74 Hänlein - Abschied von der Objektförderung? In: ZFSHI SGB - Sozialrecht in Deutschland und Europa. Hrsg.: Scheiter. Starnberg: Verlag R.S. Schulz. Jg. 43. 2004, Nr. 2, S. 74-77 Abschied von der Objektförderung? Die Finanzierung der Investitionskosten von Einrichtungen nach 5GB XI und B5HG Andreas Hänlein1 I. Erneut eine Freiburger Fachtagung zur Pflegefinanzierung ihren Sitz, ebenso wie seine 1896 von Werthmann ge- gründete Bibliothek, heute eine führende Spezialbiblio- thek für Wohlfahrtspflege. Mit einem spröden Titel lockte eine zweite Tagung zur Pflegefinanzierung eine unerwartet große Zahl an Teil- nehmern nach Freiburg.2 Eingeladen hatten für die Uni- versität Freiburg die Abteilung Sozialversicherung des Instituts für Wirtschafts-, Arbeits- und Sozialversiche- rungsrecht sowie der Deutsche Caritas-Verband e.v. In beiden Institutionen verkörpern sich alte Freiburger Traditionen des Sozialrechts. Die Wissenschaft vom So- zialrecht wird in Freiburg, wenn auch mit Unterbre- chungen, betrieben seit den 90er-Jahren des 19. Jahr- hunderts. Im Jahr 1893 veröffentlichte der Freiburger Professor Heinrich Rosin, der Pionier des Sozialversiche- rungsrechts, den ersten Band seines "Rechts der Arbei- terversicherung".3 Rosin übernahm dann im Jahr 1908 die Direktion und Leitung des kurz zuvor gegründeten Freiburger "Versicherungswissenschaftlichen Seminars".4 Mit einem im Jahr 1895 in Freiburg gebildeten "Chari- tas-Comite" bereitete der Priester Lorenz Werthmann die Gründung des später so genannten Deutschen Cari- tasverbandes vor, die im Juli 1897 in Köln stattfand. Noch heute hat die Zentrale des Verbandes in Freiburg Prof. Dr. Andreas Hänlein, Fachbereich Wirtschaftswissenschaften Uni- versität Kassel, 34109 Kassel. 2 Zur vorangegangenen Tagung siehe den Tagungsband: KöbllBrünner (Hrsg.), Die Vergütung von Einrichtungen und Diensten nach SGB XXI und BSHG, Baden-Baden, 2001; vgl. auch den dort abgedruckten Ta- gungsbericht, S. 94 ff. = ZfSH/SGB, 2001, S. 331 ff. Rosin, Das Recht der Arbeiterversicherung, Bd. 1. Die reichsrechtlichen Grundlagen der Arbeiterversicherung. Berlin 1893; zu Rosin zuletzt Mikesic, Sozialrecht als wissenschaftliche Disziplin, 2002, S. 40 ff. 4 Zur Geschichte des Seminars Mikesic, a. a. 0., S. 110-112. S Vgl. den einführenden Beitrag von Köbl, Zum Verhältnis von Objekt- und Subjektfärderung im Deutschen Sozialrecht. Seit einiger Zeit nun gibt es eine ergiebige Kooperation zwischen den beiden traditionsreichen Institutionen, zwischen der Wissenschaft des Sozialrechts und dem Erfahrungswissen des großen frei-gemeinnützigen Wohl- fahrtsverbandes. Zu Beginn des Wintersemesters 200312004, am 23. Oktober, brachten die Veranstalter erneut Vertreter der unterschiedlichsten Akteure des Pflegegeschehens zueinander. So groß die Vielfalt der Akteure ist, so vielstimmig gestaltete sich die Beschrei- bung der gegenwärtigen Turbulenzen im Sachbereich Pflegefinanzierung. Unterschiedliche Träger von Pflege- einrichtungen verfolgen unterschiedliche Interessen, in den Bundesländern gibt es unterschiedliche politische Ansätze und unterschiedlich ausgeprägte Haushaltsnöte, Gerichte der Sozial- und der Verwaltungsgerichtsbarkeit ringen um die Deutungshoheit im Recht der Pflegein- vestitionen, und Rechts- und Wirtschaftswissenschaften verfechten ganz heterogene normative Konzepte. Aber nicht allein die Deutung ist vielstimmig, auch die Rea- lien als solche sind buntscheckig genug; immerhin, eine Tendenz wurde schnell erkennbar: Der Trend geht zu weniger Staat, zu mehr Markt, von bedarfsbezogener In- vestitionsförderung zur Zahlung bedürftigkeitsgeprüfter Leistungen an die Sozialkunden, die Tendenz geht, an- ders gesagt, von der Objekt- zur Subjektförderung. Vor diesem Hintergrund warf einleitend Ursula Köbl (Uni- versität Freiburg) zentrale Fragen der Tagung auf: Wird der Markt funktionieren? Werden durch Markt und Wettbewerb Innovationspotenziale eröffnet? Wird der Marktzugang für neue Anbieter erleichtert? Können in Anbetracht spezifischen Aufwandes für Kontrollen, Ein- zelfallprüfung und -beratung in erheblichem Umfang Verwaltungskosten eingespart werden?5 11. Die Ausgangslage Die normativen Grundlagen des Landesptlegerechts be- finden sich derzeit im Umbruch. Dies ist nur zu verste- hen vor dem Hintergrund ungeklärter Konflikte aus der Zeit der Entstehung der Ptlegeversicherung.6 Der Bund hatte seinerzeit geplant, die Länder zu einem Investiti- onskostenzuschlag an die Ptlegeeinrichtungen zu ver- pflichten, denn die Länder würden infolge der Einfüh- rung der Ptlegeversicherung erhebliche Sozialhilfekosten einsparen. Der geplante Zuschlag hätte allen Ptlegeein- richtungen in gleicher Weise zukommen sollen. Aller- dings scheiterte diese Konzeption am Widerstand des Bundesrates. Die Bundesländer waren nicht bereit, ihr Handlungsfeld "Ptlegeinvestitionsförderung" aufzuge- ben. Infolgedessen konnte das SGB XI die Länder nur um Investitionsförderung bitten (vgl. § 9 SGB XI), musste jedoch auch die Möglichkeit in Rechnung stel- len, dass es dazu nicht kommt. Für diesen Fall erhielten die Ptlegeeinrichtungen notgedrungen die Möglichkeit, den Heimbewohnem die Investitionskosten zusätzlich in Rechnung zu stellen (§ 82 Abs. 3 u. 4 SGB XI). In der Praxis zogen sich die Bundesländer allerdings zu- nächst nicht aus der Investitionsförderung im Ptlegesek- tor zurück. Es wurden vielmehr weiterhin Ptlegeeinrich- tungen aufgrund landesrechtlicher Regelungen geför- dert, eine Förderung, die freilich vielfach von einer Bedarfsprüfung abhängig gemacht wurde. Dass diese Form der Förderung in die Kritik der Sozialgerichtsbar- keit geriet, war ein Anlass der gegenwärtig zu beobach- tenden Umwälzungen in diesem Rechtsbereich. 111. Die aktuellen Entwicklungen im Landesrecht der Pflegefinanzierung Mehrere Bundesländer haben in jüngster Zeit ihre För- derpraxis im Bereich der Ptlegeinvestitionen überdacht, daraus allerdings unterschiedliche Konsequenzen gezo- gen. So gab es etwa in Baden-Württemberg eine beim Sozial- ministerium angesiedelte Arbeitsgruppe "Förderung", die die Förderpraxis analysierte. Vor dem Hintergrund der Ergebnisse dieser Analyse wird in Baden-Württem- berg die Förderung von Ptlegeeinrichtungen durch Zuschüsse zu den Investitionskosten, also im Wege der 6 U. a. hierzu der Beitrag von Udsching, Investitionskostenförderung von Pflegeeinrichtungen nach SGB XI - bundesrechtliche Vorgaben. 7 Zu den Diskussionen in Baden-Würuemberg siehe das Statement von Kontermann, Objekt- bzw. Subjektförderung aus Sicht der Praxis - Im- puls Statement: pro Objektförderung - contra Subjektförderung. 8 Hierzu Beiträge von Klein und Evertz, jeweils Statements unter dem Ti- tel: Umstellung in der Praxis am Beispiel NRW. 9 Landespflegegesetz NW vom 8.7.2003, GVBI. NW 2003, S. 380 ff.; diverse Durchführungsverordnungen vom 15.10.2003, GVBI. 2003, S. 610, 611, 613. 10 Vgl. den Beitrag von Brünner, Rechtliche Anforderungen an eine Um- stellung von Objekt-auf Subjektförderung. 11 Nach Auffassung der Rechtsprechung ist § 82 Abs. 35GB XI in solchen Konstellationen nicht einschlägig, OVG Lüneburg, Urteil vom 22.1. 2003,4 LC 146/02; BSG, Urteil vom 24. 7. 2003 - B 3 P 1/03. 12 Siehe den Beitrag von Tscheulin/Haderlein, Wirkungen von Objekt- bzw. Subjektförderung aus ökonomischer Sicht. Hänlein - Abschied von der Objektförderung? 75 Objektförderung, fortgesetzt, wobei gesagt wird, die För- derpraxis werde qualitativ verbessert. In Baden-Würt- temberg, wo offenbar für derartige Ausgaben des Landes noch Gelder vorhanden sind, geht die Politik davon aus, dass nur mit diesem Förderinstrumentarium die dort fehlenden 10.000 Ptlegeplätze geschaffen werden kön- nen.7 Ganz anders verläuft die Entwicklung im exemplarisch auf der Tagung vertretenen Bundesland Nordrhein- Westfalen (Martin Klein, Landkreistag NRW/ Albert Evertz Caritasverband, Köln).8 Dort hatte man bisher Ptlegeeinrichtungen zweigleisig "Objektförderung" zu- kommen lassen. Zum einen wurden 50% der Investiti- onskosten vorschüssig vom Land gezahlt, allerdings be- darfsabhängig. Daneben erhielten die Einrichtungen als Aufwendungsersatz pro Bewohner ein einkommensab- hängiges sog. "Ptlegewohngeld". Es kam jedoch in Nord- rhein-Westfalen, u.a. aufgrund von Problemen bei der Förderungsverwaltung sowie aufgrund von Haushalts- engpässen, vor einiger Zeit zu einer völligen Einstellung der Investitionsförderung des Landes. Nunmehr hat das Land ein neues Landesptlegegesetz und zugehörige Rechtsverordnungen erlassen.9 Gegenstand dieses Geset- zes ist eine Verlagerung der Ptlegebedarfsplanung auf die Kommunen sowie die Einführung eines neuen Ptle- gewohngelds, das die Kommunen, in Abhängigkeit von der Bedürftigkeit der Bewohner, an die Ptlegeeinrichtun- gen zu zahlen haben. Dabei sind verschiedene umstritte- ne Mechanismen zur Kostendeckelung vorgesehen. Eine derartige Umstellung der Fördermechanismen ver- ursacht Folgefragen bei der Anwendung des SGB XI wie des BSHG (Frank Brünner, Deutscher Caritasverband, Freiburg).l0 So sind etwa trägervermittelte, aber perso- nenbezogene Zuschüsse, wie sie nach dem neuen Recht Nordrhein-Westfalens gezahlt werden, nicht als öffentli- che Förderung der Einrichtung einzuordnen, so dass bei der Berechnung der betriebsnotwendigen Investitions- aufwendungen keine Eintlussmöglichkeiten des Landes bestehen. 11 Die Verlagerung der Verantwortung auf die Kommunen führt im übrigen zu bislang nicht höchst- richterlich geklärten Zweifelsfragen im Vereinbarungs- recht des BSHG. IV. Bewertung aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht Auch die Wirtschaftswissenschaften waren vertreten. Ih- re Repräsentanten, Tscheulin und Haderlein (Universität Freiburg), wählten einen "normativen" Ausgangspunkt, wobei sie als Maßstab nicht vom Gesetzesrecht ausgin- gen, sondern von einem gesetzten, abstrakten Modell, dem bekannten Marktmodell.12 Aus Sicht dieses Mo- dells, das dem Staat allein die Verantwortung für die Rahmenbedingungen des Wettbewerbs zuweist, er- scheint der Modus der Subjektförderung vorzugswürdig, denn er stärkt die Kundensouveränität am Markt. Dabei wird es für essentiell gehalten, dass es zu keinen weite- ren staatlichen Eingriffen in den Ptlegemarkt kommt. Es dürfe keinerlei Preisvorgaben geben; staatliche Vorgaben für die Qualitätssicherungen sind mit dem Marktmodell ebenfalls nicht zu vereinbaren ("Qualität kommt auto- matisch"). Allerdings erweist sich das Marktmodell 76 Hänlein - Abschied von der Objektförderung? durchaus als voraussetzungvoll, verlangt es doch Kosten- transparenz und informierte Verbraucher, die in der Lage sind, anhand des Kriteriums ökonomischer Ratio- nalität Wahlentscheidungen vorzunehmen. Ob diese Vo- raussetzungen bei Heimbewerbern oder -bewohnern ge- geben sind, wurde aus dem Publikum bezweifelt. Das aus Sicht der Wirtschaftswissenschaftler probate Instru- ment in Bezug auf diese Problematik, ein "Bewohneran- walt", dürfte kaum in der Lage sein, die spezifische Asymmetrie dieses Marktes sozialer Dienstleistungen zu neutralisieren. V. Bewertung aus Sicht der höchstrichterlichen Rechtsprechung Auf dem Spielfeld der Pflegeinvestitionsförderung betä- tigen sich zwei Gerichtszweige, die einen Wettbewerb um richtige Lösungen austragen und so eine gewisse In- transparenz der Rechtslage zu verantworten haben. Zum einen gibt es Entscheidungen der Sozialgerichts- barkeit. Hier verfolgt das Bundessozialgericht einen ten- denziell wettbewerbsfreundlichen Ansatz (Peter Ud- sching, BSG Kassel).13 Es nimmt den Ansatz des SGB XI ernst, das das Pflegegeschehen für privat-gewerbliche Träger gleichermaßen geöffnet sehen will, ganz anders, als es im Krankenhaussektor der Fall ist. Aus diesem ge- setzlich realisierten Konzept wird abgeleitet, dass allein ein wettbewerbskompatibles Förderregime als zulässig angesehen werden kann. Dies bedeutet, dass der Förderungsmodus "Objektförderung" nur ohne eine Be- darfsprüfung zulässig ist. Angesichts der Unterschiede hinsichtlich der tatsächlichen Abläufe im Kranken- haussektor einerseits und im Pflegesektor andererseits folgt nach Auffassung des Bundessozialgerichts im Übri- gen, dass eine selektive Objektförderung auch im Hin- blick auf das Grundrecht der Berufsfreiheit als zweifel- haft erscheint. Einen konträren Standpunkt nimmt das Bundesverwal- tungsgericht ein (Hans-Jürgen van Schewiek, BVerwG Leipzig).14 Das Bundesverwaltungsgericht stärkt im Er- gebnis die Stellung der Sozialpolitiker der Bundesländer, die, sofern überhaupt Mittel vorhanden sind, auf Steue- rungsinstrumente auch dann ungern verzichten, wenn diese den Wettbewerb beeinträchtigen. Aus dieser Sicht fehlt dem Bund die Kompetenz zur Regelung der Pflege- investitionsförderung, da ihm nach dem Grundgesetz lediglich die Gesetzgebung im Bereich der Sozialversi- cherung zusteht. Vor diesem Hintergrund kann aus dem SGB XI keine Einschränkung der Gestaltungsfreiheit der Bundesländer in Bezug auf die Pflegeinvestitionsförde- rung abgeleitet werden. Im Übrigen wird es nicht bean- standet, wenn sich ein Bundesland für eine bedarfsge- 13 Vgl. hierzu den Beitrag aus Sicht des Bundessozialgerichts von Ud- sching, Investitionskostenförderung von Pflegeeinrichtungen nach SGB XI - bundesrechtliche Vorgaben; vgl. auch BSGE 88, 2I5 ff. 14 Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts das Statement von Schewick, Bundesrechtliche Vorgaben für die Investitionskostenförderung von Einrichtungen nach SGB XI und BSHG; vgl. auch BVerwG, NVwZ-RR 1999,316--317; OVG Koblenz, Urteil vom 24.6.2003 - 12 A 10096/03; näher am BSG dagegen VGH Mannheim, Urteil vom 14.5.2002, 9 S. 2206/01. 15 Münder, Objektförderung als verbotene Beihilfe nach europäischem Recht? prüfte Investitionsförderung entscheidet. Dem stehe Art. 12 Abs. 1 GG ebenso wenig entgegen, wie dies im Krankenhaussektor der Fall ist. VI. Bewertung aus Sicht der Rechtswissenschaft Aus rechtswissenschaftlicher Sicht wurde in erster Linie der Maßstab des Europarechts thematisiert, wobei es hier so viele Positionen gab, wie Vertreter dieser Wissenschaft auf dem Podium saßen, nämlich drei. Gegenstand der europarechtlichen Betrachtungen war das Konzept der Objektförderung, der trägerbezogenen Zuwendungen. Hierzu vertrat Johannes Münder (TU Berlin) eine markt- und wettbewerbsfreundliche Position. 15 Er ging dabei der Frage nach, ob Investitionsförderung im Wege der "Objektförderung" als verbotene Beihilfe im Sinne von Art. 87 EG anzusehen sei. Nach seiner Auffassung sind Träger von pflegeeinrichtungen unabhängig von et- waiger Frei-Gemeinnützigkeit Unternehmen im Sinne dieses Artikels. Investitionsförderung sei also als staatli- che Beihilfe im gemeinschaftsrechtlichen Sinne einzu- ordnen. Seien Fördermaßnahmen nur Einrichtungen zu- gänglich, die in einen Pflegebedarfsplan aufgenommen sind oder das Kriterium der Gemeinnützigkeit erfüllen, handele es sich um selektive Maßnahmen, die bei einem grenzüberschreitendem Bezug als europarechtlich rele- vante Wettbewerbsverfälschung anzusehen sind. Schließ- lich sind nach Münder auch die Voraussetzungen der europarechtlich denkbaren Rechtfertigungsgründe nicht gegeben. Insbesondere scheitere eine Rechtfertigung im Sinne des Art. 86 Abs. 2 EG, denn es fehle an einem staatlichen Betrauungsakt, durch welchen die geförder- ten Einrichtungen zur Erbringung spezifischer, im Allge- meininteresse liegender Dienste verpflichtet werden. Ganz Staatsrechtler, konnte sich demgegenüber Volker Neumann (Humboldt Universität Berlin) mit dem Ge- danken nicht anfreunden, es könnte sich beim Pflegege- schehen um einen Markt handeln. Angesichts der Ein- bindung in die Sozialleistungssysteme des SGB XI und des BSHG handelt es sich aus seiner Sicht vielmehr um staatliche Daseinsvorsorge, die sich schon im Ausgangs- punkt der Kontrollen durch das europäische Wettbe- werbsrecht entzieht. Dementsprechend kann die Investi- tionskostenförderung gegenüber frei-gemeinnützigen Trägern schon deshalb nicht dem Verdikt des Beihilfever- bots unterfallen, da diese Träger keine Unternehmen im Sinne des Art. 87 EG seien. Sie übten keine Tätigkeit aus, die darin bestehe, Güter oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt anzubieten. Im Übrigen greife das Beihilfeverbot auch deshalb nicht ein, so Neumann, weil die frei-gemeinnützigen Träger gemeinwirtschaftliche Sonderpflichten erfüllten, deren Zusatzkosten durch die Investitionskostenförderung abgedeckt werden sollen. Nach Eberhard Eichenhofer (Universität Jena) schließlich gibt es ein Drittes zwischen Staat und Markt, nämlich die Universaldienstleistungen, denen das europäische Primärrecht in Gestalt von Art. 16 EG in jüngster Zeit einen eigenständigen Stellenwert zwischen den beiden Polen zuweist. Dem trage gerade die jüngste Rechtspre- chung des Europäischen Gerichtshofs Rechnung, derzu- folge derartige Dienstleistungen, zu denen auch Pflege- dienstleistungen zu rechnen seien, unter gewissen Um- ständen bereits tatbestandlich dem Beihilfenverbot ent- zogen würden. In Bezug auf Pflegedienstleistungen führt dies nach Eichenhofer dazu, dass das Beihilfenverbot nicht eingreife, dass freilich die Ausgestaltung der För- derung den Grundsätzen des europäischen Vergabe- rechts zu entsprechen habe. VII. Wo bleibt die Caritas? Insgesamt birgt der hergebrachte Fördermodus, die Ob- jektförderung, für etablierte frei-gemeinnützige Träger weniger betriebswirtschaftliche Risiken als das neue In- strument der Subjektförderung; mehrfach wurde auf mögliche Schwierigkeiten bei der Kreditbeschaffung im Blick auf "Basel II" hingewiesen. Die Bundesländer scheinen die klassische Investitionsförderung so lange zu bevorzugen, wie ihnen die Mittel dafür zur Verfügung stehen. Allerdings ließen sich rechtliche Zweifel auch im Hinblick auf die Objektförderung keineswegs ausräu- men. Die Divergenzen in der höchstrichterlichen Recht- sprechung und unter den Rechtswissenschaftlern er- schienen unüberwindlich. Die rechtliche Beurteilung dieses Förderweges hängt da- von ab, ob durch die staatliche Subvention eine spezifi- sche Leistung der geförderten Einrichtung ermöglicht wird, mit der die Einrichtung im Interesse des Gemein- wohls staatlicherseits betraut wurde. Die These Münders, es fehle an einem solchen spezifischen Auftrag frei-ge- meinnütziger Einrichtungen, hätte man durchaus als Provokation der betroffenen Träger verstehen können. Es fand sich allerdings im Publikum weder ein Reprä- sentant privat-gewerblicher Einrichtungen, der diese Vorlage hätte nutzen wollen, noch kam es zu einem Auf- stand der Frei-Gemeinnützigen. Dabei liegt an diesem Punkt letztlich ein Kern des Problems. Wie lässt sich die Bevorzugung etablierter karitativer Pflegeeinrichtungen gegenüber neu auf den Markt drängenden privat-ge- werblichen Einrichtungen rechtfertigen, wenn es den ge- meinnützigen Trägern nicht gelingt, das, worin sie sich unterscheiden, kenntlich zu machen? Nicht nur zur Ver- teidigung bestehender, allerdings aus Haushaltsgründen zunehmend ins Wanken geratender Privilegien, sondern schlicht zur Behauptung auf den Märkten werden die bestehenden Einrichtungen der Wohlfahrtspflege nicht umhin können, ihr spezifisch karitatives Profil zu schär- fen und herauszustellen. Gelänge dies, könnte man sich auch im noch keineswegs endgültig entschiedenen16 eu- roparechtlichen Diskurs argumentativ dafür stark ma- chen, bei frei-gemeinnützigen Trägern dürfe der Tatbe- stand des Beihilfenverbots auch unabhängig von einem staatlichen Betrauungsakt nicht angewendet werden,!7 passt doch ein verpflichtender staatlicher Betrauungsakt kaum zum Selbstverständnis frei-gemeinnütziger Orga- nisationen. • 16 Vgl. dazu auch IgI, Dritter Sektor, Sozialbereich und EG-Recht, in: Kötz/Rawert/Schmidt/Walz (Hrsg.), Non Profit Law Yearbook 2002, 21ff. (38ff.). 17 Restriktiv an diesem Punkt freilich von Boetticher, Die freigemeinnützi- ge Wohlfahrtspflege und das europäische Beihilfenrecht, S. 124 f. Hänlein - Abschied von der Objektförderung? 77