BEITRÄGE ZUR 8 UMWELTERZIEHUNG Internationales Symposium "Umwelterziehung auf neuen Wegen - Aktuelle Entwicklung in den nicht-naturwissenschaftlichen Fächern" Essen, 24./25. Februar 1988 Tagungsbericht ZUE ZENTRALSTELLE FUR UMWELTERZIEHUNGUNIVERSITAT ESSEN GHS 1988 Herausgeber: Zentralstelle für Umwelterziehung Institut im Fachbereich 9 Universität Essen - GHS Universitätsstraße 5 D-4300 Essen 1 Leitung: Prof. Dr. Reinhold E. Lob I. Grußadresse und Bröffnunqsreferate 1. Grußwort des Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen, Johannes Rau 4 2. Eröffnungsrede des Ministers für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft des Landes Nordrhein-Westfalen, Klaus Matthiesen 6 3. Umwelterziehung vor neuen Aufgaben: von der Notwendigkeit der Einbeziehung nicht- naturwissenschaftlicher Fächer, Reinhold E. Lob 11 11. Berichte aus den Fachqruppen 1. Bkkehard Martens: Philosophie 2. Josef Senft/Dietrieh Zilleßen: Evangelische und Katholische Religion 3. Brigitta Herlt: Deutsch und Englisch 4. Peter Weinbrenner : Arbeitslehre/Wirtschaft und Technik 5. Willi Wagener/Werner Krickel: Technik 6. Paul-Ludwig Weinacht: Sozialkunde/Politik 1 26 35 46 52 62 72 7. Paul Leidinger: Geschichte 8. Helga Adolph: Sport 9. Eva Schmidt: Textilunterricht 10. Barbara Fegebank: Hauswirtschaft 11. Inka Stampfl: Musik 12. Ingrid Stoppa-Sehlbach/Hermann Sturm: Kunst 111. Beiträge aus dem europäischen Ausland 1. Jan St~pan: Umwelterziehung in der Tschechos1owakei 2. Vizy Istvanne: Aspekte der Umwelterziehung in Ungarn 3. Urs Balsiger: Zur Umwelterziehung in der Schweiz IV. Teilnehmer 2 75 95 103 110 119 122 128 140 153 Belga Adolph, bssel Bericht aus der Pachgruppe Sport VorO.berlegungen Die Freizeit der Menschen wächst stetig, und mit diesem stän- digen Ansteigen wächst auch das Bedürfnis der Menschen, diese Freizeit für sich sinnvoll zu gestalten. Der Sport nimmt im Rahmen der vielen Möglichkeiten der Freizeitgestaltung einen sehr beträchtlichen Raum ein. Die Erziehung zu sinnvoller Freizeitgestaltung ist neben der Vorbereitung auf Arbeit und Beruf auch eine wichtige Auf- gabe der Schule als Erziehungs- und Bildungsinstitution. Da- bei geht es konkret um die Entwicklung stabiler über die Schulzeit hinausreichender Interessen. Der Sport nimmt im Rahmen dieser Erziehungsmaßnahmen schon deshalb eine wichtige Funktion ein, da er über motorische Aktivitäten einen Beitrag zur Lebensqualität und Gesundheit ("Wohlbefinden") leisten kann. Innerhalb der Entwicklung des Freizeitsports hat es sich gezeigt, daß Sportarten außerhalb genormter Sportanlagen der- zeit einen derartigen Zulauf erleben, daß man von einem "Na- tursportboom" bereits sprechen kann. Mit einher gehen viel- fäl tige ökologische Probleme: infrastrukturelle Belastungen (Verkehr, Müll etc.), Landschaftsschäden bis hin zur Bedro- hung ganzer Tier- und Pflanzenarten und vieles mehr. Schule hat deshalb die Aufgabe, auch im Sport eine umwelt- bewußte Erziehung voranzutreiben, die aktives sportliches Freizeitverhalten in der Natur in Einklang setzt mit den In- teressen des Naturschutzes. Das Verhältnis Mensch-Natur muß bewußt gemacht und das Verständnis der Schüler für den "Sportplatz" Natur vertieft werden. Schule und Hochschule als didaktische Forschungsinstitu- 95 tionen sind deshalb angehalten, Vermittlungsmodelle für die Erziehung zum umweltbewußten Sporttreiben zu erarbeiten und entsprechend zur Verfügung zu stellen. Realisierungsmöglichkeiten Zunächst muß das Sportverständnis in der Institution Schule auf diese Situation hin relativiert werden, d.h., Sporter- ziehung darf nicht mehr nur als Hinführung zu genormtem, auf Leistung orientiertem Sporttreiben gesehen werden, sondern als Erziehung zum umweltbewußten , selbständigen Sporttreiben. Sport erhält eine andere Sinnrichtung und muß sich deshalb zu einer neuen, phantasiereichen, kreativen, erlebnishaften Kör- per- und Bewegungskultur entwickeln. Dieses erweiterte Sportverständnis an der Institution Schule bezieht Umwelt bewußt ein und trägt dazu bei, Umwelt über Bewegung zu erfahren. Gerade die natürliche Umwelt bie- tet sich hier als Erfahrungsschatz an, den die Schüler sich über Bewegungsformen erschließen können. Dabei muß die natür- liche Umwelt immer in ihrem Schutzbedürfnis bewußtgemacht werden. Sport in der Natur bedeutet immer, Sport im Einklang mit der Natur zu betreiben und nicht gegen die Natur zu arbeiten! Zwar ist das Sporttreiben in der Natur mit dem Gebrauch der natürlichen Ressourcen verbunden und deshalb immer als Ein- flußgröße auf die Natur zu verstehen, jedoch kann nur eine aktive umwel tbewußte Auseinandersetzung mit diesem Problem- feld Schüler dafür sensibilisieren, umweltbewußt Sport zu treiben. Das bedeutet für die Praxis des Sportunterrichts, Umwel~ durch Bewegung und Sport erfahrbar zu machen, - über Sinneserfahrungen Natur bewußt zu erleben, zu sehen, zu hören, zu tasten, den Gleichgewichts- und den Muskelsinn in der Natur zu schärfen I Beispiel: Rinden ertasten, Riechstoffe erraten, auf Baum- stämmen balancieren, in der Natur meditieren, 96 Jahresringe zählen, Tastkisten mit Natur- materialien, sich als Ameise fühlen und bewegen usw. - über aktive sportliche Auseinandersetzungen Umwelt bewußt zu erleben I Beispiel: den Winter zu erfahren mit Hilfe des umwelt- bewußten Rodeins, Schlittschuhlaufens, Ge- ländespielens, Skilanglaufens .•. Beispiel: das Element Wasser zu erfahren mit Hilfe des umweltbewußten Schwimmens, Paddelns, Tauchens, Ruderns ... Beispiel: den Wald zu erfahren mit Hilfe des umweltbewußten Joggens, Orientierungs laufens , Wanderns, Radfahrens. Wichtig bei diesem Unterricht ist die Zusammenarbeit mit anderen Fächern in Form von Projektunterricht . Hier bieten sich folgende Themen an: Beispiel: Ausdauersport und Ernährung, mit dem Fach Biologie; Beispiel: Radfahren und Fahrradtechnik, mit dem Fach Polytechnik/Arbeitslehre; Beispiel: Orientierungslauf und Kartographie, mit dem Fach Geographie. Umwelterziehung im Fach Sport ist nur dann möglich, wenn Umweltprobleme bewußtgemacht werden. Für diesen Bewußtma- chungsprozeß in der Schule bieten sich vorrangig folgende Organisationsformen an: a) Leistungskurs Sport Nach den KMK-Vereinbarungen vom 07.07.1972 (Vereinbarungen zur Neugestaltung der gYmnasialen Oberstufe) ist das Fach Sport als Leistungsfach ab Klasse 11 für alle Schüler wähl- bar. Absolviert werden müssen 6 Stunden Theorie und Praxis, wobei die Verteilung der theoretischen und praktischen Antei- le von Bundesland zu Bundesland recht unterschiedlich ist. b) Sport als 4. Prüfungsfach Nach den bereits unter a) genannten KMK-Vereinbarungen ist es 97 möglich, im Grundkursbereich der gymnasialen Oberstufe Sport als 4. prüfungsfach zu wählen, d.h., im Sport wird eine be- sondere Fachprüfung in diesem Falle abgelegt, die auch einen theoretischen Anteil hat. Deshalb müssen im Rahmen der Grund- kursausbildung neben der Praxis auch Theorieanteile angeboten werden. c) Landschulheim-, Wander- bzw. andere Freizeitaufenthalte Während solcher schulischer Veranstaltungen bietet sich die Umwelterziehung im Fach Sport ganz besonders an, z.B. lassen sich Ski-, Wander-, Segel- oder Surffreizeiten hervorragend mit Aspekten der Urnwelterziehung verbinden. d) Projektwochen der Schulen Immer mehr haben sich an den verschiedenen Schultypen gegen Ende der Schulhalbjahre sog. Projektwochen durchgesetzt, eine Unterrichts form, in der Schüler und Lehrer gemeinsam sich eine Woche lang intensiv mit aktuellen Themen beschäftigen. Wichtig dabei ist ein enger Theorie-Praxis-Bezug, d.h., die Schüler sollen sich innerhalb der verschiedenen Themenberei- che mit Theorie und Praxis intensiv beschäftigen können. Bei dem Bereich Sport und umwelt wäre dies in höchstem Maße gege~ ben. Bei der umwelterziehung im Rahmen des Faches Sport kommt es in jedem Fall auf einen engen Theorie-Praxis-Bezug an, der in den genannten schulischen Organisationsformen gegeben wä- re. So bieten sich für die einzelnen Schulstufen die Behand- lung folgender Themenbereiche beispielhaft an: (1) Wanderfreizeit mit Grund-, Mittel- und Oberstufenschülern umweltbewußtes Wandern, z.B. Herausarbeitung der Problematik der Abfallbeseitigung in den Bergen, der Zersiedlung der Landschaft, der Naturzerstörung durch die totale Erschließung der Landschaft, Aufzeigen von Lösungsmöglichkeiten wie "sanf- ter Tourismus". (2) Skifreizeit mit Mittel- und Oberstufenschülern Umweltbewußtes Skifahren, z.B. Herausarbeitung der Aspekte 98 z.B. Golf, Reiten, Surfen, Tennis z.B. Naherholungsgebiete, Siedlungsinfra- struktur z.B. Skiwandern, Kanufahren, Drachenflie- gen, Bergsteigen in einsamen Gegenden des Massensports Skifahren, Reaktionen der Alpen als Natur- raum und Wohnraum, Ablaufschemata bei der Erschließung eines neuen Skigebietes, Fragwürdigkeit des Sommerskilaufs, Lösungsmöglichkeiten wie "sanfter Tourismus". (3) Grundkurs Ausdauersport mit Oberstufenschülern Jogging und Orientierungslauf umweltbewußt kennenlernen, d.h. Problematisierung des Lärms, der Schutzfunktion des Waldes für das Wild, des Zeitfaktors (Tageszeit, Jahreszeit), der Mitnahme von Hunden, der ökologischen Zusammenhänge, in die der Mensch eindringt. (4) Leistungsfach Sport oder Sport als 4. Prüfungs fach Unter der gegebenen These: Sport braucht Umwelt I werden fol- gende Themenbereiche behandelt: Sport als Umwel tsünder - die Fläche z.B. im Skisport als Skipisten, Loipen- trassen, im Golf als riesige Naturflächen, im Fußball usw. - die Technik z.B. Kunstrasen im Hockey, heizbarer Rasen im Fußball, riesig hohe Hallen im Volley- ball, Kunstlaufbahnen in der Leichtathle- tik usw. - die Materialien z.B. Chlorreinigung im Schwimmbad, Kunst- dünger im alpinen Skisport, Schädlingsbe- kämpfung auf dem Golfplatz und Fußball- rasen usw. z.B. riesige PKW-Abstellplätzedie Publikums- wirksamkeit - die politisch- gesellschaft- liche Bedeutung - die Lage dt3r I Sportanlagen - die Individua- lisierung der Sportler 99 Sport als umwelterhalter - Parkanlagen werden ausgebaut zu Naherholungsgebieten. - Kiesgruben werden nicht mit Müll zugeschüttet. - Jogger/Wanderer helfen den Wald/die Berge von Müll zu befreien durch Abfallbeseitigungsaktionen. - Kanufahrer hängen Nistkästen für Vögel auf. Umwel1: als Sportverhinderer - Kann man Sport ("ohne Gesundheitsgefährdung") betreiben trotz: Gewässerverschmutzung, Tennisplatzurteile (Lärmimmission), Wald/Jägerinteresse, Luftverschmutzung? - Diskussionen und Ausarbeitungen anhand der Zukunfts- perspektiven, die momentan aktuell sind, z.B. Ver- schmutzung des Wattenmeeres (Robbensterben) Umweltbewußtes Sporttreiben Herausarbeitung von Lösungsmöglichkeiten eines umwelt- bewußten Sporttreibens: - "sanfter Tourismus", - Umwelterziehung, - Grundsatzprogramm des Deutschen Alpen-Vereins, - Grundsatzprogramme anderer Sportverbände wie Deutscher Skiverband, Deutscher Kanu-Verband usw., - kommunale Programme und Planungen. Der Sportlehrer/die Sportlehrerin muß bei der Umwelter- ziehung im Fach Sport Vorbild sein, d.h., er/sie muß in sei- nem/ihrem schulischen oder freizeitsportlichen Handlungsfeld immer umweltbewußt handeln. Deshalb ist er/sie gezwungen, seine/ihre eigenen sportlichen Betätigungen, aber auch sein/ihr Alltags leben, ständig auf das umweltbewußte Handeln hin zu hinterfragen I Beispiel: Ein Sportlehrer/eine Sportlehrerin kann nicht ge- genüber den Schülern die These massiv vertreten: 100 "Fahre nie Ski unter 30 cm Schneehöhel", wenn er/sie selbst in seinen/ihren Ferien im teuer gebuchten Skiurlaub gegen diese umweltbewußte Forderung verstößtl Die Ausbildung zukünftiger Sportlehrer/-innen muß auf die Anforderungen eines umweltpädagogischen Sportverständnisses hin ausgerichtet sein, d.h., curriculare Konsequenzen sind nicht nur in der Umwelterziehung im Fach Sport in der Schule erforderlich, sondern auch in der Hochschule. 101 Teilnehmer Boßhammer, Ulla Breuer, H.-W. Goldau, Ralf Habbinga, Sibille Hansberg-Schröder, Diane Hübner, Klaus Karczewski, Matthias Lobmeyer, Hans Maiwald, Renate Reese, Udo 102 Frankfurt Düsseldorf Essen Linnich St. Augustin HiIpoltstein Mainz Regensburg Essen MarI