprechende Ausrichtung der Strukturen vorzubereiten. Tabelle 8 gibt eine Übersicht über potenziell relevante Einflussfaktoren bei der Analyse der Unterneh- mensebene. Auch auf der Ebene des Unternehmens ist eine dynamische Perspektive anzustreben. Um mögliche Entwicklungsrichtungen des Unternehmens zu erfassen, kann beispiels- weise eine Analyse existierender Strategieprozesse oder geplanter Ziele der Organisa- tionsentwicklung erfolgen. Dabei umfassen die Methoden für die Analyse eines Unter- nehmens zum einen die Untersuchung wissenschaftlicher Veröffentlichungen oder möglicher Patente der Firma. Ferner können unternehmensinterne Planungsdokumen- te genutzt werden. Weitere Möglichkeiten, die Einflussfaktoren innerhalb einer Firma zu erfassen, liegen in der Durchführung von Workshops oder Interviews mit Personen aus unterschiedlichen Bereichen des Unternehmens. 4.3 Organisation der Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade Auf Basis der formulierten inhaltlichen Leitlinien sowie des Rahmens von Einflussfakto- ren wird im Folgenden die Konzeption eines Vorgehens für die Vorausschau und Pla- nung neuer Technologiepfade vorgestellt. Gegenstand sind einzelne Technologien oder Gruppen von Technologien, die neue Technologiepfade begründen. Neben der Ablauf- richtet sich dieser Abschnitt auf die Aufbauorganisation und damit auf die pha- senspezifische Struktur des zu beteiligenden Personenkreises. Die Diskussion orien- tiert sich an sechs Prozessphasen. Das im Folgenden besprochene Konzept eines ganzheitlichen Ansatzes wird mit vier Pilotunternehmen angewendet und weiterentwi- ckelt. Die Aufspaltung in sechs aufeinander aufbauende Schritte erfolgt mit dem Ziel, ein klar strukturiertes und transparentes Vorgehen bei der Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade sicherzustellen. Diese Herangehensweise stellt einen kritischen Er- folgsfaktor sowohl hinsichtlich der Handlebarkeit des Prozesses als auch hinsichtlich des Committments der Teilnehmer dar.558 Eine transparente Struktur erleichtert außer- dem die Implementierung dieses Ansatzes in Unternehmen. Der Prozess sollte konti- nuierlich erfolgen und Möglichkeiten der Iteration nach der Erzielung neuer Erkenntnis- 558 Lichtenthaler (2006:3) stellte fest, dass Vorausschau- und Planungsprozesse in erfolgreichen Organisationen sehr stark formalisiert sind. Vgl. hierzu auch Ilmola & Kuusi 2006:914; Constan- zo 2004:219; Moncada-Paternò-Castello, Rojo, Bellido, Fiore & Tübke 2003: 664; Slaughter 1990:159. 4 Ein ganzheitlicher Ansatz für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 146 se bereitstellen.559 Der ganzheitliche Ansatz für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade umfasst die folgenden Phasen: „Ist-Analyse", „Identifikation mögli- cher Anwendungskontexte", „Gap-Analyse", „Identifikation alternativer Technologiepfa- de", „Strategieentscheidung" sowie „Evaluation und Wiederholung" (vgl. Abbildung 10). 1. Ist-Analyse 2. Identifikation von Anwendungskontexten 3. Gap-Analyse 4. Identifikation alternativer Technologiepfade 5. Strategieentscheidung 6. Evaluation und Wiederholung Abbildung 10: Phasen des ganzheitlichen Ansatzes der Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade [Quelle: eigene Darstellung] Zusätzlich zu den spezifizierten Phasen wird dem Ansatz eine Projektvorbereitung vor- angestellt, in der die untersuchte Technologie definiert wird. Der hier vorgestellte An- satz ist für technologischen Fortschritt konzipiert, der Entwicklungssprünge auslöst und neue technologische Pfade begründet. Im Rahmen der Vorbereitung wird außerdem ein Prozessverantwortlicher innerhalb des Unternehmens bestimmt,560 dessen Aufgabe in der Vorbereitung darin besteht, relevante Ansprechpartner innerhalb der Organisati- on zu identifizieren und diese frühzeitig in den Prozess einzubinden. Insgesamt ist eine möglichst heterogene Teamzusammensetzung mit Sicht auf die fachlichen Kompeten- zen, Hierarchieebenen, Funktionen und kulturellen Hintergründe anzustreben. In An- hängigkeit der Projektausrichtung ist das Einbeziehen von Kundengruppen vorzuberei- ten.561 Der Prozessverantwortliche führt im Projektverlauf das Projektmanagement 559 Vgl. van Merkerk & van Lente 2005:1104; Rip & Propp 2005; Mendonça, Pina e Cunha, Kaivo- oja & Ruff 2004:209; Constanzo 2004:225; Noori, Munro, Descza & McWilliams 1999a:550; Ian- siti 1995:40. 560 Vgl. Day & Schoemaker 2000:13; Calori & Atamer 1990:46. 561 Das Einbeziehen von Kundengruppen bereits in der frühen Phase wird in der Literatur kontro- vers diskutiert. Verschiedene Studien betonen die Bedeutung früher Kundenkontakte, wie bei- spielsweise Callahan & Lasry (2004:112ff.); während andere, wie beispielsweise Herstatt & Lettl (2004:160ff.) und Martin (1995:83ff.) die Einbindung von Kunden als wenig hilfreich ansehen, da diese die Potenziale einer neuen Technologie nicht erkennen können. In dieser Arbeit wird die 4 Ein ganzheitlicher Ansatz für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 147 durch und kommuniziert die Ergebnisse innerhalb des Unternehmens. Er sollte ein erfahrener Manager sein, der die Strukturen und Kompetenzträger sowohl innerhalb des Unternehmens als auch in einer Branche gut kennt.562 Um einen optimalen Trans- fer der Ergebnisse der Vorausschau und Planung in die Umsetzung von Entscheidun- gen zu gewährleisten, sollte er auch für die Implementierung der Technologie im Un- ternehmen verantwortlich sein. Nachfolgend werden die Ziele, die Ergebnisse, die zu beteiligenden Personen sowie die angewandten Methoden jeder Phase vorgestellt. 4.3.1 Ist-Analyse In der ersten Phase finden die Projektdefinition und die Analyse des Ausgangszustan- des statt. In diesem Prozessschritt sind die Inhalte und Ziele des Vorausschau- und Planungsprojekts zu definieren. Diese Ziele können beispielsweise in dem Formulieren einer Strategie für einen neuen Technologiepfad, in dem Vorschlagen von strukturellen Veränderungen oder in der Identifikation von Partnern und Konkurrenten der Techno- logieentwicklung liegen. An der Zieldefinition sind Vertreter des Top-Managements zu beteiligen, um deren Committment zu gewinnen. Zentraler Gegenstand der ersten Phase ist die Beantwortung folgender Leitfrage: „In welchem Entwicklungsstadium be- findet sich die untersuchte Technologie und über welches mit ihr verbundenes Techno- logie-Know-how verfügt das Unternehmen?" Die Aufarbeitung des Kenntnisstands der Firma kann beispielsweise über Interviews mit Experten innerhalb des Unternehmens erfolgen. Alternativ können verfügbare Dokumente, wie beispielsweise Patente, Publi- kationen oder interne Reports analysiert werden, um vorhandene Aktivitäten, Projekte und Kompetenzen in unterschiedlichen Unternehmensbereichen zu ermitteln. Die In- terviews innerhalb der Firma sind mit Mitarbeitern zu führen, die bereits längere Zeit im Unternehmen beschäftigt sind oder über die besten Kenntnisse in dem untersuchten Technologiefeld verfügen. Dies ermöglicht die schnelle Bestimmung weiterer relevanter Akteure und Vorarbeiten. In Ergänzung zu dieser internen Perspektive erfolgt das Auf- arbeiten des externen Entwicklungsstadiums der Technologie, beispielsweise durch Literatur- und Patentanalysen oder Interviews mit Experten außerhalb des Unterneh- mens. Die Analyse in Datenbanken kann Forschungsschwerpunkte, alternative techno- logische Lösungen, besonders aktive Akteure sowie historische Entwicklungen bisheri- Auffassung verfolgt, dass eine Kundeneinbindung in jedem Fall nutzbringend ist, allerdings sollte diese in den späteren Phasen der Vorausschau und Planung erfolgen. 562 Zu der zentralen Bedeutung dieses Prozess-Champions vgl. Song, Lee, Lee & Chung 2007:246; Moncada-Paternò-Castello, Rojo, Bellido, Fiore & Tübke 2003:664. Stevens & Burley (2003:18) weisen nach, dass dieser insbesondere den Ertrag der Projekte maßgeblich beeinflusst. 4 Ein ganzheitlicher Ansatz für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 148 ger Aktivitäten ergeben. Wie oben dargestellt, sind Aussagen über den Umfang der Analyse des Unternehmensumfelds projektspezifisch. Je größer der Untersuchungsbe- reich angesetzt wird, umso mehr potenziell relevante Informationen sind aufzunehmen und umso mehr Zeit ist für die Analyse erforderlich. Um eine Unterscheidung nach Akteuren, Institutionen, Wissen sowie Artefakten im Sinne des vorgestellten Modells der Entwicklung neuer Technologiepfade vorzuneh- men, dienen folgende Leitfragen als Orientierung: • Welche Akteure und Netzwerke beteiligen sich an der Technologie? • Welche Gesetze, gesellschaftliche Normen und sonstigen Institutionen beein- flussen die Technologie? • Welches Wissen und welche Kenntnisse sind über die Technologie vorhanden? • Welche Prototypen, Fertigungsverfahren und Infrastrukturen existieren für die Technologie? Eine Übersicht der zu beantwortenden Leitfrage sowie der Aufgaben und Methoden für die erste Phase findet sich in Abbildung 11. 1. Ist-Analyse • Leitfrage: In welchem Entwicklungsstadium befindet sich die untersuchte Technologie und über welches verbundene Know-how verfügt das Unternehmen? • Aufgaben: • Herausarbeiten des im Unternehmen verfügbaren Know-hows • Identifizieren relevanter Abteilungen / Personen im und außerhalb des Unternehmens • Benennen möglicher Anwendungskontexte und Konkurrenztechnologien • methodisches Vorgehen: • leitfadengestützte Interviews • Datenbankanalysen (Publikationen, Patente, populärwissenschaftliche Artikel) • Ergebnisse: • Status-Quo der Technologie • im Unternehmen verfügbares Know-how Abbildung 11: Konzeption des Vorgehens bei der Ist-Analyse [Quelle: eigene Darstellung] Zusammenfassend ist festzuhalten, dass in der Ist-Analyse eine Abgrenzung des Un- tersuchungsbereichs, eine Identifikation der relevanten Stellen im Unternehmen und das Aufnehmen externer Einflussfaktoren aus dem Innovationssystem und dem Umfeld erfolgen. 4 Ein ganzheitlicher Ansatz für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 149 4.3.2 Identifikation von Anwendungskontexten Im zweiten Schritt sind die Anwendungsmöglichkeiten einer Technologie zu bestim- men. Da die Definition konkreter Produkte in der frühen Phase der Technologieent- wicklung nur eingeschränkt möglich ist, werden Anwendungen auf Basis der Funktio- nalität der Technologie sowie abstrakter Bedürfnisse potenzieller Nutzer abgegrenzt. Um die Funktionalitäten einer Technologie zu ermitteln, sind Interviews mit den Trä- gern des technologischen Know-hows zu führen, die sich sowohl außerhalb als auch innerhalb des Unternehmens befinden können. Darüber hinaus sind die Bereiche ab- zugrenzen, in denen die technologische Funktionalität einsetzbar ist. Neben den Aus- sagen von Forschern und Wissenschaftlern in Unternehmen können hier auch ent- sprechende Datenbankanalysen zugrunde gelegt werden. Beispielsweise kann die Untersuchung von Patenten für ähnliche Technologien Rückschlüsse auf Anwen- dungsmöglichkeiten zulassen.563 Für eine weiterführende Analyse können Interviews mit potenziellen Nachfragern der technologischen Funktionalität geführt werden. Nach der Eingrenzung möglicher Anwendungen findet die detaillierte Beschreibung dieser Kontexte entlang der Strukturelemente technologiebasierter Innovationssyste- me, d.h. unterschieden nach den Dimensionen Akteure, Institutionen, Wissen und Arte- fakte, statt. Das Vorgehen folgt dem Prinzip des Backcasting, bei dem zuerst ein zu- künftiges Bild der Anwendung zu formulieren ist. Beispielsweise ist ein zukünftiger An- wendungskontext durch ein spezifisches Netzwerk gekennzeichnet, das die Gesamt- heit der Akteure umfasst, die an dieser Anwendung beteiligt sind (z.B. produzierende Unternehmen, Serviceanbieter, Kunden, Regulierungsorganisationen). Um ein mögli- ches künftiges Akteur-Netzwerk zu konkretisieren, können folgende Leitfragen genutzt werden: • Welche Netzwerke bestehen bei einer zukünftigen Anwendung der Technolo- gie? • Welche Funktion erfüllen einzelne Akteure im zukünftigen Anwendungskontext? • Wer ist Hersteller von Produkten und Vorprodukten? • Welche Kundengruppen fragen die Anwendung nach? • Welche Organisation ist für die Regulierung verantwortlich? Gleichzeitig stabilisiert ein institutionelles Regelungsumfeld den Anwendungskontext. Es handelt sich sowohl um gesetzliche Regelungen, Normen und Standards als auch 563 Bei diesem Verfahren werden alternative Technologien durch die Suche nach spezifischen Funktionalitäten in Patentdatenbanken identifiziert. Die zitierenden Patente liefern Hinweise auf mögliche Anwendungen der untersuchten Technologien. 4 Ein ganzheitlicher Ansatz für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 150 um informelle Verhaltensnormen und wahrgenommene Regeln. Die folgenden Fragen unterstützen den Prozess der Identifikation eines möglichen Regelungsgeflechts: • Welche gesetzlichen Regelungen sind für das Funktionieren einer Anwendung notwendig? • Welche gesetzlichen Regelungen begünstigen die Anwendung? • Welche Normen/Standards sind etabliert (z.B. für die Anwendung, Produktion)? • Welche Gewohnheiten von Nutzern und Konsumenten werden vorausgesetzt? Die Etablierung einer Technologie in dem zukünftigen Anwendungskontext erfordert ferner eine spezifische Wissensbasis. Das benötigte Wissen, d.h. spezifische Kompe- tenzen, Kenntnisse und Fähigkeiten, kann durch unterschiedliche Fragestellungen exp- liziert werden: • Welches Wissen ist notwendig, um die potenzielle Anwendung zu realisieren? • Welche Kenntnisse und Fähigkeiten erfordern die Erstellung von Vorprodukten und die Produktion? • Welches Wissen ist für die Technologienutzung (z.B. Prozessstabilisierung) notwendig? 2. Identifikation von Anwendungskontexten • Leitfrage: Welche möglichen Anwendungskontexte sind vorstellbar und welche Faktoren kennzeichnen diese Anwendungskontexte? • Aufgaben: • detaillierte Beschreibung der Anwendungskontexte • Definition einer angestrebten Position auf der Wertschöpfungskette • Herausarbeiten von Einflussfaktoren • Analyse von Konkurrenztechnologien • methodisches Vorgehen: • Patent- und Literaturanalysen • leitfadengestützte Interviews mit Fachexperten im Unternehmen • leitfadengestützte Interviews mit Experten außerhalb des Unternehmens • Ergebnisse: • Visualisieren in einer Roadmap Abbildung 12: Konzeption des Vorgehens bei der Identifikation von Anwendungskontexten [Quelle: eigene Darstellung] Schließlich ist eine technologische Infrastruktur, die sich in Artefakten konkretisiert, erforderlich. Folgende Leitfragen unterstützen die Identifikation von potenziell benötig- ten materiellen Gegenständen oder von Software: 4 Ein ganzheitlicher Ansatz für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 151 • Welche Maschinen und Anlagen werden für die Herstellung und Nutzung benö- tigt? • Mit welchen Produkten oder Komponenten wirkt ein Produkt in dem Anwen- dungskontext zusammen? • Mit welchen Produktionsinfrastrukturen wirken die Maschinen und Anlagen zu- sammen? Da diese Leitfragen ein sehr breites Bild möglicher Anwendungskontexte aufspannen, können Unternehmen spezifische Einschränkungen vornehmen. Eine Möglichkeit bie- tet beispielsweise der Abgleich mit Vorgaben der Unternehmens- oder Innovationsstra- tegie. Alternativ können auch Einschränkungen auf geographische Bereiche vorge- nommen werden. Ergebnis der Identifikation von Anwendungskontexten ist, wie die Abbildung 12 ver- deutlicht, die Visualisierung in einer Roadmap. Diese umfasst Technologien und An- wendungskontexte. Nach dem zweiten Schritt liegt eine detaillierte Beschreibung des zukünftigen Anwendungskontextes einschließlich der Voraussetzungen der Technolo- gieanwendung vor. Im Zuge der durchgeführten Recherchen können zudem mögliche alternative technologische Lösungen identifiziert werden. 4.3.3 Gap-Analyse Auf Basis der identifizierten Anwendungskontexte und der Ausgangssituation des Un- ternehmens wird im dritten Schritt eine Gap-Analyse durchgeführt. Das Ziel dieser Phase besteht darin, den Standort des Unternehmens mit der antizipierten Technolo- gienutzung zu vergleichen (vgl. Abbildung 13). Die Gegenüberstellung zwischen Ist- Status und zukünftigem Anwendungskontext erfolgt entlang der Dimensionen Akteure, Institutionen, Wissen und Artefakte. Ausgehend vom Ist-Status sind zum einen fehlen- de Elemente zu identifizieren, wie beispielsweise fehlendes Grundlagenwissen, fehlen- de Produktionsinfrastrukturen oder fehlende gesetzliche Vorschriften. Zum anderen sind Barrieren einer möglichen Entwicklung zu dem Anwendungskontext herauszuar- beiten. Bei solchen Barrieren kann es sich unter anderem um bestimmte Akteure han- deln, die eine Entwicklung blockieren könnten, um Trends im Bereich der Regulierung oder um etablierte Produktionsinfrastrukturen. Weitere Hindernisse könnten in vorhan- denen Patenten liegen, die das Verfolgen eines Evolutionspfades verhindern. Neben dem Analysieren von Lücken und Barrieren erfolgt ein Vergleich ihrer Wirkun- gen auf die untersuchte Technologie und auf technologische Alternativen, um Aussa- gen über die Realisierungspotenziale konkurrierender technologischer Lösungen tref- fen zu können. Die Gap-Analyse wird durch detaillierte Interviews mit Experten vorbe- 4 Ein ganzheitlicher Ansatz für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 152 reitet. Danach analysieren Fachexperten und Entscheidungsträger die Gaps in ge- meinsamen Workshops. Zusätzlich ist eine kritische Reflexion anzustreben, beispiels- weise durch das Hinzuziehen externer Teilnehmer. 3. Gap-Analyse • Leitfrage: Welche Lücken und Barrieren bestehen zwischen den Anwendungskontexten und dem Ist-Status des Unternehmens? • Aufgaben: • Identifikation von Lücken zwischen Anwendungskontext und Status des Unternehmens • Identifikation von möglichen Barrieren • Beschreiben von Konkurrenztechnologien • methodisches Vorgehen: • leitfadengestützte Interviews mit Fachexperten • Workshops mit Fachexperten und Entscheidungsträgern • Ergebnisse: • Übersicht Lücken und Barrieren • bewertete Konkurrenztechnologien Abbildung 13: Konzeption des Vorgehens bei der Gap-Analyse [Quelle: eigene Darstellung] Die Gap-Analyse zeigt die Lücken und Barrieren auf, die durch die zukünftige Unter- nehmensstrategie zu schließen bzw. zu überwinden sind. Die erarbeitete Übersicht dieser Lücken und Barrieren kann sich mit weiteren Kenntnissen über den technologi- schen Pfad verändern und sollte daher in anschließenden Phasen überarbeitet wer- den. 4.3.4 Identifikation alternativer Technologiepfade Im vierten Schritt sind Technologiepfade zu skizzieren, die den Ist-Stand des Unter- nehmens mit den identifizierten Anwendungskontexten verbinden. Diese strategischen Übergänge adressieren die der dritten Phase beschriebenen Lücken und Hindernisse. Um mehrere mögliche Entwicklungspfade des Unternehmens zu erhalten, erfolgt eine von Dortmans vorgeschlagene Vorgehensweise der Kombination von Forecasting und Backcasting.564 Ausgehend von den zukünftigen Anwendungskontexten werden zuerst notwendige Entwicklungsschritte, die sich beispielsweise in unterschiedlichen Produkt- generationen manifestieren können, retrospektiv abgeleitet („Backcasting“). Mit jedem Schritt findet eine Annäherung an den Status quo statt. Die dabei erhaltenen „Zwi- 4 Ein ganzheitlicher Ansatz für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 153 schenzustände" machen die Verbindung zwischen Visionen zukünftiger Anwendungen und dem Ist-Stand besser vorstellbar und vermittelbar. Die Bilder der Zwischenzustän- de sind ebenfalls nach Akteuren, Institutionen, Wissen und Artefakten zu strukturieren. Analog erfolgt ein Forecasting auf Basis der Ist-Analyse. Gegenstand dieser Prognose ist das Fortschreiben bereits sichtbarer Entwicklungen. Die beiden Ansätze des Fore- casting und des Backcasting treffen sich in mehreren Zwischenstadien und spannen so eine „Landschaft" alternativer Technologiepfade auf, entlang derer sich das Unterneh- men bewegen kann. Nach der Definition dieser Migrationslandschaft erfolgt das Fest- halten kritischer Ereignisse, die einen Transfer entlang einzelner Pfade gefährden kön- nen. Die Analyse greift auf die zuvor definierten Barrieren und Hindernisse zurück und geht über diese hinaus. Weitere Impulse für die kritischen Ereignisse können aus öf- fentlich verfügbaren Strategiepapieren, aus Wild Cards, aus dem Input externer Teil- nehmer oder aus den Annahmen der Teilnehmer gewonnen werden. Abschließend sind die verschiedenen Technologiepfade in Bezug auf die identifizierten Barrieren und Hindernisse sowie hinsichtlich ihrer Konsistenz zu bewerten. Bei der Entwicklung alter- nativer Technologiepfade sollten insbesondere Entscheidungsträger innerhalb des Un- ternehmens einbezogen werden, um eine Sensibilisierung für unterschiedliche Strate- gieoptionen zu erreichen. Zusätzlich ist das Know-how dezentraler Abteilungen und Fachexperten zu integrieren. 4. Identifikation alternativer Technologiepfade • Leitfrage: Mit welchen Strategien können die identifizierten Lücken und Barrieren überwunden werden? • Aufgaben: • Erarbeiten von Strategieoptionen • Definieren von "Zwischenzuständen" • Diskussion der Strategieoptionen vor dem Hintergrund „kritischer Ereignisse“ • methodisches Vorgehen: • Workshops mit Fachexperten und Entscheidungsträgern • Ergebnisse: • bewertete Strategieoptionen • „kritische Ereignisse“ • Visualisierung in einer Roadmap Abbildung 14: Konzeption des Vorgehens bei der Identifikation alternativer Technologiepfade [Quelle: eigene Darstellung] 564 Vgl. Dortmans 2005:280ff. 4 Ein ganzheitlicher Ansatz für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 154 Die Ergebnisse dieses Prozessschrittes werden gemeinsam in einer Roadmap visuali- siert, um den Austausch und die Diskussion zwischen den Teilnehmern zu intensivie- ren. Diese Roadmap umfasst in jedem Fall Technologien, Produktkonzepte und An- wendungen. Eine Übersicht über die Inhalte der vierten Phase ist in Abbildung 14 dar- gestellt. 4.3.5 Strategieentscheidung In der fünften Phase ist eine Entscheidung für eine oder mehrere Strategieoptionen zu treffen. Grundlage dieser Entscheidung sind die zuvor bewerteten Optionen. Optionen, die vom Unternehmen als zentral angesehen werden, sind in Abhängigkeit der verfüg- baren Ressourcen mit größtmöglicher Intensität voranzutreiben. Für andere Technolo- giepfade kann eine geringere Stärke des Committments gewählt werden, bei der das Unternehmen lediglich ein Minimum an Ressourcen bereitstellt. Im Rahmen der Stra- tegieentscheidung erfolgt weiterhin die Definition zukünftiger Entscheidungspunkte.565 Dabei werden zum einen die im vierten Schritt genutzten kritischen Ereignisse mit ge- eigneten Reaktionsstrategien hinterlegt. Zum anderen definieren die Projektteilnehmer, dass beim Auftreten bestimmter Ereignisse (z.B. dem Eintritt anderer Unternehmen, dem Aufkommen einer konkurrierenden Technologie oder dem Scheitern eines Teilpro- jekts) ein Review der Strategie stattfindet. Schließlich bestimmen sie Kriterien für Er- eignisse, bei denen ein verfolgter Technologiepfad zu verlassen ist oder die bisherigen Aktivitäten abzubrechen sind. Ein weiterer Aspekt der Strategieentscheidung ist die Evaluation möglicher Abhängig- keiten, die im Unternehmen und im technologiebasierten Innovationssystem mit der Festlegung auf eine bestimmte Strategie entstehen. Das Auftreten von Abhängigkeiten ist zentrales Merkmal des Entstehens von Innovationssystemen. Es ist jedoch zu be- achten, dass keine zu frühe Fixierung auf einen Technologiepfad erfolgen sollte, da die Gefahr besteht, dass nach einem frühzeitigen Lock-in nur noch eine eingeschränkte Ausbeutung des technologischen Potenzials möglich ist.566 Beispielsweise werden mit der Auslegung von Produktionsprozessen auf einen bestimmten Werkstoff, der die Anforderungen der späteren Anwendung nur unzureichend erfüllt, die Möglichkeiten einer neuen Technologie nicht vollständig genutzt. An dieser Phase sind sowohl Ent- scheidungsträger als auch Fachexperten des Unternehmens beteiligt. 565 Vgl. Strauss & Radnor 2004:55ff. 566 Vgl. Rip & Propp 2005. 4 Ein ganzheitlicher Ansatz für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 155 5. Strategieentscheidung • Leitfrage: Welche Optionen soll das Unternehmen weiterverfolgen? • Aufgaben: • Entscheidungsfindung • Diskussion der Strategieoptionen unter dem Gesichtspunkt von Abhängigkeiten • Entscheidung • methodisches Vorgehen: • Workshop • Ergebnisse: • Entscheidung für eine oder mehrere Strategieoptionen • Visualisierung in der Roadmap Abbildung 15: Konzeption des Vorgehens bei der Strategieentscheidung [Quelle: eigene Darstellung] Abbildung 15 verdeutlicht die Inhalte des fünften Prozessschritts. Das Ergebnis ist die Entscheidung für eine oder mehrere Strategieoptionen. Dieses Ergebnis wird in einer gemeinsam entworfenen Roadmap visualisiert und von den Teilnehmern verabschie- det. 4.3.6 Evaluation und Wiederholung Zum Abschluss des Ansatzes findet die Evaluation und Wiederholung des gesamten Prozesses statt. Die Ziele dieser Phase bestehen im Reflektieren des Vorgehens und der erzielten Ergebnisse, der kontinuierlichen Aufnahme neuer Informationen und dem erneuten Anstoßen des Prozesses. Zudem ist der Eintritt bestimmter Ereignisse zu prüfen und in Bezug auf die Wirkungen auf den technologischen Pfad zu bewerten. Das kontinuierliche Aufnehmen neuer Informationen erfolgt über Recherchen in Daten- banken sowie über Interviews mit Experten innerhalb und außerhalb des Unterneh- mens (vgl. Abbildung 16). Gegenstand dieser Phase ist weiterhin das Kommunizieren der Prozessergebnisse innerhalb des Unternehmens. Ziel dieser Verbreitung von Informationen ist es, mög- lichst viele Personen zu erreichen, die wiederum Umfeldentwicklungen beobachten und vor dem Hintergrund der Projektergebnisse interpretieren.567 Die Verbreiterung des 567 Die Untersuchung von Reid und de Brentani (2004:167ff.) hat gezeigt, dass neue Geschäftsfel- der durch Personen innerhalb des Unternehmens identifiziert werden. Diese Personen beobach- ten unstrukturierte Umfeldentwicklungen, kombinieren diese und erdenken mögliche neue Pro- dukte. Dieser Zusammenhang kann für die kontinuierliche Beobachtung des Umfelds in der Vor- 4 Ein ganzheitlicher Ansatz für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 156 Beteiligtenkreises fördert außerdem das kritische Hinterfragen der entwickelten Strate- gien. In Abhängigkeit von der Stärke der beobachteten Veränderungen im Umfeld und innerhalb der Firma wird der vorgestellte Prozess erneut durchlaufen. Diese Wiederho- lung ist vor allem dann notwendig, wenn die erstellten Strategien im veränderten Um- feld nicht mehr wirksam sind. 6. Evaluation und Wiederholung • Leitfrage: Welche Veränderungen und neuen Erkenntnisse beeinflussen den technologischen Pfad? • Aufgaben: • Evaluation der gewählten Strategie • Erheben und Auswerten neuer Informationen • Erarbeiten und Auswerten von Strategieoptionen • methodisches Vorgehen: • Datenbankanalysen • Interviews • Workshops • Ergebnisse: • Weiterverfolgen, Anpassen oder Verwerfen der gewählten Strategie Abbildung 16: Konzeption des Vorgehens bei der Evaluation und Wiederholung [Quelle: eigene Darstellung] Der letzte Schritt des Ansatzes findet kontinuierlich, d.h. auch bei der Umsetzung der Strategien, statt. Für das Durchführen ist der Prozess-Owner verantwortlich. ausschau und Planung neuer Technologiepfade genutzt werden. Zu diesem Zweck ist eine mög- lichst große Anzahl von Wissensträgern für die untersuchte Technologie zu sensibilisieren. Die- se können anschließend die beobachteten Entwicklungen im Umfeld vor dem Hintergrund des Vorausschau- und Planungsprojekts interpretieren und der erarbeiteten Strategie neue Richtun- gen geben. 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 157 5 FALLSTUDIEN ZUR VORAUSSCHAU UND PLANUNG NEUER TECHNOLOGIEPFADE Im diesem Kapitel erfolgt die empirische Überprüfung des entwickelten Ansatzes für die Strategiebildung im Umfeld neuer Technologiepfade. Zu Beginn wird das gewählte Untersuchungsdesign dargestellt und begründet. Anschließend werden die in Zusam- menarbeit mit vier ausgewählten Pilotunternehmen erzielten Ergebnisse vorgestellt und diskutiert.568 Der Diskussion dieser Resultate ist jeweils eine Beschreibung des Unter- nehmens und der Technologien vorangestellt. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse schließt die einzelnen Abschnitte ab. Die Ergebnisse wurden im Rahmen eines geförderten Forschungsprojekts im Zeitraum November 2006 bis Oktober 2007 erzielt. Das Projekt wurde in Zusammenarbeit mit der Hessenagentur GmbH mit dem Ziel durchgeführt, einen Leitfaden für die Voraus- schau und Planung in Feldern mit erheblichen technischen Fortschritten insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen in Hessen zu entwickeln. Die Hessen- agentur GmbH unterstützt im Rahmen der hessischen Wirtschaftsförderungspolitik insbesondere kleine und mittlere Unternehmen bei forschungs- und entwicklungsinten- siven Verbundprojekten. Schwerpunkte dieser Förderung liegen auf neu aufkommen- den Technologiefeldern, beispielsweise im Bereich der Umwelttechnologien, material- basierter Technologien, der Mess-, Steuer- und Regelungstechnik, der Biotechnologie, neuer Medien oder der Telekommunikation.569 Bei der Erarbeitung des Leitfadens soll- te eine Zusammenarbeit mit hessischen Unternehmen erfolgen. 5.1 Untersuchungsdesign In diesem Abschnitt wird das Untersuchungsdesign der Arbeit vorgestellt, wobei das gewählte Forschungsdesign zunächst diskutiert und begründet wird. Anschließend erfolgt die Vorstellung des Auswahlprozesses der beteiligten Pilotunternehmen. Der Abschnitt endet mit einer Beschreibung und einer kritischen Reflexion der genutzten Erhebungs- und Auswertungsmethoden. 568 Die Hessenagentur GmbH förderte die Forschungsarbeit unter der Projektnummer 120/06-01. 569 Vgl. Hessenagentur 2007. 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 158 5.1.1 Forschungsmethode In diesem Abschnitt erfolgt die Diskussion des gewählten Fallstudienansatzes. Zudem findet eine Gegenüberstellung und Evaluation der Potenziale alternativer Forschungs- ansätze statt. Unter Anwendung des im vorangegangenen Kapitel entwickelten Ansatzes wurde in jedem Unternehmen die Vorausschau und Planung für einen spezifischen technologi- schen Pfad, den das Unternehmen besetzen wollte, durchgeführt. Das Ziel dieses Vor- gehens bestand darin, mit einer kleinen Gruppe von Unternehmen die Anwendbarkeit und den Nutzen des konzipierten Ansatzes in entsprechenden Fallstudien zu überprü- fen.570 Die Interviews und Datenbankrecherchen sowie die Moderation und Durchfüh- rung der Workshops wurden durch ein Team von bis zu drei Personen realisiert.571 Darüber hinaus war von Seiten des Unternehmens zumeist ein zentraler Ansprech- partner an der Vorbereitung und Durchführung dieser Aktivitäten direkt beteiligt. Insge- samt wurden in den Unternehmen 26 Experteninterviews (davon zehn telefonisch, 16 persönlich), elf Workshops sowie ein unternehmensübergreifendes Symposium durch- geführt. Zudem wurden gemeinsam, in der Regel mit dem zentralen Ansprechpartner aus dem Pilotunternehmen, Analysen in Patent- und Publikationsdatenbanken sowie in Datenbanken mit populärwissenschaftlicher Literatur vorgenommen. Innerhalb der Un- ternehmen wertete ein möglichst breiter Teilnehmerkreis die Ergebnisse der Recher- chen aus. Zum Abschluss der Untersuchung beantworteten die Prozess-Owner aus den Unternehmen einen Fragebogen zu den Erfahrungen mit der Anwendung des An- satzes. Die beteiligten Unternehmen sind den Bereichen der Biotechnologie, der opti- schen Beschichtungen, der Automobil-Zulieferindustrie sowie der Messtechnik zuzu- ordnen. Die Mitarbeiterzahl der Firmen lag während des Projektzeitraums zwischen fünf und ca. 900 Mitarbeitern. Die untersuchten Technologiefelder umfassten die Bio- technologie, die Nanotechnologie, Umwelttechnologien sowie die Opto-Elektronik. Die Potenziale der Anwendung des Ansatzes in der direkten Zusammenarbeit mit Pi- lotunternehmen liegen vor allem in den Möglichkeiten für die Anpassung und Erweite- rung des Ansatzes.572 Die unterschiedlichen technologischen Hintergründe und Bran- chenzugehörigkeiten der beteiligten Firmen ermöglichen eine Vielzahl von Erkenntnis- 570 Für ausführliche Darstellungen von Multiple-Case-Studies vgl. Gerring 2007:37ff.; Hancock & Algozzine 2006:7ff.; Gorman & Clayton 2005:51; Yin 2003:46ff. 571 Bei diesen Personen handelte es sich um wissenschaftliche Mitarbeiter des Fachgebiets Innova- tions- und TechnologieManagement der Universität Kassel. 572 Die Anwendung dieser Methode wurde bereits erfolgreich von Holmes und Ferrill (2005) de- monstriert, die einen angepassten Roadmapping-Ansatz in 30 kleinen und mittleren Unterneh- men in Singapur implementierten und daraus Rückschlüsse auf den Anpassungsbedarf ihres Ansatzes zogen. 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 159 sen über Probleme und Anforderungen an die Vorausschau und Planung neuer Tech- nologiepfade in unterschiedlichen Kontexten.573 Die spezifischen internen Vorausset- zungen der Unternehmen lassen Tendenzaussagen über die Anwendbarkeit des An- satzes in verschiedenen Firmen zu. Die Ähnlichkeit der Entwicklungsstadien der aus- gewählten Technologien sichert die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf ähnliche Pro- jektsituationen in anderen Unternehmen.574 Durch den Rückgriff auf reale zu erschlie- ßende, Technologien kann zudem ein hohes Interesse der Teilnehmer an der Projekt- durchführung vorausgesetzt werden. Darüber hinaus wirkt sich der Bezug auf tatsäch- lich relevante Technologien auch positiv auf die Übertragbarkeit des getesteten Ansat- zes auf andere Unternehmen aus. Die Komplexität der Vorausschau und Planung – z.B. mit Sicht auf die Vielzahl an Einflussfaktoren und möglichen Problemstellungen – spricht ebenfalls für eine Untersuchung im Rahmen von Fallstudien.575 Um die externe Validität der Ergebnisse zu steigern,576 bietet sich in diesem Zusammenhang die Nut- zung mehrerer Cases an.577 Die für die Fallstudie ausgewählte kleine Anzahl von nur vier Firmen ermöglicht eine tiefgreifende Analyse der Einzelfälle, die mit einer größeren Stichprobe schwierig zu verwirklichen wäre.578 Gleichzeitig erlaubt sie einen echten Vergleich und das Finden von Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen den einzelnen Fällen.579 Dennoch wirft das Untersuchungsdesign verschiedene Probleme auf. Fraglich ist insbesondere die Repräsentativität der erzielten Aussagen vor dem Hintergrund der kleinen Stichprobe von lediglich vier Firmen.580 Verzerrend wirkt in dem gewählten Design die Moderation, die einen tatsächlich objektiven Test des An- satzes verhindert.581 Insbesondere bleibt unklar, ob die Ergebnisse durch die Moderati- on des Forscherteams oder durch den Ansatz an sich erzielt wurden.582 Offen bleibt weiterhin die Frage, ob die Pilotunternehmen die in dieser Arbeit entwickelte Methode ohne externe Unterstützung hätten erfolgreich anwenden können. Abschließend ist die Bestimmung des „Erfolgs" der Vorausschau und Planung schwierig, da die Projektlauf- zeit von einem Jahr nur eingeschränkt Rückschlüsse über die Qualität des Projektout- puts, d.h. auf den Erfolg der langfristigen Strategien, zulässt. 573 Vgl. Yin 2003:5ff. 574 Vgl. hierzu die „Auswahl typischer Fälle" bei Schnell, Hill & Esser 2005:299; vgl. hierzu auch Gerring 2007:37ff. 575 Vgl. Hancock & Algozzine 2006:10; Yin 2003:15. 576 Vgl. Gerring 2007:43. 577 Vgl. Gerring 2007:61f. 578 Vgl. Yin 2003:3. 579 Vgl. Yin 2003:47. 580 Vgl. Atteslander 2003:74; Kromrey 2002:268f. Vgl. zu dieser grundsätzlichen Problematik von Fallstudienarbeit Gerring 2007:20. 581 Vgl. hierzu Kromreys (2002:531ff.) Beschreibung der „Aktionsforschung" als wissenschaftliches Paradigma, die eine Subjekt-Subjekt-Interaktion von Forscher und Untersuchungsgegenstand propagiert. 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 160 Alternativ zum Test des entwickelten Ansatzes in Zusammenarbeit mit Pilotunterneh- men hätte eine Befragung von Innovationsmanagern, strategischen Planern, Voraus- schau-Experten und Forschungs- und Entwicklungsleitern erfolgen können. Diese hätte über Fragebögen oder leitfadengestützte Interviews eine Validierung der theoriegeleite- ten Konzeption des Ansatzes ermöglicht. Durch die Reflexion des Ansatzes in einem größeren Beteiligtenkreis aus unterschiedlichen Firmen hätte der Ansatz so mögli- cherweise auf ein breiteres empirisches Fundament gestellt werden können. Im Ver- gleich zur Zusammenarbeit mit vier Pilotunternehmen wären insbesondere weitere Erkenntnisse über die Übertragbarkeit der Untersuchungsergebnisse auf andere Bran- chen, Technologiefelder und Unternehmen zu erzielen gewesen. Zudem hätte die Problematik der Definition einer „erfolgreichen" Anwendung umgangen werden kön- nen, da in diesem Zusammenhang die breite Erfahrungsbasis der Befragten eine ob- jektive Beurteilung der Potenziale des Ansatzes ermöglicht hätte. Eine ausschließlich auf Interviews bzw. Fragebögen gestützte Untersuchung hätte allerdings vorausge- setzt, dass Ansätze für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade in vie- len Unternehmen bekannt sind und Manager die Probleme dieser Ansätze kennen. Tatsächlich existieren jedoch nur wenige Erfahrungsberichte über die Vorausschau und Planung wirklich neuer Technologien in Unternehmen, was auf eine geringe Verbreitung dieser Konzepte schließen lässt. Aufgrund der Anwendung des Ansatzes und dem Bedarf der Problemfindung und Exploration ist demzufolge die Nutzung von Fallstudien wünschenswert.583 Vorstellbar wäre ebenfalls ein Methodentest über ein quasi-experimentelles Design,584 bei dem mehrere unabhängige Expertengruppen Entscheidungen in Feldern mit Tech- nologiesprüngen treffen würden. Dabei könnte eine Gruppe auf eine methodische Un- terstützung verzichten, während eine andere Gruppe auf den entwickelten Ansatz zu- rückgreifen könnte. Gegebenenfalls könnten weitere Vergleichsgruppen andere Ansät- ze für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade nutzen. Eine solche An- ordnung hätte das Potenzial, objektiv zu determinieren, welche der vorgestellten Me- thoden für die Strategiebildung geeignet sind und ob diese tatsächlich einem nicht me- thodisch begleiteten „muddling-through" überlegen wären. Aufgrund der konkurrieren- den Verwendung verschiedener Ansätze würde dieses Design zusätzlich die Chance einer breiteren Problemexploration mit sich bringen, da tatsächliche Verhaltensweisen der Entscheidungsträger ohne externe Beeinflussung analysiert werden könnten. Ver- zerrend würde auf dieses Vorgehen jedoch das unterschiedliche Vorwissen der Teil- 582 Vgl. hierzu die Diskussion von Hancock & Algozzine (2006:66). 583 Vgl. Gerring 2007:38ff.; Hancock & Algozzine 2006:10; Yin 2003:5ff. 584 Vgl. Schnell, Hill & Esser 2005:228ff.; Kromrey 2002:98. 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 161 nehmer wirken.585 Ferner wäre die Vergleichbarkeit der Ergebnisse jeder Gruppe durch die unterschiedlichen technologischen Situationen eingeschränkt. Darüber hinaus könnte die Anwendung des entwickelten Ansatzes wahrscheinlich nicht ohne den, die Ergebnisse möglicherweise verfälschenden, Eingriff eines Moderators sichergestellt werden. Außerdem ist fraglich, inwiefern ein Committment der Teilnehmer – gerade wenn es sich um erfahrende Manager handeln soll – zu dem zeitaufwendigen Durch- führen des Quasi-Experiments erreicht werden könnte. Ein ähnliches Vorgehen könnte beispielsweise in einem Planspiel oder einer Simulation bestehen, bei der die ver- schiedenen Gruppen identischen Entwicklungen gegenüberstehen würden.586 Dieses Design hätte zwar den Grad der Objektivität der Ergebnisse möglicherweise gestei- gert,587 aber Nachteile auf dem Gebiet der Exploration mit sich gebracht. Die simulier- ten Umfeldentwicklungen könnten die Komplexität realer Phänomene nur unzureichend abdecken. Vor dem Hintergrund eines beschränkten Simulationsumfeldes könnte aus diesem Grund auch die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf die Unternehmenspraxis in Frage gestellt werden. 5.1.2 Sampling Die Auswahl des Samplings erfolgte mit der Maßgabe, dass in diesem Projekt vor al- lem mit regionalen, hessischen Unternehmen zusammengearbeitet werden sollte. Zu- dem sollten die Pilotunternehmen verschiedene Technologiefelder und Branchen ab- decken und sich in Bezug auf die Unternehmensgröße unterscheiden, um möglichst breite Erkenntnisse über die Anwendbarkeit des Ansatzes zu erhalten. Die angestrebte Anzahl von drei bis fünf Pilotunternehmen sollte die Durchführbarkeit des Projekts im Zeitraum von ca. 12 Monaten gewährleisten. Für die Auswahl der Unternehmen erfolgte im ersten Schritt eine Recherche nach Fir- men, die in regionalen Netzwerken verankert sind. Dabei wurde auf die an spezifischen Technologien ausgerichteten Plattformen „Hessen-Nanotech", „Hessen-Biotech", „Hessen-Umwelttech", „Brennstoffzellen-Initiative Hessen" sowie das „Optence"- Netwerk zurückgegriffen. Zusätzlich wurden regionale Netzwerke, wie beispielsweise das Technologie-Transfer-Netzwerk Hessen, „Materials Valley e.V.", „mst-Netzwerk Rhein-Main" (Kompetenznetzwerk Mikrosystemtechnik), „Gründernetz Route A 66" oder das „FiDT Technologie- und Gründerzentrum Kassel" für die Recherche nach entsprechenden Unternehmen genutzt. Um bereits vorab eine entsprechende Selekti- on zu ermöglichen, wurden als potenzielle Teilnehmergruppe des Projekts nur solche 585 Vgl. Schnell, Hill & Esser 2005:224f. 586 Vgl. Atteslander 2003:201ff. 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 162 Unternehmen definiert, die auf ihren Websites eigene Forschungs- und Entwicklungs- tätigkeiten oder das Streben nach Produkt- bzw. Prozessinnovationen bekundeten. In einem zweiten Schritt erfolgte ein Telefonkontakt mit 48 Unternehmen, vornehmlich mit Leitern der Forschungs- und Entwicklungsabteilungen, mit Personen auf der Ebene der Geschäftsleitung sowie in einigen Unternehmen mit Verantwortlichen aus dem Marketing- oder Vertriebsbereich. In diesem Gespräch fanden die Erläuterung des Pro- jektziels, der Projektinhalte und des angestrebten Projektzeitraums statt. Dabei kon- zentrierten sich die Fragen an die Gesprächspartner darauf, ob sie in einem potenziel- len oder bereits verfolgten Projekt technologischem Fortschritt gegenüberstanden, der potenziell völlig neue Produkte ermöglichen konnte. Eine weitere Dimension war die Unsicherheit der Situation, die über den Charakter des Projekts („starker technologi- scher Wandel") bzw. über das subjektiv vorhandene Know-how des Unternehmens im Bereich einer Technologie definiert wurde. In diesem ersten Telefongespräch wurde den Unternehmen Anonymität und Nicht-Weitergabe in Bezug auf die Veröffentlichung technologischer sowie strategischer Informationen zugesichert. In einem dritten Schritt wurden an die 19 an einer Zusammenarbeit interessierten Fir- men detaillierte Projektinformationen per e-Mail versandt. Von diesen konnten sich fünf Unternehmen eine Teilnahme aufgrund der Sensibilität der tangierten Informationen nicht vorstellen. Vier interessierte Firmen gaben fehlende personelle Kapazitäten als Hinderungsgrund einer möglichen Zusammenarbeit an. Drei Unternehmen verwiesen auf einen momentanen Mangel an entsprechenden Projekten. Diese ersten drei Schrit- te der Samplingbildung dauerten ca. 12 Wochen im Zeitraum Mai bis August 2006. Nach weiteren Koordinationsgesprächen über eine mögliche Projektzusammenarbeit mit sieben Firmen (insbesondere über die personelle Beteiligung und die betrachteten Technologien), wurde im Zeitraum von August bis September 2006 mit insgesamt fünf Firmen eine Projektskizze bei der Hessenagentur GmbH vorbereitet und anschließend eingereicht. Nach einem positiven Förderbescheid erfolgte im Oktober und November 2006 die Formulierung eines Projektantrags gemeinsam mit vier Unternehmen. Eine der zuvor beteiligten Firmen entschied sich aufgrund personeller Engpässe gegen ein weiteres Mitwirken am Projekt. Der Projektstart wurde mit einer Projektlaufzeit von 12 Monaten auf November 2006 terminiert. 587 Vgl. Diekmann 1997:216f. 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 163 5.1.3 Erhebungs- und Auswertungsmethoden In diesem Abschnitt werden die Erhebungs- und Auswertungsmethoden der Untersu- chung vorgestellt. Dabei wird zunächst das Gesamtkonzept diskutiert und daran an- schließend die Auswahl einzelner Erhebungsinstrumente begründet. Zudem erfolgt ein Vergleich mit alternativen Instrumenten. Die Auswahl der Erhebungsmethoden für die Durchführung des entwickelten Ansatzes erfolgte vor dem Hintergrund, die spätere Anwendbarkeit im Unternehmen zu gewähr- leisten und eine umfassende Dokumentation und Analyse der einzelnen Fallstudien zu ermöglichen. Die Datenerhebung basierte daher auf einer Kombination leitfadenge- stützter Interviews und Workshops. Für die Auswertung der Daten wurden Einzellfall- analysen und Cross-Case-Analysen eingesetzt. Innerhalb der Zusammenarbeit mit den Unternehmen erfolgten zudem Datenbankanalysen für das Aufnehmen technologischer Informationen. Die Auswertung der in diesem Kontext erhobenen Daten fand zum ei- nen mit Hilfe spezifischer Softwarelösungen, zum anderen gemeinsam in Workshops mit den Experten aus den beteiligten Unternehmen statt. In Zusammenarbeit mit den Unternehmen wurde jeder Einzelschritt der Ablauforganisation durchlaufen. Aspekte der Aufbauorganisation, der Segmentierung von Einflussfaktoren sowie der inhaltlichen Leitlinien der Vorausschau und Planung wurden im Rahmen der Durchführung der ein- zelnen Prozessschritte sowie der Projektvorbereitung berücksichtigt. Bestimmte Prob- lembereiche aus den Fallstudien waren außerdem Schwerpunkt eines Abschlusssym- posiums mit allen beteiligten Projektpartnern. Zum Abschluss des Projekts beantworte- ten die Teilnehmer einen Fragebogen zu den Potenzialen des Ansatzes. Die Potenzia- le der einzelnen Erhebungs- und Auswertungsmethoden werden im Folgenden skiz- ziert. Die Datenerhebung erfolgte unter anderem mit leitfadengestützten Interviews. Die Leit- fragen wurden phasenspezifisch für jeden Projektschritt formuliert und zusammenge- fasst. Eine Übersicht über die Fragen, die bei der Zusammenstellung der einzelnen Fragebögen berücksichtigt wurden, findet sich in Anhang C. Der Aufbau der Fragebö- gen berücksichtigte zu Beginn des Interviews eine möglichst offene Formulierung der Fragen.588 In der Regel begannen die Gespräche mit einer Frage nach dem beruflichen Hintergrund und dem Verantwortungsbereich des Befragten. Die Fragen wurden vom zentralen Ansprechpartner des Unternehmens sowie von weiteren relevanten An- sprechpartnern beantwortet. Die Identifikation dieser weiteren Kompetenzträger erfolg- te sowohl durch den zentralen Ansprechpartner als auch durch die übrigen Interview- 588 Vgl. Schnell, Hill & Esser 2005:343; Diekmann 1997:414f. 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 164 partner. Die Potenziale der Verwendung von Interviewleitfäden für die Datenerhebung liegen – im Vergleich zu standardisierten Fragebögen – insbesondere in der Möglich- keit einer offenen Gesprächsführung. Gerade in der Vorausschau und Planung liegen in der Regel komplexe Einflusszusammenhänge vor, die sich nur unzureichend in standardisierten Antworten abbilden lassen („wenig strukturierte Interviewsituation"). Zudem können durch die flexible Gestaltung der Gesprächsführung relevante Sach- verhalte im Interaktionsfluss vertieft oder verkürzt behandelt werden.589 Das Instrument der Leitfadengespräche erscheint somit für die Datenerhebung der in dieser Arbeit be- trachteten, hochkomplexen und zum Teil unbekannten Problemstellungen geeignet. Allerdings ist in der Anwendung leitfadengestützter Interviews sowohl die Einschrän- kung der Gesprächsinhalte, bei der relevante Einflussfaktoren möglicherweise ausge- blendet werden, als auch die vergleichsweise starke Beeinflussung des Befragten durch den Interview-Führenden kritisch zu sehen.590 Aufgrund dieser Gefahr ist auch der Vergleich der Erkenntnisse aus Interviews in unterschiedlichen Unternehmen prob- lematisch. Demgegenüber könnte in einem standardisierten Interview grundsätzlich eine höhere Vergleichbarkeit der Ergebnisse aus jedem einzelnen Pilotunternehmen erreicht werden. Zudem könnten Einflussfaktoren systematisch aufgenommen werden, auch wenn diese durch den Befragenden sowie den Interviewpartner im Rahmen einer offenen Diskussion möglicherweise vernachlässigt worden wären. Allerdings lassen sich komplexe Problemstellungen mit standardisierten Fragebögen selten hinreichend erfassen.591 Insbesondere die Aufnahme von Einflussfaktoren sowie von spezifischen Wechselwirkungen im Umfeld des Unternehmens ist über einen vorab definierten Fra- genkatalog schwer zu realisieren. Die Nutzung standardisierter Fragebögen scheint aufgrund der mangelnden Möglichkeit zur Komplexitätserfassung sowie der Einschrän- kungen bei dem Identifizieren neuer Problembereiche als Methode der Datenerhebung im Kontext dieser Arbeit daher wenig geeignet. Als alternatives Erhebungsinstrument bieten vollständig unstandardisierte, narrative Interviews die Möglichkeit, Problemstel- lungen ohne eine Einschränkung durch den Befragenden vorzunehmen.592 Somit wä- ren auch Einflussfaktoren der Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade er- fassbar, die durch den Befragenden nicht in Betracht gezogen wurden. Der Problem findende Charakter der Untersuchung könnte durch dieses Vorgehen weiter gestärkt werden. Allerdings konzentriert sich das Forschungsinteresse auf das schrittweise An- wenden eines ganzheitlichen Ansatzes. Ein zentraler Inhalt ist in diesem Kontext der 589 Vgl. Schnell, Hill & Esser 2005:321ff. und 2005:387f.; vgl. hierzu auch Atteslander 2003:153ff.; Diekmann 1997:450f. 590 Vgl. hierzu Hancock & Algozzine 2006:43. 591 Vgl. Schnell, Hill & Esser 2005:358ff. 592 Vgl. Schnell, Hill & Esser 2005:388ff.; Atteslander 2003:158; Diekmann 1997:449f. 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 165 Versuch einer Handhabung der Komplexität von Umfeldfaktoren durch das Anwenden von Kategorien (z.B. Akteure, Institutionen, etc.) auf unterschiedlichen Analyseebenen. Dies erfordert eine – zumindest grobe – ex-ante Eingrenzung der Gesprächsinhalte. Im Vergleich mit dieser Zielsetzung ist die Exploration des Forschungsgebiets tendenziell ein Nebeninteresse. Grundsätzlich war die Bereitschaft, an den Interviews teilzunehmen, sehr hoch, was zum einen auf das Interesse an der Bearbeitung einer innovativen technologischen Problemstellung sowie zum anderen auf den von den Teilnehmern artikulierten Bedarf einer Begleitung und Unterstützung bei der Entwicklung einer strategischen Vorge- hensweise zurückzuführen ist. Vor allem der Rückgriff auf leitfadengestützte Interviews erwies sich als positiv, weil die Fachexperten ihr Wissen umfassend einbringen konn- ten. Die in den Befragungen gewonnenen Interviewergebnisse wurden dokumentiert und gegebenenfalls mit den Interviewpartnern vertiefend diskutiert. Für die Diskussion und Weiterentwicklung der Interviewergebnisse wurden außerdem Workshops, an denen nach Möglichkeit alle relevanten Know-how-Träger aus dem Unternehmen teilnahmen, als Erhebungsinstrument genutzt. Dabei fand in jedem Un- ternehmen nach einem vorbereitenden Treffen mit dem Prozess-Owner ein Kick-off- Workshop statt, um mit den Beteiligten die Ziele und das Vorgehen im Rahmen des Projekts abzustimmen. Der Kick-off-Workshop war auch darauf gerichtet, die Erwar- tungen und Bedürfnisse der Teilnehmer aufzunehmen. Das Forscherteam dokumen- tierte die Ergebnisse sämtlicher Workshops und leitete den Teilnehmern die Dokumen- tationen zu. Sie wurden als Grundlage vertiefender Diskussionen zwischen den Workshops genutzt und dienten daher auch einer Rückkopplung über die Anwendung des entwickelten Ansatzes.593 Die gemeinsamen Workshops bewerteten die Beteiligten aus den Unternehmen sehr positiv, da Kenntnisse über bestehende Aktivitäten inner- halb der Firmen aufgebaut und Vorgehensweisen gemeinsam abgestimmt werden konnten. Die Aufnahme technologischer Informationen erfolgte neben Interviews durch Recher- chen in unterschiedlichen Datenbanken. Die Datenbanken DEPATISnet des Deut- schen Patent- und Markenamts sowie die über Google Patents zugängliche Patentda- tenbank des United States Patent and Trademark Office (USPTO) bildeten die Basis für die Analyse der Patentsituationen. Die Ergebnisse wurden gemeinsam mit Vertre- tern des Unternehmens interpretiert. Recherchen über ISI Web of Knowledge und EI Compendix ermöglichten die Identifikation wissenschaftlicher Publikationen. Die Aus- 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 166 wertung der Publikationsdaten erfolgte auch softwaregestützt. Dabei wurde mit Hilfe des Programms EndNote™ direkt auf die Publikationsdatenbanken zugegriffen, die Abstracts der Treffer heruntergeladen und anschließend zu einer EndNote™-Bibliothek hinzugefügt. Die Visualisierung der Literaturquellen nach thematischer Nähe erfolgte mit dem Programm RefViz™. Zusätzlich erhoben die Projektteilnehmer populärwissen- schaftliche Publikationen über die Datenbank LexisNexis. Für die Recherchen wurden durch die Know-how-Träger des Unternehmens vorgegebene Schlagworte verwendet. Zum Teil erfolgten auch die Erhebungen gemeinsam mit den Unternehmensvertretern. Nach den Recherchen und Visualisierungen wurden die Ergebnisse präsentiert und mit den Beteiligten aus den Firmen diskutiert. Zum Abschluss des Projekts wurde mit den zentralen Ansprechpartnern aus den betei- ligten Unternehmen ein firmenübergreifendes Symposium durchgeführt. Auf diesem Symposium wurden Erkenntnisse über die Vorgehensweise, die Struktur der an der Vorausschau und Planung zu beteiligenden Organisationseinheiten sowie die Konzep- tionalisierung der Einflussfaktoren diskutiert. Einen Schwerpunkt des Symposiums bil- dete den Bedarf einer situationsspezifischen Variation des Ansatzes. Es erfolgte eine Dokumentation der Ergebnisse dieses Treffens, die anschließend mit den Ansprech- partnern aus den Unternehmen besprochen wurde. Gegenstand des Symposiums war zudem die Zusammenfassung der Ergebnisse in einem Leitfaden, der anderen Unter- nehmen als Unterstützung für das Durchführen der Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade dienen sollte. Zum Abschluss des Projekts beantworteten die Pro- zess-Owner aus den Unternehmen einen Fragebogen über ihre Erfahrungen mit der Anwendung des Ansatzes. Dieser Fragebogen findet sich in Anhang D. Das Ziel der Befragung bestand vor allem darin, die Potenziale des Ansatzes ein halbes Jahr nach dessen Anwendung erneut zu evaluieren. Die Ergebnisse sollten einen Rückschluss sowohl auf die Akzeptanz des Ansatzes als auch auf die Nutzung der erarbeiteten Strategien ermöglichen. Die Auswertung der Ergebnisse folgte einem theoriegeleiteten Ansatz. Dabei wurden die in Abschnitt 2.3.3 formulierten Forschungshypothesen als Ausgangspunkt der Da- tenanalyse genutzt.594 Das Arbeiten mit den Hypothesen erfolgte zuerst auf Basis der Ergebnisse einzelner Fallstudien. Anschließend fand zusätzlich ein Vergleich der Fall- studien durch eine Cross-Case-Analyse statt, um Zusammenhänge und Ähnlichkeiten der Fälle zu identifizieren.595 Die Auswertungen der Fallstudien wurden zur Kommentie- 593 Für die Evaluation durch die Beteiligten als Methode der Ergebnisvalidierung vgl. Hancock & Algozzine 2006:66. 594 Vgl. Yin 2003:111f. 595 Vgl. Gerring 2007:37ff.; Yin 2003:133ff. 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 167 rung ebenfalls an die beteiligten Firmen zurückgespiegelt.596 Die im Folgenden darge- stellten Fallstudien enthalten die Ergänzungen und Änderungen der Unternehmensver- treter. 5.2 Fallstudie: Biotech In diesem Abschnitt wird die in Zusammenarbeit mit der Biotech durchgeführte Fallstu- die vorgestellt. An eine kurze Unternehmens- und Technologiecharakterisierung schließt sich eine chronologische Darstellung der Untersuchung an. Die Diskussion erfolgt entlang der durchgeführten Prozessschritte. Im letzten Teil des Abschnitts wer- den die Untersuchungsergebnisse zusammengefasst. 5.2.1 Unternehmens- und Technologiebeschreibung Die hessische Biotech597 verfolgt das Ziel, die Zusammenarbeit zwischen Grundlagen- forschung und industrieller Forschung auf dem Gebiet der Biotechnologie zu fördern. Das Unternehmen wurde in den 90er Jahren als Spin-off eines europäischen For- schungsprojekts einer deutschen Universität und eines Pharmaunternehmens gegrün- det. Zum Zeitpunkt des Projekts beschäftigt das Unternehmen fünf Mitarbeiter. Die Kompetenzen des Unternehmens liegen auf dem Gebiet der molekularbiologischen, genetischen und biochemischen Arbeitsmethoden. Stämme eines bestimmten Orga- nismus stellen das Hauptarbeitsgebiet der Firma dar. Neben dem Vertrieb dieser Stämme bietet Biotech Hochdurchsatz-Sequenzierungen von DNA sowie die Analyse bestimmter Genfunktionen im Kontext der Krankheitsbehandlung an. Die Kunden des Unternehmens befinden sich hauptsächlich in Deutschland und dem europäischen Ausland. Im Bereich der Forschung und Entwicklung werden vor allem die Konstruktion und die Optimierung von Stämmen des genannten Organismus durchgeführt. Bei- spielsweise werden Einfach- und Mehrfachdeletionen konstruiert. Anteilig gibt das Un- ternehmen etwa 25 Prozent des Gesamtumsatzes für Forschung und Entwicklung aus. Die Biotech arbeitet bei der Forschung und Entwicklung mit Universitäten, Großunter- nehmen sowie kleinen und mittleren Unternehmen zusammen. Dabei stammen die F&E-Ausgaben zum großen Teil aus Drittmitteln unterschiedlicher Forschungsförderer. 596 Vgl. Hancock & Algozzine 2006:66; Yin 2003:159. 597 Firmenname geändert. 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 168 Bei der untersuchten Technologie handelt es sich um den Organismus A, ein Pilz, der unter anderem mit den Organismen B und C verwandt ist.598 Der Organismus produ- ziert und sekretiert das Enzym I, das bereits biotechnologisch produziert und vermark- tet wird. Die Biotech beabsichtigte, in einem Forschungsprojekt die Möglichkeit eines Einsatzes als Produktionsstamm zu untersuchen. Vor allem ist zu bestimmen, ob der Organismus dazu befähigt ist, heterolog exprimierte Enzyme zu sekretieren und ob er sich unter industriellen Bedingungen gut kultivieren lässt. Grundsätzlich bietet der Or- ganismus die Möglichkeit, ein aufwendiges Downstream-Processing – insbesondere die Aufarbeitung und Reinigung des produzierten Enzyms – überflüssig zu machen. Vor Beginn der Fallstudie hatte das Unternehmen eine Literaturrecherche sowie eine biologische Analyse des Enzyms I durchgeführt und zusammen mit zwei Forschungs- instituten und einem Großunternehmen bei einem öffentlichen Förderer einen Antrag auf Förderung der Forschungstätigkeit gestellt. Von Seiten der Biotech besteht das Ziel des Vorausschau- und Planungsprojekts darin, eine Roadmap für das weitere Vorge- hen des Unternehmens auf dem Gebiet des Organismus A zu entwickeln. Dazu sind insbesondere weitere Informationen zu erheben und kritische Einflussfaktoren mögli- cher Aktivitäten zu identifizieren. 5.2.2 Untersuchungsergebnisse Die Darstellung der Untersuchungsergebnisse in diesem Kapitel folgt dem chronologi- schen Ablauf des Projekts599 und damit weitestgehend der Durchführung der einzelnen Prozessschritte. Sämtliche Treffen fanden mit der Geschäftsleitung des Unternehmens ohne Beteiligung weiterer Mitarbeiter statt. Beim ersten Treffen wurden zu Beginn das Vorgehen detailliert abgestimmt und die konkreten Zielsetzungen mit dem Unterneh- men definiert. Das Gespräch basierte auf den in Anhang C angefügten Interviewleitfra- gen, die unter anderem allgemein gehaltene Fragen nach den bestehenden Aktivitäten des Unternehmens sowie weiterführende Fragen zur untersuchten Technologie um- fassten. Im Anschluss an eine generelle Beschreibung des Unternehmens erfolgte die Analyse bestehender Forschungsnetzwerke des Unternehmens, des Entwicklungsstadiums der Technologie und der für die Forschung relevanten Regelungen. Die Forschungsnetz- werke von Biotech befinden sich vorwiegend in Deutschland, vor allem in der näheren Region. Weitere Forschungspartner sind im deutschsprachigen Ausland ansässig. Die 598 Auf Wunsch der Biotech werden die technologiespezifischen und unternehmensstrategisch rele- vanten Informationen in dieser Fallstudie anonymisiert. 599 Die Zusammenarbeit mit der Biotech erstreckte sich über den Zeitraum von Dezember 2006 bis September 2007. 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 169 Ergebnisse der Diskussion um den Entwicklungsstand von Organismus A zeigten, dass der Organismus noch nicht für die industrielle Herstellung von Enzymen einge- setzt wird. Über den Organismus ist lediglich bekannt, dass er das Enzym I in hohen Konzentrationen sekretiert. Dieses Enzym kann zwei verschiedene Veränderungen bestimmter Stoffe vornehmen. Es wird bereits industriell hergestellt und vertrieben. Für die Produktion werden nach Kenntnis von Biotech jedoch keine Pilze, sondern Synthe- tisierungsverfahren oder andere Organismen genutzt. Zusätzlich existieren For- schungsarbeiten, die eine Expremierung in Organismus C beschreiben. Die Forschungsfragen, die vor einem Einsatz von Organismus A zu beantworten wa- ren, bezogen sich unter anderem auf seine Verwandtschaftsgrade, auf die möglichen Zelldichten, in denen eine Kultivierung erfolgen kann, und auf mögliche Sekretionspro- dukte außer dem Enzym I. Ersteres war für das Unternehmen vor dem Hintergrund der Übertragung von Eigenschaften ähnlicher Organismen in Organismus A relevant. Wäh- rend des Treffens wurden ferner Regelungen diskutiert, die die Forschung an Orga- nismus A beeinflussen könnten. Für den Organismus gilt grundsätzlich die Sicherheits- stufe 1 der Gentechnik-Sicherheitsverordnung, so dass für die Forschungsarbeit eine Genehmigung beim Regierungspräsidium einzuholen ist. Der Pilz ist weder human-, noch tierpathogen. Gegebenenfalls könnten sich die Sicherheitsstufe und damit der Aufwand einer Genehmigung der Forschungsarbeit durch das Einbringen von Gense- quenzen anderer Organismen erhöhen. Da auf Basis des Organismus A keine Marker vorhanden sind, ist dieser Ansteig der Sicherheitsstufe bereits bei der Verwendung von marktüblichen Selektionsmarkern gegeben. Neben der grundsätzlichen Problematik der Möglichkeit eines industriellen Einsatzes stellte sich zudem die Frage, ob die An- wendung von Organismus A wirtschaftlicher als der Einsatz der bisher verwendeten Organismen und Synthetisierungen sei. Gemeinsam mit dem Unternehmensvertreter definierte das Forscherteam anschlie- ßend Schlagworte, um Datenbankrecherchen durchzuführen. Diese sollten dem Unter- nehmen einen besseren Überblick über den Stand der Forschung innerhalb des Tech- nologiefelds ermöglichen. Als Schlagwörter wurden die Namen von Organismen („Or- ganismus A", „Organismus B", „Organismus C") sowie Bezeichnungen für durch den Pilz expremierte Proteine („Enzym I", „Enzym II") verwendet. Auf Basis dieser Key- words erfolgten Recherchen in der Datenbank ISI Web of Knowledge und eine ge- meinsame Auswertung der Ergebnisse mit dem Unternehmen. Das Ziel dieser Analy- sen bestand darin, weitere verfügbare Erkenntnisse über den Organismus zu gewinnen und den Wissensstand anderer Forschergruppen zu ermitteln. Die Recherche nach „Organismus I" lieferte eine dreistellige Anzahl an Publikationen aus den Jahren 1994 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 170 bis 2007. Weltweit hatten unter 100 Institutionen zu diesem Organismus publiziert, wo- bei der Schwerpunkt dieser Aktivitäten in den USA lag. Dabei war die Intensität der Publikationsaktivität im untersuchten Zeitraum weitgehend konstant. Die Treffer, ein- schließlich der Autorennamen, Titel, Abstracts und der durch die Autoren definierten Keywords, wurden in einer Endnote™-Datenbank gespeichert. Anschließend gruppier- te das Programm RefViz™ die Paper nach ihrer thematischen Nähe und stellte die Cluster in einer Proximity Map dar. Der zentrale Ansprechpartner passte die von der Software vorgeschlagene Priorisierung der Schlagwörter, die für die Clusterung genutzt werden, an.600 Die Ergebnisse der Clusterung der einzelnen Publikationen nach ihrer thematischen Nähe sind in Abbildung 17 dargestellt, wobei jeder Punkt eine Publikation verkörpert. Die angedeuteten Ordner stellen thematisch zusammengefasste Artikel- gruppen dar. Abbildung 17: Darstellung der Publikationen zu „Organismus A" nach thematischer Nähe [Quelle: Daten aus ISI Web of Science, Darstellung durch RefViz™] Auf Basis der Visualisierung erfolgte die Analyse einzelner Publikationen, die am Rand der Proximity Map lagen, von denen vermutet wurde, dass sie Erkenntnisse über den Organisums abseits der „Mainstream“-Forschung enthalten könnten. Diese Veröffentli- chungen waren jedoch ohne Relevanz für das Projekt, so dass im Anschluss daran 600 Diese Veränderung bezog sich ausschließlich auf die Priorisierung der „Major-Terms" und „Mi- nor-Terms". Auf Basis der in der Endnote™-Datenbank gespeicherten Inhalte definiert das Pro- gramm RefViz™ eigene Begriffe, die den Inhalt eines Artikels charakterisieren. Es werden ins- gesamt drei Kategorien unterschieden: „Major-Terms", „Minor-Terms" und „Other Descriptive Terms". Die „Other Descriptive Terms" werden nicht für die Clusterung genutzt. 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 171 Gruppen von Publikationen untersucht wurden, die potenziell für das Unternehmen von Interesse waren.601 Diese Analyse erfolgte auch auf der Grundlage einer durch das Programm RefViz™ bereitgestellten Themenmatrix.602 Eine detaillierte Analyse der Quellen aus den relevanten Gruppen ergab, dass keine Veröffentlichung technologie- bezogene Erkenntnisse enthielt, die wesentlich über den Kenntnis- und Erfahrungs- stand von Biotech und seinen Forschungspartnern hinausging. Zusätzlich wurde in der Datenbank ISI Web of Knowledge nach den Enzymen I und Enzym II gesucht. Die unter 1.000 gefundenen Veröffentlichungen wurden ebenfalls durch die Software gruppiert und visualisiert (vgl. Abbildung 18). Die Analyse der Quel- len verlief analog zu der oben dargestellten Vorgehensweise. Bei der Betrachtung identifizierte das Projektteam „Ausreißer-Veröffentlichungen", die auf eine weitere, der Biotech bisher nicht bekannte Anwendungsmöglichkeit des Enzyms hindeuteten. Abbildung 18: Darstellung der Publikationen zu „Enzym I" und „Enzym II" nach thematischer Nähe [Quelle: Daten aus ISI Web of Science, Darstellung durch RefViz™] Die folgende Auswertung der Themenmatrix wies auf eine Gruppe von Publikationen hin, in denen der Organismus C behandelt wurde. Diese Veröffentlichungen bestätigen die Möglichkeit, das Enzym I in diesem Organismus zu expremieren. Zusammenfas- send ist für die Publikationsanalyse festzuhalten, dass im Bezug auf den Organismus A keine Aktivitäten identifiziert werden konnten, die signifikant über den Wissensstand des Unternehmens und seiner Forschungspartner hinausgingen. Wissenschaftler aus 601 Diese Gruppen bezeichnet das Programm mit drei charakteristischen Terms, so dass tendenziel- le thematische Schwerpunkte einzelner Gruppen schnell sichtbar werden. 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 172 anderen Unternehmen hatten bisher keine Publikationen zu Organismus A veröffent- licht, so dass von einer geringen kommerziellen Aufmerksamkeit für die Technologie ausgegangen wurde. Zur Validierung dieser Einschätzung erfolgte eine Patentanalyse bei DEPATISnet, bei der weniger als 50 Patente ermittelt wurden, von denen unter zehn eine Verbindung zum angestrebten Tätigkeitsspektrum des Unternehmens auf- wiesen. Gegenstand dieser Patente war vor allem das Enzym I und nicht eine Expre- mierung durch den Pilz A. Zum Abschluss der Ist-Analyse wurde ein Vergleich der Produktionsmöglichkeit von Organismus A mit anderen Herstellverfahren von Enzym I über ein vorliegendes wissenschaftliches Paper vorgenommen. Der Vergleich ergab, dass Organismus A aufgrund der guten Sekretionsfähigkeit eine vielversprechende Alternative zu etablierten Verfahren darstellen könnte. Der zweite Schritt des Projekts zielte auf die Identifikation von Anwendungskontexten für die Technologie, die mögliche Zielstellungen der zu erarbeitenden Strategie sein könnten. Die interessantesten Anwendungsmöglichkeiten bestanden aus Sicht des Unternehmens im Bereich von Anwendungskontext 1 sowie von Anwendungskontext 2. Eine ebenfalls diskutierte mögliche Anwendung in Anwendungskontext 3 stellten die Teilnehmer aufgrund der geringen Erfahrungen des Unternehmens und der extrem langen Zeitspanne bis zu einer möglichen Realisierung zurück. Die beiden ersten An- wendungskontexte können entweder durch die eigene Herstellung von Enzym I oder durch den Versand des Organismus an Hersteller von Enzym I adressiert werden. Bei- den Optionen ist gemeinsam, dass Biotech die Stämme des Organismus selbst kulti- viert. Da über Möglichkeiten zur Expression weiterer Enzyme keine Kenntnisse vorla- gen, lag der Schwerpunkt der weiteren Vorausschau- und Planungsaktivitäten auf dem Enzym I. Im Anschluss daran wurden zu überwindende Lücken zwischen der Ist-Situation von Technologie und Unternehmen auf der einen Seite und den Anwendungskontexten auf der anderen Seite identifiziert. Hierfür nutzte das Projektteam den in Abschnitt 4.2 ent- wickelten Rahmen von Einflussfaktoren und das in Abschnitt 4.3.3 beschriebene Ver- fahren der Kombination von Back- und Forecasting. Ausgangspunkt war die Frage, welche Struktur ein stabiles Umfeld, Innovationssystem und Unternehmen aufweisen müsste, in dem der Organismus A angewendet würde. Die Analyse bezog sich auf Akteure und Netzwerke, institutionelle Regelungen, Wissen und technologische Arte- fakte. Die Interviewpartner aus dem Unternehmen wurden unter anderem befragt, wel- che technologischen Artefakte („technologische Infrastruktur") vorhanden sein müss- 602 In dieser Matrix werden thematische Gruppen von Artikeln (in der Proximity Map durch die Ord- ner dargestellt) einzelnen „Major Terms" gegenübergestellt. 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 173 ten, um den Organismus herzustellen und die durch den Organismus expremierten Proteine bei einem Kunden zu nutzen. Die Antwort auf diese Frage ergab beispielswei- se, dass mit den bestehenden Maschinen- und Anlagen zwar eine Kultivierung des Organismus durchführbar ist, dass es aber notwendig sein könnte, neue Anlagen für die gegebenenfalls vorzunehmende Reinigung des produzierten Enzyms bereitzustel- len. Bei einer Herstellung des Enzyms durch die Biotech sei zudem eine eigene Pro- duktionsstätte aufzubauen. Eine Übersicht der auf diese Art und Weise identifizierten Lücken findet sich in Tabelle 9. Akteure Institutionen Wissen Artefakte • Verwenden der Produkte durch Kunden aus unter- schiedlichen Bran- chen • Entwicklungspart- nerschaft mit For- schungsinstitutio- nen • Einhalten der nied- rigsten Sicherheits- stufe nach Vorga- ben des Gentech- nikgesetzes • Endkunde präferiert neue Technologie Vertrieb: • GLP (Good Labora- tory Practice) sind einzuhalten • Verhaltensände- rung beim Kunden notwendig eigene Produktion: • GLP und GMP (Good Manufac- turer's Practice) notwendig • Grundkenntnisse des Organismus (Verwandtschaft, Leistungsfähigkeit) • Übertragbarkeit von Eigenschaften aus anderen Organis- men • Stabilisierung des Herstellprozesses von Enzymen auf Basis des Orga- nismus • Erreichen kritischer Leistungsparameter • Entwicklung von Ansätzen für einfa- ches Downstrea- ming • Up-Scaling • Kenntnisse der Vertriebsmöglich- keiten • Nutzung der bisher verwendeten Pro- duktionsanlagen möglich • Entwickelung neuer Anlagen für das Downstreaming Vertrieb: • Umstellung der Produktionsstruktur beim Kunden eigene Produktion: • Aufbau einer eige- nen Produktions- struktur Tabelle 9: Zu überwindende Lücken für die Anwendungskontexte bei Biotech [Quelle: eigene Darstellung] Das Vorgehen verdeutlichte, dass der Vertrieb von Stämmen und die eigene Produkti- on den gleichen Anwendungskontext adressieren, mit dem Unterschied, dass das Un- ternehmen verschiedene Stufen auf der Wertschöpfungskette besetzt. Daher wurden die beiden Anwendungskontexte 1 und 2 im Folgenden zusammengefasst und es wur- de zwischen Lücken unterschieden, die das Unternehmen auf dem Weg zu beiden Positionen schließen müsste und solchen, die spezifisch für eine Position auf der Wertschöpfungskette – für den Vertrieb des Stamms oder die eigene Produktion des Enzyms – waren. Die am schwierigsten zu überwindenden Lücken sah die Biotech insbesondere auf dem Gebiet des Wissens über den industriellen Einsatz der Techno- 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 174 logie. Der Aufbau eines Netzwerks sowie die Integration in eine technologische Infra- struktur erschienen dabei weniger problematisch. Im nächsten Schritt entwickelten die Teilnehmer eine gemeinsame Roadmap, um die erarbeiteten Informationen zusammenzuführen und ein strategisches Vorgehen für das Unternehmen zu skizzieren (Vgl. Abbildung 19). Neben dem identifizierten Anwen- dungskontext berücksichtigt die Roadmap die Ebene möglicher Kunden, die sich wie zuvor beschrieben je nach Positionierung auf der Wertschöpfungskette unterscheiden. Anwendungs- kontexte Produkte Technologie eigene Produktion Anwendungskontext 1 Organismus A Vertrieb Kunde 2008 20142011 2017 Akteure der Kunden- gruppe x Akteure der Kundengruppe y Abbildung 19: Roadmap für die Entwicklung und Kommerzialisierung von Organismus A durch das Unternehmen Biotech [Quelle: eigene Darstellung] Produkte bzw. Dienstleistungen sollten die Auftragsproduktion von Enzymen – im We- sentlichen von Enzym I – oder der Vertrieb der Stämme sein. Für die Fertigstellung der Technologie sind mindestens zwei aufeinander folgende Projekte mit einer Laufzeit von jeweils mehreren Jahren notwendig. Insgesamt ist nach Aussage der Fachexperten die zeitliche Einordnung der Realisierung von Anwendungskontext 1 daher maßgeblich durch die Technologieentwicklung determiniert. Nach Abstimmen dieser Roadmap wurden im fünften Schritt Möglichkeiten diskutiert, um ein Auftreten kritischer Abhängigkeiten durch entsprechende alternative Strategien zu vermeiden. Um eine zu starke Fokussierung auf die Anwendung im Anwendungs- kontext 1 zu vermeiden, wurde beispielsweise festgelegt, den Anwendungskontext 3 sowie weitere mögliche Anwendungskontexte kontinuierlich zu beobachten. Als weitere mögliche Gefahr eines Lock-ins ergab sich die enge Zusammenarbeit mit wenigen Forschungspartnern. Da jedoch nur eine an dem Organismus forschende Gruppe in Deutschland ansässig war, konnte das Projektteam keine strategischen Optionen für 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 175 das Vermeiden dieser Abhängigkeit festgelegen. Ein Ergebnis der Diskussion um Ab- hängigkeiten war zudem die konsequente Orientierung an der Erforschung eines brei- teren Spektrums an Enzymen, welches über die Expremierung von Enzym I hinausge- hen sollte. Bei der Diskussion alternativer Strategieoptionen betonten die Projektteil- nehmer insbesondere die Notwendigkeit einer Festlegung von Zielpunkten für die For- schung an Organismus A, da hierin die wesentliche Determinante der Planung gese- hen wurde. Es wurde auch berücksichtigt, dass das Ergebnis des ersten Forschungs- projekts nicht nur die erfolgreiche Expremierung von Enzym I, sondern auch von ande- ren Enzymen sein sollte. Die Diskussion möglicher Schwächen der definierten Strate- gie ergab, dass die Umstellung der Produktion bei potenziellen Kunden schwierig zu realisieren sein könnte, da bestehende Produktionsinfrastrukturen zur synthetischen Enzymherstellung für ein biotechnologisches Herstellungsverfahren nur eingeschränkt eingesetzt werden könnten. Vor dem Hintergrund der Zusammenarbeit mit nur einer Person aus dem Unternehmen Biotech wurde weiterhin die Validität der getroffenen Einschätzungen über die möglichen Produktionsstrukturen als Schwäche des Strate- gieprozesses erkannt. Anwendungs- kontexte 2008 Anwendungs- kontext 1 20142011 2017 Kompetenzen Aktivitäten • Kompetenz A • Kompetenz B Produkte eigene Produktion Vertrieb • Kompetenz C Forschungsprojekt mit verschiedenen Partnern Abbildung 20: Roadmap Biotech mit aufzubauenden Kompetenzen und Folgeaktivitäten [Quelle: eigene Darstellung] Zum Abschluss des Projekts wurden konkrete Aktivitäten für das Unternehmen defi- niert. Dabei legte das Projektteam unter anderem Kompetenzziele fest, die Biotech bis zum Zeitpunkt einer Kommerzialisierung der Technologie aufbauen sollte (vgl. Abbil- dung 20). In Bezug auf die Kompetenzen erfolgte eine Differenzierung zwischen der Auftragsproduktion von Enzymen und dem Vertrieb des Stamms. Die direkt zu verfol- genden Aktivitäten für das Aufbauen dieser Kompetenzen waren für beide Produkte identisch. 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 176 5.2.3 Zwischenfazit Dieser Abschnitt analysiert die Anwendung des Ansatzes für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade bei der Biotech. Er greift zunächst die inhaltlichen Leitlinien der Strategiebildung auf. Anschließend thematisiert er Implikationen für die Analyse der Einflussfaktoren sowie die Ablauf- und Aufbauorganisation des Ansatzes. Durch die Anwendung des ganzheitlichen Ansatzes der Vorausschau und Planung konnte bei der Firma Biotech eine Strategie für einen neuen Technologiepfad entwi- ckelt werden. Dabei konnten unterschiedliche inhaltliche Leitlinien konkretisiert werden. Das Aufzeigen alternativer Technologiepfade zu unterschiedlichen Positionen auf der Wertschöpfungskette ermöglicht strategische Flexibilität auf der einen und Handlungs- leitung auf der anderen Seite. Die Kommerzialisierungsstrategie konkretisiert sich in kurzfristigen Schritten und Maßnahmen, wobei der Grad der Konkretisierung mit Sicht auf die späteren Phasen der Strategie fällt. Dies führt einerseits zu einer Offenheit der strategischen Entwicklung, erschwert aber andererseits das Erkennen eines durchgän- gigen Weges zu dem Anwendungskontext 1. Kritisch ist anzumerken, dass sich die so definierte Offenheit nur auf Anwendungskontexte beschränkt, die das Unternehmen heute bereits wahrnimmt. Infolgedessen ist eine kontinuierliche Beobachtung nicht nur der bereits gesehenen Anwendungsbereich, sondern auch der sich zusätzlich erge- benden Möglichkeiten anzustreben. Die Diskussionen mit den Beteiligten in Interviews und Workshops unterstützte das Aufbauen eines gemeinsamen Verständnisses der technologischen Potenziale. Fraglich ist jedoch der Zusatznutzen des Ansatzes, da die Biotech durch eine sehr geringe Mitarbeiterzahl und direkte Kommunikationswege ge- kennzeichnet ist, so dass in dem untersuchten Fall bereits eine gemeinsame Position vorhanden war. Der Nutzen für das Unternehmen lag daher eher im Zusammentragen von Informationen aus unterschiedlichen Stellen sowie im grundsätzlichen Aufgreifen und Vorantreiben strategischer Technologien. Besonders in kleinen Firmen – wie bei der Biotech– reduziert dies die Gefahr, dass strategische Fragestellungen durch das „Tagesgeschäft" verdrängt werden. Die Analyse in Datenbanken ermöglichte die Identi- fizikation schwacher Signale, wie in diesem Fall das Aufkommen eines neuen Anwen- dungskontexts (Anwendungskontext 3). Problematisch war jedoch die Hinterfragung der erzielten Vorgehensweisen und Ergebnisse. Die Bereitschaft, erarbeitete Strate- gien kritisch zu reflektieren und ggf. anzupassen, war wenig ausgeprägt. Vor allem das Potenzial einer kritischen Debatte mit externen Teilnehmern hätte noch intensiver ge- nutzt werden können. Durch Interviews und Datenbankanalysen ließen sich die Einflussfaktoren aus dem Umfeld und dem entstehenden Innovationssystem umfassend aufnehmen. Aufgrund 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 177 der geringen Größe des Unternehmens und der dadurch vorhandenen Übersicht über die internen Gegebenheiten durch den Prozess-Owner war die Unternehmensanalyse von untergeordneter Bedeutung. Umso wichtiger war jedoch die Analyse benötigter Kompetenzen und entsprechender Partner. Die begrenzte Einsicht in die Prozesse möglicher Kunden erschwerte den Entwurf zukünftiger Anwendungskontexte sowie deren detaillierte Beschreibung. Die Experten konnten trotzdem zahlreiche Barrieren und Hindernisse der Technologieentwicklung außerhalb des Unternehmens bestim- men. In diesem Zusammenhang konzentrierte sich die Wahrnehmung von Barrieren auf den Bereich des Wissens und das Schließen von Wissenslücken. Technologischen Infrastrukturen wird hingegen eine geringere Bedeutung zugeschrieben. Dies birgt die Gefahr, dass mögliche Hindernisse in Produktionsprozessen keine ausreichende Be- rücksichtigung finden. Ein wesentliches Potenzial für eine Verbesserung der Ergebnis- se läge in einer direkten Anbindung potenzieller Netzwerkpartner in die Vorausschau und Planung. Aufgrund der geringen Unternehmensgröße sah Biotech lediglich die Wissensfaktoren als prinzipiell durch das Unternehmen beeinflussbar an. Andere Fak- toren sowohl innerhalb des entstehenden Innovationssystems als auch im Umfeld konnten nach Aussage der Experten nicht beeinflusst werden. Die systematische Eva- luation von Einflussmöglichkeiten hätte noch konsequenter und differenzierter erfolgen können. Schließlich fiel den Teilnehmern das Definieren möglicher Abhängigkeiten in der Technologieentwicklung schwer. In Bezug auf die Organisation des Ansatzes sind drei zentrale Aussagen möglich. Ers- tens war die Zusammenarbeit mit dem Prozess-Owner aus der Geschäftsleitung be- sonders konstruktiv. Durch diese enge Interaktion konnten notwendige Entscheidungen schneller getroffen und relevantes Industrie- und Branchenwissen umfassend integriert werden. Zweitens hätte durch das Zurückgreifen auf Externe, wie beispielsweise For- schungspartner, in den mittleren Phasen des Prozesses eine stärkere Reflexion der Ergebnisse erfolgen können. Drittens liefen die Prozesse sehr iterativ ab. Insbesondere innerhalb der ersten drei Phasen fand ein starkes „Springen" innerhalb und zwischen den Phasen statt. Mit dem Aufnehmen neuer Informationen erfolgte eine Veränderung der Ergebnisse der vorangegangenen Schritte. Bezüglich des Methodeneinsatzes er- wies sich die Nutzung von Datenbankanalysen als besonders konstruktiv. Allerdings bietet die Anwendung spezialisierter Software bei relativ kleinen Datensätzen mit nur wenigen Veröffentlichungen durch die benötigte Einarbeitungszeit nur einen geringen Zusatznutzen. Die Auswertung kleiner Datensätze ist schneller durch das Lesen der Zusammenfassungen möglich. Weiterhin ist fraglich, ob zeitaufwendige Literaturanaly- sen durch das Unternehmen auch ohne externe Beteiligung durchgeführt werden. Po- pulärwissenschaftliche Datenbanken brachten keine relevanten Ergebnisse, da über 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 178 die neue Technologie außerhalb der technologischen Nischen nicht diskutiert wurde. Problematisch ist des Weiteren, dass der Durchführung des Projekts keine systemati- sche Portfoliobetrachtung vorausging. Ferner hätten die finanziellen Dimensionen einer Entscheidung für das Vorantreiben des Technologiepfades noch kritischer evaluiert werden können. 5.3 Fallstudie: Mobil Im Folgenden wird eine mit der Mobil603 durchgeführte Fallstudie zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade dargestellt. Zu Beginn des Abschnitts erfolgt eine kurze Beschreibung des Unternehmens und der analysierten Technologie. Im weiteren Verlauf werden die entsprechenden Untersuchungsergebnisse präsentiert. Das ab- schließende Zwischenfazit reflektiert diese Ergebnisse vor dem Hintergrund des ganz- heitlichen Ansatzes der Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade. 5.3.1 Unternehmens- und Technologiebeschreibung Die Mobil sieht sich als Partner der internationalen Mobilitätsindustrie. Im Vordergrund steht das Angebot eines vernetzen Engineerings, das sich in einer integrierten Betrach- tung von Produkten und Produktionsprozessen bereits in der Entwicklungsphase nie- derschlägt. Der Schwerpunkt der Geschäftstätigkeit liegt auf dem Erbringen industriel- ler Dienstleistungen, während eigene Produkte einen geringeren Stellenwert einneh- men. Die Mobil gliedert sich in mehrere Geschäftsbereiche. Diese erstellen beispiels- weise Fahrzeugkonzepte, führen die Integration von Systemen in Fahrzeugen durch und konzipieren Produktionsanlagen. Das Unternehmen ist auf allen Kontinenten, vor- wiegend an den Konzentrationspunkten der Automobilindustrie, vertreten. Die Mobil beschäftigt mehrere tausend Mitarbeiter, mit denen ein Umsatz im dreistelligen Millio- nenbereich erwirtschaftet wird.604 Die eigene Forschung und Entwicklung des Unter- nehmens konzentriert sich unter anderem auf die Bereiche neu Fahrzeugkonzepte, Elektronikentwicklung, Gewichtsreduzierung unde Prozessentwicklung. Diese Aktivitä- ten sind vornehmlich in einem der Geschäftsbereiche verortet. Im Rahmen des Projekts wurden alternative Technologien im weiteren Kontext der Mobilität untersucht. Im Fokus standen fünf konkurrierende Technologien, die im Fol- genden als Technologien A bis E bezeichnet werden.605 Vor der Durchführung des Pro- 603 Firmenname geändert. 604 Stand 2007, vgl. Mobil 2007. 605 Strategierelevante und technologische Informationen wurden in der Fallstudie anonymisiert. 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 179 jekts hatten bereits unterschiedliche Funktionsbereiche innerhalb des Unternehmens erste Aktivitäten in Bezug auf diese Technologien vorgenommen. Dabei verfolgte die Mobil im Rahmen des Projekts zwei Zielsetzungen. Zum einen ging es darum, zu defi- nieren, in welche der oben genannten Technologien das Unternehmen investieren soll- te, zum anderen sollte im Rahmen dieses Projektes herausgearbeitet werden, wie und bei welchen Produkten das Unternehmen diese Technologien einsetzen sollte. 5.3.2 Untersuchungsergebnisse Die Darstellung der Untersuchungsergebnisse in diesem Kapitel folgt dem chronologi- schen Verlauf des Projekts im Zeitraum Februar 2007 bis Juni 2007. An allen Treffen sowie Telefongesprächen wirkte der Verantwortliche des Unternehmens für den Be- reich Innovationsmanagement mit. Mit diesem wurde während des ersten Treffens das Vorgehen im Rahmen des Projekts abgestimmt und die Zielsetzung bezogen auf die Unternehmensstrategie diskutiert. Das Ergebnis des Treffens bestand in der Identifika- tion von Vorarbeiten des Unternehmens bei den betrachteten Technologien. Zum Pro- jektzeitpunkt beschäftigt sich ein Bereich mit dem Einsatz dieser Technologien in be- stehenden Produkten des Unternehmens (Bereich „bestehende Produkte"), ein ande- rer Unternehmensbereich mit neuen Produkten auf Basis der Technologien (Bereich „neue Produkte"). Mit Verantwortlichen aus beiden Bereichen sollten Interviews durch- geführt werden, um den Kenntnisstand der Mobil zu definieren, die unterschiedlichen Technologien zu vergleichen und mögliche zukünftige Aktivitäten des Unternehmens herauszuarbeiten. Die Gespräche mit den jeweiligen Fachexperten fanden auf der Grundlage der Interviewleitfragen aus Anhang C statt. Die Vorarbeiten im Bereich „neue Produkte" konzentrierten sich vor allem auf Techno- logie A. Das Unternehmen beteiligte sich unter anderem an der Entwicklung der ersten marktfähigen Produkte, in die die Technologie A einfloss und setzte diese Technologie weiterhin in neuen Produkten ein. Dabei machte es jedoch die Erfahrung, dass sich diese Technologie nur in Nischenmärkten etabliert, obwohl sie eine konkurrenzfähige technologische Lösung darstellt. Der Fachexperte sieht die Ursachen hierfür vor allem in der fehlenden breiten Akzeptanz bei Nutzern, Kunden und Herstellern. Dies geht mit Problemen der Verfügbarkeit bestimmter Komplementäre einher. Der Gesprächspart- ner sah für die Mobil daher vor allem die bisher wenig erschlossenen Felder der Tech- nologie B und der Technologie C als relevant an. Anschließend diskutierten die Teilnehmer Möglichkeiten, um frühe Nischenanwendun- gen für diese neuen Technologien zu identifizieren, die den folgenden Kriterien genü- gen sollten. Potenziellen Kunden sollte eine rentable Nutzung der neuen Technologien 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 180 mit möglichst geringem Aufwand möglich sein. Die Kunden selbst sollten keinen inten- siven Betreuungsbedarf aufweisen und nur begrenzte Stückzahlen nachfragen. Ferner sollten die Anwendungen einige zentrale technische Bedingungen erfüllen. Die Re- cherche nach diesen Randbedingungen in den Datenbanken ISI Web of Knowledge und EI Compendix sollte Hinweise auf mögliche Anwendungskontexte geben.606 Die Ergebnisse wurden gemeinsam mit dem Bereich Innovationsmanagement und dem Bereich neuer Produkte diskutiert. Die in der Datenbankrecherche identifizierten An- wendungskontexte 1, 2, und 3 waren grundsätzlich für einen Einsatz der Technologien geeignet, allerdings erfüllten sie einige der definierten Kriterien nur in Ansätzen. Zudem war Anwendungskontext 1 durch verschiedene Technologien bereits weitestgehend erschlossen. Die Recherche führte ebenfalls zu der Einsicht, dass die Technologie B für die Mobil insgesamt wenig attraktiv war. Im Anschluss an diese Diskussion definier- te das Projektteam Strategien für das weitere Vorgehen bei der Ist-Analyse und neue Ansatzmöglichkeiten für die Suche nach Anwendungen. Diese Suchstrategien sollten in einem ersten Schritt von Seiten der Technologie kommend ansetzen und das Inno- vationspotenzial der unterschiedlichen technischen Optionen ermitteln. In einem zwei- ten Schritt sollten öffentlich verfügbare Roadmaps und Strategiepapiere ausgewertet werden, um weitere Anwendungsmöglichkeiten zu identifizieren. Zusätzlich sollten An- wendungen ermittelt werden, die vor dem Hintergrund einer politischen Opportunität und einer öffentlichen Förderung denkbar wären. Um das Innovationspotenzial der unterschiedlichen alternativen Technologien zu bestimmen, zeichnete das Projektteam die historische Entwicklung der Technologien C, D und E anhand von Datenbankanalysen nach und verglich diese miteinander. Ein Vergleich der absoluten Publikationsaktivitäten zu den Technologien konnte aus ver- schiedenen Gründen nicht erfolgen.607 Allerdings war ein starker Anstieg der Publikati- onshäufigkeit im Bereich der Technologie C seit den neunziger Jahren zu beobachten. Zusätzlich wurde die Entwicklung der Patentaktivität durch Analysen über Google Pa- tents ermittelt. Die Technologie D zeigte einen deutlichen zeitlichen Vorlauf der Paten- tierung vor der Technologie C. Dies bestätigte die bestehenden Erwartungen, da ins- besondere Technologie D von anderen Firmen bereits in Produkten eingesetzt wird. Da das Patentniveau von Technologie C in den einzelnen Jahren sowie kumuliert deutlich unter dem der Technologien D und E lag, unterstellten die Teilnehmer ein insgesamt 606 Dabei wurden durch die Fachexperten definierte Schlagwortkombinationen verwendet, um wis- senschaftliche Publikationen zu finden, die sich mit einigen dieser Randbedingungen beschäftig- ten. 607 Wesentlicher Hinderungsgrund war, dass durch die Recherchen zahlreiche Paper aus angren- zenden Technologiefeldern (vor allem bei den Technologien A, D, E) gefunden wurden. Die Re- präsentativität der Ergebnisse für einzelne Technologien war daher nur eingeschränkt gegeben. 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 181 höheres Innovationspotenzial. Weitere Recherchen in der Datenbank Lexis Nexis hat- ten das Ziel, die gesamtgesellschaftliche Aufmerksamkeit für eine der konkurrierenden Technologien zu ermitteln. Dabei zeigte sich, dass populärwissenschaftliche Artikel vor allem die Technologie C und – mit geringfügig schwächerer Intensität – die Technolo- gie D diskutieren. Die Publikationshäufigkeit der Technologie C stieg jedoch früher an und lag auch zum Ende des Betrachtungszeitraums auf einem signifikant höheren Ni- veau. Insgesamt konnte die Technologie C als besonders innovativer Bereich identifi- ziert werden, der durch die hohe gesellschaftliche Aufmerksamkeit auch politisch am attraktivsten erschien. Das Projektteam entschied sich auf Basis dieser Recherchen für einen Projektfokus auf die Technologie C. Das Auswerten öffentlich verfügbarer Roadmaps zu den direkt untersuchten sowie zu verwandten Technologien erbrachte Hinweise auf zukünftige Anwendungskontexte. Verschiedene Roadmaps diskutierten Produkte, in die die Technologie C einfließen könnte. Es mangelte jedoch an einer gemeinsamen Vorstellung der zukünftigen Tech- nologienutzung. Die untersuchten Roadmaps deuteten darauf hin, dass Technologie C in einem Zeitraum von mehr als fünf Jahren in ersten marktfähigen Produkten genutzt würde. Da das Projektteam zuvor auf einen Ausschluss der anderen technologischen Optionen verständigt hatte, wurden für diese Technologien keine öffentlichen Strate- giepapiere analysiert. Im Anschluss an die Auswertung der Roadmaps erfolgte ein Interview mit einem Fach- experten aus dem Unternehmensbereich, der den Einsatz der Technologien in beste- henden Produkten untersuchte. Das Ziel dieses Interviews bestand drin, Vorarbeiten in dem Bereich aufzunehmen und die in den Roadmaps identifizierten Anwendungskon- texte vor dem Hintergrund eines Mobil-Engagements zu reflektieren sowie gegebenen- falls zu ergänzen. Vor Projektbeginn hatte der Geschäftsbereich die konkurrierenden Technologien evaluiert und das Technologiefeld E aus unterschiedlichen Gründen, wie beispielsweise einer schwierigen Wettbewerbssituation und einem weitgehend er- schlossenen Innovationspotenzial, für seine weiteren Aktivitäten ausgeklammert. Im Rahmen der Vorarbeiten identifizierte der Bereich die Technologie C als besonders interessant für weitere Aktivitäten. Zudem sah der Interviewpartner aus dem Bereich bestehende Produkte die Technologie F als zentrale komplementäre Technologie der Technologie C an. Der Geschäftsbereich befand sich aus diesem Grund in der Vorbe- reitung einer Kooperation mit externen Partnern, um Erfahrungen über Technologie F zu sammeln. Aus den bereits identifizierten Anwendungsbereichen stellten die Inter- viewteilnehmer aufgrund der politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen insbe- sondere den Anwendungskontext 4 als vielversprechend heraus. Ideen für die Anwen- 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 182 dungskontexte 5 bis 8 wurden wegen des geringen Bezugs zum Kerngeschäft des Un- ternehmens hingegen zurückgestellt. Innerhalb des Anwendungskontexts 4 konnten die Fachexperten besonders interessante Kunden- und Nutzergruppen benennen, die sich durch eine hohe Affinität zu den betrachteten Technologien sowie durch spezielle Nutzungs- und Leistungserfordernisse auszeichneten. Von den vier Kundengruppen a bis d schätzten die Experten die Gruppen c und d am relevantesten ein.608 Zum Ab- schluss des Treffens diskutierten die Teilnehmer unterschiedliche Möglichkeiten, Mobil- Produkte auf dem Gebiet der Technologie C zu entwickeln. Der teilnehmende Fachex- perte aus dem Bereich der bestehenden Produkte begrenzte die Möglichkeiten der Nutzung dabei auf eine Mindestanzahl von über 20 Stück bei Produktkategorie x sowie über 1.000 Stück bei Kategorie y. Für die Produktkategorie z konnte keine Einschät- zung erfolgen. Anwendungs- kontexte Produkte Technologie Technologie C Produkt- konzept y4 Produkt- konzept y11Produkt- konzept y9 Anwendungs- kontext 9 Anwendungskontext 4 Anwendungskontext 11 Anwendungs- kontext 10 Produkt- kategorie z erwartete Position auf der Wertschöpfungskette 2010 20122011 Abbildung 21: Roadmap für die Entwicklung und Kommerzialisierung der Technologie C durch das Unternehmen Mobil [Quelle: eigene Darstellung] Nach Interviews mit Verantwortlichen und Fachexperten aus den unterschiedlichen Funktionsbereichen fand ein Workshop statt, um die verfügbaren Informationen zu in- tegrieren und eine gemeinsame Unternehmensstrategie für die Technologie C zu ent- wickeln. An diesem Workshop nahmen das Innovationsmanagement mit zwei Perso- nen, der Bereich neue Produkte mit einer Person und der Bereich bestehende Produk- te ebenfalls mit einer Person teil. Zu Beginn des Workshops betonten alle Beteiligten die Bedeutung der Technologie C für die Mobil. Nach intensiver Diskussion über po- tenzielle Anwendungsmöglichkeiten wurden die Anwendungskontexte 4, 9, 10 und 11 als Zielfelder des Unternehmens definiert (vgl. Abbildung 21). Dabei schätzten die Teil- 608 Die Kundengruppen a und b kamen aufgrund spezifischer Leistungserfordernisse nicht als frühe Anwender der Technologie C in Betracht. 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 183 nehmer den Anwendungskontext 4 aufgrund zahlreicher Anfragen von Kunden und von Technologienutzern sowie der sich in Zukunft verschärfenden Anforderungen der Technologienutzung als prioritär ein. Durch die Vielzahl möglicher zukünftiger Produkte und Dienstleistungen in den unterschiedlichen Kategorien x bis z, mit denen die An- wendungskontexte adressiert werden könnten, entschloss sich das Projektteam, zu- künftige Kunden von Mobil in den jeweiligen Kontexten zu definieren. Um eine mög- lichst präzise Abgrenzung dieser Kunden vornehmen zu können, arbeitete das Projekt- team die angestrebte Position auf der erwarteten Wertschöpfungskette heraus. Im Er- gebnis dieser Diskussion wurde die Produktkategorie x als wenig attraktiv verworfen (vgl. Tabelle 21). Akteure Institutionen Wissen Artefakte • Serviceanbieter • Vertriebsstellen • Anbieter komple- mentärer Leistun- gen • Hersteller von kom- plementären Tech- nologien • Komponentenher- steller • gesetzliche Anfor- derungen existieren • Veränderung der Verhaltensgewohn- heiten des Kunden bei schlechter Infra- struktur • Zertifikate für Pro- duktkategorie z be- nötigt • Betriebsfestigkeit beim Kunden unbe- kannt • Kompetenzen in zentralen Bereichen sind aufzubauen • Schwierigkeiten der Technologiean- wendung sind zu überwinden • Leistungsfähigkeit steigern • kostengünstige Prozesse für kom- plementäre Güter entwickeln • Know-how über angrenzende Tech- nologien aufbauen • spezielle Einrich- tungen beim End- kunden • besondere Einrich- tungen im Ferti- gungsbereich und Schulung des Per- sonals • Infrastruktur Tabelle 10: Zu überwindende Lücken für die Anwendungskontexte bei der Mobil [Quelle: eigene Darstellung] Auf Basis der so entwickelten Roadmap beschrieb das Projektteam in einem weiteren Schritt Lücken zwischen den identifizierten Anwendungskontexten und dem Ist-Status des Unternehmens. Ausgangspunkt war die Vorstellung, wie ein etabliertes Innovati- onssystem, das auf Technologie C basiert, strukturiert sein könnte. Bei der in Tabelle 10 dargestellten Auflistung wurde zwischen den einzelnen Anwendungsbereichen nicht unterschieden, da die bestimmten Lücken in jedem Fall vor einer erfolgreichen Anwen- dung der Technologie C zu überwinden waren. 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 184 Im Anschluss an den Workshop definierte das Projektteam Folgeaktivitäten für das weitere Vorgehen auf dem Gebiet der Technologie C. Dabei erfolgte auch eine Anpas- sung der im Workshop diskutierten Zeitskala. Aufgrund der verschiedenen Anfragen von Kunden aus dem Bereich von Anwendungskontext 9, der spezifischen Anforde- rungen der Nutzer, der leichter zu überwindenden Lücken der Technologieentwicklung und der erfolgreichen Demonstration ähnlicher Lösungen durch andere Unternehmen wurde dieser Bereich als Startpunkt für die Aktivitäten von Mobil gewählt. Durch eine Konzentration auf das Produktkonzept y9 sollte zudem ein Konflikt im Wettbewerb so- wie eine Kannibalisierung mit anderen Produkten vermieden werden. Die benötigten Komplementärprodukte für das Produktkonzept y9 sind weitestgehend am Markt ver- fügbar. Zudem könnte durch die Mobil ein spezifischer Support des Produktkonzepts angeboten werden. Konkret sollten öffentlich geförderte Projekte in Zusammenarbeit mit potenziellen Kunden und Nutzern begonnen werden, um Erfahrungen über die Technologie zu sammeln und die Anwendungsfähigkeit zu demonstrieren. Anschlie- ßend will das Unternehmen mit dem Produktkonzept y4 den Anwendungskontext 4 adressieren. Anwendungs- kontexte Produkte Kompetenzen 2010 Produkt- konzept y4 2012 Anwendungskontext 9 Projektzusammenarbeit mit Nutzern Aktivitäten Projektzusammenarbeit mit potenziellen Kunden • Kompetenz A • Kompetenz B • Kompetenz C Produkt- SupportProdukt- kategorie z Anwendungs- kontext 4 2011 Abbildung 22: Roadmap Mobil mit aufzubauenden Kompetenzen und Folgeaktivitäten [Quelle: eigene Darstellung] Als zukünftige Zielgrößen der weiteren Aktivitäten definierte das Projektteam zu ver- kaufende Stückzahlen für bestimmte Zeiträume und Produktkategorien. Des Weiteren wurden Kompetenzziele bestimmt (vgl. Abbildung 22). Zum Abschluss erfolgte eine Reflexion der Stärken und Schwächen dieser Strategie. Als besondere Schwächen wurden die bisher nur geringen Erfahrungen mit den defi- 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 185 nierten Produktkonzepten sowie der notwendige Aufbau eines Akteur-Netzwerks er- kannt. Die Möglichkeiten, weitere Lücken der Technologieentwicklung zu überwinden, schätzten die Teilnehmer positiv ein. Allerdings könnte eine negative Reaktion durch den bestehenden Kundenstamm des Unternehmens erfolgen. Die Risiken der Qualität und der Gewährleistung wurden ebenfalls als Schwachpunkte der Strategie gesehen. Die Verfolgung weiterer Produktkonzepte, insbesondere des Konzepts z10, sollte auch aus diesem Grund erst nach dem Realisieren der Konzepte y9 und y4 erfolgen. 5.3.3 Zwischenfazit In diesem Abschnitt erfolgt die Reflexion der Anwendung des Ansatzes bei der Mobil. Dabei orientiert sich die Diskussion an den inhaltlichen Leitlinien der Strategiebildung, an der Analyse der Einflussfaktoren, an der Ablauforganisation sowie an der Team- struktur. Abschließend werden Implikationen für den ganzheitlichen Ansatz der Vor- ausschau und Planung neuer Technologiepfade abgeleitet. Verschiedene inhaltliche Leitlinien der Vorausschau und Planung neuer Technologie- pfade wurden in der Fallstudie konkretisiert. In der Zusammenarbeit mit der Mobil konnten in einem sehr zeitaufwendigen und intensiven Diskussionsprozess langfristige Visionen von Tätigkeitsbereichen des Unternehmens entwickelt werden. Dabei bildeten öffentlich verfügbare Visionen über die Technologie den Ausgangspunkt für die im Pro- jektteam erarbeiteten Zukunftsbilder. Diese boten allgemein eine gute Möglichkeit, um Entwicklungen, mit denen das Unternehmen in Zukunft konfrontiert sein könnte, schnell zu antizipieren. Bezüglich der erarbeiteten Strategien ist ein Defizit zwischen kurzfristi- gen, sehr konkreten Maßnahmen und langfristig offenen Wegen festzustellen. Um die- ses Defizit zu beseitigen, wurden anhand entsprechender Stückzahlen mittelfristige Zielsetzungen für einzelne Kombinationen von Technologie und Anwendungen defi- niert. Dies wurde von den Teilnehmern als sehr wichtig erachtet, um die Koordination der Aktivitäten zu gewährleisten. Die Festlegung von Verkaufszahlen, um die Kommu- nikation der Strategie an das Top-Management zu ermöglichen, ist im Hinblick auf die langen Fristen der Technologieentwicklung und auf das einzukalkulierende Scheitern in bestimmten Anwendungsfeldern jedoch kritisch zu sehen. Ein weiteres, zu erschlie- ßendes Potenzial der Anwendung des Ansatzes könnte daher in der konsequenteren Formulierung von qualitativen „Zwischenzielpunkten" liegen, die der zu erreichenden Vision zeitlich vorgelagert sind. Die Notwendigkeit zur strategischen Flexibilität wurde von den Teilnehmern nicht artikuliert. Ein Grund könnte in der zeitaufwändigen Kon- sensfindung gesehen werden, die einer erneuten „Aufweichung" des Konsenses ent- gegen steht. Zusammenfassend lagen zum Projektabschluss langfristige Strategien 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 186 vor. Der Fokus lag tendenziell auf der Konkretisierung der Strategie und nicht auf der Flexibilität. Der Austausch über mögliche Anwendungskontexte der Technologie sowie über Wege zu diesen Anwendungen ermöglichte es den Teilnehmern aus unterschied- lichen Unternehmensbereichen, zu einer gemeinsamen Sprache und einem gemein- samen Situationsverständnis zu gelangen. Die Teilnehmer bewerteten die Interaktion über Funktionsbereiche hinweg unter einer konkreten Themenstellung sehr positiv. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit entstanden viele neue Ideen über Potenziale unter- schiedlicher Technologien in verschiedenen Anwendungen. Neben der Freisetzung von Kreativität baute das Unternehmen umfangreiches Wissen über das neue Techno- logiefeld im Allgemeinen und die Problembereiche der Kommerzialisierung im Speziel- len auf. Dabei stand die Identifizikation schwacher Signale nicht im Vordergrund der Betrachtung. Im Zusammenhang mit der Evaluation von Technologiepotenzialen er- folgte lediglich eine Analyse der historischen Entwicklung der Technologie. Das Projekt fungierte auch als Auslöser für ein Überdenken und Konkretisieren der bisherigen In- novationsstrategie des Unternehmens, da im Projektverlauf Veränderungsbedarf bei der langfristigen strategischen Ausrichtung des Innovationsverhaltens festzustellen war. Problematisch war jedoch das Finden möglicher Abhängigkeiten und die Ableitung der Konsequenzen von Lock-ins für das Unternehmen. Eine kritische Reflexion der Ergebnisse und Prozesse fand nur eingeschränkt statt. Als ursächlich hierfür können ebenfalls die intensiven und zeitaufwendigen Prozesse der Strategieerstellung ange- nommen werden. In der Zusammenarbeit mit den Fachexperten sowie dem Innovationsmanagement der Mobil wurden vielfältige Einflussfaktoren auf mehreren Betrachtungsebenen aufge- nommen. Auf der Ebene des technologiebasierten Innovationssystems wurde die Auf- nahme entsprechender Einflussfaktoren durch die Definition einer möglichen Position des Unternehmens auf einer potenziellen Wertschöpfungskette erleichtert. Das Resul- tat bestand in einer wesentlich besseren Strukturierung und einer signifikanten Reduk- tion der Komplexität des Umfelds. Zudem wurde eine Priorisierung der Lücken und Barrieren innerhalb des antizipierten Innovationssystems ermöglicht. Für Einflussfakto- ren im Umfeld konnten ebenso wie für die Visionen zahlreiche vorhandene Strategie- papiere und Roadmaps genutzt werden. Bei der Mobil ließ sich ein großer Spielraum bei der prinzipiellen Beeinflussung einzelner Faktoren feststellen. Dabei hielten die Teilnehmer eine Einflussnahme auf den Bereich der Institutionen, des Wissens sowie der Artefakte für vorstellbar. Einen Erklärungsansatz hierfür bietet die Unternehmens- größe und das frühe Entwicklungsstadium der Technologie, die einen erheblichen Handlungsspielraum nahelegen. Auf der Ebene des Unternehmens bestand ein we- 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 187 sentlicher Einflussfaktor in der Innovationsstrategie, die nur wenige Aussagen über mögliche Zielrichtungen für den neuen Technologiepfad zuließ. Bezüglich der Ablauf- und Aufbauorganisation sowie des Methodeneinsatzes sind aus der Fallstudie mehrere Schlüsse zu ziehen. Das Führen von Einzelinterviews unter Mitwirkung des Prozess-Owners aus dem Unternehmen erleichterte das Aufnehmen und Hinterfragen strategierelevanter Informationen. Dadurch konnten insbesondere fachspezifische Aussagen der Experten besser bewertet werden. Außerdem konnten die Positionen einzelner Unternehmensbereiche einander gegenübergestellt werden. Die Interviews behandelten die unterschiedlichen Prozessschritte sehr iterativ. In der Regel erfolgte ein zeitintensives Wechseln der verschiedenen Phasen der Ablauforga- nisation. Als problematisch ist weiterhin anzusehen, dass sich bei den einzelnen Teil- nehmern bereits vor dem ersten gemeinsamen Workshop eigene Vorstellungen mani- festiert hatten, die es in zeitaufwendigen Diskussionen miteinander zu verbinden galt. Vor allem in Bezug auf mögliche Anwendungskontexte lagen die Positionen anfänglich, d.h. nach den Einzelinterviews, weit auseinander. Überraschend war, dass einzelne Teilnehmer auch in späteren Workshops noch neue Strategieoptionen entwarfen. Ver- schiedenen Teilnehmern bereitete diese erneute Öffnung der Diskussion jedoch Schwierigkeiten, da sie sich nur langsam auf eine erneute Veränderung der Positionen einstellen konnten. Verbesserungspotenziale könnten zum einen in der deutlicheren Abgrenzung der Phasen der Fokussierung von den Phasen der Ideengenerierung – d.h. durch die konsequente Beschränkung der Interviews auf den ersten Schritt des Prozesses und das gemeinsame Identifizieren der Anwendungskontexte im Anschluss daran – und zum anderen in der Vorbereitung der Teilnehmer auf die Integration völlig neuer Ideen in späteren Prozessphasen liegen. Insgesamt investierten die Teilnehmer viel Zeit in die Durchführung des Projekts. Möglicherweise ließe sich dieser Zeitbedarf mit steigender Routine von Seiten des Unternehmens verringern. Für die Akzeptanz der Ergebnisse war in dieser Fallstudie wichtig, dass bestimmte „Regeln" des Unter- nehmens eingehalten wurden, wie beispielsweise die Formulierung von Zielwerten für verkaufte Stückzahlen oder die spezielle Darstellungsform der Ergebnisse. Die frühe Einbindung der Entscheidungsträger in den Prozess der Roadmap-Erstellung könnte diese Veränderung der Ergebnisse überflüssig machen. Mit dem stärkeren Einbinden von Top-Managern in die Prozesse der Strategieerstellung könnte möglicherweise ein besserer Transfer der Ergebnisse erreicht werden. 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 188 5.4 Fallstudie: Nano In diesem Abschnitt wird die gemeinsam der Nano609 durchgeführte Fallstudie zur Vor- ausschau und Planung neuer Technologiepfade vorgestellt. Zuerst erfolgt eine Charak- terisierung des Unternehmens und der Technologie. Die Diskussion der Untersu- chungsergebnisse folgt den Phasen der Ablauforganisation. Der letzte Teil dieses Ab- schnitts enthält ein Zwischenfazit der Anwendung des Ansatzes bei der Firma Nano. 5.4.1 Unternehmens- und Technologiebeschreibung Die Nano aus Hessen ist im Bereich von Beschichtungstechnologien tätig. Die Ge- schäftsfelder decken Beschichtungsmaterialien, Beschichtungssysteme und die Ent- wicklung von Beschichtungsprozessen ab. Auf dem Gebiet der Materialien stellt Nano Standardmaterialien sowie kundenspezifische Spezialzusammensetzungen her. Im Bereich Beschichtungssysteme werden Anlagen, beispielsweise für das Herstellen von Dünnschichten oder das Prüfen von Schichten, gefertigt. Die Kernkompetenz des Un- ternehmens liegt im Bereich von CVD610- und PVD611-Prozessen. Das Unternehmen verfügt über eine eigene Forschungs- und Entwicklungsabteilung, die sich mit neuen Beschichtungsmaterialien und neuen Prozessen beschäftigt. Außerdem sind Ressour- cen im Bereich des Anlagenbaus vorhanden. Die Kunden von Nano sind weltweit ver- teilt. Auch Schlüsselkunden befinden sich außerhalb von Europa. Zum Projektzeitpunkt arbeiteten ca. 20 Mitarbeiter im Untenehmen. Die untersuchte Technologie A612 ist in einem Geschäftsbereich des Unternehmens etabliert. Sie ist dem Feld der Nanotechnologie zuzurechnen. Mit der Technologie las- sen sich verschiedene Effekte auf einer Oberfläche erzeugen. Nano kann sowohl die Ausgangsmaterialien wie auch die Anlagen für die Realisierung der Technologie pro- duzieren. Das Ziel des Unternehmens bestand darin, die Technologie in neue Anwen- dungsbereiche zu transferieren und in Abhängigkeit neuer Anforderungen anzupassen. 5.4.2 Untersuchungsergebnisse Die Darstellung der Untersuchungsergebnisse in diesem Kapitel folgt der tatsächlichen Durchführung des Projekts. Die Interviews und Workshops fanden im Zeitraum von Februar bis August 2007 statt. Der zentrale Ansprechpartner aus dem Unternehmen war der Vertriebsabteilung zugeordnet. Dem Projektteam gehörten außerdem Perso- 609 Firmenname geändert. 610 "Chemical Vapor Deposition" (Chemische Gasphasenabscheidung). 611 "Physical Vapor Deposition" (Physikalische Gasphasenabscheidung). 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 189 nen aus der Geschäftsleitung sowie der Forschung und Entwicklung an. Das erste Treffen war darauf gerichtet, den Kenntnisstand des Unternehmens auf dem Gebiet der Technologie zu ermitteln und die Technologie zu charakterisieren. Die benötigten Kompetenzen für die Anwendung der Technologie sind auf Seiten des Unternehmens vorhanden. Da die Technologie in einem Anwendungsbereich bereits etabliert ist, ver- fügt Nano sowohl über Produkt- als auch über Prozess-Know-how. Im Rahmen der Technologiecharakterisierung behandelte das Gespräch sowohl die technologischen Eigenschaften als auch die Vor- und Nachteile der Technologie. Der Vorteil des Ver- fahrens liegt unter anderem in der mechanischen Festigkeit. Das Material weist eine hohe Temperaturstabilität auf und verfügt über eine lange Lebensdauer. Der Herstel- lungsprozess ist allerdings sehr zeit- und kostenintensiv. Im Anschluss an die Charakterisierung der Technologie identifizierte das Projektteam in einem Brainstorming Anwendungsmöglichkeiten der Technologie. Das Team sah den Anwendungskontext 1 als zentral für den weiteren Projektverlauf an. Weitere denkbare Einsatzgebiete umfassten die Anwendungskontexte 2 bis 5. Um die Ergeb- nisse des ersten Treffens zu fundieren, erfolgten anschließend Datenbankanalysen auf Basis definierter Schlagwörter. Das Ziel dieser Analysen bestand in einer Verbreiterung des Wissens über mögliche Einsatzgebiete der Technologie. Eine Suche nach techno- logischen Alternativen in der Datenbank ISI Web of Knowledge ergab ca. 1.000 Treffer, die mit der Software RefViz™ visualisiert wurden. Von Interesse war insbesondere ein Ausreißerpaper, das auf eine mögliche Anwendung der Technologie im Anwendungs- kontext 6 hinwies. Die weiteren Auswertungen ergaben jedoch keine Hinweise auf An- wendungsmöglichkeiten. Aus diesem Grund analysierte des Projektteam anschließend Patentketten in der Patentsdatenbank des USPTO via Google Patents und wertete die Ergebnisse gemeinsam mit dem Vertriebsverantwortlichen aus. Diese Recherche er- gab zusätzlich die Anwendungskontexte 7 bis 9. Ein vertiefendes Interview mit dem Forschungsleiter des Unternehmens über weitere Eigenschaften der Technologie so- wie mögliche Einsatzgebiete konnte nicht geführt werden. Daher wertete das Projekt- team im Unternehmen verfügbare interne Dokumente der F&E über die Technologie aus. Neue Erkenntnisse konnten vor allem in Bezug auf alternative Verfahren und Wei- terentwicklungsmöglichkeiten der Technologie A gewonnen werden. Hinweise auf an- dere Anwendungskontexte brachte die Analyse nicht. Auf Basis der technologischen Eigenschaften und der möglichen Einsatzfelder fand ein Workshop mit der Geschäftsführung des Unternehmens statt. Das Ziel des Treffens bestand darin, die aus der Perspektive des Top-Managements interessantesten An- 612 Strategierelevante und technologische Informationen wurden in der Fallstudie anonymisiert. 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 190 wendungsbereiche der Technologie zu definieren. Die Diskussion ergab, dass für die Nano aufgrund der bereits vorhandenen Kontakte der Anwendungskontext 1 und durch die sehr vielfältigen Einsatzmöglichkeiten der Anwendungskontext 7 von höchster Re- levanz waren. Der Ansprechpartner aus der Unternehmensleitung betonte, die übrigen Anwendungskontexte zurückzustellen und den weiteren Projektverlauf auf diese bei- den Gebiete auszurichten. Im Anschluss an die Priorisierung der Anwendungskontexte definierte das Kernteam Kriterien, um konkrete Einsatzmöglichkeiten und Produktkon- zepte für die Technologie A im Rahmen der Anwendungskontexte 1 und 7 zu bewer- ten. Anhand des gemeinsam entwickelten Kriterienkatalogs identifizierten die Teilneh- mer das Produktkonzept x1 für den ersten Anwendungskontext und y7 für den Anwen- dungskontext 7 als besonders attraktive Leistungen (vgl. Abbildung 23). Anwendungs- kontexte Produkte Technologie 2008 Endkunde Anwendungs- kontext 1 2009 Technologie A Anwendungs- kontext 7 erwartete Position auf der Wertschöpfungskette 20102007 Produkt- konzept x1 Produkt- konzept y7 Abbildung 23: Roadmap für die Entwicklung und Kommerzialisierung der Technologie A durch das Unternehmen Nano [Quelle: eigene Darstellung] Um die Anforderungen an die Technologie in den zuvor beschriebenen Produktkonzep- ten besser einschätzen zu können, erfolgte ein Leitfadengespräch mit einem Mitarbei- ter aus dem Bereich der Prozessentwicklung. In diesem Zusammenhang wurden ge- meinsam mit dem zentralen Ansprechpartner zu überwindende Lücken der Etablierung der Technologie in den Anwendungskontexten herausgearbeitet. Ansatzpunkt der De- finition entsprechender Defizite war die Annahme eines Innovationssystems, in dem die Technologie A verwendet wird. Die Ergebnisse sind in Tabelle 11 dargestellt. Als größtes Hindernis für den Transfer der Technologien in den Anwendungskontext 1 nannte der Prozessentwickler die Erfüllung spezifischer Testvorschriften der Kunden. Der Experte sah die Gefahr insbesondere darin, dass Nano bestimmte Testverfahren nicht kannte und daher bei der Technologieentwicklung nicht berücksichtigen konnte. 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 191 Darüber hinaus verwies er insbesondere auf den Aufbau von Kontakten in beiden An- wendungsbereichen als wesentliche Herausforderung. Die Schwierigkeit bestand dabei vor allem darin, dass das Unternehmen bisher über keine direkten Verbindungen zu den benötigten Kunden in einem zukünftigen Netzwerk verfügte. Zudem war unklar, an welchen Stellen der Wertschöpfungskette – zu Beginn oder in der Nähe des Endkun- den – diese Partner angesprochen werden sollten, um die Technologie erfolgreich zu positionieren. Der Prozessentwickler sah keine Schwierigkeiten bei der Integration in den Herstellprozess des Kunden und beim Aufbau von Kenntnissen über das Zusam- menwirken der Technologie mit anderen Prozessparametern, da ein umfangreiches Prozess-Know-how aus den etablierten Anwendungen verfügbar war. Akteure Institutionen Wissen Artefakte • Produzenten • Kunden • Pilotunternehmen zur Erschließung neuer Märkte not- wendig • Erfüllung spezifi- scher Testvorschrif- ten notwendig Anwendungs- kontext 1: • diverse gesetzliche und kundenspezifi- sche Testverfahren Anwendungs- kontext 7: • diverse gesetzliche und kundenspezifi- sche Testverfahren • Abstimmung des Einstellens von zentralen Prozess- parametern • Interaktion mit an- deren Teilen in der Produktion • ggf. Anpassung von Teilegeometrien • ggf. Anpassung von Schichtsystemen • ggf. Veränderung der Prozessabläufe beim Kunden • Entwicklung neuer Anlagen für Folge- prozesse Tabelle 11: Zu überwindende Lücken für die Anwendungskontexte bei Nano [Quelle: eigene Darstellung] Gemeinsam mit dem zentralen Ansprechpartner aus dem Unternehmen wurden über Datenbankrecherchen im Folgenden mögliche Netzwerkpartner identifiziert und eine Strategie für die Kontaktaufnahme zu diesen Partnern entwickelt. Dabei beschloss das Projektteam, vor allem internationale Messen zu nutzen. Ferner wurde ein Zeitpunkt definiert, bei dem die Strategie evaluiert und gegebenenfalls angepasst werden sollte. Darüber hinaus sollten innerhalb der definierten Frist unternehmensintern konkrete Erfahrungen über die Technologieanwendung sowie die Leistungsparameter in den potenziellen Anwendungsbereichen gesammelt werden. Zur Visualisierung dieser Akti- vitäten wurde gemeinsam eine Roadmap erstellt (vgl. Abbildung 24). 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 192 Anwendungs- kontexte Produkte Aktivitäten Anwendungs- kontext 1 Anwendungs- kontext 7 • Kompetenz A • Kompetenz B Kompetenzen Kontakte zu Akteuren im Anwendungskontext 1 Kontakte zu Akteuren im Anwendungskontext 7 2008 2009 20102007 Produkt- konzept x1 Produkt- konzept y7 Abbildung 24: Roadmap Nano mit aufzubauenden Kompetenzen und Folgeaktivitäten [Quelle: eigene Darstellung] In einem weiteren Schritt wurden mögliche Schwächen der gewählten Strategie sowie alternative Strategieoptionen diskutiert. Als besondere Schwäche erwies sich vor allem der fehlende Kontakt zu den Endkunden der verschiedenen Anwendungskontexte. Zudem befanden sich die führenden Unternehmen in dem Anwendungskontext 7 in einem anderen geographischen Raum. Die Nano verfügte zwar über Vertriebspartner in diesen Ländern, allerdings nicht über eigene Repräsentanzen. Als alternative Stra- tegie wäre der Aufbau eigener Produktionskapazitäten denkbar gewesen, allerdings wäre dieses Vorgehen sehr kapitalintensiv und daher durch Nano alleine nicht umsetz- bar. 5.4.3 Zwischenfazit In diesem Abschnitt werden zunächst die Erfahrungen mit dem Adressieren inhaltlicher Leitlinien der Strategiebildung für neue Technologiepfade diskutiert, um daran an- schließend die Aufnahme von Einflussfaktoren zu analysieren. Abschließend erfolgt die Diskussion der Aufbau- und Ablauforganisation des entwickelten Ansatzes. Das Ziel dieses Abschnitts besteht darin, den entwickelten Ansatz der Vorausschau und Pla- nung neuer Technologiepfade zu evaluieren und Bereiche für Anpassungen oder Er- weiterungen des Ansatzes auf Basis der Anwendungen bei der Nano zu identifizieren. In der Zusammenarbeit mit der Nano konnten unterschiedliche inhaltliche Leitlinien konkretisiert werden. Im Projektverlauf entwickelten die Teilnehmer aus dem Unter- nehmen gemeinsam eine Strategie für einen neuen Technologiepfad. Über Patentket- ten konnte das Projektteam zahlreiche neue Anwendungsmöglichkeiten als Zielpunkte der Strategie identifizieren. Als Vision für das Unternehmen wurde die Anwendung der 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 193 Technologie in den spezifizierten Anwendungskontexten genutzt. Da ein klares Com- mittment der Geschäftsleitung zu diesen Anwendungen bestand, konnten für die Stra- tegien konkrete Schritte und Maßnahmen abgeleitet werden. Die Definition klarer Ziele führte jedoch zur Ausblendung weiterer aussichtsreicher Anwendungskontexte und schränkte auch die Realisierung von Flexibilität in Bezug auf die zu verfolgenden Wege ein. Andererseits konnten zukünftige Entscheidungs- und Reflexionspunkte definiert werden. Das Projektteam beschloss, im Zeitablauf ein Monitoring potenzieller Anwen- dungskontexte und aufkommender Bedarfe durchzuführen. Schwache Signale wurden im Rahmen des Projekts nicht aufgenommen. In Bezug auf die Analyse von Einflussfaktoren konnte die entwickelte Unterscheidung zwischen Akteuren, Institutionen, Wissen und Artefakten gut angewendet werden. Ein Grund hierfür lag in der fundierten Kenntnis der Anwendungskontexte auf Seiten ein- zelner Teammitglieder. Diese ermöglichte eine umfassende Beschreibung eines mögli- chen technologiebasierten Innovationssystems. Vor dem Hintergrund von Konkurrenz- situationen mit anderen Technologien erfolgte eine frühzeitige Definition der Funktiona- lität der Technologie. Die Projektteilnehmer bewerteten diese Definition positiv, da sie zum einen eine Abgrenzung von technologischen Alternativen ermöglichte und zum anderen eine Fokussierung auf Produktkonzepte unterstützte. Probleme bereitete dem Team jedoch die Definition von Pilotkunden der Firma, da diese auf unterschiedlichen Stufen der Wertschöpfungskette kontaktiert werden könnten. Auf der Ebene des Un- ternehmens konnte die Bedeutung der Unternehmenskultur als Einflussfaktor auf die Innovationsfähigkeit bestimmt werden. Voraussetzung für die Realisierung langfristiger offener Strategien ist die Bereitschaft, sich von etablierten Märkten und Konzepten zu lösen. Zudem ist eine Akzeptanz für die Ideen sämtlicher Projektteilnehmer bedeutend, um das gesamte Potenzial heterogener Teamzusammensetzungen zu nutzen. Prob- lematisch war auch bei der Nano die Identifikation von Abhängigkeiten sowie von ihren Wirkungen auf das Unternehmen. Eine Interpretation dieses Problems könnte darin liegen, dass die Teilnehmer innerhalb der offenen Umfelder Stabilität tendenziell als positiven Faktor empfinden. Abhängigkeiten werden daher möglicherweise nicht als Risiko aufgefasst und nicht kritisch gesehen. Verschiedene Erkenntnisse des Projekts haben Implikationen für die Aufbau- und Ab- lauforganisation der Vorausschau und Planung. Einerseits hat es sich bewährt, die Unternehmensleitung frühzeitig in den Entscheidungsprozess einzubinden, da dies eine klare Entscheidung zugunsten einzelner Optionen ermöglichte. Ist die Geschäfts- leitung jedoch nicht mit der Unsicherheit der neu aufkommenden Technologie vertraut, besteht die Gefahr, dass klare Entscheidungsvorgaben aussichtsreiche Anwendungen 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 194 ausblenden und eine zukünftig benötigte Flexibilität einschränken. Potenziale bot in dem Projekt das Einbinden von Personen mit unterschiedlichen Industrieerfahrungen, um eine Vielzahl von Einflussfaktoren zu identifizieren und ihren hemmenden oder för- dernden Charakter zu bewerten. Für das Aufnehmen dieser Informationen kam der Geschäftsleitung eine Schlüsselrolle zu, da diese über umfangreiches Branchenwissen verfügte. Weiterhin verdeutlichte gerade das Fehlen bestimmter Funktionsbereiche den Bedarf an funktionsübergreifenden Teams bei der Strategiebildung. In diesem Projekt bestätigte sich, dass kleine Unternehmen ohne Zusammenarbeit mit externen Partnern entsprechende Strategien nur schwer bilden können. Das Potenzial der Zusammenar- beit mit Externen bei der Strategiebildung hätte daher intensiver genutzt werden kön- nen. Ein unausgeschöpftes Potenzial blieb in dieser Fallstudie weiterhin die frühzeitige Kontaktierung potenzieller Kunden, um noch fundiertere Kenntnisse über deren Bedarf zu erhalten. Bei der Nano verging teilweise viel Zeit zwischen den einzelnen Workshops und Interviews. Je mehr Zeit zwischen den einzelnen Terminen und Pro- zessphasen liegt, umso stärker erhöht dies die Vorbereitungszeit und das Auftreten von Doppelarbeiten. In Bezug auf den Ablauf eines Vorausschau- und Planungspro- jekts sollte daher ein zügiges, konzentriertes Vorgehen angestrebt werden. 5.5 Fallstudie: Sensor Die letzte in diesem Kapitel vorgestellte Fallstudie wurde gemeinsam mit der Sensor erarbeitet. An die Darstellung des Unternehmens und der betrachteten Technologie schließt sich eine Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse an. Der letzte Teil dieses Abschnitts zieht ein Zwischenfazit der Anwendung des Ansatzes für die Vor- ausschau und Planung neuer Technologiepfade. 5.5.1 Unternehmens- und Technologiebeschreibung Die Sensor wurde 2003 als Spin-off eines etablierten Unternehmens gegründet, um neue Märkte für die Sensorik zu erschließen. Die Hauptgeschäftsfelder des Unterneh- mens liegen im Bereich von Messverfahren, mit denen unterschiedliche Prozesspara- meter bestimmt werden können, sowie im Bereich der Sensorik im Kontext der Mobili- tät. Die Kernkompetenzen des Unternehmens befinden sich auf dem Gebiet einzelner Sensor-Elemente und der Integration von Sensorik, Elektronik und Softwaresystemen. Das Unternehmen verfügt über gute Kontakte zu Hochschulen, mit denen es in ver- schiedenen Forschungs- und Entwicklungsprojekten kooperiert. Einen großen Teil der Umsätze investiert das Unternehmen in die eigene Forschung und Entwicklung. Die Kunden sind weltweit verteilt, mit Schwerpunkten in Europa und Nordamerika. Das 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 195 Unternehmen beschäftigte zum Projektzeitpunkt 15 Mitarbeiter, von denen die meisten über eine abgeschlossene Hochschulausbildung verfügten. Bei der untersuchten Technologie handelte es sich um Technologie A,613 die das Un- ternehmen im Rahmen eines geförderten Forschungsprojekts entwickelte. Technologie A ist eine Messtechnologie, mit der auf eine bestimmte Art und Weise unterschiedliche Messgrößen aufgenommen und verarbeitet werden sollen. Zum Untersuchungszeit- punkt befand sich die Technologie in einem frühen Entwicklungsstadium. Das Unter- nehmen verfolgte in dem durchgeführten Projekt das Ziel, strategische Weiterentwick- lungsmöglichkeiten der Technologie und neue Anwendungskontexte zu identifizieren. 5.5.2 Untersuchungsergebnisse Die Darstellung der Untersuchungsergebnisse in diesem Kapitel folgt der Durchführung des Projekts. Im Zeitraum von Juli bis September 2007 fanden mehrere Interviews und Workshops statt. Eine Person aus der Geschäftsleitung fungierte als zentraler An- sprechpartner und Prozess-Owner. An dem Projekt beteiligten sich auf Wunsch der Sensor außerdem externe Forschungspartner. Das erste Treffen war darauf gerichtet, die grundlegenden Charakteristika der Techno- logie aufzunehmen. Zu Beginn des Gesprächs erläuterte der zentrale Ansprechpartner das Funktionsprinzip der zu entwickelnden Technologie A. Sie zeichnet sich zum einen dadurch aus, dass sie potenziell wesentlich leistungsfähiger als etablierte Verfahren ist. Zum anderen bietet sie die Möglichkeit, einen kleineren Technologieaufbau zu realisie- ren. Die spezifischen Eigenschaften und Charakteristika potenzieller zukünftiger Tech- nologiegenerationen sollten die an dem Projekt beteiligten Forschungspartner in einem Folgeworkshop gemeinsam konkretisieren. Im direkten Anschluss an das erste Treffen sollten Datenbankanalysen durchgeführt werden, um den internationalen Forschungs- stand auf dem Gebiet der Technologie A zu ermitteln und um Hinweise auf weitere Anwendungsmöglichkeiten der Technologie zu erhalten. Die Schlagworte legt der An- sprechpartner von Sensor fest. Am zweiten Treffen nahmen sowohl die Geschäftsleitung als auch die Forschungspart- ner teil. Bei diesem Treffen wurden zuerst Weiterentwicklungsmöglichkeiten der Tech- nologie A skizziert und diskutiert. Im Ergebnis grenzten die Projektpartner zwei mögli- che Folgegenerationen der Technologie mit jeweils erweitertem Funktionsspektrum ab. Das Projektteam diskutierte die potenzielle Funktionalität jeder Technologiegeneration und die benötigten Zeiträume für die Technologieentwicklung. Die erste Generation 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 196 sollte bis Mitte 2008, die zweite Generation bis Ende 2009 und die dritte Generation bis Ende 2010 zur Marktreife gebracht werden. Anschließend analysierten die Teilnehmer die Resultate der Datenbankanalysen. Eine Schlagwortrecherche in der Datenbank ISI Web of Science für das Ermitteln des internationalen Forschungsstands zu Technolo- gie A brachte keine verwertbaren Erkenntnisse. Die Ursache lag in diversen Veröffent- lichungen aus anderen Forschungsgebieten, die keine Relevanz für Technologie A besaßen. Das Team beschloss daher, die Recherche mit einem angepassten Schlag- wortkatalog zu wiederholen und die Ergebnisse in einem weiteren Treffen auszuwer- ten. Außerdem analysierten die Projektteilnehmer die Resultate der Suche von Patent- ketten und validierten mögliche Anwendungskontexte für die Technologie. Als aus- sichtsreich wurden unter anderem die Anwendungskontexte 1 bis 6 identifiziert. Ge- meinsam mit dem Prozess-Owner aus der Geschäftsleitung fand im Anschluss ein Treffen statt, in dem die mit einem angepassten Schlagwortkatalog erhaltenen Recher- cheergebnisse besprochen und ausgewertet wurden. Die Resultate dieser Aktivität werden im Folgenden skizziert. Abbildung 25: Darstellung der Publikationen aus einem Datensatz [Quelle: Daten aus ISI Web of Science, Darstellung durch RefViz™] Auf Basis der Recherchen wurden mehrere Datensätze mit zum Teil über tausend Publikationen zusammengestellt und mit der Software RefViz™ visualisiert (vgl. Abbil- dung 25). Dabei identifizierte der zentrale Ansprechpartner unterschiedliche technolo- gische Ansatzpunkte, die für die Forschungsarbeit der Sensor direkt relevant waren 613 Strategierelevante und technologische Informationen wurden in der Fallstudie anonymisiert. 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 197 oder in Zukunft relevant werden könnten. Die Auswertung ergab weiterhin konkurrie- rende technologische Ansätze. Die einzelnen Veröffentlichungen wurden zur detaillier- ten Auswertung an weitere Fachexperten des Unternehmens weitergeleitet. Gemeinsam mit dem externen Forschungspartner legte das Projektteam in einem wei- teren Arbeitstreffen die beiden prioritären Anwendungskontexte 4 und 5 fest. Dabei sollten die Produktkonzepte y4 und x5 eingesetzt werden. Anschließend diskutierten die Workshopteilnehmer Defizite und Hindernisse auf einem Weg in diese beiden An- wendungsbereiche (vgl. Tabelle 12). Akteure Institutionen Wissen Artefakte • Hersteller • Entwicklungskoope- rationen (Hoch- schulen, Hersteller von komplementä- ren Produkten) Anwendungs- kontext 4: • Anwender des Endprodukts • Hersteller des End- produkts • Anbieter weiterer Dienstleistungen Anwendungs- kontext 5: • Pilot-Anwender • diverse Normen von Herstellern und Anwendern • diverse Normen über Schnittstellen mit anderen Pro- dukten • öffentliche Nor- mung Anwendungs- kontext 4: • weitere Normen für jedes Land, in dem Anwendung erfolgt • wahrgenommener Bedarf des Anwen- ders Anwendungs- kontext 5: • spezielle Normen über den Technolo- gieeinsatz • Wissen über Inter- aktion mit anderen Technologien im System • Wissen über De- sign der Technolo- gie • Kontrolle der Tech- nologie bei der Nut- zung durch den Kunden • Schnittstellen- Know-kow Anwendungs- kontext 4: • weitere Kenntnisse über Firmen- und Ländernormen" Anwendungs- kontext 5: • sehr gute Kenntnis der Einsatzgebiete der Technologie • Interaktion der Pro- duktkonzepte mit anderen Produkten im System • Anpassung der Technologie an systemspezifische Schnittstellen • Anpassung des Designs an das Anwendungsumfeld • Robustheit Anwendungs- kontext 4: • Interaktion konkur- rierenden Techno- logien in der An- wendung Anwendungs- kontext 5: • ggf. erhebliche Eingriffe in die Strukturen beim Anwender Tabelle 12: Zu überwindende Lücken für die Anwendungskontexte bei Sensor [Quelle: eigene Darstellung] Als besonders aufwendig zu schließende Lücken benannten die Teilnehmer die zu beachtenden Regelungen in den Anwendungskontexten. Diese variieren sowohl mit dem Kunden als auch – insbesondere in dem Anwendungskontext 4 – mit dem Land, in dem der Technologieeinsatz erfolgt. Ferner lokalisierten die Projektpartner zahlrei- che Defizite im Bereich des Wissens, da verschiedene Fragen bezüglich des konkreten Produktkonzepts zu beantworten waren. Schließlich nahmen die Fachexperten vor 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 198 allem die Integration der Technologie A in die technologischen Charakteristika des An- wendungskontexts als problematisch wahr. Im Anschluss an die Identifikation der Lücken entwarfen die Workshopteilnehmer eine Roadmap für die Technologie A bei der Sensor. Die Basis bildete die prognostizierte Zeitspanne für die Entwicklung der Technologiegenerationen aus den zuvor geführten Interviews. Anschließend definierten die Teilnehmer auf Nischen ausgerichtete Pro- duktkategorien innerhalb der Anwendungskontexte, bei denen die diskutierten Defizite am einfachsten zu überwinden waren. Für jede Kategorie legten die Teilnehmer Pilot- kunden fest, um mit diesen die Produktkonzepte zu evaluieren und für den Einsatz in einem breiteren Markt vorzubereiten. Die Projektteilnehmer legten fest, den Anwen- dungskontext 4 aufgrund der komplexen Regulierung und Systemintegration sowie der konservativen Kunden lediglich im Testbetrieb zu adressieren (vgl. Abbildung 26). Anwendungs- kontexte Produkte Technologie 2007 2008 Anwendungskontext 5 Pilotkunden 2010 Technologie A 3. Generation Technologie A 2. Generation Technologie A 1. Generation 2009 2011 2012 Produktkonzept x5 erwartete Position auf der Wertschöpfungskette Produktkonzept x5 Produktkonzept x5 Anwendungskontext 5 Anwendungskontext 4 Abbildung 26: Roadmap für die Entwicklung und Kommerzialisierung der Technologie A durch das Unternehmen Sensor [Quelle: eigene Darstellung] Die folgenden Generationen der Technologie sollten ebenfalls in diesen drei Schritten in die Anwendungskontexte gebracht werden. Das Vermarkten der Folgegenerationen sahen die Experten des Unternehmens jedoch als insgesamt einfacher an, da die Sen- sor dann verschiedene Erkenntnisse und Erfahrungen aus der Entwicklung und An- wendung der ersten Technologiegeneration nutzen könnte. Die Teilnehmer diskutierten anschließend intensiv über die Gefahren der Produktkannibalisierung bei der frühzeiti- gen Vermarktung neuer Technologiegenerationen. Um auch gezielt neue Märkte mit den Folgegenerationen der Technologie zu erschließen, legten die Teilnehmer ein Re- view möglicher Anwendungskontexte nach der erfolgreichen Technologieentwicklung fest. 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 199 Anwendungs- kontexte Kompetenzen F&E-ProjektAktivitäten Markt- und Kundenanalysen • Kompetenz A • Kompetenz B • Kompetenz C Anwendungskontext 5 Pilotkunden Anwendungs- kontext 5 Entwicklungsprojekt Konzeption Produkt Kontakte zu Produzenten 2007 2008 20102009 Abbildung 27: Roadmap Sensor mit aufzubauenden Kompetenzen und Folgeaktivitäten [Quelle: eigene Darstellung] Auf Basis der visualisierten Roadmap legten die Projektpartner konkrete Folgeaktivitä- ten für das Kommerzialisieren der Technologie A fest. Die notwendigen Tätigkeitsbe- reiche lagen kurzfristig vor allem im Bereich der Forschung und Entwicklung, dem Auf- nehmen von Marktinformationen und dem Kontakt zu anderen Netzwerkpartnern, wie Produzenten und Nutzern (vgl. Abbildung 27). Zum Abschluss des Projekts reflektierten die Teilnehmer die entwickelten Strategien vor dem Hintergrund von möglicherweise auftretenden Abhängigkeiten sowie von Stär- ken und Schwächen. Die Wahl des Herstellverfahrens der Technologie wurde als eine maßgebliche Quelle von Abhängigkeiten gesehen, da es sich teilweise um anwender- spezifische Verfahren handelt, die nicht transferiert werden können und die mit einer neuen Generation von Herstellverfahren veralten können. Das Unternehmen wählte daher ein Standard-Verfahren, das einen relativ einfachen Transfer zu einem anderen Produzenten ermöglicht. Als Gefahr der Strategie sahen die Teilnehmer die Integration der Technologie in die komplexen Regelwerke der Kunden. Allerdings strebte das Un- ternehmen bereits in der Entwicklung eine enge Zusammenarbeit mit den entspre- chenden Technologienutzern an, um diesem Risiko zu begegnen und ein Scheitern zu vermeiden. Eine weitere Gefahr bestand nach Ansicht der Projektteilnehmer in der Integration mit anderen Systemen des Kunden. Um möglichen Problemen vorzubeu- gen, beschloss das Projektteam eine Anpassung der Technologie A in den frühen Phasen des Einsatzes, die die Kompatibilität mit anderen Systemen im späteren An- wendungsfeld erhöht. 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 200 5.5.3 Zwischenfazit Dieser Abschnitt zieht ein Resümee der Anwendung des Ansatzes für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade bei der Sensor. Er greift zuerst die inhaltlichen Leitlinien der Vorausschau und Planung auf. Anschließend wird das Anwenden des Rahmens von Einflussfaktoren kritisch reflektiert. Die Diskussion organisatorischer Implikationen erfolgt zum Ende des Zwischenfazits. In der Zusammenarbeit mit der Sensor konnten verschiedene inhaltliche Leitlinien kon- kretisiert werden. Vor allem konnte ein geteiltes Verständnis über zukünftige Anwen- dungsmöglichkeiten und Wege zu diesen Anwendungen erarbeitet werden. Als we- sentlicher Erfolgsfaktor erwies sich in diesem Zusammenhang die langjährige gemein- same Tätigkeit der Projektteilnehmer, die es erleichterte, eine von allen akzeptierte „Sprache" und Interpretation zu finden. Über die schon vorhandenen Vorstellungen zukünftiger technologischer Potenziale hinausgehend, deckte das Projektteam neue Ideen für langfristige Weiterentwicklungsmöglichkeiten der Technologie auf. Zusätzlich wurde in Patent- und Literaturdatenbanken nach schwachen Signalen gesucht. Der Fokus lag dabei auf möglichen alternativen technologischen Lösungen sowie aktiven Akteuren. Einzelne Veröffentlichungen verwiesen auf interessante neue Ansatzpunkte für die Entwicklung der untersuchten Technologie. Durch die Nutzung von Patentketten identifizierte das Projektteam mögliche Anwendungskontexte in unterschiedlichen Branchen. Eine kritische Reflexion erfolgte ebenfalls zu Ende des Projekts, allerdings war die Bereitschaft auch in diesem Unternehmen gering, die gewählte Strategie nochmals in Frage zustellen. Die formulierte Strategie hinterlegten die Projektteilneh- mer durch sehr konkrete Schritte und Maßnahmen. Diese umfassten auch Entschei- dungszeitpunkte und Meilensteine für die weitere Technologieentwicklung und den Markteintritt mit einem grob definierten Produktkonzept. Diese Konkretisierung erfolgte jedoch zu Lasten einer Offenheit der Strategien. Insbesondere Anwendungskontexte, die nicht in der dominanten Strategie lagen, blendeten die Teilnehmer bereits relativ früh im Prozess aus. Des Weiteren antizipierte das Unternehmen durch die intensive Diskussion der Barrieren in den Anwendungskontexten verschiedene Ereignisse und mögliche Reaktionsstrategien. Als besonders konstruktiv bewerteten die Teilnehmer in diesem Zusammenhang die gemeinsame Visualisierung und Dokumentation der Er- gebnisse. Bei der Analyse von Einflussfaktoren spielte das gesellschaftliche Umfeld eine geringe Rolle. Es konnten jedoch zentrale Trends im Umfeld identifiziert werden, die als Treiber zur Entwicklung eines zukünftigen Anwendungskontextes wirken könnten. Auf der In- novationssystem-Ebene fokussierte sich die Analyse unter anderem auf alternative 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 201 technologische Lösungen sowie komplementäre Technologien. Als sehr gutes Instru- ment erwies sich in dem untersuchten Feld die Visualisierung von umfangreichen Pub- likationsbeständen mit geeigneter Software. Durch dieses Vorgehen konnten zahlrei- che interessante Entwicklungen schnell detektiert und vertiefend analysiert werden. Die Unterscheidung von Akteuren, Institutionen, Wissen und Artefakten ermöglichte es, Barrieren und Hindernisse umfassend zu identifizieren. Schwerpunkte waren dabei die Defizite im Bereich der Wissensbasis sowie das zum Teil unbekannte Regelungsum- feld. Die sehr offene Kommunikationskultur des Unternehmens als interner Einflussfak- tor förderte den Projektfortschritt erheblich. Positiv wirkte auch die Offenheit im Um- gang mit externen Partnern der Technologieentwicklung, die bereits in frühen Phasen des Vorausschau- und Planungsprojekts eingebunden werden konnten. Das Resultat dieser Beteiligung zeigte sich in besonders umfassenden Analysen der Anwendungs- kontexte und der zu überwindenden Barrieren. Als beeinflussbar wurden lediglich Fak- toren des Wissens angesehen. Dies ist hauptsächlich auf den Charakter der Technolo- gie zurückzuführen, die eine bestimmte Teilfunktion in verschiedenen Prozessen erfül- len kann. Die Erfüllung dieser Nebenfunktion orientiert sich an der Erfüllung der Haupt- funktionalitäten. Die Einflussmöglichkeit auf relevante Regelungen oder Infrastrukturen schätzen die Teilnehmer aus dem Unternehmen dementsprechend als gering ein. Bes- ser als bei anderen Unternehmen gestaltete sich die Definition von Abhängigkeiten im Umfeld der Sensor. Diese konnten vor allem bei der Berücksichtigung der Hersteller- normen sowie beim Design der Technologie lokalisiert. Das Unternehmen hatte die Gefahren von Lock-ins bereits implizit bei den bereits durchgeführten Schritten der Technologieentwicklung aufgegriffen. Das Explizieren dieser Risiken sahen die Teil- nehmer aber trotzdem als lohnend an. Insgesamt hätte in der Anwendung ein stärkerer Fokus auf mögliche Projektrisiken sowie notwendige finanzielle Ressourcen gelegt werden können. Dies hätte möglicherweise eine vertiefende Evaluation von Strategien und Zielsetzungen mit Sicht auf ihre Tragfähigkeit durch das Unternehmen erlaubt. Als positiv im Bereich der Organisation ist festzuhalten, dass sich die Geschäftsleitung am gesamten Prozess intensiv beteiligte. Hierdurch konnten einerseits sehr konkrete Strategien entwickelt werden. Andererseits konnten somit vorhandene Erfahrungen über Branchen und konkrete Anwendungen bestmöglich in die Analyse der Einflussfak- toren einbezogen werden. Insbesondere für die fokussierte Arbeit in und die Auswer- tung von Datenbanken benötigte das Projektteam diese Kompetenzen. Die Verknüp- fung von Geschäftsleitung und Prozessverantwortung beschleunigte den Projektfort- schritt bei der Sensor erheblich. Insgesamt konnte durch die engagierte Rolle des Top- Managements im Rahmen des Projekts auch ein hohes Committment der Projektteil- nehmer erreicht werden. Die Beteiligung externer Forschungspartner erwies sich eben- 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 202 falls als konstruktiv, da sich dem Projekt hierdurch eine größere Anzahl alternativer Perspektiven eröffnete. Zudem bewerteten alle Teilnehmer die Abstimmung langfristi- ger Ziele der Forschungsarbeit im Konsens als positiv. Da das Projektteam bestimmte Anwendungskontexte jedoch relativ früh ausblendete, hätte der Prozess möglicherwei- se nochmals wiederholt werden sollen, um die Potenziale dieser Anwendungen vertie- fend zu analysieren. 5.6 Zusammenfassung der Ergebnisse Der folgende Abschnitt fasst die Ergebnisse der Fallstudien zusammen. Dabei wird im ersten Teil eine Cross-Case-Analyse durchgeführt, um Gemeinsamkeiten und Unter- schiede der Anwendung des Ansatzes zwischen den Fallstudien zu identifizieren, zu analysieren und auszuwerten. Inhalte aus der Diskussion mit allen Projektpartnern auf einem gemeinsamen Symposium ergänzen die Ergebnisse dieser Analyse. Auf Basis dieser Betrachtung findet im zweiten Teil eine Typenbildung der Vorausschau und Pla- nung neuer Technologiepfade statt. Im dritten Teil werden die Forschungsthesen be- sprochen. Der vierte Teil reflektiert die erzielten Untersuchungsergebnisse vor dem Hintergrund des gewählten Untersuchungsdesigns. 5.6.1 Cross-Case-Analysen Dieser Abschnitt vergleicht die Anwendung des entwickelten Ansatzes in den vier Pi- lotunternehmen, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede sowie kritische Erfolgsfakto- ren der Vorausschau und Planung herauszuarbeiten. In den Vergleich fließen auch die Ergebnisse eines Symposiums mit Vertretern sämtlicher Unternehmen ein. Dieses fand nach der Durchführung der einzelnen Fallstudien statt und hatte zum Ziel, Erfahrungen zwischen den Teilnehmern auszutauschen und einen Leitfaden für andere Unterneh- men zu entwickeln. Dieser Abschnitt gliedert sich wie folgt. Zu Beginn werden die in- haltlichen Leitlinien der Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade aufgegrif- fen. Anschließend erfolgt die Betrachtung der Ergebnisse in Bezug auf die Analyse von Einflussfaktoren sowie die Organisation des Ansatzes. inhaltliche Leitlinien Bezüglich der in Abschnitt 4.1 vorgestellten inhaltlichen Leitlinien lassen sich die fol- genden Erkenntnisse zusammenfassen. In allen Fällen entwickelten die Projektteil- nehmer durch die Anwendung des Ansatzes Strategien, die im Konsens getragen wur- den. Dies schließt den Aufbau eines geteilten Verständnisses der Situation sowie die 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 203 Entwicklung einer von den Teilnehmern akzeptierten Zukunftsvision ein. Bei der Mobil nutzten die Teilnehmer als Quelle dieser Vision zusätzlich öffentlich verfügbare Doku- mente. Insgesamt bewährte sich das Bild eines Anwendungskontexts als Ankerpunkt dieser Visionen. Auf der einen Seite bot dieses Bild den Teilnehmern eine Möglichkeit, sich die Nutzung von Technologien vorzustellen. Auf der anderen Seite kommt es weitgehend ohne die Konkretisierung von Produkten und Dienstleistungen, die in frü- hen Phasen der Technologieentwicklung nur eingeschränkt möglich ist, aus. Ein weni- ger positives Bild ergab die kritische Reflexion der entwickelten Ansätze und Strate- gien. Die Bereitschaft, entwickelte Strategien systematisch zu hinterfragen, war in sämtlichen FIrmen gering. Besonders schwierig erschien dies im Fall der Mobil. Die Ursache hierfür könnte im Prozess der Konsensfindung liegen, der vor allem bei die- sem Unternehmen sehr zeit- und diskussionsintensiv war. Dafür ermöglichte die fun- dierte Beschäftigung mit Technologien und möglichen Anwendungskontexten in allen Unternehmen ein Lernen über die Umfelder. In diesem Zusammenhang ist darauf hin- zuweisen, dass viel neues Wissen auf der Analyse und Auswertung von Datenbanken basierte. Die Interviews und Workshops mit Vertretern unterschiedlicher Unterneh- mens- und Funktionsbereiche ermöglichten außerdem das Lernen über die Gegeben- heiten innerhalb des Unternehmens. Bei der Mobil und der Nano konnten die Teilneh- mer neue Kenntnisse über die im Unternehmen vorhandenen Aktivitäten und Kompe- tenzen erlangen. Diese Erkenntnisse unterstreichen die Notwendigkeit, in der Voraus- schau und Planung Bereiche zu analysieren, mit denen sich das Unternehmen im „normalen" Unternehmensalltag wenig auseinandersetzt. Kreativität konnte vor allem über die Durchführung interdisziplinärer und funktionsbereichsübergreifender Workshops erreicht werden. Die Diskussion zwischen den Teilnehmern brachte in allen Fällen zahlreiche neue Ideen hervor, während die Einzelinterviews hauptsächlich be- stehende Positionen zum Gegenstand hatten. Die Unternehmen unterschieden sich jedoch mit Sicht auf die Aufnahme und Akzeptanz dieser neuen Ideen. In einigen Fäl- len war eine große Offenheit gegeben (Sensor, Mobil) während in anderen Ideen nur langsam aufgegriffen wurden (Nano). Die Aufnahme und Dokumentation von Wech- selwirkungen zwischen verschiedenen Einflussfaktoren erfolgte in allen Fallstudien und ist als zentrales Element der Strategiebildung neuer Technologiepfade aufzufassen. Bei der Identifikation von schwachen Signalen bestanden hingegen signifikante Unter- schiede zwischen den einzelnen Fallstudien. Bei Biotech und Sensor konnten schwa- che Signale in Form möglicher neuer Technologie- bzw. Anwendungsoptionen aufge- nommen werden. Die Fallstudie bei der Mobil zeigt einen historischen Verlauf von Sig- nalhäufigkeiten, während bei Nano keine Identifikation von Signalen stattfand. Sowohl der Einsatz des Methodenspektrums, beispielsweise die Clusterung von Veröffentli- 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 204 chungen vs. die direkte Auswertung der Publikationen, als auch die Wahl der Quellen, beispielsweise Patent-, Publikations- oder populärwissenschaftliche Datenbanken, un- terschieden sich in den einzelnen Fällen. Veränderungsprozesse im Unternehmen wurden lediglich in der Fallstudie bei der Mobil erzielt, da das Unternehmen eine Neu- ausrichtung seiner Innovationsstrategie vornahm. Allerdings betonten sämtliche Unter- nehmensvertreter auf dem gemeinsamen Workshop die Potenziale, mit einer systema- tischen Durchführung der Vorausschau und Planung neue Denkrichtungen zu eröffnen und traditionelle Sichtweisen aufzubrechen. Alle Unternehmen entwickelten flexible Strategien, wobei sich zwei unterschiedliche Arten der Bereitstellung von Flexibilität herauskristallisierten. Die Biotech legte ver- schiedene Möglichkeiten fest, sich in einem definierten Anwendungskontext zu positio- nieren. Andere Anwendungsmöglichkeiten sollten aufgrund eines langen Zeithorizonts lediglich weiter beobachtet werden. Die Sensor erarbeitete Strategien zu mehreren Anwendungen, ohne verschiedene Wege zu diesen Anwendungen festzulegen. Ursa- che hierfür sind insbesondere die eingeschränkten Möglichkeiten der Positionierung auf der Wertschöpfungskette. Die Unternehmen Mobil und Nano definierten verschie- dene Wege zu unterschiedlichen Anwendungskontexten. Dies ist darauf zurückzufüh- ren, dass beide Unternehmen mit ihren Kompetenzen mehrere Geschäftsmodelle für die gleiche Anwendung einer Technologie entwickeln könnten. Zudem erarbeiteten diese Unternehmen Strategien, um mehrere Anwendungskontexte zu adressieren. Neben der Flexibilität ließ sich Offenheit für weitere Anwendungskontexte, die noch nicht von den Teilnehmern gesehen wurden, aufgrund der begrenzten Projektlaufzeit nur eingeschränkt realisieren. Zusätzlich zu der Erlangung von Flexibilität konnten in allen Fallstudien konkrete Schritte für die Verfolgung der Strategien definiert werden. In den Unternehmen Biotech und Mobil beschränkten sich diese Schritte auf einzelne Pilotprojekte bei einer relativ großen Lücke bis zur Anwendung der Technologie. Bei den Firmen Nano und Sensor konnten Maßnahmen bis zu einer Einführung der Tech- nologie definiert werden. In den Unternehmen Mobil, Nano und Sensor wurden darüber hinaus konkrete Zeitpunkte für einzelne Handlungen oder Ereignisse (wie z.B. verkauf- te Stückmengen) festgelegt. Insgesamt nahmen diese Zeitpunkte jedoch weniger den Charakter eines „klassischen" Meilensteins ein, sondern fungierten hauptsächlich als Richttermin für die Koordination von Aktivitäten oder zur Kommunikation von Techno- logiepotenzialen an das Top-Management (z.B. bei der Mobil). Die adressierten Zeit- räume lagen in sämtlichen Firmen deutlich über den jeweils etablierten Planungsfris- ten. Eine Verallgemeinerung über Zeiträume der Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade erscheint jedoch nicht möglich, da die Fristigkeiten mit den in den verschiedenen Branchen üblichen Entwicklungs- und Technologiezyklen divergieren. 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 205 Einflussfaktoren Mit dem Schema von Einflussfaktoren, das auf dem theoretischen Modell der Pfadent- stehung in Innovationssystemen basiert und in Abschnitt 4.2 ausführlich dargestellt wurde, konnten in allen Firmen eine Vielzahl von Größen berücksichtigt werden. Die Unterscheidung zwischen Landscape, Innovationssystem und Unternehmen ermöglich- te eine Sichtweise auf verschiedene, für die Technologieentwicklung relevante Berei- che. Die Teilnehmer betonten insbesondere die Möglichkeiten, Größen im gesellschaft- lichen, politischen und rechtlichen Umfeld systematisch aufzunehmen und in die Stra- tegiebildung einfließen zu lassen, sehr positiv. Auf Basis der Fallstudien lässt sich der Nutzen dieser Ebene vor allem in der Sensibilisierung der Firmen für Entwicklungen im Umfeld sehen. Die Bedeutung der Einflussfaktoren auf der Ebene der Landscape un- terschied sich jedoch in den einzelnen Projekten. Für das Unternehmen Mobil waren Dokumente und Trends im Makro-Umfeld von sehr hoher Relevanz, so dass eine in- tensive Analyse und Auseinandersetzung mit diesen Faktoren erfolgte. In der Fallstu- die der Sensor, der Biotech sowie der Firma Nano spielten diese Faktoren hingegen nur in Randbereichen eine Rolle, da keine direkte gesellschaftliche oder politische Dis- kussion dieser Technologien geführt wurde. Schwerpunkte der Analyse von Einflussfaktoren waren in allen Fallstudien Aspekte innerhalb des technologiebasierten Innovationssystems. Durch die Systematik von Akteuren, Institutionen, Wissen und Artefakten konnten die Einflussfaktoren auf dieser Ebene sehr strukturiert aufgenommen werden. In der Regel unterblieb jedoch eine sys- tematische Definition des Ist-Status zugunsten einer ausführlichen Beschreibung zu- künftiger Anwendungskontexte. Die detaillierte Aufnahme von Einflussfaktoren erfolgte in der Regel erst mit der Analyse der Defizite zwischen dem Status-quo und dem An- wendungskontext. Dies hatte den Effekt, dass das Vorgehen insgesamt zeiteffizienter durchgeführt werden konnte. Dabei erleichterte die Positionierung des Unternehmens auf einer möglichen zukünftigen Wertschöpfungskette die Aufnahme der Einflussfakto- ren, da dies die Komplexität des zukünftigen Technologieumfelds besser handhabbar machte. Das Potenzial der Dokumentation vorhandener Aktivitäten im Rahmen der Postitionsbestimmung hätte intensiver genutzt werden können. Es liegt nahe, dass diese Aufarbeitung vor allem bei einem Strategiereview von großem Nutzen sein könn- te, zum einen um die vorhandenen Kenntnisse nicht erneut sammeln zu müssen, zum anderen um die Entwicklung und Veränderung des extern vorhandenen Know-hows zu dokumentieren. Hinsichtlich der Schwerpunkte der identifizierten Defizite und Barrieren sind teilweise deutliche Unterschiede zwischen den Firmen erkennbar. Während diese bei den Fallstudien bei Biotech, Mobil und Sensor vor allem im Bereich des Wissens 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 206 lokalisiert wurden, bezogen sie sich bei Nano vor allem auf die Interaktion mit den be- stehenden Produktionsinfrastrukturen. Im Rahmen des gemeinsamen Symposiums wiesen die Teilnehmer auf den Bedarf einer Abstimmung mit Innovationszyklen ande- rer Technologien hin. Als wesentlich erachteten die Unternehmen zudem die Verfüg- barkeit komplementärer Technologien. Für die Analyse von Faktoren innerhalb des technologiebasierten Innovationssystems ist festzuhalten, dass mit einer größeren An- zahl von Beteiligten ein zunehmender Dissens über die Ausprägung dieser Faktoren festzustellen war. Die systematische Diskussion der identifizierten Einflussfaktoren durch weitere Teilnehmer kann daher als eine Möglichkeit gesehen werden, die Pro- jektergebnisse kritisch zu reflektieren. Die Analyse der Einflussfaktoren innerhalb des Unternehmens hatte in den verschie- denen Fällen unterschiedliches Gewicht. Bei Biotech und Mobil erfolgte eine intensive Debatte sowohl über die benötigten Ressourcen und Kompetenzen für die Verfolgung von Strategien als auch über Innovationsstrategien für langfristige Projekte. Im Unter- nehmen Sensor konzentrierte sich die Diskussion des Kompetenzaufbaus darauf, die eigenen Kompetenzen durch Partner in einem Netzwerk weiter zu ergänzen. Das Un- ternehmen verwies darüber hinaus auf die Gefahr der Kannibalisierung eines existie- renden Produktportfolios. Grundsätzlich war es schwierig, finanzielle Dimensionen von Strategien zu erfassen. Dies war zum einen auf die hohe Unsicherheit innerhalb der Felder sowie zum anderen auf die betrachteten langen Fristen zurückzuführen. Die stärkere Systematisierung von Einflussfaktoren auf der Ebene der Unternehmen im Rahmen der Positionsbestimmung hätte systematischer erfolgen können. Analog zu der Beobachtung auf der Ebene des Innovationssystems könnten so Doppelarbeiten bei der Prozesswiederholung vermieden werden und eine Transparenz über die Kom- petenzentwicklung der Firma gewonnen werden. Es ist außerdem darauf hinzuweisen, dass einige Einflussfaktoren im Unternehmen von den Teilnehmern nur schwierig zu analysieren sind. Dies gilt beispielsweise für die Unternehmenskultur. Gerade die Un- terschiede zwischen den Firmen – z.B. mit Sicht auf ihre Fähigkeit zur Aufnahme neuer Ideen – legen den Schluss nahe, dass die Kultur einen wesentlichen Einfluss ausüben kann. Es ist zu unterstellen, dass diese von Teilnehmen innerhalb der Firmen nur schwierig objektiv analysiert werden können. Die Evaluation der Beeinflussbarkeit von Einflussfaktoren gelang in allen Unterneh- men. Allerdings beschränkte sich die Analyse von Einflussmöglichkeiten in sämtlichen Fällen auf eine aggregierte Betrachtung einzelner Element-Kategorien, da die Teil- nehmer eine detaillierte Evaluation als zu zeitaufwendig ansahen. Die größten Ein- flussmöglichkeiten werden von den Firmen im Bereich des Wissens erkannt. Diese 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 207 sind umso größer, je gravierender die wahrgenommenen Wissenslücken auf dem Weg zu einem Anwendungskontext sind. Die Einflussnahme auf Infrastrukturen, Netzwerke oder Regelungen beurteilten die Teilnehmer eher zurückhaltend. Die Nano schätzte die Gestaltungsmöglichkeiten insgesamt als sehr gering ein. Bei der Untersuchung von Einflussfaktoren ist abschließend noch die Problematik der Identifikation möglicher Abhängigkeiten im Umfeld zu diskutieren. In allen Unternehmen wurden die Quellen möglicher Lock-ins nur sehr eingeschränkt untersucht, möglicherweise auch deshalb, weil die Firmen diese Abhängigkeiten in einem als unsicher wahrgenommenen Umfeld insgesamt positiv bewerten. Das Erreichen von Stabilität wird als gewünschte Entwick- lung betrachtet, die die Strategien gerade nicht verhindern sollten. Demgegenüber wünschten die Teilnehmer, Risikobetrachtungen bereits in sehr frühen Projektphasen durchzuführen und die finanziellen Dimensionen von Entscheidungen systematisch aufzunehmen. Dies steht jedoch tendenziell im Konflikt zum Entwerfen langfristiger Strategien, die in der Regel wesentlich höhere finanzielle Aufwendungen bei späteren Rückflüssen aufweisen. Zudem konnten die Teilnehmer in den Fallstudien nur vage Aussagen über die finanziellen Dimensionen der Technologieentwicklung und der Kommerzialisierung treffen. Organisation Bezüglich des vorgeschlagenen Organisationskonzepts der Vorausschau und Planung ist ein differenziertes Bild zu zeichnen. Die Vorgehensweise lieferte nach Aussage der Teilnehmer einen konsistenten Rahmen für die Strategieentwicklung. Jede Fallstudie durchlief die einzelnen Schritte des Ansatzes. Allerdings konnte die lineare Struktur nicht immer eingehalten werden. Vielmehr verdeutlichte die Zusammenarbeit in sämtli- chen Firmen den iterativen Charakter der Strategiebildung für neue Technologiepfade. Innerhalb der einzelnen Projekte erfolgte ein ständiger Wechsel zwischen einzelnen Prozessschritten. Darüber hinaus fanden im Rahmen einzelner Phasen entsprechende Iterationen statt. Den Auslöser für die Sprünge bildete die kontinuierliche Aufnahme neuer Informationen im Prozessverlauf, die eine Anpassung und Erweiterung der Er- gebnisse vorangegangener Arbeitsschritte notwendig machten. In dem abschließenden Workshop mit allen Unternehmensvertretern wurde aus diesem Grund gewünscht, dass jeder Prozessschritt eine systematische Überprüfung der Rückwirkung auf die Ergebnisse vorangegangener Schritte enthält. In diesem Zusammenhang wurde auch betont, dass jede Phase eine Entscheidung über Abbruch oder Fortführung der Vor- ausschau und Planung umfassen sollte. Gemeinsam war allen Fallstudien, dass die Zeit zwischen Workshops und Interviews, in der die Teilnehmer die Informationen und 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 208 Konzepte anhand der Visualisierungen reflektieren und evaluieren konnten, zum Ein- bringen neuer Ideen und Informationen wesentlich beitrug. Der Aufbau der Teams, mit denen bei der Vorausschau und Planung zusammengear- beitet werden konnte, wurde vor allem von der Unternehmensgröße und der Unter- nehmenskultur determiniert. Generell betonten die Teilnehmer die Bedeutung des Zu- sammenbringens einer heterogenen Gruppe mit Sicht auf die Funktionen innerhalb des Unternehmens. Bei größeren Firmen fanden Interviews und Workshops tendenziell mit mehr Experten statt. Dabei steigert sich mit einem größeren Kreis von Beteiligten die Anzahl der eingenommen Perspektiven und der neuen Ideen, wie im Fall der Unter- nehmen Mobil und Nano. Mit der Einbindung von Entscheidungsträgern wurden in die- sem Kontext unterschiedliche Erfahrungen gemacht. In den Unternehmen Biotech und Sensor ermöglichte die intensive Zusammenarbeit mit dem Top-Management eine Be- schleunigung des Prozesses im Vergleich zu anderen Firmen. Zudem brachten die Manager umfangreiches Branchenwissen in die Projekte ein. Mit der Beteiligung des Top-Managements stieg auch das Committment der übrigen Teilnehmer zu der Strate- gie und den definierten Maßnahmen. Allerdings führte die Einbeziehung der Geschäfts- leitung in der Mitte des Projekts bei der Firma Nano zu einem Unterdrücken von Krea- tivität, da das Management verschiedene neue Anwendungskontexte ohne vertiefende Analyse ausschloss. Die Vorgehensweise innerhalb des Projektes erfolgte hierdurch zwar insgesamt fokussierter, allerdings wurde das Potenzial für offene, flexible Strate- gien eingeschränkt. Eine Zusammenarbeit mit unternehmensexternen Personen in der Vorausschau und Planung setzt eine offene Firmenkultur voraus, wie beispielsweise bei der Sensor. In Firmen, in denen diese Offenheit nicht gegeben oder aus anderen Gründen für den spezifischen Fall unerwünscht war, bereiteten die Teilnehmer die Ein- beziehung von Externen lediglich vor. Die mangelnde Einbindung machte sich durch zum Teil erhebliche Wissenslücken auf Seiten der Unternehmen bemerkbar. Die Quali- tät der Ergebnisse und der Konkretisierungsgrad der Strategie hätten durch die geziel- te Interaktion mit Externen erheblich gesteigert werden können. Dabei wiesen die Fall- studien bezüglich der relevanten externen Teilnehmer Unterschiede auf. Während in den Firmen Mobil, Biotech und Sensor eine Einbindung von Forschungspartnern vor- bereitet oder durchgeführt wurde, lag bei Nano ein klarer Fokus auf der Ansprache von Kunden- und Nutzergruppen.614 Für die Aufbauorganisation bestätigt sich nach der Analyse aller Fälle, dass ein Projekterfolg entscheidend von der Rolle des Prozessver- antwortlichen innerhalb des Unternehmens abhängt. Eine hohe Eigenmotivation, Of- fenheit und eine gute Kenntnis unternehmensinterner und -externer Strukturen auf Sei- 614 Um Kunden- bzw. Nutzerzielgerichtet anzusprechen, wurden sowohl die konkreten Maßgrößen für den Kundennutzen als auch der Umfang der anzubietenden Funktionalität definiert. 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 209 ten des Prozess-Owners entscheiden wesentlich über den Erfolg der Strategieerstel- lung. Dies gilt zum einen mit Sicht auf die Verbreitung und Akzeptanz der Projekter- gebnisse innerhalb des Unternehmens sowie zum anderen für die Qualität der Ergeb- nisse. Für die durchgeführten Fallstudien gilt der Zusammenhang, dass sich die Er- gebnisse mit einem höheren Zeitaufwand durch die Unternehmen verbessern und sich dies auch auf die Nutzung der Ergebnisse positiv auswirkt. Firmen, bei denen durch intensive Beteiligung viel Zeit in die Vorausschau und Planung investiert wurde, konn- ten von den Ergebnissen kurzfristig stärker profitieren (z.B. durch die Verbesserung der Interaktion zwischen Funktionsbereichen). Als optimale Projektlaufzeit stellte sich ein Zeitraum von ca. 4 Monaten ein. Diese Frist ermöglicht sowohl eine intensive Ausei- nandersetzung mit einem Technologiefeld als auch eine erste kritische Reflexion der Ergebnisse. Die Fallstudien unterscheiden sich auch hinsichtlich der Anwendung entsprechender Methoden. Die Recherche in wissenschaftlichen Datenbanken ist nutzbringend, wenn die Lösung technischer Probleme im Vordergrund der Unternehmensstrategien liegt, wie insbesondere bei Biotech oder Sensor sowie teilweise auch bei der Mobil. Bei die- sen drei Firmen ging es darüber hinaus auch um das Aufspüren anderer komplementä- rer Technologien sowie neu aufkommender Konkurrenztechnologien. Diese beiden Aspekte ließen sich ebenfalls über Recherchen in Publikationsdatenbanken adressie- ren. Falls es sich vordringlich um das Finden neuer Anwendungen für weitgehend ent- wickelte Technologien handelt, wie beispielsweise bei Nano, sollte eine Analyse in Pa- tentdatenbanken erfolgen. In diesem Zusammenhang können auch die Funktionalitä- ten der etablierten, von potenziellen Kunden bereits genutzten Technologien mit der neuen Technologie verglichen werden. Des Weiteren konzentrierte sich die Suche bei den Firmen Mobil, Biotech und Sensor darauf, die wahrgenommenen Wissenslücken zu schließen. Bei der Nano war die Analyse hingegen darauf gerichtet, Partner und Kunden zu identifizieren, um die bestehenden Defizite im Bereich der Akteure und Netzwerke zu überwinden. Darüber hinaus wurde bei Nano auch nach Konkurrenten in den angestrebten Anwendungskontexten recherchiert. Auf dem gemeinsamen Sympo- sium wiesen die Unternehmensvertreter wiederholt auf die Problematik des „Informati- on Overload" durch die gleichzeitige Suche in unterschiedlichen Quellen hin. Eine Möglichkeit, diese Informationsflut abzumildern, könnte in anfänglich groben Recher- chen in unterschiedlichen Datenbanken liegen, um zuerst eine möglichst breite Über- sicht zu einem Themengebiet zu erhalten. Vertiefende Analysen würden sich anschlie- ßend auf die Datenquellen beschränken, die die höchste Relevanz für das Unterneh- men besitzen. Um in diesem Kontext einen Bias auf einzelne Quellen zu vermeiden, sollten sich grobe Suchen in verschiedenen Datenbanken und vertiefende Recherchen 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 210 in einzelnen Quellen abwechseln. Die Kombination von Forecasting und Backcasting hat sich in sämtlichen Firmen für die Strategieentwicklung bewährt. Insbesondere durch die „Konstruktion“ eines zukünftigen Anwendungskontextes und die „Rückschau“ aus diesem erlaubte die Identifikation einer Vielzahl von Einflussfaktoren, möglichen Barrieren und Hindernissen einer technologischen Entwicklung. Sehr positive Erfah- rungen machte das Projektteam mit der Führung von Einzelinterviews und dem Veran- stalten von Workshops, die eine abwechselnde Aufnahme und Diskussion von Informa- tionen ermöglichte. Dabei ist jedoch auf den zielgerichteten Einsatz dieser Methoden für die Erhebung von Informationen hinzuweisen. Insbesondere die kreativen Elemente der Vorausschau und Planung sollten erst in Workshops aufgegriffen werden. Bei- spielsweise zeigt sich in der Zusammenarbeit mit dem Unternehmen Mobil, dass Teil- nehmer, mit denen vor dem ersten Workshop in Einzelgesprächen über mögliche An- wendungen gesprochen sowie erste Strategien konzipiert wurden, sich nur sehr schwierig von diesen lösen konnten. Umso schwieriger fiel die anschließende Kon- sensfindung in Workshops. Generell stellten die Workshops Quellen für das Realisie- ren von neuen Ideen und Kreativität dar, die deutlich über die Inhalte der Interviews hinausgingen. Schließlich hat sich die gemeinsame Visualisierung der Projektergebnis- se in Roadmaps bewährt. Durch die Diskussion über mögliche Entwicklungsrichtungen, Zeiträume und Zusammenhänge zwischen verschiedenen Faktoren konnten neue Er- kenntnisse gewonnen und gemeinsame Sichtweisen entwickelt werden. Diese Beo- bachtung gilt gleichermaßen für alle beteiligten Firmen, es ist jedoch davon auszuge- hen, dass der Nutzen des Roadmapping mit einer größeren Anzahl von Beteiligten steigt. Gerade in kleinen Firmen (z.B. Biotech) ist die Visualisierung und Konsensfin- dung hauptsächlich als Prozess der strukturierten Informationsintegration anzusehen. Ein weiterer Aspekt der Organisation – der in dem Konzept des Ansatzes noch nicht berücksichtigt war – ist die Integration in die vorhandenen Management-Prozesse und Strukturen. Bei der Mobil wurde die Aufarbeitung der Ergebnisse in einer bestimmten, im Unternehmen verbreiteten Darstellungsform gewünscht. Auf der einen Seite liegt hierin eine Voraussetzung für die Kommunikation an das Top-Management des Unter- nehmens. Auf der anderen Seite erschwert dies die Interpretation der Ergebnisse durch den Entscheider, da der methodische Ursprung verschleiert wird. Eine frühzeiti- ge Einbindung des Top-Managements könnte dieses Problem verringern. Beispiels- weise könnte eine Beteiligung in der Vorbereitung oder dem Kick-off erfolgen, bei dem der Entscheider die Vorgehensweisen kennenlernt. Grundsätzlich könnte in der Pro- jektvorbereitung definiert werden, wie das Projekt zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade in den Management-Prozessen verankert wird und wie die Schnitt- stellen zu diesen Prozessen (z.B. Neuproduktentwicklung) gestaltet werden. 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 211 5.6.2 Typenbildung Die betrachteten Fallstudien unterscheiden sich in vielen Einzelaspekten bei den ent- worfenen Strategien, Inhalten, und betrachteten Einflussfaktoren sowie in den Details der Gestaltung von Ablauf und Aufbau. Dies verdeutlicht den Bedarf von spezifischen Vorgehensweisen für unterschiedliche Situationen der Vorausschau und Planung neu- er Technologiepfade, auf den bereits in der Diskussion der Forschungslücken sowie in der Hypothesenbildung hingewiesen wurde. Dieser Abschnitt versucht daher, auf Basis der Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den durchgeführten Fallstudien, geeignete Gruppierungen vorzunehmen, die verschiedene Varianten der Vorausschau und Planung in Abhängigkeit der Ausgangssituation ermöglichen. Es lassen sich meh- rere Gruppierungen vornehmen, die in unterschiedlichem Maße für eine Differenzie- rung der Vorgehensweise des entwickelten Ansatzes geeignet sind. Die jeweiligen Vor- und Nachteile werden im Folgenden diskutiert und sind in der Tabelle 13 gegenüber- gestellt. Wesentliche Probleme der Ausdifferenzierung des Ansatzes für die Vorausschau und Planung liegen in der Möglichkeit einer Definition der Situation vor der Durchführung des Ansatzes. Durch die Anwendung dieses Kriteriums entfallen die Unterscheidungen anhand der Resultat der Vorausschau und Planung, d.h. anhand der entwickelten Stra- tegien (z.B. „Art der Flexibilität, „Fristigkeit der Strategie", „Art der auftretenden Lü- cken"). Ebenso ist zu Beginn eines Projekts nicht immer klar, ob bekannte und oder unbekannte Anwendungen erschlossen werden sollten. Obgleich dies erhebliche Aus- wirkungen auf das Durchführen des Prozesses haben kann (z.B. frühzeitige Einbin- dung bestehender Kunden vs. Interaktion mit einer breiten Gruppe potenzieller Anwen- der), ist der adressierte Anwendungskontext daher nur eingeschränkt als Unterschei- dungsmerkmal geeignet. Als Ausgangspunkt kommt somit lediglich eine Festlegung auf Basis von Charakteristika des Unternehmens oder von Merkmalen der Technologie in Frage. Das Kriterium der Unternehmensgröße erscheint durch die gänzlich fehlende Berücksichtigung des technologischen Umfelds fragwürdig. Somit verbleibt theoretisch das Merkmal „vorhandene technologische Kompetenz", um eine Differenzierung auf unternehmensinterner Ebene vorzunehmen. Auf der Seite der Technologie ist schwer zu definieren, ob eine Technologie mehr auf der Wissenschaft oder auf dem techni- schen Know-how basiert, was gegen eine Anwendung dieses Kriteriums spricht. Der technologische Reifegrad kommt als Unterscheidungsmerkmal in Betracht, allerdings sind reife Technologien im gebräuchlichen Sinne nicht Gegenstand der Vorausschau und Planung in dieser Arbeit. Dieses Kriterium wäre daher bei einer Anwendung im Unternehmensalltag problematisch. Insofern bietet sich eine Abgrenzung nach der Art 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 212 der Entstehung eines neuen technologischen Pfades an. Diese Differenzierung wird dadurch gestützt, dass die Projekte bei der Sensor, der Mobil und der Biotech im Ver- gleich zum Projekt bei Nano sehr ähnlich sind. Kriterium Varianten Fälle Vorteile Nachteile mehrere mögliche Wege zu verschie- denen Anwendun- gen COTEC, EDAG mehrere mögliche Wege zu einer An- wendung SRD Art der Flexi- bilität eindeutige Wege zu mehreren Anwen- dungen Corrsys 3D • eindeutiges Zu- ordnen der Fälle möglich • erst ex-post be- kannt, welche Ausprägung in ei- nem Fall vorliegt mittelfristig (<3 Jah- re); kleinere Lücken zwischen Status- quo und Anwendung Corrsys 3D, COTEC Fristigkeit der Strategie langfristig (>3 Jah- re), größere Lücken zwischen Status- quo und Anwendung EDAG, SRD • eindeutige Zuord- nung der Fälle möglich • Fristigkeit hat Auswirkungen auf die Organisation (z.B. Wiederho- lung) • Auswirkung auf Strategien (Offen- heit) • Aussage über die Fristigkeit erst ex- post möglich Akteure COTEC Institutionen Corrsys 3D, COTEC Wissen Corrsys 3D, EDAG, SRD Art der auf- tretenden Lücken Artefakte EDAG • Art der Lücke hat Konsequenz für Strategie • Konsequenzen für Methoden der (Datenbank-) Recherche • andere Personen sind in das Vorge- hen einzubinden • eindeutige Zuord- nung der Fälle schwierig • Zuordnung erst ex-post möglich bekannt Corrsys 3D, EDAG adressierter Anwendungs- kontext unbekannt COTEC, EDAG, SRD • Bekanntheit des Anwendungskon- textes hat Konse- quenzen für Me- thodeneinsatz • andere Personen sind einzubinden • häufig werden be- kannte und unbe- kannte Anwen- dungen adressiert • Zuordnung der Fälle ex-ante schwierig Wissenschaftsba- siert EDAG, SRDArt des tech- nologischen Fortschritts Technologiebasiert Corrsys 3D, COTEC • Zuordnung der Fälle prinzipiell vor Projekt möglich • andere Methoden für die Datenbank- recherche not- wendig • eindeutige Zuord- nung der Fälle schwierig (Ver- schmelzung Technologie und Wissenschaft) • Gemeinsamkeiten der Fälle im Sam- ple sprechen ge- gen diese Grup- pierung 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 213 Kriterium Varianten Fälle Vorteile Nachteile niedrig Corrsys 3D, EDAG. SRD technologi- scher Reife- grad hoch COTEC • andere Recherche und Informations- möglichkeiten je nach Variante • ex-ante Definition der Prozessgestal- tung möglich • in Firmen verbrei- tetes Kriterium, um Technologien abzugrenzen • Definition des Rei- fegrades schwierig • Ansatz zu auf- wendig für jede reife Technologie durch neues techno- logisches Wissen Corrsys 3D, EDAG, SRD Art der Pfad- entstehung durch Transfer von beherrschter Tech- nologie in neue An- wendungen COTEC • Zuordnung der Fälle vor Projekt möglich • andere Methoden für die Datenbank- recherche not- wendig • andere Inhalte der Prozessphasen sind notwendig • andere zu beteili- gende Personen • tendenziell von Ähnlichkeit der Fälle im Sample gestützt • Kombination neu- er Pfade durch neues Wissen und durch Finden neu- er Anwendung in einem Projekt vor- stellbar große Unternehmen EDAG Unterneh- mensgröße kleine und mittlere Unternehmen Corrsys 3D, COTEC, SRD • Definition des Falls vor Durch- führen des Pro- jekts möglich • Unternehmens- größe beeinflusst strategische Mög- lichkeiten • Kriterien der tech- nologischen Situa- tion bleiben unbe- rücksichtigt technologische Kompetenzen vor- handen COTEC spezifische technologi- sche Kompe- tenz im Un- ternehmen technologische Kompetenzen nicht vorhanden Corrsys 3D, EDAG, SRD • Zuordnung der Fälle vor Projekt möglich • andere Personen sind in die Aktivität einzubinden • andere Einfluss- faktoren sind zu berücksichtigen • Kriterien der ex- ternen technologi- schen Situation nicht berücksich- tigt Tabelle 13: Kriterien für situationsspezifische Ansätze der Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade [Quelle: eigene Darstellung] Allerdings spielt in der Strategiebildung die oben angesprochene vorhandene techno- logische Kompetenz eine bedeutende Rolle. Daher sollte diese bei einer Differenzie- rung des Ansatzes nach spezifischen Anforderungen der Vorausschau und Planung ebenfalls berücksichtigt werden. Demzufolge sind die Kriterien „Art der Pfadentste- hung" sowie „vorhandene technologische Kompetenzen" als Merkmale besonders ge- 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 214 eignet. Stellt man diese gegenüber, so ergeben sich unterschiedliche Idealtypen der Vorausschau und Planung (vgl. Abbildung 28). spezifische technologische Kompetenz im Unternehmen nicht vorhanden vorhanden durch Transfer beherrschter Technologie in neue A nw endungen durch neues technologisches W issen A rt der Pfadentstehung Typ 1 Sensor, Mobil, Biotech Typ 2 Typ 3 Nano Abbildung 28: Idealtypen der Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade [Quelle: eigene Darstellung] Die Pfadentstehung durch neues technologisches Wissen schließt das Vorhandensein spezifischer Kompetenzen im Unternehmen aus, so dass die Gegenüberstellung ledig- lich drei Typen ergibt. Die Fallstudien Sensor, Mobil Und Biotech können dem Typ 1 zugeordnet werden. Charakteristisch für diesen Typ ist es, dass ein neuer technologi- scher Pfad durch neue Erkenntnisse entsteht, ohne dass die Unternehmen über spezi- fische technologische Kompetenzen verfügen. Das Unternehmen Nano entwickelte mit einer vorhandenen spezifischen Technologiekompetenz einen neuen Technologiepfad und ist daher Typ 3 zuzurechnen. Der Typ 2, bei dem ein Unternehmen eine etablierte Technologie ohne eigene technologische Kompetenzen in einen für die Technologie neuen Anwendungsbereich transferiert, kam in der Fallstudienuntersuchung dieser Arbeit nicht vor. Die vorgestellte Typenbildung wird im 6. Kapitel für die Erweiterung des ganzheitlichen Ansatzes für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfa- de genutzt. 5.6.3 Diskussion der Forschungsthesen In diesem Abschnitt werden die in Kapitel 2 definierten Forschungsthesen zwei bis vier diskutiert, die die inhaltlichen Leitlinien, die Einflussfaktoren und die Organisation der Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade aufgreifen.615 In diesem Zusam- 615 Für die Diskussion der ersten These wird auf den Abschnitt 3.5 verwiesen. 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 215 menhang werden auch die Ergebnisse der Unternehmensbefragung zu dem ganzheit- lichen Ansatz genutzt (vgl. Anhang D). Auf Basis der geführten Diskussion erfolgt zum einen die Anpassung des vorgestellten Ansatzes und wird zum anderen weiterer For- schungsbedarf formuliert. Die zweite Forschungsthese bezieht sich auf die Integration unterschiedlicher Leitlinien der Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade. Der Begriff der inhaltlichen Leitlinien dient als Rahmen einerseits für die Aufgaben und Aktivitäten der Voraus- schau und Planung und andererseits für die Charakteristika der entwickelten Strate- gien. 2. Ansätze für die Vorausschau und Planung neuer technologischer Pfade richten sich nach bestimmten inhaltlichen Leitlinien, die sich auf die zu erfüllenden Aufgaben und die Anforderungen an die zu entwickelnden Strategien bezie- hen. Vorhandene Ansätze berücksichtigen diese Leitlinien nur partiziell und konkretisieren diese nicht durchgehend. Wenn die in den vorhandenen Ansät- zen verfolgten Leitlinien integriert und über geeignete Konzepte konsistent o- perationalisiert werden, kann ein ganzheitlicher Ansatz der Vorausschau und Planung entwickelt werden. Die Diskussion dieser These findet getrennt für die Aufgaben sowie die Charakteristika der Strategien statt. Um eine Aussage über die Aufgaben und Aktivitäten der Voraus- schau und Planung neuer Technologiepfade vornehmen zu können, lassen sich zwei Fragestellungen formulieren, die im Folgenden beantwortet werden: Inwiefern konnten die Aufgaben und Aktivitäten erfolgreich konkretisiert und durchgeführt werden? Wel- che Rückschlüsse können auf das Set zentraler Aufgaben und Aktivitäten gezogen werden? Die Identifikation und detaillierte Beschreibung zukünftiger Anwendungskontexte in Workshops führte in allen Fallstudien zur Konkretisierung gemeinsamer Visionen für die Nutzung der Technologie durch das Unternehmen. Der Prozess, in dem die vor- handenen technologischen Ansätze diskutiert, ihr Potenzial evaluiert und die Anwen- dungsmöglichkeiten identifiziert wurden, ermöglichte das Finden einer gemeinsamen Sprache und den Aufbau eines gemeinsamen Verständnisses zwischen den Teilneh- mern. Vor allem die Visualisierung der Wege zu den beschriebenen Anwendungskon- texten unterstützte das Manifestieren einer geteilten Auffassung über zukünftig not- wendige Aktivitäten des Unternehmens. Diese Einschätzung wird durch die Ergebnisse der Befragung gestützt. Drei von vier Unternehmen gaben an, dass ein gemeinsames Verständnis zwischen den Teilnehmern aufgebaut werden konnte („trifft vollständig zu"). Die visualisierten Ergebnisse hatten den Nebeneffekt, dass sie eine gute Basis für 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 216 den schnellen Einstieg in weitere Workshops oder Interviews darstellten. Die Antizipa- tion möglicher Entwicklungen erfolgte vor allem im Rahmen der Identifikation von Lü- cken und Hindernissen der Technologieentwicklung sowie bei der Beschreibung kriti- scher Ereignisse. Unterstützt wurde die Antizipation durch die Einordnung der Lücken zwischen Ist-Status und Anwendungskontext in die Kategorien Akteure, Institutionen, Wissen und Artefakte. Dies ließ eine strukturierte Auseinandersetzung mit möglichen zukünftigen Ereignissen und Problemen zu. Für die Teilnehmer wurden die Auswirkun- gen von Barrieren und kritischen Ereignissen auf das Unternehmen durch ihr geziel- tens Aufgreifen bei der Strategieerstellung greifbar. Die offenen, leitfadengestützten Interviews sowie die gemeinsame Diskussion in Workshops schaffte Raum, um zahl- reiche neue Ideen zu generieren und vorhandene Kenntnisse im Unternehmen zu ver- teilen. Der Austausch von Positionen und Ergebnissen aus Interviews und Datenbank- recherchen verbreiterte insgesamt den Wissensstand der Teilnehmer. Die Erfahrung in den Projekten zeigte jedoch, dass dieses neu generierte Wissen zum Teil nach der Projektdurchführung implizit blieb. Eine systematische Dokumentation über die Road- maps hinausgehend (z.B. mit Sicht auf Annahmen und Vorarbeiten) könnte die Nut- zung dieses Wissens in Folgeprojekten unterstützen. Schwierig fiel den Teilnehmern das kritische Hinterfragen der Strategien und Annahmen. Zum Teil erfolgte dies in der Auseinandersetzung über mögliche Wege zu unterschiedlichen Anwendungskontexten. Das Potenzial einer Reflexion zum Ende der Projekte, die ganz neue Einsichten her- vorbringt, schöpften die Teilnehmer jedoch nicht vollständig aus. Möglicherweise sollte diese Reflexion daher zeitlich versetzt erfolgen, um Abstand zu der häufig sehr zeit- aufwendigen und diskussionsintensiven Strategieerstellung zu gewinnen. Die beteilig- ten Unternehmen vergaben in der Befragung maximal drei von fünf Punkten bei der Frage nach dem Grad der kritischen Reflexion. Eine Aussage über das Aufspüren schwacher Signale durch den Ansatz hat mehrere Aspekte zu berücksichtigen. Grund- sätzlich ist davon auszugehen, dass die Teilnehmer nach der Durchführung der Vor- ausschau und Planung für das Erkennen beginnender Veränderungen in dem unter- suchten Feld sensibilisiert sind. In einigen Fallstudien waren im Ergebnis der Analysen in Patent- und Publikationsdatenbanken konkrete Anzeichen eines aufkommenden Wandels erkennbar. Offen ist jedoch, ob in den anderen Fallstudien keine Signale prä- sent waren oder ob das Projektteam diese Signale aufgrund der gewählten Suchstra- tegie übersah. Deshalb kann auf Basis der Fallstudien keine abschließende Aussage über die Möglichkeiten zur systematischen Aufnahme schwacher Signale vorgenom- men werden. In einigen Fällen löste die Durchführung des Projekts Veränderungen im Unternehmen aus. Dies erfolgte jedoch wenig systematisch und fand vor allem als „Nebeneffekt" bei der kritischen Auseinandersetzung mit den Einflussfaktoren inner- 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 217 halb des Unternehmens statt. Dies wird durch die Befragung bestätigt. Die Unterneh- men vergaben maximal 2 Punkte bei der Beantwortung dieser Frage. Allerdings beton- ten die Teilnehmer auf dem Unternehmensübergreifenden Workshop die Möglichkeit, durch die Vorausschau und Planung Veränderungsprozesse anzustoßen. Um konkrete Veränderungen durch die Anwendung des Ansatzes herbeizuführen, sollte dieses Ziel – soweit möglich – bereits in der Vorbereitung des Projekts definiert werden. Ansons- ten besteht die Gefahr, dass Potenziale für Erneuerungen ungenutzt bleiben. Die Be- stimmung von Wechselwirkungen bildete einen Kerngegenstand der Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade in allen vier Fallstudien. Ohne diese erscheint die Strategiebildung nicht möglich. Zusammenfassend ermöglichte der ganzheitliche An- satz die Integration und Konkretisierung der in der Literatur diskutierten Aufgaben und Aktivitäten der Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade. Nach der Durchführung der Fallstudien in vier Unternehmen stellt sich weiterhin die Frage, welche Rückschlüsse auf das in der Literatur identifizierte Set von Aufgaben und Aktivitäten der Vorausschau und Planung neue Technologiepfade zu ziehen sind. Erstens ist die Vorausschau und Planung ohne die Berücksichtigung von Wechselwir- kungen schwer vorstellbar, so dass diese nicht als explizite Aktivität definiert werden sollte. Zweitens nimmt die Aufgabe des Anstoßens von Veränderungen eine Randposi- tion ein. Das Herbeiführen von Wandel sollte daher in Einzelfällen in der Projektvorbe- reitung definiert werden, ist jedoch insgesamt weniger zentral als die anderen Aufga- ben und Aktivitäten. Insofern ist von einem Kernbereich auszugehen, der die Schaffung eines gemeinsamen Verständnisses durch intensive Kommunikationsprozesse, die Erarbeitung von Visionen, die Antizipation von Entwicklungen, die Ermöglichung von Kreativität und Lernen, die Identifikation von schwachen Signalen sowie das Reflektie- ren der Ergebnisse umfasst. Die Diskussion mit den Unternehmensvertretern verdeut- lichte, dass die Evaluation der Tragfähigkeit eines technologischen Pfades durch das Unternehmen einschließlich einer systematischen Risikobetrachtung eine weitere zent- rale Aufgabe der Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade darstellen soll- te.616 Die Aussagen zu den Charakteristika der zu entwickelnden Strategien lassen sich ebenfalls anhand von zwei Fragestellungen strukturieren. Konnten die geforderten Strategieeigenschaften durch den Ansatz realisiert werden? Welche Rückschlüsse können von den Fallstudien auf das Set der Charakteristika gezogen werden? 616 Konzepte für die Analyse von Risiken der Entwicklung neuer Technologien finden sich bei- spielsweise bei Keizer, Vos & Halman (2005:303) oder bei Kostoff (1997:10ff.). 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 218 In allen Fallstudien entwarfen die Projektteilnehmer flexible Strategien. Die realisierte Flexibilität bezog sich in einigen Fällen auf die Identifikation mehrerer Anwendungskon- texte, die ein Unternehmen adressieren sollte. In anderen Fällen wurde Flexibilität mit Sicht auf die Wege zu einem oder mehreren Anwendungskontexten verwirklicht. Dies zeigen auch die Antworten der Unternehmen in der Befragung. Alle Unternehmen ver- gaben drei oder vier Punkte bei der Beantwortung der 4. Frage. Die mögliche Flexibili- tät wurde jedoch nicht immer ausgeschöpft, beispielsweise wenn Anwendungskontexte ohne systematische Analyse ausgeblendet wurden. Vorzuschlagen ist daher, die aus- geblendeten Anwendungskontexte zu dokumentieren und bei der Wiederholung des Prozesses erneut aufzugreifen und zu untersuchen. Neben der Flexibilität sollte die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade auch konkrete Strategien bereit- stellen. Sämtliche Unternehmen definierten konkrete Schritte für das weitere Vorgehen, wie die Ergebnisse der durchgeführten Befragung bestätigen. Drei Unternehmen ver- gaben vier Punkte bei der Beantwortung dieser Frage; ein Unternehmen vergab fünf Punkte. Die Strategien bezogen sich jedoch auf einen relativ kurzen Zeitraum. Daher wurden zusätzlich zu diesen kurzfristigen Schritten in einigen Fallstudien auch konkrete zukünftige Entscheidungspunkte definiert. Positive Erfahrungen sammelten die Projekt- teilnehmer bei der Festlegung von „Exit-Punkten", bei denen das Unternehmen die Aktivität in einen technologischen Pfad abbricht. Das Potenzial der Festlegung von Entscheidungspunkten, die eine Verbindung von flexiblen und konkreten Strategien ermöglichen, konnten die Projektteilnehmer jedoch nicht vollständig erschließen. Die Notwendigkeit einer Auseinandersetzung mit zukünftigen Entscheidungspunkten, bei- spielsweise beim Eintreten bestimmter Ereignisse, sollte in den Unternehmen daher wesentlich stärker kommuniziert werden. Ein entsprechender Bedarf wurde auch auf dem firmenübergreifenden Symposium artikuliert. Diese Aufgabe könnte bei dem Re- view des Prozesses durchgeführt werden, wenn den Teilnehmern mehr Informationen über zukünftige Entwicklungen zur Verfügung stehen. In allen Fallstudien wurden lang- fristige Strategien erfolgreich konzipiert. In einigen Unternehmen ergab sich ein Defizit zwischen den kurzfristig anzustoßenden Maßnahmen – d.h. den konkreten Schritten für die Umsetzung der Strategie – und den zukünftigen Anwendungskontexten – d.h. den Endpunkten der Strategie. Der konsequente Entwurf von „Zwischenzuständen", die zeitlich zwischen dem Ist-Status und dem Anwendungskontext liegen, könnte eine Lösungsmöglichkeit für dieses Problem darstellen. Für die Anforderung, das Timing von Entscheidungen zu konkretisieren, gilt diese Einsicht analog. Das zeitliche Einord- nen von Zwischenzuständen könnte die Definition konsistenter Zeiträume, beispiels- weise für die Technologieentwicklung, den Kompetenzaufbau und die Netzwerkbil- dung, erleichtern. Die Anforderung der Erstellung offener Strategien wurde mit Ein- 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 219 schränkungen in allen Projekten realisiert. Sämtliche Unternehmen zogen zumindest zu Beginn der Vorausschau und Planung unterschiedliche Anwendungsmöglichkeiten in Erwägung. Kritisch anzumerken ist jedoch, dass diese Offenheit sich nur auf die be- reits diskutierten Anwendungskontexte bezog und die Möglichkeit des Aufkommens völlig neuer Anwendungen nur sehr eingeschränkt behandelt wurde. Um diesen Man- gel zu adressieren, sollte die Identifikation weiterer alternativer Anwendungskontexte eine zentrale Bedeutung bei der Wiederholung des Vorgehens erhalten. Bezüglich des Sets von Charakteristika ergibt sich ein differenziertes Bild. Von zentra- ler Bedeutung ist die Realisierung des Dilemmas von Flexibilität und Konkretisierung. In diesem Zusammenhang ist die Definition von Zwischenzuständen als zusätzliche Anforderung an die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade zu betonen. Auf Basis der durchgeführten Fallstudien ist sowohl das Timing als auch die explizite Langfristigkeit der Strategie für die Unternehmen von geringerer Bedeutung. Letztere ist zudem in der Regel durch das frühe Entwicklungsstadium der untersuchten Techno- logien automatisch gegeben. Somit ergibt sich ein Anforderungskatalog, der die For- mulierung flexibler Strategien, die Ableitung konkreter Schritte und Handlungsoptionen sowie die Definition von Zwischenzuständen der Strategien umfasst. Die Beurteilung der Vollständigkeit dieses Sets von Charakteristika entzieht sich jedoch einer abschlie- ßenden Aussage, da der Strategieerfolg nur retrospektiv einzuschätzen ist. Dies war im Rahmen des Projekts nicht möglich. Die dritte These adressiert die Analyse von Einflussfaktoren der Vorausschau und Pla- nung neuer Technologiepfade. Diese lassen sich den Ebenen Umfeld, technologieba- siertes Innovationssystem und Unternehmen zuordnen. 3. Die Vorausschau und Planung im Umfeld neuer technologischer Pfade wird in einem Spannungsfeld von Einflussfaktoren durchgeführt. Diese liegen sowohl im Unternehmensumfeld als auch innerhalb des Unternehmens. Vorhandene Ansätze berücksichtigen diese Einflussfaktoren nur unsystematisch und evalu- ieren die Beeinflussbarkeit durch ein Unternehmen nicht. Wenn der Voraus- schau und Technologieplanung ein theoretisch und empirisch fundierter Rah- men zugrunde liegt, können Informationen systematisch aufgenommen und die Möglichkeiten der Beeinflussung ganzheitlich evaluiert werden. Den Ausgangspunkt der Konzeption eines Rahmens für die Aufnahme der Einflussfak- toren bildet das theoretische Modell der Entstehung technologischer Pfade in Innovati- onssystemen. Für diese Diskussion wird auf Kapitel 3 verwiesen. Aussagen bezüglich der dritten These orientierten sich an den Fragen „Konnten die Einflussfaktoren syste- 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 220 matisch und strukturiert aufgenommen werden?" und „Konnte eine Evaluation der Be- einflussbarkeit erfolgen?". Das Aufnehmen der Einflussfaktoren auf Basis der gewählten Trennung von Akteuren, Institutionen, Wissen und Artefakten fand sehr strukturiert statt. Die Unterscheidung dieser Strukturelemente erleichterte es den Teilnehmern, ihre eigene Wahrnehmung des Umfelds zu ordnen und sich darüber mit anderen Personen auszutauschen. Die Faktoren auf der ersten Ebene des gesellschaftlichen Umfelds spielten nicht in allen Fallstudien eine Rolle. Generell wird die Bedeutung dieser Faktoren umso größer, je mehr Branchen, Technologien und Lebensbereiche von einer Technologie potenziell betroffen sind. Bei der Verfolgung technologischer Innovationen mit einer geringeren Reichweite sind auf dieser Ebene vor allem Institutionen von Relevanz, während die übrigen Dimensionen weitestgehend vernachlässigt bleiben. Allerdings betonten alle Firmen die Bedeutung der Analyse des gesamtgesellschaftlichen Umfelds, so dass sich diese als zentraler Bestandteil der Vorausschau und Planung neuer Technologie- pfade bewährte. Der Schwerpunkt der Analyse lag in allen Fallstudien auf der Ebene des technologiebasierten Innovationssystems. Die vorgeschlagene Unterscheidung verschiedener Strukturelemente ermöglichte gerade auf dieser Ebene eine systemati- sche und strukturierte Auseinandersetzung zwischen den Teilnehmern. Zum einen zeigte sich in den Projekten schnell, welche Aspekte bei der Analyse tendenziell wenig beachtet wurden, wie beispielsweise institutionelle Regelungen oder die Interaktion mit anderen Artefakten („technologische Infrastruktur“). Dies hielt die Teilnehmer zu einer verstärkten Debatte über diese Faktoren an. Zum anderen wurde schnell deutlich, über welche Faktoren wenig Wissen vorhanden war und wo vertiefende Analysen durchzu- führen waren. Alle Firmen vergaben entweder drei oder vier Punkte bei der Frage nach der Berücksichtigung aller wesentlichen Einflussfaktoren. Weiterhin ließ die Unter- scheidung von Akteuren, Institutionen, Wissen und Artefakten den Entwurf sehr detail- lierter Bilder möglicher Anwendungskontexte zu, so dass die Teilnehmer daraus zahl- reiche Lücken der Technologie- und Unternehmensentwicklung ableiten konnten. Ins- gesamt verwendeten die Teilnehmer in den Unternehmen die Unterscheidung intuitiv und konnten ein gutes Verständnis für das neue technologiebasierte Innovationssys- tem sowie für zukünftige Anwendungskontexte aufbauen. Eine wichtige Ergänzung ergab sich in den Projekten mit breit diversifizierten Firmen. Um die Aufnahme zukünf- tiger Ausprägungen von Einflussfaktoren zu erleichtern, definierten die Teilnehmer eine Position auf der erwarteten Wertschöpfungskette. Hierdurch reduzierte sich die Kom- plexität des Umfelds, was die Analyse (z.B. der potenziellen direkten Netzwerkpartner) erleichterte. Auf der dritten Ebene des Unternehmens konzentrierte sich die Diskussion vor allem auf die Kompetenzen sowie die Kultur der Firmen. Allerdings trat die Analyse 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 221 unternehmensinterner Einflussfaktoren in den Hintergrund der Untersuchung des tech- nologiebasierten Innovationssystems. Um diese tendenzielle Vernachlässigung aus- zugleichen, sollte das Zeichnen zukünftiger Bilder des Unternehmens eine stärkere Rolle spielen. Auf diesem Wege könnten auch die notwendigen Entwicklungsschritte und Veränderungen im unternehmensinternen Bereich (z.B. Kompetenzaufbau, neue Geschäftsmodelle, Veränderung von Strukturen) intensiver debattiert und vorbereitet werden. Die Identifikation von Abhängigkeiten sowie die Evalution der Beeinflussbarkeit von Faktoren waren weitere Ziele des ganzheitlichen Ansatzes der Vorausschau und Pla- nung neuer Technologiepfade. In den Fallstudien konnten potenzielle Lock-ins kaum systematisch analysiert werden. Wie oben diskutiert, könnte ein Erklärungsansatz für die geringe Bereitschaft, die Gefahren von Lock-ins zu untersuchen, im Bedürfnis der Teilnehmer nach Stabilität in unsicheren Umfeldern liegen. Eine mögliche Lösung könnte darin bestehen, entsprechende Quellen von Abhängigkeiten erst in der Wieder- holung des Prozesses zu berücksichtigen und so die Teilnehmer im Unternehmen für diese Thematik sensibilisieren. Beispielsweise könnte untersucht werden, welche In- stabilitäten sich im Vergleich zum vorangegangenen Vorausschau- und Planungspro- jekt reduzierten und welche Konsequenzen daraus für die weitere Entwicklung abzulei- ten sind. Eine alternative Lösungsmöglichkeit könnte in der Bereitstellung besserer Tools für die Analyse von Abhängigkeiten liegen. Als schwierig stellte sich auch die Evaluation der Beeinflussbarkeit einzelner Faktoren heraus. In der Zusammenarbeit mit den Unternehmen wurde daher auf die Betrachtung einzelner Faktoren verzichtet und anstelle dessen eine Bewertung nach Gruppen von Einflussfaktoren in den Di- mensionen Akteure, Institutionen, Wissen und Artefakte vorgenommen. Die Analyse der Beeinflussbarkeit war den Teilnehmern insgesamt schwierig zu vermitteln, ist je- doch ein entscheidender Faktor für das Ausschöpfen des strategischen Potenzials des Unternehmens. Eine Möglichkeit, die Notwendigkeit dieser Evaluation besser zu kom- munizieren, besteht in der Formulierung spezifischer Fragestellungen. Beispielsweise könnten die Teilnehmer dazu aufgefordert werden, diejenigen Faktoren zu identifizie- ren, deren Beeinflussung für das Unternehmen am attraktivsten wäre. Anschließend könnten für diejenigen Faktoren, bei denen eine Beeinflussbarkeit angenommen wird, strategische Alternativen zur gezielten Einflussnahme vorbereitet werden. Die vierte These adressierte die Ablauf- und Aufbauorganisation der Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade. Sie umfasst den spezifischen Teamaufbau, Metho- deneinsatz und Vorgehensplan. 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 222 4. Verschiedene Aufgaben der Vorausschau und Planung neuer technologischer Pfade sind in einem situationsspezifischen Ablauf zu erfüllen. Potenziell rele- vantes Wissen und benötigte Kompetenzen für jede Situation befinden sich an verteilten Stellen innerhalb und außerhalb des Unternehmens. Vorhandene Ansätze der Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade sehen in der Regel keine situationsspezifischen Ansätze vor und verknüpfen nur selten As- pekte der Ablauf- und Aufbauorganisation. Wenn die relevanten und betroffe- nen Stellen für die Erfüllung situationsspezifischer Aufgaben in einem struktu- rierten Prozess eingebunden werden, sichert dies die Qualität und die Effizienz des Ansatzes. Aussagen über diese These lassen sich nach zwei Fragestellungen strukturieren: Wel- che Aussagen können über die genutzte Ablauf- und Aufbauorganisation der Voraus- schau und Planung getroffen werden? Welche Möglichkeiten einer situationsspezifi- schen Anpassung sind auf Basis der Fallstudien vorstellbar? Das Vorgehen innerhalb des Prozesses, d.h. die Definition eines Ausgangspunktes, die Bildung von Visionen, die Identifikation von Lücken, die Erarbeitung strategischer Optionen, die Entscheidung und die Wiederholung des Vorgehens hat sich grundsätz- lich bewährt. Die Firmen gaben in der anschließenden Befragung an, dass die Ergeb- nisse des Prozesses qualitativ hochwertig waren, d.h. im Unternehmen auch weiterhin genutzt wurden; die zentralen Ansprechpartner vergaben bei dieser Frage drei bis fünf Punkte. Die Effizienz des Prozesses wurde weniger positiv bewertet. Die Einschätzun- gen der Firmen schwanken zwischen zwei und vier Punkten der Zustimmung. Auf Ba- sis der Fallstudien sind verschiedene Anpassungen in Einzelaspekten des Ablaufs so- wie in der Einbindung der Personen vorzunehmen. Erstens sind die notwendigen Itera- tionen zwischen den einzelnen Phasen zu betonen, um eine Balance zwischen dem strukturierten Vorgehen auf der einen Seite und dem Bedarf einer Anpassung nach der Gewinnung neuer Informationen auf der andern Seite zu schaffen. Zu diesem Zweck sollten die Teilnehmer am Ende jeder Phase die Auswirkungen auf die Ergebnisse der vorangegangenen Phasen systematisch untersuchen. Zweitens zeigte sich in den Fall- studien die Notwendigkeit einer deutlichen Trennung zwischen der Definition des Ist- Status und dem Entwerfen von Zukunftsbildern. Während der Ist-Status besonders konstruktiv in Interviews mit Fachexperten aufgenommen werden kann, sollte die Iden- tifikation zukünftiger Anwendungskontexte erst in Workshops erfolgen. Hierdurch parti- zipieren die Teilnehmer mit weniger fixierten Vorstellungen an den Workshops und ermöglichen so eine offenere Diskussion. Drittens sollte die Phase der Wiederholung aufgrund der Probleme bei der Reflexion der erzielten Ergebnisse sowie der Identifika- tion von Abhängigkeiten wie oben diskutiert um diese beiden Aspekte erweitert wer- den. Viertens haben die Fallstudien gezeigt, dass die Zeitspanne für die Anwendung 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 223 des Ansatzes in den Unternehmen je nach Komplexität des Projekts zwischen drei und vier Monaten betragen sollte. Dabei ist zu beachten, dass die Teilnehmer zwischen den einzelnen Terminen ausreichend Zeit für das Hinterfragen von Ergebnissen erhal- ten. Fünftens ist die zentrale Funktion eines Prozess-Owners innerhalb des Unterneh- mens hervorzuheben. Im Idealfall verfügt dieser über eine gute Kenntnis verschiedener Aktivitäten innerhalb des Unternehmens und besitzt eine fundierte Branchenkenntnis, um neue Informationen schnell in einen Gesamtkontext einzuordnen. Sechstens sollte die Geschäftsleitung zum Anfang und am Ende des Prozesses involviert werden. Die Partizipation am Anfang hat den Effekt eines Kennenlernens des Ansatzes, die Vor- aussetzung für das Verständnis und die Akzeptanz der Projektergebnisse ist. Zudem signalisiert sie ein grundsätzliches Committment zu der Aktivität. Jedoch kann die Ein- beziehung des Top-Managements in der Mitte des Vorausschau-Prozesses für den Projektfortschritt hinderlich sein, weil damit die Gefahr verbunden ist, dass Entschei- dungsträger die kreativen Phasen dominieren und einer breiten Identifikation von An- wendungskontexten und Strategieoptionen entgegenstehen. Die Entscheidung über strategische Richtungen gemeinsam mit dem Top-Management ist vor allem zum Ende des Projekts notwendig, um das Wissen dieser Personen zu integrieren und das nötige Committment für das zielorientierte Weiterarbeiten der Teilnehmer zu erhalten. Sieben- tens sollte die Einbindung von Fachexperten von außerhalb des Unternehmens situativ erfolgen. Bei der Identifikation von Anwendungskontexten können sie wesentliche neue Informationen in das Unternehmen einbringen. Des Weiteren können sie neue Per- spektiven auf mögliche Defizite und Barrieren bei dem Weg zu unterschiedlichen An- wendungsmöglichkeiten eröffnen. Schließlich ist in der Einbeziehung unternehmensex- terner Teilnehmer ein Potenzial für die kritische Reflexion der erzielten Ergebnisse zu sehen. Die Erfahrung in der Zusammenarbeit mit den Unternehmen zeigt jedoch, dass oftmals nur eine geringe Bereitschaft besteht, die strategischen Ansätze mit Partnern zu teilen. Als Zwischenlösung könnte daher auch auf Personen innerhalb des Unter- nehmens zurückgegriffen werden, die sich nicht an der Strategiebildung beteiligten, um eine Reflexion der Ergebnisse und das Einbringen von neuen Informationen in die Vor- ausschau und Planung zu ermöglichen. Die Fallstudien haben Ansatzpunkte für eine situationsspezifische Ausgestaltung des Ansatzes der Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade ergeben. In diesem Zusammenhang haben sich zwei Kriterien als besonders geeignet herausgestellt. Auf Basis der Fallstudienuntersuchung sollte eine Variantenbildung entlang der Charakte- ristika der Pfadentstehung sowie der im Unternehmen vorhandenen Kompetenzen er- 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 224 folgen.617 Insgesamt lassen sich drei Varianten ableiten. Die erste Variante sollte bei der Vorausschau und Planung genutzt werden, wenn neue wissenschaftliche Erkennt- nisse völlig neue technologische Lösungen ermöglichen. Die zweite Variante ist für die Strategiebildung konzipiert, bei der bestehende technologische Lösungen in neue An- wendungsbereiche transferiert werden sollen, ohne dass das Unternehmen über Kom- petenzen im Bereich der Technologie verfügt. Die dritte Variante ist für die Voraus- schau und Planung geeignet, bei der bestehende Technologien, die ein Unternehmen beherrscht, in neue Anwendungskontexte gebracht werden sollen. Die Varianten las- sen sich sowohl hinsichtlich der Inhalte der einzelnen Phasen und der einzubindenden Personen als auch hinsichtlich des Methodeneinsatz unterscheiden. Die Eignung die- ser Unterscheidung wurde auch von den Unternehmensvertretern auf dem gemeinsa- men Symposium herausgestellt. Die weitere Spezifikation der drei Typen der Voraus- schau und Planung neuer Technologiepfade erfolgt im Anschluss an die kritische Re- flexion des Untersuchungsdesigns. 5.6.4 Kritische Reflexion des Untersuchungsdesigns Nach der Diskussion der Ergebnisse werden nachfolgend die Grenzen des Untersu- chungsdesigns und die Aussagefähigkeit der Ergebnisse besprochen. Der erste Teil umfasst die positiven Erfahrungen mit dem Untersuchungsdesign. Dabei werden auch Vergleiche zu alternativen Designs gezogen. Der zweite Teil konzentriert sich auf die Grenzen. Das Untersuchungsdesign ermöglichte Aussagen über verschiedene Problembereiche der Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade, wie beispielsweise das Set von Aufgaben und Anforderungen an die Strategien, die Bedeutung unterschiedlicher Einflussfaktoren und die spezifische Ausgestaltung der Organisation in verschiedenen Situationen. Die Fallstudien sind sowohl in Bezug auf die Branchen der beteiligten Un- ternehmen sowie deren Größe und Diversifizierung als auch hinsichtlich der untersuch- ten Technologien sehr heterogen. Diese Breite des Untersuchungsdesigns ermöglichte es, den Ansatz in sehr verschiedenartigen Situationen anzuwenden. Die erfolgreiche Strategieentwicklung in unterschiedlichen Kontexten lässt auf eine prinzipielle Über- tragbarkeit des Ansatzes in eine Vielzahl von Umfeldern schließen. Der breite Aufbau der Untersuchung erlaubte außerdem die Identifikation zusätzlicher Problembereiche der Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade, die an ver- schiedenen Stellen auf weiteren Forschungsbedarf hindeuten. Dabei gestattete die 617 Für eine Herleitung dieser Differenzierung vgl. Abschnitt 5.6.2. 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 225 relativ geringe Anzahl der Falluntersuchungen eine intensive Zusammenarbeit mit den beteiligten Firmen. Neben der engen Interaktion erlaubte auch die Anwendung des Ansatzes auf Technologien, denen die Unternehmen ein großes Potenzial beimaßen, eine direkte Aufnahme von Problemen aus den Unternehmen. Infolgedessen wurden auch verschiedene Störquellen der Vorausschau und Planung im Unternehmensalltag verdeutlicht, wie beispielsweise das Verhalten des Top-Managements, politische Inte- ressen sowie Einflüsse der Unternehmenskultur. Mit der Anwendung des Ansatzes in einer experimentellen Situation oder mit einer Fragebogenuntersuchung hätte eine solche Problemaufnahme nur eingeschränkt realisiert werden können. Bewährt haben sich zudem die Leitfadeninterviews mit Fachexperten bei gleichzeitiger Begleitung durch den Prozess-Owner des Unternehmens. Die Interviews boten sowohl einen Rahmen, um Informationen strukturiert aufzunehmen, als auch um offene Diskussio- nen zu führen. Die bereichsübergreifenden Workshops förderten den Austausch zwi- schen unterschiedlichen Projektbeteiligten, die Aufnahme neuer Ideen und das kriti- sche Hinterfragen von Individualpositionen. Als besonders konstruktiv erwies sich die Versendung von Dokumentation der Treffen an die Teilnehmer und das anschließende Reflektieren durch die beteiligten Personen. Hierdurch konnten Inhalte und Vorge- hensweisen vertiefend analysiert, evaluiert und angepasst werden. In der Zusammenarbeit wurden verschiedene Probleme und Grenzen der Untersu- chung sichtbar. Gerade die sehr heterogene Auswahl der Fallstudien erschwert Rück- schlüsse über die Anwendbarkeit des Ansatzes, da es sich jeweils um ganz unter- schiedliche Ausgangssituationen handelte. Das Nutzen von Fallstudien mit Unterneh- men aus einer Branche, die ähnliche technologische Ansätze verfolgen, hätte mögli- cherweise validere Schlüsse auf die Anwendbarkeit des Ansatzes zugelassen. Zudem erschweren die Unterschiede zwischen den Fallstudien eine vergleichende Betrach- tung. Dies gilt insbesondere für die zahlreichen Iterationsschritte innerhalb des vorge- schlagenen Ablaufs. Da in allen Fallstudien das phasenweise Vorgehen an einzelnen oder mehreren Stellen durchbrochen wurde, ist eine Gegenüberstellung der erzielten Resultate problematisch. Darüber hinaus ist die Repräsentativität der Studie durch die vergleichsweise sehr kleine Stichprobe eingeschränkt. Eine größere Anzahl an Frage- bogenstudien, verteilt über verschiedene Branchen, hätten diese gesteigert. Zu hinterfragen ist ebenfalls der Auswahlprozess der beteiligten Unternehmen. Schließlich ist es möglich, dass sich nur die Unternehmen für eine Beteiligung an den Fallstudien interessierten, die sich durch eine hohe Offenheit für neue Technologien und neue Managementkonzepte auszeichnen. Ob die Erkenntnisse aus der Zusam- menarbeit mit diesen Firmen tatsächlich auf andere Unternehmen übertragbar sind, ist 5 Fallstudien zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 226 weiter zu untersuchen. Nicht zuletzt verzerrt der enge Kontakt mit den Teilnehmern der Unternehmen potenziell das Untersuchungsergebnis. So könnte die erfolgreiche Stra- tegieentwicklung eher Resultat der Erfahrungen des Forscherteams und weniger der angewandten Methode sein. Diese Einschränkung gilt gleichermaßen auch für die Durchführung der Workshops und Interviews in den Unternehmen. Um Informationen von Technologieexperten aufzunehmen, ist ein kritisches Hinterfragen der vertretenen Aussagen sinnvoll. Dies ist jedoch nur schwer von Personen innerhalb des Unterneh- mens zu leisten, da diese stets in den Denkstrukturen ihrer Organisationen verhaftet sind. Zudem werden in einem Workshop zum Teil sehr unterschiedliche Positionen vertreten, die zu einem Konsens zu führen sind. Die Moderation dieser Diskussionen fällt unternehmensexternen Personen erfahrungsgemäß leichter, da sie keine eigenen inhaltlichen Interessen zu vertreten bzw. zu verteidigen haben. Der persönlichen Kon- takt zwischen Forscherteam und Unternehmen und der Pilotcharakter der Untersu- chung steigerten potenziell das Committment der Teilnehmer. Unklar ist, ob diese Mo- tivation auch im „normalen" Unternehmensalltag, ohne externe Unterstützung, zu errei- chen ist. In diesem Zusammenhang ist ebenfalls auf die ausführliche und systemati- sche Dokumentation und Reflexion der Ergebnisse durch das Forscherteam hinzuwei- sen, die in einem täglichen Geschäftsumfeld aufgrund der hohen Zeitintensität nur ein- geschränkt zu leisten ist. Aussagen zur Übertragbarkeit des Ansatzes in andere Unter- nehmen sind aus diesen Gründen nur bedingt möglich. Schließlich ist die Untersu- chung angreifbar, da die entwickelten Strategien, wie in vielen Studien zur Voraus- schau und Planung neuer Technologiepfade, nicht langfristig evaluiert wurden. Da der Zeitraum der Planung den Untersuchungszeitraum um bis zu 10 Jahren überstieg, können keine Aussagen über den tatsächlichen Erfolg der langfristigen Strategien ge- troffen werden. 6 Erweiterung des ganzheitlichen Ansatzes für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 227 6 ERWEITERUNG DES GANZHEITLICHEN ANSATZES FÜR DIE VORAUSSCHAU UND PLANUNG NEUER TECHNOLOGIEPFADE Dieses Kapitel fasst den in dieser Arbeit entwickelten ganzheitlichen Ansatz für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade zusammen. Der Ansatz basiert auf einem theoretischen Verständnis der Pfadentstehung in technologiebasierten Innovati- onssystemen. Die Grundlage der Ablauf- und Aufbauorganisation bilden verschiedene inhaltliche Leitlinien sowie zu berücksichtigende Einflussfaktoren. Es werden drei Vari- ationen des Ansatzes unterschieden. Diese werden im Folgenden detailliert beschrie- ben. In diesem Zusammenhang werden auch Verknüpfungen mit anderen in der Litera- tur diskutierten Managementkonzepten sowie theoretischen Positionen hergestellt. Gegenstand der Vorausschau und Planung in dieser Arbeit sind neue technologische Pfade. Diese Pfade entstehen in den Phasen der Präformation, der Richtungsgebung und der Pfadabhängigkeit und führen zu neuen technologiebasierten Innovationssys- temen. In diesem Prozess bildet sich eine systemspezifische Struktur aus Akteuren, Institutionen, Wissen und technologischen Artefakten heraus, die erst in der Phase der Pfadabhängigkeit vollständig entwickelt ist. Das Entstehen von Technologiepfaden ist durch hohe Komplexität und hohe Dynamik gekennzeichnet, die sowohl eine Prognose als auch eine Kontrolle der Entwicklungsrichtung verhindern. Vor allem in den frühen Phasen ist der Prozess hinsichtlich seiner Ergebnisse noch weitgehend offen und kon- frontiert die beteiligten Unternehmen mit hoher Unsicherheit. Situationen der technolo- gischen Pfadentstehung werden in der Literatur unter anderem auch unter den Be- zeichnungen „technologische Durchbrüche“, „radikale technologische Innovation“, „Technologiesprung“ oder „Kompetenz zerstörende Innovation“ diskutiert. Das Aufkommen neuer technologischer Pfade stellt besondere Anforderungen an die Vorausschau und Planung, die sich in den inhaltlichen Leitlinien des in dieser Arbeit entwickelten Ansatzes widerspiegeln. Auf der einen Seite handelt es sich um besonde- re Aufgaben und Aktivitäten. Diese umfassen die Schaffung eines gemeinsamen Ver- ständnisses zwischen den Teilnehmern durch intensive Kommunikationsprozesse, die Erarbeitung von Visionen, die Antizipation möglicher Entwicklungen, die Ermöglichung von Kreativität und Lernen, die Identifikation von schwachen Signalen, das systemati- sche Reflektieren der Ergebnisse, die Evaluation der Tragfähigkeit eines Pfades durch ein Unternehmen sowie die Betrachtung des technologiespezifischen Risikos. Auf der anderen Seite stellen neue technologische Pfade Anforderungen an die zu entwickeln- den Strategien. Von zentraler Bedeutung sind die gleichzeitige Realisierung von Flexi- 6 Erweiterung des ganzheitlichen Ansatzes für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 228 bilität und Konkretisierung, die Definition von Zwischenzuständen sowie das Entwerfen langfristiger Handlungskonzepte. Des Weiteren sind Entscheidungspunkte zu definie- ren, die beim Eintreten zukünftiger Ereignisse Handlungen durch das Unternehmen auslösen. Um die hohe Komplexität der zu berücksichtigenden Einflussfaktoren handhabbar zu machen, stellt der Ansatz einen Analyserahmen für die Vorausschau und Planung be- reit. Dieser unterscheidet die drei Ebenen des gesellschaftlichen Umfelds, des techno- logiebasierten Innovationssystems und des Unternehmens. Auf sämtlichen Ebenen sind Akteure, Institutionen, Wissen und technologische Artefakte zu untersuchen. Bei- spiele für relevante Einflussfaktoren finden sich in Tabelle 6, 7 und 8. In diesen vier Dimensionen werden Barrieren und Hindernisse der Technologieentwicklung systema- tisch identifiziert und untersucht. Um das strategische Potenzial des Unternehmens voll auszuschöpfen, erfolgt neben der Analyse auch eine Evaluation der Beeinflussbarkeit von Faktoren. Das Ziel dieser Evaluation besteht in der Prioritätensetzung für unter- nehmerisches Handeln. Zudem wird jeder Einflussfaktor auf sich entwickelnde Pfadab- hängigkeiten untersucht, um die Gefahr eines zu frühen Lock-ins auf einen sub- optimalen technologischen Pfad zu vermeiden. Für den ganzheitlichen Ansatz der Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade wurden drei situationsspezifische Varianten entwickelt. Diese zeichnen sich durch ei- nen gemeinsamen Kern von Aktivitäten in jeder Phase aus, lassen sich jedoch nach charakteristischen Inhalten der einzelnen Phasen, der einzubindenden Personen und der eingesetzten Methoden unterscheiden. Die erste Variante sollte bei der Voraus- schau und Planung genutzt werden, wenn neue wissenschaftliche Erkenntnisse, die neue technologische Lösungen ermöglichen, erfolgreich entwickelt und kommerziali- siert werden sollen. Die zweite Variante ist für die Strategiebildung konzipiert, bei der bestehende technologische Lösungen in neue Anwendungsbereiche transferiert wer- den sollen, ohne dass das Unternehmen über Kompetenzen im Bereich der Technolo- gie verfügt. Die dritte Variante ist für die Vorausschau und Planung geeignet, bei der bestehende Technologien, die ein Unternehmen beherrscht, in neue Anwendungskon- texte gebracht werden sollen. Den einzelnen Prozessschritten ist eine Vorbereitungsphase vorangestellt, in der das Unternehmen die zu untersuchende Technologie sowie die anzuwendende Variante des Ansatzes auswählt. Anschließend ist ein Hauptverantwortlicher für das Projekt der Vorausschau und Planung zu bestimmen („Prozess-Owner“), der das Projektmanage- ment übernimmt. Verschiedenen Publikationen und auch die Erfahrungen dieser Arbeit 6 Erweiterung des ganzheitlichen Ansatzes für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 229 zeigen, dass der Prozess-Owner entscheidend für den Projekterfolg ist. 618 Die Rolle des Projektverantwortlichen sollte ein erfahrener Manager oder Forscher übernehmen, der mit den Strukturen innerhalb des Unternehmens und in verschiedenen Branchen vertraut ist und der für die Umsetzung der Projektergebnisse verantwortlich oder mit- verantwortlich ist. Diese Person sollte vor allem bei der Durchführung von Interviews, bei der Workshopmoderation und -vorbereitung sowie bei der Dokumentation der Er- gebnisse durch einen Mitarbeiter unterstützt werden, der Erfahrung mit der Voraus- schau und Planung technologischer Durchbrüche besitzt. Letzteres ist wichtig, um Routine in den Vorausschau- und Planungsaktivitäten aufzubauen und das Erschlie- ßen neuer Technologiepfade zu einer dynamischen Wettbewerbsfähigkeit zu entwi- ckeln. Diese könnte mit der Fähigkeit, Durchbruchsprodukte erfolgreich zu entwickeln und neue Geschäftsfelder zu erschließen, ineinandergreifen.619 In der Vorbereitungs- phase sind die Projektlaufzeit, die nach den Erfahrungen der Fallstudien zwischen vier und sechs Monaten liegen sollte, sowie das Projektvolumen festzulegen. In der Pro- jektvorbereitung werden zudem weitere Ziele der Projektdurchführung, wie beispiels- weise das gezielte Anstoßen von Veränderungsprozessen, definiert. 1. Analyse und Aufnahme der Ist-Situation 2. Analyse von Anwendungskontexten 3. Identifikation von Lücken der Technologieanwendung 4. Identifikation alternativer Technologiepfade 5. Strategieentscheidung 6. Evaluation / Wiederholung Abbildung 29: Vorgehen für den ganzheitlichen Ansatz der Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade [Quelle: eigene Darstellung] Die Anwendung des ganzheitlichen Ansatzes erfolgt für jede Variante in sechs Phasen. Diese umfassen die Analyse und Aufnahme der Ist-Situation, die Analyse von Anwen- 618 Vgl. Song, Lee, Lee & Chung 2007:246; Moncada-Paternò-Castello, Rojo, Bellido, Fiore & Tüb- ke 2003:664; Stevens & Burley 2003:18; Day & Schoemaker 2000:13; Calori & Atamer 1990:46. 619 Vgl. Danneels 2004:247f. 6 Erweiterung des ganzheitlichen Ansatzes für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 230 dungskontexten, die Identifikation von Lücken der Technologieentwicklung, die Identifi- kation alternativer Technologiepfade, die Entscheidung und die Wiederholung des Vor- gehens (vgl. Abbildung 29). Für alle drei nachfolgend besprochenen Typen gilt, dass das Durchlaufen der sechs Phasen iterativ erfolgt, da stets neue Informationen mit Implikationen für andere Phasen auftreten. Aus diesem Grund sind im Projektverlauf nach jeder Phase die möglichen Auswirkungen auf die vorangegangenen Prozess- schritte zu prüfen. Dies relativiert verschiedene Autoren, die ausschließlich einen klar strukturierten, linearen Vorausschau- und Planungsprozess fordern.620 Nach den Erfah- rungen der durchgeführten Fallstudien ist innerhalb des Prozesses eine intensive Itera- tion sowohl in den Phasen als auch zwischen den Phasen anzustreben.621 Zu diesem Zweck sollten nach jeder Phase die Auswirkungen auf die Ergebnisse vorangegange- ner Phasen systematisch untersucht werden. Nach jeder Phase sollte ebenfalls eine Entscheidung über die Weiterführung oder den Abbruch des Projekts getroffen werden. 6.1 Typ 1: Vorausschau und Planung bei neuen wissenschaftlichen Er- kenntnissen Im Folgenden werden die Inhalte der Variante der Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade erläutert, bei der aus neuen, noch nicht genutzten wissenschaftli- chen Erkenntnissen eine erfolgreiche Technologieentwicklung realisiert werden soll. Das Unternehmen verfügt in dem entstehenden Bereich über keine Kompetenz. Die wesentlichen Inhalte der einzelnen Prozessschritte sind in Tabelle 14 zusammenge- fasst und werden im Folgenden erläutert. 620 Vgl. hierzu Ilmola & Kuusi 2006:914; Constanzo 2004:219; Slaughter 1990:159. 621 Vgl. van Merkerk & van Lente 2005:1104; Rip & Propp 2005; Mendonça, Pina e Cunha, Kaivo- oja & Ruff 2004:209; Constanzo 2004:225; Noori, Munro, Descza & McWilliams 1999a:550; Ian- siti 1995:40. 6 Erweiterung des ganzheitlichen Ansatzes für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 231 Phase Leitfrage Gegenstand methodisches Vorgehen Ergebnisse 1. Analyse und Auf- nahme der Ist- Situation In welchem Entwicklungs- stadium befindet sich die Techno- logie und wel- chen Wissens- stand hat das Unternehmen auf dem Gebiet Technologie? • Definition des Ent- wicklungsstatus der untersuchten Tech- nologie • Identifikation relevan- ter Umfeldtrends • Herausarbeiten des im Unternehmen ver- fügbaren Wissens- stands • Identifikation relevan- ter Abteilungen und Personen im und au- ßerhalb des Unter- nehmens • Identifikation und Analyse anderer auf- kommender Konkur- renztechnologien • Kick-off-Workshop • leitfadengestützte Interviews im Unter- nehmen, ggf. auch außerhalb des Un- ternehmens • Datenbankanalysen (Publikationen, Pa- tente, populär- wissenschaftliche Quellen) • Projektberichte und Analysen aus der Forschung und Ent- wicklung des Unter- nehmens • Dokumente über die Unternehmensstrate- gie • relevante Kenntnisse des Unter- nehmens • Entwick- lungsstadium der Techno- logie • Entwick- lungsperspek tiven der Technologie 2. Analyse von An- wendungs- kontexten Welche Anwen- dungskontexte sind vorstellbar und welche Einflussfaktoren kennzeichnen diese? • Identifikation von Anwendungskontex- ten • detaillierte Beschrei- bung der Anwen- dungskontexte und der gesellschaftlichen Einflussfaktoren • Identifikation kom- plementärer Techno- logien • Datenbankanalysen (v.a. Publikationen) • öffentlich verfügbare Strategiepapiere (Roadmaps) • Workshops mit hete- rogener Teamzu- sammensetzung • leitfadengestützte Interviews mit Fach- experten im Unter- nehmen • ggf. Ergänzung durch Leitfadengespräche mit Experten außer- halb des Unterneh- mens • mögliche Anwen- dungskontex- te • Visualisie- rung in einer Roadmap mit Technologien und Anwen- dungen, gro- be zeitliche Einordnung • bei neuen Anwendun- gen Ideen für Geschäfts- modelle und Produktkon- zepte 6 Erweiterung des ganzheitlichen Ansatzes für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 232 Phase Leitfrage Gegenstand methodisches Vorgehen Ergebnisse 3. Identifi- kation von Lücken der Technolo- gieanwen- dung Welche Lücken bestehen zwi- schen den An- wendungskon- texten und dem Ist-Status des Unternehmens? • Definition möglicher Positionen auf der Wertschöpfungskette • Identifikation von Lücken zwischen Anwendungskontext und Ist-Status des Unternehmens • Identifikation mögli- cher Barrieren der Technologieentwick- lung • Risikobetrachtung der Technologieent- wicklung • Interviews mit Fach- experten innerhalb und außerhalb des Unternehmens • Workshops mit Fachexperten aus unterschiedlichen Bereichen • Übersicht über die zu überwinden- den Lücken und Barrie- ren • mögliche aufkommen- de Konkur- renztechno- logien 4. Identifi- kation al- ternativer Technolo- giepfade Mit welchen Strategien kön- nen die identifi- zierten Lücken überwunden werden? • Erarbeiten und Be- werten von Strate- gieoptionen • Konkretisierung der Konzepte für Produk- te oder Geschäfts- modelle • Analyse von Risiko, Kosten und benötig- ten Kompetenzen • zeitliche Einordnung der Strategien • Evaluation der Beein- flussbarkeit von Fak- toren • Diskussion der Stra- tegieoptionen vor dem Hintergrund „kri- tischer Ereignisse" • ggf. Identifikation möglicher Partner- schaften und Konkur- renten • Entwerfen eines „Zu- kunftsbildes" des Un- ternehmens • Workshops mit Fachexperten und Entscheidungsträ- gern • Forecasting und Backcasting • Definition von „Zwi- schenzuständen" • bewertete Strategieop- tionen • Visualisie- rung in einer vorläufigen Roadmap mit Technolo- gien, An- wendungen und Produkt- konzepten 6 Erweiterung des ganzheitlichen Ansatzes für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 233 Phase Leitfrage Gegenstand methodisches Vorgehen Ergebnisse 5. Strate- gieent- scheidung Wie soll das Unternehmen im Umfeld der neu- en Technologie weiter tätig wer- den? • zeitliche Einordnung der Aktivitäten • Finden einer gemein- sam getragenen Ent- scheidung • Definition zukünftiger Entscheidungspunkte • Strategien für „kriti- sche Ereignisse" • Festlegen von Folge- aktivitäten für Kom- petenzaufbau und Partnerakquise • Definition von Ver- antwortlichkeiten • Erarbeiten von Krite- rien für die Erfolgs- kontrolle der Strate- gie • Workshops mit Fachexperten und Entscheidungs- trägern • Erstellen eines Ab- schlussdokuments • Entscheidung für eine oder mehrere Strategieop- tionen • Erstellen der abschließen- den Road- map mit Technolo- gien, An- wendungen, Produktkon- zepten, Fol- geaktivitäten und zeitlicher Einordnung • gemeinsa- mes Zu- kunftsbild des Unter- nehmens • verabschie- deter Maß- nahmenkata- log 6. Evaluati- on und Wiederho- lung Welche Verän- derungen und neue Erkennt- nisse beeinflus- sen die gewähl- te Strategie? • kontinuierliches Beo- bachten des Umfelds • Erfolgskontrolle der Strategie • Hinterfragen der er- arbeiteten Strategie- optionen • Erarbeiten neuer Strategieoptionen • Identifikation von aufkommenden Ab- hängigkeiten und Bewerten der Risiken eines Lock-ins • Verantwortlichen für das kontinuierliche Beobachten definie- ren • Datenbankanalysen (Publikationen, Pa- tente, populärwis- senschaftliche Veröf- fentlichungen) • Interviews mit inter- nen und externen Fachexperten • Workshops mit hete- rogenen Teams • Weiterverfol- gen, Anpas- sen oder Verwerfen der gewähl- ten Strategie Tabelle 14: Spezifisches Vorgehen für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade bei Typ 1 [Quelle: eigene Darstellung] Die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade für den Fall neuer wissen- schaftlicher Erkenntnisse beginnt mit der Phase der Ist-Analyse. Gegenstand dieses Prozessschritts ist die Aufarbeitung des Entwicklungsstadiums der Technologie sowie des im Unternehmen vorhandenen Wissens über diese Technologie. Die Phase startet mit einem Kick-off, an dem das Top-Management sowie die relevanten Fachexperten 6 Erweiterung des ganzheitlichen Ansatzes für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 234 des Unternehmens teilnehmen. An diesem Treffen sind die Zielsetzungen für das Un- ternehmen zu definieren. Dies impliziert, dass keine unternehmensexternen Personen teilnehmen. Des Weiteren sind die Projektteilnehmer für die Vorgehensweise und die zu erwartenden Resultate zu sensibilisieren. Die Teilnehmer sollten im Sinne der Hete- rogenität ein breites Spektrum an Fachkompetenzen und Funktionsbereichen reprä- sentieren. Das Kick-off-Treffen kann auch dazu genutzt werden, im Team fehlende Bereiche und Kompetenzen zu identifizieren. Um den Entwicklungsstand der Techno- logie zu untersuchen, bieten sich Recherchen in Publikationsdatenbanken an. Diese Recherchen sollten breit angelegt sein, um einen Überblick über das gesamte Feld sowie die angrenzenden Forschungsgebiete zu erhalten. In diesem Zusammenhang ist auch auf die Bedeutung der Identifikation und Analyse von alternativen aufkommenden Technologien hinzuweisen. Gegebenenfalls kann eine Analyse von Patenten erfolgen, um die unternehmerische Aktivität in dem Feld zu prüfen. Die Auswertung von popu- lärwissenschaftlichen Quellen kann Aussagen über die gesellschaftlichen Rahmenbe- dingungen sowie relevante langfristige Trends ermöglichen.622 In die Erarbeitung der Ist-Analyse sollten – nach dem Kick-off-Workshop – vor allem Personen aus der For- schung und Entwicklung einbezogen werden; gegebenenfalls lassen sich auch interne Dokumente nutzen, falls das Unternehmen bereits im Bereich der Technologie forscht oder Studien durchgeführt hat. Das Ergebnis liegt in einer Dokumentation der Aus- gangssituation im Unternehmen und in der Darstellung der Entwicklungsperspektive der Technologie. Die Erfahrungen aus den Fallstudien zeigen, dass eine starke Anbin- dung an das Wissensmanagements des Unternehmens erfolgen sollte,623 um die auf- gearbeiteten Erkenntnisse strukturiert zu erfassen und sie effizient für spätere Aktivitä- ten nutzen zu können. Die Analyse von Anwendungskontexten dient der Bestimmung möglicher Einsatzgebie- te der Technologie und dem Aufbau von Wissen in diesen Gebieten. Die Identifikation von Nutzungsmöglichkeiten bildet dabei den Schwerpunkt der Aktivitäten. Methodisch lässt sich dies durch Datenbankrecherchen z.B. nach Schnittstellen mit anderen For- schungsgebieten624 oder nach der Nutzung des Wissens in anderen Forschungsfel- 622 Die Datenbankanalysen sollten ausdrücklich nicht auf die detaillierte Auswertung spezifischer Felder gerichtet sein, um einen Information-Overload zu Beginn des Projektes zu vermeiden und die Wahrnehmung von Entwicklungspotenzialen bei den Teilnehmern nicht einzuschränken. Erst in späteren Phasen sollte eine vertiefende Analyse erfolgen. Diese Nutzung von Datenbankana- lysen zu spezifischen Zwecken wurde von der Vorausschau- und Planungsliteratur im Kontext neuer Technologiepfade bislang nicht thematisiert. 623 Vgl. Weissenberger-Eibl 2006:25ff. 624 Vgl. Kostoff 2006:929ff.; Smalheiser 2001:691f. 6 Erweiterung des ganzheitlichen Ansatzes für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 235 dern,625 durch Workshops mit heterogenen Teams626 oder durch Interviews mit Exper- ten außerhalb des Unternehmens unterstützen. Die Datenbankrecherchen sollten sich auf Publikationen konzentrieren. Für die anschließende Beschreibung der Nutzungs- möglichkeiten hat sich gezeigt, dass bei dem Fehlen konkreter Produktkonzepte, der Rückgriff auf das Konzept des Anwendungskontextes – das den Kontext einer zukünf- tigen Technologienutzung bezeichnet – Teilnehmern die Chance gibt, sich die Entwick- lungspotenziale einer Technologie vorzustellen. Dies bestätigt die in der Literatur do- kumentierten Erfahrungen.627 Für die Beschreibung der Anwendungskontexte können leitfadengestützte Interviews mit Experten des Unternehmens genutzt werden, die falls notwendig durch Gespräche mit externen Personen ergänzt werden können.628 Die befragten Personen sollten mit einem breiten Spektrum an Branchen und Geschäfts- modellen vertraut sein. Das Ergebnis dieser Phase sollten verschiedene Optionen für eine zukünftige Nutzung der Technologie sein, die aus Gründen der Dokumentation zusammen mit dem Ausblick auf die Technologieentwicklung (vgl. 1. Phase) in einer Roadmap visualisiert werden. Die Identifikation von Lücken der Technologieanwendung baut direkt auf den Ergeb- nissen der vorangegangenen Phasen auf, indem sie einen Vergleich zwischen dem Ist- Status und den zukünftigen Anwendungskontexten vornimmt. Die Zusammenarbeit mit den Pilotunternehmen verdeutlichte, dass zahlreiche Lücken und Barrieren der Weiter- entwicklung und Kommerzialisierung bereits in den Phasen der Ist-Analyse sowie der Identifikation von Anwendungskontexten betrachtet wurden. Allerdings konnte durch die Unterscheidung der Kategorien Wissen, Akteure, Institutionen und Artefakte („tech- nologische Infrastruktur“) ein sehr strukturiertes und umfassendes Bild dieser Gaps der Technologienutzung erarbeitet werden. Es zeigte sich, dass die Komplexität des zu beschreibenden Umfelds durch die Positionierung des Unternehmens auf einer antizi- pierten Wertschöpfungskette signifikant reduziert werden konnte. Die Identifikation von Lücken ist vor allem von der zweiten Phase, in der die Anwendungskontexte beschrie- ben werden, schwer zu trennen. In der Regel erfolgte erst mit der Suche nach Gaps 625 Vgl. Spinardi & Williams 2005b:60 und 2005a:101; Bozeman & Rogers 2002:772; Bozeman, Dietz & Gaughan 2001:721ff. 626 Die Zusammenarbeit mit den Pilotunternehmen hat gezeigt, dass für die Identifikation von An- wendungsmöglichkeiten weniger auf Einzelinterviews zurückgegriffen werden sollte, um die Fi- xierung bei einzelnen Teilnehmern auf bestimmte Anwendungen zu vermeiden. Somit können die Workshops gezielt dafür genutzt werden, Kreativität bei der Bestimmung von Anwendungen zu erzeugen und nicht Positionen zu verteidigen. 627 Vgl. van den Hende, Schoormans, Morel, Lashina, van Loenen, & de Boevere 2007:3; Day & Schoemaker 2000:21; Veryzer 1998:317; Chiesa & Manzini 1998:115. 628 Insbesondere wenn das Unternehmen nicht über Erfahrung in den identifizierten Feldern verfügt, bieten sich externe Gespräche oder der Besuch von entsprechenden Veranstaltungen (z.B. Messen, Tagungen) an. Der Aufwand dieser Informationsbeschaffung sollte jedoch im Verhältnis zu der Bedeutung einer möglichen Nutzung in diesem Bereich stehen. 6 Erweiterung des ganzheitlichen Ansatzes für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 236 eine detaillierte Beschreibung von Nutzungsumfeldern. Sowohl die Identifikation von Lücken in den ersten beiden Phasen als auch die Zusammenhänge zwischen den Phasen zwei und drei bestätigten den Bedarf an iterativen und durchlässigen Prozess- schritten, um Doppelarbeiten zu vermeiden. Dabei bewährte sich die Arbeit mit hetero- genen Teams – d.h. mit Personen, die unterschiedliche Funktionsbereiche repräsen- tierten und über andere fachliche Kompetenzen verfügten – in Workshops, um beson- ders viele Einflussfaktoren zu erfassen. Die Kreativität der Teams konnte ebenfalls mit einem größeren Spektrum an Personen gesteigert werden, was mit den in der Literatur dokumentierten Erfahrungen übereinstimmt.629 Im Rahmen dieser Variante des Ansat- zes bewährte es sich, bei der Analyse von Gaps Forscher und Entwickler zur Analyse von Defiziten heranzuziehen, da viele Defizite im Bereich des Wissens verortet werden können. Neben einer Dokumentation von Lücken sowie möglichen Barrieren einer er- folgreichen Technologienutzung sollten die Ergebnisse eine Einschätzung des techni- schen Risikos der Technologieentwicklung umfassen. Dabei kann auf in der Literatur dokumentierte Kataloge zurückgegriffen werden.630 Die vierte Phase der Identifikation alternativer Technologiepfade bereitet die Strategie- entscheidung durch das Entwickeln und Aufzeigen unterschiedlicher Handlungsoptio- nen vor. Das Ziel dieser Phase besteht darin, möglichst viele strategische Optionen für die Entwicklung der Technologie zu erarbeiten, d.h. die Strategien sollten Wege in eine große Anzahl von potenziell relevanten Anwendungskontexten aufzeigen, um die Er- folgswahrscheinlichkeit der Technologieentwicklung durch die Anwendung in vielen Feldern zu steigern. Die Strategien sollten langfristig orientiert sein, das schnelle Ler- nen bzw. das schnelle Scheitern bei ausbleibendem Erfolg fördern631 und Zwischenzu- stände auf dem Weg in einen zukünftigen Anwendungskontext aufzeigen. Als Aus- gangspunkt der Strategiefindung eignet sich eine Kombination aus Forecasting und Backcasting, die in der Zusammenarbeit mit den Pilotunternehmen gut funktioniert hat. In diesem Zusammenhang sollte das Unternehmen diejenigen Faktoren identifizieren, die es durch strategisches Handeln tatsächlich beeinflussen kann. Die Diskussion über diese Faktoren lässt sich durch die Frage nach Faktoren, bei denen eine Beeinflussung besonders attraktiv erscheint, anstoßen.632 Um tatsächliche Handlungsspielräume des Unternehmens besser einschätzen zu können, hat sich aus der Erfahrung der Fallstu- 629 Vgl. die Auswertung in Abschnitt 2.3.1. 630 Konzepte für die Analyse von Risiken der Entwicklung neuer Technologien finden sich bei- spielsweise bei Keizer, Vos & Halman (2005:303) oder bei Kostoff (1997:10ff.). 631 Vgl. Bessant, Lamming, Hannah & Phillips 2005:1373; Mendonça, Pina e Cunha, Kaivo-oja & Ruff 2004:209; Day & Schoemaker 2000:21. 632 Die Zusammenarbeit mit den Pilotunternehmen zeigte, dass eine offene Diskussion über die Beeinflussbarkeit nicht zu einer kritischen Auseinandersetzung mit den tatsächlichen Hand- lungsoptionen führte. 6 Erweiterung des ganzheitlichen Ansatzes für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 237 dien die Konstruktion von Zukunftsvisionen für das Unternehmen bewährt. Das zukünf- tige Bild des Unternehmens kann beispielsweise verschiedene Arten benötigter Kom- petenzen, wie technologische Kompetenzen, Marketing-Kompetenzen und integrative Kompetenzen, umfassen.633 Der Schwerpunkt bei der ersten Variante der Vorausschau und Planung liegt auf den technologischen Fähigkeiten sowie den Kosten des Abste- ckens von attraktiven Patentpositionen. Anhand dieser Bilder sollten unterschiedliche strategische Handlungsoptionen bezüglich der benötigten Investitionen in den Aufbau von technologischem Know-how bewertet werden. Diese Analyse kann im ersten Schritt qualitativ erfolgen und anschließend über eine monetäre Bewertung beispiels- weise über Realoptionen ergänzt werden.634 Das Zukunftsbild sollte ferner für die kriti- sche Auseinandersetzung mit den bestehenden Unternehmensstrukturen genutzt wer- den. Die Annahme des Auftretens von „kritischen Ereignissen“, die eine Entwicklungs- richtung gefährden würden, trägt ebenfalls zur Reflexion bei.635 Die Beteiligung des Top-Managements ist bei der Phase der Strategiefindung aus unterschiedlichen Grün- den von Bedeutung. Personen aus der Führungsebene bringen benötigtes Branchen- wissen ein, sie sind an der Entwicklung des Zukunftsbildes des Unternehmens zu be- teiligten und sie sind für die Unsicherheiten der entwickelten Strategien zu sensibilisie- ren. Da in den durchgeführten Fallstudien viele Ideen für mögliche Wege in den voran- gegangenen Prozessphasen angesprochen wurden, liegt der Fokus in dieser Phase auf der Konsensfindung über diese Wege. In der fünften Phase der Strategieentscheidung wird ein Konsensbeschluss über die durch das Unternehmen zu verfolgenden Technologiepfade getroffen. Diese Entschei- dung sollte nach Möglichkeit in dem Workshop erfolgen, in dem die unterschiedlichen Handlungsoptionen identifiziert wurden (vgl. Phase 4). Bei der Festlegung des strategi- schen Vorgehens sollten Entscheidungspunkte definiert werden, bei denen ein Wech- sel, ein Weiterverfolgen oder ein Abbruch einer Strategie erfolgt.636 Konkrete Maßnah- men sind in einem Katalog einschließlich der jeweiligen Verantwortlichkeit zu doku- mentieren. Dabei sollte jedoch von der Formulierung starrer Deadlines für spezifische Aufgabenpakete abgesehen werden, da sich die Wichtigkeit einzelner Aktivitäten in hochdynamischen Umfeldern sehr schnell verändern kann.637 Dies bestätigen auch die durchgeführten Fallstudien, bei denen sich zwischen einzelnen Workshops teilweise 633 Vgl. hierzu die Untersuchungen von McDermott & Coates (2007:348f.) und Danneels (2002:1102ff.) über den Kompetenzaufbau bei der Entstehung neuer Technologiepfade. 634 Vgl. MacMillan, van Putten, McGrath & Thompson 2006:30ff.; Perlitz, Peske & Schrank 1999:256ff. 635 Vgl. Kets, Burger & de Zoeten-Dartenset 2003:10ff. 636 Vgl. Strauss & Radnor 2004:55ff. 637 Vgl. Noori, Munro, Descza & McWilliams 1999a:559; Calori & Atamer 1990:46. 6 Erweiterung des ganzheitlichen Ansatzes für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 238 signifikante Änderungen strategischer Stoßrichtungen ergeben hatten. Eine weitere Problemstellung ist das Controlling der entwickelten Strategie. Diese wird in der wis- senschaftlichen Diskussion zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade weitestgehend ausgeblendet.638 Dabei spielen in erster Linie die Charakteristika der Technologieentwicklung bei der Entstehung neuer Pfade eine Rolle.639 Mögliche Krite- rien für eine Evaluation des Strategieerfolgs bei der ersten Variante der Vorausschau und Planung könnten daher die Anzahl der gleichzeitig verfolgten Optionen, die Anzahl von Personen (innerhalb und außerhalb des Unternehmens), mit denen die Idee für einen neuen technologische Pfad diskutiert wurde, die Anzahl der fachlichen Hinter- gründe und Branchenzugehörigkeiten der involvierten Personen, die Anzahl von Optio- nen, die noch nicht ausgeschöpft wurden oder die Anzahl von Kooperationen und Pro- jekten mit anderen Forschungspartnern. Es besteht jedoch erheblicher Forschungsbe- darf bei der Identifikation geeigneter Kriterien für die Evaluation von Strategien für neue technologische Pfade. Ergebnis dieser Phase ist eine Roadmap, die Technologien, Anwendungskontexte und nach Möglichkeit Produktkonzepte umfasst und die eine von allen beteiligten getragene Entscheidung über zukünftige Entwicklungsrichtungen wie- dergibt. Diese Roadmap kann ebenfalls ein Zukunftsbild des Unternehmens sowie „Zwischenzustände“ und „kritische Ereignisse“ umfassen. In der abschließenden Wiederholung des Prozesses findet die Kontrolle und Anpas- sung der entwickelten Strategie statt. Dabei werden der gesamte Prozess oder einzel- ne Teile wiederholt, um die in der Zwischenzeit erhobenen Informationen aufzunehmen und auch formell in die Strategie zu integrieren. Relevante Informationen für diese Va- riante der Vorausschau und Planung umfassen insbesondere das Auftreten neuer kon- kurrierender oder komplementärer Technologien, das Erzielen wesentlicher For- schungsergebnisse, das Scheitern bestimmter technischer Vorhaben sowie die Identi- fikation neuer Anwendungsmöglichkeiten. Die Erfahrungen der Projekte zeigen, dass ein Verantwortlicher das Monitoring des Umfelds und die Aufnahme neuer Informatio- nen maßgeblich durchführen sollte, damit diese Aktivitäten nicht durch das „Tagesge- schäft“ dominiert werden. Diese Rolle sollte in der Regel der Prozess-Owner einneh- men. Die Zusammenarbeit mit den Pilotunternehmen hat ebenfalls gezeigt, dass die 638 Ausnahmen bilden Danila (1989 279ff.) sowie verschiedene Roadmap-Konzepte, wie z.B. Strauss und Radnor (2004:55ff.). Allerdings legen auch diese Ansätze kein systematisches Kon- strukt von Kriterien vor. 639 Dazu zählt die Offenheit der Technologieentwicklung, die sich dadurch auszeichnet, dass bei der Strategieumsetzung neues Wissen gewonnen wird, das neue Möglichkeiten eröffnet und zu völ- lig neuen Richtungen von Projekten führt. Somit zeigt sich der direkte Nutzen eines Projekts, in dem neue technologische Pfade erschlossen werden, erst dann, wenn die erfolgversprechende Nische gefunden ist. Ein anderer Aspekt sind die extrem langen Innovationszyklen, bei denen von der Ideengenerierung bis zur erfolgreichen Kommerzialisierung in einem Produkt oder Pro- zess häufig mehr als zehn Jahre vergehen können. 6 Erweiterung des ganzheitlichen Ansatzes für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 239 Prozesswiederholung um wesentliche Aspekte der Strategiefindung, die in den ersten Phasen nicht realisiert werden konnten, erweitert werden sollte. Dabei handelt es sich zum einen um die kritische Reflexion der entwickelten Strategien. Bei intensiven Dis- kussionsprozessen zur Findung einer gemeinsam getragenen Entscheidung fällt allen Teilnehmern ein konstruktives Infragestellen der Ergebnisse schwer. Zum anderen war die Bereitschaft der Beteiligten, mögliche Abhängigkeiten im Rahmen der ersten Pro- zessphasen zu identifizieren, wenig ausgeprägt. Um einen Lock-in auf einem subopti- malen Technologiepfad vorzubeugen, sollten die Teilnehmer bei der Wiederholung die Quellen möglicher Abhängigkeiten kritisch analysieren und ggf. Strategien anpas- sen.640 Die Wiederholung sollte mit deutlichem Abstand zu einem definierten Zeitpunkt stattfinden oder mit dem Eintreten von signifikanten Veränderungen im Umfeld, wie z.B. beim Auftreten kritischer Ereignisse, durchgeführt werden. Um den Erfolg der Akti- vitäten zu prüfen, sollten die in der fünften Phase definierten Kennzahlen genutzt wer- den. Das Ergebnis dieser Phase ist eine angepasste Strategie, die erneut in einer Roadmap visualisiert wird. 6.2 Typ 2: Vorausschau und Planung bei der Identifikation neuer Anwen- dungen für etablierte nicht beherrschte Technologien Die zweite Variante des ganzheitlichen Ansatzes für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade ist auf die Identifikation neuer Anwendungen für noch nicht beherrschte Technologien ausgerichtet. Gegenstand sind in bestimmten Bereichen etablierte Technologien, die ein Unternehmen in einen neuen Anwendungsbereich bringen möchte. Das Unternehmen verfügt über keine spezifischen Kompetenzen auf dem Gebiet Technologie. In der Regel bedeutet dies, dass das Unternehmen die Technologie noch nicht genutzt hat. Eine Übersicht der Inhalte einzelner Prozesspha- sen gibt Tabelle 15. 640 Vgl. Rip & Propp 2005 für eine ausführliche Darstellung der mit einem Lock-in einhergehenden Gefahren. 6 Erweiterung des ganzheitlichen Ansatzes für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 240 Phase Leitfrage Gegenstand methodisches Vorgehen Ergebnisse 1. Analyse und Auf- nahme der Ist- Situation Welche Funkti- onen hat die neue Technolo- gie und welchen Wissensstand hat das Unter- nehmen in Be- zug auf die un- tersuchte Tech- nologie? • Beschreiben der Funktionalität der be- stehenden Technolo- gie • Identifikation der benötigten Kompe- tenzen für das Be- herrschen der Tech- nologie • Herausarbeitung des im Unternehmen ver- fügbaren Wissens- stands • Kick-off-Workshop • interne Dokumente des Unternehmens (Studien, Reviews) • Datenbankanalysen (v.a. Patente, ggf. Publikationen und populär- wissenschaftliche Quellen) • Analyse von Produk- ten und Prozessen bei Nutzern der Technologie • ggf. leitfadengestütz- te Interviews (mit un- ternehmensexternen Personen) • Dokumente über die Unternehmensstrate- gie • relevante Kenntnisse des Unter- nehmens • benötigte Kompeten- zen • Funktionalität der unter- suchten Technologie 2. Analyse von An- wendungs- kontexten Welche Anwen- dungskontexte sind vorstellbar und welche Einflussfaktoren kennzeichnen diese? • Identifikation von Anwendungskontex- ten • detaillierte Beschrei- bung der Anwen- dungskontexte ein- schließlich von Ge- schäftsmodellen • Definition möglicher Positionen auf der Wertschöpfungskette sowie komplementä- rer Technologien • Identifikation von Konkurrenten • Datenbankanalysen (v.a. Patente, ggf. Publikationen) • Leitfadengespräche mit Experten inner- halb und außerhalb des Unternehmens • Workshops mit hete- rogener Teamzu- sammensetzung • mögliche Anwen- dungskontex- te • Visualisie- rung in einer Roadmap mit Technologien und Anwen- dungen 3. Identifi- kation von Lücken der Technolo- gieanwen- dung Welche Lücken bestehen zwi- schen den An- wendungskon- texten und dem Ist-Status des Unternehmens und welche Vorteile existie- ren gegenüber etablierten Technologien? • Identifikation der Lücken zwischen Anwendungskontext und Ist-Status des Unternehmens • Identifikation mögli- cher Barrieren • Definition von kon- textspezifischen Per- formanzkriterien und Kundennutzen • Bewertung von bis- her im Anwendungs- kontext genutzten Technologien im Vergleich zur neuen Technologie • mögliche Patentposi- tionen • Interviews mit Fach- experten innerhalb des Unternehmens • Interviews mit Exper- ten von außerhalb des Unternehmens, v.a. aus den identifi- zierten Anwendungs- kontexten • vertiefende Daten- bankanalysen, v.a. Patente • Workshops mit Fachexperten aus unterschiedlichen Bereichen • Übersicht über die zu überwinden- den Lücken • bewertete Konkurrenz- technologien • Anpassung der Road- map 6 Erweiterung des ganzheitlichen Ansatzes für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 241 Phase Leitfrage Gegenstand methodisches Vorgehen Ergebnisse 4. Identifi- kation al- ternativer Technolo- giepfade Mit welchen Strategien kön- nen die identifi- zierten Lücken überwunden werden? • Erarbeitung und Be- wertung von Strate- gieoptionen • Konkretisierung der Konzepte für Produk- te oder Geschäfts- modelle • Ermittlung des Risi- kos und Bewertung der Kosten des Kom- petenzaufbaus • Bestimmung der Marktattraktivität • Diskussion der Stra- tegieoptionen vor dem Hintergrund „kri- tischer Ereignisse" • Konkurrenzanalysen • Identifikation mögli- cher Partnerschaften • Pilotkunden • Entwerfen eines „Zu- kunftsbildes" des Un- ternehmens • Workshops mit Fachexperten und Entscheidungsträ- gern • Forecasting und Backcasting • bewertete Strategieop- tionen • Partner und Konkurrenten für das Er- schließen der Anwendun- gen • Visualisie- rung in einer vorläufigen Roadmap mit Technolo- gien, An- wendungen und Produkt- konzepten 5. Strate- gieent- scheidung Welche Anwen- dungen sollte das Unterneh- men mit der Technologie erschließen? • zeitliche Einordnung der Aktivitäten • Finden einer gemein- sam getragenen Ent- scheidung • Definition zukünftiger Entscheidungspunkte • Strategien für „kriti- sche Ereignisse" • Festlegen von Folge- aktivitäten für Kom- petenzaufbau, Part- ner- und Kundenak- quise • Definition von Ver- antwortlichkeiten • Erarbeiten von Krite- rien für die Erfolgs- kontrolle der Strate- gie • ggf. Festlegung einer Patentstrategie • Workshops mit Fachexperten und Entscheidungsträ- gern • Erstellen eines Ab- schlussdokuments • Entscheidung für eine oder mehrere Strategieop- tionen • Erstellen der abschließen- den Road- map mit Technolo- gien, An- wendungen, Produktkon- zepten, Fol- geaktivitäten und zeitlicher Einordnung • gemeinsa- mes Zu- kunftsbild des Unter- nehmens 6 Erweiterung des ganzheitlichen Ansatzes für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 242 Phase Leitfrage Gegenstand methodisches Vorgehen Ergebnisse 6. Evaluati- on und Wiederho- lung Welche Verän- derungen und neue Erkennt- nisse beeinflus- sen die gewähl- te Strategie? • kontinuierliches Beo- bachten des Umfelds • Erfolgskontrolle der Strategie • Hinterfragen der er- arbeiteten Strategie- optionen • Erarbeiten neuer Strategieoptionen • Identifikation von aufkommenden Ab- hängigkeiten und Bewerten der Risiken eines Lock-ins • Verantwortlichkeit für die kontinuierliche Beobachtung definie- ren • Datenbankanalysen (Publikationen, Pa- tente, populärwis- senschaftliche Veröf- fentlichungen) • Interviews mit inter- nen und externen Fachexperten • Workshops mit hete- rogenen Teams • Weiterverfol- gen, Anpas- sen oder Verwerfen der gewähl- ten Strategie Tabelle 15: Spezifisches Vorgehen für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade bei Typ 2 [Quelle: eigene Darstellung] Die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade für den Fall der Identifikation neuer Anwendungen für nicht beherrschte Technologien startet ebenfalls mit einer Analysephase. Gegenstand dieser Phase ist die Herausarbeitung eines Funktions- spektrums der Technologie sowie des im Unternehmen vorhandenen Wissens über die Technologie. Die Prozessphase beginnt mit einem Kick-off-Workshop, an dem sowohl das Top-Management als auch relevante Fachexperten teilnehmen, um diese für die Vorgehensweise und die zu erwartenden Resultate zu sensibilisieren. In dem Treffen sind die Zielsetzungen für das Unternehmen zu definieren, so dass keine externen Teilnehmer einbezogen werden sollten. Um den Entwicklungsstand der Technologie zu untersuchen, bieten sich Recherchen in Publikationsdatenbanken an. Diese sollten insbesondere einen Rückschluss auf die benötigten Kompetenzen für die Anwendung der Technologie ermöglichen. Durch die Analyse von Patentdaten können zudem Aus- sagen über die Patentierungschancen und über mögliche Konkurrenztechnologien ge- troffen werden. Zusätzlich ist die Definition von Funktionen der Technologie vorzuneh- men. Diese ist bedeutsam, um die Einsatzmöglichkeiten der Technologie im weiteren Verlauf des Prozesses zuverlässig einschätzen zu können.641 Für die Definition von Kompetenzen und Funktionen bietet sich neben den oben genannten Recherchen die Analyse von Produkten und Prozessen, in die die Technologie einfließt, an. In diesem Zusammenhang können auch leitfadengestützte Interviews mit Technologienutzern durchgeführt werden. Für die Beschreibung der benötigten Kompetenzen sollte auf 641 Vgl. Moncada-Paternò-Castello, Rojo, Bellido, Fiore & Tübke 2003:657ff.; vgl. Abell 1980:110ff. 6 Erweiterung des ganzheitlichen Ansatzes für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 243 eine Unterscheidung von „Assets“, d.h. finanzielles Kapital, Humankapital und physi- sches Kapital;642 „Zero-Level Capabilites“, d.h. grundlegende Routinen für Geschäfts- prozesse auf dem Gebiet des Managements von Organisation und Technologie643 so- wie „Higher-Level Capabilities“, d.h. Fähigkeiten, die unabhängig von einzelnen Ge- schäftsfeldern und Technologien sind,644 zurückgegriffen werden. Die Zusammenarbeit mit den Pilotunternehmen ergab, dass ferner ein Abgleich mit der Strategie des Unter- nehmens vorgenommen werden sollte, um die Realisierungsmöglichkeiten der Techno- logie im Unternehmen zu prüfen. Die Ergebnisse dieser Phase bestehen in einer Ge- genüberstellung von Kompetenzen und technologischen Funktionen. Vor dem Hinter- grund des Wissensmanagements sollten die aufgearbeiteten Erkenntnisse strukturiert erfasst werden, um diese für spätere Aktivitäten nutzen zu können.645 Die Analyse von Anwendungskontexten dient der Bestimmung möglicher Einsatzgebie- te der Technologie und dem Aufbau von Wissen über diese Gebiete. Bei der zweiten Variante der Vorausschau und Planung ist in dieser Phase eine ausgewogene Vertei- lung zwischen Identifikation und Beschreibung der Nutzungsmöglichkeiten anzustre- ben. Für die Suche nach Anwendungsmöglichkeiten können Patentketten untersucht werden, bei denen auf Basis der technologischen Funktionalität Patente gesucht wer- den und die zitierenden Patente Hinweise auf Anwendungsmöglichkeiten geben. Des Weiteren zeigt die Erfahrung aus der Zusammenarbeit mit den Pilotfirmen, dass hete- rogene Workshops viel Kreativität in Bezug auf mögliche Nutzungsgebiete von Techno- logien freisetzen. Da diese Variante in den Fallstudien nicht realisiert wurde, können über die Relevanz der Suche nach neuen Anwendungen nur beschränkt Aussagen getroffen werden. Es ist jedoch davon auszugehen, dass sie dann zum Einsatz kommt, wenn Unternehmen Technologien in bereits besetzte Geschäftsfelder transferieren möchten. Vor allem bei der Beschreibung langfristiger Nutzungsgebiete sollten Anwen- dungskontexte formuliert werden, um den Technologieeinsatz vorstellbar zu ma- chen.646 In den durchgeführten Fallstudien hat sich die Beschreibung anhand von Ak- teuren, Institutionen, Artefakten und Wissen bewährt, um die Umfelder umfassend zu charakterisieren. In diesem Zusammenhang können ebenfalls Konkurrenten und Kon- kurrenztechnologien sowie Implikationen für Geschäftsmodelle beschrieben werden. Im Anschluss an die durchzuführenden Workshops, an denen vor allem Experten, die Kenntnisse über ein breites Spektrum von Industrien besitzen, teilnehmen sollten, sind 642 Vgl. Teece, Pisano & Shuen, 1997:516; Hall 1993:608f. 643 Vgl. Burr 2004:123ff.; Winter 2003:992f.; Amit & Schoemaker 1993:35f.; Hall 1993:609ff. 644 Vgl. Teece, Pisano & Shuen 1997:523f.; Leonard-Barton 1992:118ff. 645 Vgl. Weissenberger-Eibl 2006:25ff. 646 Vgl. van den Hende, Schoormans, Morel, Lashina, van Loenen, & de Boevere 2007:3; Day & Schoemaker 2000:21; Veryzer 1998:317; Chiesa & Manzini 1998:115. 6 Erweiterung des ganzheitlichen Ansatzes für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 244 vertiefende Interviews für die Beschreibung der Anwendungen mit Experten für diese Gebiete zu führen. Vor allem wenn das Unternehmen nur über wenige Kenntnisse der Anwendung verfügt, sollte in diesem Zusammenhang auf unternehmensexterne Kom- petenzträger zurückgegriffen werden. Das Ergebnis dieser Phase verschiedene Optio- nen für eine zukünftige Nutzung der Technologie, die aus Gründen der Dokumentation in einer Roadmap visualisiert werden. Bei der Beschreibung von Lücken der Technologieanwendung findet ein Vergleich zwi- schen dem Ist-Status des Unternehmens (1. Prozessphase) und den zukünftigen An- wendungskontexten (2. Prozessphase) statt. Ziel dieser Phase ist es, die zu lösenden Probleme der Technologieanwendung zu identifizieren. Wird unterstellt, dass diese Variante der Vorausschau und Planung vor allem angewendet wird, wenn Firmen neue Technologien in bereits besetzte Märkte transferieren möchten, ist davon auszugehen, dass die spezifischen Lücken gut bekannt sind. Insofern können verschiedene Aufga- ben der ersten Variante, z.B. die Definition einer Position auf der Wertschöpfungskette, tendenziell zurückgestellt werden. Allerdings sollte die Beschreibung der Anwendungs- kontexte anhand von Akteuren, Wissen, Artefakten und Institutionen dafür genutzt werden, diese systematisch auf die Passfähigkeit der neuen Technologie (z.B. mit Sicht auf die existierenden Geschäftsmodelle) zu untersuchen. Zur Bestimmung der Lücken sollten Interviews mit Experten für die jeweiligen Anwendungen geführt werden (v.a. Techniker, Vertriebsmitarbeiter, After-Sales-Mitarbeiter), die außerhalb oder in- nerhalb des Unternehmens angesiedelt sein können. Vor allem bei gut bekannten An- wendungen ist ein Vergleich der Technologien anzustreben. Zu diesem Zweck sollten die Teilnehmer kontextspezifische Performanzkriterien sowie ggf. den Kundennutzen einer technischen Lösung definieren und anderen Technologien gegenüberstellen. In diesem Zusammenhang sollte mindestens ein Workshop durchgeführt werden. Neben einer Dokumentation von Lücken sowie möglichen Barrieren einer erfolgreichen Tech- nologienutzung sollten die Patentierungsmöglichkeiten und Patentpositionen auf Basis der in den vorangegangenen Phasen durchgeführten Analysen beurteilt werden.647 Die Phase der Identifikation alternativer Technologiepfade bildet die Vorbereitung der Strategieentscheidung. Bei der Vorausschau und Planung für den Transfer von etab- lierten aber nicht beherrschten Technologien in neue Anwendungsbereiche sollte eine Vielzahl unterschiedlicher Wege zu einem Anwendungskontext formuliert werden, um der Unsicherheit der Technologieentwicklung zu begegnen. Bei diesen Wegen kann es sich beispielsweise um unterschiedliche Geschäftsmodelle oder Positionierungen auf 647 Für Untersuchungen über die Patentierungsmöglichkeiten von neuen Technologien, z.B. durch Demonstratorpatente vgl. Delemarle & Larédo 2006:133ff. 6 Erweiterung des ganzheitlichen Ansatzes für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 245 der Wertschöpfungskette handeln. Falls die Technologie nicht ausschließlich in einem bekannten Nutzungsumfeld eingesetzt werden soll, sind durch das Unternehmen au- ßerdem Wege zu verschiedenen Anwendungen zu entwickeln. Dabei sind auch Kon- kurrenten und mögliche Partner in den Anwendungskontexten zu ermitteln. Je etablier- ter die Anwendungskontexte sind, umso wichtiger ist weiterhin die Bestimmung und Bewertung der Marktattraktivität (Volumen, Wachstum), beispielsweise auf Basis von Technologieportfolios.648 Methodisch wird die Strategiefindung durch eine Verknüpfung von Forecasting und Backcasting unterstützt. Um tatsächliche Handlungsspielräume des Unternehmens besser einschätzen zu können, kann die Erarbeitung von Zukunfts- visionen für das Unternehmen genutzt werden. Das zu entwickelnde Bild sollte unter- schiedliche Kompetenzen umfassen, über die das Unternehmen zukünftig verfügen sollte.649 Auf Basis der ermittelten Marktattraktivität und der Kompetenzanalyse sollte anschließend eine monetäre Bewertung der Kosten-Nutzen-Relation über Realoptio- nen durchgeführt werden.650 Für die als attraktiv eingeschätzten Anwendungskontexte sollte das Zukunftsbild zudem für die kritische Auseinandersetzung mit den bestehen- den Unternehmensstrukturen genutzt werden. Zusätzlich sollte anhand möglicher „kriti- scher Ereignisse“, die eine Entwicklungsrichtung gefährden würden, eine Reflexion der unterschiedlichen Strategieoptionen erfolgen.651 Vor dem Hintergrund eines effizienten Kommerzialisierungsprozesses sollten die Strategien auf ein schnelles Lernen bzw. ein schnelles Scheitern bei ausbleibendem Erfolg ausgerichtet sein.652 Neben der Beteili- gung von Technologie- und Anwendungsexperten ist die Partizipation des Top- Managements bei der Phase der Strategiefindung von Bedeutung, um ein Committ- ment zu erhalten und das vorhandene Erfahrungswissen bestmöglich zu integrieren. Die Ergebnisse der vierten Phase werden in einer Roadmap visualisiert. Die Phase der Strategieentscheidung ist darauf ausgerichtet, eine gemeinsam getra- gene Unternehmensentscheidung über die zu verfolgenden Technologiepfade zu tref- fen. Um einen Konsens herbeizuführen wird ein Workshop durchgeführt, in dem eine Roadmap entwickelt wird, die Technologien, Anwendungskontexte und nach Möglich- keit Produktkonzepte umfasst. Die Diskussion über die Visualisierung löst einen Kon- sensstiftenden Prozess aus, der ein gemeinsames Verständnis der Teilnehmer beför- 648 Vgl. Gerpott 2005:67ff.; Gerybadze 2004:155ff.; Pfeiffer 1991:204ff. 649 Dabei sollte ebenfalls eine Unterscheidung zwischen Assets, Zero-level Capabilities und Higher- level Capabilities vorgenommen werden. Für den Kompetenzaufbau in neuen Technologiefel- dern vgl. McDermott & Coates 2007:348f.; Danneels 2002:1102ff. 650 Vgl. MacMillan, van Putten, McGrath & Thompson 2006:30ff.; Perlitz, Peske & Schrank 1999:256ff. 651 Vgl. Kets, Burger & de Zoeten-Dartenset 2003:10ff. 652 Vgl. Bessant, Lamming, Hannah & Phillips 2005:1373; Mendonça, Pina e Cunha, Kaivo-oja & Ruff 2004:209; Day & Schoemaker 2000:21. 6 Erweiterung des ganzheitlichen Ansatzes für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 246 dert.653 An dem Treffen nehmen unterschiedliche Experten und Entscheidungsträger teil. Die Anzahl der entwickelten strategischen Optionen ist in der Regel geringer als bei der ersten Variante, da die Unsicherheit der Entwicklung – v.a. beim Adressieren bekannter Anwendungen – weniger hoch ist. Die Strategien sollten darauf ausgerichtet sein, potenzielle Pilotkunden und weitere Kundengruppen für die Nutzung der Techno- logie zu gewinnen und aussichtsreiche Patentpositionen zu besetzen. In diesem Zu- sammenhang kommt Signalen, mit denen die Eigenschaften einer Technologie kom- muniziert werden können, eine besondere Bedeutung zu.654 Dabei kann es sich bei- spielsweise um Demonstratoren oder Prototypen handeln. Das Unternehmen sollte bei der Festlegung der Strategie Entscheidungspunkte definieren, bei denen der Wechsel, die Weiterverfolgung oder der Abbruch einer Entwicklungslinie zu prüfen ist.655 Eine weitere Problemstellung bei dem Transfer von etablierten durch das Unternehmen nicht beherrschten Technologien in neue Anwendungen liegt im Strategiecontrolling.656 Kriterien für eine Bewertung des Strategieerfolgs könnten beispielsweise die Anzahl der Technologien, die in der Umsetzungsphase erprobt wurden, die entsprechende Anzahl neuer Märkte und Anwendungen, die Verbesserung der technologischen Per- formanz (ebenso Qualität und Zuverlässigkeit) mit Sicht auf die Leistungsmerkmale der Zielanwendungen, die Zahl neu beantragter Patente, die Anzahl von Kooperationen und Projekten mit anderen Forschungspartnern, der Marktanteil oder die verkauften Stückzahlen sein. Auch für den Fall des Technologietransfers in neue Anwendungen besteht Forschungsbedarf bei der Identifikation geeigneter Kriterien für die Evaluation von Strategien. Das Ergebnis der Phase besteht in einer im Konsens entwickelten Roadmap, die Ziele für den Aufbau technologiespezifischer Kompetenzen oder ggf. für zu verkaufende Stückzahlen enthält. Im Rahmen der Wiederholung des Prozesses erfolgt die Kontrolle und Anpassung der entwickelten Strategie. Es werden neue Informationen durch den Prozessverantwortli- chen gesammelt und dokumentiert. Diese Informationen können sich beispielsweise auf neue konkurrierende oder komplementäre Technologien, das Scheitern bestimmter technischer Vorhaben, die Identifikation neuer Anwendungsmöglichkeiten oder das Scheitern einer Strategie beziehen. Der Prozess-Owner leitet die Informationen weiter und veranlasst gegebenenfalls die Ausrichtung weiterer Workshops. Die Zusammenar- beit mit den Pilotunternehmen machte deutlich, dass die letzte Prozessphase um die Reflexion von Strategien und die Identifikation von Abhängigkeiten erweiter werden 653 Vgl. Technology Futures Analysis Methods Working Group 2004:300; Kostoff, Boylan & Sim- mons 2004:157; Walsh 2004:175. 654 Vgl. Speith 2004:25f.; Wieandt 1994:61ff. 655 Vgl. Strauss & Radnor 2004:55ff. 6 Erweiterung des ganzheitlichen Ansatzes für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 247 sollte. Den Teilnehmern fällt bei intensiven Diskussionsprozessen im Rahmen der Ent- scheidungsfindung ein konstruktives Infragestellen der Ergebnisse schwer, so dass dieses in der Wiederholungsphase durchgeführt werden sollte. Die Bereitschaft der Beteiligten, mögliche Pfadabhängigkeiten der Strategie zu identifizieren, war ebenfalls wenig ausgeprägt.657 Aus diesem Grund sollten bei der Wiederholung die Ursachen möglicher Abhängigkeiten kritisch analysiert und ggf. günstigere Technologiepfade gewählt werden. Um den Erfolg der gewählten Strategien und Einzelmaßnahmen zu evaluieren, sollten die in der fünften Phase definierten Kennzahlen geprüft werden. Bei dem Prozessschritt der Wiederholung können erneut Workshops sowie Interviews durchgeführt werden. Bei erheblichen Veränderungen sollte die zuvor entwickelte Roadmap überarbeitet werden. 6.3 Typ 3: Vorausschau und Planung bei der Identifikation neuer Anwen- dungen für etablierte beherrschte Technologien Gegenstand der dritten Variante der Vorausschau und Planung neuer Technologiepfa- de sind in bestimmten Bereichen etablierte Technologien, die ein Unternehmen in ei- nen neuen Anwendungsbereich transferieren möchte. Das Unternehmen verfügt über umfangreiche Erfahrungen mit dieser Technologie und verfolgt das Ziel, aktiv neue Anwendungsmöglichkeiten zu erschließen. Zentrale Inhalte der einzelnen Prozesspha- sen sind in Tabelle 16 skizziert. 656 Vgl. hierzu die Ansatzpunkte von Danila (1989:279ff.) Strauss und Radnor (2004:55ff.). 657 Vgl. Rip & Propp 2005 für eine erste Diskussion der Risiken von Lock-ins der Technologieent- wicklung auf der Branchenebene. 6 Erweiterung des ganzheitlichen Ansatzes für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 248 Phase Leitfrage Gegenstand methodisches Vorgehen Ergebnisse 1. Analyse und Auf- nahme der Ist- Situation Welchen Wis- sensstand hat das Unterneh- men in Bezug auf die unter- suchte Techno- logie? • Beschreibung der Funktionalität der be- stehenden Technolo- gie und Definition der Erweiterbarkeit des Funktionsspektrums • Identifikation der benötigten Kompe- tenzen für das Be- herrschen der Tech- nologie • Identifikation relevan- ter Abteilungen und Personen im und au- ßerhalb des Unter- nehmens (v.a. tech- nische Experten) • Identifikation relevan- ter Umfeldtrends • Kick-off-Workshop • leitfadengestützte Interviews • interne Dokumente des Unternehmens (Studien, Reviews) • Analyse bestehender Produkte und Pro- zesse des Unter- nehmens, Bench- marking • ggf. Datenbankana- lysen (Publikationen, populär- wissenschaftliche Quellen) • Dokumente über die Unternehmensstrate- gie • Ist-Status der Kenntnisse und Kompe- tenzen des Unterneh- mens • Erweiterbar- keit der Funktionalität der betrach- teten Tech- nologie 2. Analyse von An- wendungs- kontexten Welche Anwen- dungskontexte sind vorstellbar und welche Einflussfaktoren kennzeichnen diese? • Identifikation von Anwendungskontex- ten • detaillierte Beschrei- bung der Anwen- dungskontexte • Identifikation kom- plementärer Techno- logien • Datenbankanalysen (v.a. Patente) • leitfadengestützte Interviews mit Fach- experten im Unter- nehmen • Leitfadengespräche mit Experten außer- halb des Unterneh- mens • Workshops mit hete- rogener Teamzu- sammensetzung • mögliche Anwen- dungskontex- te • Visualisie- rung in einer Roadmap mit Technologien und Anwen- dungen, gro- be zeitliche Einordnung • Ideen für Geschäfts- modelle und Produktkon- zepte 6 Erweiterung des ganzheitlichen Ansatzes für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 249 Phase Leitfrage Gegenstand methodisches Vorgehen Ergebnisse 3. Identifi- kation von Lücken der Technolo- gieanwen- dung Welche Lücken bestehen zwi- schen den An- wendungskon- texten und dem Ist-Status des Unternehmens und welche Vorteile existie- ren gegenüber etablierten Technologien? • Definition möglicher Positionen auf der Wertschöpfungskette • Identifikation von Lücken und Barrieren zwischen Anwen- dungskontext und Ist- Status des Unter- nehmens, v.a. mit Sicht auf benötigte Kompetenzen • Definition kontext- spezifischer Perfor- manzkriterien • Bewertung von bis- her im Anwendungs- kontext genutzten Technologien im Vergleich zur neuen Technologie • Definition möglicher Patentpositionen • Interviews mit Fach- experten innerhalb des Unternehmens • Interviews mit Exper- ten von außerhalb für die Anwendungskon- texte des Unterneh- mens • Workshops mit Fachexperten aus unterschiedlichen Bereichen • vertiefende Daten- bankanalysen, v.a. Patente • Übersicht über die zu überwinden- den Lücken • bewertete Konkurrenz- technologien • Anpassung der Road- map 4. Identifi- kation al- ternativer Technolo- giepfade Mit welchen Strategien kön- nen die identifi- zierten Lücken überwunden werden? • Erarbeitung und Be- wertung von Strate- gieoptionen • Konkretisierung der Konzepte für Produk- te oder Geschäfts- modelle • Bestimmung der Marktattraktivität • Analyse von Risiko und Kosten • Diskussion der Stra- tegieoptionen vor dem Hintergrund „kri- tischer Ereignisse" • Konkurrenzanalysen • Identifikation mögli- cher Partnerschaften • Pilotkunden • Entwerfen eines „Zu- kunftsbildes" des Un- ternehmens • Workshops mit Fachexperten und Entscheidungsträ- gern • Forecasting und Backcasting • ggf. Definition von „Zwischen- Zuständen" • bewertete Strategieop- tionen • Visualisie- rung in einer vorläufigen Roadmap mit Technolo- gien, An- wendungen und Produkt- konzepten • Konkurrenten 6 Erweiterung des ganzheitlichen Ansatzes für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 250 Phase Leitfrage Gegenstand methodisches Vorgehen Ergebnisse 5. Strate- gieent- scheidung In welche neuen Anwendungs- kontexte sollte das Unterneh- men die be- herrschte Tech- nologie transfe- rieren? • Finden einer gemein- sam getragenen Ent- scheidung • Definition zukünftiger Entscheidungspunkte • Strategien für „kriti- sche Ereignisse" • Festlegen von Folge- aktivitäten für Kun- den- und Partnerak- quise • Definition von Ver- antwortlichkeiten • zeitliche Einordnung von Aktivitäten • Workshops mit Fachexperten und Entscheidungsträ- gern • Erstellen eines Ab- schlussdokuments • Entscheidung für eine oder mehrere Strategieop- tionen • Erstellen der abschließen- den Road- map mit Technolo- gien, An- wendungen, Produktkon- zepten, Fol- geaktivitäten und zeitlicher Einordnung • gemeinsa- mes Zu- kunftsbild des Unter- nehmens • verabschie- deter Maß- nahmenkata- log 6. Evaluati- on und Wiederho- lung Welche Verän- derungen und neue Erkennt- nisse beeinflus- sen die gewähl- te Strategie? • kontinuierliches Beo- bachten des Umfelds • Erfolgskontrolle der Strategie • Hinterfragen der er- arbeiteten Strategie- optionen • Erarbeiten neuer Strategieoptionen • Identifikation von aufkommenden Ab- hängigkeiten und Bewerten der Risiken eines Lock-ins • Verantwortlichen für das kontinuierliche Beobachten definie- ren • Datenbankanalysen (Publikationen, Pa- tente, populärwis- senschaftliche Veröf- fentlichungen) • Interviews mit inter- nen und externen Fachexperten • Workshops mit hete- rogenen Teams • Weiterverfol- gen, Anpas- sen oder Verwerfen der gewähl- ten Strategie Tabelle 16: Spezifisches Vorgehen für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade bei Typ 3 [Quelle: eigene Darstellung] Die Ist-Analyse bildet den Ausgangspunkt der Vorausschau und Planung neuer Tech- nologiepfade für den Fall der Identifikation neuer Anwendungen für beherrschte Tech- nologien. Ziel dieser Phase ist es, das im Unternehmen vorhandene Wissen über die untersuchte Technologie zu erfassen und Weiterentwicklungsoptionen – z.B. Erweite- rungen des Funktionsspektrums – der technologischen Lösung zu bestimmen. Die 6 Erweiterung des ganzheitlichen Ansatzes für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 251 Phase startet mit einem Kick-off-Worshop, an dem die wesentlichen Stakeholder aus dem Unternehmen partizipieren sollten. Die Erfahrung aus den durchgeführten Fallstu- dien hat gezeigt, dass zum Teil bereits Aktivitäten bestehen, die jedoch nicht miteinan- der vernetzt, d.h. den Organisationsangehörigen zum Teil unbekannt sind. Insofern kann das erste Treffen auch dazu genutzt werden, weitere relevante Personen im Un- ternehmen zu ermitteln. Ein zentrales Motiv der ersten Prozessphase bei dieser Vari- ante ist die Definition der technologischen Funktionalität, um eine Beurteilung von Einsatzmöglichkeiten der Technologie vorzunehmen.658 Hierzu bietet sich die Durch- führung von Interviews mit Forschern und Prozessentwicklern an, bei denen zusätzlich Erweiterungen des Funktionsspektrums ermittelt werden können. Ebenso sollten be- stehende Produkte und Prozesse des Unternehmens, in denen die Technologie ver- wendet wird, analysiert werden. Eine weitere methodische Unterstützung in dieser Phase bieten Datenbankrecherchen. Bei der Analyse von wissenschaftlichen Veröf- fentlichungen kann nutzbares Wissen identifiziert werden, um die Technologie gezielt weiter zu entwickeln. Um den in den Fallstudien kritisierten „Information Overload“ zu reduzieren, sollte sich diese Analyse auf das untersuchte Technologiefeld beschränken und „Randthemen“ innerhalb des Feldes aufspüren.659 Zusätzlich können populärwis- senschaftliche Dokumente Hinweise auf langfristige Trends enthalten, die mit der Technologie adressiert werden können. Neben der Technologieperspektive können in dieser Phase die benötigten Kompetenzen auf Basis der Unterscheidung von „Assets“, „Zero-Level Capabilites“ sowie „Higher-Level Capabilities“ ermittelt werden.660 Die Zu- sammenarbeit mit den Pilotunternehmen ergab, dass die Akzeptanz für eine Technolo- gie im Unternehmen über eine Spiegelung an der Unternehmensstrategie geprüft wer- den kann. Die Erfahrungen aus den Fallstudien zeigen, dass im Rahmen der Voraus- schau und Planung ein kontinuierliches Wissensmanagement erfolgen sollte, um die aufgearbeiteten Erkenntnisse strukturiert zu erfassen und Doppelarbeiten zu vermei- den.661 In der zweiten Prozessphase werden Anwendungskontexte, in denen die Technologie eingesetzt werden könnte, bestimmt. Ebenso wie in der ersten Variante der Voraus- schau und Planung liegt der Fokus dieser Phase auf der Identifikation von Anwen- dungsmöglichkeiten. Ihre detaillierte Beschreibung ist in der Regel bei unbekannten Feldern erst später im Prozess möglich. Für die Suche nach Anwendungsmöglichkei- 658 Vgl. Moncada-Paternò-Castello, Rojo, Bellido, Fiore & Tübke 2003:657ff.; vgl. Abell 1980:110ff. 659 Hierzu können beispielsweise Softwarelösungen genutzt werden, um die unterschiedlichen Pub- likationen grafisch aufzuarbeiten und so die Analyse zu erleichtern. 660 Vgl. Burr 2004:123ff.; Teece, Pisano & Shuen, 1997:516; Hall 1993:608f.; Amit & Schoemaker 1993:35f. 661 Vgl. Weissenberger-Eibl 2006:25ff. 6 Erweiterung des ganzheitlichen Ansatzes für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 252 ten können Patentketten genutzt werden, bei denen auf Basis der technologischen Funktionalität Patente gesucht werden und die zitierenden Patente Hinweise auf An- wendungsmöglichkeiten geben. Des Weiteren zeigt die Erfahrung aus der Zusammen- arbeit mit den Pilotfirmen, dass heterogen besetzte Workshops Kreativität in Bezug auf die Identifikation möglicher Nutzungsgebiete von Technologien ermöglichen. Dabei sollten Nutzungsgebiete nicht in Interviews sondern erst in Workshops besprochen werden, um einer frühzeitigen Fixierung einzelner Teilnehmer vorzubeugen. Für die Beschreibung der gefundenen Gebiete hat sich das Konzept des Anwendungskontexts bewährt, das Akteure, Institutionen, Artefakte und Wissen unterscheidet, um eine struk- turierte Analyse zu ermöglichen. Die positiven Erfahrungen mit einer breiten Sicht auf Anwendungsfelder – ohne konkrete Produkte zu definieren – bestätigt die in der Litera- tur dokumentierten Erfahrungen mit der Vorausschau und Planung in sehr dynami- schen Feldern.662 Die in dieser Phase einbezogenen Personen sollten mit einem brei- ten Spektrum an Branchen und Geschäftsmodellen vertraut sein, um fundierte Aussa- gen über verschiedene Anwendungsgebiete treffen zu können. Verfügt das Unterneh- men über wenige Kenntnisse der Anwendung, ist nach Möglichkeit auf unternehmens- externe Kompetenzträger zurückzugreifen. Nach der Erfahrung in den Fallstudien las- sen sich in dieser Phase auch erste Ideen für mögliche Geschäftsmodelle generieren. Das Ergebnis des Prozessschritts sollten verschiedene Optionen für eine zukünftige Nutzung der Technologie sein, die zusammen mit dem Ausblick auf die Funktionsent- wicklung der Technologie (vgl. 1. Phase) in einer Roadmap dokumentiert werden. Die dritte Phase der Gap-Analyse stellt die Ergebnisse der Ist-Analyse, d.h. insbeson- dere die technologischen Entwicklungsmöglichkeiten und die identifizierten Anwen- dungskontexte systematisch gegenüber. Das Ziel der Phase besteht darin, die zu lö- senden Probleme der Technologieanwendung herauszuarbeiten. Aufgrund der positi- ven Erfahrungen in den Pilotunternehmen wird auf die Beschreibung der Anwendungs- kontexte anhand von Akteuren, Wissen, Artefakten und Institutionen zurückgegriffen. Vor allem bei einer großen Anzahl von Anwendungskontexten konnte diese Analyse in den Fallstudien durch die Definition möglicher Positionen auf einer antizipierten Wert- schöpfungskette erleichtert werden.663 Zur Bestimmung der Lücken sollten Interviews mit unterschiedlichen Experten geführt werden (v.a. Forscher, Techniker, Vertriebsmit- arbeiter, After-Sales-Mitarbeiter), die außerhalb oder innerhalb des Unternehmens an- gesiedelt sein können. In diesem Zusammenhang sollten für die einzelnen Anwendun- 662 Vgl. van den Hende, Schoormans, Morel, Lashina, van Loenen, & de Boevere 2007:3; Day & Schoemaker 2000:21; Veryzer 1998:317; Chiesa & Manzini 1998:115. 663 In den betrachten Fällen erfolgte erst im Rahmen der Suche nach Gaps eine detaillierte Be- schreibung von Nutzungsumfeldern (vgl. Phase 2), was aus Gründen der Effizienz jedoch sinn- voll erscheint. 6 Erweiterung des ganzheitlichen Ansatzes für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 253 gen kontextspezifische Performanzkriterien der Technologie definiert und den etablier- ten Technologien gegenübergestellt werden. Das Ergebnis dieser Phase stellt daher eine vergleichende Bewertung alternativer technologischer Lösungen sowie die Doku- mentation von Lücken und Barrieren auf dem Weg zu einer erfolgreichen Technologie- nutzung dar. Ausgehend von den in den vorangegangenen Phasen durchgeführten Patentanalysen kann ebenfalls eine Einschätzung der Patentattraktivität einzelner An- wendungskontexte vorgenommen werden.664 Bei der Identifikation alternativer Technologiepfade findet die Vorbereitung der Strate- gieentscheidung statt. In den Fallstudien kamen zwei unterschiedliche Ansätze für die Bestimmung einer Vielzahl möglicher Wege vor. Zum einen wurden unterschiedliche Wege zu einem Anwendungskontext – z.B. alternative Geschäftsmodelle oder Positio- nierungen auf der Wertschöpfungskette – formuliert. Zum anderen erfolgte die Definiti- on von Wegen zu mehreren Anwendungskontexten. Die Verknüpfung von Forecasting und Backcasting unterstützt die Formulierung dieser strategischen Pfade. Veröffentli- chungen zur Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade legen nahe, dass die Strategien auf ein schnelles Lernen bzw. ein schnelles Scheitern bei ausbleibendem Erfolg ausgerichtet sein sollten, um den Ressourceneinsatz zu optimieren.665 Über zu- künftige Bilder des Unternehmens kann außerdem eine strukturierte Auseinanderset- zung mit den benötigten Strukturen und Kompetenzen, die für den Erfolg in einer An- wendung benötigt werden, erfolgen.666 Bei sehr langfristigen Strategien können die Pfade um „Zwischenzustände“ ergänzt werden, um die Zielpunkte der Aktivitäten deut- licher herauszustellen. Von Bedeutung ist weiterhin die Bestimmung und Bewertung der Attraktivität von Anwendungen (z.B. Volumen, Wachstum), beispielsweise auf Ba- sis von spezifischen Technologieportfolios.667 Dabei sind auch Konkurrenten und mög- liche Partner in den Anwendungskontexten zu ermitteln. Die Beteiligung von Technolo- gie- und Anwendungsexperten ist durch Teilnehmer aus dem Top-Management zu ergänzen, um das Committment der Führungsebene zu gewinnen und das vorhandene Erfahrungswissen zu nutzen. Die Ergebnisse der vierten Phase werden in einer Road- map visualisiert. 664 Für Untersuchungen über die Patentierungsmöglichkeiten von neuen Technologien, z.B. durch Demonstratopatente vgl. Delemarle & Larédo 2006:133ff. 665 Vgl. Bessant, Lamming, Hannah & Phillips 2005:1373; Mendonça, Pina e Cunha, Kaivo-oja & Ruff 2004:209; Day & Schoemaker 2000:21. 666 Dabei sollte ebenfalls eine Unterscheidung zwischen Assets, Zero-level Capabilities und Higher- level Capabilities vorgenommen werden. Für den Kompetenzaufbau in neuen Technologiefel- dern vgl. McDermott & Coates 2007:348f.; Danneels 2002:1102ff. 667 Vgl. Gerpott 2005:67ff.; Gerybadze 2004:155ff.; Pfeiffer 1991:204ff. 6 Erweiterung des ganzheitlichen Ansatzes für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 254 Das Ergebnis der Phase der Strategieentscheidung ist eine gemeinsam getragene Unternehmensentscheidung über die zu verfolgenden Technologiepfade. Die Strate- gien sollten darauf ausgerichtet sein, Pilotkunden und weitere Kundengruppen für die Nutzung der Technologie zu gewinnen und Kontakte in den Anwendungskontexten aufzubauen. Um einen Konsens zwischen den am Prozess beteiligten Stakeholdern zu erzielen, wird ein Roadmapping-Workshop durchgeführt. Die Diskussion über die Visu- alisierung in einer Roadmap, die Technologien, Anwendungskontexte und nach Mög- lichkeit Produktkonzepte umfasst, löst einen konsensstiftenden Prozess aus, der ein gemeinsames Verständnis der Teilnehmer befördert.668 Das Unternehmen sollte bei der Festlegung der Strategie Entscheidungspunkte definieren, bei denen die gewählte Strategie erneut zu überprüfen ist.669 Des Weiteren sollte das Controlling der entwickel- ten Strategien vorbereitet werden. Kriterien für eine Bewertung des Strategieerfolgs könnten beispielsweise die Anzahl neuer Märkte und Anwendungen, in denen die Technologie getestet wurde, die Erweiterung des Funktionsspektrums sowie die Per- formanz mit Sicht auf die Leistungsmerkmale der Zielanwendungen, die Anzahl von Personen (innerhalb und außerhalb des Unternehmens), mit denen die Idee für einen neuen technologische Pfad diskutiert wurde, die Anzahl der fachlichen Hintergründe und Branchenzugehörigkeiten der involvierten Personen, der Marktanteil oder die ver- kauften Stückzahlen sein. Die Maßnahmen und Verantwortlichkeiten sollten darauf ausgerichtet sein, die Technologie in möglichst vielen Anwendungsfeldern zu erproben. Im Rahmen der Wiederholung des Prozesses erfolgt die Kontrolle und Anpassung der entwickelten Strategie. Diese Phase ist für die drei Varianten der Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade weitgehend identisch. Es werden durch den Pro- zessverantwortlichen neue Informationen erhoben und dokumentiert. Der Prozess- Owner leitet die Informationen – z.B. über neue konkurrierende oder komplementäre Technologien, das Scheitern von Entwicklungsvorhaben, die Identifikation neuer An- wendungsmöglichkeiten oder das Scheitern einer Strategie – an die übrigen beteiligten Experten weiter und veranlasst gegebenenfalls die Ausrichtung von Workshops. Die Wiederholungsphase wird um die konstruktive Infragestellung der Ergebnisse sowie die Bewertung von Pfadabhängigkeiten der Strategie ergänzt.670 Um den Erfolg der gewählten Strategien und Einzelmaßnahmen zu evaluieren, werden die in der fünften Phase definierten Kennzahlen angewendet. Das Ergebnis dieser Phase ist falls not- 668 Vgl. Technology Futures Analysis Methods Working Group 2004:300; Kostoff, Boylan & Sim- mons 2004:157; Walsh 2004:175. 669 Vgl. Strauss & Radnor 2004:55ff. 670 Vgl. Rip & Propp 2005 für eine ausführliche Darstellung der mit einem Lock-in einhergehenden Gefahren. 6 Erweiterung des ganzheitlichen Ansatzes für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade 255 wendig eine unveränderte oder angepasste Strategie. Bei erheblichen Veränderungen sollte diese in einer neuen bzw. überarbeiteten Roadmap visualisiert werden. 7 Schlussbetrachtung 256 7 SCHLUSSBETRACHTUNG In diesem Kapitel findet die Schlussbetrachtung der Arbeit statt. Diese umfasst auf der einen Seite eine Zusammenfassung der zentralen Aussagen und Ergebnisse. Auf der anderen Seite werden die Grenzen der Untersuchung aufgezeigt und weiterer For- schungsbedarf definiert. 7.1 Zusammenfassung der Ergebnisse Das Kernziel dieser Arbeit bestand in der Entwicklung eines ganzheitlichen Ansatzes für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade. Diese übergeordnete Ziel- setzung konnte durch das gewählte Vorgehen erreicht werden. Der Ansatz integriert und konkretisiert erfolgreich verschiedene inhaltliche Leitlinien der Vorausschau und Planung. Die Anwendung eines Rahmens von Einflussfaktoren auf der Ebene von Ge- sellschaft, technologiebasiertem Innovationssystem und Unternehmen ermöglicht die systematische und strukturierte Erfassung dieser Faktoren in der Vorausschau und Planung. Die entwickelte und validierte Ablauf- und Aufbauorganisation des Ansatzes stellt eine effiziente Anwendung und Umsetzung in Unternehmen sicher. Auf dem Weg zu diesem Hauptziel konnten verschiedene Teilziele der Arbeit erreicht werden. Eine theoretische Zielsetzung lag in dem Einbringen von Erkenntnissen der Innovationsforschung in die methodische Diskussion der Vorausschau und Planung. Die Aufarbeitung der vorhandenen Ansätze verdeutlichte die wenig verbreitete Nutzung von wissenschaftlichen Erkenntnissen über den Innovationsprozess. Die überwiegende Anzahl dieser Konzepte basiert auf einem linearen Innovationsverständnis, das für die hochdynamische und komplexe Situation der Pfadentstehung unzureichend ist. Mit der Integration von Gedanken aus der Pfadforschung sowie der Innovationssystem- Analyse stellt diese Arbeit ein theoretisch und empirisch validiertes Modell bereit, das einen Ausgangspunkt für die Konzeption von Ansätzen der Vorausschau und Planung neuer technologischer Pfade bilden kann. An dieser Stelle zeigt sich auch ein Mangel der bestehenden Definitionen von Vorausschau- und Planungsprozessen. Diese wer- den in der Regel als lineare Prozesse betrachtet. Die Fallstudien in dieser Arbeit haben jedoch gezeigt, dass das Vorgehen sehr iterativ ist. Eine weitere theoretische Zielset- zung bestand einerseits in der Definition eines Kernbereichs von Aufgaben, den die Vorausschau und Planung bei der Entstehung neuer Technologien erfüllen sollte und andererseits in der Herausarbeitung eines Sets von Charakteristika für erfolgreiche Strategien in diesen Situationen. Diese Aspekte wurden unter dem Begriff der inhaltli- 7 Schlussbetrachtung 257 chen Leitlinien zusammengefasst. Die Auswertung der vorhandenen Ansätze ergab mehrere zentrale Leitlinien. In der Zusammenarbeit mit den Pilotunternehmen wurde dieses Set von Leitlinien angepasst. Die Aufgaben der Vorausschau und Planung um- fassen die Schaffen eines gemeinsamen Verständnisses zwischen den Teilnehmern, die Erarbeitung von Visionen, die Antizipation von Entwicklungen, die Ermöglichung von Kreativität und Lernen, die Identifikation von schwachen Signalen, das systemati- sche Reflektieren der Ergebnisse, die Evaluation der Tragfähigkeit eines Pfades durch ein Unternehmen und die Betrachtung des technologiespezifischen Risikos. Zentrale Charakteristika erfolgreicher Strategien sind die gleichzeitige Realisierung von Flexibili- tät und Konkretisierung, die Definition von Zwischenzuständen, der Entwurf langfristi- ger Handlungskonzepte und die Festlegung von Entscheidungspunkten, die zukünftige Handlungen durch das Unternehmen auslösen. Schließlich lag eine theoretische Ziel- stellung dieser Arbeit darin, die Methodendiskussion der Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade voranzutreiben. Durch eine innovative Verknüpfung einer Vielzahl von Konzepten, um ein ganzheitliches Vorgehen zu ermöglichen und durch die Integration innovationstheoretischer Erkenntnisse in die Vorausschau und Planung konnte dieses Ziel erreicht werden. Eine konzeptionelle Zielsetzung lag in der Bereitstellung eines Rahmens, um die Ein- flussfaktoren der Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade strukturiert zu analysieren und systematisch aufzunehmen. Der entwickelte und erfolgreich mit Unter- nehmen angewendete Rahmen basiert auf dem theoretischen Modell der Pfadentste- hung in Innovationssystemen. Für die Analyse findet eine Abgrenzung der drei Ebenen „gesellschaftliches Umfeld", „technologiebasiertes Innovationssystem" und „Unterneh- men" statt. Auf jeder Ebene werden Akteure, Institutionen, Wissen und Artefakte unter- schieden. Zusätzlich erfolgen die Bestimmung der Einflussmöglichkeiten des Unter- nehmens auf diese Faktoren sowie die Analyse entstehender Pfadabhängigkeiten. Der entwickelte Rahmen ermöglicht eine Handhabung der Komplexität in der Vorausschau und Planung und eine Konzentration auf die wesentlichen Einflussgrößen. Eine weitere konzeptionelle Zielsetzung bestand darin, einen ganzheitlichen Ansatz zu entwerfen. Für diese Zielsetzung lassen sich vier Aspekte unterscheiden. Erstens integriert und konkretisiert der Ansatz die verschiedenen inhaltlichen Leitlinien der Vorausschau und Planung und entfernt sich damit von der häufig verfolgten Konzentration auf Teilaspek- te. Zweitens berücksichtigt er die Einflussfaktoren umfassend, indem nicht nur unter- nehmensexterne sondern auch interne Faktoren in der Analyse betrachtet werden. Drittens bildet die Vorausschau und Planung einen kontinuierlichen Prozess, in dem neue Informationen aufgenommen und interpretiert sowie Strategien angepasst wer- 7 Schlussbetrachtung 258 den. Viertens stellt der Ansatz drei Typen der Ablauf- und Aufbauorganisation bereit, um die Vorausschau und Planung entsprechend der Ausgangssituation zu variieren. Eine empirische Zielsetzung bestand darin, Probleme von Unternehmen bei der me- thodisch unterstützten Analyse und Strategiebildung für neue Technologien zu identifi- zieren, da bisher wenige Erfahrungsberichte zu dieser Thematik vorliegen. Die Prob- lemaufnahme konnte durch die Anwendung des vorgestellten Ansatzes erreicht wer- den. Die Grundlage bildete eine Auswahl sehr heterogener Pilotunternehmen, die sich mit Sicht auf die Branchen, die Unternehmensgrößen sowie die verfolgten Technolo- gien unterschieden. Als zentrale, bisher wenig adressierte Problembereiche stellten sich beispielsweise die Reflexion erarbeiteter Strategien sowie die Identifikation von entstehenden Pfadabhängigkeiten heraus. Nicht zu vernachlässigen ist außerdem die Dimension der Unternehmenskultur, die von den vorliegenden Ansätzen zwar als Er- folgsfaktor für die Kommerzialisierung neuer Technologien, aber nicht als Erfolgsfaktor der Vorausschau und Planung thematisiert wird. Als weitere empirische Zielsetzung sollte eine Untersuchung darüber erfolgen, welche der in der Literatur vorgestellten Ansätze und Konzepte für die Vorausschau und Planung in Unternehmen geeignet sind und wie diese gegebenenfalls anzupassen oder zu erweitern sind. Dabei be- schränken sich die folgenden Aussagen auf die in den Fallstudien verwendeten Kon- zepte. Insgesamt ist es für Unternehmen schwierig, aus den verfügbaren Ansätzen die für ihre Problemstellung geeigneten herauszufinden. Sehr positive Erfahrungen konn- ten mit der Analyse in unterschiedlichen Datenbanken sowie mit dem Backcasting von zukünftigen Zuständen gesammelt werden. Hingegen ist die Formulierung von szena- riobasierten Visionen mit Sicht auf die Zeitknappheit innerhalb der Vorausschau- und Planungsprojekte schwierig umzusetzen. Zusammenfassend zeigen die Erfahrungen, dass einfache, gut strukturierte Lösungen zu bevorzugen sind, damit sich die Teilneh- mer auf die Inhalte der Projekte konzentrieren können. Neben diesen Aspekten der Ablauforganisation konnten empirische Erkenntnisse über die Aufbauorganisation der Vorausschau und Planung erzielt werden. Bezüglich der Einbindung von Personen zeigt sich unter anderem, dass mit einer größeren Heterogenität tendenziell die Kreati- vität der Gruppe steigt. Ein besonderes Potenzial bieten unternehmensexterne Perso- nen. Allerdings bestehen in vielen Firmen – aufgrund der möglichen Know-how- Abflüsse – Bedenken gegen das Einbinden Externer. Eine in den vorhandenen Ansät- zen wenig betonte Rolle ist diejenige eines Prozess-Owners innerhalb von Unterneh- men. Das Vorhandensein eines Verantwortlichen für den gesamten Prozess, der im Idealfall auch die Umsetzung der Ergebnisse vornimmt, beeinflusst den Projekterfolg in der Vorausschau und Planung positiv. 7 Schlussbetrachtung 259 7.2 Grenzen der Untersuchung und weiterer Forschungsbedarf Die wesentlichen Zielsetzungen der Arbeit wurden erreicht. Insbesondere konnte ein Ansatz für die Vorausschau und Planung entwickelt werden, der theoretisch fundiert ist, der die Anforderungen an die Strategiebildung im Umfeld neuer Technologiepfade ganzheitlich erfüllt und der die relevanten Einflussfaktoren umfassend berücksichtigt. Der Ansatz wurde erfolgreich in verschiedenen Projekten der Pilotunternehmen ange- wendet und für die Nutzung in anderen Firmen erweitert. Der vorgestellte Ansatz weist jedoch Grenzen auf. Die Strategiebildung neuer Technologiepfade unterliegt Grenzen, da in der Gegenwart kein gesichertes Wissen über die Zukunft existiert. Die Vorausschau liefert insofern lediglich einen Ersatz für dieses Wissen, indem sie Hypothesen und mögliche Entwick- lungen aufzeigt. Außerdem liefert sie die Basis für eine aktive Gestaltung der Zukunft, beispielsweise für den Fall, dass sich Aussagen über potenzielle Entwicklungsrichtun- gen im Sinne von „Self Fulfilling Prophecies" bewahrheiten. Der Planungscharakter des entwickelten Ansatzes konzentriert sich dementsprechend darauf, das Unternehmen auf mögliche zukünftige Entwicklungen und die Beeinflussung dieser Entwicklungen vorzubereiten. Eine lineare Planung der durch das Unternehmen zu verfolgenden Vor- gehensweisen hat wenig Aussichten auf Erfolg, da sich das Umfeld, die Technologien und die Anwendungen im Zeitablauf erheblich verändern können. Eine Grenze des Vorgehens liegt in der Beschränkung des Methodenreviews auf An- sätze, die sich explizit auf neue oder entstehende Technologien beziehen. Andere Konzepte, die nicht ausdrücklich auf diese Situationen ausgerichtet sind, könnten e- benfalls vielversprechende Anknüpfungspunkte für die Vorausschau und Planung in diesen Feldern bieten. Für die Evaluation der Ansätze wurde außerdem nur auf die von den Autoren beschriebenen Effekte, Vor- und Nachteile zurückgegriffen. Aussagen zu den Einschätzungen der Beteiligten lagen nur in wenigen Fällen vor. Die Grenzen der empirischen Untersuchung liegen vor allem in der sehr kleinen Fallstudienzahl, der sehr heterogenen Firmen und der intensiven Unterstützung der Methodennutzung durch die Forscher. Aussagen über die Übertragbarkeit des Ansatzes auf andere Un- ternehmen sind daher problematisch. Zudem entziehen sich die entwickelten Strate- gien einer abschließenden Bewertung, da deren Realisierungszeitraum den Untersu- chungszeitraum um mehrere Jahre übersteigt. 7 Schlussbetrachtung 260 Weiterer Forschungsbedarf besteht an unterschiedlichen Stellen der Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade. Die mit dieser Arbeit angestoßene Debatte über die theoretische Fundierung sollte von Wissenschaftlern aus den Gebieten der technologi- schen Vorausschau, des strategischen Technologiemanagements und der Innovations- forschung aufgegriffen werden. Gegenstand dieses Diskurses sollten zum einen die unterschiedlichen Möglichkeiten der theoretischen Fundierung sein. Zusätzlich zu den in dieser Arbeit genutzten Konzepten von technologiebasierten Innovationssystemen und technologischen Pfaden könnten beispielsweise die Komplexitätsforschung oder die Chaosforschung interessante Anknüpfungspunkte bieten. Wesentlich ist zum ande- ren auch der Transfer der Ergebnisse aus dieser Diskussion in neue Ansätze für die Vorausschau und Planung, um diese besser auf die Erfordernisse der technologischen Umfelder auszurichten. Der in dieser Arbeit entwickelte Ansatz ist in weiteren Unternehmen zu prüfen, um bes- sere Aussagen über die Eignung für bestimmte Technologiefelder, Unternehmensgrö- ßen und Branchen zu gewinnen. Des Weiteren sollten die Aussagen über die Aufga- ben der Vorausschau und Planung neuer technologischer Pfade sowie die Charakteris- tika erfolgreicher Strategien im Rahmen einer breit angelegten Studie validiert werden. Die breite empirische Untersuchung sollte durch eine Langzeitstudie über die Erfolge der im Rahmen der Vorausschau und Planung entwickelten Strategien ergänzt werden. Zu verfolgende Forschungsfragen in diesem Bereich könnten sich mit der Variation von Aufgaben und Strategien im jeweiligen technologischen Umfeld sowie in verschiede- nen Branchen und Unternehmen befassen. Dies könnte auf der einen Seite die Ent- wicklung besserer, situationsspezifischer Ansätze für die Vorausschau und Planung ermöglichen. Auf der anderen Seite könnten auf die Ansprüche unterschiedlicher Um- felder maßgeschneiderte Strategien entwickelt werden. Eine andere Forschungsrich- tung könnte in der weiteren Ausdifferenzierung der vorgeschlagenen Typen der Vor- ausschau und Planung neuer Technologiepfade liegen. Forschungsbedarf besteht bei der Entwicklung einer spezifischen Prozessdefinition der Vorausschau und Planung neuer Technologien, die den tatsächlichen Abläufen gerecht wird. Vorhandene Definitionen unterstellen einen linearen Prozess, der unterschiedli- che Phasen umfasst.671 Die Fallstudien in dieser Arbeit haben jedoch gezeigt, dass das Vorgehen sehr iterativ ist und nur eingeschränkt von einem schrittweisen Vorgehen gesprochen werden kann. 671 Vgl. hierzu Abschnitt 2.1.3. 7 Schlussbetrachtung 261 Zwei Problembereiche, die diese Arbeit nur in Ansätzen behandelt hat, bestehen in dem Transfer des generierten Wissens in die Prozesswiederholung und in die spätere Umsetzung der Strategien. Der erste Aspekt zielt auf das Wissensmanagement im Rahmen der Vorausschau und Planung. Zwar dokumentierten die Unternehmen viele Informationen in den Roadmaps. Bei der ausschließlichen Nutzung dieser Roadmaps für die Wiederholung des Vorgehens gehen möglicherweise darüber hinausgehende Informationen über potenzielle Anwendungskontexte, technologische Alternativen oder kritische Ereignisse verloren. Die systematische Erfassung und Zur-Verfügung-Stellung dieses Wissens bildet eine Herausforderung der Vorausschau und Planung. Dies gilt ebenfalls für den Transfer der Ergebnisse in die Umsetzung der Strategien. Da es nicht in jedem Projekt möglich ist, einen Wissenstransfer über den Teilnehmerkreis – d.h. durch frühzeitiges Einbeziehen sämtlicher Stakeholder – zu erreichen, sollten Ansätze für eine methodische Unterstützung dieser Schnittstelle entwickelt werden. Eine aus- schließliche Kommunikation der Ergebnisse an das Top-Management oder an Perso- nen, die die Umsetzung der Entscheidungen vornehmen, scheint an dieser Stelle nicht ausreichend zu sein. Die Arbeit weist ferner auf Forschungsbedarf im Bereich der Methoden der Voraus- schau und Planung neuer Technologiepfade hin. Dieser besteht erstens bei der Identi- fikation von entstehenden Abhängigkeiten im Umfeld und innerhalb des Unterneh- mens. Um einen Lock-in auf einen sub-optimalen Technologiepfad zu verhindern, be- nötigen Unternehmen Tools, mit denen sich abzeichnende Abhängigkeiten rechtzeitig identifiziert und bewertet werden können. Zweitens ist auf eine methodische Unterstüt- zung bei der kritischen Reflexion der in der Vorausschau und Planung erzielten Ergeb- nisse hinzuweisen. Eine entsprechende Systematik könnte die Bereitschaft der Unter- nehmen, ihre Strategien, Annahmen und Strukturen kritisch zu hinterfragen, steigern. Ein Ergebnis der Fallstudien besteht darin, dass die Unternehmenskultur ein wesentli- cher Erfolgsfaktor der Durchführung der Vorausschau und Planung neuer Technolo- giepfade ist. Sie determiniert die Offenheit und Bereitschaft in Unternehmen, sich mit neuen Konzepten auseinanderzusetzen, mit heterogenen Teams zusammenzuarbeiten und Ideen von verschiedenen Wissensträgern zu berücksichtigen. Die Kulturen der beteiligten Unternehmen unterschieden sich zum Teil erheblich. Die Zusammenhänge der Unternehmenskultur und der Vorausschau und Planung sollten vertiefend unter- sucht werden, um sowohl die Rolle der Unternehmenskultur besser zu verstehen als auch spezifische Ansätze für Firmen mit unterschiedlichen Kulturen zu entwickeln. Der nächste Entwicklungsschritt der Vorausschau und Planung liegt schließlich in der Konzeption von langfristig flexiblen Vorgehensweisen. Diese könnten Variationen in 7 Schlussbetrachtung 262 Abhängigkeit des Entwicklungsstadiums von Technologien oder Anwendungen vorse- hen. Die Inhalte der Prozesswiederholung würden sich an die Entwicklungsstufen an- passen. Eine solche Variation könnte die Effizienz der Vorausschau und Planung neu- er Technologiepfade weiter erhöhen. Literaturverzeichnis 263 LITERATURVERZEICHNIS Abell, D.F. (1980): Defining the Business – The Starting Point of Strategic Planning. Englewood Cliffs, NJ: Prentice-Hall. Abernathy, W.J. & Clark, K. B. 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Anhang 285 ANHANG Anhang 286 Anhang A: Problembereiche der Vorausschau und Planung neuer Techno- logiepfade Theoretische Fundierung • expliziter Bezug zu Elementen einer theoretischen Grundlage • Entwickeln eines Ansatzes aus einer Theorie heraus Aufgaben der Vorausschau und Planung im Umfeld neuer technologischer Pfade Visionen / Erwartungen bilden • Entwickeln von Visionen • Kommunizieren von Visionen • Entwickeln und Verbreiten von Erwartungen gemeinsames Verständnis aufbauen • Entwickeln eines "Shared Understanding" • Kommunikation zwischen den Akteuren forcieren • Konsens erzielen • Visualisierung von Ergebnissen • "Committment" aller Beteiligten erreichen Reflexion ermöglichen • kritisches Reflektieren von Annahmen • kritisches Hinterfragen von Strategien • Hinterfragen von angewandten Konzepten • Minimieren des Bias bei Entscheidungen • Objektivierung Antizipation ermöglichen • Antizipation möglicher Entwicklungen • Antizipation von Chancen • Antizipation von Risiken Anhang 287 Kreativität / Lernen ermöglichen • Raum für Kreativität schaffen • Intuitionen aufnehmen • neues Wissen aktiv entwickeln • Lernen Schwache Signale identifizieren • Identifikation von Wandel • Anzeichen von Wandel herausfiltern • Detektion von Schwachen Signale Wechselwirkungen herausarbeiten • Interaktionen im Umfeld identifizieren • Wechselwirkungen zwischen Faktoren berücksichtigen • Zusammenwirken von Entwicklungen Anstoßen von Veränderungen • neue Entwicklungen im Unternehmen initiieren • Wandel in Organisationen auslösen • neues Denken anstoßen Merkmale der entwickelten Strategien flexible Strategien • nicht-lineare Strategien entwickeln • emergente Strategien zulassen • zukünftige Handlungsfreiheit bewahren • strategische Flexibilität ermöglichen Anhang 288 konkrete Schritte / Wege • Wege zu zukünftigen Zuständen definieren • strategische Übergänge identifizieren • nächste Schritte festlegen • konkrete Maßnahmen ableiten langfristige Strategie • langfristige Strategien ableiten Timing von Entscheidungen • Zeitpunkte für Handlungen festlegen • Reaktionen auf konkrete Entwicklungen definieren Vielzahl Anwendungen / Offenheit • Berücksichtigen einer Vielzahl möglicher Anwendungen • Offenheit der Technologieentwicklung • Unterdeterminiertheit neuer Technologien Einflussfaktoren im Umfeld ganzheitlicher Ansatz • gesellschaftliche Faktoren • politische Faktoren • Umweltwirkungen • Erwartungen technologisches Umfeld • Vielzahl technologischer Lösungen • komplementäre Technologien • (mögliche) Konkurrenztechnologien Anhang 289 Technologietreiber • Identifizieren von Technologietreibern • Analysieren von Technologietreibern Netzwerke / Partner • Aufbauen von Netzwerken • mögliche Partner • Identifikation und Analyse möglicher Kunden Abhängigkeiten im Umfeld • mögliche Barrieren im Umfeld • Ursachen von Stabilität im Umfeld • Pfadabhängigkeiten im Umfeld Einflussfaktoren im Unternehmen Innovationskultur • Innovations-, Unternehmens- und Organisationskultur • Selbstverständnis der Organisation • Anreizsysteme des Unternehmens technologische Basis • vorhandene Technologien im Unternehmen • Portofolioüberlegungen Ressourcen • verfügbare Ressourcen des Unternehmens • benötigte Ressourcen für eine Strategie • finanzielle Ressourcen • Humanressourcen Anhang 290 Kompetenzen • Kernkompetenzen • dynamische Wettbewerbsfähigkeiten Abhängigkeiten im Unternehmen • Beschränkungen des Unternehmens • Restriktionen des Unternehmens • Innovationsfähigkeit der Organisation • Innovationsfähigkeit bestehender Geschäftsmodelle Aufbauorganisation heterogenes Team • heterogene Persönlichkeiten einbeziehen • verschiedene fachliche Qualifikationen • funktionsübergreifende Beteiligung • unterschiedliche hierarchische Ebenen Stakeholder einbeziehen • Betroffene einbeziehen • Anspruchsgruppen integrieren • Personen von außerhalb der Organisation • Personen aus anderen technologischen Communities integrieren kontinuierliches Mitwirken • Kontinuität des Mitwirkens • Team Building ermöglichen Management einbeziehen • Führungspersonen einbinden • Unternehmensleitung / Bereichsleitung • Committment des Top-Managements erreichen Anhang 291 Ablauforganisation iterativer, flexibler Prozess • flexible Prozessschritte • ermöglichen von Iterationen • keine starren "Gates" kontinuierlicher Prozess • Wiederholung des Prozesses • "Update" der Ergebnisse • durchgehende Prozessschritte bis zur Strategieumsetzung Technologie und Unternehmensanalyse • Verbinden von Technologie- und Unternehmensanalyse • Verbinden von Technologie- und Organisationsanalyse Analyse- und Entscheidungsprozesse • Verbinden von Analyse- und Entscheidungsprozessen • Erkenntnistransfer Methodenkombination • Nutzen mehrerer Methoden • qualitative und quantitative Methoden • Nutzen verschiedener Informationsquellen • tazites und explizites Wissen nutzen • interdisziplinäres Wissen nutzen Anhang 292 Teil 1/4 Anhang B: Theoretische Grundlagen und Anwendungsbereiche der vorhandenen Ansätze für die Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade A r t d e s A n s a t z e s * e x p l i z i t e t h e o r e t i s c h e G r u n d l a g e * * G e n u t z t e T h e o r i e n A n w e n d u n g * * * A n w e n d u n g s b e r e i c h e Hinze 1994 I n j Bioelektronik Porter & Detampel 1995 I n j Elektronikmontage, Entwicklung von Multichip-Modulen Ehrnberg & Jacobsson 1997 I n j CNC-Technologie, FMS-Technologie Smalheiser 2001 I n j Gentechnik Graff 2003 I v technologische Trajektorien j Grüne Biotechnologie Patton 2005 I n n Daim et al. 2006 I n j Brennstoffzelle, Lebensmittelsicherheit, optische Speicher Day & Schoemaker 2006 u. 2004 I n n Kostoff 2006 I n j Wasserreinigung de Miranda Santo et al. 2006 I n j Nanotechnologie Kajikawa et al. 2007 I n j Energietechnologien Kemp 1994 M v Technologische Trajektorien, Pfadabhängigkeit j Elektrofahrzeuge, Wasserstoffwirtschaft Linton 1997 M n n Gartner 2002 M n j verschiedene Techologien Geels 2002 M v Co-Evolutionäre Theorien, Sozialkonstruktivis- mus j Transportesktor Paap & Katz 2004 M n n ** v=vorhanden, n=nicht vorhanden *** j=ja, n=nein * I=Datenbankanalysen und Indikatoren, M=Entwicklungsmuster, B=Technologie-Bewertung, S=Szenarien, R=Roadmaps, N=New Business Development, T=Technologie-Folgenabschätzung, So=Sonstige Anhang 293 A r t d e s A n s a t z e s * e x p l i z i t e t h e o r e t i s c h e G r u n d l a g e * * G e n u t z t e T h e o r i e n A n w e n d u n g * * * A n w e n d u n g s b e r e i c h e Hüsig et al. 2005 M j Christensens "Disruption Theory" j WLAN, Telekommunikation van Merkerk & van Lente 2005 M v Pfadahbhängigkeit, Erwartungsdynamik j Nanotubes Bengisu & Nekhili 2006 M n j verschiedene Techologien Mercer 1997 S n n Mirow 1998 S n n Bers et al. 1999 S n j Mobile Telekommunikation Noori et al. 1999a u. 1999b S n j Elektrofahrzeuge Bruun et al. 2002 S n j Aquakulturen Raynor & Leroux 2004 S n j verschiedene Techologien Dortmans 2005 S n j Verteidigung Burt 2007 S v Christensens 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R n j Medizin Teil 2/4 ** v=vorhanden, n=nicht vorhanden *** j=ja, n=nein * I=Datenbankanalysen und Indikatoren, M=Entwicklungsmuster, B=Technologie-Bewertung, S=Szenarien, R=Roadmaps, N=New Business Development, T=Technologie-Folgenabschätzung, So=Sonstige Anhang 294 A r t d e s A n s a t z e s * e x p l i z i t e t h e o r e t i s c h e G r u n d l a g e * * G e n u t z t e T h e o r i e n A n w e n d u n g * * * A n w e n d u n g s b e r e i c h e Strauss & Radnor 2004 R n Walsh 2004 R n j Mikrosystemtechnik / Nanotechnologie Rip & Propp 2005 R v Pfadabhängigkeit j Mikrosystemtechnik / Nanotechnologie Song et al. 2007 R n j Intelligente Mikrosysteme, Spin-Elektronik Chiesa & Manzini 1998 N V Resource Based View j verschiedene Techologien Rice et al. 2001 N n j verschiedene Techologien Christensen & Overdorf 2004 N n n Sainio & Puumalainen 2007 N n j Bluetooth, WLAN, Grid Computing, Mobile Peer-to-peer Mettler & Baumgartner 1998 T n j Mikroelektronik Dewick et al. 2004 T v Lange Wellen, technologische Trajektorien j Nano-, Bio-, Informationstechnologie Fleischer et al. 2005 T n j Nanotechnologie van Merkerk & Smits 2007 T v Pfadabhängigkeit, Evolutionstheorie j Lap-on-a-chip Slaughter 1990 So n n Camillus & Datta 1991 So n n Iansiti 1995 So n j Mainframes, Supercomputer Molina 1999 So n j NewsPad de Neufville 2000 So n j Elektrofahrzeuge Schröder & Jetter 2003 So j Action-Regulation n Moncada et al. 2003 So n j Materialien Wolsterholme 2003 So n j Verteidigung, Pharma Teil 3/4 ** v=vorhanden, n=nicht vorhanden *** j=ja, n=nein * I=Datenbankanalysen und Indikatoren, M=Entwicklungsmuster, B=Technologie-Bewertung, S=Szenarien, R=Roadmaps, N=New Business Development, T=Technologie-Folgenabschätzung, So=Sonstige Anhang 295 A r t d e s A n s a t z e s * e x p l i z i t e t h e o r e t i s c h e G r u n d l a g e * * G e n u t z t e T h e o r i e n A n w e n d u n g * * * A n w e n d u n g s b e r e i c h e Kets et al. 2003 So v Actor-Network-Theory j Brennstoffzelle, Mikrokraftwärmekopplung Schwery & Raurich 2004 So n j Energieerzeugung Medonça et al. 2004 So n n Hall & Martin 2005 So v Stakeholder-Theorie, Poppers Lerntheorie j Agro-Biotechnologie Clark et al. 2007 So n n Seidel 2007 So n j verschiedene Techologien Ortt et al. 2007 So n j Mobile Videokommunikation Teil 4/4 ** v=vorhanden, n=nicht vorhanden *** j=ja, n=nein * I=Datenbankanalysen und Indikatoren, M=Entwicklungsmuster, B=Technologie-Bewertung, S=Szenarien, R=Roadmaps, N=New Business Development, T=Technologie-Folgenabschätzung, So=Sonstige Anhang 296 Anhang C: Einzelfragestellungen, die bei der Zusammenstellung phasen- spezifischer Fragebögen genutzt wurden 1. Bitte stellen Sie die Tätigkeitsfelder ihres Unternehmens kurz vor. Welche For- schungs- und Entwicklungsaktivitäten verfolgen Sie? 2. Nutzen Sie Möglichkeiten der Technologievorhersage? Was für Analysen füh- ren Sie typischerweise vor dem Beginn eines (potenziellen) F&E-Projektes durch? 3. Bitte charakterisieren Sie die Technologie, die im Rahmen des Projekts analy- siert werden soll. 4. Über welche Kompetenzen verfügt ihr Unternehmen im Bereich dieser Techno- logie? Über welche relevanten Patente verfügt es? 5. Haben Personen aus dem Unternehmen wissenschaftliche Publikationen zu der Technologie verfasst? 6. Welche Studien, Projekte oder sonstige Vorarbeiten wurden auf dem Gebiet der untersuchten Technologie im Unternehmen durchgeführt? 7. Über welche formellen und informellen Netzwerke verfügt das Unternehmen auf diesem Gebiet? Wer sind die Netzwerkpartner? 8. Welche weiteren Unternehmen (Start-ups, etablierte Unternehmen) oder sons- tige Organisationen beschäftigen sich noch mit der Technologie? 9. Wie beschreiben Sie den Kenntnisstand des Unternehmens im Vergleich zu anderen Unternehmen/Forschungsinstituten, die an der Technologie arbeiten? 10. Bitte beschreiben Sie das Funktionsspektrum, das möglicherweise durch die Technologie abgedeckt werden kann. 11. Für welche Kunden und welche Anwendungen könnte diese Funktionalität po- tenziell relevant sein? Welche Märkte könnten mit der untersuchten Technolo- gie adressiert werden? 12. Welche Erwartungen bezüglich der zukünftigen Technologieanwendung herr- schen vor? 13. Welche Lücken bestehen noch um die Technologie umzusetzen? Anhang 297 14. Sind bereits eigene oder fremde Prototypen des angestrebten Produkts vor- handen? 15. Welche Anlagen werden für die Herstellung und Anwendung des angestrebten Produkts benötigt? Sind diese Anlagen verfügbar? 16. Welche Regelungen müssen bei der Anwendung der Technologie beachtet werden? 17. Welche Gesetze stehen der Anwendung entgegen? Welche gesellschaftlichen Normen stehen der Anwendung entgegen. 18. Welche Konkurrenztechnologien existieren oder sind in der Entwicklung? In welchem Entwicklungsstadium befinden sich diese? 19. Welche Technologien werden potenziell substituiert? 20. Welche Akteure müssten in einem zukünftigen Anwendungskontext beteiligt sein, um die Technologie anzuwenden? 21. Welche Regelungen (gesetzlich, gesellschaftliche Werte, Verhaltensgewohn- heiten) müssten in diesem Anwendungskontext vorhanden sein? 22. Welche Produktionsinfrastruktur müsste verfügbar sein? Mit welchen anderen Komponenten, Produkten oder Systemen müsste die Technologie interagieren? 23. Welches Wissen, d.h. technologische Fähigkeiten, Know-how, theoretisches Grundlagenwissen wird benötigt, damit die Technologie in dem Anwendungs- kontext eingesetzt werden kann? 24. Welche Rolle könnte das Unternehmen in diesem zukünftigen Anwendungskon- text einnehmen? 25. Welchen unterschiedlichen Produkt- oder Dienstleistungskonzepte könnten das Unternehmen in diesem Anwendungskontext anbieten? 26. Welche Lücken bestehen zwischen der zukünftigen Struktur von Akteuren, In- stitutionen, Wissen und Artefakten und dem heutigen Status quo der Struktur und dem Standpunkt des Unternehmens? Anhang 298 27. Wie können diese Lücken potenziell geschlossen werden? Welche zentralen Ereignisse müssen auftreten, damit der Anwendungskontext mit der Technolo- gie besetzt werden kann? 28. Welche alternativen Strategien kann das Unternehmen auf dem Weg zu den zukünftigen Anwendungen verfolgen? 29. Welche Vor- und Nachteile und welche Chancen und Risiken bieten die einzel- nen Strategien? Wie verhalten sich die Strategiealternativen mit Sicht auf das Auftreten zentraler Ereignisse? 30. Welche Kompetenzen sollten innerhalb des Unternehmens aufgebaut und wel- che sollten mit Partner erschlossen werden? 31. Welche Annahmen müssten gegeben sein, damit das Unternehmen die unter- schiedlichen Pfade erfolgreich verfolgen kann? 32. Bei dem Auftreten welcher Ereignisse oder zu welchem konkreten Zeitpunkt sollten ein erneutes Review und ein Überarbeiten der Strategie erfolgen? Anhang 299 trifft nicht zu trifft voll- ständig zu trifft nicht zu trifft voll- ständig zu trifft nicht zu trifft voll- ständig zu trifft nicht zu trifft voll- ständig zu trifft nicht zu trifft voll- ständig zu trifft nicht zu trifft voll- ständig zu trifft nicht zu trifft voll- ständig zu trifft nicht zu trifft voll- ständig zu trifft nicht zu trifft voll- ständig zu Anhang D: Fragebogen im Projekt "Vorausschau und Planung neuer Technologiepfade" Der vorliegende Fragebogen dient dazu, die Ergebnisse der einzelnen Fallstudien quantitativ zu evaluieren. Bitte kreuzen Sie an, inwiefern Sie den einzelnen Aussagen zustimmen. Sie können abstufen zwischen einer vollständigen Zustimmung ("trifft voll- ständig zu", fünf Punkte) und einem kompletten Widerspruch ("trifft nicht zu", 1 Punkt). Ihre Angaben werden selbstverständlich vertraulich behandelt und anonym ausgewer- tet. 1. Es konnten konkrete Handlungsschritte und Maß- nahmen abgeleitet werden. 2. Es wurde ausreichend Raum für Kommunikation, Diskurs und Diskussion geschaffen. 3. Es konnten Möglichkeiten für Kreativität und das Generieren neuer Ideen generiert werden. 4. Es konnten flexible Strategien erarbeitet werden, die auch bei Veränderungen des Unternehmens- umfelds bestehen können. 5. Es konnten insgesamt qualitativ hochwertige Er- gebnisse erarbeitet werden, die in weiteren Pro- zessen genutzt werden können. 6. Es konnte eine Objektivierung und kritische Re- flektion der Ergebnisse erreicht werden. 7. Es wurden keine wesentlichen Einflussbereiche innerhalb und außerhalb des Unternehmens ver- nachlässigt. 8. Der Ansatz kann auch ohne die Begleitung durch einen externen Experten in Unternehmen ange- wendet werden. 9. Der Ansatz der Vorausschau und Planung ist ins- gesamt effizient durchgeführt worden. Anhang 300 trifft nicht zu trifft voll- ständig zu trifft nicht zu trifft voll- ständig zu 10. Über den Projektverlauf hinausgehend konnte ein gemeinsames Verständnis zwischen den Teilneh- mern aufgebaut werden. 11. Es konnten Veränderungen im Unternehmen an- gestoßen werden.