GhKGesamthochschuleKassel · Universität Berufs- und Wirtschaftspädagogik . Band 7 E. '7r. Sode 5 chulbuch Ohne 5 chule 1. Bedürfnisse Die unterdrückte Lust an der didaktischen Reflexion E. 7r. Sode Schulbuch Ohne Schule 1. Bedürfnisse Die unterdrückte Lust an der didaktischen Reflexion GhKGesamthochschuleKassel · Universität Berufs- und Wirtschaftspädagogik . Band 7 E. '7T". Sode 5 chulbuch Ohne 5 chule 1. Bedürfnisse Die unterdrückte Lust an der didaktischen Reflexion S. o. S. gefunkt von: Gerhard Gerdsmeier Claudia Niggemann Susanne Offe (wiss. Beratung: Bedürfniskonzept) Magdalene Sickmann Ulla Sprakel (Fotos) Uli Völker Dieter Wedekind (Illustration, Layout) An der Morsetaste: Ilona Freimuth Eine verv1elfält1gung jener Texte und Abbildungen, deren Randnummern im Verzeichnis auf Seite 331 unter den Stichworten 'mögliche Episoden', 'zusätzliche Materialien' und 'mögliche Lehrtexte' genannt sind, wird für den schul internen Gebrauch in Klassenstärke genehmigt. Davon sind ausdrücklich die beiden Gedichte mit den Randnummern 828 und 829 sowie die Abbildung in 319 ausgenommen; die Rechte verbleiben bei den angegebenen Verlagen oder Personen, für deren Nachdruckgeneh- mlgungen wir uns bedanken. Für alle anderen Texte und Bilder behalten sich die Verfasser alle Rechte vor. Unser besonderer Dank gilt dem Verlag Ferdinand Schöningh, der die Entwicklung der meisten der in diesem Studientext enthaltenen Unterrichtsmaterialien nachhaltig unterstützt hat; ebenso wie wir hätte er eine andere Form der Veröffentlichung dieser Materialien bevorzugt. Druck und buchbinderische Verarbeitung: Zentral-Druckerei der GhK Herausgeber: Gesamthochschule Kassel, Universität Fachbereich 02, Berufs- und Wirtschaftspädagogik Kassel: Gesamthochschulbibliothek 1989 ISBN: 3-88122-489-0 Preis: 15,00 DM zuzügl. Versandkosten; für Studierende an der GhK 10X Ermäßigung Bezugsquelle: Gesamthochschule Kassel clo Prof. Dr. Gerhard Gerdsmeier Fachbereich 02 Heinrich-Plett-Str. 40 3500 Kassel "Wenig verlangt die Natur, die landläufige Meinung uner- meßlich viel. Magst Du mit allem überhäuft werden, was viele Begüterte besessen hatten: mag Dir der Zufall zu einem die Grenzen von Privatbesitz weit übersteigenden Vermögen verhelfen. mag er Dich mit Gold bedecken, in Purpur kleiden, mag er Dich zu einem solchen Luxus und Reichtum bringen, daß Du die Erde unter Marmorplatten verbirgst; es sei Dir gestattet, Schätze nicht nur zu besitzen, sondern auch mit FOßen zu treten; mögen hinzu- kommen Statuen und Gemälde und alles, was irgende1ne Kunst zur Prachtentfaltung ausqearbeitet hat: Größeres zu begehren wirst Du davon lernen. Natürliche Wünsche sind begrenzt; was einer Wahnvorstel- lung entspringt, weiß nicht, wo es enden 5011. Dem Irrtum nämlich sind keine Grenzen gesetzt. Der Wanderer auf seinem Wege hat ein Ziel, das Umherirren ist unbe- grenzt. Ziehe Dich daher von Belanglosigkeiten zurOck, und wenn Du wissen willst, ob dem, was Du anstrebst, ein natürliches oder ein b'indes Verlangen zugrunde liegt, Oberlege, ob es irgendwo haltmachen kann; wenn Du weit vorangekommen bist und immer noch ein Rest in weiter Ferne vor Dir bleibt, so wisse, daß es nicht naturgemäß 1st. 11 L. Annaeus Seneca: Briefe an Lucilius Ober Ethik, 2. Buch. 16. Brief, Nr. 8 u. 9. übersetzt und herausge- geben von Franz Loretto. Stuttgart: Reclam 1986 Vortag Einige Zeit nach dem Tag, an dem der Herr der Schulen ihnen beschied, daß ihnen das Tor der Zivilisation trotz der gutachterlichen Beschei- nigung ihrer pädagogischen Gefahrlosigkeit verschlossen bleibe, setz- ten sich Tante Episode, Schulmeister Aufgabe, Nothelfer Überleitung und Prof. ökon zusammen und erfanden sich folgende Freunde, um in der Wildnis zu bestehen: Bär: Rabe: Prof. ökon: verhilft seinen Kindern ungewollt zu einer sturmfreien Bude bemOht sich, weise zu sein Sachwalter des ökonomischen Weltwissens Specht: kann sich nicht vorstellen. daß ein vernOnftiger Mensch in der Schule Probleme hat Maus: verbringt den Winter im BOcherregal eines Fachlehrers, Abteilung Fachdidaktik Spinne: hat eine Cousine zweiten Grades, die seit vielen Jahren bei der Schulaufsicht wohnt Elch: so etwas wie intellektuelles Lackmuspapier Libelle: ist in der Jugend mit einem Buch Ober radical economics zusammengestoßen Hecht: versucht durch Zitieren didaktischer Aktualitäten von seinem Alter abzulenken Wirbelwind: nicht zu fassen Kaninchen: darOber weiß man nichts Dies ist der Bericht ihres Überlebenskampfes. Er ist eine starke Medi- zin. Bei richtiger Anwendung setzen durch die reichhaltigen und seit Jahrhunderten bewährten Wirkstoffe schon nach kurzer Zeit belebende Wirkungen ein. _________________________________________ __________________~• .Lt_~_I Anwendungsgeb1ete: Bei chronischen Fällen fachlicher Ignoranz, BerOhrungsängsten vor di- daktischer Literatur, Langzeitschädigung durch den dauerhaften Verzehr normativer Planungsmodelle, pädagogische Initiationen, Erschlaffen des pädagogischen Eros, auch als Zusatzmaßnahme bei heuristischen Thera- pien. Gegenanzeige: Nicht anwenden - bei Streß und sonstigen Belastungssituationen wie Strassenverkehr, Schläfrigkeit u.a. - bei chronischen humoristischen Verkapselungen mit verknorpelten Ich-BezOglichkeiten - bei eingeschränkter Flexibilisierbarkeit kognitiver Schemata - während öffentlich-rechtlicher Darbietung in Ton-Bild-Systemen - nach Erlangung der sittlichen Reife. In vereinzelten Fällen sind bei dieser Indikation nervöse Reizbarkeit, UnlustgefOhle, Langeweile, sterile Aufgeregtheit und temporäre übel- launigkeit beobachtet worden. Auch konnten GedächtnislOcken nachgewie- sen werden. Nebenwirkungen: Insbesondere bei unzureichender Mobilisierbarkeit intellektueller und moralischer Zweifel kann es in seltenen Fällen zu EntrOstungen oder ErmOdungen kommen. Bei bereits stark geschwächten pädagogischen SelbstwertgefOhlen kann die LektOre in Ausnahmefällen die Destabi11- sierung erhöhen. Dos1erungsanleitung, Art und Dauer der Anwendung: Die einzigartige Wirkstoffkombination entfaltet ihre belebende Wirkung am besten, wenn die Lektüre täglich höchstens und wöchentlich minde- stens "einen Tag" umfaßt. Als besonders förderlich fOr die optimale Ausnutzung der Wirkstoffkom- bination haben sich tägliche übungen erwiesen, die reichhaltig aufge- worfenen Probleme sukzessive einer Lösung zuzufOhren. Die LektOre kann bei bestimmungsgemäßem Gebrauch bedenkenlos mehrfach wiederholt werden. Eine Suchtgefahr ist nicht zu befUrchten. Eine Wie- derholung ist sogar zu empfehlen, um eine dauerhafte Revitalisierung der motivationalen und kognitiven Steuerungssysteme zu fördern. -------_. _._-~.---------- .._.__....._--_...._-- .._. _.._-_._. -_._-_...__._-~~~~-~ Besondere Hinweise: Kurzfristige TrObungen oder Ausflockungen können bei der lektOre auf- treten, beeinträchtigen die Wirkung der Medizin aber nicht. Schalern sind nur die lizens1erten Episoden, lehrgangste11e und Aufga- ben darzubieten. über eine Dosierung 1st vor Ort zu entscheiden. Weitere Verwendungshinweise am 'Tag, der nicht zählt'. Aufgabenlösun- gen am Ende des 'fOnften Tages'. Zusammensetzung: in Vol.-' Vortag 4 Einheiten 1. Tag 24 Einheiten 2. Tag 39 Einheiten 3. Tag 26 Einheiten 4. Tag 39 Einheiten Ein Tag, der nicht zählt 29 Einheiten 5. Tag 32 Einheiten 6. Tag 21 Einheiten 7. Tag 22 Einheiten Ein vertretener Tag 34 Einheiten 8. Tag 23 Einheiten 9. Tag 20 Einheiten Nachtag 6 Einheiten Zusatzstoffe: * Prolog * ________ .__._. . . . ._. ~._; t_~ • Seite 6 Die Menschen und ihre Bedürfnisse: Worin sich alle gleichen. 11 Wie Bedürfnisse von uns meistens wahrgenommen und befriedigt werden. 35 Menschen, die Bedürfnisse als Mangel erfahren. 14 Wie sich Bedürfnisse entwickeln und wodurch sie beeinflußt werden. 91 * Pragmatische und wissenschaftsbestimmte Strukturen * 139 Vom geschichtlichen Wandel der BedOrfnisse. 168 Die Mittel zur BedOrnisbefriedigung sind knapp. 200 Bewirtschaftbare und nicht-bewirtschaftbare Bedürfnisse. 221 * Schulbuchbedürfnisse * 243 Die Prinzipien wirtschaftlichen Handelns. 211 Von den Schwierigkeiten, wirtschaftlich zu handeln. 300 * Epilog * 320 * Anhang * 325 V~rt·CJ _ Erster Tag Bär: Rabe: Bär: Rabe: Bär: Rabe: Bär: Rabe: Bär: Rabe: Bär: Rabe: Bär: Rabe: Bär: Maus: BAr: Rabe: Bär: Rabe: Spinne: Libelle: Elch: Libelle: Bär: Rabe: 101 102 103 ~r.t.r T~9..- _ . S!t.il~ Folgendes wird häufig behauptet: Menschen können nur dann Uber1eben und sich entwickeln, wenn ihnen 'wich- tige Dinge' nicht fehlen, wenn sie daran also keinen Mangel haben. Aber was sind Oberhaupt 'wichtige Dinge'? Ein Bett? SchulbUcher? Schokoladeneis mit Sahne? Und außerdem: Stimmt die Behauptung denn wirklich, daß bei einem Mangel an 'wichtigen Dingen' das Leben ge- fährdet ist? Hör Dir einfach einmal die Geschichte von den faulen Mitzis an! Erster Tag Die faulen Hitzis Seite 13 104 Herr und Frau Hitzi lebten mit ihren beiden Kindern in einem schönen geräumigen Haus. Sie liebten ihre Kinder sehr und die beiden Kinder, ein Junge und ein Mädchen, liebten ihre Eltern. Allerdings waren Herr und Frau Mitzi sehr faul. Wenn am Haus das Dach kaputt war oder die TOr, sagte Herr Mitzi: "Ich bin zu faul, das Dach zu reparieren. Wenn ein paar Dachziegel fehlen, ist das ja nicht schlimm. Dann regnet es eben ein bißehen herein. Und wenn es durch die Spalten in der TOr zieht, dann macht das ja auch nichts. Ein bißchen frischer Wind tut uns allen ganz gut." Und alle waren zufrieden. Ähnlich wie Herr Mitzi dachte Frau Mitzi. Wenn die Kinder sich z.B. Löcher in die StrUmpfe oder in die Hosen gerissen hatten, dann· sagte Frau Hitzi: "Zum StrUmpfestopfen bin ich zu faul. Laßt eure großen Zehen mal die Welt ansehen. Das macht denen bestimmt Spaß." Das fanden die Kinder auch. Und Herr und Frau Mitzi wurden immer fauler. Sie wurden zu faul, sich anzuziehen. Sie sagten: "Ewig dieses An- und Ausziehen. Wenn wir unsere Kleider nicht mehr ausziehen, fällt auch das lästige Wäschewa- schen weg." Und von nun an behielten sie immer dieselben Kleider an. Kurze Zeit später sagte Herr Mitzi: "Ich bin jetzt auch zu faul zu essen. Das Kauen ist so anstrengend." Das fand Frau Mitzi auch. Von nun an aßen sie nichts mehr und waren froh, weil dadurch auch das lästige Kochen wegfiel. "Ach", sagten Herr und Frau Mitzi dann zu ihren Kindern, "so läßt es sich ja schon aushalten! Aber ihr redet immer so viel. Alles muß man sich anhören I Dazu sind wir jetzt auch zu faul. Von nun an hören wir euch nicht mehr zu." Die Kinder konnten nun reden, was sie wollten; die Eltern hörten einfach nicht mehr hin. Danh wurden Herr und Frau Mitzi auch zu faul zu sprechen. Sie sagten: "Wir sind jetzt zu faul zu sprechen. Ab heute werden wir kein Wort mehr sagen." Und tatsächlich, Herr und Frau Hitzi sprachen von nun an kein Wort mehr, auch mit ihren Kindern nicht; sie kOndigten sogar nicht einmal mehr an, wenn sie noch fauler wurden. Aber die beiden Kinder kohnten das sehr genau beobachten: Herr und Frau Mitzi wurden zu faul, sich zu kämmen; Herr Hitzi wurde zu faul, Laubsägearbeiten zu machen, Frau Mitzi zu faul, Blumen zu gießen; sie wurden zu faul zu lesen, zu faul, Mensch-ärgere-dich-nicht oder Mau-Mau zu spielen; selbst die bei den Kinder in den Arm zu nehmen Oder ihnen einen Gute-Nacht-Kuß zu geben, war ihnen zu viel. Und schließlich waren sie so faul, daß sie sich in ihren Sesseln gar nicht mehr rUhrten. AUf diese Weise lebte die Familie noch lange glUcklich zusammen. Seite 14 BAr: Rabe: Libelle: Maus: Specht: BAr: Elch: BAr: Spinne: Hecht: Elch: Hecht: Elch: Hecht: libelle: Hecht: libelle: Hecht: Spinne: Hecht: Was denn? Wollt Ihr mir einen Namensgleichen aufbin- 105 den? Du zweifelst? Was glaubst Du nicht? Warum nicht? Aufschreiben! Alles aufschreiben! Die besonders un- glaubwOrdigen Sätze. Und warum Du sie nicht glaubst. Aufschreiben. Alles aufschreiben. (schreibt) Es wäre hier auch eine besonders schöne Aufgabe, den 108 Bären die fUnf Punkte heraussuchen zu lassen, die die Kinder nach seiner Meinung am meisten vermissen wer- den. (schreibt) Alles keine besonders guten Aufgaben. Alles so speku- 101 lat;v, so kUnstlieh. Vor allem so schulförmig. FUr welche Schul form? Nein! Ich meine das im Sinne von schulhaft ... Welche Schul haft? Himmel! Schulartig eben ... Artigkeit habe ich in Schulen kaum gefunden. Bei meiner Flosse, dann eben schulmäßig! Das deckt sich schon eher mit meiner Erfahrung. (Gleich kommt schulweise). Also, schulförmig, basta! Was ich sagen will: Aufgaben bringen Geschichten immer um ihre Wirkung. Geschichten im richtigen Leben haben eine Pointe, aber keine Auf- gabe. Geschichten ohne Lehrsatz verdienen keine Beachtung, deepdenkernder Hecht. Pointe ist nur ein anderer Aus- druck fOr Aufgabe. Die Pointe ist der Punkt, der an- stößt, Uber etwas nachzudenken, etwas abzuwägen, zu verallgemeinern, zu differenzieren ... Aber das ist bei Pointen freiwillig, die Richtung 1st frei, der Umfang. Die schulförmigen Aufgaben dagegen, Erster Tag Seit. 15 ordnungssinnige Spinne, haben immer diesen nUtzlichen Hintergedanken, zielen immer auf die schon feststehen- den Antworten, nie auf die schöpferische Irritation. Sie mißtrauen immer. Daher auch ihre umständliche Form. Spinne: Das ist nun wieder eine ganz andere Angelegenheit, nämlich die, ob jemand etwas, das er lernen soll, er- fahrungsgemäß eher unter strenger Anleitung und ent- lang eines - so nehmen wir mal an - durchdachten Weges lernt oder durch umherschweifende Selbsttätigkeit. Je schul ferner die Leute sind, desto heroischer werden hier ihre Annahmen. Hecht: Je schul näher die Leute sind, desto geringer wird ihr Vertrauen. Sie hängen die Latte so tief, daß sie gar nicht merken, daß die SchU1er allein schon deshalb nicht darUber springen, weil sie ihnen auf den FUßen liegt. Aber sparen wir uns das fOr einen späteren Zeitpunkt auf. Mir jedenfalls sind die prallen, facet- tenreichen Geschichten ohne den weithin sichtbaren Zeigefinger am liebsten. Manche dieser Geschichten ma- chen uns heiter, manche traurig, viele begleiten uns lange Zeit - ohne daß dafUr ein Lehrsatz gepaukt wer- den mUßte. Die Geschichte von den Hitzis ist mir denn auch viel zu blutarm und zu bemUht. Elch: Mir gefallen erfundene Geschichten auch nicht. Man 108 braucht nur die Zeitung aufzuschlagen, um auf wirkli- che Geschichten zu stoßen. Die machen schnell klar, was fOr alle Menschen gleichermaßen lebenswichtig ist. Hier zum Beispiel die dpa/Reuter-Me1dung vom 26.2.87 Ober den Prozeß wegen "gemeinschaftlich begangener sechsfacher Kindesaussetzung" gegen ein Ehepaar mit neun Kindern. Das Ehepaar war erst 1978 mit den be- reits geborenen Kindern aus der DDR in einen sehr kleinen Ort in Nordfriesland Ubergesiede1t. Er, 37 Jahre, dominant, Pascha - so wird gesagt - sie, 34 Jahre, minderbegabt, ausgebeutet. Gleich nach dem Nie- derlassen in dem norddeutschen Nest schottete er seine Familie von der Außenwelt regelrecht ab. Zu dieser ab- sichtsvoll betriebenen Isolation kam nun, daß den El- tern der Entzug des Sorgerechts fOr die inzwischen neun Kinder wegen "familiärer Mißstände" ins Haus stand. Außerdem' drohte dem Ehemann die Entlarvung als Simulant, weil er sich jahrelang blind gestellt und zU Unrecht entsprechende UnterstUtzung bezogen hatte. In dieser Situation verließ das Ehepaar Anfang März 1986 mit den drei älteren Kindern das Wohnhaus. Den anderen sechs Kindern im Alter bis zu elf Jahren - da- runter ein schwerkrankes, elf Monate altes Baby - lie- ßen die Eltern lediglich einige Konserven, Milchpul- ver und Brot zurOck. Man stelle sich nun die Situation dieser Kinder vor! Die älteren Kinder wandten sich erst fUnf Tage später an Nachbarn, als sie um das Leben des Säuglings fUrch- teten. Er konnte auf der Intensivstation des Kreis- Erster Tag Sei te 18 krankenhauses gerettet werden. Die Eltern wurden erst vier Wochen später nach einer umfangreichen fahndung von Urlaubern auf der Insel Kreta erkannt, wo s1~ von der griechischen Polizei festgenommen wurden. Hecht: Ganz nObsch, wenn es vor falschen Zungenschlägen be- wahrt werden könnte ..• Elch: Oder hier etwa die dpa-Meldung vom 15.1.87 Ober Aus- 109 wirkungen einer Schneekatastrophe. Man stelle sich vor: Eine kleine Schule in Ostbayern. Die SchOler; ~ etwa 150 - sitzen wie Oblich im Unterricht. Draußen schneit es heftig. Es bläst zudem ein scharfer Nord- ostwind. Endlich ist Schulschluß. Aber die SchOler sind längst von der Außenwelt abgeschlossen und mOssen die Nacht in der Schule verbringen. Ein Schulbus, der die Heimfahrt wagt, bleibt im freien Feld in Schnee- verwehungen stecken. Um Mitternacht erst kommt fOr die FahrschUler die Befreiung. Welche BedOrfnisse hatten die SchOler, woran war Mangel? Woran mußte gedacht werden? Maus: Ach, die Katastrophenklamotte! Bei diesem Thema 110 scheint's nur Extreme zu ~eben. Varianten zu Schlaraf- fia oder Katastrophia. Die vierhun- dert apoka- lyptischen Reiter: Maus: Die vierhun- dert apoka- lyptischen Reiter: Elch: Maus: Elch: Wer deliriert da dilatorisch und divinatorisch? Ein Apostat der Apokatastase. Aber ich denke, es gibt nur vier von Euch? ~~?Cf7}'" Des szientistischen Säkulums zahllose Segnungen zei- seln uns. In der Meldung steht auch, daß in jener Woche schon mindestens 60 Kältetote in Europa angefallen sind. Dazu paßt auch die Meldung vom 17.1.87 mit der 35 km langen Autoschlange auf der A 7, die 12 Stunden 1m Schneesturm stecken blieb und ... Die Steigerung von Katastrophe ist Katalied ..• Oder hier, noch besser, die Reuter-Meldung vom 14.1.87: Von toten Kameraden ernährt Kuala Lumpur. Mit dem Fleisch toter Kameraden hat sich eine Gruppe von Vietnam-F1Ucht11ngen während einer vterwöchigen Irrfahrt auf dem SOdch1nesischen Meer am Leben erhalten. Dies teilte ein Sprecher der malaysi- sehen F10chtlingshilfeam Mittwoch in Kuala lumpur mit. Die v1etnamesischen "Boat People", ursprOng11ch 22 Männer und zwei Frauen, seien Mitte Dezemberm1t dem Fahrtziel Philippinen mit ihrem Schiff von Vietnam aus gestartet. Später hätten sie die Orientierung ver- 111 erster Tag Hecht: Bär: Rabe: Bär: Schweine: Rabe: Maus: HOhner: Seite 17 loren und seien abgetrieben worden. Als ihnen die Le- bensmittel ausgingen, hätten sie die Leichen von acht Leidensgenossen verzehrt. Tatsächlich, schwertrittiger Elch, Deine Texte sind 112 nicht blutarm. Sie sind blutrünstig. Kalkulierte Un- ebenheiten machen Geschichten interessant, grelle Ef- fekte verderben sie. Wenn Du aufs Besinnungslos-Machen und Überwältigen schielst, benutze anstelle von Schul- büchern gleich die Boulevardfresse. Da artikulieren sich die Didaktiker fürs Kopflose. Die Wahrheit dage- gen geht als Engel durch den Raum. Unstimmigkeiten, grelle Effekte, Wahrheit. Immerhin sind die Geschichten nicht erlogen. Und die Hitzis? Was kann man aus einer erlogenen Geschichte lernen? Manchmal hilft die Verfremdung, scheinbar Selbstver- 113 ständliches überhaupt erst in seiner Besonderheit wahrzunehmen und in seiner Bedeutung zu erkennen. Was nützt es, das Selbstverständliche zu lernen? Es macht nicht klüger. Ist hier der Bär vorbeigekommen? Ihr werdet nicht benötigt. - Manche Selbstverständ- 114 keit, Bär, ist - wie etwa die Bewegungsfreiheit - in der sozialen Welt nicht überall als selbstverständlich zugelassen. Sie fällt längst nicht mehr einfach vom Himmel. Manches Selbstverständliche wie unser täglich Brot muß in Zustandekommen und Güte erst erkannt sein, um den Wunsch zu wecken, die Dinge zu verbessern oder zu bewahren. Manches Selbstverständliche wie die Ver- gänglichkeit muß in seiner Unabänderlichkeit erst be- griffen sein, um Sinngebungen anzuregen. Sinngebung schon bei SchOlern. Da lachen ja die Hüh- ner. Wer macht uns da sinnlose Vorschriften? Rabe: Es ist, dahinwuselnde Maus, ein Erzübel anzunehmen, daß Sinnfragen ein Privileg der Reife seien (während sie doch in Wirklichkeit ihre Voraussetzung sind) oder daß sie vom Lehrenden verbindlich vorgegeben werden könnten, so daß eine Erörterung des Sinns, der Bedeu- tung, des Zusammenhangs von Informationen sich erübri- ge. Erster Ta9 Seit. 18 Hecht: Ich fasse das mal als Plädoyer gegen den pädagogischen 115 Reduktionismus auf, als Votum fOr den anmutenden Um- weg, das Verlassen der nach PrUfungen abgesteckten Rennstrecken, das ausholende Vernetzen. Dann kann es aber doch gar nicht genOgen festzustellen, daß Men- schen Bedürfnisse haben und welche sie besonders zwik- ken. Dann muß die Frage erlaubt sein, warum Menschen Oberhaupt BedUrfnisse haben. Maus: Einspruch, deepdenkernder Hecht, Einspruch! 80 geht das nicht. Erstens: Selbst wenn man sich Rat holte und eine Antwort fände, käme gleich das nächste 'Warum'. 80 kommt man nie zu einem Ende. Ein fehlendes Ende verbietet den Anfang. Zweitens: Den Rat kann man sich nur bei einer anderen Disziplin holen. 80 kann man keinen Fachunterricht ma- chen, der schließlich eigene Perspektiven und Annahmen hat und deren Akzeptanz zur Vorbedingung hat. 'Wa- rums', die diese Grenze Oberschreiten, sind fachlich illegitim. Drittens: Der Rat, den man in den anderen Disziplinen sucht, betrifft hier die Frage, worauf Leben beruht. Wendet man sich hinsichtlich der physiologischen Di- mension zunächst der Biologie zu, stößt man auf die biochemischen Grundlagen des Stoffwechsels, auf exer- gonische und endergonische Reaktionen, was Oberleitet zu ·den grundlegenden thermodynamischen Gesetzen, zu komplizierten chemischen und physikalischen Vorgängen, die nun alle wieder aus diesen Disziplinen zu erklären sind. Damit ist man aber längst noch nicht bei den psychologischen und sozialen Prozessen angekommen. In der Biologie selbst möchte man aber zudem noch Ober einige Grundsätze der hormonalen Regulation, der 8in- nesleistungen, Nervenphysiologie und des Verhaltens informiert werden ... Dieses eine grenzgängerische 'Wa- arum', dessen Beantwortung vorgeblich das Verständnis der Lernenden von den menschlichen BedOrfnissen so sehr verbessert, wirft derart weitreichende Verständ- nisschwierigkeiten auf, daß sie kein inspirierter Pä- dagoge mehr entwirrt. Hecht: Da gibt es die veritable Ansicht eines bekannten Er- z1ehungswissenschaft1ers, derzufolge bei jedem Ver- ständnisniveau auf jede Frage eine angemessen informa- tive Antwort gegeben werden kann. Niemand verlangt, mit einem Griff die ganze Welt zu erhaschen. Maus: Viertens: Die 'Warums' sind endlos wiederholbar, das Ende wird erst durch einen speziellen 'Glauben' oder 'Unglauben' herbeigefOhrt. Wenn aber Glaube ohnehin Ausgangspunkt des Denkens bleibt, 1st es einfacher und klUger, gleich die VernOnftigkeit der tradierten Axio- me einer Disziplin anerkennen zu lassen. Diese 'Wa- rums', wenn sie ernsthaft und nicht nur in der Ubli- chen pädagogischen Tr1stese rhetorisch gemeint sind, gleiten in die philosophische Haltung des 'Weiterfra- gens' ab. Diese philosophische Haltung ist das Ende Erster Tag seite 19 jedes fachlichen Curriculums. Hecht: Einzig diese philosophische Haltung gibt wissenschaft- lichem Lehrstoff so etwas wie 'Bildungswert'. Ohne die Möglichkeit zum querstehenden 'Warum' bleibt das Ler- nen wissenschaftlicher Inhalte eine äffische Nachah- mungsleistung, die auf die zwanghafte Wiederholung ei- nes in der Reichweite schrecklich begrenzten Argumen- tat10nsr1tua1s abstellt. Allerdings deutet sich hier unerwartet eine Korrektur an. Es mehren sich die Zeichen, daß die Wissenschaften nicht mehr die souveräne Welt beschreiben, sondern die Welt sich an die Beschreibungen der herrschenden Wis- senschaften anpaßt. Unser Freund, der Seggenrohrsän- ger, hat sich kürzlich bei uns abgemeldet, weil er in fOr ihn wichtigen Wissenschaften ausgegrenzt war~ Ver- kehrswissenschaft, Wirtschaftswissenschaft, Bauwissen- schaft, Agrarwissenschaft ... und wie sie alle heißen. Der Seggenrohrsänger ist an Lieblosigkeit gestorben, und die Lieblosigkeit der Wissenschaften heißt Aus- grenzung, Ausgrenzung durch Tabuisierung der system- widrigen 'Warums'. Durch den Mangel an 'Warums' wird die Welt so, wie die Wissenschaften glauben, sie sehen zu müssen. Nun sollen auch die Schulen sich den Wissenschaften anpassen, indem nur noch lizensierte 'Warums' zugelas- sen werden. Dabei wäre gerade hier die Chance, einmal das zu denken, was die Wissenschaften nicht zu denken in der Lage scheinen, auf diesem Wege zwischen den Perspektiven zu vermitteln, Hor1lonte zu verschieben, Finger in Wunden zu legen. An die Stelle einer wissen- schaftsorientierten wäre eine wissenschaftskompensato- rische Bildung zu setzen. Maus: Der Alltagsmensch als Laienwissenschaftler, Wissen- schaftsgeneralist und Werteinterpret! Es lebe der LIG, der Laieninterpretationsgeneral1st. Eine solche Idee entspringt dem hybriden Denken der Lehrer, sie seien eigentlich die besseren Wissenschaftler. Und sie ver- bessern nicht nur die Wissenschaft, sondern sie denken sich auch den Menschen gleich viel besser: Er will dauernd reflexiv sein, problematisieren, in-Frage- stellen. Wäre es so, wüßte man gar nicht, wer all die Philosophen am Ende ernähren soll. Und somit gilt fünftens: Bisher wurde schulischem Un- terricht lediglich vorgeworfen, daß er Antworten auf Fragen aufdränge, die kein Lernender gestellt habe. Nun sollen die Lernenden offenbar auch noch dahin ge- bracht werden, die Fragen selbst zu stellen, die sie nie stellen würden. Lassen wir das pädagogische WeltverbesserungsbedOrfnis auf sich beruhen und betrachten wir die Dinge wieder pragmatisch. Deshalb sechstens: Das ungezOge1te 'Wa- rum' ist mit der Struktur schu1förmigen Lernens un- vereinbar, denn dieses braucht die klare stoffliche Route. Und das scheinbar ungezOge1te 'Warum' ist ent- Erst:er T~9 ~S~.~1t:~.!....-~20 Rabe Durchsage libelle Rabe BAr Spinne Specht Spinne Bär weder nur ein motivierender Trick, dem dann die subti- le Selektion der im Moment nUtzlichen Antworten folgt, oder eine übung in Wissenschaftsmethodik, die ins Di- lettantische . einmOndet oder die genau dazu fUhren soll,nur noch die 'richtigen Warums' zu stellen, näm- lich jene, auf die die Wissenschaft antwortet. Laßt Euch noch was fUr die kommenden Tage Ubrig und 118 redet nicht so schrecklich prinzipiell. Der Fort- schritt liegt manchmal in der graduellen Verschiebung. Und wichtiger wäre ja vielleicht auch die Klärung, ob Ihr gerade Uber die "Warums" der Lehrer oder jene der SchOler gestritten habt, zu welchen ermutigt werden sollte und welche man zurOckdrängen möchte. Der Leser mit der Paß-Nr.903744 wird gebeten, sein Buch abzugeben. Danke! Wenn es bei Diskussionen wie beim Schach Namen fOr Standarderöffnungen gäbe, wOrde ich hier von einer Deutschen Eröffnung reden: Gleich los aufs Grundsätz- liche und schon nach fOnf Minuten nahe den Schwarzen Löchern der Wissenschaftstheorie. Der Bär hatte nicht wissen wollen, warum Menschen Be- 117 dUrfnisse haben, sondern warum er - wie er meint - Selbstverständliches lernen soll. Ich versuch's mit einem Beispiel: Es ist Dir, glaube ich, gar nicht bewußt, daß Du h~er bist, weil ein grundlegendes, universelles . BedOrfnis bei Dir. nicht mehr befriedigt wurde, nämlich das nach Anerkennüng und Zuneigung durch Deine Kinder. Was Du bislang nur dumpf empfunden hast, kannst. Du nun exakt benennen. So habe ich das noch gar nicht gesehen. Grundlegendes BedOrfnis nach Anerkennung und Zuneigung. Eineschö'ne Formulierung. Ich lerne also das selbstverständliche, um mich gewählter ausdrUcken zu können. Der Bär ist ungeleckt und renitent. . . . , . Hat der unge1eckte Bär noch nie gehört, daß man bei'rn Lernen immer vom Vertrauten zum Neuen geht? Zunächst also das Vertraute! Der Bär ist verstockt. Es wird zeit,i'hmeine Auf'gahe 118 zu verpassen. Ich habe da eine~ Mit ihr kann man .flach manches aus. derJ~eschichte der. 'Mitzis herauskitze,ln~, Zunächst:. Was hältst Du von der folgenden Behauptung: Jeder Mensch kann nur Uberleben. und sich entwickeln, wenn ihm 'wichtige Dinge' nic,ht fehlen? Sodann: Versuche im GesprAch mit Deinen Großrnotte'rn 'herauszufinden, was wohl die 'w1chtigs'ten Dinge' s,1nd. ,Stelle die Punkte, Ober die Du Dich mit ihnen einigen kannst, in einer Liste zusammen! Sodan'n: . Oberlege, ob die vielen Dinge, die ,in der \L 1- s'te n1cht genannt s1nd , fO r den Menschen Uberf1Oss19 und wertlos sind!. . Schließlich: Vervollständige anhand Deiner bisherigen Arbeitsergebnisse den folgenden Satz: Menschen sind bestrebt, Mangel zu vermeiden und ... Au weia! Erster Tag Seit. 21 Elch: Eine wunderschön gebaute Aufgabe! Viertei1ig! Mit 119 wechselnden Sozialfonmen und Arbeitstechniken! Offen und doch geschlossen. Wie ein Labyrinth: Viele Wege können versucht werden, aber am Ende zählt nur der ei- ne. Specht: Ich möchte da doch Bedenken anmelden. Am Ende soll da hinter "Mangel vermeiden" noch etwas angefOgt werden, "auf die Pauke hauen" oder so was. Ich muß eine solche Ergänzung entschieden zurOckweisen. In jedem honetten ökonomiebuch der letzten 150 Jahre steht, daß BedOrf- nisse ausschließlich auf Mangelempfindungen beruhen, die es zu beseitigen gilt. Rabe: Die Ergänzung, holzdreschender Specht, ist hier fast das Wichtigste. Vor 150 Jahren - etwa als Malthus vom zwanghaften Verelenden der arbeitenden Klasse schrieb - hatten die Leute kaum etwas zu knabbern. BedUrfn1sse unter dem Gesichtspunkt der Mangelempfindungen zu be- trachten, hatte damals durchaus beschreibenden Wert. Diese Voraussetzungen haben sich seitdem grundlegend geändert. Aber in der Folge hat dennoch - zumindest in diesem Punkt - ein Autor nur noch vom anderen abge- schrieben. Man hat dabei sogar WidersprUchlichkeiten Ubersehen oder hingenommen. Irgendwann hat man in der ökonomischen Literatur ja angefangen, auch Uber Marke- ting, Werbung, BedUrfnisweckung und ähnliches zu re- den. Werbewirksamkeit wUrde dann aber die Lust der Menschen an Mangelempfindungen voraussetzen. Ein ganz und gar masochistisch ausgelegtes Menschenbild. Specht: Jeder, der einmal im Leben richtig verliebt war - und ich rede da doch wohl von nichts Randständigem - weiß um den Kummer, den man sich dabei einhandelt. Und hat man sich gefunden, verheddert man sich in neuen Pro- bleme. Das Diskrepante treibt uns an. libelle: Eine katastrophale Gesinnung.Wenn man auf einen Sprung Bekannte besucht, sich behaglich in den Lehnstuhl ne- ben dem Kamin drUckt und fast nur fOr sich denkt: Und jetzt noch eine Tasse Tee, und schon sagen die Freun- de: Aber gerne. Da bitte! Wo ist da Deine Mangelemp- findung? Man darf die gelegentlichen Frustrationen bei nicht sofortigen BedOrfnisbefriedigungen, also eine Nebenwirkung, nicht für das BedOrfnis selber nehmen. Rabe: Niemand käme auf den Gedanken, fOr eine kranke Kuh den Astrologen zu holen, nur weil der einige Sternkonstel- lationen nach Tieren bezeichnet. Und fOr den hier an- stehenden Sachverhalt sind nicht die ökonomen, sondern die Psychologen zuständig. Und die reden schon lange nicht mehr von BedUrfnissen, sondern von Motiven, Mo- tivierungen, Motivations- und Entwicklungstheorien und dergleichen. Der Gesichtspunkt der Mangelempfindung bleibt dabei randständig. Prof. ökon: In der groBen Linie muß ich dem verehrten Kollegen 120 beipflichten - bei allen notwendigen Ergänzungen im Detail. Hecht: Der ökonomische Säulenheilige! Jetzt kommt wieder al- ~J:.t.r T~'.il.g -,,8e~1t=.:--~22 les doppelt. Das ist kaum zu verknusen. Prof. ökon: Ich muß aber darauf bestehen, daß der unsystematische, unObersichtliche - ja geradezu chaotische Umgang mit dem Stoff, wie er sich hier darbietet, zu den schlimm- sten BefUrchtungen Anlaß gibt. Geschichtchen anstelle terminologischer Zucht. Ich will dem Zustand der Ver- worrenheit ein Ende setzen und der kUnftigen Arbeit ein leuchtendes Beispiel der Klarheit geben. Ich lege dar. ökon legt dar: I • t • ' '. . , ,.. .. ..' ... : - , ' . " . .. .. . , .... " .. Erst.r Tag Die Menschen und ihre Bedürfnisse: Worin sich alle gleichen. seit. 23 121 Allen Menschen ist etwas gemeinsam, egal wo sie leben oder wann sie gelebt haben: Menschen können nur Uber1eben und sich ungehindert ent- wickeln, wenn einige Voraussetzungen erf011t sind. Sie mUssen essen und trinken, schlafen, sich vor Kälte und Hitze schUtzen und vieles mehr. Dies sind biologische Voraussetzungen. Daneben benötigt jeder Mensch z.B. Verständnis, Anerkennung und Liebe von anderen Menschen, die ihm wichtig sind. Dies sind soziale Voraussetzungen. Sie betreffen das menschliche Zusammenleben. Werden die biologischen und sozialen Voraussetzungen nicht erfUl1t, so leiden die Menschen darunter. Ihnen fehlt dann etwas. Man sagt auch, Menschen befinden sich in einem Mangelzustand. Dauert dieser Mangelzustand lange an, so sind ihr Leben und ihre Ge- sundheit in Gefahr. Jeder Mensch möchte solche Mangelzustände deshalb vermeiden oder sie schnell Uberwinden; ja mehr noch, er möchte sein Leben möglichst angenehm gestalten. Die Antriebe, - Mangelzustände zu Oberwinden und - sein Leben - im Rahmen des 'grundsätzlich Machbaren' - möglichst angenehm zu gestalten, sollen kOnftig als Bedürfnisse bezeichnet werden. Die Antriebe veran- lassen Menschen zu Handlungen; sind die Handlungen erfolgreich, spricht man von der Befriedigung dieser Bedürfnisse. (Häufig werden bei diesen Handlungen Gegenstände benutzt; die Gegenstände werde ich kOnftig GUter nennen.) Alle Menschen haben BedOrfnisse. Es gibt niemanden, der keine Bedürf- nisse hat. Das bedeutet aber nicht, daß alle Menschen dieselben Be- dOrfnisse haben. Erster Tag Bär: Rabe: Specht: Elch: Hecht: Specht: Spinne: Libelle: seit. 24 Beim großen Arkturus, der kann aber reden! - Der hätte 122 gleich kommen sollen. Dann hätte ich auf meinen Aufga- ben nicht so rumkauen mOssen. Das siehst Du vermutlich falsch. Meistens verstehst Du Prof. ökon gar nicht, wenn Du nicht vorher Deine Exer- zitien gemacht hast. Nimm es als Ergebnissicherung. Als auffrischende Wiederholung. Hör einfach weg. Vergeet de dröge Sah1en1edder. Dat 1s be1emmert, dat wie nu so rüm sukkeln, mit'n heel tap- sigen, dammeligen un fiesen Klafferkatt an Deck. Een Veerde1 Dröme1kaas, een Veerde1 Drohnbüde1 un twee Veerde1 Dummerjahn. Kerl, rede gefälligst deutsch, damit ich Dich kriti- sieren kann! Hier wird nicht nur doppelt, sondern Oberhaupt so viel geredet, weil man dem Publikum grundsätzlich mißtraut. Wird denn heute noch jemandem zugetraut, selbsttätig eins und eins zusammenzuzählen (oder sonstwie in Be- ziehung zu setzen)? Die Dinge reden heute nicht mehr für sich selber. Wer redet viel? Auf jedes gute Argument fallen einem 123 mindestens drei gute Gegenargumente ein. Da es hier dialogisch zugeht, müssen jeweils zwei und alle ihnen potentiell folgenden Argumente unterdrückt werden. Wenn hier 10 Argumente ausgetauscht wurden, sind also von den - annahmegemäß - 19683 möglichen Argumenten 19673 verschwiegen worden. Das soll geschwätzig sein? Und es wurde nur eine Argumentationsabfolge ausge- wählt. Dabei repräsentieren die 19683 Argumente bei 10 Argumentationsschritten unter der einschränkenden An- nahme, daß jedes Argument zwar nur an einer Stelle in der Argumentationsabfolge zulässig, aber auf glei- cher Ebene durch alternative Argumente ersetzbar sein soll, fast 3x1021 Abfolgen. Welches Auswahlproblem! Welche Verantwortung! Dabei ist noch gar nicht berück- sichtigt, daß ein und dasselbe Argument zahlreiche Kleider hat. Man kann sagen: "Zukunft durch Leistung H , was eine hiesige Partei behauptet, oder: liMit Leistung schaffen wir di~ Zukunft", was ein führendes Unterneh- men meint, oder: "Leistung hat immer Zukunft H , was eine deutsche Bank ihren Balljungen sagen läßt, oder: "Zukunft statt ..... oder: "Weiter so durch Da das Argument selber formal und eher schlicht ist, muß man es allein den alternativen Einkleidungen zuschrei- ben, wenn 1986 mehr als 100 Mi11. DM erforderlich waren, um dieser verbalen Modenschau öffentliche Auf- merksamkeit zu verschaffen. FOr diesen Betrag hätte man etwa 10 Mil1. Bücher wie dieses oder 5 Mi11. normale Schulbücher machen und verschenken, also etwa 200000 Klassen bzw. etwa alle Sch01er der Klassen 1 bis 7 mit einem Buch versehen können. Da jedermann aber lieber Werbetexte als ein Schulbuch liest, wäre das natürlich Verschwendung. Erster Tag Prof. ökon: Rabe: Blir: Specht: Spinne: Elch: Specht: Spinne: Specht: Spinne: Specht: Spinne: Rabe: Bär: Specht: Seite 25 Was ich sagen wollte: Jedes Argument läßt sich in min- destens 2 Formen kleiden. Macht bereits 2x19683 mögli- che Argumente und 3x1021 X2x19683 mögliche Abfolgen. Nun muß man weiter berücksichtigen, daß die Zahl der möglichen Abfolgen explosionsartig ansteigt, wenn man den logischen Ort eines Arguments in der Abfolge nicht mehr apriori festlegt. Außerdem muß man die Rechnung realistischerweise nicht mit nur 10, sondern mit 100, 1000 und mehr Argumenten aufmachen ... Erspare uns das und diese Illusion eines Auswah1- und 124 Gestaltungsproblems. Der Glaube, es gebe viele Argu- mentationsrouten und die Dinge redeten nicht mehr fOr sich selber, sprießt Oberall dort, wo man meint, auf die kompetenten Ausführungen der Experten nicht wirk- lich Acht geben zu müssen. Der Experte folgt der stim- migen Sachlogik, die sich über Jahrhunderte in den Disziplinen herauskristallisiert hat, und ist insoweit immer 'didaktisch' in seinen Argumentationsschritten, insoweit auch immer knapp und verständlich. Mißver- ständlich wird das Ganze erst durch die Didaktiker. All das Gedöns um Lebensnähe, subjektive Bedeutsam- keit, Konkretheit, Illustration, Mehrdeutigkeit, Epi- soden, Fälle, Problemorientierung täuscht nur über die Sachlogik hinweg. Du bist in Deiner Abbilddidaktik zu sehr befangen und siehst ihre Voraussetzungen und Folgen nicht. Was be- deutet ein wissenschaftlicher Satz schon dem Laien? Darüber reden wir noch - wie auch über das Eigenleben der Episoden und den Stellenwert Deiner Vorträge. Im Augenblick muß ich mich um den Bären kümmern. Er scheint das Bedürfnis zum Schlafen zu haben. Nur den Wunsch nach etwas Ruhe. Nur einen klitzeklei- 125 nen Traum träumen. Für jemanden, der lernen soll, ein Wunschtraum. Oder Traumwunsch. Vielleicht sollten wir ihn die Beziehung zwischen Wunsch und Bedürfnis herausarbeiten lassen. Das Bedürfnis nach einem Wunsch illustrieren. Den Wunsch nach einem Bedürfnis demonstrieren. Ein WunschbedOrfnis beschreiben Einen Bedürfniswunsch vertreiben. Ein verwunschenes Bedürfnis entzaubern. Einen bedürftigen Wunsch ergaunern. Wenn es denn sein muß, so fragt ihn, ob jeder Wunsch 128 ein Bedürfnis ist. Anfänger setzen das gleich oder fassen den BedOrfnisbegriff zu weit. Wie bitte? Ich darf die Aufgabe fOr Dich didaktisieren? Nimm fol- gende drei Wünsche zur Kenntnis: e=.-.~.~-- , .. ~.!.~~.r:_.I~9 _ Seite 28 1. Wunsch Hans hätte von seinem Pferd am liebsten einen Hund. Oder: Susi wäre gern wunschlos. 2. Wunsch Grete möchte gern mit ihrem Mann schmusen. Den Postboten mag sie nicht mehr so recht. 3. Wunsch Max braucht dringend eine Zigarette. Er hat schon zittrige Hände. Oder: Tante Stine findet, auch ihr 5. Mann muß weg. Sie hat in seiner Gegenwart schon Bauch- schmerzen. Welcher dieser drei WUnsche ist kein Bedürfnis? Maus: Halt! Halt! Das trifft nun ganz und gar nicht die an- 127 thropogenen und sozio-kulture11en Voraussetzungen des SchOlers. Hecht: Ebensowenig die 1izensierte Moral! Da muß man ohnehin aufpassen. Unsere großen moralischen Anstalten erken- nen nämlich nicht alle Bedürfnisse als eben diese an, sondern verwandeln manche in Versuchungen. leider sind die Menschen menschlich und versuchen sich so immer wieder ... In der säkularisierten Fassung spricht man amtlicher von schlechter Erziehung, Sozialisationsde- fiziten, Verhaltensauffälligkeiten und ähnlichem. Rabe: Das alles hat nichts mit den Bedürfnissen selbst, son- dern nur mit ihrer Ausgestaltung zu tun, und deshalb greifst Du der Diskussion schrecklich vor. Hecht: Und dann fehlen da in der Liste noch jene ritualisier- ten Gedankenlosigkeiten, denen auch regelmäßig das Gewand des Wunsches angezogen wird: Ich wünsche Dir alles Gute zum Neuen Jahr und zur Beerdigung Deines Erbonkels. Oder: Möge dieses Buch von Nutzen sein und seine Freunde finden. Maus: All das gehört nicht in ein Schulbuch. Also, alles von 128 vorn, und diesmal auch vernünftig gestylt. Höre Bär: Wenn Du den vorausgegangenen AusfOhrungen von Prof. ökon aufmerksam gelauscht hast, mUßte Dir aufgefallen sein, daß nicht alle denkbaren WUnsche zugleich Be- dUrfnisse sind. Lies Dir die folgenden drei WUnsche durch: Erster Tag Seite 27 1. Wunsch 2. Wunsch 3. Wunsch "Ich möchte Käse und Wurst zum Frü- stück. Die Marme- lade mag ich nicht." "Am liebsten hatte ich jeden Tag Geburtstag." "Ich brauche drin- gend etwas zu essen, egal was. Ich habe ,: ,l'.. schon Kopfschmerzen \~, vor Hunge r. .. , ~;,~\~_) '"-- -' ~------------_~I,LII~,; a) Welcher dieser drei WUnsche ist kein Bedürfnis? Begründe Deine Mei- nung anhand des Textes. Wie wUrdest Du einen solchen Wunsch be- zeichnen? b) Belege wiederum anhand des Textes, welcher wichtige Unterschied zwischen den bei den anderen Aussagen besteht! c) Formuliere fUr jede Spalte der Tabelle eigene Beispielsätze! Bär: Spinne: Hecht: Maus: Bär: Libelle: Elch: libelle: Elch: Rabe: Elch: Ich mag zum Frühstück keinen Käse und keine Wurst. Ich steh' auf Honig. Den gibt mir aber niemand. Ist das deshalb kein BedUrfnis? Es ist die Absicht zu einem Eigentumsdelikt. Wird der Wunsch, nicht straffällig zu werden, unter- stOtzt vom Bedürfnis nach sozialer Anerkennung, den Bären dazu anhalten, das Naschen von Honig als Wunsch- traum aufzufassen? Oder hält der Bär es für machbar, beides zu erlangen: Achtbarkeit und Gaumenkitzel? Oder aber geraten wir in die Turbulenzen eines wilden Be- dOrfniskonflikts: Eintracht Achtbarkeit versus Dynamo Gaumenkitzel? Versäumen Sie unter gar keinen Umständen die 187. Folge unseres packenden Zeitromans: Schicksal eines unbedarften BedOrfnisses. Der Bär soll lieber seine Aufgaben machen. (schreibt) Es wird hier immer so getan, als wenn die Existenz von Realisationsmöglichkeiten den "bloßen" Wunsch vom "als Bedürfnis aufgewerteten" Wunsch scheidet. Das Fehlen von Realisationsmöglichkeiten spielt aber doch nur dann eine Rolle, wenn man sich des Feh1ens bewußt ist. Sobald der Wunsch als etwas Unbedingtes psychische ~ealität geworden ist, geht es faktisch nicht mehr um Fragen der Machbarkeit: Er ist BedUrfnis. Don Quichot- te lehrt uns, daß es einzig auf die psychische Ver- bindlichkeit der Antriebe ankommt. Naja, der Donkey Schotte war meines Wissens auch krank! Nicht Schotte! Don Quichotte. Ein Spanier. Egal. Der Donkey hot, donkey Hotte war jedenfalls ver- rOckt. Wenn man nicht das personifizierte gesunde Volksem- pfinden ist, sollte man sehr vorsichtig sein, Bedürf- nisse mit den Attributen 'normal' und 'krank' zu be- hängen. Die Lebensfähigkeit Don Quichottes bis in un- sere Tage widerlegt Dich im übrigen. Schade. Es hätte sich jetzt so angenehm Ober wahre und falsche Bedürfnisse plaudern lassen. 129 130 131 Rabe: Ach ja, das Leben als Mogelpackung. Und nun blicken wir unbestechlich hinein. Sieh da, die persönlichen LebenslOgen, ohje, die kollektive Verdrängung, au weia, die systemkonform erzwungene Selbstkastrations- vollzugsgratifikationsannahme. - Das ist nicht unser Thema. libelle: Du hast das Thema selbst provoziert. Aber nun nimm 132 einmal den - bei BedOrfnisdefin1tionen durchgängig nicht thematisierten - Wunsch nach Leben. Ist es ein BedUrfnis? Ein Wunschtraum? Eine der Verdrängung ge- schuldete Setzung? Eine LebenslOge? Du möchtest diffe- renzieren: ewiges Leben, langes Leben, We1terleben? Woher Oberhaupt die Obliche Antizipation der Wunscher- fUllung, bis morgen weiterzuleben? Der statistische Erwartungswert zählt nicht fOr den Einzelfall. Kann es insofern Oberhaupt irgendein BedOrfnis geben, dem nicht ein generelles spekulatives BedOrfnis voraus- geht? Dasselbe läßt sich fOr das BedOrfnis nach Raum nach- weisen. Solange Leben an Materie gebunden ist, muß es Raum beanspruchen. In den Erörterungen tauchen aber nie BedUrfnisse nach dem ex1stenzerhaltenden Raum aUf, sondern nur Spez1alfälle Eine Wohnung, angemessene räumliche Distanz 1m sozialen Alltag usw. Rabe: Gerade das letzte Beispiel, bahnw1tzige Libelle, zeigt, daß etwas, das in der Allgemeinheit gar nicht gestaltbar ist, über das man vielleicht das Gewand der Hoffnung streift, nicht eigentlich auf der Ebene der hier besprochenen Motive angesiedelt ist: Es sind kon- stitutive humane Bedingungen Erst im Moment der Be- oronung wandelt das Konstitutive sich ins BedOrftige. Bedenke allerdings, daß selbst ein so fOhlbares Be- dOrfnis wie der Hunger normalerweise nicht fortwährend aktiviert ist. Bär: Wer sagt das? Rabe: Bleiben wir beim Konstitutiven. Dein Hinweis auf Raum und Zeit scheint mir nicht zufällig gewählt. Im System Kants etwa bezeichnen sie die subjektiven Formen, unter denen wir Erscheinungen anschauen, und grenzen damit zugleich jene Dinge aus, Ober die der Verstand unabhängig von der Art ihrer Anschauung erwägt. Mögli- cherweise muß man in ähnlicher Weise zwischen anschau- lichen BedOrfn1ssen und BedOrfnissen apriori unter- scheiden, wobei wir uns hier vorwiegend mit den an- schaulichen beschäftigen wOrden. Aber der Obergang zwischen beiden 1st aufgrund wechselnder Grade von Anschauung fließend. Im Lichte der Gefährdung scheint es durchaus ein relativ anschauliches BedOrfnis nach Leben zu geben. Erkläre Dir ansonsten die unzähligen Pakt-mit-dem-Teufel-Geschichten, an denen die Menschen sich ergötzen. In ihnen wird mit Zeit gehandelt. libelle: Erklär' Dich genau: Gibt es ein eigenständiges BedOrf- nis nach Leben? Oder, um es nicht an dieser Vorausset- zung zu diskutieren: gibt es ein Bedürfnis nach Ge- !rater Taa ~i~ 2. sundheit, nach Q1eichhe1t, Freiheit, BrOderl1chke1t, Versamm1u~gsfreihe1t, Freiz0g1gkeit und all den ande- ren grundgesetzlich gestOtzten AnsprUchen? Man kann das Ganze auch andersherum anfassen: Gibt es Negativ- bedOrfnisse: Das BedOrfnis, nicht geschlagen, ver- letzt, gedemOtigt, getötet, gefangen zu werden? Tritt neben das Streben nach angenehmen Erlebnissen das Streben nach Venmeidung unangenehmer Erlebnisse? Oder glaubst Du, daß die BedOrfnisse eines Menschen alle die wichtigen Negationen bereits einschließen? Rabe: Finde es selber heraus. Du greifst den morgigen Ge- sprächen vor. Solange nämlich Lebensvoraussetzungen als unproblematisch und gesellschaftlich vorstruktu- rierte BedOrfnisbefr1edigungen als selbstverständlich angesehen werden, bleiben sie abstrakte Forderungen, tradierte AnsprOche, emotionsfreie Motive. Erst wenn sie diese Unschuld verlieren, als Mangel oder Negati- on, wie Du es nennst, oder höhere AnsprUche auftreten, artikuliert sich das in speziellen Dissonanzen und 8e- dOrfn1ssen. Dieser Zusammenhang gilt, wo es an Wahr- nehmungen fUrs Abstrakte fehlt, aber auch wo die sub- jektive Wahrnehmung fOrs Detail im Repertoire fehlt. Denn Deine Art zu Oberlegen, fUhrt Dich bald dahin zu fragen, ob es ein eigenes BedOrfnis nach Vitamin B gibt oder ob das im summarischen BedOrfnis nach Nah- rung bereits enthalten ist, und Dein Radikalismus fUhrt Dich weiter zu den wahren und falschen Bedürf- nissen. Gibt es ein BedOrfnis, Junge oder Mädchen zu sein? Ist es krankhaft, wenn sich ein Mädchen nachhal- tig wUnscht, ein Junge zu sein? - Aber ich möchte Dir etwas entgegen kommen. Es gibt Hinweise darauf, daS es zu schwerwiegenden Folgen kommt, wenn Menschen an der Befriedigung bestimmter BedOrfnisse gehindert werden. Insofern sind diese BedOrfnisse "wahr" und die Verhin- derung ihrer Befriedigung macht "krank". Schau Dir die folgenden Beispiele an. E"Bter~-:...:Ta:::..;;9~ ~8e~1~·t~._~30 Beispiel 1: Wenn Menschen nicht schlafen dOrfen Der Schlaf ist ein wichtiges biologisches BedUrfnis. Häufig auftreten- de Schlafstörungen - beispielsweise durch lärm - fOhren nicht nur da- zu, daß Menschen am nächsten Tag mOde sind. Sie klagen dann zumeist auch Ober Kopfschmerzen, SchwindelgefUhle, Sehstörungen. Ihre lei- stungsfähigkeit sinkt ab. Nun wollten Wissenschaftler in einem Experiment herausfinden, welche Folgen es hat, wenn Menschen gleich mehrere Tage und Nächte hinterein- ander nicht schlafen. Mehrere Personen erklärten sich bereit, 5 Tage und 5 Nächte wach zu bleiben. Während dieser Zeit wurden sie von Psy- chologen und Ärzten beobachtet, die ihre Reaktionen testeten und das Verhalten der Personen genau aufschrieben. Hier einige der Beobachtungeh: Nach dem 2. durchwachten Tag (nach 36 Stunden) kämpfen die Versuchs- personen gegen die anhaltende Schläfrigkeit. Sie haben ein GefOhl in- nerer leere, allmählich treten Schw1ndelgefOhle und leichte Kopf- schmerzen auf. Die körperliche und geistige Reaktionsfähigkeit läßt nach, und die Personen haben Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben. Nach dem 3. Tag fOhlen die Versuchspersonen ein Kribbeln und Ziehen in der Haut; sie zeigen sich sehr empfindlich bei normalen Geräuschen und sind außergewöhnlich schreckhaft. Die Personen haben Sinnestäuschun- gen: Sie sehen verzerrte Bilder, entstellte Personen und Schatten. Das Lesen ist ihnen nicht mehr möglich, beim Sprechen treten erste Störun- gen auf. Bis zum Ende des Experiments (bis 120 Stunden Wachze1t) verstärken sich diese Anzeichen Oie Versuchspersonen zeigen schwerste Erschbp- fung, sie sind nicht mehr in der Lage, Inhalte von Gesprächen aufzu- nehmen und konnen selbst keine klaren Gedankenketten mehr bilden Ih- nen wird es zunehmend unwichtig, ob sie beim Sprechen von anderen ver- standen werden Sie leiden unter starken Gleichgew1chtsstorungen. Dar- überhinaus sehen die Personen Dinge, die gar nicht da sind - wie ne- belartigen Rauch, der unter der Tür hochsteigt, oder wie Schneeflocken im Zimmer Sie haben Wahnideen - sie glauben beispielsweise, der Kaf- fee sei vergiftet, und sind davon Oberzeugt, nicht mehr sie selbst, sondern fremde Personen zu sein 133 Erster Tag Beispiel 2: Wenn mit Kindern niemand redet Seite 31 134 Adam de Sa1imbene beschreibt ein Experiment, das dem Kaiser Friedrich 11. zugeschrieben wird, der im 13. Jahrhundert lebte. (Es ist aber nicht sicher, ob das Experiment wirklich stattgefunden hat oder ob einer der zahlreichen Feinde dem Kaiser nur etwas Ob1es andichten wollte.) "Friedrich 11., der selber sehr viele Sprachen beherrschte, wollte herausfinden, welche Sprache und Ausdrucksweise Kinder dann haben, wenn sie aufwachsen, ohne daß jemand mit ihnen spricht. So befahl er Pf1egemOttern und Krankenschwestern, die Kinder zu nähren, zu baden und zu waschen, aber er verbot ihnen, in irgendeiner Weise mit ihnen zu plappern und zu reden, weil er herausfinden wollten, ob die Kinder Hebräisch - die älteste Sprache - sprechen wOrden, oder Griechisch, Lateinisch, Arabisch oder vielleicht die Sprache ihrer Eltern, von de- nen sie abstammten. Aber er bemOhte sich vergeblich; die Kinder star- ben alle. Denn sie konnten nicht leben ohne das Hätscheln, ohne das freundliche Gesicht und ohne die liebevollen Worte ihrer Pf1egemOt- ter." Beispiel 3: Wenn Kindern eine feste Bezugsperson fehlt, die sich um 135 sie kOnlnert Ren~ Spitz, ein Schweizer Psychologe, beobachtete in einem Säuglings- heim 91 Kinder während ihres ersten Lebensjahres. In den ersten drei Lebensmonaten wurden die Kinder von ihren MOttern oder von Ammen versorgt. Anschließend wurden sie in große Räume ver- legt; eine Kinderschwester war jeweils fOr 8 Kleinkinder zuständig. Oie Kinder erhielten alles, was sie zum körperlichen Wohl brauchten: Sie wurden ausreichend ernährt, gebadet, hatten saubere Wäsche, ein warmes Zimmer und wurden ärztlich betreut. Die Kinderschwestern waren sehr liebevoll, aber im Vergleich zu Eltern in einer Familie fehlte es ihnen häufig an der Zeit, um die Kinder zu streicheln. zu trösten. sie auf den Arm zu nehmen und sich länger mit ihnen zu beschaftigen Rene Spitz hat während des ersten Lebensjahres der Säuglinge folgende Beobachtungen gemacht - Viele dieser Säuglinge entwickelten sich langsamer als Kinder, die in einer Familie aufwuchsen. Sie lernten später sprechen und verstanden weniger Worte und Gebär- den. Sie konnten erst später kriechen und laufen. Noch am Ende des ersten Lebensjahres lagen manche Kinder stundenlang fast ohne Bewe- gung in ihren Betten. - Sie zeigten große Angst vor unbelebten Gegenständen und bei lauten Geräuschen. Dagegen zeigten sie auch völlig fremden Personen gegen- Ober äußerste Freundlichkeit und keinerlei Scheu. - Sie waren - trotz der guten ärztlichen Betreuung - sehr viel anfäl- liger fOr Krankheiten als andere Kinder gleichen Alters. Elch: Das sind sehr traurige Geschichten. Aber sie helfen 138 Kindern bestimmt zu begreifen, was soziale Vorausset- zungen menschlichen Lebens sind. Rabe: Die Sache ist kurios, schwertrittiger Elch. Der Didak- tiker glaubt, Kinder könnten sich eigentlich nur phy- siologische BedOrfnisse vorstellen. Ganz nach Brecht: Erstens, Leute, kommt das Fressen•.. Kinder selbst sind sich Ober ihre sozialen' BedOrfnisse sehr im kla- ren. Sie können sich allerdings nicht vorstellen, daß auch Erwachsene soziale BedOrfn1sse haben. Specht: Ich sehe mit VergnOgen, daß Du fOr Deine BeweisfOhrun- gen reumOtig zur biologisch orientierten Betrachtungs- weise zurOckgekehrt bist. BedOrfnisse sind Folgen von Mangelzuständen, die das physiologische Gleichgewicht des Organismus stören und deshalb homäostatische Reak~ tionen in Gang setzen. Bleiben solche Reaktionen län- gere Zeit erfolglos, können sich dauerhafte Schädf~ gungen oder der Tod einstellen. Rabe: Will man der Bedeutung eines BedOrfnisses zu mehr als subjektiver Evidenz verhelfen, holzdreschender Specht, kann man das eigentlich nur Ober die Beschäftigung mit Mangelsituationen Oie BeweisfOhrung ist aber nicht umkehrbar Man sähe den Menschen dann nur als physio- logischen Regelkreis, als lediglich reaktiv, in stati- scher Wiederkehr die immer gleichen Gleichgewichte herstellend Der Mensch liegt aber doch nicht einfach auf seinem Barenfell und wartet auf die nächste Man- gelempfindung Er ist von Haus aus aktiv, er begehrt, entwickelt sich, erlebt. Erst diese erlebnispsychol0- gische Betrachtungsweise macht verständlich ••. Bär: Wäre ich nicht so schläfrig, wOrde ich mir energisch verbitten, daß mit der unbestatteten Epidermis meiner Vorfahren und Verwandten auch nur metaphorisch ge- spielt wird Von der Geschmacklosigkeit einmal ganz zu schweigen, sich Leichenteile ins Wohnzimmer zu legen. Rabe Es ist schon spät geworden. Hör zu, Bär. Zum Abschluß 137 eine Denksportaufgabe. In Zeitungen liest man häufig von Menschen, die sich freiwillig Mangelsituationen aussetzen: HungerkOnst- ler, Menschen im Hungerstreik, Bettelmönche, Menschen im Abenteuerurlaub mit Oberlebenstrain1ng usw lies Dir dazu das folgende Beispiel durch und dann prüfe, erstens, ob solche Zeitungsberichte nicht der Behaup- tung von Prof ökon widersprechen, daß jeder Mensch bestrebt 1st, Mangel zu vermeiden und sein Leben ange- nehm zu gestalten und zweitens, welche BedUrfn1sse Deiner Meinung nach Men- schen veranlassen können, einen solchen Urlaub zu un- ternehmen. Erster Tag Beispiel 4: Mit dem FloB zum Arktischen Meer seit. 33 138 KUrzl1ch wurde in einer Zeitschrift von drei jungen Männern berichtet. Sie versuchten, mit einem selbstgebauten Floß auf einem 1600 Kilometer langen t einsamen und unberechenbaren Fluß in Kanada zum Eismeer hoch im Norden zu gelangen. Sie waren 54 Tage unterwegs. Hier einige ihrer Erfahrungen: "Christopher, Manfred und ich hatten es uns in den Kopf gesetzt, den 'einsamsten' unter den großen Strömen der Erde hinuterzufahren•.•• Am 12. Juli war unser Floß fertig. Proviant für 80 Tage, Rucksäcke und Kanister sowie die gesamte AusrUstung waren verstaut•••• Es war heiß, 35 Grad. Kaum ein Windhauch..•. Flaute. Zähf1Ussige Zeit. Wir wurden selbst träge und schwerfällig. Die Stimmung auf dem Floß wurde gereizter.... Dann dampfte Nebel Uber dem Wasser. Der Ho- rizont verschwand. Wir verloren die Orientierung. Stämme und Steuerru- der saugten sich in den tiefen Schlamm•..• (Wir) verknoteten ein lan- ges Seil an einem der Stämme und begannen zu ziehen. Stundenlang plag- ten wir uns durch den tiefen Schlamm, zwei Tonnen im Schlepptau. Es wurde wieder heiß, und die Luft wimmelte von Moskitos. Sie um- schwärmten uns wie betrunken, krochen unters Hemd, krabbelten die Ho- senbeine hoch, bissen teuflisch, machten uns wahnsinnig .•.• Mitte August. Die Sonne verlor an Kraft. Die Tage wurden kUrzer, und Manfred litt unter der zunehmenden Kälte. Er hatte Rheuma. Das Zusam- menleben auf dem 28 Quadratmeter großen Deck wurde problematisch. VorwOrfe, es kam zum Krach. Eine Trennung schien uns die beste Lösung. lung an Land. Eins der kleinen Wasserflugzeuge, die Post und Lebens- mittel bringen, wUrde ihn nach Edmonton zurücknehmen•.•• Nebel hüllte uns ein. Hagelsturm und Schneetreiben. Eisiger Nordwind pfiff durch das Takelwerk, jaulte in den Seilen. Die Temperatur fiel unter den Gefrierpunkt. . .• Wellen sprangen an Bord, hOpften Ober das Deck, schwappten ins Zelt, alles triefte. Oberall Wasser, Wasser, Wasser. Zwei Uhr morgens. Langsam verließen uns die Kräfte. Noch immer war das Ufer fern. Ich hatte starke Schmerzen im rechten Arm, das klamme stumpfe GefOhl in den Fingern wurde unerträglich. Ich bekam Angst vor Erfrierungen•.•. Der Sturm wOtete tagelang, trieb das Floß auf eine Sandbank. Stumm hockten wir im Zelt auf nassen Planken. WOrgten ab und zu etwas Reis runter, tranken ein bißchen Tee, dämmerten im Schlafsack vor uns hin. vereist. Also: kein sauberes Trinkwasser. Die lehmige FlußbrOhe wurde abgekocht ••.. Der 4. September. Seit 54 Tagen waren wir auf dem Fluß•••. Und plötz- lich roch es nach Salzwasser. Vor uns lag das freie Meer, der Arkti- sche Ozean." Erste" T~9 Seite 34 Bär: (Wenn er in der Lage gewesen wäre, es auszudrUcken.) 139 Auf meinem Spickzettel steht, daß solche Mangelzustän- da nur kurzfristig zur Befriedigung anderer, aktuell als wichtiger eingestufter Bedürfnisse in Kauf genom- men werden, daß ihnen Obun~ und Geschick zugrundel~e- gen und daß sie fast immer durch die Mithilfe anderer Personen abgesichert werden. Prof. ökon ist selbstver~ ständlich so nicht wiQerlegbar. Aber nun frage ich einmal: Ist die Tatsache, daß sich personen den durch ein schulförm1ges Curriculum er- zeugten Mangel zuständen langfristig und ohnmächtig ausliefern und daß sie grenzenlos Leiden hinnehmen, nicht ein Beleg dafUr, daß ein BedUrfnisbegr1ff, der vom Bild des aktiven, erlebnis- und lustbetonten Men- schen ausgeht, nur unzureichend beschreibt, was Men- schen antreibt Er verklärt alles im Licht harmoni- scher Entwicklung Er beleuchtet die Moglichkeitspo- tentiale und verhOllt das alltagliche Feld der leidbe- lasteten Handlungen Was taugt ein Begriff, der die Antriebe zu Handlungen, denen unsagl1ches Leid folgt, unerklärlich läßt, dem vielmehr BedUrfnisbefriedigung immer gelingt? Rabe Redest Du jetzt von Lehrern oder von SchOlern? Maus Das war unsere beliebte Serie Bären wUnschen, Raben antworten Wir freuen uns Ober Ihr Interesse und wUn- schen Ihnen eine luzide Verarbeitung Während der Gespräche hatte es geschienen, als stehe die Welt atemlos still. Nun wurde jedermann klar, daß die Erde die kleine Gesellschaft mit etwa 1444,4 Stundenkilometern um ihre Polachse ~ewegte. Und völlig unbeeindruckt drehte sie mit etwa 53121,602 Stundenkilometern ihre Runde um die Sonne. Warum hat die Erde diesen Wunsch nach POnkt11ch- keit? -- ~~__j~ ..r__I~g .__ .. ... .. _....-... _-.- .. Zweiter Ta9, vor Mit 743 702.43 km später. _... . ._. ~1~~__ll Rabe: Specht: Rabe: Specht: Rabe: Specht: Rabe: Specht: Rabe: Specht: Rabe: Specht: Rabe: libelle: Die gestrigen Plaudereien waren zum Einstimmen, Bär. Heute arbeiten wir ernsthaft! Fein! Endlich kommen wir zur Sache. Einteilen der Be- dOrfnisse. ExistenzbedOrfnisse sind: Zack, zack, zack! Ku1turbedOrfnisse: Zack, zack! LuxusbedOrfnisse: Zack! Individuelle und kollektive BedOrfnisse. Beispiele. Tafelbild, Abschreiben. Fertig. Ich sagte, holzdreschender Specht: Heute arbeiten wir ernsthaft! ? ! Gut, dann die Darstellung der Bedürfnispyramide von .•• Ernsthaft! ? - Was in jedem Schulbuch steht, was unzählige Lehrer Jahr fOr Jahr lehren, was PrOfungsgegenstand ist, muß ja wohl ernsthaft sein. Im Sinne schulischer Verdummungsarbeit sogar bitter ernst. Tatsächlich eine unendliche Geschichte. Unendliche Geschichten sind Deine Spezialität. Schlichte, klare, verständliche Sachverhalte so ge- spreizt und verblasen aufplustern, daß man sie nicht mehr wiedererkennt oder begreift. Ich halte mich da lieber an die bewährten Routen. Ich bin fOr klare Strukturen. Wer hätte etwas gegen klare Strukturen. Der Gegenstand gilt irrtOmlich deshalb, weil er oft an den Anfang gestellt wird, als einfach. Er ist zudem aUßerökono- mischer Natur. Dabei wird sich zeigen, daß er ungemein verzwickt ist, mit zahlreichen Verästelungen im Psy- chologischen, Vernetzungen hin zum Soziologischen, zur Ethik, Geschichtsphilosophie Mit unglaublicher Ignoranz wird dieser Gegenstand nun fOr die ökonomik hergerichtet und dienbar gemacht. Deshalb: Nichts gegen klare Strukturen, aber nicht jede Struktur ist schon deshalb gut, weil sie klar ist - oder scheint. Meine ist tausendfach erprobt und bewährt. Dann ist es tausendfacher Unsinn. Zum einen werden wir sehen, daß die von Dir hingerotzte Klassifikation sachlich ohne Wert ist. Zum anderen stellen Klassifi- kationen allgemein die denkbar schlechteste Form dar, Ober einen Gegenstand belehrend zu reden oder ihn gar besonders gehaltvoll zu vereinfachen. Wenn ich sage: 'Cirrus ist eine Wolke' und 'Stratus ist eine Wolke' und 'Stratus hat die Eigenschaft großer Nähe zur Erd- oberfläche', wenn ich also in der Ob1ichen, verb-losen Weise hierarchische Klassifikationen vom Typ 'x ist ein y' und 'w hat die Eigenschaft z' bilde, was hast Du dann von Wolken, westgermanisch "die Feuchten", verstanden? Ich habe da noch ein Problem. Du sagst: 'Cirrus ist 201 202 Rabe: libelle: Rabe: libelle: Rabe: libelle: Rabe: Hecht: Rabe: Hecht: Rabe: eine Wolke'. Da ist Cirrus der untergeordnete Teil des Ubergeordneten Gesichtspunkts 'Wolke': 'Cirrus i.e~ 'Wo1ke', w1e ' u 1.e. Wo lke " ' v 1. e. Wo 1ke' usw. Kann ich nicht mit gleichem Recht die andere hierarchisie- rende Technik anwenden, in der Cirrus nun bei gleicher Aussage der Oberbegriff ist: 'Cirrus hat die Eigen- schaft, Wolke zu sein'- wie zugleich gilt: 'Cirrus h.E. x, h.E. y usw. '? Gewiß, bahnwitzige Libelle. Das ist spaßig. Und könnte ich nicht die Wolken zu- gleich in ganz anderen Klassifikationen unterbringen: 'Cirrus ist eine Eiswolke', 'Cirrostratus 1st eine Eiswolke' usw. Also 'Cirrus i.e. E, A i.e. E, B i.e. E usw. '? Gewiß! Oder 'Cirrus ist eine Erscheinungsform von Wasser' wie Meere, Gletscher, Bäche, Seen, Nebel, Tränen? Gewiß! Dann kann ein Objekt gleichzeitig in zahllose Klassi- fikationen einbezogen werden? Und zunächst einmal wäre eine so gut wie die andere? Gewiß! Und diese Beliebigkeit, bahnwitzige Libelle, mag einer der GrUnde dafOr sein, daß die meisten Klas- sifikationen kaum merkfähig sind, ja, daß Kognitions- psychologen schon seit einiger Zeit von der Vorstel- lung abrOcken, in derartig ereignislosen Hierarchien wOrden Menschen ihr Weltwissen organisieren und able- gen. Offenbar mUßte fUr den Lernenden die Bedeutsamkeit ei- ner speziellen klassifizierenden Unterscheidung zu- nächst einmal nachgewiesen werden. Wenn Wolkenarten unterschieden werden, muß das doch irgendwie nützlich sein. Zum Verständnis etwa verschiedener Formen der Wolkenbildung, -bewegung, -auflösung, der Wetterbeein- flussung? Du zielst auf die funktionale Bedeutung von Unter- scheidungen und fragst damit nach Ereignissen - und deren Abweichungen in Kausalität, Finalität, Modalität usw. Ja! Ich kläre eingehend die Zusammenhänge bei einem Sachverhalt, mache mir also einen Begriff davon. Und warum soll ich dann nicht das eine oder andere Phäno- men mit einem Term benennen und diese Terme dann z.T. in eine klassifizierende Beziehung bringen? Es spricht nichts dagegen, deepdenkernder Hecht. Das Entscheidende ist der Primat des Begriffs. Man kann die Ursachen und Erscheinungen des Monsunregens be- greifen, ohne den Term 'Monsunregen' zu kennen und ohne Ober eine Klassifikation der Regenarten zu verfU- gen. FOr den, der begriffen hat, dUrfte es tatsächlich nOtzlich sein, wenn er als KUrzel den zugehörigen Tenm kennt und verwendet. Wir werden das hier künftig auch machen. Daraus folgt im übrigen noch nicht, daß ein derart Wissender nun anfangen wird, eine Klassifika- 203 ~w.i ter TAg . _. _ .. __ ._. ._._. __ ._. .._ . _._. ._ . _. .__ .~i t~._~l tion der Regenarten zu erstellen und zu pauken. Specht: Begriff und Term. Klassifikation und Begriff. Jacke wie Hose. Rabe: Schlimmer. Jacke ohne Hose. Du paukst Klassifikationen 204 ohne Begriffe. Die Schulbücher, auf die Du Dich be- rufst, holzdreschender Specht, belegen das eindrUcks- voll. Das Namensschild ersetzt den Begriff. Die Illu- stration die Explikation. Es ist dies das ErzObe1 al- ler wirtschaftlichen Unterrichte, daß sie die Schubla- de für den Inhalt nehmen. Und sollte in der Schublade tatsächlich einmal eine Mappe liegen, schlägt man nur das Inhaltsverzeichnis auf. Wie sollen Menschen bei dieser Vorgehensweise etwas Ober die spezifische Sichtweise, die Leistungsstärken, aber auch Grenzen der Ökonomik erfahren. Lernen verkommt zur Sprachdres- sur. In wirtschaftsberuflichen Büchern besteht mehr als ein Drittel der Inhalte aus KlassifikationshOlsen. Weniger als ein Zehntel der Texte hat empirischen Ge- halt. Und der ist meistens noch falsch oder dubios. Specht: Wenn man überall bei Adam und Eva beginnen wollte, müßte man den Schulen die Altersheime und Friedhöfe gleich anbauen. Wer den Stoffplan einhalten will, muß komprimieren. Klassifikationen sind systematisch Kom- primiertes. Es hat ja GrUnde, daß der Herr der Schulen in Deinen Ideen eine exzessive Oberversor~ung der Schulen erkennt. Adam und Eva: Wir möchten einer weiteren Betastung vorbeugen und bitten, anstelle unserer Eigennamen künftig die altte- stamentarische Klassifikation von Mensch und Weib zu verwenden. Rabe: Begreif' doch, holzdreschender Specht, daß nur etwas 205 komprimiert werden kann, was da ist. In einem jüngeren Schulbuch werden ohne Begriffsbildung und überwiegend tabellarisch auf einer knappen Buchseite eingeführt: .......... ._._ ...__.....__... _.. __._.__..__.__ .... ..__~1~~_~~ Specht: Rabe: Spinne: Schweine: Spinne: Elch: Maus: GUter, freie Güter, wirtschaftliche GUter, NominalgU- tar, Rachtsverhältnisse, materielle GUter, immateriel- le GUter, RealgUter, Sachgüter, Dienstleistungen, In- vestitidns-/Produkt1onsgüter. Konsumgüter, Gebrauchs- güter, Verbrauchs~üter. personenbezogene und sachbezo- gene Dienstleistunqen. Es schließen sich Unterschei- dungen von komplementären, substitutiven, homogenen GUtern an. von diesen 20 Termini werden im Buch etwa 4 bis 5 weiter benutzt. 75 % der Unterscheidungen blei- ben bedeutungslos und auch die restlichen 25 % werden begriffslos eingeführt. Und so geht das Seite um Sei- te. Wieviel Zeit würde man sparen, wenn man diesen Un- sinn aufgäbe. Mit dieser Form der Belehrung werden die Schüler schrecklich überfordert. Die Überforderung besteht darin, daß Schüler die Unterforderung ertragen sollen. Jedenfalls, weiser Rabe. waren Deine hochgestochenen Ausführungen fOr den Bären so interessant, daß er jetzt fest schläft. Wären wir nach meiner Art vorge- gahgen, hätte er jetzt schon mehrere Blätter vollge- schrieben. Wärest Du gelehriger. hätte ich mich eher um ihn küm- mern können. Kriegt ihn denn keiner wach? Vielleicht sollte man die Schweine rufen. Wer schläft, sondert keine Dummheit ab. Hier haben wir keine Macht. NUn, dann müssen wir auf bessere Zeiten warten. Vielleicht sollte ich den Bären einfach simulieren? Bitte nur in seinem jetzigen Zustand. Es fehlte noch, daß die Marionetten die Fäden ziehen. 208 Nun schwiegen alle. Es war dies der Moment. in dem die Waldesruh die BUhne betrat. Sie agierte aber so leise, daß niemand sie bemerkte. ~!'ff!ljJ:."__..T~a.._.._. . ._.__ .__ .._. ...__ ...__ ... . Zweiter Tag, Mit _______s,.J~~ Das Schmatzen des Bären raubte der Waldesruh endgültig die Nerven. Sie ging indigniert. Schließlich war der Sahneeimer leer. Bär: Rabe: Bär: Rabe: Bär: So macht Schule Spaß. So wirst Du mir gerne sagen, was Du von gestern behal- ten hast. Hast Du mich erschreckt! - Nun, Du erwartest, daß ich weiß, daß Du meinst, daß es vernünftig ist anzunehmen Ja? - daß Bedürfnisse die Antriebe von Menschen bezeichnen 207 Rabe: Bär: Welche? Mangelsituationen zu vermeiden bzw. zu überwinden und Rabe: Bär: Rabe: Bär: Rabe: Bär: Spinne: Rabe: Und? das Leben (wenn möglich) angenehm zu gestalten. Gut! Aber in welcher Weise treten die Bedürfnisse nun hierzulande meistens auf? Als Mangelzustand? Oder ha- ben wir meistens die Möglichkeiten, uns das Leben angenehm zu gestalten? Wie werden die BedOrfnisse bei uns also Uberwiegend wahrgenommen? Ich habe gestern Deinen Streitereien mit der ordnunqs- sinnigen Spinne ... Disputationen mit der Spinne ... Deinen Dispositionen zuqehört und glaube zu wis- sen, was Du hören willst. Na schau' an, der ungeleckte Bär! Gezie1te Verweige- rung oder Ironie? Der Herr glaubt sich auf Waffen be- rufen zu dOrfen, mit denen die sogenannte Selbstach- tung sich gegen fragend-entwickelnde Belehrung wapp- net. Mal was anderes als die übliche schweigende Rat- losigkeit oder die unfreiwillige Situationskomik bei den Fragespielen. Für den Fall, daß wir unsere Bedürfnisse überwiegend als Streben nach Angenehmem erleben, zerbrechen wir 208 209 210 f_w~i~e_!:..I~9 . . . . ._. .. . ~• .!~_.__.iQ uns dann Ober die Möqlichkeiten, das Leben schön zu gestalten, dauernd den Kopf? überleg' Dir diese Frage nun anhand der folgenden Geschichte: "Ärger mit Qem Mittagessen" ... Bär: Ich könnte auch schon wieder essen. Ein kleines Eimer- chen mit Wiesenhonig aus der 3. Maiwoche 78 mit getoa- steten Sesamschnittchen zum Stippen und etwas Preis- selbeerkompott aus Eiderstedt. Wollen wir nicht eine kleine Pause machen? .Z~~.Lte!:-T89~ . _. . ,, . .. ___ _ _ ,_ Ärger mit dem Mittagessen 211 o (3 Karin kommt um 14.00 Uhr von der Schule nach Hause. Hastig läuft sie die Treppen hoch und betritt die Wohnung; da kommt ihr schon der Vater entgegen. "Ist ja reizend, daß Du auch schon kommst. Du weißt doch ganz genau, daß wir immer um halb zwei essen. Und wie spät ist es jetzt?" "Ja, ich weiß", sagt Karin, "es ist ein bißchen später geworden." "Ein bißchen später geworden'?", sagt die Mutter. "Die Pizza ist jetzt kalt; aber gestern mußtest Du unbedingt darauf bestehen, daß es heute Dein Lieblingsessen gibt." "Das tut mir ja auch leid, daran habe ich nicht mehr gedacht. Ich habe unterwegs Petra getroffen, und wir haben uns noch ein wenig unterhalten. Das war sehr wichtig." "Dann kann es mit Deinem Lieblingsessen ja nicht so dringend gewesen sein. Ich versteh gar nicht, warum ich so viel Rücksicht auf Euch nehme. Ich hetze immer von der Arbeit nach Hause, um etwas Gutes auf den Tisch zu bringen. In Zukunft mache ich nur noch irgendwelche Schnellgerichte, die sicn gut warmhalten lassen. Euch kommt's ja nicht darauf an, wie es schmeckt. Ganz abgesehen davon, daß Ihr Euch darüber hinwegsetzt, daß wir gemeinsam zu Mittag essen wollen, und das geht eben nur um halb zwei, weil Papa dann Mittagspause hat. Und tu' nicht so, als wäre es das erste Mal, daß einer von Euch zu spät kommt." "Das finde ich jetzt aber gemein", ruft Peter dazwischen. "Nur weil Karin zu spät kommt, sollen wir alle darunter leiden. Ich möchte morgen Spaghetti mit Tomatensoße. Ich komme bestimmt pOnktlich. Und außerdem verstehe ich Oberhaupt nicht, wieso es bei uns dauernd Ärger mit dem Mittagessen gibt." , .....;s:o.:.;t~~ Bär: Spinne: Wirbelwind: Specht: Wi ndwi rbe1: Specht: Elch: Wi ndwi rbe1: Spinne: Wirbelwind: Was soll ich daraus lernen? Das habe ich alle Tage zu- hause. Der Bericht demonstriert die Vorstellungen des franzö- sischen Denkers Michel Foucault, daß nämlich die mora- lische Idee eines Gehorsams des einzelnen gegenOber einem gesellschaftlichen Regelkodex in der Auflösung begriffen ist. Man sollte lieber danach fragen, welche Lebenshaltung für diese Auflösung verantwortlich ist. Es ist dies die verinnerlichte Haltung der unguten Zukunft - per- sönlich und für das menschliche Gesamt Oberhaupt. Wer ist denn das? Und sollte man nicht fragen, wo diese Haltung, die Mißachtung der gesellschaftlichen Einrichtungen, das Mißtrauen gegenOber den Älteren und ihren Antworten, die Beschäftigung mit Konsum und Outfit, diese Pampig- keit und Coo1ness herkommen? Ist der Kerl karrieresüchtig? Seit wann können Naturerscheinungen reden? Wie sollen die Haltungen denn anders sein, wenn die persönliche Perspektive Chancenlosigkeit ist, wenn die ungelösten gesellschaftlichen Probleme so offensicht- lich ungelöst bleiben, politische Entscheidungsfindun- gen korrupt und undurchschaubar sind oder scheinen, wenn angesichts der Probleme schicke Gleichgültigkeit und verlogene Rhetorik der Machterhaltung obwalten, wenn Reden und Handeln allerorten auseinanderfallen, Wenn in all dem objektiven Überfluß Teilhabe nur er- schlichen oder raffiniert abgezwackt werden kann? Wer sich belogen, verheizt, allein gelassen, ausgeschlos- sen vorkommt angesichts unbeschreiblicher Probleme, soll der den gesellschaftlichen Regelkodex streitbar verteidigen? Ist es erstaunlich, daß die so Gezeichne- ten ein wildes Konvolut moralisch hochtrabender und naivaußengeleiteter, naturrechtlich fundamentalischer wie subjektivistischer Rechtfertigungen um sich herum aufbauen oder in katastrophenseligen Phrasen Erlösung suchen? Der Kerl muß montags zuviel lesen. AUßerdem tut er so, als wenn Schulauftrag und subjektive Bedeutsamkeit von Unterrichtsinhalten zum Schnitt gebracht werden müß- ten. Und in diese verstörte Situation hinein konzipieren die Pädagogen dann auch noch den problemlösenden Un- terricht und dazu natürlich - wie hier - mit Konflik- ten aus stilisierten Alltagssituationen. Welches enga- gierte Verhalten erwarten Pädagogen eigentlich, wenn sie doch nur einen Anlaß schaffen, die verdeckten trost- und konzeptionslosen Stimmun~en zum Klingen zu bringen? Welche Schärfe der Wahrnehmung und Analyse erhoffen sie, wenn jene nur einen Anlaß sehen, sich gegenseitig des übermaßes böser Gefühle zu versichern? Und das alles auch noch mit einer so läppischen Ge- schichte! Relativieren Relativierungen ein Extrem? Ist 212 213 Zwei ter Ta.;:L9 se=-.:.i-=-t.=---_~~3 eine Taube dem Himmel näher als der Frosch? ----... -=----- --- _ ...:.:.:..-==-_. _.~~--- .------- -- ------- ~-_.-. -:~ ---- -...---- .. -- --- ~~ . :...~ - ~-' --- .---- Elch: Wirbelwind: Elch: Wirbelwind: Hecht: Spinne: Du meinst, man solle im Unterricht nicht so sehr Pro- bleme aufgreifen, sondern Vertrauen vermitteln, Glau- be, Hoffnung? Das meint der bayerische Kultusminister auch. In einer epd-Me1dung vom 15.9.88 habe ich gele- sen, daß er dem evangelischen Religionsunterricht ei- nen Mangel an "moralischer Erziehung" vorwirft, in ei- ner schwieriger gewordenen Welt Angst statt Mut zu machen, das Verändern gegen das Bewahren auszuspielen. Alles klinge nach Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung. Wenn Du meinst, daß moralische Erziehung jenseits der Lebenserfahrung oder durch UnterdrUcken von Erfahrung und durch Verschweigen gelingen kann, dann nur zu. Jetzt verstehe ich gar nichts mehr! Worauf willst Du hinaus? Auf was will ich hinaus? Auf was will ein Berg hinaus? Also, das alles geht zu weit. Man muß einfach anerken- nen, daß kognitive Dissonanzen ein Oberragendes Mittel sind, Lernprozesse auszulösen. Ohne derartige kogniti- ve Prozesse keine Konzepte, die helfen können, die be- schriebenen Zustände geistiger und psychischer Ver- wirrtheit konstruktiv zu Oberwinden. Entprob1emati- sierte Inhalte nähren doch nur das VerlogenheitsgefOh1 - wenn man sie sich Oberhaupt anhört. Ich stimme der Windhose allerdings in einem Punkt zu. Wie wird der Konflikt in der Geschichte von Karin ei- gentlich stilisiert? Wer definiert dort den Konflikt? Und in welcher Weise wird er ausgetragen? Ist das Ver- halten der Eltern zum Beispiel als sozialintegrativ zu bezeichnen? Um die Geschichte eindeutig zu machen, hätte man sie ohne allen diesen Ballast in drei Sätzen erzählen sol- len! _Z'tl.it~J:.J:~9-- ._. __..__._. . . ..._. ...__ .... . _ Hecht: Kar;n kommt zu spät zum Mittagessen. Die Eltern sinq sauer. Merksatz: Man muß immer pünktlich sein! Ja? Maus: So geht das nun auch nicht, deepdenkernder Hecht. Wenn lhr allerdings mit der kleinen Geschichte weiterhin Brennball spielen wollt, um zu sehen, welche Tritte sie aushält und welcher sie erledigt, so ist der Fort- gang der Diskussion leicht abzusehen: Es wird wohl gleich die Frage aufgeworfen, warum beide Kinder aus- gerechnet die italienische Küche wünschen. Oder ob der Dialog zwischen Tochter und Mutter tiefenpsychologisch als klassischer Mutter-Tochter-Konflikt zu deuten ist. Bis hin zu der Frage, welche Farbe wohl die StrUmpfe von Karin haben und wie Freundin Petra auf di~se Strümpfe "abfährt". Der weise Rabe hat eine klare Vorgabe gemacht: Gefragt war nach dem Zusammenhang zwischen der Sichtweise von Bedürfnissen als angenehmem Erlebnis und dem planeri- schen Aufwand des Bedürfnisträgers, ein solches Erleb- nis herbeizuführen. Warum konzentrieren wir uns nicht endlich auf diese Frage: Alles, was an dem dargestell- ten Konflikt nichts zu einer Antwort beiträgt, ist als unerheblich beiseite zu schieben - und selbstverständ- lich auch die überlegung, ob die Darstellung von Kon- flikten didaktisch opportun ist. Hecht: Oh, dahinwuselnde Maus, das ist ja gerade die Haltung, die Geschichten zu Illustrationen von Lehrsätzen de- gradiert. Sie führt dazu, daß eigentlich immer nur drei Sätze formuliert werden. Schon die Geschichte um das Mittagessen steht in dieser Hinsicht auf der Kip- pe. Eine interessante Geschichte illustriert nicht nur und enthält nicht nur eine Dissonanz, sondern ist mehrschichtig - und insoweit in vielfacher Hinsicht "fragwürdi g" . Specht: Das eine ist so unsinni~ wie das andere: In beiden Fällen wird unterstellt, daß der vorgestellte Konflikt 1ehrreich sein könne. Das ist doch gar nicht der Punkt. Wir wissen inzwischen, daß wir eigentlich gar nicht von Bedürfnissen, sondern von Motiven reden sollten. Jedes Motiv hat eine spezifische Handlungs- tendenz, und damit sind motivationale Konflikte vor- programmiert. Entweder als Präferenz- oder als Amb1va- lenzkonflikte. Da hier ein- und dasselbe Ziel - Mit- tagessen - bei dem Mädchen nicht zugleich negative wie positive Verhaltenstendenzen auslöst, also kein Ambi- valenzkonflikt vorliegt, handelt es sich offenbar um einen intrapersonellen Präferenzkonflikt: Soll ich lieber klönen oder zu Mittag essen? Es kann doch un- möglich bereits an dieser Stelle über Spezielles in Form von intrapersonellen Bedürfniskonflikten geredet werden, wo das begriffliche Grundkonstrukt, was ein Bedürfnis ist, noch nicht einmal ansatzweise geklärt 1st. Elch: Ist das verwirrend! Der eine lehnt konflikthaltige Themengestaltungen rundheraus ab. Ein anderer möchte Zweiter Ta.~g ___ Seit. 45 Konfliktdarstellungen auch nicht - beziehungsweise erst, wenn sich Grundlagen auf sie anwenden lassen. Ein dritter will Konfliktdarstellungen nur in lehr- reich zugespitzter Eindeutigkeit zulassen. Ein vierter läßt sie breiter zu, möchte sie aber nur hinsichtlich der thematischen Vorgaben erörtert wissen. Einen fUnf- ten schließlich scheint alles an ihr zu interessieren - wenn es nur als dissonant empfunden wird. Was ist denn nun richtig? Wozu ist denn extra die Konfliktdi- daktik gemacht worden? Und dann diese Konfliktarten: Intrapersoneller Präfe- renzkonflikt, Ambivalenzkonflikt ... Bis eben hätte ich gedacht, daß es bei dem Streit um das Mittagessen um einen interpersonellen Konflikt ging. Alles ist so verwi rrend ... Hecht: Oh, trittschwerer Elch, wie wärest Du erst irritiert, wenn man Dir die ganze Klassifikation schulischer Kon- f1iktpräsentationen präsentieren würde: Intrapersonel- le Konflikte, die als Rollenkonflikte auftreten, sub- jektive Konflikte, die in der Regel individuelle Ent- scheidungsprobleme widerspiegeln, Konflikte zwischen zwei (oder mehr) Subjekten (innerhalb einer Gruppe), Konflikte zwischen einem Subjekt und einer Gruppe, Konflikte zwischen Gruppen, Konflikte zwischen Gruppen und "Gesellschaft", internationale Konflikte, Konflik- te zwischen Personen/Gruppen und Sachverhalten, die als ökonomische Variable ausgedrückt werden, Konflikte zwischen ökonomischen Variablen ... Nach der Funktion im Lernprozeß unterscheiden wir Konflikte zur Motivie- rung, Konflikte als thematische Aufhänger, Konflikte als Lerngegenstand •.. Ferner sind die Konflikte nach der Vollständigkeit ihrer Darstellung - gemessen etwa an den strukturellen Kategorien von - Elch: Halt, halt! Nicht so schnell, deepdenkernder Hecht, wie soll ich das alles so schnell behalten, alles so schnell verstehen - Hecht: Es versteht sich von selbst, daß sich die Konflikt- darstellungen danach unterscheiden, welche Intentionen damit verfolgt werden, welcher Lernzielbereich, und natürlich hat jede hinsichtlich der Thematik, der Adressaten, der verfügbaren Zeit usw. ihre eigenen Voraussetzungen, wobei diese Anwendungsbedingungen wiederum mit der Offenheit in der Ausgestaltung korre- liert scheinen und - Elch: Nicht so schnell! Wie soll ich das in dieser Hast verstehen ... Libelle: Nun, holzdreschender Specht, findest Du Klassifika- tionen noch immer lehrreich? Bär: Ich weiß immer noch nicht, was ich lernen soll. Ich 214 hätte gern einen klaren, übersichtlichen Arbeitsauf- trag. Haus: Nun, dann kläre die folgenden Fragen: Erstens: Wie ist es zu diesem Streit in der Familie gekommen? Spielt der Mangel an Nahrung dabei eine _________________S=e~1te 48 Bär: Specht: Bär: Spinne: Bär: Specht: Bär: Maus: Rolle? Zweitens: Sollten Karin, Peter und die Eltern Folge- rungen aus der Geschichte ziehen? Drittens: Wie erklärst Du Dir, daß Peter bereits an das nächste Mittagessen denkt, obwohl er sich gerade sattgegessen hat? Viertens: Weshalb denkt Peter offenbar überhaupt nicht daran, sich Spaghetti mit Tomatensoße schon zum Kaffee am Nachmittag zu wünschen? (schreibt) Ich finde, daß die Geschichte von Karin nicht deutlich 215 genug macht, was passieren würde, wenn auf vorsorgende Bedürfnisbefriedigung verzichtet wÜrde. Ich würde dem Bär deshalb sagen: Schreibe di~ folgende Geschichte zu Ende: Klaus kommt ebenfalls um 14.00 Uhr von der Schule nach Hause und ruft schon an der Tür: "Ich habe einen rie- sigen Hunger! Mir ist schon ganz schlecht!" Die Mutter sagt: "Ich freue mich, daß Du da bist. Dann können wir jetzt überlegen, was wir essen wollen. Ich habe noch nichts eingekauft und vorbereitet!" (schreibt) Nun muß man aber auch Vergleiche ziehen! Erst beides 218 ergibt ein Ganzes. Erstens: Worin unterscheidet sich Deine Geschichte von der Geschichte mit Karin und Peter? um die Antwort zu erleichtern, geben wir Dir einige Stichworte vor: Mangel, Vorsorge, feste Gewohnheiten und Regeln, Es- senswünsche ... Zweitens: Welche Vorteile und Nachteile entstehen je- weils für die Kinder in den beiden Geschichten? Drittens: In den beiden Geschichten werden zwei Vorge- hensweisen geschildert, mit Bedürfnissen umzugehen. Welche dieser beiden Vorgehensweisen ist nach Deinen Erfahrungen im Alltag häufiger anzutreffen? (schreibt) Und finde weitere Beispiele dafür, daß Menschen schon 217 für die Befriedigung ihrer Bedürfnisse Vorsorge tref- fen, noch bevor diese Bedürfnisse spürbar werden. (schreibt) Wie umständlich alle diese Geschichten und Aufgaben. K 218 unterliegt der Regel 1, die sie durchaus mag, weil sie ihr die Bedürfnisbefriedigung m ermöglicht, aber sie liebt auch die Befriedigung n, die nicht zu 1 paßt. Und: P liebt die Befriedigung m, aber es gibt dafür keine vorsorgenden Regeln. Die Sache geht doch viel einfacher: Die Gesellschaft bietet vorsorgend institutionalisier- te BedOrfnisbefriedigungen an, was Vor-, aber auch Nachteile hat. Eure Geschichten sollen Dissonanzen enthalten. Also: A akzeptiert gegen den Widerstand von B nicht mehr die Regel x. Oder: C Oberwindet Regel x und leidet nun unter Regel y. Oder: 0 wird über die erzwungene Einhaltung der Regel z eine Befriedigung =.;Zw..:..;;9;..:..i..;;.ct9:;...;...r_T.:..:;a"""'9<-- --=S_8_t!~ Spinne: Specht: Spinne: aufgenötigt, zu der er kein Bedürfnis hat. Du denkst an Unkonventionellenballaden? Struwwelpe- ter? Suppenkasper? Aussteigerlegenden und Saulusbekehrungen? Wie wär's einfach mit folgender Abbildung? Specht: Oder einer Konkretisierung: Die Schüler bezweifeln die Vorteile, ihr Bedürfnis zu lernen in der üblich gere- gelten Schule zu befriedigen, und fragen nach der Her- kunft und Gestaltbarkeit dieser Regeln. Hecht: Bloß das nicht! Eine Schule, die sich fortwährend sel- ber zum Thema macht, ist so überflüssig wie jene Roma- ne und Filme, die lediglich ihr eigenes Entstehen zum Thema haben. Spinne: Da spricht bloß die nackte Lehrerangst. Aber der Weg taugt trotzdem nicht: Es handelt sich da um eine öf- fentlich geregelte Bedürfnisbefriedigung. Specht: Wie wär's mit der Geschichte vom kleinen Mädchen, das nicht mehr das liebe Händchen geben möchte? Spinne: Oder - gut erzählt - vom Kumpel, den nach 120 Jahren der gemeinsame wöchentliche Skatabend langweilt und der nun für Kammermusik plädiert - Specht: Vom Lehrer, der im siebzehnten Dienstjahr sein erstes Didaktikbuch liest - Spinne: - vom Millionär, der 75-jährig als Tellerwäscher Er- füllung sucht - Rabe: Hauptsache gut erzählt! Bär, erzähl' lieber Du etwas. 219 Versuche, aus den vorangegangenen Aufgaben möglichst viele Arbeitsergebnisse schriftlich zusammenzufassen. Beginne Deine Darstellung folgendermaßen: Viele Men- f!'..!i!~.Ll~9 . .._. ._. . .. _ _ -=-8e:1t. 48 Prof. ökon: Bär: Rabe: Bär: Prof. ökon: Elch: Prof. ökon: Maus: Prof. ökon: Spinne: Prof. ökon: Specht: Prof. ökon: Elch: Prof. ökon: Maus: Prof. ökon: Spinne: Prof. ökon: Specht: sehen in der Bundesrepub11k ... Wenige Menschen in der Bundesrepublik sind des Wortes und Verst~ndes so weit mächtig, den gemeinten Zusam- menhang in konziser wie plastischer Art darzutun. Und wenn m~n sich zuvor von Karin das Mittagessen hat ver- derben lassen, kann nichts Rechtes mehr entstehen. Apropos, Mittagessen! Ein paar klitzekleine Magister und Scholastiker ... Schreib Deine Zusammenfassung. (schreibt) Nun, wenn Ihr glaubt, alles so klar zu sehen, dann be- antwortet mir eine Frage. In der Geschichte von Karin ist das gemeinsame Mittagessen die Institutionalisie- rung für das zu befriedigende Bedürfnis Hunger und das Essen das Befriedigungsmittel. Richtig? Richtig. Gut. Nehmen wir das Bedürfnis zu lernen. Eine Institu- tionalisierung seiner Befriedigung ist die Schule. Ein Mittel zur Bedürfnisbefriedigunq ist dabei das Schul- buch. Richtig? Ganz recht! Gut. Ist denn bei der Erstellung des Schulbuchs be- kannt, welche Personen es wann, wo und in welcher Form zur Befriedigung ihres Lernbedürfnisses verwenden wer- den? Natürlich nicht! Und ist es auch vorstellbar, daß das erstellte Buch von keinem einzigen Schüler gelesen wird? Gewiß doch, wenn es nirgends angeschafft wird! Gut! Es wird also vorsorglich fOr kommende Lernsitua- tionen geschaffen, ohne Blick auf eine spezielle Situ- ation? Ja, natürlich! Nun, dann habt ihr jetzt bewiesen, daß das Buch kei- neswegs ein Befriedigungsmittel, sondern eine vorsor- gend geschaffene Einrichtung der Bedürfnisbefriedigung ist! Ein Schelmenstück! Und das gilt ja nicht nur für Schulbücher. Es gilt fOr Konserven, Schnürsenkel, Waschmaschinen, WC-Reiniger, für alles, das njcht für einen speziellen Auftrag her- gestellt, sondern für den anonymen Markt gefertigt wurde. Der ganz Oberwiegende Teil der bei uns Ober den Markt gehandelten Güter und Dienstleistungen ist nach Eurer Erkenntnis nicht Befriedigungsmittel, sondern vorsorgende Institutionalis1erung der Bedürfnisbefrie- digung. Wo ist der Trick? Und das erklärt zugleich die entlastenden, aber auch Konformität erzwingenden Eigenschaften des Massen- konsums. Aber man ißt die Erbsen aus der Dose doch! Die Erbsen selbst stillen ein BedOrfnis! Wie kann eine Erbsendose vorsorgende Einrichtung und Befriedigungsmittel zu- 220 Seite 4~ gleich sein, wenn diese begriffliche Trennung Ober- haupt etwas bedeuten soll? Prof. ökon: Und natOrTich sind alle den erstellten Gütern vorgela- gerten Institutionalisierungen erst recht vorsorgende Einrichtungen der BedOrfnisbefried1gung: Fabrikhallen, Straßen, Lkw's, Lagerhallen, Arbeitsablauforganisa- ti on, ... Maus: Das ist wieder klar. Aber das andere ... vorsorgende Beschaffung, vorsorgende Produktion, planmäßig im FrOhjahr gepflanzte Kartoffeln ... Irgendwie müßte die Handlungsregulative von den durch das Handeln entste- henden potentiellen Nutzungsbündeln geschieden werden Prof. ökon: Ist ein geschaffenes Handlungsregulativ kein vorteil- haftes Nutzungsbündel? Und hat das NutzungsbOndel 'Erbsenkonserve' nicht mehrere alternative Handlungs- aufforderungen? Lager mich! Eß mich! Schlag mit mir einen Nagel fest! Elch: Es ist gemein, alles unverständlich zu machen. Specht: Ich verabscheue diese Attitüde, bewährte Klarheiten zu vernebeln. Spinne: Vor allem haben Spitzfindigkeiten keinen pädagogischen Wert. Der Pädagoge braucht Vereinfachungen. Libelle: Stumpffindigkeiten, dumpfe. Prof. ökon: So habe ich nun endlich die gebUhrende Aufmerksamkeit fOr meinen Anfängerkurs? Ich setze also meine Vorle- sung fort. Prof. ökon fUhrt aus: Zweiter T89 . . _....... . ._. Wie Bedürfnisse von uns meistens wahrgenommen und befriedigt werden 221 Oie meisten Menschen hier in der Bundesrepublik befinden sich nicht in Notlagen; sie mUssen nicht fortgesetzt hungern, frieren, unter fr~iem Himmel schlafen, sie sind nicht mehr Krankheiten schutzlos ausgelie- fert usw. Oie meisten sind nicht arm. Sie können wählerisch sein; denn sie müs- sen zum Leben nicht mehr nur das nehmen, was sie gerade bekommen kön- nen. Sie sind sogar imstande, sich um ihre Bedürfnisse zu kümmern, noch ehe diese überhaupt spürbar werden: Sie sorgen also vor. Eltern kaufen ihren Kindern beispielsweise nicht erst dann warme Sachen, wenn die Kinder frieren. Für die meisten Menschen in der Bundesrepublik heißt das, daß sie ihre Bedürfnisse nicht mehr als Mangelzustand erfahren; es geht für sie eher darum, ihr Leben in möglichst alleh Bereichen angenehm zu gestalten. Für die Befriedigung von Bedürfnissen, die regelmäßig wiederkehren, entwickeln die ~ehschen meistens Gewohnheiten und feste Regeln, um sich die Vorsorge zu erleichtern: In der Familie z.B. feste Essens- und Schlafenszeiten oder der wöchentliche Vorratseinkauf. Auch aUßer- halb der Familie gibt es eine Vielzahl von Regeln: die geregelte Ar- beitszeit, den verkaufsoffenen Samstag, die Schulferien, die Verkehrs- regeln, das regelmäßige Training usw. Maus: Prof. ökon: Spinne: Prof. ökon: Spinne: Prof. ökon: Specht: laus: BOberei: Prof. ökon: Libelle: Prof. ökon: Specht: Bär: Specht: Deine Vorlesung löst nicht das Rätsel, das Du uns aufgegeben· hast! Ihr sollt es Euch auch selber lösen. um unseren Gast nicht zu überfordern, bin ich auf die Tiefenstruktur, das ungemein verschränkte Gemenge vorsorgender Hand- lungen nicht eingegangen, ein Gemenge, das Teil der Komplexität moderner Industriegesellschaften ist. Ich habe es deshalb bei einigen Oberflächenphänomenen be- lassen, die zur Illustration des Grundprinzips auch hinreichen. Aus dem gleichen Grunde habe ich AusdrUcke wie Institution und Institutionalisierung vermieden. - Im übrigen ist mein Exempel weder spitzbübisch noch spitzfindig. Beispielsweise ist es gegenwärtig auch deshalb so schwer, Gesichtspunkte der Umweltverträg- lichkeit in vergleichende Warentests einzubeziehen, weil die untersuchten Produkte hypothetisch und in Un- kenntnis einer faktischen Nutzung beurteilt werden müßten. Aber dies Problem betrifft doch nur die Frage alterna- tiver Nutzenbündel des Befriedigungsmittels und nicht die Trennungslinie von vorsorgender Einrichtung und Befriedigungsmittel. Du meinst, was als Konsumgut produziert wurde, sei Befriedigungsmittel. Natürlich. Und welche Bedürfnisse, ordnungssinnige Maus, befrie- digt der Ladenhüter? Wieder so eine randständige Lausbüberei. Ich verbitte mir diese symbiotische Verschränkung mit einem als ungeraten geltenden Knaben. Und i~h bin autark. Vollzieht sich der übergang nicht möglicherweise erst im faktischen Nutzungsakt? Und wie klassifizieren Herr Professor dann einen in Nutzung befindlichen Kühlschrank? Wäre es denkbar, bahnwitzige Libelle, daß die Be- griffsbildungen selbst dem Gegenstand nicht angemessen sind? Haarspaltereien. Dies scheint inzwischen die Regel zu werden. Könnten wir uns nicht auf die schöne Regel verständi- gen, daß wir einen kleinen Imbiß nehmen, während ihr Euch dieWahrheitsfjndung zur Aufgabe macht? Dich Aufgaben pauken zu lassen, werde ich mir zur Re- gel werden lassen - über Sachen wie ich sie verstehe. Im Vortrag von Prof. ökon hast Du einige Regeln und Gewohnheiten kennengelernt, nach denen Menschen han- deln. Zunächst: Suche Dir drei Beispiele für Gewohnheiten und Regeln im Familienleben heraus. Welche Bedürfnisse sollen vermutlich mit ihnen befriedigt werden? Sodann: Nicht bei allen Regeln, die wir außerhalb der Familie antreffen, ist es leicht zu entscheiden, ob sie den Menschen die Befriedigung von Bedürfnissen er- 222 223 224 Elch: Bär: Wirbelwind: Maus: Wirbelwind: Maus: ____________--=Seite 52 leichtern. überlege Dir das einmal in aller Ruhe am Beispiel der Arbeitszeit. Warum gibt es geregelte Arbeitszeiten? Erleichtern sie die Befriedigung von BedOrfnissen? BegrOnde Deine Meinung. Und weiter. Der holzdreschende Specht hat Dich vorhin 225 Beispiele suchen lassen, in denen Menschen sich vor- ausschauend um die Befriedigung ihrer BedUrfnisse kUm- mern. Überprüfe anhand des Vortrages von Prof. ökon, ob in Deinen Beispielen eher festgelegte Gewohnheiten und Regeln vorkommen oder eher vorsorgende Handlungen, die nur vereinzelt auftreten. (schreibt) Bei Eurem Textausmelken beginnt der Geist zu welken. 228 Möchtest Du bestreiten, daß darstellende Vorgaben ir- gendwie eingehender bearbeitet werden mUssen? Irgendwie! Müssen! Vermutlich ist Einfalt so defi- niert. Wird die methodische Einfalt dann noch mit sachlicher Einfalt verheiratet, stehen weitere Simpal ins Haus. Man schaue sich die einfältige Behauptung unseres großen Gelehrten doch nur genau an: "Für die Befriedigung von Bedürfnissen, die regelmäßig wieder- kehren, entwickeln die Menschen meistens Gewohnheiten und feste Regeln ..... Welchen gestaltenden Agenten hat man sich bei "die Menschen" zu denken? Wann entwickeln "die Menschen" angeblich die Regeln und Einrichtungen? Was verschleiert der Ausdruck "meistens"? Und dann die Kausalität! Als wenn auch heute noch die Bedürfnisverfeinerungen erst die vorsorgenden Einrich- tungen hervortrieben, was der große Gelehrte kommen- tierend das "Grundprinzip" genannt hat, wo doch aller- orten zu sehen ist, daß private Gruppen, Unternehmen oder Behörden Einrichtungen schaffen und dann um die "Akzeptanz durch den Bürger" flehen und ihr kräftig auf die Sprünge helfen (damit die Sache sich auch ren- tiert). Welcher Mensch also entwickelt fOr seine Be- dürfnisse die Einrichtung einer Vortragsreihe des ört- lichen Gartenvereins, einer Nachtbar, einer Kreditkar- te der privaten Geldinstitute, einer maschinenlesbaren Warenauszeichnung, der Verkabelung eines Wohnviertels oder eines Wettbewerbs 'Unser Dorf soll schöner wer- den'? Wie nützlich doch all die Regeln und Institutionen sind! Wie beglückend, daß die Regeln längst einen Kä- fig bilden, in dem ihr nach eigener Bestimmung vor eu- ren Möglichkeiten geschützt und vor dem zu Bewahrenden bewahrt werdet. Also gut, Du möchtest eine Problematisierung. Häre, 227 ungeleckter Bär, manche Leute sagen: "Viele Regeln und Gewohnheiten, nach denen wir im All- tag leben, sind starr und schlecht. Die Regeln er- leichtern es dem einzelnen nicht, seine BedUrfnisse zu befriedigen - im Gegenteil, sie behindern ihn sogar dabei." Die Verfechter dieser Meinung halten die unten abge- Zweiter Tag _________~~1t. 53 bildete Situation für ein typisches Beispiel. Wie beurtejlst Du diese Meinung? Bär: (schreibt) Elch: Endlich was ökonomisches! Kommerzialisierung von Be- 228 dürfnissen, BedUrfnisweckung und -standardisierung durch Institutionalisierung der Befriedigungsmöglich- keiten. Der Traum vom eigenen Häuschen im GrUnen, der am Ende das Grün ausrottet. Berufsverkehr, Sonntags- ausflüge, Flohmärkte, Schützenfeste, verkaufsoffene Samstage, Modemoden, die Gesichter von der Stange ..• Wirbelwind: Die Gartenzwerge mit den falschen Tränen! - Aber: Gibt es da nicht ein nationales Gewinnspiel, bei dem die Reichtümer arm machen? Nationale Sicherheit, die ver- unsichert. Lokale Energieversorgung, die global be- sorgt? Schulen, die verdummen? Sexuelle Befreiung, die tötet? öffentliche Macht, die ihre private Abkunft vergißt? Die vielen Gesichter des Fortschritts. Rabe: Du machst wohl gerade Deine Exerzitien in Dialektik. Du solltest, Mephistophelischer, Deine Schritte dabei nicht nur auf Fehlschritte gründen. Dann humpelt's näml ich. Libelle: Vor allem besteht diese Dialektik aus derart summari- schen Generalisierungen, daß man sie nicht redlich durchdenken kann. Übersichtlicher, scheint mir, ist der andere Pol: Welche Bedürfnisse werden ohne vorsor- gende Regeln befriedigt? Rabe: Es muß ja wohl etwas AUßerökonomisches sein, nachdem Prof. ökon Güter zu vorsorgenden Einrichtungen erklärt hat. Maus: Wie wäre es mit dem Trost, den eine Mutter ihrem wei- nenden Kind spendet? Rabe: Hältst Du die Mutter-Kind-Beziehung für etwas Ungere- -----_._-----_. Seite 54 Windw1 rbel: geltes? Und weint das Kind vielleicht, weil es seinem irreparablen Nervenleiden erfahren das in seinem Kinderzimmer vorsorglich Holzschutzmittel beschert hat? gerade von hat, das ihm verstrichene Bei soviel schwarzen Gedanken hatte sich der Horizont immer stärker verdunkelt. Die Luft war stickig und lief Gefahr, als fOr die Nutzung untauglich erklärt zu werden. Im Getöse der ersten Donnerschläge hörte niemand mehr die Spinne Ober Weltanschauungsquark mosern und den Hecht Uber sich selbst erfOllende Prognosen dozieren. Die sich wie Reinigungskolonnen aufführenden Wolkenbrüche ließen die kleine Gesell- schaft ganz gegen ihre Gewohnheit wild ause1nanderstieben. Niemand hatte Vorsorge getroffen. Es war ein Gewitter nach allen Regeln der Kunst. _._. ~•.L~!_~~ Zweiter Tag, nach Mit Allmählich waren die Blitze nicht mehr nötig, der Lichtung zumindest fOr Momente einen Rest von G1aubwOrdigkeit zu geben. Die Sonne kehrte zurück und verströmte versohnliche Tönungen. Von der Wärme angelockt, kehrten auch Bär und Rabe zurück. Und einige andere. Rabe: Wir sind mit unserem heutigen Thema noch nicht durch. 229 Wir haben bisher davon gesprochen, wie Bedürfnisse im privaten Bereich meistens wahrgenommen und befriedigt werden. Es gibt eine Reihe von Bedürfnissen, die eine einzelne Person oder eine kleine Gruppe für sich a1- leine gar nicht befriedigen kann. Die Frage ist, wer sorgt dann dafür, daß Mangelsituationen erst gar nicht auftreten? Bär: Du meinst zum Beispiel, wer mir Honig gibt, wenn er mir überall verweigert wird? Rabe: Vermutlich ist es zum Verständnis einfacher, wenn Du Dir einmal folgende Situation genauer ansiehst: Zweiter _Tag _ Sabine möchte schwimmen Qehen Seite 56 ------ --------------------------- 230 Es 1st Dienstaqnachmittaq, gegen 15.00 Uhr. Sabine hat ihre Hausaufga- ben gemacht und bekommt auf einmal Lust, mit ihrer Freundin Marion, die mitten in der Stadt wohnt, schwimmen zu gehen. Sabine will Marion anrufen und Oberlegt schnell, ob sie es schaffen kann, sich mit ihr um 16.00 Uhr am Hauptbahnhof zu verabreden. Von da aus könnten sie dann gemeinsam zum Hallenbad gehen. Viel später lohnt es sich nicht mehr, denn um 17.30 Uhr macht das Hallenbad zu. Sabine weiß, daß der Bus von ihrer nahegelegenen Haltestelle aus 20 Minuten zum Hauptbahnhof braucht. Abfahrtsze1ten des Busses von Sab1nes Haltestelle Uhr montags-freitags samstags sonntags 5 59 59 6 29 44 59 44 59 7 29 44 59 29 44 59 8 15 29 59 15 29 59 29 9-19 29 59 29 59 29 20 59 21 29 29 29 22 23 44 44 44 ____ _~_. ~i~_~_5-,! Bär: Rabe: Bär: Rabe: Bär: Bär: Sind das in der Tabelle Preise? Alle so knapp unter einem vollen Betrag. Viele können diese Tabelle nicht lesen. Deshalb wollen wir es einmal Oben. Zunächst: PrOfe, ob Sab1ne um 16.00 Uhr mit dem Bus am Hauptbahnhof sein kann. Mache bitte genaue Angaben! Sodann: Kann Sabine Oberhaupt sicher sein, daß ein Bus fährt? (prOft) Es gibt da noch einen interessanten Gesichtspunkt: Welche Unterschiede fallen Dir in dem Fahrplan bei den verschiedenen Wochentagen und Tageszeiten auf? Gib Gründe fOr diese Unterschiede an. (sucht Unterschiede und Gründe) Oie Stadtwerke, die die Busse einsetzen, sind ja keine Hellseher. Sie konnten im voraus gar nicht wissen, daß Sabine an diesem Dienstaq ausgerechnet mit diesem Bus fahren will. Wenn Mar10n keine Lust zum Baden gehabt hätte, wäre Sabine wahrscheinlich auch gar nicht ge- fahren. Wäre es nicht viel einfacher, die Busse würden an der Haltestelle mit der Abfahrt so lange warten, bis sie voll besetzt sind? 231 232 233 234 Rabe: Bär: Spinne: Eine gute Frage! Wie ist Deine Antwort? (ärgert sich über seine Frage) Die bisherigen Aufgaben waren vor allem kognitiv aus- gerichtet. Zur allseitigen Entwicklung unseres Zög- lings scheint es mir geboten, ihn jetzt einmal mit einem anderen Aufgabenprofil zu konfrontieren. Zunächst: Erkunde, wo sich in der Umgebung unserer Lichtung der nächste Briefkasten befindet. Stelle fest, wieviel Minuten Du zu Fuß von der Lichtung zum Briefkasten benötigst. Schreibe auf, wann der Briefka- 235 f.~~.i!~.r__T.a.g.__.__...__ ..__._._ ... . . . . .. . _ __S.~.it. 58 Bär: Spinne: Rabe, Prof. ökon, Specht, Elch, Hecht, Wirbelwind: Prof. ökon1n: libel11n: Prof. ökon1n: Räbin: Bärin: Elchin: Bärin: sten geleert wird! Welche Gedanken wird sich die Post bei der Festlegunq dieses Standortes und dieser Lee- rungszeiten Deiner Meinung nach gemacht haben? Be- sprich die Ergebnisse mit der Schnecke, die im Brief- kasten wohnt. Sodann: Vergleiche die überlegungen der Post, wenn sie Briefkästen aufstellt, mit den überlegungen der Stadt- werke, wenn sie Fahrpläne für die Busse machen. Welche Ähnlichkeiten stellst Du fest? (erkundet) Ich möchte die kleine Pause benutzen, einen skandalö- sen Sachverhalt aufzugreifen und Abhilfe zu verlangen. Die bisherige Diskussion hier wird eindeutig männlich dominiert .. Mit der Libelle und der Maus bin ich die einzige weibliche Figur. Ich verlange im Namen der Gerechtigkeit, der Emanzipation und Chancengleichheit, daß für die nächsten anderthalb Tage nur weibliche Fi- guren auftreten! (unverständlich) Die bisherige armselige Behandlung des Themas "öf- fentliche Bedürfnisse" hat es nicht einmal zugelassen, auch nur den Terminus einzuführen. Der Terminus bezeichnet in der Literatur Unterschied- liches. Was soll eine Diskussion über den rechten Ge- brauch des Terms bringen? Die Beispiele oben legen den Ausdruck auch gar nicht nahe, weil es stets um private Bedürfnisse geht, die teils über private, teils über öffentliche Einrichtungen befriedigt werden. Gibt es der Sache nach Oberhaupt genuine "öffentliche" Bedürf- nisse? Soweit Individuen für die individuelle Nutzung öffent- licher Einrichtungen fallweise zahlen und sie dadurch unterhalten, mag der Term unpassend sein. Aber wie ist es mit der steuerlichen Alimentierung einer nationalen Außenpolitik, die abstrakt gesehen 1m Interesse des Kollektivs liegt, für die es aber keine unmittelbare Zurechnung eines individuellen Nutzens gibt, die sogar im konkreten Einzelfall gegen das Interesse eines zur Finanzierung herangezogenen Individuums erfolgen mag. Prinzipiell werden die meisten Menschen die NOtzlich- keit einer nationalen Außenpolitik einsehen, obwohl es kein entsprechendes individuelles BedOrfnis danach gibt. Insofern ist es genuin "öffentlich". Da wir gegenwärtig von der Kontextgebundenheit priva- ter BedOrfn1sse reden, ist es überflüssig, den Term 'öffentliche Bedürfnisse' in der von Dir erläuterten Form aufzugreifen. (kommt zurück) Was hast Du herausgefunden? Die Waldesruhin hat mir gesagt, daß der Wald mal private, mal öffentliche Einrichtung sei. 238 237 ~~e;~!,,, T~.9 . ... ... .__ .._... __ ... .. .. _._.~J.t. 5!J. Specht;n: Bärin: Mäus1n: Hecht;n: Prof. ökonin: Prof. ökon;n: Und wo ruht sie besser? Ich denke~ eine Art von Einrichtung ist nur privat oder nur öffentlich? Wozu die Irritation! Es qibt ja auch private und öffentliche Verkehrsmittel. Nur sieht man denen das normalerweise an. Und so, wie die Räbin die öffentlichen Einrichtungen eingefGhrt hat, war an Duplizität nicht zu denken. Da die Räbin nicht möchte, daß wir hier in eine Dis- kussion um die Theorie des öffentlichen Haushalts ein- treten, sollten wir uns auf ihre Perspektive beschrän- ken und sie mit der Gnade der Klarheit versehen. (versieht mit Klarheit) ------------_. . ~.i!.._~Q Wie "öffentliche" Bedürfnisse von uns meistens wahrgenOf1l1len und be- 238 fried1gt werden Einen großen Teil ihrer Bedürfnisse können Menschen dadurch befriedi- gen, daß sie GUter kaufen oder andere Personen um etwas bitten. Es gibt aber auch Bedürfnisse, die eine einzelne Person allein gar nicht öder nur mit großen Anstreng4ngen befriedigen kann. Man denke etwa an den Wunsch, elektrisches Licht in der Wohnung zu haben. Nun ist es aber so, daß solche Bedürfnisse in gleicher oder ähnlicher Form bei vielen Menschen auftreten. Damit auch solche Bedürfnisse befriedigt werden können, werden beispielsweise von der Gemeinde oder vom Land - allgemein gesagt: von der öffentlichkeit - besondere Einrichtungen g~­ schaffen. Beispiele für 'öffentliche Einrichtungen' sind: Stromversor- gung, Freibäder, Stadtbibliotheken, Müllabfuhr. Straßenbau ... Die öffentlichen Verwaltungen prüfen bei ihren Planungen, ob es genO- gend Personen gibt, die solche Einrichtungen benutzen wollen oder auf diese angewiesen sind, um ihre Bedürfnisse zu befriedigen. In der Vergangenheit sind viele öffentliche Einrichtungen geschaffen worden. Sie stehen zur VerfOgung, wenn bei einer einzelnen Person ein BedOrfnis auftritt. So wird z.B. nicht erst ein Krankenhaus gebaut, wenn Klaus am Blinddarm operiert werden muß. Das öffentliche Kranken- haus wird bereits unterhalten, weil man annimmt, daß es von vielen Bürgern eines Landes benötigt wird. . I . I . . .... . '., t • :z~e5teLIa9 .. ._ .. .. .. _. .__ . _ _._ .__.. ._.._. . ._~.e.Lt.~ .~1 Bärin: Spinnin: Bärin: Spinnin: Bärin: Libellin: Hechtin: Wirbelwindin: Das war ein schönes Schlußwort. So kannst Du Dich nicht davonstehlen! Wo bleibt d)e neue Zärtlichkeit? Ein Text muß nun mal durchgearbeitet werden! Im Text sind einiqe Beispiele für öffentliche Einrich- tungen genannt worden. Nenne die Bedürfnisse, die mit diesen Einrichtungen befriedigt werden sollen. Begrün- de, warum es für den einzelnen nur schwer oder gar nicht möglich ist, diese Bedürfnisse aus eigener Kraft zu befriedigen. (schreibt) Mehr noch als bei früheren Belehrungen stellt sich hier der Eindruck ein, daß Probleme beim Staat gut aufgehoben sind und öffentliche Planungen ideell und in der AusfUhrung sehr vernünftig sind. Ein Problem dieses Gegenstandes liegt in seiner Oop- pelgesichtigkeit: hier konstitutive Ideen, dort kon- stituierte Praxis. Mit der Institutionalisierung be- ginnen Ideen ihre Unschuld zu verlieren und als Huren der Macht ihren Schnitt zu machen. Die Zügellosigkeit der Metapher verdeckt hier die Halbherzigkeit der überlegung, die ja zumindest die konstitutiven Ideen für gut hält. Als wenn man nicht jede Maßnahme und Einrichtung rechtfertigen könnte. 239 240 Erste Wolken beginnen sich vor die tiefstehende Sonne zu schieben. Mäusin: Also gut. Wieder eine Problematisierung. 241 Zunächst: Damit Kinder frei und ungestört spielen kön- nen, werden Kinderspielplätze eingerichtet.- Tausche mit Deinen Mit-, äh, mit Deiner Kindheit Erfahrungen aus! Sodann: Was wissen die Verwaltungen, die die Kinder- spielplätze planen, Deiner Meinung nach über die Be- dürfnisse von Kindern? Bärin: Wirbelwindin: (versucht zu meinen) Nochmals. Im Grunde denkt Ihr Euch jede Einrichtung 242 f.w~i!:~.r_Ia9 __ ._._. .. .. _._. __ _. __ _.. __ .. _. _ __._ __ .._. __ .__.. 9.it.__~_~ Spinnin: Wirbelwindin: Räbin: Windwi rbe11n: als gut oder reformierbar. Ich will gar nicht darauf bestehen, daß schon das ein Irrglaube ist, weil Macht und Interessen guten Kleister liefern. Marxistin! Eine Klassifikation anstelle eines Arguments - aber tatsächlich meistens das bessere Argument! - Euer Feh- ler besteht darin, Einrichtungen immer nur isoliert zu beurteilen - unter der stillschweigenden Annahme, daß alle anderen vernünftig seien. Das Problem aber ist das Gesamt der Regeln - selbst wenn eine jede Regel gut wäre. Ihr habt nicht wirklich versucht, den Burschen zu verstehen, von dessen Floßfahrt gestern die Rede war. Läßt man den ganzen Schicki-Micki-Gestus beiseite, bleibt noch ein substantieller Kern: ein nonkonformer, freiheitsdurstiger, regelsprengender, herausfordernder Individualismus. Es muß hier nicht interessieren, daß er dauernd als Marlboro- oder Camel-Mann in die Ge- sellschaft zurückgeführt wird. Tatsächlich ist bereits die Bindung des Individuums an eine Reihe nicht hintergehbarer biologischer und sozi- aler Anforderungen eine Demütigung. Aber auch die Ge- setze seiner Begierden darf er sich nicht selber ge- ben. Schon sind Gebote da: du sollst heiraten und nicht ehebrechen, du darfst nicht stehlen •.. Und so geht es dann immer weiter ins Detail: Für den tierlie- benden Eigner einer Wohnung in einer großstädtischen Wohnanlage wird richterlich festgelegt, daß der Besitz höchstens eines Hundes oder einer Katze "im Rahmen zu- lässiger Gebrauchsregelung liegt". Kaum noch ein Hand- griff, der nicht Stoff für eine gesellschaftliche Gü- teabwägung abgeben könnte. Die Verrecht1ichung ist der weitgehend sprachlose Oktroi für die Behandlung sozia- ler Spannungen - wenn nicht gar das repressive Schwert einer vom Zeitgeist geschwängerten Weltverbesserungs- manie; sie ist der Abgesang auf die konstitutiven Ideen von Aufklärung und kommunikativer Selbstregula- tion. Und abgesehen davon, daß die Einrichtungen der Rechtspflege zu Recht an all dem rechtlichen Gewürge zu ersticken drohen, wäre also die viel sinnvollere Frage die, durch den Abbau welcher gesellschaftlichen Einrichtungen unterdrückte Bedürfnisbefriedigungen ermöglicht werden könnten. Das Argument ist unfair. Es gibt einerseits Regeln und Einrichtungen, die für Bedürfnisbefriedigungen ge- schaffen wurden, und es gibt andererseits Einrichtun- gen und Regeln, die Konflikte bei diesen Befriedigun- gen ausgleichen sollen. Letztere vermehren sich tat- sächlich wie Kulturhefe im Sauerteig, aber das darfst Du ersteren nicht zur Last legen. Und vor allem mußt Du Farbe bekennen, ob Du die Konflikte nicht geregelt haben möchtest. Rechtsansprüche! Was bedeuten schon Rechtsansprüche! Man muß ja erst einmal Recht bekommen. Und noch wich- I-~~!~.r:..TaL- .__.__. __ .__. ....._.. ._. .._. ~~i~~_t!~. tiger: Recht mUßte als gerecht empfunden werden, soll es Solidarttät nicht den Boden entziehen. Aber selbst dann: Wie weit heruntergekommen ist eine Gesellschaft, wenn Handlungen nur noch danach beurteilt werden, ob das Gesetz sie erlaubt oder verbietet, und nicht nach ihrer inneren Rechtfertigung. Wer sagt denn heute noch: "Höre, es stört mich, daß Du Deine Abfälle in die Landschaft schmeißt, aus diesem oder jenem Grund". Oder gar: "Dein Handeln ist aufgrund dieser oder jener Erwägung ethisch verwerflich". Allerorten hört man nur: "Das darfst du nicht, das ist verboten!" Und die Schule mischt bei dieser Entpflichtung der Vernunft aus dem Recht kräftig mit: Würden manchen Fächern, so wie sie jetzt zugerichtet sind, ihre institutionen- kundlichen Inhalte genommen - es gäbe dort nichts mehr zu bereden. Außerdem: Deine Trennung von bedUrfnisbezogenen und konfliktregelnden Einrichtungen kannst Du schwerlich durchhalten. Die bedUrfnisbezogenen Einrichtungen räu- men stets bestimmte Ansprüche ein und wehren andere ab; insoweit sind sie immer auch Ausdruck abgestande- ner (oder nachgeborener) Konfliktbehandlungen. Und weiter: Deine Argumente umschmeiche1t von ungefair der Duft vom Kernholz des Baumes der Vernunft, der den Geruch der totalitären Selbstgefährdung der Vernunft überdecken soll; denn, was in aufklärerischer Attacke zunächst Ignoranz, Vorurteile und Partikularinteressen niederringt, endet früher oder später durch Selbst- inthronisation als bornierter, militanter und doqmati- scher Herrschaftsanspruch. Die Heines, Büchners, Börnes und wie sie alle heißen, haben für die Gewährung der bürgerlichen Grundrechte wie die Meinungs-, die Versammlungs- und Redefreiheit gelitten. Die ökonomischen Kräfte, die das alte Kor- sett sprengten, wie Marx es voraussah, vielmehr aber der Niedergang zweier Obrigkeiten in zwei globalen Ge- metzeln haben uns diese 'Rechte schließlich beschert. Diese "Umwälzungen" haben aber Situationen herbeige- führt, die heute die Zeitungsspalten unter den Stich- worten 'Gläserner Mensch', 'Erfassungsstaat' , 'präven- tiver Einsatz des Staatsapparats', 'Verfassungsfeinde' usw. füllen. Wo ist da in all der Neuerung der Fort- schritt? Daß wir Heine heute unzensiert lesen dürfen und sich fast jeder die Freiheit nimmt, es nicht zu tun? Aber wurden Metternichs Zeitgenossen auch an jeder Ecke von Konsalik oder der Bild-Zeitung gefoltert? Schwarze Wolkenbänke haben sich zusammengeballt und bedrängen die sich tapfer wehrende Sonne. Wirbelwindin: Oder, um aktueller zu werden: Wenn Teile der aufge- klärten und aufklärerischen Weiblichkeit heute ein Pornographieverbot fordern, wobei sie sich mit den Seit. 84 Schwarzgerockten verschwistern, so muß es jeden Ver- nunftg1äubigen, mag er Pornographie lieben oder nicht, in den Widerstand treiben, weil die von der Aufklärung intendierte kommunikative Praxis durch einen normati- ven Absolutheitsanspruch ersetzt wird, der ein Verbot fordert mit der ignoranten Unterstellung, damit seien auch die Ursachen erkannt und überwunden. Dieser sich emanzipatorisch gerierende Imperativ möchte gar nicht Ober das Phänomen aufgeklärt sein. Nicht um Erkenntni"s und ihre Vermittlung geht es, sondern um Macht und Taktik. Und so halten Koalitionen auch nur bis zum Szenenwechsel. Denn natürlich möchte man in Fragen der Abtreibung den Schwarzgerockten alle Augen auskratzen, und wie selbstverständlich fordert man hier - weil's nun wieder paßt - das gerade zuvor über Verbotsforde- rungen Heruntergebügelte ein: das Selbstbestimmungs- recht - hier der werdenden Mütter. Es herrscht in der Sache Schneidigkeit, in der Form Opportunismus. Die Aufklärung suspendiert sich selbst. Und damit auch das Pädagogische! Wie willst Du da, weiser Rabe, Dein Me- tier betreiben? Im Fortschrittschor einfach mitkräch- zen? Der singt das 'Lied von der Bevormundung'. (Wenn er nicht gerade das 'Lied von der Subvention' singt, das auch immer gut klingt.) Wie hältst du es mit dem pädagogischen Auftrag? Sozialisierst Du schön, damit die Zöglinge auch richtig mitsingen können? Oder läßt Du sie eine eigene Melodie üben - auch wenn Du sie schon bald nicht mehr hören kannst? Ich sehe an den Schultafeln eigentlich immer nur die Noten des 'Liedes vom Bevormunden'. Und so geht es dann weiter: Was fällt dem besorgten Umweltschützer angesichts des Waldsterbens ein: Tempo- limit. In der Endzeitpanik, zu deren Erinnye der Fort- schrittsglaube aus der Aufbruchsstimmung der Aufklä- rung erkoren wurde, gewitzt auch durch die Erfahrungen mit der zynischen Rhetorik der Herrschaft, fehlt es an Gelassenheit und am Vertrauen in die Kraft des Argu- ments. Selbstvertrauensbildende Maßnahme wird das Verlangen nach einem Laufstall aus Verboten. Und, weiser Rabe, muß man sich diesem Ansinnen nicht widersetzen, selbst wenn man das Anliegen teilt, weil das höhere Gut, "das Prinzip der Aufklärung, geschützt werden muß, und hat man es nicht zu ertragen, daß es einem die Schamröte ins Gesicht treibt, weil man sich unversehens im Lager derer findet, die in aufneb1eri- scher Schamlosigkeit die 'freie Fahrt fUr freie Bür- ger' fordern und bei Schwierigkeiten mit ihrem Frei- fahrtschein in der Unfreiheit leben, neben der Licht- hupe nichts mehr wählen zu können? ... Mäus1n: Es muß sehr hübsch aussehen, wenn Du schamrot wirst. Ist das wie bengalische Beleuchtung? Wirbelwindin: ... (überhaupt offenbaren Personen beim Autofahren die wohl klarsten Indikatoren Ober ihre Persönlichkeits- struktur. Sie mUssen und wollen handeln; die Anonymi- Zweiter Tag Seite 65 tät, die Blech und Glas verleihen, suspendiert von den angelernten Verbindlichkeiten des direkten sozialen Umgangs. Obwohl in den sozialen Kontext des Straßen- verkehrs eingebunden, wähnen sie sich privat. Und ge- nau so verhalten sie sich. Ihr Verhältnis zur sozialen und natürlichen Umwelt, ihre persönlichen Dispositio- nen und Befähigungen treten ungeschminkt hervor. Ein ausschließlich radfahrender Soziologieprofessor, der sich allerdings häufig chauffieren ließ, hat mir ein- mal, seine persönlichen Erfahrungen mit Kollegen ver- allgemeinernd, gesagt, die Leute würden, wenn sie die Autotür hinter sich zuschlagen, Verrückte. Sie seien nicht mehr bei sich selbst. Das ist aus Freundlichkeit gesagt. Und die Halbwahrheit: Die Leute sind gerade jetzt bei sich selbst! Und deshalb muß man sie hier studieren) ... Die schwarzen Wolkenbänke sind ratlos. Sie senden einige Regenschauer aus, den roten Faden zu suchen. Wirbelwindin: Elchin: Wirbelwindin: Elchin: ... Leider folgt mir die Wissenschaft hier nicht. Aber wem helfen sie schon, diese Mysterien der Erkenntnis. Helfen sie dem Umweltschützer? Nein, sie verkünden, wenn der Rechte fragt, auftragsgemäß, daß ein Tempoli- mit gar nichts bringen würde! Die Wissenschaften, die Säulen der Aufklärung, stützen inzwischen einen zu verwinkelten Tempel, bei dem es manchmal schon schwer fällt, die Fundamente nicht mit den Sakramenten zu verwechseln, und es dienen ihnen zu viele Priester, die das zu verschiedene Brot zu vieler verschiedener Herren essen, was zu sehr unterschiedlicher Verdauung führt. An welchem Altar, weiser Rabe, gedenkst Du die Aufklärung zu zelebrieren? - Ja, das ist eine gute Frage! - Und die verschiedenen Herren wollen von den Prie- stern eine Gegenleistung für ihr Brot. Und so wird in Kategorien der Verwertbarkeit gedacht. Das Gedachte wird verwertet. Das Verwertete hat Folgen. Und die treffen Leute, die ihre Hoffnung vor allem auf Fort- schritte der Wissenschaften setzen und ihre Ängste vor allem aus den Desastern wissenschaftlicher Errungen- schaften beziehen. Wie, weiser Rabe, sieht angesichts dieser Ambivalenzen Dein ambitioniertes Programm der Aufklärung aus? Ja, das Programm, wo ist das Programm? Die schwarzen Wolkenbänke stöhnen jedesmal entsetzt auf, wenn sie das Wort 'Aufklärung' hören und verharren unentschlossen am oberen Bild- rand. Räbin: Ei, eil "Die Welt ist erfüllt vom Wahnsinn und die Vernunft wird geköpft." Meinst Du es so, Mephistophe- lischer? Wie hübsch Du sie auf den Ständer gestellt hast, die Ausgehuniform der Postmodischen: Zuoberst ?wetter:_ .. Tas. ... _ Elchin: Räbin: Elchin: Räbin: die Vorwürfe gegen die Aufklärung, die ein rea11täts- fremdes gesellschaftliches Vertragsmodell fixiere und uns Vernunftdiktaturen gebäre. Darunter die Angriffe auf die modernen Wissenschaften in ihrem nicht-tele- logischen, quantifizierenden und naturausbeutendem Zu- schnitt, deren Erkenntnisse gegen die Tuberkulose ver- wertet würden wie gegen den Mensch selber - gewollt und ungewollt, und als Abschluß die Tiraden gegen den Fortschrittsglauben im Geiste Hege1s und seiner Rich- tigstellung angesichts der ungeheuren Verbrechen die- ses Jahrhunderts. Das ist alles sehr brav gemacht - bis auf die interessante Abweichung, daß Du das Kon- zept der Aufklärung nicht nur nicht verdammst, sondern einklagst. Was wäre auch die Alternative? Dann abe~, Mephistophelischer, wie sieht Dein eigenes Programm aus, Aufklärung zu betreiben? - Ja, das Programm, wo ist das Programm? - Und Dein Bekenntnis zur Aufklärung erspart uns die Auseinandersetzung mit der referierten Trinität der Postmoderne und ihrer Einfalt von der Vielfalt, die unterschiedslos Disparates goutiert - und goutieren muß, weil sie die Möglichkeit der Geschmacksverfe1ne- rung, des 'einen' kultivierten Geschmacks verleugnet und in jedem das Besondere zu finden vorgibt. Du hast es uns denn auch dankenswerterweise erspart, von den von einem endlichen Verstand nicht zu zählenden Gewiß- heiten und Zelebrationen des Mystischen zu kosten, des Okkulten, Spi rituellen,- Sektierischen, Druidischen, Kosmischen, New-Age-igen, Ganzheitlichen, Ganz-Ganz- heitlichen, Schamanisehen, Natürlichen, Gymnastischen - ganz zu schweigen von l'art-pour-l'art1gen der kul- tischen Kopisten des lifes-style-Stilisten Brody oder dem Bedürftigen eines lokalen Dreschfestes. All diesem Flüchtigen und in steter Metamorphose Be- griffenen müssen wir nicht versuchen, hier Dauer zu verleihen. Von pädagogischem Interesse ist daran al- lenfalls das menschlich Anfällige fOr dieses Hinfälli- ge - und daß inzwischen schon Mut dazu gehört, sich öffentlich zur Aufklärung zu bekennen. Die eigentli- chen Probleme beginnen aber tatsächlich erst bei dem Versuch, mit einer von den Wissenschaften unzulänglich entwickelten Ausrüstung auszuloten, wie der Horizont der Vernunft anzusteuern ist: Was heißt heute ange- sichts der unvorstellbaren Komplexität der Welt und des unglaublich endlichen Verstandes der einzelnen Aufklärung, und wie betreibt man sie? - Ja, wo ist Dein pädagogisches Aufklärungsprogramm? - Nur noch eine Fußnote zu Deinem Rhetorerick: "Wo ist in all der Neuerung der Fortschritt?" Abgesehen davon, daß die Aufklärer der ersten Stunde im Fortschrittspo- stulat nur eine regulative Idee und nicht ein ge- schichtsphilosophisches Theorem Ober den realen Ver- lauf gesehen haben, gibt es Anlaß zu der Annahme, daß Deine Beispiele bewußt schlecht gewählt sind und Du .Zwei ter Tag W1rbelwind1n: Hechtin: Räbin: Hechtin: Maus: Spinnin: Maus: Hecht: Maus: Hecht: Maus: Seite die Veränderungszeiträume zu kurz bemißt. Stufen uns die postmodischen Neoverzauberungsversuche der Welt, von denen eben die Rede war, wirklich auf eine goti- sche Gesellschaft zurück? Ein Elias behauptet, daß Ober lange Sicht die Zivilisationsschübe die Rück- schritte überwogen haben, daß dieser Zivilisationspro- zeß nicht planbar sei, sondern unübersichtliches Ge- spinst der jeweils herausgebildeten gesellschaftlichen Verflechtungen, unterfüttert mit einer tendenziell zunehmenden Fähigkeit der eingebundenen Individuen zur Selbstregulation, zum Aufschieben und Verfeinern von Bedürfnissen, zur Kontrolle von Affekten, zur Verin- nerlichung neuer sozialer Regeln. Offenbar auch nur wieder eine der Irgendwie-Viel- leicht-Theorien - Bedürfn1sverfeinerung! Soziale Regeln! Endlich sind wir wieder beim Thema! Das habe ich nie verlassen. Ihr habt demonstriert, daß die Erziehungswissenschaft - (man beachte den Singular) - eine Gesellschaftswis- senschaft ist, und damit auch die Fachdidaktik - zu- mindest mit ihrem Spielbein. Wir sollten endlich wei- ter kommen. Höre, ungeleckte Bärin, Prof. ökonin hat in ihrem Vortrag die Vorteile betont, die öffentliche Einrichtungen für die Befriedigung von Bedürfnissen haben. Demgegenüber möchte der Zeichner der folgenden Karikatur auf Nachteile und Gefahren hinweisen. Nimm Stellung dazu! Da wird sich die Bärin ganz schön ihre Kopf zerbre- chen, bevor sie uns ihre Befund präsentieren kann! Bitte? Na, ordnungss;nnige Spinnin, Du wirst doch nicht un- terstellen, daß das feminisierte Bär einen maskulinen Kopf hat, der maskuline Gedanken und Ergebnisse produ- ziert? Also, bei allem Wohlwollen, das geht zu weit! Ach, deepdenkernder Hecht, verschreckt Dich die Radi- kalität einer konsequent feministischen Bestrebung nach Gleichberechtigung? Mich verschreckt, dahinwuselnde Maus, ausschließlich das Ausmaß an Sprachverhunzung, das bei dem Versuch erzeugt wird, ein im Prinzip begrüßenswertes Bestreben dadurch in die Praxis umzusetzen, daß sämtliche Sprachregeln mit dem Vorwand über den Haufen geworfen werden, die vorfindbare Sprache sei Ausdruck eines maskulin dominierten Herrschaftsverhältnisses, weshalb sie zu "reinigen" und zu geschlechtsneutralisieren sei, wobei frau dann das eine System an Vorurteilen flugs durch ein neues ersetzt. Interessengeleitete Sprachverhunzung? Ja, so sehe ich es auch. Wir haben gar keinen Streitpunkt. Um beim Ausgangpunkt, der Konfusion von Gattungs- und Indivi- duenbezeichnungen, zu bleiben, die gegenwärtig modisch vorangetrieben wird, so ist festzuhalten, daß ein Gat- 87 243 24.. li-~t_~!J_a9.- ...__- ._..._. . ... _ Seite 88 Libelle: Windwi rbel: Li belle: Hecht und Specht: Amsel lind Schleie: Wirbelwind: Rabe: Wirbelwind: tungsname wie "Kopf" Individuen verschiedenen Ge- schlechts subsumiert. "Der" Mensch oder "das" Tier können daher durchaus weiblich sein. Aber das soll nun künftig nicht mehr so sein, und so werden wir das weibliche stück Mensch treffen. die Menschin, die Menschfrau ... Nun gut, dahinwuselnde Maus! Unsere Gesell~chaft be- steht gegenwärtig aus zehn Figuren. Es ist dann bil- lig, eine Quotenregelung zu verlangen, fUnf ~1guren weiblicher Gattung müssen beteiligt werden. Da es außer der Giraffe kaum größere Säugetiere weiblicher Provinienz .zu geben scheint ... ... es gibt da Häufungen bei den Insekten, nicht? ... ... schlage ich vor, daß Hecht und Specht rausrotiert werden zugunsten von - sagen wir: Amsel und Schleie. (unverständlich) Hallo! Das hebt natürlich ungemein. Es wäre da allerdings noch an weitere Quotierungen zu denken. Eltern-, SchO- ler-, Lehrervertreter, Vertreter der verschiedenen Wahrheiten, der bisher nicht vertretenen Tiergattun- gen, der Sachwalter der hier besprochenen Gegenstände usw. Um die Gruppe klein zu halten, wäre nun gezielt nach Trägern von Mehrfachfunktionen zu suchen: Der weibliche Elternvertreter, der zugleich Einzeller, An- hänger der Wahrheit X und Sachverständiger im Bereich Y ist. Bei gleicher Qualifikation werden Blonde bevor- zugt. Die entstehende Vertretung aUs vertretenen Ver- tretern vertritt dann die gemeine Gemeinwohlartikula- tion. Wen wundert da beim braven Mann die asoziale At- titüde des "Hilf dir selbst, dahn hilft dir Gott" oder das resignative Seufzen des "Da ist keine Hilfe". Fang nicht schon wieder an mit Deinen sottisen! Würde ich Dich nicht etwas kennen, würde ich glauben, hier romahtisiert sich jemand seine Weltflucht oder er ist mit den alten Zuständen völlig zUfrieden odet er for- dert das FaUstrecht zurück oder er 1st ~atalist oder er ist wegen seines Glaubens an da~ Gute im einzelnen Anarchist oder er ist Feind aller Formen repräsentati- ver Demokratie .. ~ Welchem Mißverstähdnis ein Unbefan- gener Zuhörer am Ende auch aufsitzt, in jedem Fail wärmst DU die ohnehin virulenten Ressentiments auf, die sich gegen Bürokratien richten und aus selbstbe- züglichen Gefühlen ihre Energie beziehen. Was derarti- ge 'unpolitische' Ressentimehts in einem politisch de- finierten Umfeld bewirken, muß ich Dir wohl nicht erst erklären. Du sorgst Dich um die Mißverständnisse? Du glaubst wirklich, hier würde auch nur ein Satz gesprochen, der nicht exzessiv mißverstanden würde - und das ohne den Versuch, irgend jemanden etwas besser zu kennen? Zweiter Tag Seite 8~ Ungerührt beginnt die Amsel im Windschatten eines Windröschens ihr Abendlied, was den Wirbelwind ganz windstill werden und ihn mit den Augen seine Windsbraut suchen läßt. Nach dieser heiklen und anstrengenden Verbesserung der Welt, der die Sonne über ihre Zeit eine verklärende Gloriole geliehen hatte, sank das Zentralgestirn erschöpft und befriedigt unter die Horizontlinie. Die natürliche Einrichtung des heraufdämmernden Zwielichts kam dem allgemeinen Bedürfnis nach Harmonie sehr entgegen. ~~jJ~r_l~_9__. . . .__ . . . . .. .. -=-=Seite 70 Zweiter Tag, danach Damit hatte zwar der Tag seinen offiziellen Höhepunkt gehabt, aber die Nacht barg noch ein Geheimnis. - Wie wir wissen, hatte sich das allge- meine BedÜrfnis nach Harmonie eingeste!llt. Aber niemand wUßte so recht, wie es zu befriedigen sei. Wie immer in solchen Fällen beschloß man, das gemeinsam zu bereden und auch ein paar Getränke und einen kleinen Imbiß zu brganisieren. ~s lief wie Obl1ch. Schon eine Stunde später hing der Libelle der erste Flügel ins ScHnapsglas, und die Am- sel wollte partout sämtliche Schwanzfedern ablegen ... Aber stätt anzu- fangen, wtitde si~ kreidebleich. Sie hatte dia ~rscheinühg äls erste gesehen, Augenblicklich war es totenstill. Beinahe hätte niemand gewagt, die Erscheinung nach ihrem Namen zu fragen. Sie antwortete kOhl, im Gewan- de der zitierenden Metapher möge man sie a1s die Wiederkehr des Immer- gleichen auffasseh. Sie wolle sich auch nicht langB mit der Vorrede aufhalten, Und da Hausaufgaben nicht abzufragen seieh, wolle sie vor- ausschicken; daß. es thematisch um das ~rnst9 1m Unernsten ~ehe; was durch den Projektcharakter der Behandlung erstens eine vertiefte ~rar­ beitung der Gegehstände, Formen und Typen abendländischer satire er-- laube, zweitens im Bilänerischen die Grenzziehun~ zwischen Phantast;-- sehen und Surrealeh nachzuzeichnen ermögliche und drittens Reflexionen Ober die Lernwirksamkeit vetschledener Darbistuhgsweiseh zulasse. Soweit sich die Maus später noch erinnern konnte, habe die Erscheinung dann noch irgendwas Uber wahre Wahrheiten, die Freiheit der Vervoll- kommnUng und die Pflicht der Selbstentfaltung gesa~t. Jeder habe sich gestört gefUh1t, aber keiner habe gegen das Anmaßende aufgemuckt. Die Erscheinung habe dann angefangen, ein großes Bild zu entrollen, das sie angesichts der pädagogischen Neigungen, der Kenntnisse Ober Men- schen und Tiere und der fiktioha1en Attituden in der Gruppe fOr sorg- fältig ausgewählt erklärte. Es sei ein unSäglicher Schinken gewesen: normalerweise wäre ~r von allen unbeachtet geblieben. Nun aber habe die Erscheinung gefragt, was man davon halte. Alle hät- ten veriegen rumgedruckst. Als die Situation zu peinlich wurde, hätten einige was gesagt; Amsel und Sp·inne hätten sogar die Vorwärtsverte1di- gung der Beteiligung ergriffen: die Figuren seien ganz weiß, es gebe da starke Kontraste, die Körper seien unterschiedlich groß, unter- schiedlichehGeschletht§,unterschledllchangeZOgen~.. im Fra1en, auf dem Boden stehend öder sitzend oder liegend oder tanzend, mit oder ohne GUrtel ...• Das sei alles ganz interessant, habe die Erscheinung gesagt, und ob wir denn noch etwas sähen? Die Peinlichkeit sei immer größer, die Zahl der ÄUßerungen immer dürftiger geworden. !rgendwann habe jemand gesagt, daß die Figur über dem Tierkopf wie ein Helm wir- ke. Ja! Das sei wichtig, habe die Erscheinung gesagt: ob das die ande- ren auch so sähen und warum das wohl so sei? Da seien alle noch ratlo- ser geworden. Däs Ratespiel sei von neuem losgegangen - bis zum näch- sten "Treffer". Schließlich habe die Erscheinung befunden, daß fUr die Gruppe die freie Bearbeitung einer Vorlage noch zu schwierig se1. 2A5 Zwej~J~_!:.-Iag . ~_tt'__7J. ~~~Lt_~U~9 . . ._._.. ._ Die Erscheinung habe nun vorgeschlagen, fragend-entwickelnd fortzu- fahren. Womit das Bild oben links beginne? Was sich anschließe? Was es m1t dem Hut der Damen auf sich habe? Wie der Stellwinkel der Ohren sm Tierkopf sei? Was in der Verlängerung des linken Ohres 11ege? Die Ant- worten hätten sich so hingeläppert. Am Ende habe die Erscheinung ver- langt, die Schritte der Reihe nach zu wiederholen und in einem verall- gemeinernden Prinzip auszudrücken. Sie habe den Elch aufgerufen.Un~ der habe nicht die Bedeutung der Diagonale diagnostiziert, sondern 'ha- be gesagt, im Bild gebe es starke Kontraste, zum Beispiel von Hell und Dunkel. Da sei die Erscheinung fuchsteufelswild geworden. Gut, habe sie schließlich gesagt, die Betrachtungsweise sei vielleicht nicht problemhaltig genug.- Wir sollten einmal hypothesenprüfend an die Sache herangehen. Die Frage sei: Hat der Mann einen Eselskopf oder trägt er eine Maske? - Die persönlichen Einschätzungen seien halbe- halbe gewesen. Beweise seien keinem eingefallen. Die Erscheinung habe dann fortwährend Vorschläge gemacht. Wie denn der Obergang des Kopfes in den Körper dargestellt sei? Ob bei der den Mann umarmenden Frau; die im Grunde nackt sei, nicht großer Wert auf die Zeichnung des fast durchsichtigen Gewandes gelegt worden sei, um eine Illusion von Be- kleidung zu erzeugen - nichts anderes andeutend als daß auch die nack- te Wahrheit noch um eine gefällige Erscheinung bemüht ist. Ob demge- genüber nicht durch die umschlingenden Arme alles unterdrückt werde, die Illusion einer Maske entstehen zu lassen und ob das nicht der Beweis dafOr sei, daß der Eselskopf echt sei? Das Ganze sei dann zunehmend in einen ausladenden, barocken Vortrag übergegangen. In mitreißendem Redef1uß sei von dem Esel berichtet wor- den, der sich in die Weisheit verliebt und sich ihr zu FOßen geworfen habe. In ihrer gelehrigen Umarmung habe er sich in wunderbarer Meta- morphose langsam zu menschlicher Gestalt und Größe emporentwickelt. Aber so förderlich der endlose Fluß des Wissenswerten auf der einen Seite gewesen sei, so unverzichtbar habe sich auf der anderen Seite die differenzierende und opulente Bereicherung des Gefühlslebens erwiesen - hier eingeflößt durch die lautespielende Muse. Beide seien gleichwertig und man dOrfe sich nicht durch die unterschiedliche Größe der beiden Frauengestalten täuschen lassen; es komme einzig auf die Aufnahmebereitschaft an, und die sei unterschiedslos, was man an den gleichgroßen Ohren sehen könne. Aber nicht genug damit. Der lebhaften Kultur im Innenleben entspreche eine nach außen ins Praktische und An- schauliche gerichtete Tendenz, '~ier durch die beiden Figuren repräsen- tiert, die - aus jeweils einem Auge beobachtet - in antithetischer Be- wegung einerseits die eingeflüsterten Ideen zum Tanzen brächten, an- dererseits als weisungsgebundene Agenten die auf Handlungsorientierung angelegten Reflexion zum Vollzuge brächten. So zeige sich - von wo aus man auch die Betrachtung beginne - die allseitige dialektiche Vervoll- kommnung des Esels, an der bislang einzig der bekränzte Kopf noch nich~-ganz teilhabe. Aber unter dem behütenden Streicheln der got1gen Zeit werde auch dieser Schritt bald vollendet sein. Der Esel werde dann in seiner ganzen natürlichen humanen Vollkommenheit dastehen. Da sie dann aber noch der schicklichen Einkleidung bedürfe, warte bereits mit gesenktem Blick die Zivilisation auf ihn. Und da auch ein vollen- deter, zivilisierter Mann nur die halbe Menschlichkeit verkörpere, er- warte ihn als humane Ergänzung im Fluchtpunkt der Entwicklung bereits Zweiter Ta9 _ fröhlich seine kOnftige Frau. Seite 73 Es sei dann der Auftrag ergangen, eine Ausarbeitung zu erstellen zum Thema: Die Pädagogik im Lichte des Esels. Da sei aber überhaupt nichts bei rausgekommen. Da habe die Erscheinung angefangen zu brüllen. Was wir denn glaubten, wer wir seien! Ob wir nicht sähen, welchen Gefähr- dungen wir ausgesetzt seien. Wir könnten uns natürlich blind stellen gegen die uns Marionetten anhaftende WillkOrlichkeit von Geburt und Vernichtung. Wir könnten natürlich die unseren Kosmos ankränkelnde Tendenz zur Fiktionalisierung verdrängen. Wir müßten nicht zur Kennt- nis nehmen, daß unsere Rede einer Vielzahl vorgestanzter Bauformen zu folgen neige. Das ändere aber nichts daran, daß wir nichtsnutzige, hirnlose Thesenträger und fixierte Charakterschablonen blieben und zu einem Leben ohne psychologische Differenzierung verdammt würden. Sie habe dann aufgelistet, wer für wen stehe und habe uns allen miese Rollen in Aussicht gestellt - und das auch noch in der Fiktion. Aber, habe sie plötzlich mütterlich fortgefahren, vielleicht nehme sie nicht genug Anteil an uns und Lernen heiße ja eigentlich, daß der Lernende frage und nicht der Lehrende. Und deshalb sollten wir einmal mit drei Fragen beginnen. Der Elch wollte wissen, ob sie wiederkomme; sie sagte, das gehöre nicht zum Thema. Die Spinne erkundigte sich nach dem Auftraggeber; sie beschied sie, daß Legitimationsfragen einen Man- gel an inhaltlichen Interessen kaschierten. Die Amsel wollte wi~en, ob sie nicht selber eine Fiktion sei. Da habe sie gehöhnt: Dreimal hattet ihr die Chance etwas zu lernen. Dreimal habt ihr versagt. Ihr wißt jetzt nicht mehr als vorher! Doch! habe da mit geballter Faust der Bär geschrien, der offenbar allen Mut zusammennahm und sich an seinem eigenen Gebrüll aufrichtete. Er habe gelernt, daß diese Veranstaltung so mies sei wie Schule ins- gesamt. Da sie die Erscheinung immer größer und immer heller geworden und habe sich dann plötzlich einfach aUfgelöst - wie eine Supernova. Danach wollte keine rechte Stimmung mehr aufkommen. Man kippte schwei- gend Alkohol in sich hinein und stierte ins Dunkel. Irgendwann began- nen die ersten zu gehen - soweit sie sich überhaupt dieser Mühe unter- zogen. Dritter TaC] Dritter Taq Am nächsten Morgen wollte sich außer der Maus niemand an irqend etwas erinnern können. übereinstimmend sprach man allerdinqs von der noch andauernden Heimsuchunq durch den männlichen Sproß einer Kleinform aus der Familie der Raubtiere, den man nicht bezeichnen wollte, um ihn nicht zu weiteren Ausfällen zu reizen. Einziq der Bär schien 1rgend~ welchen Ahnungen nachzuhänqen. So verging der Vormittag. Endlich plu~ sterte der Rabe seinen Kopf aus dem Gefieder und schob seinen fahlen Schnabel kühn in die Horizontale. Rabe: Bär: Rabe: Bär: Rabe: Bär: Spinne: Rabe: Es wird Zeit. unqeleckter Bär. Heute sprechen wir von Menschen, die Bedürfnisse als Mangel empfinden. Das Thema schmeckt mir heute ebensowenig wie mein sonst so geliebter Wiesenhonig. Bisher war die Rede davon. daß Menschen in reichen Ländern, also bei uns. normalerweise keinen Mangel leiden ... Wie weise ist schon das Normale? sondern sich vorsorgend um ihre Bedürfnisse küm- mern. Sie können wählerisch sein. Wieso laßt ihr mir keine Wahl? Immer derselbe Ablauf: Vorwort. Geschichte. Aufqaben. Systematischer Text. Aufgaben. Wahrscheinlich wegen eines Manqels an bärigem Interes- se. Jetzt sollen Menschen im Vordergrund stehen, die in irgendeiner Weise Mangel erfahren. Drei Frauen berich- ten. Vergleiche diese Berichte miteinander. Du wirst fest- stellen. daß mit dem Wort "Manqel" sehr Verschiedenes gemeint sein kann. 301 Dritter Tag _ Frau Honika W. aus Münster berichtet: Wir wollten an einem Samstaqmittaq im Juli mal kurz zu meinen Eltern nach Recklinqhausen fahren. Wir, das sind: Mein Mann, N1nja und Annika, 10 und 11 Jahre alt, und Olaf. der 1 1/2 Jahre alt ist. Es war ein schwüler Sommertag: wir hatten uns bei meinen Eltern zum Mittagessen angemeldet und fuhren qeqen 12.00 Uhr von zu Hause los; über die Autobahn dauert die Fahrt nach Recklinqhausen normalerweise eine halbe Stunde. Zwischen DOlmen und Haltern passierte es dann: Ein umgekippter Laster blockierte beide Fahrspuren. Weil viele Menschen unterwegs waren, bildete sich sofort ein kilometerlanger Stau. Es gab kein Vor und kein ZurOck. Geschlagene drei Stunden. die uns endlos erschienen. mußten wir 1m Wagen auf der Autobahn verbrinqen - und das bei der sengenden Hitze! ---._-_._---- --------- -------,,------~ ~~-~ I '--,rg{{~/ll{/«l/fJ '-.....__{cJ(!f!(!;y{} "-- " MrJ~t)1::~' . --.J ------------------- 302 Q.rj~t~r:-I't9 __.. ._ __ __ _._ _ __ _ . Bär: Wirbelwind: Ja und? Ich warte schon seit 36 Jahren auf meinen Weisheitszahn. Die Geschichte s~heint gut gemeint. Aber fOr welche Meinung? Die Geschichte zeigt, wie zumindest fOr drei Stunden ungewohnte BedOrfnisse befriedigt werden können. Oie Anlieger der Autobahn haben Ruhe. Echsen können ge- fahrlos die Fahrbahn wechseln. Die Sträucher am Stra- ßenrand können einmal durchatmen. Sicher soll hier thematisiert werden, daß nicht nur Humanes ohne Lobby, sondern auch Nicht-Humanes legitime BedOrfnisse hat. 303 Rabe: "1 rbelw1nd: Elch: Rabe: Bär: Amsel: Du weißt, Mephistophelischer, sehr wohl, daß die Perspektive der Wageninsassen gemeint war! Abermals: Du findest diese Stilisierung legitim? Da 1st noch etwas, weiser Rabe. Jetzt berichtest Du selber Ober UnglUcke und Katastrophen. Mir habt ihr das abgeschlagen. Wir haben inzwischen geklärt, daß die als angenehm er- lebte BedOrfnisbefriedigung in der Regel regelgebunden ist. Ein notleidendes BedOrfnis 1st insofern nur Ober Verfremdungen oder Störungen im Regelwerk darstellbar. FOr die Behandlung regel gebundener Sachverhalte - und zwar aller - ist der RUckgriff auf die Funktionsstö- rung ein ganz zentraler didaktischer Grundsatz! Im Gegensatz zu Deinen Schauergeschichten bleibt meine Geschichte sehr harmlos! Warum sollte ich mich da auch härmen? Dazu ist Dein Fell wohl tatsächlich zu dick. Aber Du kannst zumindest folgende Fragen beantworten: Zunächst: Ou kannst Dir sicher leicht vorstellen, was sich in diesen drei Stunden im Auto ereignet haben könnte. Beschreibe das aus der Sicht eines der Kinder! Sodann: Stelle die Dinge zusammen, an denen die Fami- lie Deiner Meinung nach Mangel hat! Sodann: Kennst Du Situationen, in denen aus ähnlichen GrUnden Mangel aufgetreten 1st? Gib dafOr einige Bei- spiele! 304 305 Letztlich: Versuche, den folqenden Satz zu vervoll- ständigen: BedOrfnisse werden in reichen Ländern wie der Bundesrepublik von den meisten Menschen dann als Mangel empfunden, wenn ... Bär: Ehekrach, Geschwindigkeit, im Nachbarauto, unvorherge- sehene Ereignisse eintreten. Elch: Etwas wirr! Findest Du die Antworten sehr ausgesucht? Bär: Ich wUrde vielleicht etwas finden, wenn ich suchen wUrde. Mir verkommt diese Sucht! Es war da von weite- ren Geschichten die Rede! Frau Gertrud G. aus Kassel berichtet ________________________8e1te_7t 308 Mein Mann ist 46 Jahre alt. Er ist nun seit fast 2 Jahren arbeitslos. Seit seinem 15. Lebensjahr hat er ununterbrochen gearbeitet, seine letzte Arbeitsstelle hatte er über 16 Jahre. Als die Firma Konkurs machte, stand er zusammen mit 30 anderen Kolleqen auf der straße. Wir bekommen jetzt Arbeitslosenhilfe und Kindergeld fOr unsere beiden Kinder. Zusammen sind das ungefähr 1.160 DM. Das ist viel weniger als wir früher hatten. Unsere Wohnung mit drei kleinen Zimmern, KUche und Bad kostet 355 DM, dazu kommen etwa 150 DM fOr Strom, Wasser, Kohle usw. Und dazu noch Versicherungen, zum Leben haben wir also knapp 600 DM. Da ich eine Hautkrankheit habe, kann ich auch keine Putzstelle annehmen. Andere Tätigkeiten gibt es hier fOr Hausfrauen nicht. Das Geld reicht gerade noch fUr das Nötigste. Unser Auto haben wir vor einem Jahr verkauft: das hat uns bisher so weit geholfen, daß wir noch ohne Schulden sind. Fleisch und frisches GemOse können wir uns nur noch selten leisten. Die Ernährung wird dadurch sehr einseitig. Und die Kinder wachsen so schnell aus den Kleidern heraus. Sie mOssen schon viel von den Kindern meiner Schwester auftragen; das ist fOr sie wirklich nicht schön. Man muß ihnen so viele WUnsche abschlagen, das fängt ja schon bei Extraausgaben fOr die Schule an. Dazu kommt, daß die Kinder mit all dem nicht fertig werden. So haben sie bis heute vor ihren Klassenkameraden verheimlicht, daß ihr Vater arbeitslos ist. Sie fürchten sich davor, daß manche MitschOler sagen: "Dein Vater ist in Wirklichkeit ja doch nur zu faul zum Arbeiten; wer Arbeit finden will, der findet auch welche." Dabei hat sich mein Mann schon oft um Stellen beworben, aber keine bekommen. Manchmal weiß er nicht, was er noch tun soll. Er kommt sich dann so vor, als sei er zu nichts mehr nutze. Und er kapselt sich von anderen Leuten ab, so daß viele frühere Bekannte nicht mehr kommen. Unsere größte Angst ist, daß wir irgendwann die Miete nicht mehr zah- len können. Erst kürzlich habe ich in der Zeitung einen Bericht Ober eine Familie gelesen, die ins Obdachlosenasyl ziehen mußte. Oie haben sich gesagt: Entweder bezahlen wir die Miete und haben dann nichts mehr auf dem Tisch, oder wir zahlen die Miete nicht und haben was zu essen. Pl:t~t~r_Tag ~._i!. J9. Maus: Ereignisse, weiser Rabe, erscheinen uns natürlich, 307 wenn die zusammentreffenden Widrigkeiten ein normales Maß nicht Obersteigen. Dieses Maß wird hier verletzt. Rabe: Keineswegs, dahinwuselnde Maus. Zunächst solltest Du Dir klar machen, wie viele Menschen heute in ver- gleichbaren Situationen leben. Auch solltest Du - vor vorschnellen Urteilen - die Berechnung der Sozial- hilfe durchgehen. ~. h- - P"itt~.r._Ta9 . ._.__.._._.__._.__._._ _._.__ __ ._ _ __ ., .. __ ..__._ . . ~1t._8Q Berechnung der Sozialhilfe "Jeder hat Anspruch auf Sozialhilfe, wenn er sich nicht auf andere 308 Weise aus einer Notlage helfen kann - und wenn ihm nicht von anderer Seite geholfen wird .... Es gibt 2 Arten von Sozialhilfe: - Hilfe zum Lebensunterhalt und - Hilfe in besonderen Lebenslaqen (z.B. Krankenhilfe, Hilfe fOr werdende MUtter usw.)." Wenn eine Person nur wenig oder gar kein Einkommen hat, erhält sie vom 309 Sozialamt so viel dazu, daß sie "menschenwOrdig" leben kann (Hilfe zum Lebensunterhalt). Um die Höhe der Sozialhilfe zu bestimmen, wird von der Verwaltung festgelegt, welche Mengen an Nahrung, Kleidung, Körper- pflegemitteln, Strom usw. eine Person pro Woche "braucht". Dies nennt man einen "Wochenwarenkorb". Wenn man fUr die Gütermengen, die in die'" sem Warenkorb enthalten sind, die Preise einsetzt und zusammenzählt, weiß man, wieviel Geld eine Person in der Woche zum Leben benötigt. FOr eine Person, die selber gar kein Einkommen hat. waren das 1983 pro Woche etwa 85 DM. Bestimmte Personengruppen erhalten etwas mehr Geld, z.B. Personen Uber 310 65 Jahre, werdende Mütter oder Personen, die noch nicht 65 Jahre alt sind, aber nicht mehr arbeiten können. Es besteht darOberhinaus die Möglichkeit, Beihilfen fOr Kleidung und größere Anschaffungen fOr den Haushalt zu bekommen. Dies muß vorher mit dem Sozialamt abgesprochen werden. "Alle drei Jahre haben zum Beispiel Erwachsene Anrecht auf einen neuen 311 Wintermantel für 200 Mark. Frauen dOrfen pro Jahr höchstens zweimal ein Kleid oder einen Rock mit Bluse kaufen, Männer alle zwei Jahre ein Paar Stiefel und alle drei Jahre ein neues Sakko. FOr Kinder, die schneller aus ihren Sachen herauswachsen, gelten gesonderte 'Trage- zeiten'." In der folgenden Tabelle ist der wöchentliche Warenkorb fOr einen 81- 312 leinstehenden Sozialhilfeempfänger abgedruckt (Der Monat mit 4,33 Wo- chen gerechnet und die Werte abschließend gerundet.) "ritter Tao.w.9 _ Seite 81 1.Te11warenkorb "Ernährung" (auf der Basis von 2250 kcal/zzgl. Schwundzulage von 8%) Getreid~erzeugnisse 746 9 Brot, Brötchen etc. 300 9 Gebäck, Kuchen, Kekse etc. 58 9 Mehl 58 9 Nudeln 29 gReis 18 9 Puddingpulver 1/4 Beutel Fert1gsuppe 79 9 Cornflakes 1/4 BUchse Eierravioli (200 g) GemUse_l!~l~LGeJnO_$~.fs9Jl­ .s_e.r~~.n 12 9 Linsen 12 gErbsen 1386 9 Kartoffeln Kl.1 46 9 KartoffelpOrree 46 9 Weißkohl 46 9 Wirsingkohl 46 9 Blumenkohl 69 gRotkohl 58 9 MohrrUben 46 9 Kopfsalat 81 9 Lauch 115 9 Zwiebeln 92 9 Tomaten 58 9 Salatgurken 23 g GrUne Paprika- schoten 115 9 Junge Erbsen in Dosen 162 9 GrOne Bohnen in Dosen 35 9 Spargel (Dosen) 58 9 Spinat 35 9 Gemischtes Ge- mUse in Dosen 23 9 Champ1ghohS in Dosen 35 9 Sauerkraut in Dosen 35 9 Delikateßgurken in Dosen 23 9 Tomatenmark 12 9 Tomatenketchup Qp~t_ un~_QQ_sJ~_~.r= ]:el!gflJ-?s~ 693 9 Tafeläpfel 520 9 Apfelsinen 323 9 Bananen 58 9 Weintrauben 58 9 Zitronen 46 9 Tafelbirnen 35 9 Grapefruits 35 9 Apfelmus 46 9 Pfirsich 35 9 Ananas 14 9 ErdnOsse Z-lJ_ck.er uOcL~\)~l5er­ rej_c..tIe._~ rz~ugr,-i~.$.~ 185 9 Zucker 58 9 KonfitUre 52 9 Bienenhonig 12 9 Kakao 69 9 SOßiqkeiten (Schokol., Eis) F.l~ i sGtL!,-nd-E_1EtL~gl~­ .W~E~n 92 gRindfleisch zum Kochen 139 q Rindfleisch zum Schmoren 196 9 Schweinefleisch 46 9 Hackfleisch 42 9 Rinderleber 185 9 Brathähnchen 12 9 Bauchspeck 16 9 gek. Schinken 23 9 BUchsenrinds- gulasch 266 9 Wurstaufschnitt (gemischt) 46 9 Bockwurst in Dosen f.j.~_9.t,-e._l)nd J:j_~.9lJ= W.~L.eO 46 9 Seefisch 46 9 Heringe in Tomatensoße 29 gRollmops Eier, Mjlch und Mi lcDer_~eJJgr:llss.e 197 gEier 1155 9 Vollmilch 157 9 Kondensmilch 346 9 Joghurt 231 g H-Milch 46 9 Sahne 115 g Speisequark (Magerstufe) 115 9 gemischte Käsesorten E~tt.e und Öl~ 92 9 Butter 115 9 Margarine 29 9 Pflanzenfett 58 9 Pflanzenöl 12 9 Mayonnaise ~lkotJ.Q lJ_r..~j~._G.e:t_r~nJ~.~ 231 9 Apfelsaft 231 9 Orangensaft 277 9 Erfrischungsge- tränke 323 g Einfaches Tafel- wasser 35 9 Bohnenkaffee AlliQ.bQJj.$c~J~~t.r}!r:Llie. 115 g Flaschenbier 81 9 Weißwein 2. Te11warenkorb "Hausw1rtschaftl1che Bedürfnisse" Haushaltsenergie: 135 kWh/Monat 1/4 StUck G1Uhbirne 100 Watt 1/4 StOck Porzellan- tasse 115 g Waschpulver grob 15 9 Waschpulver fein 92 9 GeschirrspOl- mittel 1/20 StUck Roßhaarbesen 1/4 Packung Toiletten- papier mit 2 Rollen 3. Teilwarenkorb "Persönliche Bedürf- nisse·' Verzicht auf die Auf- listung von Einzelpo- sitionen; statt dessen Pauschalierung in Höhe von 30 % des gesamten Regelsatzes OrJ.t::ter._T8g-------------._... -_._--. ----------- __. .. . .__~~J..~~_~g Maus: Bär: Amsel: Bär: Libelle: Amsel: Spinne: Wirbelwind: Rabe: Bär: Rabe: Elch: Bär: Wirbelwind: Ich soll jetzt, weiser Rabe, den Warenkorb im einzel- nen analysieren? Und was soll ich in der Zeit tun? Ein kleiner Imbiß? Wenn Du schon nicht die Berechnung der Sozialhilfe verfolgen willst, bearbeite folgenden Auftrag: Stelle einmal die Mengen des Warenkorbs zu Hause zu- sammen. Vergleiche das mit den Mengen, die ein Erwach- sener nach Deiner Erfahrung normalerweise verbraucht. Das reicht knapp fOr einen winzigen Imbiß! Das sieht man doch a_uf einen Bl ick! DafUr gehe ich doch nicht nach Hause! Ich wette, daß der auch noch das 1/20 stOck Roßhaarbe- sen fressen würde! Weiter zum Auftrag: Worin zeigt sich, daß in der Fami- lie von Gertrud G. Mangel herrscht? Weiter: Frage einmal bei deinen zuhausegebliebenen Kindern nach, wie weit eine vierköpfige Familie kommt, wenn sie nur 600 DM für den Lebensunterhalt zur Verfa- gung hat. Sodann versuche folgenden Satz zu vervollständigen: BedOrfnisse werden auch in einem reichen Land wie der Bundesrepublik als Mangel empfunden, wenn ... Ich verstehe noch nicht ganz. Ist das in Deiner Ge- schichte ein Einzelfall oder läßt sich das verallge- meinern? Es geht um eine Größenordnung von etwa 5 Millionen Be- troffenen. Die Zahl hängt etwas davon ab, wen Du ein- beziehst: Sozialhilfeempfänger, Arbeitslose, Asylan- ten, bestimmte Gruppen- ausländischer Arbeitnehmer, stellenlose Jugendliche ... Oie Dinge liegen etwas 1m Dunkeln und werden da auch häufig von den Betroffenen gehalten. Insofern sollte der Bär zu folgendem Problem Position beziehen: WUrdest Du es ähnlich machen wie die beiden Kinder und Deinen Mitschülern nichts sagen, wenn Dein Vater ar- beitslos würde? Wen meinst Du mit Mitschüler? Oder: "Wer wirklich arbeiten will, der findet auch irn- mer irgendeine Arbeit!" Solche Meinungen hört mari oft. Befrage dazu einmal Erwachsene und sprech dann mit Deinen - äh - - und sprech dann nicht mit Deinen MitschOlern. (kratzt sich am Kopf und denkt an seinen Vater, der nicht nUr arbeitsscheu, sondern ein lebenskOnstler war, jedenfall beinahe, wenn er nicht die fatale Ne1- gung besessen hätte, den Müßiggang als Hochleistungs- sport zu betreiben ..• ) An dieser Geschichte bleibt mir weiterhin das morali- sche Urteil unklar. Das scheint mir ari Deinen Ge- schichten charakteristisch. Warum sind die Leute rela- tiv arm? Schicksal? Individuelle Schuld? Organisierte Ungleichheit? Spitzen wir die Situation doch etwas zu: Am 19. Januar dieses Jahres flog nachts durch eine Gasexplosion in München ein vierstöckiges Wohnhaus in 313 314 315 318 317 318 Rabe: _._.._. .... .. . . . ... 9.1t4!_8_~ die Luft. übri~ blieb ein flacher Schuttkegel; ~epark­ te Autos in der Nähe des Unfallorts waren durch die Druckwelle oder herabstUrzende Gebäudeteile völlig zerstört. Mehrere Menschen waren getötet; einige konn- ten verletzt geborgen werden. Ausgelöst war die Explo- sion dadurch, daß ein arbeits- und mittelloser Bewoh- ner des Hauses, der schwer verletzt geborgen wurde, versucht hatte, Gas zu stehlen. Soweit die Punkte, die in der Presse breitgetreten wurden. Man versetze sich einmal in die Lage des Diebes. Mit- tellos wie er war, konnte er die aus den öffentlichen Einrichtungen entnommenen Strom- und Gasmengen nicht bezahlen. Schließlich wurden ihm im Dezember die Lei- tungen gesperrt. Es wurde Januar. Die Temperatur sank nachts dauerhaft auf Ober minus 20 Grad. Die Tempera- tur in der sonst nicht beheizbaren Wohnung sank unter den Gefrierpunkt. Selbstverständlich hat heute jeder Wohlstandsfuzzi in seiner Mietwohnung ein gerichtlich verbrieftes Recht auf Wohnzimmertemperaturen von min- destens 20 Grad zwischen 6 und 24 Uhr. In seiner Not versucht der Mann, Gas von der Leitung im Treppenhaus abzuzapfen. Die Folgen sind bekannt. Aber wer ist schuldig? Wir wissen zu wenig Ober den Mann, um moralische Ur- teile fällen zu können. Und da moralische Urteile zu- dem fOr jeden Einzelfall neu geprOft werden mUssen und nicht auf alle Sozialhilfeempfänger ausgedehnt werden dUrfen, bin ich an ihnen hier auch nicht sonderlich interessiert. Wie siehst Du das, Kaninchen? Kaninchen: Wirbelwind: Bär: (mUmmelt) Du widerrufst offenbar Deine Thesen vom ersten Tag Ober die Sinngebung. Es war da noch von einer dritten Geschichte die Rede! 0r:Jtter:_ TAg _ __ ~__ __ Senora Dom1ti1a, Bolivien (SOdamer1ka) Mein Mann und ich haben 7 Kinder. Mein Mann arbeitet neun Stunden täglich in einem Bergwerk. Wir wohnen in einem Lager. Es heißt Sig10 xx. Alle HOtten hier gehören der Bergwerksgesellschaft. Die HOtten. in denen wir und die anderen Arbeiter wohnen, sind immer nur geliehen. Da ein großer Mangel an HOt- ten herrscht, bekommt der Arbeiter erst eine HOtte, wenn er schon ei- nige Jahre bei der Gesellschaft qearbeitet hat. Wenn ein Arbeiter krank wird oder stirbt, muß seine Frau mit den Kindern innerhalb von 90 Tagen die Hütte räumen. Unsere HOtte 1st winzig, nur ein Z1mmerchen von 4 x 6 Metern. Dieses Zimmerchen muß als Wohnzimmer. Eßzimmer. Vorratskammer und Schlafkam- mer dienen. Es sind nur die vier Wände, kein fließendes Wasser, kein Badezimmer. In unserer HOtte haben wir drei Betten aufgestellt, das ist alles, was hineinging. Hier schlafen meine sieben Kinder, hier machen die Kleinen ihre Aufgaben, hier spielen die ganz Kleinen. Und einige können auf den Betten schlafen, und die anderen darunter. So. Die HOtten stehen auf dem Altiplano, der Hochebene. Da ist es immer sehr kalt. Also legen wir Strohmatratzen in die Betten. Eine Matratze kostet 800 bis 1000 Pesos, mehr als ein Arbeiter in einem Monat ver- dient. Wir haben deshalb nur eine einzige Matratze. Elektrisches Licht haben wir fOr einige Stunden am Tag und die ganze Nacht. Wir haben auch Trinkwasser. Aber nicht in den HOtten. Es gibt Wasserstellen in den Vierteln. Man muß Schlange stehen, um Wasser zu bekommen. Es gibt nur 10 bis 12 Duschen fOr alle Leute, für so viele, fOr viel zu viele Leute, weil sie fOr das ganze Lager sind. Die Duschen funk- tionieren nur, wenn es Petroleum gibt, denn das Wasser wird nur mit Petroleum gewärmt. 311 D... itt.... Tag __________~S~it. 85 Toiletten gibt es nicht in den HOtten der Arbeiter. Sie sind öffent- lich und auch nur etwa 10. Sie werden sehr schnell schmutzig, und es gibt kein fließendes Wasser. Am Morgen reinigen die Arbeiter der Ge- sellschaft sie, die dafUr eingestellt sind. Und wenn es kein Wasser gibt, bleiben sie mehrere Tage schmutzig. So mUssen wir die Toiletten benutzen. Es gibt viele Probleme mit dem Wasser. Manche kommen von weit, weit her, um Wasser zu holen. Sie mUssen enorme Schlangen bilden. Das Leben ist sehr teuer, mit den 28 Pesos, die mein Mann am Tag ver- dient, kommen wir nicht weit. Ich verkaufe noch selbstgemachte Fleischpasteten im Dorf. Das macht sehr viel Arbeit morgens. Andere Arbeit können wir nicht finden. Nachmittags muß die Wäsche gewaschen werden. Wir benutzen dafOr Waschtröge, und man muß zur Wasserstelle gehen und Wasser holen. Kleider sind sehr teuer. Also versuche ich alles, was ich kann, selber zu machen. Wir kaufen Wolle und weben. Weil es soviel Hausarbeit gibt, lassen wir sogar die Kleinen arbeiten. Und manchmal mUssen sie in langen.Schlangen stehen, sich rumstoßen und schlecht behandeln lassen. Wenn es im Revier Mangel an Fleisch gibt, bilden sich so lange Schlangen, daß sogar Kinder totgedrOckt werden, die anstehen, um Fleisch zu kriegen. Es ist eine furchtbare Trostlo- sigkeit. 9r.!ttC!l~ ..TI[l.9. .._.__...__.... ... ..._ ...__..._ ..._._.._._ '" . .... _. ._..__._ 5-'it:e__~~ Bär: Spinne: Amsel: Maus: Bär: Spinne: Bär: Amsel: Bär: Haus: Bär: Spinne: Bär: Libelle: Ich verstehe gar nicht, wie die - und offenbar viele andere - in solche Situationen kommen. Das ist nicht das Thema! Wir reden Uber Bedürfnisse! über Bedürfnisse in der Form der Mangelemofindung! Aber das ändert doch nichts an meinen Verständn1s- schwierigkeiten ... Konzentriere Dich auf's Thema. An welchen Dingen haben Domitila und ihre Familie Mangel? überlege Dir, welche gesundheitlichen Fo1qen dieser Mangel hat! Nur schwierige AusdrUcke schnappt man dazu auf: Strukturelle Gewalt, Verhältnis von Zentren und Peri- pherien, Imperialismus ... Und wenn Du damit fertig bist, versuche den folgenden Satz zu vervollständigen: Menschen in Ländern der Dritten Welt erleiden Mangel. weil ... Duale ökonomie, Latifundiensystem, Monokulturen, Mul t i s •.. Und weiter: Du hast die drei Berichte der Frauen ken- nenge1ernt. Schneide aus alten Zeitungen und Zeit- schriften überschriften oder Bilder aus, die Deiner Meinung nach zu einer der geschilderten Situationen passen! Stammesfehden, Versteppung, Stellvertreterkriege, Rüstung, Verschuldung ..• Sodann: Der Rabe hat zu Beginn der heutigen Lektion behauptet, daß mit dem Wort "Mangel" sehr Verschiede- nes gemeint sein kann. Du kannst die Unterschiede si- cher angeben, wenn Du Dir Deine drei dafUr dezent de- finierten Distinktionen denkend durchliest. Industrialisierungsruinen, Slums, Rosinenbomber, terms of trades, Bevölkerungswachstum, Korruption •.. Wenn das ein Lexikon werden soll, bedarf es einer gewissen Ordnung. 320 321 322 323 324 325 326 327 328 Bär: Ich rufe nur all die Kinder beim Namen in der Hoff- nung, daß sich wenigstens eins meldet, um mir seine Geschichte zu erzählen. Maus: Hörst Du es, Rabe. Der Bär sucht eine bessere Ge- schichte. Ich kenne da eine: Dritter T~~9 . _ Wir wollen uns vorstellen ••• wie eine deutsche Familie - in einem kleinen Haus in der Vorstadtsied- lung mit einem Monatseinkommen zwischen 1200 und 2000 DM - in eine Familie in der unterentwickelten Welt verwandelt werden kann. Wir dringen in das Haus unserer Familie ein und schaffen zuerst die Möbel weg; alles: Betten, StUhle, Tische, Fernsehapparat, lampen. Wir lassen der Familie ein paar alte Decken, einen KUchentisch, einen Holzstuhl. Den Möbeln folgt die Kleidung. Jeder darf von der Garderobe seinen ältesten Anzug, sein Kleid, ein Hemd oder eine Bluse behalten. Dem Familienvater bleibt ein Paar Schuhe, aber keines der Frau, keines den Kindern. Wir gehen in die KOche, die Speisekammer wird geleert bis auf ein Pa- ket Mehl, etwas Zucker und Salz und Streichhölzer. Ein paar faule Kar- toffeln, schon im Abfalleimer, mOssen wieder hervorgehalt werden, denn sie werden der Hauptteil des Abendessens sein mUssen. ZurOck bleiben eine Handvoll Zwiebeln und eine SchOsse1 trockener Boh- nen, alles Obrige verschwindet: das Fleisch, das frische GemOse, die Konserven, Kekse, Süßigkeiten. Jetzt zum übriqen Haus: das Badezimmer wird zugemauert; das fließende Wasser ab~este11t, die elektrischen An- lagen herausgerissen. Ja, wir nehmen das ganze Haus. Die Familie kann in den Werkzeugschuppen ziehen. Er ist eng, aber noch immer viel bes- ser als jene Situation in Hongkong, wo (nach einem UN-Bericht) 'es fOr eine Ober v1erköpfige Familie nicht ungewöhnlich ist, auf einer Bett- stelle zu leben - auf einer Schlafbank in zwei oder drei Reihen'- das ist ihr einziger von Vorhängen abgeteilter Privatraum. Doch wir haben erst angefangen. Alle anderen Häuser in der Nachbar- schaft wurden genauso entfernt; unser Vorort wurde zur Barackensied- lung. Und trotzdem, unsere Familie hat Glück, sie hat noch ein Dach über dem Kopf. 250.000 Menschen in Kalkutta haben Oberhaupt keinen solchen Schutz, sie leben einfach in den Straßen. Unsere Familie ist jetzt auf dem Stand der Stadt Cali in Kolumbien, dort (so ein offizi- eller Bericht der Weltbank) wird die Slum-Bevö1kerung allein auf der einen Bergseite auf 40.000 geschätzt. Sie leben ohne Wasser, ohne sanitäre Anlagen, ohne elektrisches licht. Und nicht einmal alle Armen von Ca1i haben es so gut, andere haben ihre Baracken nahe der Stadt aufgebaut auf einem Boden, der unter der Flutmarke liegt. Für diese Menschen ist ihre Umgebung die offene Kanalisation der Stadt, die Abwässer fließen durch ihre Hütten, wenn der Fluß steigt. Trotzdem haben wir unsere Familie noch nicht auf den Stand reduziert, auf dem das leben in den größten Teilen unserer Welt gefUhrt wird. Es verschwindet noch mehr: keine Zeitungen, keine Illustrierten, keine BUcher - nicht, daß sie vermißt werden, denn wir mOßten genauso die Obrige literatur der Familie fortnehmen. Anstelle dessen erlauben wir in unserer Barackensiedlung ein Radio. In Indien ist der Durchschnitt: ein Radio auf 250 leute, aber da die Mehrzahl der Radios Stadtbewoh- nern gehört, ist unser Zugeständnis großzOgig. Als nächstes mUssen die öffentlichen Dienste aufgehoben werden, keine Briefträger mehr, keine F~uerweh~. Es gibt eine Schule, aber sie ist 5 k~ weit weg und hat nur zwei Klassenräume. Seitdem nur noch die Hälfte der Kinder aus der Nachbarschaft zur Schule geht, 1st sie auch nicht mehr OberfUllt. Na- tUr11ch 1st kein Krankenhaus oder Arzt in der Nähe. Die nächste Klinik 329 pritter Ta:.;;zg ~S~.~f't~It'~~88' könnte mit dem Fahrrad erreicht werden. aber es ist unwahrscheinlich, daß eines vorhanden 1st. Oder man kann mtt dem Bus fahren - nicht immer im Bus, aber meist ist Platz auf d~m Dach. Schließlich das Geld. Wir Oberlassen unserer Familie 20 DM als ROcklage, da's soll den Brot- verdiener vor der Tragödie eines iranischen Bauern bewahren"; er e~r­ blindete, weil er 15 DM nicht aufbringen konnte. Er glaubte, sie zu brauchen, um ein Krankenhaus aufzusuchen und aufgenommen zu werden, tn dem er hätte geheilt werden können." Dritter TR9. _ _ ~S=e_'_'1te__8~ Bär: Amsel: Kaninchen: Spinne: Diese fiktive Geschichte wäre ja vielleicht qanz in- teresasant, wenn ich das Elend nicht glauben würde. Ich wollt~ aber wissen, woher das Elend kommt. Hm. Vielleicht möchte das Kaninchen etwas dazu sagen? (mümmelt) Ich denke, herumstochernde Amsel, der Bär möchte das Problem der "Armut in der Dritten Welt" etwas systema- tischer dargestellt haben. Dazu läßt sich saqen: 330 DritterTaq Armut in der Dritten Welt _ . __ .. _ .. ._.. _ __ . 98; t_~ _._~Q 331 In den 31 ärmsten Ländern der Dritten Welt wohnen ca. 270 Millionen Menschen; davon leben 180 Millionen in "absoluter Ärmut". In der folgenden Tabelle werden einige Kennzahlen für diese lahder mit Kennzahlen für die Bundesrepublik verglichen. Diese Tabelle zeigt für einige Bereiche noch einmal die großen Unterschiede zwischen den armen und den reichen Ländern auf. 1 ärmste Länder Bundesrepublik (1978) (1977) Wie alt werden die Menschen im Durchschnitt? 45 Jahre Männer 68 1/2 J. Frauen 75 Jahre Wieviele Kinder werden jährlich geboren (pro 1000 Einwohner )* 47 10 W1eviele Menschen ster- ben jährlich (pro 1000 Ei nw. ) 20 11 Wieviele Menschen muß ein Arzt im Durch- schnitt betreueh? 26100 490 Wieviele Menschen muß eine Krankenschwester im Durchschnitt be- 10400 261 treuen? Wieviele Personen müssen sich im Durchschnitt ein 3200 85 Krankenhausbett teilen? Wieviele von 100 Kindern werden eingeschult? 57 etwa 100 Wie hoch ist das durch- schnittliche Jahresein- kommen eines Einwohners? 175 0011 ar 15 235 DM ca. 350 DM * Bei 10.000 Einwohnern wären das 470 Geburteh. 1 Hinsichtlich jUngerer statistischer Anqaben siehe Anhang. Dc:....r.:..::1t::.=:t~er~Ta=>9"- -=Se::-:....;1~. 91 Bär: Maus: Schleie: Das ist keine Erklärung! 332 Wo steckt ·der deepdenkernde Hecht? Er war doch vorge- stern ganz versessen darauf, die von der stofflichen Route fortführenden "Warums" stellen und beantworten zu lassen. Vielleicht sollte sich seine tiefgründelnde Stellvertreterin der Sache annehmen! Ich sehe im Augenblick nur, daß der Bär mir eine Frage versaut hat ... Schweine: Schleie: Bär: Rabe: Schleie: Rabe: Wer ruft uns? denn ich hatte darauf hinweisen wollen, daß er nichts über die Ursachen der Armut erfahren habe. Und ich wollte fragen: Meinst Du, daß Dir jetzt wichtige Informationen fehlen 333 oder daß es so genug ist~ weil Du diese Informationen in Deinem Alltag ohnehin nicht benötigst? Höre, Rabe! Warum verweigert mir jeder die Antwort, wenn ich etwas lernen möchte? Deine Frage nach den Ursachen der Armut in der Dritten 334 Welt ist natürlich berechtigt und würde eine Antwort verdienen. Die Schwierigkeit besteht eigentlich darin, daß fOr die Erklärung ein Wissen erforderlich ist, das Du erst noch erwerben willst. Hört, hört! Da gibt es nun honette Didaktiker, denen sehr daran liegt, SchOler auf dem Weg zum wissen- schaftsor1entierten Denken zunächst einmal fragefähig zu machen. Und hier ist nun jemand, der kommt allein auf Fragen, und dem wird gesagt, er mUsse erst ans Ziel, um an den Start gehen zu dOrfen. Wer soviel von der Sache versteht, daß er verständige Fragen entwik- kelt, verdient auch eine ihm verständliche Antwort. Tiefgründelnde Schleie, glaube es mir, es fehlt am Vorwissen. Zwar enthalten Schulbücher auch für Lernen- de mit seinem Kenntnisstand häufig Erklärungen, aber die sind zurückzuweisen, weil sie überwiegend monokau- sal sind, meistens bloß auf naturabhängige Einflußfak- toren abstellen, insgesamt ein sehr schiefes Bild der Ursachen herausarbeiten. Natürlich könnten zu seinen Q.rit_t~r--I~9. ~8e~i~t.~.....!9~2 vielen Stichworten entsprechend zahlreiche Geschichten erzählt werden, die ihm ein Bild von der verwickelten Lage verschaffen, aber das würde ungezählte Tage in Anspruch nehmen. Prof. ökon: Weil Geschichten erzählt werden! Verstehen kann sich in verschiedenen Referenzsystemen abspielen. Das Refe- renzsystem, das Du $0 pflegst, ist das der Empathie, des alltäglichen Kontextes, des sozialen Common sense, der kleinen Widrigkeiten. Im Rahmen dieses Referenzsy- stems bleiben 'terms of trade', Verschuldung, duale ökonomie usw. unverstandene Fremdkörper. Diese Begrif- fe erwachen nur im wissenschaftsbestimmten Referenzsy- stem zum Leben. Und ich wUrde Dir Recht geben, daß der Bär von diesem Referenzsystem zu wenig weiß, um die GrUnde fUr die Armut in der Dritten Welt verstehen zu können ..• Schleie: Daß Du, großer Gelehrter, auf dem Misthaufen Deiner Disziplin hockst und aus dieser Perspektive hinaus- krähst, wie andere diesen Haufen zu besteigen haben, war zu erwarten. Prof. ökon:Oas den Geschichten unterlegte Referenzsystem mag ja seine Verdienste haben - für bestimmte Inhalte, fOr jene zur Abstraktion nicht besonders befähigten Indi- viduen, für das Durchdenken mancher Bedeutungen von Informationen. Aber man muß sich doch seiner Grenzen bewußt bleiben. Die Leistungsfähigkeit der Wissen- schaften besteht doch gerade darin, das im alltägli- chen Referenzsystem Selbstverständliche als in der Deutung begrenzten Sonderfall nachzuweisen: Die Sonne steigt in der leistungsfähigeren wissenschaftlichen Sichtweise entgegen dem Augenschein nicht im Osten auf, sondern die Erde dreht sich um ihre eigene Achse. Rabe: Zunächst einmal nehme ich Deine Thesen Ober alle Kon- frontation hin als Zugeständnis, daß Geschichten nicht grundsätzlich überflUssig sind, ja, daß episodische und fachsystematische Darlegungen nicht in völliger Konkurrenz zueinander stehen, sondern bereichsweise unterschiedliche Aufgaben erfüllen. Ich denke, daß diese sich ergänzenden Funktionen noch sehr viel weit~ reichender sind als Du eingeräumt hast. Das werden wir noch zu klären haben. Andererseits wUrde ich Dir prinzipiell widersprechen. Da wissenschaftliche Referenzsysteme nicht irgendwie freischwebende Artefakte sind, sondern sich auf Reali- tät beziehen und aus Verallgemeinerungen singulärer Tatbestände geboren werden, müssen sie episodisch ab- bildbar sein. Zumindest, soweit es sich um sozialwis- senschaftliche Ereignisse handelt: Preise, Wachstum, Beschäftigung, Armut usw. sind ja nicht Agenten eige- ner Herkunft, sondern das sich nach nachvollziehbaren Regeln einstellende Produkt individuellen Handelns. Insofern müßten sich wissenschaftliche Begriffe und Problemabgrenzungen prinzipiell auf alltägliche Situa- tionen oder singuläre Forschungskontexte zurückführen DritteL.I~J:L9 ~9.it. 93 lassen. Ich gebe allerdings zu, daß diese Ableitungsschritte inzwischen häufig sehr umfangreich geworden sind, so daß ich aus pragmatischen Gründen der These von der Dualität der Referenzsysteme zustimme. Und insofern begrüße ich ja auch Deine Vorträge. Ich sehe darin gerade nicht eine Doppelung des Inhalts, sondern aner- kenne die interessante Andersartigkeit im Zugriff auf den Gegenstand. Schleie: Das wäre vielleicht so, wenn Du nicht heimlich selber von der überragenden Bedeutung des wissenschaftlichen Referenzsystems überzeugt wärst. Die bisher vorgetra- genen Geschichten folgen nämlich im Grunde keinen wis- senschaftsfremden Prinzipien; tendenziell versuchen sie, wissenschaftsbestimmte Prinzipien und Begriffe zu illustrieren. Deine Lektionen folgen sklavisch einer wissenschaftlichen Route. Rabe: Eine solche Folgerung, tiefgrOndelnde Schleie, beab- sichtigte schon der Hecht mit seiner Kritik, die Ge- schichten seien nicht facettenreich genug. Ich will nicht bestreiten, daß die Kritik einen wahren Kern hat. Es scheint aber nötig, die Angelegenheit grund- sätzlicher zu durchdenken. Prof. ökon: Zuvor bitte ich doch, in meiner Weise darlegen zu dür- fen, in welchen Situationen Menschen ihre Bedürfnisse als Mangel empfinden: Menschen, die Bedürfnisse als Mangel erfahren ~.it. 94 335 Drei Situationen sind zu unterscheiden, in denen Menschen heute Mangel leiden. Sie haben ganz verschiedene Ursachen. Auch die Folgen fOr die betroffenen Menschen sind ganz unterschiedlich. 1. In reichen Industrieländern kommt es immer wieder vor, daß Men- schen Bedürfnisse für eine kurze Zeitspanne nicht befriedigen kön- nen, obwohl sie ihnen wichtig sind. Das ist der Fall, wenn unvor- hergesehene Ereignisse eintreten (z.B. Autobahnstau, Stromausfall, starker Schneefall, Lawinen, Hochwasser). Die betroffenen Menschen leiden dann unter Hunger und Durst, unter Kälte, unter mangelnder Verbindung zur Außenwelt, unter Angst usw. Normalerweise können sie aber nach mehr oder weniger kurzer Zeit ihr gewohntes Leben wieder aufnehmen. Diese Notfälle können jeden Menschen treffen, unabhängig davon, ob er arm oder reich ist, ob er allein lebt oder eine Familie hat, ob er jung oder alt ist. 2. Eine andere Form von Mangel empfinden Menschen, die Ober längere Zeit nur so viel Einkommen zur VerfOgung haben, daß sie gerade ih- re grundlegenden Bedürfnisse befriedigen können. Ihr Existenzmini- mum - also das, was sie unbedingt zum überleben brauchen - ist zwar gesichert; gemessen an dem Lebensstandard in einem reichen Land wie der Bundesrepublik sind sie jedoch arm. Sie können sich viele Dinge nicht leisten, die ihnen ihr Leben angenehmer machen würden und die für die meisten Menschen in der Bundesrepublik selbstverständlich sind. Diese Menschen leiden unter ihrer Armut, und oft geht das einher mit dem GefOhl, einsam und ausgestoßen zu sein. Von Armut betroffen sind in der Bundesrepublik vor allem folgende Personengruppen: - Menschen, deren Rente zum Leben nicht ausreicht, - Menschen, die aus besonderen Gründen (z.B. Krankheit, Versorgung kleiner Kinder) nicht arbeiten können, und deren Angehörige, - Familien von langfristig Arbeitslosen. Es ist schwer festzustellen, wieviele Menschen in der Bundesrepu- blik arm sind. Zahlenmäßig erfaßt sind nämlich nur diejenigen, die staatliche Unterstützung (Sozialhilfe) für sich in Anspruch neh- men. Man muß aber annehmen, daß sich viele schämen, ihre Armut zuzugeben und Sozialhilfe zu beantragen. Die Sozialhilfe ist gerade so hoch, daß Menschen nicht hungern müssen, ihre Miete bezah1en"und sich bescheiden kleiden können. 3. Wiederum anders ist die Situation in Ländern der Dritten Welt, in denen zwei Drittel der Weltbevölkerung leben. In vielen dieser Länder gibt es nur eine kleine reiche Ober- schicht; die Mehrzahl der Menschen aber hat auf Dauer nur das Nö- tigste zum Leben oder noch weniger. Mehr als 500 Millionen Men- schen in der Dritten Welt hungern. Sie können sich nicht satt essen. Sie finden kaum Arbeit. Ihnen fehlen angemessene Wohnungen. (Zum Vergleich: 500 Millionen Menschen, das sind knapp 10 mal so viel wie alle Menschen, die in der Bundesrepublik leben.) Solche Zahlen sind nur schwer vorstellbar. Man muß sich aber klar machen: Jeder 5. Mensch in diesen Ländern leidet an Unterernäh- rung. Die Folge davon sind viele Krankheiten, nicht selten der Tod. Von drei Kindern, die dort geboren werden, stirbt eins, noch bevor es fOnf Jahre alt geworden ist. =Dr'-.:i=tt=8::.:..r_T..:..;:a::..9'- ~Se1t. 95 Zu der persönlichen Armut kommt das Fehlen von öffentlichen Ein- richtungen, die in reichen Ländern selbstverständlich sind. Es fehlen Schulen, Krankenhäuser, Wasser- und Stromleitungen, Wohnun- gen, Sozialhilfe usw. ________________________~S_"i~ Maus: Der Bär schläft. Spinne: Das kann man schon aus Prinzip nicht durchgehen las- sen. Das Curriculum hat immer Vorrang. Und so fordere ich den Bären auf: übertrage diese Tabelle in Dein Heft und fOlle sie aus: Mangel durch Welche Menschen Wie lange An welchen sind jeweils be- dauert der Dingen haben troffen? Mangelzu- die Menschen stand an? Mangel? 1 • Unvorher- gesehene Ereignisse 2. Armut in der Bun- desrepublik 3. Armut in der Dritten Welt 338 Bär: Amsel: Bär: (schläft) Und wir dürfen, ordnungssinnige Spinne, auch nicht nur an die Kognition denken. Wir sollen auch Einstellungen kultivieren. Und so bündele ich sie prismatisch in der Frage: Wenn Du in der Situation von Frau G. oder Frau W. wärest, was würdest Du jemandem antworten, der sagt: "Den Menschen in der Dritten Welt geht es noch viel schlechter!" oder: "Denen geht es immer so schlecht, Dir aber nur in Ausnahmefällen!" (schläft) 337 Nach und nach nahmen sich die anderen diesmal den Bären zum Vorbild. Auch der Rabe ließ seinen Schnabel wieder im Gefieder verschwinden. Alle hatten einen Mangel an Erholung aufzuholen. Und erst jetzt, als er mit dem Auge blinzelte, merkte man, daß auf der lichtung woh1 schon seit geraumer Zeit ein ungemein großer Kater hockte. Vierter Tag Zuerst ging der Kater. Dann der Mond. Dann der Morgenstern. Dann die Morgenröte. Dann die MOdigkeit. Dann der Appetit - außer bei einem, der sich gerade sein 115. - 119. Spiegelei (ein Ei war faul gewesen) zubereitete: schierer Speck, Salami, Schinken, mit Käse Oberbacken, etwas Salz, Majoran und Thymian. Nach dieser Lage drehte der Rabe ihm einfach den Hahn an der Propangasflasche zu. Und noch bevor der Hahn das elende Statistenleben beschreien und der Bär Ober seinen Hunger und den autoritären stil lamentieren konnte, ergriff der Rabe also das Wort: Rabe: Bär: Libelle: Bär: Rabe: Bär: Rabe: Bär: Rabe: Bär: Rabe: Prof. ökon: Es ist, ungeleckter Bär, einfach eine Zumutung, uns mit einer Ober vierstOndigen Eierparade zu schikanie- ren. Es ist, weiser Rabe, eine Schikane, mir das Essen zu verbieten. Mit leerem Magen kann ich nicht lernen. Wer wird denn so maßlos in seinen Lernvoraussetzungen sein? Der Magen ist das Maß aller Dinge. Da wir heute darOber reden wollen, wie BedOrfnisse sich entwickeln und wodurch sie beeinflußt werden ... Die fangen immer gleich nach dem Aufwachen an, sich zu entwickeln! könnten wir das gleich an Deinem exzeptionellen Kasus besprechen. Da Betroffenheit aber leicht Befan- genheit, Befangenheit Einseitigkeit und Einseitigkeit Uneinsichtigkeit, also Lernverweigerung, zur Folge zu haben pflegt, ist ein derart persönliches Curriculum wenig hilfreich. Aus diesem Grund sollten wir uns dem Thema unverfänglicher nähern - weniger aus der Teil- nehmer- und mehr aus der Beobachterrolle heraus, die ja auch noch Betroffenheit in sanften Kräuselungen zuläßt. Kraus ist die Annahme, mich mache etwas anderes als das Essensverbot betroffen. Es ist natürlich nichts Neues mehr fOr Dich, daß Men- schen ganz verschiedene BedOrfnisse haben. Aber woran liegt das? Worin zeigt sich das? Können daraus fOr das Zusammenleben Konflikte entstehen? Und nach dieser Einleitung wieder die gleiche leier. Ich habe das BedOrfnis nach Abwechslung. Können wir das Verfahren nicht wenigstens einmal umdrehen: Fra- gen, ökons Vortrag, Fragen, Gute-Nacht-Geschichten. Es 1st ja vielleicht wirklich ein ganz interessantes Experiment, mit Prof. ökons Vortrag zu beginnen. Endlich scheint hier Vernunft einzukehren. Ich teile meinen Vortrag in zwei lektionen und beginne nun mit der ersten. 401 VJ~r~.·!:--!a9.. . .__ . ~~~it~__9_1! Wie sich BedOrfnisse entwickeln und wodurch sie beeinfluBt werden Lektion 1 Menschen haben unterschiedliche BedOrfnisse. Das ist besonders auffäl- lig, wenn eine Person etwas gern hat oder mit Begeisterung tut, was eine andere Person ablehnt oder meidet. "Daran hätte ich Oberhaupt keinen Spaß", ist dann nicht selten zu hören. I Menschen haben unterschiedliche BedOrfnisse. Dieser Satz stimmt auch dann, wenn Menschen fOr ein ursprOnglich gleiches BedOrfnis unter- schiedliche Möglichkeiten entwickeln, wie sie dieses BedOrfnis be- friedigen wollen. So reicht es einem, wenn sein BedOrfnis 'zu Abend zu essen' irgendwie befriedigt wird. Ihm ist es nicht so wichtig, ob es eine reiche Auswahl an Aufschnitt gibt, ob der Tisch schön gedeckt ist, ob man sich beim Essen unterhält oder fernsieht. Man kann sagen, dieser Person ist es gleichgOltig, wie das BedOrfnis zu essen befrie- digt wird. Sie findet es vielleicht wichtiQer, immer die neuesten Sportmeldungen zu kennen. Einem anderen schmeckt es dagegen nur, wenn das Essen abwechslungs- reich ist, neue Zusammenstellungen der Zutaten enthält, in einer ange- nehmen Atmosphäre stattfindet usw. Sein BedUrfnis "zu Abend zu essen" wäre mit "Einfach-Satt-Essen" nicht befriedigt, er bliebe unzufrieden. DafUr ist er vielleicht an Sportmeldungen kaum interessiert. Menschen entwickeln also manche BedOrfnisse weiter und suchen dann nach immer neuen Möglichkeiten, den Genuß zu steigern. Man spricht dann von einer Verfeinerung der BedUrfnisse. Es ist zumindest denkbar, daß eine Per- son ein BedOrfnis endlos verfeinert. (Im Rahmen der Wirtschaftslehre umschreibt man diesen Sachverhalt häufig folgendermaßen: Die BedOrf- nisse der Menschen sind unbegrenzt.) Wenn ein Mensch ein Bedürfnis verfeinert, versucht er meistens, gleichzeitig noch einige weitere BedOrfnisse zu befriedigen. Eine ausgeklOgelte Mahlzeit mit Freunden dient ja vielleicht nicht nur dem BedUrfnis nach einem 'guten Essen', sondern zugleich dem BedOrfnis nach Lob und Anerkennung, nach neuem Wissen, nach Geselligkeit usw. FUr einen Beobachter ist nur schwer erkennbar, was da alles eine Rolle spielt - und häufig weiß es die betreffende Person selber nicht. 402 ________-.:::'~·it.·___.JU! Schleie: Die AusfOhrungen sind nichtssagend, darin aber viel- 403 sagend. Zunächst einmal fällt auf, daß Oberwiegend exemplarisch argumentiert wird. Insofern handelt es sich hier um so etwas wie Zusammenfassungen von nicht erzählten Geschichten. Es wird aber gar nicht die Ver- allgemeinerungsfähigkeit der Geschichten geprüft. Soll das Exempel fOr alle Menschen und fUr alle BedOrfnisse gelten? Wenn nein, für welche? Gibt es nur die beiden Grundmöglichkeiten der Gleichgültigkeit und der Ver- feinerung, oder gibt es da fließende übergänge oder wichtige Binnendifferenzierungen? Bei wem oder bei welchem BedOrfnis Uberwiegt welche Grundform? Die Anwendungsbedingungen fOr eine Verallgemeinerung und die Generalisierung selbst bleiben also im Dunkeln. Prof. ökon: Soll ich verwirren? Hauptsache, tiefgrUndelnde Schleie, der Grundgedanke wird klar. Schleie: Ein Exempel, das nicht klarlegt, wofür es exemplarisch ist, ist weder beispiellos. noch beispielhaft. Damit haben wir einen ersten Fehler. Zweitens ist schon der erste Satz ein Markenzeichen: "Menschen haben unter- schiedliche BedUrfnisse." Was soll da gesagt werden? Es gibt keine zwei Menschen, die sich hinsichtlich ihrer BedOrfnisse völlig gleichen? Es gibt keine zwei Menschen, die sich auch nur hinsichtlich eines Bedürf- nisses gleichen. Es gibt keine drei Menschen •.• Oder gar: Kein Mensch hat zwei gleiche BedOrfnisse? Und ist die Behauptung erdumspannend sowie die Vergangenheit und Zukunft einschließend gemeint, oder soll sie nur fOr die am 13.1.80 im Krankenhaus zu Passau Neugebore- nen 12 Stunden nach der Geburt gelten? Und wie wird das Vorliegen abweichender Bedürfnisse überhaupt fest- gestellt? - Dem Satz mangelt es also an Klarheit: Es fehlen Anwendungsbedingungen, die die G01tigkeit der Aussage charakterisieren, präzisierende Quantoren, Meßvorschriften. Prof. ökon: Ach, soll ich hier Laien vielleicht auch noch Ober die Konstruktion empirischer Tests, Ober Variab1enopera- tionalisierung oder Skalenmerkmale unterrichten? Schleie: Fachwissenschaft1iche Aussagen - insbesondere, wenn 404 sie aus der einem naturwissenschaftlichen Leitstern nachsteuernden ökonomik kommen - sind gebunden an eine FOlle fachlicher Axiome, Anwendungsbedingungen, Ver- netzungen, Begr1ffsb11dungen. Was machst Du mit dieser Einbindung, wenn Du zum Laien sprichst - einmal ganz beiseite gelassen, ob es Uberhaupt lohnt, mit dem Laien Ober den speziellen Gegenstand zu sprechen? Prof. öko": Nehmen wir einmal an, wir hätten eine derart bedingte wissenschaftliche Aussage. Und nehmen wir weiter an, wir hätten einen Gesprächszusammenhang, aus dem wir entnehmen können, welche zusätzliche Information das Gespräch weiterbringt - also sinnvoll und verständlich ist. Wir haben dann doch ein Kriterium zu entscheiden, was von der komplizierten, bedingten und vernetzten Aussage gestrichen, was in allgemeinere oder exempla- Yj~r:.t~r_Ta_9 ._._... . . .__ .__ ... _ _ __-"Se1te__10Q Schleie: Prof. ökon: Schleie: Prof. ökon: Schleie: Prof. ökon: Schleie: Prof. ökon: Schleie: Prof. ökon: rische Gewänder zu kleiden, was unter vorsichtige Ein- schränkung zu stellen und was hervorzuheben 1st. Das Ergebnis derartiger Vereinfachungen 1st allemal dasselbe: trivial oder vage oder in der Unbedingtheit falsch oder mißverständlich oder ins Bedeutungslose verdichtet oder alles zusammen: "Menschen haben unter- schiedliche BedUrfnisse". Möchtest Du, tiefgründelnde Schleie, lieber die abge- federte These: "Für viele Menschen gilt: ihre Bedürf- nisse unterscheiden sich teilweise." Du weißt sehr wohl, daß solche unbestimmten Einschrän- kungen in der Formulierung zwar qegen einen Teil der Kritik immunisieren, die Aussage aber nicht gehaltvol- ler machen. Gegen Ende Deines Vortrags hast Du ohnehin zu diesem legalen, aber anrüchigen Trick gegriffen: meistens, häufig. Es ist eine sehr interessante Frage, wie solche Ausdrücke beim Hörer kognitiv behandelt werden, ob er sie überhaupt verarbeitet, ob er sie nicht je nach Einstellung überhört oder abweichend reinterpretiert, ob er sie als Platzhalter einer Leer- stelle durchschaut und ob er bei einer späteren Rekon- struktion der Aussage die Leerstelle nicht mit einem Ausdruck füllt, der ihm "in den Kram paßt". "FOr einige Menschen gilt: ihre BedUrfnisse unterscheiden sich kaum". Merkwürdigerweise ist das nie untersucht worden. Damit, tiefgründelnde Schleie, fangen wir abermals an, uns mit einem Referenzsystem zu beschäftigen. Diesmal dem kognitiven Bezugssystem des Lernenden, mit dem er eingehende Informationen verarbeitet, ergänzt, ver- knüpft, auf Konsistenz -und Richtigkeit OberprOft Wie kannst Du meiner Aussage "Menschen haben unter- schiedliche BedOrfnisse" das Attribut vage, trivial oder mißverständlich zuschreiben, wenn Du die Wirkung beim Lernenden gar nicht kennst. Die Notwendigkeit einer kognitiven Mitarbeit beim Ler- nenden berechtiqt doch nicht zu munterem Drauflosfor- mulieren. Insbesondere dann nicht, wenn der Lernende über das erforderliche fachliche Referenzsystem noch gar nicht verfügt, sondern es erst noch erwerben soll. Es ist ja geradä das Tückische, daß Formulierungen wie die hier besprochenen dem Kundigen kaum auffallen oder allenfalls als schief formuliert eingestuft werden: Sie werden nach Maßgabe des individuellen Referenzsy- stems so reinterpretiert, wie sie wohl gemeint waren oder Sinn ergeben. Was hätte ich Deiner Meinung nach sagen sollen? Welche Menschen in welcher Hinsicht unterschiedliche BedOrfnisse haben. Das kann ich nicht sagen. Wie soll ich das verstehen? Wir haben auf Deinen Wunsch hin so getan, als wenn es hier um das Problem ginge, eine gehaltvolle fachliche Aussaqe zu vereinfachen, weil es Dir schicklich 405 408 407 Vi.,.t.~"_T=a=g _ schien, mit Deinen famosen Kenntnissen Ober Reduk- tionstechniken zu brillieren. Nur war die Prämisse falsch. Wir wissen natOrlich, wieviele Menschen nicht rauchen, wieviele auf dem HB-Männchen stehen, welche Sexualpraktiken oder Fernsehgewohnheiten in welchen Qruppen bevorzugt werden, wer typischerweise Peepshows besucht, ein Abonnement im Stadttheater hat, eine staatstragende Partei wählt ... Aber damit sind wir noch nicht bei den BedUrfnissen selbst und schon gar nicht bei der insgesamt entwickelten prallen BedOrf- nisvielfalt. Aber folgen wir der Fiktion des vermesse- nen Menschen. Wie darOber reden? Wie alle die winzigen Mosaiksteinchen zu einem prächtigen Bild zusammenfO- gen? Am Ende läuft es doch nur auf den einen Satz her- aus: Es ist alles sehr verschieden. Oder auch: Im Grunde ist alles gleich. Das ist dann eine Frage der Perspektive. ~.P'l,o", tttt, . • ~f tet.f "" .". • '~'J~+.iI.' . .,: .• :.. ;cf.'f. ~ ....... :••• ~ •• '•. , " ••• ,,~.~:.". ",' ; " L Seite 128 streiten nlcht - wie das Gedankenspiel einer gleichar- tiqen Geldgier bei allen Menschen schnell beweist Rabe Auch wäre der Versuch wohl erfolglos Es gibt schließ- lich viele gute Gründe, warum Leute verschledene. teilweise saqar gegensätzliche Bedürfnisse haben Die folgenden Geschichten kannen Dir helfen, ungeleckter Bär, Dich an solche Ursachen zu erinnern: Vier-.!ttr TIl9 _ Bernd bastelt gern _ ----"S=e..:...:it;. 129 0437 Bernd ist ein 13 Jahre alter Junge. In seiner freien Zeit sitzt er oft im Keller. "Bernd bastelt wieder. Ich glaube nicht, daß er jetzt nach draußen kommt", sagt die Mutter dann, wenn Nachbarskinder an der HaustOr klingeln, um Bernd zum Spielen zu holen. Abends, wenn sein Vater nach Hause kommt. fragt er Bernd oft, was er denn wieder erfunden und gebaut habe. Diese Gespräche der beiden dau- ern dann oft sehr lange, so daß sie dann auch gleich im Keller zu Abend essen. Eines Tages fragt ihn eines der Nachbarskinder: "Sag' mal, Bernd, wie kommt es eigentlich, daß Du dauernd in Deinem Keller sitzt? Radfahren ist doch bei diesem Wetter viel schöner!" Vierter TA:.w9 -=S=e...!...!1te 130 Bär: Maus: Rabe: Schleie: Rabe: Schleie: Rabe: Maus: Amsel: Bär: Schle1e: Rahe: Basteln. Radfahren. Haben die keine Videorecorder? Mir gefällt die Geschichte besser, die Sartre von sei- ner Kindheit gibt, daß er nämlich in der großen Bib- liothek seines Großvaters aufgewachsen ist. Was würdest Du an Bernds Stelle auf die Frage antwor- ten? Um welche Erkenntnisse bereichern erdachte Rechtferti- gungen? Das Verstehen eines anderen, tiefgrUndelnde Schleie, 1st angesichts verbreiteter Gleichgültigkeit und Frem- denfeindlichkeit ein wertvolles pädagogisches Ziel. verstehen geiingt nur, wenn eine interpretierende Struktur gefUnden wird. Und diese struktur enthält auch in ungeschliffener Form die Variablen, die in theoretischer Perspektive benötigt werden. Und Du kannst die E1nhaltung dieser Abfolge garantie- ren? Auch ein fremdenfeindliches Schema ist eine interpretierende Struktur. Ein Pädagoge hofft. Und so hoffe ich auch auf Deine nächste Antwort 1 Bär. Wie wahrscheinlich erscheint es Dir, daß Bernd in 5 jahren noch genauso gerne bastelt wie heute? Begründe Deine Meinung! Sartre hat jedenfalls nicht immer in der Bibliothek seines Großvaters gesessen. Die Studienolatzsituation für Bastler soll gar nicht so schlecht sein. (~n seiner Erinnerung 10 Jahre später) Die mir durch den knappen Bericht zur Kenntnis gebrachten Persön- l1chkeitsmerkmale der fraglichen Person sind derart dUrftig, daß ein auf prognostische Relevanz rekurrie- rendes Urteil innerhalb brauchbarer Sign1f1kanzberei- che in verantwortbarer Weise nicht abgegeben werden kann. Bravo! Der Bär macht sich. Nun, dann hast Du vielleicht die Freundlichkeit, rele- vante Prüfungen für die folgende Geschichte in Erwä- gung zu ziehen: 438 439 440 Petra und Karin machen Ferien __________S.1t·_1~1 441 Petra und Karin gehen in dieselbe Klasse. Beide freuen sich auf die bevorstehenden Sommerferien. Petra hat vier Geschwister. Zusammen mit den Eltern sind sie also sie- ben. Die Familie ist vor kurzem in eine größere Wohnung mit Garten ge- zogen, damit die Kinder mehr Freiheit haben. Die Miete ist dementspre- chend teuer. Karin schwärmt, daß sie in den Ferien mit ihren Eltern und ihrem Bruder an die Nordsee nach Dänemark fahren wird. Sie freut sich, daß sie wieder etwas Neues kennenlernt. "Fahrt Ihr denn in die- sem Jahr weg?", fragt sie Petra. Petra verneint und meint, sie freue sich auf die Ferien im neuen Garten, da könne man viel unternehmen. Karin hat kein Verständnis dafOr. "Ihr bleibt doch immer zu Hause. Ich verstehe nicht, daß ihr nie auf die Idee kommt, wegzufahren." Seit:. 132 Schleie: Rabe: Bär: Elch: Schieie: Rabe: Bär: Schleie: Da ~h nicht die unstete Natur des Lachses, meiner Verwandten, habe, verstehe ich Petra sehr gut Sabotage verstehst Du sehr gut Bär Wie würdest Du an Petras Stelle auf die Frage von Karin antworten? (10 Jahre später) Schon Proust hat gesagt, daß das Elend des Menschen darin besteht, daß er seine Wohnung verlassen muß, oder so ahn11ch Aber das wolltest Du, weiser Rabe, glaube ich, nicht hören Vor allem darf man durch solche Geschichten doch nicht nahelegen, Tourismus sei etwas Gutes oder auch nur Harmloses - nur weil von den 364 Millionen Ferntourl- sten des Jahres 1987 die Deutschen mit 25,8 Mill das Spitzenkontingent bildeten Man muß das Verdammungs- würdige, Zerstorerische, Ausbeuterische, Ru1no~e, Krebsartige des Tourismus herausstellen, der - abgese- hen von ein paar Absahnern - niemandem Nutzen bringt Am wenigsten den Aufnahmeländern, im Gegenteil Nur irreparablen Schaden tragen sie davon Und die Touri- sten-Lemmige konterkarieren durch ihre Massenhaftig- keit die eigenen Sehnsüchte, heizen den Ausverkauf des Paradieses an und traumen nur scheinbar erquickt von dem von Gott für sie personlieh noch in Reserve qehal- tenen Extra-Paradies Dies dumme Gerede von Volkerver- standigung und Entwicklungsschub Nachweislich steigen die Vorurteile bis zum Rassismus, etablieren sich post-koloniale strukturen, werden soziale und ökonomi- sche Traditionen zerschlagen, wird dle Umwelt rui- niert, neue 5k 1averei erri chtet, Überkommenes ernie- drigt, gelebte Vielfalt gleichgemacht Auch das noch! Höre, trittschwerer Elch, laß endlich ab von Deinem falsche-Bedürfnisse-Quark Auch wenn ich Dir gar nicht bestreiten will, was Du über den Touris- mus sagst, so bleibt es doch Zeigefinger-Pädagogik, die hier nichts zu suchen hat, weil dieses Ondulieren an den Kinderlocken unpassend ist Nicht jeder Gegen- stand läßt sich zu jedem Zeitpunkt kulturkritisch her- ausputzen Alles zu seiner Zeit' Kinder wachsen heute, wie Du zu Recht betonst, unter Erwachsenen auf, die vom Geist des Massentourismus erfüllt sind, und es ~äre nun vollig verfehlt, von den Kindern unterricht- lich eine Einsicht zu erwarten, zu der ihre Eltern of- fenbar nicht fähig sind Diese dauernden Versuche, ge- gen das Elternhaus zu sozialisieren - wir sollten end- lich welterkommen Gut Deine nächste Aufgabe, Bär, lautet Wie wahr- scheinlich erscheint es Dir, daß Petra und ihre Eltern auch in den nächsten Jahren nie in Urlaub fahren wer- den? Begrunde Deine Meinung! (10 Jahre später) Soll ich mein Spruchlein wiederho- len? Das Ganze ist unerträglich Wir haben von Prof ökon- zwar sehr unzureichend, aber doch immerhin ansatzweise - erfahren, daß es eine Vielzahl von Einflußfaktoren 442 443 444 445 Yierter Tag Seit~ bei der Herausbildung oder Verfeinerunq von Bedürfnis- sen gibt und daß diese auf komplizierte Weise verwoben sind. Wieviele Geschichten willst Du eigentlich erzäh- len, um dieses Netzwerk zusammenzupuzzeln? Rabe: Zumindest noch eine: ---,-'--- .--- -- t '---'-"-- (" : I_~ ..- ~ • Onkel Paul hat es gut gemeint Klaus hat von seinem Onkel zum Geburtstag ein Paar Turnschuhe ge- schenkt bekommen. Er weiß, die waren nicht billig ,aber dennoch ist er sehr enttäuscht. "Mit solchen Schuhenkann ich mich doch nirgends mehr sehen lassen", sagt er leise, damit seine ältern es nicht hören kön- nen. Onkel Paul hat es aber verstanden. "Das ist mir unbegreiflich", sagt er zu Klaus. "Genau die gleichen Schuhe habe ich vor zwei Jahren dem Herbert geschenkt. Ich weiß noch, daß Du ganz neidisch warst und auch unbedingt genauso ein Paar haben wolltest. Und jetzt machst Du so ein Gesicht!" Bär: Rabe: Bär: Rabe: Maus: Spinne: Amsel: Rabe: Seite (schreibt) Du kennst doch Deine Aufgabe noch nicht! Meinst Du? Erkläre Onkel Paul, warum Klaus enttäuscht ist! Nun güt, und dann: Wie wahrscheinlich erscheint es Dir, daß Klaus irgendwann einmal von einem bestimmten Turnschuh-Modell so begeistert ist, daß er es immer wieder nachkauft? Was haben Wissenschaft und Würfeln außer den Anfangs- buchstaben gemeinsam? Das F, das E und das N. Diese vom Speziellen aufs allgemeine Meinen hochrech- nenden Fragen sind unerträglich. Zumindest eine werdet Ihr noch aushalten müssen: a) Versuche, die überlegungen zusammenzufassen, die Du Dir bei den vorangegangenen Geschichten gemacht hast. Um Dir die Arbeit zu erleichtern, geben wir Dir eine Tabelle vor. Schreibe sie in Dein Heft und trage Deine Antworten zu den Fragen ein! 135 447 448 449 Was tun oder Welche Bedürfnisse spie- Wodurch werden die wollen die len dabei offensicht- Bedürfnisse offenbar Kinder? lich eine Rolle? beeinflußt? Bernd ... Petra ... Karin ... Klaus ..• b) Was spricht dafür, daß die Bedürfnisse. die die Kinder haben. in den nächsten Jahren gleich blei- ben? Was spricht daqeqen? Bär: (schreibt) Schleie: Unsäglich, dieses Rekurrieren auf den privaten Glau- 450 ben. Der Rabe zementiert mit seinen Geschichten und Meinungsfragen Vor-Urteile. Rabe: Tiefgründelnde Schleie, Du behauptest bloß die schlechteste aller möglichen Wirkungen. Wärest Du mil- der gestimmt, könntest Du Dir vermutlich vorstellen, daß die gestellten Aufgaben die soziale Phantasie des Yi.4!.r~~.L.I.a;.>J,9 . _ _ ~s.it. 13~ Lernenden anregen. Da es in diesem Curriculum nicht darum gehen kann, Gesetzmäßigkeiten der physischen und sozialen Entwicklung in ihrer gehaltvollsten Form dem Bären aufzubinden, deren Bedeutsamkeit für das Ver- ständnis eines konkreten Einzelfalls ohnehin sehr genau erwogen werden müßte, sondern die Vorstellungs- kraft an Exempeln zu schulen, kann ich an den ver- schwebenden Deutungen nichts Abträgliches finden. Sie erweitern das Spektrum sinnvoller Interpretationsmög- lichkeiten. Und mehr als Vermutungen, welche dieser Möglichkeiten im Einzelfall wirklich zutreffen, hat man im Alltag ohnehin nicht - schließlich ist jeder andere Mensch ein Kosmos für sich. Je größer nun aber dieses Deutungsspektrum ist, desto weniger ist man auf schematische und möglicherweise vorurte1lsbeladen~ Antworten festgelegt und desto stärker empfindet man auch die Unsicherheit und Prüfungsbedürftigkeit der ausgewählten Deutung. Schleie: Immer wieder der alte Trick. Jedesmal, wenn man keine vernünftige Idee für den Unterricht hat oder zu faul ist, eine Sache zu durchdenken. entdecken die Lehrer die prozessualen Ziele, so sehr sie ansonsten auch auf dem Erwerb von Wissensprodukten bestehen. In solchen Situationen heißt es aber: Denkanstöße, Kreativität, produktive Ideen, Eigenständigkeit, Spaß. Als wenn ein Gedanke schon allein deshalb gut ist, weil er gedacht wurde. Nichts berechtigt dazu, substantielle Kontrol- len zu suspendieren. Rabe: Im allgemeinen teile ich Deine Befürchtungen und kenne selber zahllose Beispiele undurchdachter Aufforderun- gen zum hemmungslosen Spekulieren - aber für diesen Fall sehe ich weder Gefahren, noch Alternativen. Schleie: Mich erstaunt, daß der weise Rabe so an seinem Konzept hängt. Schau' es dir doch an. Aus der Vielzahl der Faktoren, die auf die Entwicklung der Bedürfnisse ein- wirken können, werden uns drei oder vier vorgestellt. Erfährt der Schüler, ob das alle sind, ob sie ausge- wählt wurden, was ihre Wahl begründet? Rabe: Einverstanden, tiefgründelnde Schleie, da ist eine Lücke! Vielleicht sollte ich mir eine weitere Aufgabe ausdenken. Schleie: Auch hat Prof. ökon betont, daß bei sehr vielen Be- dürfnissen eine ausgesprochene Gleichgültigkeit gegen- über den kulturell oder situativ verfügbaren Befriedi- gungsusancen zu beobachten ist. Das scheint mir ein wichtiger Punkt. Wie will man sonst die sprichwörtli- che Undankbarkeit und chronische Unersättlichkeit von Kindern verstehen? Wie die Diskussion um den vorgebli- chen Wertewandel in der sogenannten postmaterialen Ge- sellschaft ... Rabe: in die wir heute ja wohl nicht einsteigen wollen. - Ich bin davon ausgegangen, daß dieser Gesichtspunkt sich bei einer verständigen Diskussion über die Ergeb- nisse bei den einzelnen Aufgaben einbeziehen läßt. _----.::S81t~~.1 Bär: Verständige Diskussion der Ergebnisse bei den einzel- nen Aufgaben! Bislang bin ich noch nicht einmal nach einem Ergebnis auch nur gefragt worden. Spinne: Und das wird auch so bleiben. Denkst Du, wir möchten Deinetwegen noch mehr Zeit verlieren? Schleie: Und dann diese Geschichten. Zugegeben, sie geben mehr her als die dürren Satztripel, die Oblicherweise zur Illustration von Lehrsätzen erzeugt werden. Aber sie bleiben zu karg, um Oberhaupt ein Verhältnis zu den dargestellten Personen zu entwickeln. Und dann diese ermüdende, in der Abfolge und Anzahl beliebige Reihung der Geschichten. Man wünscht sich den einen, komple- xen, mehrschichtigen, facettenreichen Fall, der fOr alles steht. Rabe: Hast Du Dein Argument wirklich zu Ende gedacht? Du 451 möchtest den einen großen Wurf! Nun, da wäre die berühmte Geschichte von den beiden leiblichen Geschwi- stern, deren Eltern ein unterschiedliches Einkommen beziehen ... Elch: Du meinst sicher: Elternteile. Rabe: Nein.- Aber gut, machen wir's realistischer. Ihr kennt die Geschichte vom Aschenputtel .. Welche Faktoren be- einflussen da welche Bedürfnisse? Zunächst einmal er- kennen wir die Bedeutung der erblichen Anlagen und/ oder des frühkindlichen Milieus: Aschenputtel kulti- viert gute Bedürfnisse, die blutsfremden Schwestern verfeinern schlechte. Wir erkennen sodann die Bedeu- tung des Alters: Wären die Mädchen sehr jung oder alt, würden sie dem Bedürfnis, den Prinzen zu ehelichen, nicht in mehreren Anläufen nachgehen. Hätte Aschenput- tel nicht die Fähigkeit, mit den Vögeln zu reden, könnte sie das Bedürfnis des immer schnelleren Einsam- melns der in die Asche verstreuten Linsen nicht ent- wickeln. Gäbe es nicht das Interesse der Stiefmutter, eine der Töchter unter allen Umständen mit dem Prinzen zu verheiraten, entstände bei den Töchtern nicht das Bedürfnis, Teile der Füße zu amputieren. Hätte Aschen- puttel keine Geschwister, würde es vermutlich weniger zur Hausarbeit qualifiziert sein. Hätte Aschenputtel Freundinnen gehabt, wäre ihr Bedürfnis, das Grab der Mutter zu besuchen, wohl nicht so ausgeprägt gewesen. Ohne die ländlich-versponnene Wohnumwelt könnte Aschenputtel keinen Sport daraus machen, auf ihrem Grundstück dem Prinzen zu entwischen. (Ungeklärt bleibt hier allerdings das skandalöse Bedürfnis der Umweltschädigung: Fällen eines schönen großen Baumes, an dem die herrlichsten Birnen hingen.) Sodann erken- nen wir die Bedeutung des Einkommens: Wie könnten die Schwestern ein Bedürfnis nach Juwelen äußern, wäre der Stiefvater nicht reich. Und wie könnte sich Aschenput- tel mit einem Haselreis begnügen, wUrde sie nicht als arme Dienstmagd gehalten. Hätte Aschenputtel mehr freie Zeit, würde sie wohl das Bedürfnis entwickeln, eine Linsensammelmaschine zu erfinden. Gäbe es nicht __________________--=-S!tite 138 den Einfluß von Modewellen, wäre fOr niemanden erkenn- bar, daß die Kleidung von Aschenputtel an jedem Abend am Hof das Nonplus-ultra war. Und ohne die Werbestra- teg1e des Königshauses hätte niemand von dem Fest gewußt und die auf's Heiraten gerichteten BedOrfnisse hätten nicht allenthalben so frei gewuchert. Einzig diese Lust an der Asche, die sei sehr schwer zu erk1ären ... über diesen Bericht wollte niemand lachen. Es wollte auch niemand etwa sagen. Es stellte sich schließlich heraus, daß keiner wußte, worum es in dem Märchen ging. Die Spinne besorgte einen Text und arrangierte eine Lesung. Aber sie kam nicht weit. Ein Anwalt erschien mit einer einstweiligen VerfOgung. Seine Mandantinnen, die Tauben, wOrden 1m Text in unzulässiger Weise verunglimpft und herabgesetzt. Weder seien sie Vorarbeiterinnen fOr Linsensammlerinnen noch im Dienstleistungsge~ werbe der Kupplerinnen tätig. Besonders rufschädigend sei die Behaup- tung, sie hackten Augen aus. Das möge es zwar bei Krähen geben, aber nicht bei ihnen. Ihr Markenzeichen sei der Frieden. Kaum war dieser Einspruch verlesen, erschien ein neuer Anwalt, der sich mit einer einstweiligen VerfOgung gegen die einstweilige VerfOgung der Tauben zur Wehr setzte - im Auftrag der Krähen. Die Spinne wählte eine andere Geschichte, um der Lesung doch noch zu einem Erfolg zu verhelfen. Aber schon stand ein neuer Anwalt da: fOr die Wölfe. Und so ging es weiter: Anwälte fOr die Ziegen, Zwerge, Goldesel, Stadtmusikanten So endete auch dieser Abend am Ende in der Sprachlosigkeit. Ein Tag, der nicht zählt Der Bär ließ wissen, es sei nach abendländischer Zeitrechnung Sonntag. Und da die Zeiten vorbei seien, in denen man sonntags zur Schule ge- gangen sei, um auf diesem Wege die werktägliche Mehrung des nationalen Wohlstandes nicht zu behindern, der allerdings meistens denen zugefal- len sei, die werktags ihr Curriculum absitzen durften, beabsichtige er nicht aufzustehen. Prof. ökon und dem Raben schien das gelegen zu kom- men. Sie vereinbarten öffentlich einen als privat deklarierten Spa- ziergang. Das hatte es noch nie gegeben. Prof. ökon: Rabe: Prof. ökon: Eiche'zur Esche: Rabe: Prof. ökon: Ein unangenehmes Publikum diesmal. Sehr frech und an- maßend. Und der El~ve scheint auch nicht gerade an un- seren Lippen zu hängen. Einige der Einwände sind diesmal gut gezielt. Statt Wunden zu lecken oder unsere Differenzen hervorzuhe- ben, sollten wir ~emeinsam nach Lösungen suchen und unser künftiges Vorgehen abstimmen. Einverstanden. - Aber doch sehr frech und anmaßend! Dort, die beiden Gelehrten in weiser Zwiesprache! Könnte man nur etwas davon erhaschen. In 100 Jahren noch würde man der Jugend davon erzählen. Für die Akzentuierung eines Curriculums sind bis heute zahlreiche Gesichtspunkte vorgeschlagen worden: Sie lassen sich alle irgendwo zwischen dem Pol uneinge- schränkter Subjektivität und Selbstbestimmung des Ler- nens und dem Pol objektivierter Anforderungen und Fremdvorgaben auspendeln. Dabei überfliegt das Pendel dann auf der curricularen Landkarte noch Regionen wie Wissenschaftsbestimmtheit, Handlungsorientierung, Si- tuationsbezug, Mehrperspekt;vität~ Produktorientie- rung, Prozeßorientierung ... Erspare mir diese didaktische Modenschau. Die Sache ist doch ganz einfach. Was unterscheidet einen ökono- 501 502 503 ~i"...I8.9.,. .. der:-'1.tc..J:lJ_~ähJ!: ..__._._... _ _ -=S~it. 1~0 mischen Unterricht von anderen Unterrichten? Natürlich der Gegenstand. Und wer konstituiert den Gegenstand? Die Wirtschaftswissenschaft. Und was charakterisiert die Wirtschaftswissenschaft? Ein sinnvoll aufeinander aufbauendes Gefüge von Begriffen. Es ist also nichts anderes zu tun, als sich diese stimmige Abfolge der Begriffe vorzunehmen und verständlich zu entfalten. Ob dieses Entfalten nun mehr einem Vortrag oder mehr einer Problematisierung gleichkommt, ob es mehr Selb- ständigkeit oder mehr Rezeption erfordert, darüber mögen von mir aus die Pädagogen trefflich streiten: Es bleiben völlig nachrangige Erörterungen, die den Kern der Entscheidung nicht berühren. Rabe: Man kann die Einsichtigkeit einer jeden Deiner rheto- rischen Fragen und mehr noch die Folgerichtigkeit al- ler Deiner Antworten mit guten Gründen in Zweifel zie- hen. Wenn ich mich hier dennoch nicht an der Kurz- schlüssigkeit Deiner Argumentation reiben will, so deshalb, weil ich im Prinzip anerkenne, daß die Inhal- te der ökonomik eine tragende Rolle spielen. Insoweit sind auch meine überlegungen dem Postulat der Wissen- schaftsorientierung verpflichtet. Aber mir ist aus Deiner Rede nicht klar geworden, warum jemand über- haupt ökonomische Inhalte kennenlernen soll. Prof. ökon: Ich denke, ich verstehe das Problem nicht. Nimm doch 504 einfach an, daß das Fach im Lehrplan steht. Dritte Buche zur siebten Buche: Rabe: Prof. ökon: Weiden: Prof. ökon: Schau' nur, schau. Die beiden Weisen im gelehrten Ge- spräch. Blieben sie doch stehen, was könnte man ler- nen! Du meinst, etwas ist allein schon dadurch bedeutsam, daß es ist? Bedarf e~ hier wirklich der Erklärungen? Solltest Du wirklich vergessen haben, in welchem Maße eine moderne Industriegesellschaft durch ökonomische Entscheidungen und Strukturen geprägt wird? Ein schlechtes Management kann tausende von Leuten arbeitslos machen. Wirt- schaftspolitische Fehler können Millionen um ihr Geld bringen - 'Millionen um ihre Millionen bringen', greinen die beiden Unkenntnisse über Konsumartikel und Marktprozesse fOgen Verbrauchern große Schäden zu. Unverständnis von ökonomischen Entwicklungen mündet in falsche Berufs- wegentscheidungen ein. Wahlkämpfe werden häufig Ober wirtschaftliche Fragen entschieden: wählen die Bürger richtig, mehren sie ihren Wohlstand. Kurz und gut: Die ökonomik geht jeden an. Nur mit soliden ökonomischen Kenntnissen versteht er seine Umwelt, kontrolliert er die Entscheidungsträger, gestaltet er konstruktiv die Entwicklung mit, handelt er zu seinem persönlichen Vortei 1. ~Jn T~g_L9.e!"--!:l_ich~~_lh'L .. .. __. .. __. ._ .. .__~e_it.~_._t41 SOße Bären- schote zur gemeinen Bärentraube: Bärentraube zum Bärlapp: Bärlapp zur Bärme: Bärme zur Bärbel : Bärenklau: Bären-Lauch: Vom Verstehen sprechen sie. Und vom Beurteilen und Mitbestimmen. Und vom Gestalten. Und vom vernünftigen Handeln. Echt bärig. Ich wäre auch so gerne Lehrer. Bärendreck und Bärenfang. Was für ein Ereignis. Und, vor lauter Begeisterung verströmte der Bären-Lauch ein ätheri- sches Öl, das wie üblich übelriechende Schwefelverbindungen enthielt. Der Rabe mißdeutete seine Wahrnehmung und überlegte kurz, ob ökon vielleicht Knoblauch gegessen hatte. Rabe: Deine Argumente stammen samt und sonders aus der Phase imperialistischer AnsprUche der ökonomen an die Ausge- staltung wirtschaftlicher Lehrpläne und sind rhetori- sches Beiwerk. Da sie aber auch heute noch im großen Chor und mit großem Ernst nachgebetet werden, muß man fast schon an eine Legendenbildung glauben. Ich tippe allerdings eher auf Gedankenlosigkeit. Offenbar benö- tigt auch eine Fachdidaktik erst ein Mindestmaß an gedanklicher Vorarbeit und fachlicher Arbeitsteilung, eine kritische Masse, um sich schöpferisch entfalten zu können. Prof. ökon: Ich verstehe nicht, was Du kritisieren willst. Sie gehen an einer von ihnen unbeachtet gelassenen Rotte Kaninchen vorbei; alle mümmeln stillvergnügt. Rabe: Ich bezweifle, daß Dein Curriculum die Wirkungen her- 505 vorruft, die Du ihm zuschreibst. Wenn es gut geht, verbessert es hier und da das Verständnis: Man ahnt zumindest, was ein ökonom im Fernsehen sagen will, weil man bereichsweise gelernt hat, wie er tickt; man s~it. 142 reimt sich wohl auch zusammen, wovon ein Zeitungsarti- kel handeln könnte. Aber spätestens beim Verstehen ökonomischer Prozesse wird es ohne die geschwätzigen Kommunikatoren in den Medien düster. Warum sinkt der Dollarkurs seit vielen Monaten so penetrant, warum steigen die Aktienkurse weltweit so anhaltend? Nicht, daß da jedermann nur mit den Achseln zuckte, aber die Antworten sind aus der Sicht des Fachmannes doch über- wiegend verzerrt, kurzschlüssig, außerökonomisch und vorurteilsbehaftet. Prof. ökon: Zweifellos gibt es auch schlechte Lehrer. Man darf zur Beurteilung aber auch hier nicht nur negative Rander- scheinungen heranziehen. Rabe: Ich rede nicht von schlechten Lehrern und schlechten Randerscheinungen, sondern von schlechten Argumenten. Was berechtigt zu Deiner Prämisse, daß man bei jedem alltäglichen Verstehensprozeß oder Urteil auf diejeni- ge kognitive Struktur zurückgreift, die subjektiv am differenziertesten entfaltet sind? (Immer unterstellt, das schulische Curriculum habe diese Struktur über- haupt erzeugt.) Der Umgang mit diesen elaborierten Strukturen wäre sehr anstrengend. Vielmehr verfUgt je- dermann über eine Fülle sehr schlichter Schemata. Sie enthalten Wirkungszusammenhänge, die lediglich zwei oder drei Variablen verknüpfen. Und sofern die Variab- len nicht von vornherein pauschalierte Agenten und Objekte bezeichnen - die Unternehmer, die Russen, die Türken - bleiben sie Platzhalter> < für jene Agenten, für die man in einer speziellen Situation eine schema- tische Charakterisierung benutzt: Produkt >x< ist teu- rer, weil es von höherer Qualität ist! Das Produk der Marke >V< ist gut, weil schon meine Oma die Marke hatte! Das Produkt >Z< ist gut, weil es viele kaufen! Derartige Urteile sind ziemlich gefahrlos. Schätzt man einen heißen Ofen falsch ein, verbrennt man sich die Finger. Urteilt man aber Uber die Marken falsch, was macht's? - Das zum curricularen Anspruch des 'besseren Verstehens'! Du aber redest dann sogar noch von 'Mit- bestimmung', 'Kontrolle der Experten', 'vernünftiger Mitgestaltung'. Prof. ökon: Das klingt wie eine Abgesang auf die Aufklärung. Men- schen sind dumm und bleiben es. Rabe: Nur, wenn man es mit einem falschen Schema zu verste- 508 hen sucht! - Aber wenn Dir wirklich an Aufklärung gelegen ist, mUßtest Du doch versuchen, die Ob1ichen schematischen Urteile der zu Belehrenden Uber die einzelnen Gegenstände zur Kenntnis zu nehmen und dUrf- test nicht so ausschließlich auf die Wissenschaft und ihr System starren. Aufklären meint doch nicht so sehr: dort säen. wo noch nichts wächst, sondern mehr: das kultivieren, was bereits wächst. Es gehört zu den klassischen Fehlurteilen anzunehmen, die kognitiven Landkarten enthielten überall dort, wo der Wissen- schaftler oder Lehrer noch nicht gesprochen hat, weiße Flecken. In Wahrheit gilt eher das Umgekehrte: Da schon jedes Fleckchen besiedelt ist, werden die wis- senschaftlichen Sendboten nur selten heimisch und Uberwiegend nur als kurzzeitige Gäste geduldet. Prof. ökon: Nun mal langsam. Diese schematischen Urteile sind doch weitgehend unbekannt ... Rabe: ... umso dringlicher wäre es, an einer Bestandsaufnahme zu arbeiten - statt immer wieder "neue" EinfUhrungen und SchulbUcher zu schreiben, die doch bloß die tau- sendmal gesagten Dummheiten wiederholen .•. Prof. ökon: Und selbst wenn man sie kennen wUrde, ließe sich aus ihnen kein Curriculum komponieren. Um die Schemata zu differenzieren, werden wissenschaftliche Argumente benötigt. Die sind in einer speziellen Begrifflichkeit verfaßt und nur mit ihr verständlich. Diese Begriff- lichkeit ist systematisch aufgebaut und muß systema- tisch gelernt werden - womit wir wieder beim wissen- schaftsbestimmten Lehrgang sind; denn es kann doch wohl nicht angehen, für die Diskussion eines jeden schematischen Urteils einen langen wissenschaftsbe- stimmten Exkurs einzuplanen. Rabe Uberlegt kurz, ob Ökon Knoblauch gegessen hat. Gleich darauf läßt er einige vor sich hinmümmelnde Kaninchen unbeachtet. Rabe: Zweifellos ist es nicht einfach, eine Balance zwischen den beiden Polen zu finden; ich kritisiere vor allem, daß Du Dich gar nicht um sie bemühst. Prof. ökon: Es reichte doch auch, wenn die SchOler die Balance in ihrem Kopf herstellen. Sie lernen ja die besseren Ar- gumente kennen, und es ist dann doch fUr sie einfach, die schlechteren auszumustern. Rabe: Das ist der zentrale Punkt. Das prinzipiell Mögliche 507 als das faktisch Realisierte zu behandeln, ist der di- daktische Kardinalfehler. Und in der Logik mag es eine zutreffende Regel sein. daß nicht zugleich A und Nicht-A vorhanden sein können. In unseren Köpfen ist das sehr wohl möglich - und es kann da gleichzeitig sogar noch ein widersprechendes Drittes, 'Viertes und Fünftes geben. Und all das, ohne daß wir es überhaupt bemerken müßten. Teilweise liegt das daran, daß,die unterschiedlichen kognitiven Strukturen jeweils auf andersartige Anwendungssituationen bezogen werden - obwohl eigentlich alle Situationen mit derselben Struktur bearbeitet werden müßten. Prof. ökon: Du meinst, .in der Anwendungssituation 'Klassenarbeit' oder 'Lehrbuchlektüre' werde beispielsweise die wis- senschaftsbestimmte Version eingespielt, beim Streit am Stammtisch eine Version B, beim Genießen einer Wahlrede eine Version C usw.? Das wäre kognitiv sehr unökonomisch - soviel vergeudeter Speicherplatz, wenn man doch nur eine Version braucht. Rabe: Sehr ökonomisch, wenn man bedenkt, wieviel Zeit, Mühe, Unlust selbst in Situationen, in denen schnell gehan- delt werden müßte, erforderlich wären, wollte man ei- nerseits so etwas wie kognitive Eindeutigkeit herstel- len, andererseits stets die wissenschaftsbestimmte, also anspruchsvollste Version einsetzen. Du hast ge- stern der Behauptung nicht widersprochen, daß ökono- mische Aussagen gebunden seien 'an eine Fülle fachli- cher Axiome, Anwendungsbedingungen, Vernetzungen, Be- griffsbildungen' , vielmehr hast Du den Eindruck hoher Voraussetzungen mit Deinem Plädoyer fOr den fachsyste- matischen Lehrgang noch gesteigert. Nur in besonders wichtigen Fällen wird man die Last auf sich nehmen, diese komplizierten Netzwerke zu durchdenken. Prof. ökon: Die Wahrhaftigkeit ist ein besonders wichtiger Fall. Und Wahrhaftigkeit ist unsere Pflicht bei jedem Atem- zug. Rabe: Weiterhin übersiehst Du, daß die vorwissenschaftlichen Versionen für praktische Zwecke durchaus leistungs- fähig genug sein können: Statt optimal sind sie häufig hinlänglich gut. Vielfach wird die Fehlerhaftigkeit von Urteilen aucn gar nicht entdeckt, weil Zurechnun- gen schwierig sind oder weil man selbst unter den Folgen des Fehlers nicht zu leiden hat: Welche Sank- tionen hat ein Lehrer zu erwarten, der von dem verwil- derten Erscheinungsbild eines Schülers unzulässig auf eine verwilderte soziale Einstellung bei diesem schließt? Prof. ökon: Bleiben wir doch bitte bei der ökonomik. Rabe glaubt, daß ökon Knoblauch gegessen hat. Vor sich sieht er ein Kaninchen, das mümmelt. Rabe: Und sehr viel gravierender als bei alltäglichen Urtei- 508 len und Verstehensprozessen ist die Kluft zu den wis- Ein Tag, der nicht zählt.=:.-- -'S=..=8'-=-it.=.=-_1:....:..=.45 Prof. ökon: Rabe: Prof. ökon: Libelle zur Schleie: Schleie zur Libelle: Libelle zur Schleie: Schleie zur Libelle: Rabe: senschaftsb~stimmten Deutunqen beim alltäglichen Han- deln. Das Wissen, das unser soziales Handeln im Alltag steuert, weicht nämlich auch hinsichtlich der formalen Gestalt deutlich vom Wissenschaftswissen ab. Wo 1m einen Fall Netzwerke aus artifiziell erhobenen Variab- len, Kalkülen, Ableitungshierarchien u.ä. als Organi- sationsformen dienen, dominieren im anderen Fall - et- wa bei dem Steuerungswissen für Gewohnheiten - szeni- sche Strukturen. Was im einen Fall interdependent oder nach komplizierten Vorschriften gestuft zu betrachten ist, wird im anderen Fall stereotyp sequentiell durch- laufen ... Nicht so schnell. Was Du zur ökonomik sagen willst, 1st klar. Aber diese vorgeblich szenischen Strukturen mußt Du schon etwas genauer beschreiben. Gut. Einige Kognitionspsychologen gehen davon aus~ daß unser Weltwissen über vertraute Situationen episodisch organisiert ist: Wir bilden uns vom üblichen Ablauf eine typisierte Episode, die aus einer mehr oder weni- ger klaren Abfolge von Standardszenen besteht, wobei das Abschlußergebnis der einen Szene i.d.R. die Ein- gangsbedingungen für die folgende Szene darstellt. Eine solche Episode nennen sie script ... Kannst Du nicht etwas konkreter werden? Sieh' an, unserem Abstraktionsapostel geht die Vor- stellung aus. Das müßte er mal didaktisch reflektie- ren! Er versteht nicht. Ihm ist das Referenzsystem verloren gegangen. Er könnte sein altes benutzen, wenn der Rabe es für möglich gehalten hätte, die andersartigen Ei- genschaften der scripts Punkt für Punkt aus seinem Verständnis einer gehaltvollen Wissensstruktur herzu- leiten. Es scheint paradox. aber man versteht nur je- nes Neue, das einem in der alten Referenzstruktur im- plizit schon bekannt war. Oder man kann als Referenzstruktur ein vertrautes Bild vorschlagen, eine Metapher, ein Gleichnis, ein Modell. Das ist nur mit der Übertragbarkeit häufig in mancher- lei Hinsicht heikel: Funktionieren Marktprozesse tat- sächlich so mechanisch wie Balkenwaagen, deren beide Schalen Angebot und Nachfrage repräsentieren? Oder man kann ein Beispiel durchdenken und dann versu- chen, es hinsichtlich der 'wesentlichen Merkmale' zu verallgemeinern. Darin sucht der weise ökon offenbar jetzt sein Heil. Gut, ein Beispiel. Du hörst den Anfang einer Geschich- te: "Sie sah ihre Befürchtungen bestätigt. Um diese Zeit war es immer eine Qual. Am Eingang befand sich kein einziger Wagen mehr. Und an den beiden Kassen standen fast bewegungslos endlose Schlangen ... " Worum 509 510 geht es hier? Erreicht eine Frau erst nach Geschäfts- schluß ihre Bank? Ist sie mit einem Boykott konfron- tiert? Will sie am autofreien Sonntag mit der U-Bahn fahren? ökon überlegt kurz, ob Knoblauch zur Nahrung von Raben gehören könnte. Es entscheidet sich dann aber wegen der Stärke des Geruchs für die Annahme, daß dieser von einigen Kaninchen stammt, die ganz in der Nähe hocken und auffällig rege mümmeln. Prof. ökon: Unsinn~ Sie betritt in der Hauptgeschäftszeit einen Supermarkt oder so was. Rabe: Großartig. Für die dürren Vorgaben hast Du gleich ein stimmiges Szenario gefunden. Und was hast Du jetzt nicht gleich für gehaltvolle Erwartungen darüber, was die Frau alles machen wird. Du weißt, wie dort typi- scherweise der Ablauf aus der Sicht des Kunden i~t: Hineingehen und Wagen schnappen, durch die Gänge gehen und den Wagen mehr oder weniger planvoll beladen, mög- licherweise den Rundgang an einer Fleisch- oder Käse- theke unterbrechen, an der Kasse anstellen und auspak- ken, bezahlen und umpacken, rausgehen. Und diese Sze- nenfolge ist nicht beliebig: man bezahlt nur, was man aufs Band stellt, und man nimmt nur mit, was man bezahlt hat. Und weil das alles so-konsistent ist, 1st der kognitive Aufwand sowohl beim Verstehen anderer als auch beim Planen eigener Handlungen so gering. Ne- ben dieser Szenenfolge, die das Kernstück des scripts bildet, weißt Du natürlich, welche Rollen zu erwarten sind: neben dem fraglichen Verbraucher Kassierer, eine Bedienung an der Fleischtheke - soweit vorhanden , vielleicht jemand, der die Regale auffüllt, mehr oder weniger zahlreich andere Kunden. Diese Rollen sind im script zunächst nur Leerstellen, weil das script eine allgemeine Struktur bietet, die für viele gleichartige Handlungen mit durchaus anderen Personen Gültigkeit beansprucht, und diese Leerstellen werden erst ;n der konkreten Situation mit den realen Personen besetzt. Ähnlich ist eS'~it den zugehörigen Requisiten: Du er- wartest sicher Regale, darin Waren, Einkaufswagen, Kassen, Absperrungen usw. Und Du weißt, warum Leute in die Läden gehen, warum andere sie betreiben, warum wieder andere dort arbeiten. lid Du kennst die An- fangs- und Endbedingungen des scripts. Man geht mit Geld und ohne Waren ins Geschäft und kommt mit Waren und weniger Geld heraus - und vice versa. All das hast Du plastisch vor Augen. All dies reich- haltige, sinnvoll aufeinander abgestimmte Wissen mußt Du nicht mühsam aus allen Winkeln irgendwelcher Netz- werke zusammensuchen; es ist alles in der einen orga- nisatorischen Hülle enthalten. Das ganze Wissen steht Dir zur Verfügung, sobald und solange Du das script aktivierst. Und das gilt für alle Situationen mit gleichförmigen Abläufen: Restaurantbesuche, Fußball- S~ite 147 spiele. Universitätsseminare. Eisenbahnfahrten Siehst Du nicht gleich alles plastisch vor Dir? Was siehst Du demgegenüber plastisch und mühelos, wenn Du aufgefordert würdest, Maßnahmen gegen ein Abflachen des Wirtschaftswachstums zu empfehlen, was ja auch eine Standardsituation ist ... Der Rabe war längst stehen qeblieben und hatte begonnen, mit seiner Zehe im Sand des Weges lesbare Zeichen zu erzeugen. Es entstand dabei etwa folgendes Bild: \--sr n. ~T uRE~Se.tipt ~ l a rp I ierSTr..\J~U~EN l sTR 1 "i~ W e"""""'ND U N-;;-, PO;"~(" K~ .... f'e J;b~ nenJu el-e."':l"; 5JC! S ~, l' i A N W r.:~ \I N~ I y d.h. AufCJtl.l,e. tlu e\~..tt ehto.1io"o.I~ R.en~~OI\ \1in d~rn i sse. .f~hr+ cv-.~ \Jo..hl c-."c:lt.nr A1<.+i 0 ne"- M.tl;!; kll.+; 0 I\. ele\" .A~}ione .... ~~.ffut\~ ~ICo\\c.Ie,... VOfOJ.AJSl.~ Uf\ ~eV\. Sub,.J.\-h,.\-;on. )S~el1e A: he.l"\e. '1 ~ S~e"'e 2. -> .... " .(- ekH... lfe\o1(,. Al..~;o" A~ I~~ 1 Vi~t'le..*en. -\-0-- (fZe.sJ,s _ Seite 262 Bär: libelle: Elch: Libelle: Nebelkrähe: Maus: "Bedürfnisse drücken ein bestimmtes Mangelempfinden beim Menschen aus. " Man sieht es richtig vor sich, wie die Bedürfnisse den Menschen in die Mangel nehmen, drücken und durchwal- ken, bis die Empfindungen aus allen Poren und Pickeln quellen. Hier in diesem Text wird behauptet: "Existenznotwendig ist auch das Bedürfnis nach Trans- oort für den Gebietsvertreter eines Unternehmens mit ,",ilfe eines PKW." 01- .. .. __ •._. .•.. _ _ -=Seite 307 FOßen wippend und sich manchmal etwas über die Brüstung hinauslehnend, den Blick zunehmend von den Winzlingen zu seinen Füßen lösend und den Kontakt mit dem Unendlichen suchend. Man wurde sich schnell einig, zwei Beobachter zurückzulassen. Einen zum beifälligen Nicken und einen für gelegentliche Zwischenfragen. Der Bär meldete sich freiwillig, und die Maus zog das kürzeste Streichholz. Vt' ~/ '1,- \1/ ,,1/ "I' 'Ir' YI/ Als sich die anderen zur Lichtung zurückbemOhten, war es, wenn das 1111 Blätterraunen etwas nachließ, als rufe ökon ihnen hinterher, wie wich- tig es für das Auffinden einer Lösung bei Entscheidungen sei, daß die technologischen Beziehungen der Kriterien und die Wertbeziehungen so beschaffen seien, daß Lösungen überhaupt existent und zudem eindeutig seien. ~Oberdeterminiertheit'wehte es herüber, 'Unterdeterminiertheit - einfaohe Konvexität - strikte Konvexität - Grenzraten der Substitu- tion - absolute Sättigung - Übersättigung ... ' Spinne: Wi ndwi rbe1: Rabe: Irgendwie war vor der Störung von offenen und ge- schlossenen Curricula die Rede. Tatsächlich scheint mir Ober die Curriculumtheorie bisher sehr wenig ge- sagt worden zu sein. Dabei ist das bei den Didaktiken doch immer eines der Hauptthemen. ~as die Leute alles Theorie nennen. So kann ich das nicht sehen. Erstens denke ich, daß die Diskussion Ober die Voraussetzungen, Möglichkeiten und Techniken der Curriculumkonstruktion, -begründung, -einführung, -erprobung, -revision und so fort in der didaktischen Literatur überbetont vertreten sind, weil dieser Gegenstand die Handlungskompetenz von Lehrern nur mittelbar berührt. Zum anderen sind hier fast alle 1112 ~~.'!~eLJ:ag. . .. .. _... ._. Spinne: Rabe: Spinne: Rabe: Spinne: Rabe: Spinne: Rabe: Spinne: Rabe: Wirbelwind: Spinne: Wi rbelwind: Fragen irgendwann angesprochen worden - nicht erschöp- fend zwar und manchmal nur als Fragestellung, aber immerhin. Ich weiß nicht, weiser Rabe·- ich wüßte da doch gern mehr. Wie bist Du zum Beispiel zu Deinem Curriculum gekommen? Ganz einfach, ordnungssinnige Spinne. Es ist am Lehr- plan für die Hauptschule eines sehr großen Bundeslan- des orientiert. Fast alle Ziele wurden berücksichtigt. Nur die abwegigsten wurden ausgelassen - etwa für das 5. Schuljahr den Zusammenhang zwischen BedOrfnissen und Berufswahlwunsch herzustellen. Gut, aber dann wäre es doch interessant zu wissen, wie dieser Lehrplan zustande gekommen ist. Jedenfalls nicht so, wie es im Buche steht. Da mUßte man über die Willkür bei der Besetzung der Lehrplan- kommission reden, Ober freche Selbstinthronisationen weiterer Mitglieder und Ober Piraterien, durch die die genehmigten Druckfassungen noch vo~ der laufenden Druckpresse eigenmächtig und einschneidend verändert wurden. Eine Räuberpistole also, die verstehen hilft, warum da letztendlich so wenig zusammenpaßt. Eine besonders schöne Ungereimtheit besteht darin, daß für den im Lehrplan vorgesehenen Unterricht in den Klassen 5 und 6 in der Stundentafel keine Minute frei gemacht wird und die Themen beiläufig im Geschichts- oder Politikunterricht zu behandeln sind. Jetzt verstehe ich gar nichts mehr. Woran mißt man denn dann die Eignung von Lehrmaterialien? Das ist ganz einfach. Die vom Herrn der Schulen ein- gesetzten Gutachter nehmen natürlich den gültigen Lehrplan zur Hand. Und die Statthalter des Herrn der Schulen nehmen wegen der finanziellen Zumutbarkeit bei den öffentlichen und elterlichen Haushalten auf nicht existente Kurzversionen Bezug - nach Maßgabe der Text- länge und der erwarteten Schulbuchpreise. Aber das ist ja irre! Nein. Irre ist allenfalls, daß der Statthalter des Herrn der Schulen, der peinlichst über die Konformität der Lehrmittel mit den Lehrplänen zu wachen hat, den Lehrplan selber ablehnt und jedes Medium fOr genehmi- gungsfähig hält, das mit den Intentionen eines anderen Lehrplans eines anderen Bundeslandes in Einklag steht. Allmächtiger! Aber das kann doch nicht überall so sein! Natürlich nicht. Meistens geht es ungemein geregelt zu. Der Rabe will sagen, daß da, wo nicht Regellosigkeit die Regel ist, die Formalisierung in Form ist. Bitte? Nun, neben den machtvergessenen Willkürlichkeiten gibt es die ausgehandelten Willkürlichkeiten. Nehmen wir etwa die Curricula der beruflichen Schulen: die ver- schiedenen Bundesländer, deren ständige Clearingstel- le, eine zentrale Einrichtung des Bundes und ein Quer- Spinne: Wirbelwind: Spinne: Windwi rbel: Spinne: libelle: Wirbelwind: libelle: Wirbelwind: libelle: Wi ndwi rbe1: schnitt der gesellschaftlich relevanten Gruppen mäch- ten sich auf ein im Kern gemeinsames Curriculum eini- gen - wo schon eine homogene und einigermaßen inspi- rierte Gruppe auch nur einer Einrichtung (und somit ohne die Behinderung durch die anderen) es einiger- maßen schwer hätte, etwas zuwege zu bringen, was das Licht der Curriculumdiskussionen nicht zu scheuen braucht. - Was aber machen nun die verschiedenen Curriculumsfunktionäre und -beamten? Man ist ja nicht dabei. Aber vom Ergebnis her gedacht, scheint es ähn- lich zu verlaufen wie in anderen Gremien. Zunächst einmal mildert man die strukturellen Gegensätze, die man persönlich repräsentiert, durch Produktion eines Korpsgeistes, dessen Profil implizit mitbestimmt, wo- rüber man nicht gemeinsam nachdenken möchte. Und- dann hat man bei der offiziellen Arbeit erstens den forma- len Rahmen, in den das Curriculum zu pressen ist, zweitens das althergebrachte Curriculum, drittens einige Punkte, die man berücksichtigen soll, viertens die Papiere mit den Standortbestimmungen der repräsen- tativen Gruppen und fünftens alle Zurufe, die noch darüberhinausgehen. Und wie wird daraus nun ein Curriculum? Ja, wie wird daraus ein Curriculum? Ganz einfach. Man entleert alle Formulierungen genau so weit, bis jeder glaubt, seinen Intentionen sei nun- mehr Rechnung getragen. Allmächt i ger! Du darfst Dir das nicht so zu Herzen nehmen, ordnungs- sinnige Spinne. Es bedeutet für die Praxis in aller Regel nicht viel. Und so darf ein weitverbreitetes Lehrbuch für die kaufmännische Ausbildung gelassen seiner bald anstehenden zweihundertsten Auflage entge- gensehen. Allmächt i ger! Das sind alles maßlose Verleumdungen - Du forderst maßvolle? - Unterstellungen, ungeprüfte Behauptungen, eine Dif- famierung all jener, die an den verschiedensten Stel- len in der Gesellschaft eingagiert und unter Opfern an der Verbesserung und Neueinrichtung von Curricula arbeiten - Du hast Recht. Ich könnte sagen, ich wollte die Spinne nur erschrecken. - Es ist ehrabschneiderisch für die hart arbeitenden Personen, und es ist ungerecht, was die Ergebnisse angelangt. Ich könnte natürlich auch sagen: Was kann schon das beste Curriculum taugen, wenn man über das Lehren und Lernen so wenig weiß. 1113 Obwohl nun alles darauf hindeutete, daß eine erhellende Diskussion über die Möglichkeiten und Grenzen der Curr;culumentwick1ung beginnen wUrde, kam es ganz anders. ----------_._------------ ~e;te 310 Maus: Schleie: Maus: Schleie: Maus: Schleie: Amsel: Schleie: Maus: Rabe: Maus: Spinne: Maus: Helft mir, ich kann nicht mehr! Ich ertrage kein wei- teres Wort mehr. Was ist passiert? Mir ist speiübel. Er redet. Pausenlos. Der ganze Argu- mentationsmüll fällt auf einen herab. Berge von ausge- spuckten Argumenten, Bewei~en, Einwänden, Besonderhei- ten, Klassifikationen, Termini. Worüber redet der denn? Er hat sich an den wichtigsten Typen von Entscheidun- gen festgebissen, nachdem er uns - wie er meinte nunmehr alle wichtigen, eine Entscheidungssituation konstituierenden Elemente vorgestellt habe. Zunächst also statische Theorien der Entscheidung unter Gewiß- heit, dabei zunächst solche mit einem erwünschten Ni- veau. Blablabla. Sodann solche mit Optima - schwache Rangordnungen und latente Indifferenz, starke Rangord- nungen und manifeste Präferenzen. Blablabla. Dann sol- che mit Präferenzschwellen - fixierte Schwellen, sto- chastische Schwellen. Blablabla. Dann solche mit pro- babilistischen Ordnungen - Vorzugswahrscheinlichkei- ten und Präferenzordnung, Ableitung von Nutzenskalen. Blablabla. Sodann noch Prüfung von Einzeltheoremen über die Wertordnungen - Konsistenztheoreme, Transiti- vi täts-Theoreme , Ursachen für Intransitivität, proba- bilistische Theoreme. Blablabla. Und nun hat er gerade mit den Theorien der dynamischen und quasi-sicheren Entscheidung begonnen. Ganz erstaunlich! , . I • .' • ------:------. # I • J Was? Was die dahinwuselnde Maus alles Entscheidendes behal- ten hat, wo sie angeblich nicht zuhören mochte. Wenn ich noch einmal das Wort 'Entscheidung' höre, schreie ich. Und der Bär? Der wollte bleiben. Dem gefällt's. Der wendet keinen Blick von der Kanzel. Er verstehe zwar nichts, hat er gesagt, aber es klinge so gut. So habe er sich das in der gelehrten Welt immer vorgestellt. Und es würden auch nicht dauernd Fragen gestellt. Gut, wer geht für die Maus hin. Das bedarf einer Entscheidung - Ahhhhhhhhh! 1114 1115 1118 Neunter Ta.9__ . ~eite 311 Nachdem man die Maus wieder beruhigt hatte. wurden wieder Streich- hölzer gezogen. Die Amsel mußte zum Hochsitz. Elch: Rabe: Spinne: Können wir nicht endlich weitermachen? Kein Bär. Kein Prof. ökon. Diesmal springe ich ein! Spinne: (sich als Amsel fühlend, die sich als Prof. ökon fOhlt) o o o o Neunter:._Tas ._.------ Von den Schwieriqkeiten, wirtschaftlich zu handeln 51~ite 312 1117 Menschen wissen zwar im allgemeinen, daß es sinnvoll ist, die beiden Grundsätze des wirtschaftlichen Handelns zu beherzigen; sie wissen, daß es ihnen dadurch leichter gelingen wird, mit ihrem Einkommen a~s­ zukommen. Dennoch verstoßen sie im Alltag oft gegen diese Grundsätze. Woran mag das liegen? Zum einen müssen die Menschen im Alltag zahlreiche Kaufentscheidungen treffen: Ober Lebensmittel, Kleidung, Spielzeug, Möbel, Elektrogeräte Fast jedesmal stoßen sie auf ein breites Warenangebot und eine Reihe verschiedener Geschäfte. Es ist nicht einfach, fOr diese vielen Güter die Preise in verschiede- nen Geschäften zu vergleichen und jeweils herauszufinden, welches Pro- dukt eine gute Qualität hat und zugleich preisgünstig ist. All das ko~ stet Mühe und Zeit und macht häufig wenig Spaß. Die Schwierigkeiten werden besonders groß, wenn eine Kaufentscheidung schnell getroffen werden muß, wenn man also unter Zeitdruck steht. Es ist dann oft gar nicht mehr möglich, die Grundsätze des wirtschaftlichen Handelns rich- tig anzuwenden. Zum anderen entwickeln alle Menschen Gewohnheiten; diese können den Grundsätzen des wirtschaftlichen Handelns entgegen-stehen. Man geht eben zum Laden an der Ecke, weil man die Bedienung so freundlich findet, und bedenkt nicht, daß die Güter in einem anderen Geschäft vielleicht viel billiger sind. Menschen, die bei jeder Kaufentscheidung die Grundsätze des wirt- schaftlichen Handelns anwenden, sind somit kaum zu finden. Die meisten Menschen begnügen sich damit, die beiden Grundsätze nur unvollständig oder bei solchen Entscheidungen zu befolgen, die ihnen besonders wich- tig sind. ~eunter Tag Elch: Maus: Spinne: Elch: Spinne: Elch: Spinne: Elch: Maus: Spinne: Elch: Libelle: Seite (sich als Bär fühlend) Au, das war aber lang. Vielleicht sollte man die geistige Durchdringung in Sequenzen organisieren. In ganz kleinen. Gut, trittschwerer Elch! In meinem Vortrag werden ei- nige Hemmnisse für wirtschaftliches Handeln genannt. Suche einige heraus und füge aus Deinen eigenen Erfah- rungen noch weitere hinzu! (sich als Bär fühlend) Ich habe da mal Würstchen im Glas gekauft. Das eine Glas hatte 185 9 Einwaage und kostete 2.59 DM und das andere hatte für 2.95 DM 210 g Würstchen. Und da habe ich mich verrechnet und das große Glas genommen. Ach! (sich als souveräner Verbraucher fühlend) Und einmal habe ich Toilettenpapier gekauft - die preiswerten Rollen für 0,001495 DM pro Blatt - statt 0,0015 DM. Erst beim Rausgehen habe ich am Gewicht gemerkt, daß das Papier viel dünner war. Da habe ich aber Rabatz gemacht. Nun ja, gut, vielleicht was anderes: Bei welchen Kauf- entscheidungen würdest Du auf jeden Fall wirtschaft- lich zu handeln versuchen? (sich als Vernunftwesen fühlend) Bei Würstchen und bei Toilettenpapier. Und eigentlich immer! Wie jemand, der eigentlich immer bescheuert ist. Nun ja! In meinem Vortrag war die Rede davon, daß die meisten Menschen die Grundsätze häufig nur 'unvoll- ständig' anwenden. Was könnte damit gemeint sein? (sich als Elch fühlend) Die sind zu bequem. Geben sich keine Mühe. Denken, sie haben's nicht mehr nötig. Den Leuten geht's einfach zu gut. Mein Opa mußte noch mit 15.83 Mark in der Woche auskommen. Und heute? Die müßten alle mal 'ne richtige Not erleben! Vielleicht sollten wir's mal anders herum versuchen. Folgendes wird oft behauptet: "Manchen Menschen fällt 313 1118 1119 1120 1121 Seite 314 es schwer, sich zu informieren, weil sie zum Beispiel die Fachsprache in Informationsblättern und auf Pro- dukten nicht verstehen, weil sie Scheu vor Behörden haben, weil sie wichtige öffentliche Einrichtungen wie die Verbraucherberatungsstellen nicht kennen usw. Bei diesen Menschen kann man beobachten, daß sie gegen die Grundsätze des wirtschaftlichen Handelns besonders häufig verstoßen." a) Versuche zu erklären, warum diese Menschen beson- ders häufi.g gegen die Grundsätze des wi rtschaft li- chen Handelns verstoßen. b) Was könnte man machen, um diesen Menschen das wirt- schaftliche Handeln zu erleichtern? Der Elch kam nicht dazu, Erhellendes beizusteuern, was alle irgendwie 1122 erleichterte, weil sich in diesem Moment die Amsel zurückmeldete. Amsel: LiOO11e: Amsel: Schleie: Amsel: Libelle: Der Nächste bitte. Mehr kann man von mir nicht verlan- gen! Was war denn diesmal, herumstochernde Amsel? Es war alles so, wie die dahinwuselnde Maus es be- schrieben hatte. Die herabstürzenden Wortkaskaden er- schlagen einen. Es ging immer noch um die Theorie der dynamischen und quasi-sicheren Entscheidung. Ich habe kein Wort verstanden. Schade. Nur unverständliche. wiederkehrende Ausdrücke: stocha- stische Gesetze, große Zahl, Versicherungseffekt, Wahrschein11chkeitsverteilung, Risikokonsolidierung, Risikoverteilung, subjektive Beurteilungen stochasti- scher Sicherheit, dynamische Entscheidungen, Diskonti- nuität, Kontinuität, Periodisierung, statisierte Dyna- mik, sequentielle Dynamik, hierarchisierte Dynamik, intraperiodische Optimalisierung usw. Das ist aber eine Menge! Das muß ich mir anhören. Ich vertrete die Amsel freiwillig. 1123 Libelle schwirrt ab. Amsel: Es ging noch weiter - mit den Maximen der Entscheidung unter Ungewißheit. Ich habe nichts begriffen. Ungewiß- heit als Wahrscheinlichkeit! Ereigniswahrscheinlich- keit, kalkuliertes Risiko, Hypothesenwahrscheinlich- keit, Meßbarkeit von Gewißheitsgraden, Darstellung von Ungewißheitslagen, Regeln zur Kondensation von Ent- scheidungsfeldern, über die Vernachlässigung kleiner Wahrscheinlichkeiten oder die Ausscheidung von Alter- nativen mittels Ausscheidung von Katastrophenmöglich- keiten oder Einhaltung von Sicherheitsmargen oder Ausscheidung wertloser Alternativen oder Ausscheidung nicht-admissibler Alternativen ... völlig abgehoben alles. Schleie: Nein! Abgehoben ist allenfalls die Behandlung der 1124 Thematik hier! =He=u=n=te::..:..r_T.:...:.a=~9,- ---e:Seite 315 Maus: Schleie: Maus: Schleie: Amsel: Schleie: Spinne: Schleie: Noch ein Irrer! Was macht ökon denn? Er versucht Euch zu erklären, was es bedeutet, gehaltvoll über rationale Entscheidungen und wirtschaftliches Handeln zu reden. Es wird ja so gerne von didaktischer Reduktion geredet, was ich per- sönlich ablehne. Aber nimmt man diesen Ausdruck ernst, müßte doch wohl zunächst der Gegenstand auf seiner entwickeltsten Ebene rezipiert werden, bevor man daran geht, ihn zu vereinfachen. Auf dieser Ebene kennt ihn aber offenbar niemand. und niemand möchte ihn kennen- lernen. Wozu auch? Man hat doch bereits Uberkommene Verstümmelungen, denen nachgesagt wird, sie seien an- gemessene Reduktionen. Du glaubst doch nicht allen Ernstes, tiefgründelnde Schleie, nur um diese zwei Prinzipien wirtschaftlichen Handelns an die Tafel zu schreiben, wäre es gerecht- fertigt und erforderlich, diesen entscheidungstheore- tischen Wust durchzuackern? Der Clou ist doch gerade, dahinwuselnde Maus, daß diese Prinzipien in den gehaltvollen Kalkülen, die ökon vorstellt, in dieser Form gar nicht vorkommen. So wie wir über ökon von Paribus gehört haben, der die weitgehende Unverbundenheit von Lehrbuchökonomik und empirischer Modellökonomik bedauerte, so haben wir hier noch eine dritte abgelöste Sphäre einzugestehen, die Schulökonomik, die ein eigenes Kraftfeld hat, selbstgenügsam ist, selbst-referentiell, wie es der Wirbelwind sagen würde, ;n der völlig gedankenlos immer wieder die gleichen unwirklichen Erfindungen durchgele1ert werden - und das in der Attitüde, wie klug und wissenschaftlich das alles sei. Völlig gedan- kenlos. Völlig unerträglich. Das läuft auf üble Nachrede hinaus, tiefgrUndelnde Schleie. Schließlich werden die schulischen Inhalte mehr oder weniger kontinuierlich an den wissenschaft- lichen Fortschritt angepaßt. Was immer man da macht, herumstochernde Amsel, man macht nicht das! Natürlich, manchmal sieht man am Fir- mament Kometen vorbeiziehen. die von der anderen, der wissenschaftlichen Galaxis zu künden scheinen. Und oh- ne die Natur dieser Kometen wirklich zu verstehen, wird über sie ein Lehrsatz verfaßt, der in die Gebets- mühle aufgenommen wird. Modernisieren heißt in der Schulökonomik, weitere Sätze formulieren, und es heißt nicht: strukturelle Erneuerung. Es bleibt üble Nachrede. Die ganzen KalkUle, die ökon da vermutlich vorstellt und in ihren formalen Voraus- setzungen beschreibt, haben ihre Bedeutung doch wohl eher in einer auf komplizierte Entscheidungstechniken in Betrieben und Einrichtungen der wissenschaftlichen Beratung ausgerichteten Entwicklungsarbeit. In dieser logischen Strenge und sachlichen Differenzierung sind die Kalküle für den Laien irrelevant. Und sagt Ihr das den Schülern, ordnungssinnige Spinne? .. ._.. . ~e.it_~_~1~ Maus: Schleie: Maus: Schleie: Spinne: Elch: Libelle: Daß Ihr ihnen eigentlich nur saqt, was sie als Krümel- monsterphilisophie bestens kennen, und daß ein gehalt- volles Reden darüber die Beschäftigung mit komplizier- ten Kalkülen erfordert? - Im übrigen sind die Kalküle universell, also für jeden Handelnden formuliert und insoweit keine ausschließliche Angelegenheit der Un- ternehmensführung. Und als diffuses Wollen treffen wir es im nichtprofessionellen Bereich ja auch an, häufig gräßlich entstellt durch die Schrunden der pragmati- schen Begrenzungen und der Denkfehler, durch falsche Fakten, fehlende relevante Fakten, falsche oder lük- kenhafte Ableitungen von Konsequenzen, unvollständige Beobachtung der Alternativen, Irrtümer in der Anwen- dung von Wertmaßstäben, Benutzung widersprüchlicher Wertmaßstäbe, lückenhafte Bewertungen ... Aber Du glaubst doch nicht wirklich, daß Du den Schü- lern diese Fehler und damit die komplizierten Kalküle erläutern kannst! Nein, das glaube ich wirklich nicht. Das eine ist also zu kompliziert, das andere ist Dir zu trivial. Was soll also gesagt werden? Das weiß ich auch nicht so ~enau. Ich weiß nur. daß es so wie bisher nicht gehen sollte. Irgendwie müßten zu- mindest die Grenzen und die Leerformelhaftigkeit die- ser Lehrsätze über die ökonomischen Prinzipien deut- lich werden. Vielleicht die Richtungen, in die zu dif- ferenzieren ist ... Diese ganze Diskussion hat keinen Nährwert. Versuchen wir wenigstens noch eine Aufgabe daraus zu machen: "Die Prinzipien des wirtschaftlichen Handelns sind ei- gentlich eher für Unternehmen wichtig. Wenn man Schuhe herstellt und verkauft, muß man sich eben nicht auch noch um die Preise und die Qualität von Lebensmitteln, Möbeln, Fahrrädern usw. kümmern. Außerdem sind in den Unternehmen häufig einige Personen täglich nur damit beschäftigt, fehlende Informationen zu beschaffen und auszuwerten. Da fällt es leicht, wirtschaftlich zu handeln! Demgegenüber glaube ich nicht, daß diese Prinzipien mir oder meinen Eltern im Alltag sehr viel helfen !" Nimm zu dieser Meinung Stellung! Die Leute sind nur zu bequem. Die glauben, sie hätten es nicht mehr nötig - Leute, Ihr verpaßt wirklich etwas. Ein riesiges Gebäu- de nur aus Entscheidungsmaximen. Prof. ökon baut und baut. Es gibt nämlich unheimlich viele Maximen, wie nämlich mehr noch als in Situationen der Gewißheit es bei Ungewißheit nicht einfach nur eine, sozusagen 'die vernünftige' Maxime gibt. Jede genügt bestimmten An- forderungen und anderen nicht, so daß man sie nur hin- sichtlich ihrer Vor- und Nachteile beschreibt - d.h. nicht nur, denn sie werden noch nach zusätzlichen Ge- sichtspunkten charakterisiert, ganz wunderbar, durch die Unterschiede in den verwendeten Ergebnisgrößen, 1125 1128 _____. ._ .. ~_e.i1~__._3_JI Spinne: Libelle: Spinne: Libelle: Rabe: Amsel: Wertungsgrundlagen, Meßerfordernissen durch die Nut- zenfunktion, Meßbarkeiten des Wahrscheinlichkeitsgra- des, Graden der Gewißheitspräferenz, in der Eindeutig- keit der Lösungen, im Status als Haupt- oder ergänzen- de Maxime, in der Eignung für verschiedene Situations- typen ... Welch ein Reichtum, welch unendliches Feld der Kombinatorik! Wenn man bedenkt, daß ein Schach- brett nur 64 Felder und zweimal 16 Figuren hat ..• Gewiß, ganz hübsch! Und dann erst die Maximen selbst, glitzernd, blendend und fremdartig wie Paradiesvögel. Die Maximen zur Be- rücksichtigung verschiedenener Gewißheitspräferenzen. Am Hals schillert die Ophelimität ungewisser Ergebnis- se, an den Flügelspitzen flimmert die Ophelimität der Parameter von Ergebnisverteilungen, und erst die Schwanzfedern, über und über bedeckt mit Gewißheits- äquivalenten als Ophelimitätsindizes. Und dann erst die Maximen mit fixierten Gewißheitspräferenzen - was für ein Palast. Der linke Seitenflügel aus Regeln ohne Wahrscheinlichkeitsgrade. Diese Proportionen aus er- wünschten Niveaus bei voller Sicherheit, aus maximalen Ergebnissen bei höchstem Risiko oder voller Sicher- heit, aus Minimierungen maximaler Risiken und Maximie- rungen von Mittelwerten aus Extremwerten. Und dann erst der rechte Seitenflügel: aus feinsten Regeln mit fingierten Wahrscheinlichkeiten! Was für Amalgamatio- nen! Und dann erst der Querbau - festgefügt aus Regeln mit partiell meßbaren Wahrsqheinlichkeiten, ein Zusam- menspiel der Maximierungen bei bester Schätzung und der Maximierungen von Sicherheitsmargen. Ganz entzük- kend! Ach, und dann erst der mächtige sich im Zentrum erhebende Turm aus Regeln mit voller Anwendung des Wahrscheinlichkeitskalküls! Oie prägnante Fluchtlinie der Maximierung der Wahrscheinlichkeit guter Ergebnis- se und die sich in luftigen Höhen verlierende Lotrech- te der Maximierung der mathematischen Erwartung des Nutzens! Welcher Reichtum! Und warum bist du nicht bei diesem Schatz geblieben? Ich konnte nicht mehr hingucken. ökon führt sich auf dem Hochsitz wie eine Verrückter auf. Rudert mit den Armen, läuft hin und her, wippt dauernd rum, lehnt sich weit hinaus ... Daß er nicht auf die Brüstung springt, ist alles Mir wurde allmählich vom Zuse- hen schwindlig, und ich konnte nicht mehr mitbekommen, was er sagte. Dann wollen wir einmal nachsehen. Der Lehrgang ist hier ohnehin zuende. Moment! So geht das doch nicht. Es fehlt doch wieder die Zusammenfassung der letzten Lernschritte. Als ich vorhin am Hochsitz Wache halten mußte, habe ich mir was überlegt. Man muß sagen: Du hast vermutlich noch eine ganze Reihe von Fragen, zu denen Du in den vorangegangenen Lehrgangsteilen keine Antwort gefunden hast. Wir werden versuchen, 1127 tlauntElr TRc;l ______._. . . ßt9j.~~ 3J_f! diese Fraqen in spRteren Texten zu behandeln. Damit Du an dieser Stelle für Dich selber noch einmal zusammenfassen kannst, was Du zum Schluß gelernt hast, haben wir noch ein weiteres Schaubild angefertigt. Du weißt bereits vom vorheriqen Schaubild, wie du damit umgehen mußt. Versuche au~h hier, möglichst viele der angedeuteten Zusammenhänge mit eigenen Worten zu be- schreiben. Q_E?9.[~rl~tg_z.a hJ_Y..QO g~1_~CD_und_Ql~n§.t-= lei stJ)ngen, über die die Menschen verfügen können 1. Grundsatz 2. Grundsatz ~tr:::.t.§~t:l9_f!:-= Begrenzungen durch li~he.$_Handeln .---~ - fehlende Zeit fehlende Infor- mationen Mühe Gewohnheiten usw. --» Knappheit «-- Yie 1z~hJ_m.J3nsctl":_ 1icJ]~ r__ß~(Jlt[f nt~_$_e ,_1_, nicht-be- bewirt- wirt- schaft- schaft- bare bare Bedürf- Bedürf- nisse nisse Elch: Libelle: Spinne: Amsel: Bär: Maus: Bär: Prof. ökon: Amsel: Da in der Mitte muß Spannung hin. Oder wirtschaftli- cher Konflikt. Zwischen Bedürfnissen und Mitteln herrscht immer Spannung. Und das ist die Knappheit. Das kann man überall lernen. Na, trittschwerer Elch, in den Büchern steht das noch anders. Da wird ein Spannungsverhältnis zwischen den beiden unabhängigen Polen der unbegrenzten Bedürfnisse und den knappen Mitteln postuliert - wobei niemand sagt, wie er diese Knappheit der Mittel losgelöst von den Bedürfnissen feststellt Träum ich? Was ist das? Der Bär, mit Ökon auf dem Arm. Da muß was passiert sein! Er ist vom Hochsitz gefallen, und hätte ich ihn nicht aufgefangen, wäre das eine entscheidende Wende in seinem Leben gewesen. Braver Kerl! Wie ist es geschehen? Er hat dauernd so mit den Armen geschleudert und an der Brüstung gewippt. Und als er wild gestikulierend mit den Fingern die Formel für die Minimierung der Ka- tastrophenwahrscheinlichkeit in die Luft schrieb, ist er nach vorn übergekippt. (sehr benommen) Ein Vorzeichenfehler, nur ein kleiner Vorzeichenfehler - Er ist aber noch sehr benommen. Neunter Tag Prof. ökon: (sich im Bärenfell verklammernd) Mammi. Seit. 319 Das war alles, was Prof. ökon noch sagte. Zumindest an diesem Tag. Durch den Sturz war ihm wohl für einen Moment der Stein von der Seele gerollt, den der kalte stern der Knappheit dort hinterlegt hatte. Und so frönte seine Seele ganz dem entspannten Hier und Jetzt. Wie wegge- blasen alle Leistungszwänge. Und es schien ihm auch nichts auszuma- chen, daß er entgegen seinem Plan von den Maximen Ober Maximen noch gar nicht gesprochen hatte. Nachtaq .. Nachtag ..__._ .... .... .. ~el.t~_~?Q Der Lehrgang war zu Ende. Deshalb lud der Rabe alle zu einem kleinen 1201 Fest ein. Die Tafel war reichlich gedeckt, di~ Stimmung großartig. Als alle schon gut gegessen hatten. schlug der Rabe an sein Glas. Eine kleine, gefällige Rede mit ein paar schalkhaften Seitenhieben auf sei- ne Laienbrüder und -schwestern, dachte er, und zum Abschluß einige er- mahnende und ermutigende Worte für den Bären. Aber schon versuchte Prof. ökon, seinen immer noch etwas ramponierten Körper in die Höhe-zu b·ri ngen. Es schmerzte i hninzwi sehen doch, daß er bisher ·noch nicht Ober die Besonderheiten und Wahl regeln bei Entscheidungen von Kollek- tiven aUfgeklärt hatte. Schneller aber ~ls alle war das Kaninchen. Mit einem Satz besetzte es den ausladenden Deckel der Suppenterrine und schaute grimmig in die Runde. Die Verblüffunq war so groß, daß es niemand zu hindern versuchte. als es saqte: "Ich habe alles gehört. Einer für alle. Es wäre .ja nicht der Rede wert, wenn Ihr wirklich still in irgendeiner abgelegenen Ecke zusam- mengehockt hättet, aber Ihr habt keinen Versuch unterlassen, jede Auf- merksamkeit auf Euch zu ziehen. Lärmend habt Ihr das Unterste nach oben gezogen und Euch die Fundstücke kindisch um die Ohren gehauen. Ohne Rücksicht auf das Ruhebedürfnis der qroßen Mehrheit. Ein Zeichen sollte gesetzt werden - koste es. was es wolle. Und nun sitzt Ihr zufrieden da. Haltet Euch gar für Teufelskerle. Die eitle Selbstgefälligkeit fällt euch fast aus dem Gesicht. Wie origi- nell Ihr doch ward, wie witzig und wie tiefsinnig! Eigentltch mUßte sowas gedruckt werden, nicht wahr? So einen Knaller hätte man. An der Vorstellung berauscht Ihr Euch doch mindestens so wie am spendierten Wein, leugnet es nicht erst. Aber wer hätte denn Gewinn an Euren ErgOssen? Da wäre zunächst der Lehrgangsteil selber. Dieser endlos gestreckte, immer neu durchgerühr- te Eintopf - wo heute andere auf die Suppe selbst als Vorspeise fast ganz verzichten. Selbst wenn die Inhalte tatsächlich wissenschaftsnä- her wären, sie bringen keine Verbesserung, und das nicht nur, weil letztlich alles hausbacken bleibt. Die Thematik spielt in Schulen keine Rolle oder wird in drei Sätzen abgehakt. Und was da auch immer gesagt wird - es ist in die Gnade des schnellen Vergessens gehüllt. !!a~htll9- ._ .. . _. . __ ._._. . .._.__ . Bleibt also nur euer gestelztes Gedöns drumherum. übergehen wir die peinlichen Scherzehen, die ordinären Anspielungen, die dürftigen Wort- spiele. Vergessen wir schnell die geklauten VersatzstUcke. Beiseite auch die unbeholfene Regie. Bringt es denn weniqstens dem didaktischen Interessierten etwas? Dazu ist es viel zu unvollständig und zu unsy- stematisch. Manches wird totgeritten, manches angeschnitten. vieles ausgelassen, zu vieles ist reine Spekulation, weniges zeigt Oberhaupt Anschluß an den wissenschaftlichen Diskussionsstand. Wenn es aber schon kein didaktisches Lehrstück ist, macht es dann vielleicht wenigstens dafür sensibel, was didaktische Reflexion sein könnte? Macht es Lust darauf? Es taugt nur für Mißverständnisse. Wo jede beliebige Meinung zugelassen ist, kann man doch nur lernen, daß jedes persönliche Urteil auch schon eine fundierte didaktische Ein- sicht ist. Man lernt allenfalls ziellos zu labern. Denkbar ist ja vieles. Vernetzungen kann man beliebig herstellen. Auf Eure Findigkeit braucht Ihr Euch also nichts einzubilden. An der Auswahl erkennt man die Güte. Nicht an der Menge oder der Exotik. Ach, die überlegungen richten sich auch an den Praktiker, höre ich. Fein·, dann muß da was Handfestes sein. Die Lehrgänge sind geprOft~ die Argumente empirisch untermauert. Nein? Vorschläge? Denkanstöße? Pro- blematisierung? Na, großartig! Sowas wird gebraucht! Dem Praktiker ge- fallen die zahlreichen Sottisen über Schulen und Lehrer - aus sicherer Entfernung zum Besten gegeben. Er liebt auch diese kritische AttitUde, die alles zerredet, so daß am Ende nichts bleibt - außer Nihilismus und in schlimmen Fällen Selbstzweifel. Welche Leistung, das Ungenügen- de der Welt hervorzuheben. Wo käme man hin. wenn man sich damit auf- hielte, positiv zu denken und die Verbesserung zu versuchen. Die fun- dierte Verbesserung. Und dann diese Halbherzigkeiten in der Analyse. Der weise Rabe hat uns etwas über Routinen und ihre kognitive Repräsentation als scripts er- zählt. Und hat er es zu Ende gedacht? Haben Lehrer keine Routinen und keinen Handlungszwang? Sollen sie ausgerechnet bei ihnen abträglich sein? Natürlich verfügt ein gestandener Lehrer über ein Unterricht- Halten-script, das alles Wissen enthält, das er zur Steuerung seines ~nterrichts üblicherweise benötigt. Und natürlich ist es szenisch or- ganisiert: Es enthält die Szenenfolge, die der Lehrer - nach einer FU11e ermutigender und ernüchternder Erfahrungen für seinen Unterricht als die befr;edigenste Ausgestaltung anzusehen gelernt hat. Die Verar- beitung dieser Erfahrungen mag unterschiedlich intensiv erfolgt sein und in abweichendem Ausmaß didaktische Kriterien und Einsichten einbe- zogen haben - gleichviel, denn das betrifft nur die Güte, nicht aber die Beschaffenheit des pädagogischen Weltwissens. Und wa~ macht ein solcher Lehrer, wenn er Unterricht plant? Wird er diese Top-down-Planungen versuchen, die die didaktische Literatur nor- mativ v.erlangt, bei denen von den obersten Lernzielen bis hinunter zum letzten Strich im Tafelbild einerseits alles hierarchisch abzuleiten ist, andererseits alles interdependent und simultan gedacht werden muß? Natürlich nicht, weil das völlig unpraktisch wäre und intellektu- ell gar nicht redlich durchdacht werden könnte. Und er wUrde diesen Quark nie beachtet haben, wenn er damit während seiner beruflichen So- zialisation nicht so gedrillt worden wäre. Und natürlich hatten diese normativen Planungsmodelle auch in dieser Phase nie eine psychische N~~ht_C\9. _ Seite 322 Realität bei der Entwickelte von Unterrichtsplänen, und schon von An- fang an betrafen sie nur die Verkehrsformen, wie Unterrichtspläne zu rechtfertigen und zu diskutieren seien. Was da nachwirkt sind Mischun- gen aus Gleichgültigkeit, Haß und schlechtem Gewissen. Solche Modelle habt Ihr hier nicht vorgeschlagen, richtig! Aber auch Ihr arbeitet an dem Eindruck, daß der Prozeß der Unterrichtsplanung sehr reflexiv angelegt sein müßte. Und das ist eine unhaltbare Annah~ me. Das kognitive Leitschema der Unterrichtsplanung ist das Unterricht- Ha1ten-script. Nur: es bedarf eines Inhalts. Und das ist der Kern der Unterrichtsplanung: die zeitlich-szenische Struktur des scripts mit der unzeitlichen, interdependenden und meist kausalen Struktur des Ge- genstands zur Deckung zu bringen. Dazu muß das Nebeneinander der wis- senschaftlichen Vernetzung in ein Nacheinander der Argumente gebracht werden. Gesucht werden also Routen durch den Stoff - und zwar solche, die zu den präferierten unterrichtlichen Szenen passen! Das ist der Grund, warum Lehrer dauernd in Materialien blättern: Sie sind Manife- ;tationen von Argumentationsabfolgen. Insofern formulieren Lehrer in aller Regel keine Lernziele, aus denen dann Suchprogramme für Inhalte abzuleiten wären. Im Kern geht es tatsächlich darum, eine stoffliche Route, für die über eine fachliche Grobplanung eine Vorauswahl stattgefunden haben mag, mit der szeni- schen Struktur in Einklang zu bringen - und je nach Ausformung der Szenen wird sich die Aufmerksamkeit zugleich darauf richten, ob die Materialien mit ihren Routen schon so beschaffen sind, daß man sie ohne größere Bearbeitung im Unterricht einsetzen kann. - Im Hinblick auf diesen Kernprozeß unterscheiden sich Lehrer wenig. Die Unterschie- de liegen eher darin, welche Prüfungen Lehrer zwischenschalten, bevor sie eine Zuordnung für gelungen halten. Und was hilft da nun Euer Geschwatze? Es bemüht sich vortrefflich, die stoffliche Route unter didaktisch-missionarischem Smalltalk unkennt- lich zu machen. So hättet Ihr auch aus dieser Sicht besser geschwie- gen. Was bleibt also im besten Falle? Ein Tribut an den Zeitgeist in seinem Narrenkleid unterschiedsloser Vielfalt, das lediglich täglich neu mit irgendwelchen Flicken aus dem Fundus der grenzenlos möglichen Unter- scheidungen behängt wird. Pluralität ist angesagt anstelle Einheit der Vernunft, Unverbindlichkeit anstelle moralischen Engagements, vorder- gründige Überraschung, die aufglüht und folgenlos verglimmt, anstelle solider Ausleuchtung, Freude an der zu nichts verpflichtenden Stili- sierung abweichender Deutungen anstelle der Suche nach der vorgeblich verknechtenden Klarheit, liebevolle Beschäftigung mit dem Besonderen jeglicher Couleur anstelle des Verlangens nach Universalität, immer neues Verklären in endlosen Interpretationen anstelle des mühsamen Geschäfts der Aufklärung, Vernunftkritik anstelle vernünftiger Kritik, allseitige Entpflichtung anstelle einer Analyse der Legitimationskrise heutiger Gesellschaft, phantastische Momente anstelle tragfähiger Erkenntnis. Wo alle Ausrichtungen auf Wahrheit. Universalität und Emanzipation aufgekündigt, ja sogar für schädlich erachtet werden, kann Denken sich nur noch an ästhetischen Kriterien orientieren. Das, -----_._-----------------_. ___. ---=~~i.~.. ~.~ was an anderer Stelle zurecht als Ästhetisierung des Intellektuellen bezeichnet worden ist, die sich in endlosen Inszenierungen singulärer Differenzen erschöpft, habt Ihr Euch zum Leitbild erkoren und auf Euer armseliges Niveau heruntergeschraubt. Statt die Knochenarbeit auf Euch zu nehmen, ein erstes systematisches, gehaltvolles, heuristisch wie praktisch nützliches Lehrbuch zur Wirtschaftsdidaktik zu verfassen, erschöpft Ihr Euch in ästhetischen Maskeraden. Wozu auch die Anstren- gung des Begriffs ertragen, wenn es die kleinen Lacher auch bringen! Tatsächlich: Ihr hättet besser geschwiegen! Aber was war von Euch schon zu erwarten? Daß Tiere in Erzählungen, Fabeln oder Gleichnissen auftreten, ist ja nichts Neues: Löwen, Wölfe, Schafe, Füchse, Esel ... Sie sind die animalische Verkleidung idealer ZOge des Humanen: Das wohlmeinend Patriarchalische, das kaltblütig Tyrannische, die verletzliche Unschuld, die gerissene Schläue f das borniert Dumme ... Jeder versteht das sofort. Und was haben wir hier? Eine Libelle! Eine Amsel! Eine Spinne! Eine Schleie! Einen Elch! Eine Windhose ... Alles leere Hülsen! Wie, die Hülsen haben sich im Voran- schreiten der Diskussion gefüllt und ein eigenes Gewicht erhalten? Hier das festgenagelt Dumme, dort das beweglich Geistige, hier das fachlich Traditionelle, dort das Wissenschaftskritische, hier das durchwurstelnd Pragmatische, dort das äußerlich Formale, hier das bedenkenlos Vollstreckende, dort das auf pädagogische Neubesinnung Pochende ... Wie, Ihr wißt jetzt nicht, wer angesprochen ist? Seht Ihr! Und dann dieser Bär! Den einzuführen macht sich natürlich gut im Sternzeichen des wiederkehrenden Steifftierchens, das jedermann wieder so gern an sein Brust drücken möchte, um sich aus den bitteren Reali- täten nostalgisch in die Kinderträume zurückzuflOchten. Was für ein Programm! Oh, wäret Ihr nie geboren!" H~~.b!-I!.9I . --..:~.~J!~_324 So redete das Kaninchen. Der Zorn der feiernden Schar war qewaltig a~­ geschwollen. Man war kurz davor, das Kaninchen abzumurksen - oder we- nigstens durchzuwalken. Aber plötzlich sahen es alle. Wohin man blick- te: Kaninchen. Unter dem Tisch, neben dem-Tisch, hinter, vor und auf dem Tisch. Die ganze Lichtung: voll von Kaninchen. In den Bäumen: Ka- ninchen. Unter den Büschen: Kaninchen. Angesichts dieser Machtverhält- nisse war an ein VerprOge1n gar nicht mehr zu denken. Sie waren völlig umstellt. Nicht einmal eine Gasse für den Rückzug war freigehalten worden. Dem Bär guckten die Kaninchen sogar schon aus den Bauchfalten. Und als der Elch fassungslos seinen Kopf schüttelte, fiel gleich ein Dutzend Kaninchen aus dem Geweih. Sie hockten sich im Brotkorb zusam- men und machten sich über die restlichen Brötchen her. Kein Zweifel. Sie mümmelten. Alle. ~n~~.!!9 ._. .. . _ Anmerkungen 115 Mit dem Erziehungswissenachaftler ist Jerome S. Bruner gemeint: "Oaraus folgt, ( •.. ) daß es von jedem Können oder Wissen eine sachgerechte Form der Mitteilung gibt, die man anderen nahebringen kann, in welchem Alter man auch mit dem Unter- richt beginnen mAg und je provisorischer diese Form der Mitteilung sei ( ... )." Vgl. Entwurf einer lJnterricht9theori~. Berlin 1974, S. 40. Vgl. derselbe: Rele- vanz der Erziehung. Ravensburg 1973. S. 38, 163. Vql. derselbe: Der Prozeß der Erziehung. Berlin 1972, 5.44. 119 Oie Definition wird dogmengBschichtlich Friedrich ßenedikt Wilhelm v. Herrnann (1795 - 1868) zugeschrieben. O~rselbe: Staatswirtschaftliche Untersuchungen. München lB32. 123 Vgl. zu den Werbeaufwendungen und -aussagen: Hebel, Stephan: "Leistung hat Zukunft .. , oder: Wie sich die Parolen 91eichen. In: Frankfurter Rundschau vom 17 . 1 . 1987, S. 3. 133 Vgl. Huber-Weidmann, Hermann: Schlaf, Störungen. Schlafentzug, Köln 1976, S. 41-81. 134 Obersetzt nach: 5alimbene, Adam de: The Emperor Frederick 11. in: ROBS, J.B./ Mc Laughlin, M.M. (Hrag.): The Portable Medieval Reader. New Vork 1949, S. 362-368, hier: 5. 366. 135 Vgl. Funkkolleg Erziehungswis~enschaft, Band 1, 6. Aufl., Frankfurt/Main 1972, S. 75 ff. 13B Nach: Stern, Nr. 26/19ß2, S. 24-42, insbesondere S. 37-42. 204 Den Ausdruck 'Sprachdressur' , der eine Reihe unterrichtlicher Vorgehensweisen sinnfällig bezeichnet, verdanken wir einem Diskussionsbeitrag von Prof. Dr. Karl- heinz Fingerle: da wir den Ausdruck für eine besonders gelungene Schöpfung hal- ten, wird er noch mehrfach heranqezogen. Zur Bedeutung klassi~;kator;~cherAussaqen vgl. Gerdsmeier, Gerhard: Der klassi- fikatorische 5trukturkern. In: Ge9amthochschule Kass~l (Hrsg.), Schriftenreihe Berufs- und Wirtschaftspädagogik, Bd. 8, Kassel 1989. Zum Anteil empirischer Aussagen vgl. Reetz, lothar: Wirtschaftsdidaktik. Eine Einführung in Theorie und Praxis wirtschaft~beruflicherCurriculumentwicklung und Unterrichtsgestaltung. Bad Heilbrunn/Obb. 1984, S. 28 f. Dort wird zwar mit einem Anteil von ins9~samt 29~ gerechnet, aber nur 9~ werden im engeren Sinne als empirische AusßAgen ~inqestuft (5. 29): diese Einqr~nzung scheint gerechtfertigt, weil in einer früheren Studie, die dip~e 29~ auswies. auch die Aussagen der idealen ökonomischen Modelle eingerechnet schienen. Vgl. dazu: Reetz, Lotharl Reinhard Witt: Curriculumanalyse Wirtschaftslehre. Berufsbildung in der Kritik. Hamburg 1974. 205 Volkswirtschaftliche Grundbildunq. Verf.: Harald Dettmer. - Bad Homburg v.d.H.: Gehlen 1985, S. 16. 213 Zur Typologi@ der Konflikte vgl. Sickmann, Magdalene/ Gerhard Gerdsmeier: Berück- sichtigung von konfliktdidaktischen Konzeotionen in Lehrplftnen 90zialwisgen- schaftlicher Fächer der Sekundarstufe I. In: Heinz Dederinq (Hrsg.): Konflikt als paedAgogicum. Frankfurt/M: Berlin; München 1981, insb. S. 132. 222 Vgl. Bechmann, Arnim: Umweltvertr~glichkeit als Testkriterium - Argumente für eina ökologische Erweiterung des vergleichenden Warentests. In: Stiftun~ Waren- test, Berlin 1985, Umweltschutz und Konsumverhalten unter besonderer Berücksich- tigung des vergleichenden Warentests, Doku~ntation eines ColloQuiums am 11. Januar 1985 anläßlich des 20jährigen Bestehens der Stiftung Warentest, S. 7-50. 242 Vgl. zur richterlich geregelten Tierhaltung: Leppert, Norbert: Die Freiheit endet auf dem Balkon. In: Frankfurter Rundschau, 10.3.67, S.11 Vgl. zum Argument üher den ZivilisationsprozeR: Elias, Norbert: Ober den Prozeß A~hanq __ _ . . S~_tte 3_2~ der Zivi 1isation. FrRnkfurt/~t 1976, sowie das Spiegel-Gespräch "Wi r sind die späten Barbaren". In: Der Spiegel Nr.2L 42. Jg., 1988, S. 183 - 190. 245 Es handelt sich um das Bild" Titania liebkost Zettel mit dem Eselskoof" (1793 - 94), Zürich, Kunsthau9, von Heinrich Füssli (1741 - 1825). 308 Der Bundesminister für Jugend, Familie und G9s~ndheit (Hrsg.): Hilfen für die Familie. Reihe: Bürqer-Service Band 11, 2. Aufl. 1981, S. 22. 311 Brauchst Kohle, geh zur Wohle. In: Der Spiegel Ur. 16. 37. Jg., 1983, S. 102 312 Aus: Rüden, Reinhold von: Soziale Sicherung in der BRD. Paderborn 1986, ~ 84 b; Angaben dort als Monatswerte. 318 Geschichten wie die von der Wohnhausexplosion ~m 19.1.87 in ~ünchen stehen in keinem Schulbuch. An ihn~ lassen sich die 'wirklich interessanten Dinge' diskutieren. Deshalb muß man sie ausschneiden, sinnfälliQ archivieren. auffindbar dokumentieren, bei Verwendung präzise zitieren ... Sonst verflüchtigen sich die ~~empel einfach ... wie dieses hier ... Vgl. zu einem erst~n Unfallbericht: Frankfurter Rundschau, 22.1.87, S. 24. 319 Foto: Ren~ B811: Nachdruck mit freundlicher Genehmigung. Text nach: Barrios de Chungera, Domitila: Wenn man mir erlaubt zu sprechen: Zeug- nis der Domitila, einer Frau aus den Minen 8oliviens. 4. Aufl .• Bornheim-~erten: Verlag lamuv 1980, S. 25. 26, 35 - 37 329 Frankfurter Rundschau, Weihnachten 1971, abgedruckt in: Bundeszentral. für poli- tische Bildung (Hrsg.): Informationen zur politischen Bildung Nr. 129, Oie ~en­ schenrechte. Wiesbaden 1978. S. 19. 331 Quelle für die Oaten in der Tabelle: Entwicklung und Zusammenarbeit. Heft 11/1981, S. 7. Die Angaben für die Rundesrepublik sind zusammengestellt und berechnet nach: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hrsg. l: Gesell- schaftliche Daten 1979. Bd. 20 der Reihe: Berichte und Dokumentationen, ~elsungen 1979, Tab. 1, 6, 15, 17, 58. Jüngere Daten für die von den Vereinten Uationen definierte Gruppe der 31 ~~~~~~n­ häl}~~.r.: {lleDl sind nicht verfügbar. Der Bericht der Weltbank von 1986 weist stattdessen Wert~ fUr die 34 ",~n<:fer' __ mi~_r:'5ed.!'..i_9~!!''--~ir:,-k.c?!!,.!'!.el} (36 länder mit China und Indien) aus: in der Angabe der Weltbank fehlen 10 länder aus der Gruppe der llCO: 6 befinden sich in einer Sonderstatistik der länder mit weniger als 1 ~ill. Einwohnern und 4 wurden inzwischen als~är1.<:f_er._J!'tt: mi_t.tJ~r:enI~in.KC?-",m~1Jgeführt. AUfgrund der weiteren Fassung der Gruppe der Armen (1984: 611 ~ill. ~enschen) ergeben sich für 1981/1984 etwas günstigere Durchschnittswerte: lebenserwartung bei Geburt 1984: 50 (männl.) bzw. 52 (weibl.) Jahre jährl. Geburtenziffer 1984: 42 je Tsd. Einwohner Sterbeziffer 1984: 16 je Tsd. Einwohner Einwohner je Arzt 1981: 17 234 Einwohner je Krankenpfleger 1981: 7546 Einwohner je Krankenbett: - Grundschüler in X ihrer Altersgruppe 1983: 74 Durchschn. Jahreseinkommen je Einwohner 1984: 190 Dollar Quelle: Weltbank: Weltentwicklungsbericht 1986. Anhanq: Kennzahlen der Weltent- wicklung, Tab. 1. 25-29. 334 Vgl. zu verharmlosenden und verfälschenden Argumentationen in ökonomischen Schulbüchern bei Berührungen mit gesellschaftlichen oder ökologischen Aspekten: Fingerle, Karlheinz/ Gerhard Gerdsmeier: Oie Unwelt der Wirtschaftslehrebücher. In: Beiheft 7 zur Zeitschrift für Berufs- und WirtschaftspädAgogik, Umweltlernen in der ökonomischen Bildung, 1QA8, S. 51 - 69. 410 Gemeint ist die Gattin des gAstürzten Diktators M~rcos: vql. ansonsten die Anmerkung zu 318. 411 Vgl. Der Spiegel Nr.31, 42 . .19., 1988, S. 127 419 Vgl. zur Strategie von Werbung: Kroeber-Riel. Wernerl Gundolf ~eyer-Hentschel: Antt~.n9._... __ _.. _ .. .. _. ._... . .. __... _.._... __. _._. ..__ . .. ..Seite__3_2] Werbung. Steuerung des Konsumentenverhaltens. Würzburq: Wien 1982 421 Vgl. zur Preisgestaltung bei Kosmetika: Glase, Henry: "Hier werden Träume verkauft". In: Der Spiegel Nr.26, 42. Jg., 1988, S. 177. 427 Vgl. Frankfurter Rundschau, 2.3.1987, S. 2 in einer Kurzmitteilung über eine Dokumentation der katholischen Kirche über die Folterungen während der brasilianischen Militärdiktatur von 1964 - 1979. Vgl. zum Beispiel des Schwimmers: Frankfurter Rundschau vom 26.9.88, S. 5P 4. 429 Vgl. Jeder vierte Arbeitnehmer kämpft mit psychischen Problemen, in: Frankfurter Rundschau, 17.2.87. Jeder zehnte hat Allergie, in: Frankfurter Rundschau vom 29.1.87, 5. 22. Die meisten Beinamputationen sind selbstverschuldet, in: Frankfurter Rund~chau vom 31.1.87, S. 9. 443 Vgl. "Wettrennen um die letzten schBnen Plätze". In: Der 5pieqel Nr. 31,42. Jg., 1988, S. 114 - 126. 505 Vgl. zur Schematheorie: Ballstaedt, Staffen-Peter/Heinz Mandl/Sigmar-Olaf Tergan: Texte verstehen, Texte gestalten. München: Wien; Baltimore 1981, S. 22 - 35, 62 - 66 510 Vgl. 5chank, RogerC.!Robert P. Abelson: 5cripts, Plans, Ooals and Understanding. Hillsdale, N.J.: Earlbaum 1977 Das Netzwerk-Beispiel stammt aus: Oerdsmeier, Gerhard: Schülerurteile über ökono- mische Sachverhalte (unveröff. Mat~rialien). 604 Zusammengestellt nach Biographien aus: Hardach-Pinke, Irene! Gerd Hardach (Hrsg.): Kinderalltag. Deutsche Kindheiten in Selbstzeugnissen 1700 - 1900. Kronberg/Taunus: Athenäum Verlag 1978. 701 "Wir müssen damit rechnen, daß das leben der Menschen auf der Erde stets unter dem kalten Stern der Knapoheit stehen wird." Schneider, Erich: Einführung in die Wirtschaftstheorie. 1. Teil: Theorie des Wirtschaftskreislaufs. 11. Aufl., Tübingen: J.C.B. Mohr 1964 (1941), S. 13 712 Vgl. zum Japan-Beispiel: Der Spiegel Nr. 31, 42. Jg., 19B8, 5.127 Vgl. zum Tourismus-Beispiel: "Wettrennen um die letzten schönen Plätze". Der Spiegel Nr. 31, 42. Jg., 5. 126. 713 Vgl. als Beispiel der hier angesprochenen Umweltökonomi~: Wicke, Lutz: Umweltöko- nomie. Eine praxisorientierte Einführung. München 1982 821 Bloom, Benjamin 5. u.a.: Taxonomie von lernzielen im kognitiven Bereich. 4. Aufl., Weinheim: Basel 1974. Vgl. zur Rechtferti9ung und Anwendung des Konzepts von Operationalisierung und Taxonomisierung von Lernzielen: Achtenhagen, Frank: Did~ktik de~ Wirt~chaft9un­ terricht~. Opladen 1984, 5. 102 ff. 825 Vgl. zum Konzept des ~ozialintegrativenUnterrichts: Tau~ch, Reinhard! Anne-Marie Tausch. Erziehungspsychologie. 7. Aufl., Oöttingen 1973 828 Kreft, Marianne: Sabine. Aus: Menschengeschi~hten. 3. Jahrbuch der Kinderlitera- tur. Hrsgegben von Hans-Joachim Gelberq, Weinheim und Basel: Beltz Verlag 1975. Programm Beltz & Gelberg, Weinheim. Nachdruck mit freundlicher Genehmigung des 8eltz Verlages. 829 Ganter, Richard: Kreislauf der Zwänge. Aus: Richard Ganter: Die Sprüchemacher. rotfuchs 246, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag 1980, S. 126. Nachdruck mit freundlicher Genehmigung des Rowohlt Verlaqes. 903 Betriebswirtschaft in der Berufsgrundbi1dung. Verf.: Harald Dettmer. - Bad Homburg v.d.H.: Oehlen 1984, S. 9-12. 904 vgl. 903, 5.9 Hinsichtlich der Datierung der Definition vgl. 119. 905 vg1. 903, S. 9 907 vgl. 903, 5. 9 908 vgl. 903, S. 9 u. 12 Anhang __ . ._. ~('_u:_e__32a 909 V9l. 903, S. 12 u. 10 910 vgl. 903, S. 10 u. 12 911 vgl. 903, S. 9 912 vql. 903, S. 12 913 vgl. 903, 5. 9 u. 12 914 v91. 903, S. 12 u. 11 915 vgl. 903, S. 12 916 Volkewirtschaftliche Grundbildunq. Verf.: Harald Dettmer. - Bad Homburg v.d.H.: Gehlen 1985, S. 13-14. 918 vgl. 916, S. 15 919 vgl. 916, S. 14 920 vgl. 916, s. 14 921 Betriebswirtschaftskunde für Ver~äufer und Kaufleute im Einzelhandel. Verf.: Gerhard Götz. - 8., durchg. Aufl. - Bad Homburg v.d.H.: Gehlen 1979, S. 17. 922 dieselbe Feder wie 959 923 Wirtschaftslehre für gewerbliche und hauswirtschaftliche Berufs- und Berufg- fachschulen. Verf.: Herbert Baumann: Oieter Metzler: Dfeter Theisinger. - 7. Aufl. - Köln-Porz: Stam 1981, S. 159. 924 Wirt~chaftslehre. Eine Einführung in den Gesamtbereich der Wirtschaft. Verf.: Ulrich Wolter-Roessler. - 3. Auf'. - Hünchen: Baverischer Schulbuch-Verlag 1972, S. 5. 925 vgl. 923, S. 926 Wirtschaftskunde für gew~rbliche Rerufs- und 8erufsfachschulen einschließlich des Berufsgrundbildungsjahres. V~rf.: Kurt Fink: Eduard Kraus: Günter Weber. - 11., durchg. Aufl. - Bad Homburg v.d.H.: Gehlen 1985, S. 87f. 927 Betriebswirtschaftslehre für die Aus- und Weiterbildung in Schule und Beruf. Verf.: Heinz G. Golas: Martin Stern: Peter B. Voß. - 1. Auf'. - Rinteln: Merkur 1984, S. 295f. 928 Volkswirtschaftslehre für kaufmännische Berufsschulen. Einzel- und Arbeitsbuch. Verf.: Bernd Heumann; Oieter Heumann. - 3., aktualis. Aufl. - Köln-Porz: StAm 1983, S. 14-15. 929 vgl. 928, S. 930 vgl. 923, S. 931 vgl. 923, S. 932 vgl. 923, S. 933 vgl. 923, S. 9~4 Allgemeine Wirtschaftslehre. Volks- und Betriebswirtschaftslehre, Rechtskunde und Organisationslehre für kaufmännische Berufsschulen. AU9g. Bayern. Verf.: Kurt Gönner; Siegfried Lind: Hermann Weis. - Bad Homburg v.d.H.: Gehlen 19B2, S. 15f. 935 Wirtschaftskunde. Verf.: Schermer. DArmstadt: Winkler o.J .• S. 7. 936 lernbuch Betriebswirtschaft. Verf.: Karl-Fr. Erbach; Adalbert Rudnick. - 3. Aufl. (2. Druck) - Darmstadt: Wink'er 1979, S. 7. 937 vgl. 928, S. 938 Der Rürokaufmann. Wirtschafts- und Bürokunde. Verf.: Karl-Fr. Erbach: Oieter Kud~r. - 17., völliq neu bearb. und erw. Aufl. - Darmstadt: Winkler t981, S. 7. 939 V9l. 938, S. 1 940 Allgemeine und Spezielle Betriebswirtschaftslehre für Reiseverkehrsunternehmen. Verf.: Günther Füth: Erich Walter. - 3., völlig neu bearb. Aufl. - Melsungen: Gutenberg 1985, S. 9. 942 vgl. 936, 5. 7 943 vgl. 934, S. 16 944 vgl. 903, S. 12 945 lernbuch Volkswirtschaft. Verf.: Jürgen Christmann: Peter Mattes: Michael Schopf. - 2. Auf'. (1. Druck) - Darmstadt: Winklers Verlag - Gebrüder Grimm 1981, S. 15. Anha.I1g . ..._. _.. _ . .. _._ ____ .Sei.te . ~2~ 946 Verkäuferinnen und Verkäufer. Wirtschaftslehre mit Schriftverkehr und Te~tauf- gaben. Verf.: Wilhelm Schneider: Werner F. Brien. - 2. Aufl. - Klett 1979, S. 10. 947 vql. 945, S. 18 u. 15 948 vgl. 946, S. 10 949 Volkswirtschaftslehre. Eine problemorientierte Darstellung. Verf.: Günter Füth; Friedrich G. Blasberg. - 11. Aufl. (1. Druck) - Darmstadt: Winkler 1983, S. 6-10. 950 Betriebe im Einzelhandel 2. Wirtschaftslehre für die Berufsausbildung in Schu-l. und Betrieb. 2. Ausbildungsstufe: Einzelh;mdelskaufmann. Verf.: Harald Dibbern: ~anfred Nollau; Wilhelm Söfker. - 5., überarb. Aufl. - R~d Homburg v.d.H.: Gehlen 1982, S. 160. 951 Wirtschafts- und Gesellschaftslehre. Verf.: Jürgen Tiedke: Hans-Wilhelm Witthoff. - 6., überarb. Aufl. - Bad Homburg v.d.H.: Gehlen 1981. S. 14-16. 952 Wirtschafts- und Betriebslehre. Ein Lehrbuch für FOS-Technik, Gestaltunq und Hauswirtschaft. Verf.: Dieter Theisinqer: Dieter MetZler: Herbert Baermann. - 9. Aufl. - Köln-Porz: Stam 1981, S. 7. 953 Kaufmännische Berufsgrundbildung. Lehrbuch mit lehraufgaben für eine Berufs- grundbildung aller kaufmännischen Berufe. Verf.: Gotthold li.bold: Hubert Reio; Hans Weber. - 6. Aufl. - Wuppertal: Europa 1971, S. 13, 7, 11. 954 Allgemeine Wirtschaftslehre. Verf.: Wolfqanq Grill: Hubert Reio: Heinz Goebel. - 7., überarb., erw. Aufl. - Bad Homburg v.d.H.: Gehlen 1986, 5. 9r. 955 vgl. 954, S. 11 f 956 Volkswirtschaftspolitik. Verf.: Horst Spitschka. - 3., überarb. Aufl. - Bad Homburg v.d.H.: Gehlen 1980, S. 14. 957 Volkswirtschaftslehre für Banken. Einführung in wirtschaftliche Zusammenhänge. Verf.: Oieter Meyer-Gieseking. - 3., überarb Aufl. - Bad Homburg v.d.H.: Gehlen 1979, S. 11-12. 958 Oie Grundbildunq des Kaufmanns. Volks- und Betriebwirtschaftelehre. Grundstufe B@rufsgrundbi1dungsjahr. Verf.: Gernot Hartmann: Friedrich H~rter. - 3. Aufl. - Rinteln: Merkur 1982, S. 11. Allgemeine Wirt9chaftslehre für kaufm~nnische AuszlJbildende. Verf.: Gernot Hart- mann: Friedrich Härter. 1. Aufl. (10. Druck) - Rinteln: Merkur 1980, S. 12. Volks- und Weltwirtschaft. lernzielorientierte Ausgabe. Verf.: Gernot Hartmann. - 1. Aufl. (1. Druck) - Rinteln: Merkur 1980, S. 13. 959 Betriebswirtschaftslehre für Berufsfachschu1en - Tvp Wirtschaft. Verf.: Georg Blass U.8. - 3. Aufl. - Köln-Porz: Stam 1981, S. 7-8. 960 Allgemeine Wirtschaft~lehre. Grundstufe. Verf.: Manfred Zschenderlein. - 2. Aufl. - Oarmstadt: Winkler 1979, S. 5. 961 Blickfeld Wirtschaft. Verf.: Hermann Speth: Gernot Hartmann: Friedrich Härter. - 1. Aufl. (3. Druck) - Rinteln: Merkur 1979, S. 12-13. 962 Betriebswirtschaftslehre. Verf.: Götz, Weig, Sehlinq, bearb. v. Hermann Weis, Hans Sehling. - 19. überarb. Aufl. - Bad Homburg v.d.H.: G~hlen 1982, S. 15. 963 Allgemeine Wirtschaftslehre. Verf.: leitung des Arbeitskreises und lektorat: Horst Warncke; Hamburg. Wuppertal: Europa 1980, S. 13-15. 964 Wirtschaftslehre Großhandel. Verf.: Ernst Böhmer u.a., lektorat: Gernot Kugler. - 1. Aufl. - Wuppertal: Europa, S. 11. 965 vgl. 936, S. 7 967 Vo1kswirtschaftslehre für Bankkaufleute. Verf.: Hans H8rber: ßernd Enqel. - 3., neu bearb. Aufl. - Wiesbaden: Gabler 1986, S. 13-16. 1010 Den weiteren Darlegungen liegt zugrunde: Gäfgen, Gerard: Theorie der wirtschaft- lichen Entscheidung. Untersuchungen zur logik und ökonomischen Bedeutung de~ rationalen Handelns. 3. Aufl., Tübinqen: J.C. Mohr 1974 1031 Industriebetriebslehre. Problemorientiert. Verf.: Rolf-Günther Holden, unter Mitarb. von Ernst Bizer u.a. - 3. Auf1. - Köln-Porz: Stam 1982, S. 10 - 13. !,nh~n9__.. _",."" _.. ' .. .. .. _._..~.~.ttf!... 33.Q 1113 Vgl. Kruse-Heun, Betriebswirtschaftslehre. Kurzausgabe, 8earb.: Josef Jäqer, neu bearb. von Karl Fr. Erbach, Franz Follmer, Darmstadt: Winklers. Oa9 Buch hatte 1987 die 183. Auflage. 1201 Vql. zum ~9thetisierun9sAr9ument: Brunkhorst: Hauke, Ästhetisierunq des Intellek- tuellen. Rollenspiele und Modenwechsel in der Kultur des Spätkapitalismus. In: Frankfurter Rundschau vom 26. 11.1988, S. 28 3. Anh.n~g,- _ --------- _. -- ..._- .__.-.--- ---.- Seite 331 Stichwortverzeichnis Stichwort: Randnummer: (kursive Angaben: nur implizite Behand- lung) 105; 106; 118; 128; 137; 214; 215; 216; 217; 219; 223; 224; 225; 227; 231; 232; 233; 234; 235; 239; 241; 305; 313; 314; 316; 317; 321; 323; 325; 327; 333; 336; 337; 412; 414; 426; 428; 432; 433; 434; 435; 438; 440; 442; 444; 447; 448; 449; 606; 608; 610; 611 ; 614; 618; 620; 622; 624; 630; 718; 719; 721; 722; 724; 725; 726; 812; 813; 815; 817; 818; 819; 824; 826; 827; 1006; 1008; 1015; 1016; 1018; 1021; 1024; 1029; 1030; 1103; 1104; 1105; 1118; 1119 ; 1120; 1121 ; 1125; 1127; 633; 126: 104; 211; 230;302; 306; 319; 431; 437; 441; 446; 604; 716; 811; 814; 1005; 1014; 1017; 1102; 110; 111 ; 816; 108; 109; 138; 318; 411; 427; 626; 712; 133; 134; 135; 308 - 312; 329; 331; 828; 829; 101; 116; 125; 129; 206; 425; 501; 515; 517; 631; 632; 701 ; 704; 714; 901; 1107; 1110; 1114 ; 1116 ; 1122; 1128; 121; 221; 232; 335; 402; 409; 617; 723; 823; 1023; 1117; 451; 967; 103: 208; 210; 229; 301; 401; 430: 436; 602; 715; 801; 1001; 1003; 207; 630; 1001; Redundantes -Wiederholungen unmögliche L. -überleitungen Systematische Infonmation -Lehrtext mögliche L. 1. Di da15.-.t i s~_b~:t$_J~1.~.t.~IjJU AUfgaben -mögliche A. -unmögliche E. -zusätzliche E. Materialien -zusätzliche M. -Lösungen der A. -unmögliche A. Episoden -mögliche E. 509; 510; 805; 913; 820 - 822; 107; 119; 415; 625; 626; 721; 822; 723; 2. D1~aktische ReflexiQQ (zu jedem Stichwort erschöpfend, verbindlich und auswendig zu lernen) Anschaulichkeit Aufgaben -Qperationa11sierung von A. -Schulförmigkeit der A. ~nh~f1~. . . .. . .. . . . .._. .. . S.i~~_~.?_ Aufklärung BedQrfnisse -Armut -Armut, Ursachen d. -B.pyram1de -Definitionsprobleme -Definition öffentliche B. -Erlebnisorientierung -Institut1onalisierung der B.befriedigung/GOter -Mangeldefinition der B. -psychische Verbindlichkeit -Schulbuchinhalte -soziale Bewertung von B. -thematische Begründung -wahre und falsche B. Curriculumkonstruktion -fachliches versus inte- gratives Curriculum -geschlossene versus offene C. -gespaltenes Curriculum -Gestaltungskr1terien -Legitimation -Menschenbild -moralische Ausrichtung -praktische C. -Sinnfragen Didaktik -Abb11ddidaktik -Haltung des Weiterfragens -Handlungsorientierung -Konf11ktd1daktik -Rhetorik versus D. -Wissenschaftsorientierung Entscheiden -Entscheidungstheorie -ökonomisches Prinzip Definition des Ö.P. Pragmatik und Ö.P. Unterricht und Ö.P. Episode -Ausgestaltung von E. -Fachsystematik versus E. -Funktionen von E. -induktives Vorgehen -ungewollte Verallgemeinerung -Verfremdung von E. 914; 956; 957; 242 ; 420; 422; 505; 506; 625; 937; 1201 315; 334; 320; 322; 324; 326; 328; 334; 928; 132; 613; 237; 139; 419 - 424; 625; 220; 222; 226; 228; 240; 242; 303; 408; 445; 1002; 119; 136; 130; 421 ; 201; 334; 904 - 966; 127; 131; 421 ; 625; 102; 117; 131; 421; 425; 427; 429; 443; 115; 628; 629; 107; 115; 332; 506; 616; 625; 1108: 514; 516; 502; 503; 504; 514; 102; 117; 245; 401; 504; 505: 603 - 614; 115; 616; 625: 213; 318; 427; 429; 901; 1112; 1113 ; 1124: 114; 212: 318; 120; 124; 334; 503; 504; 506; 507; 629; 807; 917; 115; 332; 235; 416; 417; 422; 512; 513; 516; 213; 218; 422; 423; 115; 334; 503 - 506; 514; 525; 804; 1010 - 1013; 1022; 1025; 1026; 1028; 1032; 1034; 1036 - 1038; 1106; 1109; 1111 ; 1115 ; 1123; 1126; 1008; 1009; 1018; 1019; 1007; 1015; 1004; 1027; 1029; 1124; 107; 110; 112 - 114; 213; 218; 304; 307; 334; 450; 514; 516; 717; 1033; 334; 507; 514; 516; 334; 450; 512 - 516 334; 403; 407; 408; 411; 439; 445; 615; 805; 443; 113 - 114; 117; 304; _.. .. ._. ..~.j~~ :t~_ 957; 605; 607; 625; 801; 804; 625; 957; 334; 404; 406; 411; 439; 505; 509; 802 - 810; 415; 450; 506; 507; 514; 615; 404; 410; 505; 507; 508; 514; 714; 721; 443; 830; 413; 415; 427; 506; 507; 615; 422; 226; 228; 242; 240; 242; 244; 236; 244; 419 - 421; 514; 516; 629; 122; 915; 117; 401; 117; 717; 115: 205; 804; 809; 334; 413: 419 - 421; 505; 507 - 516; 518; 615; 625; 810; 1027; 203 - 205; 918; 919; 925; 202; 213; 218; 621; 334; 404; 406: 439; 507 - 509; 514; 802 - 810; 509; 803; 804 - 806; 509; 805; 807; 808; 810; 822; 809; 810; 226; 405: 505 - 507; 514: 939 - 944; 949; 969; 508 - 516; 615; 1007; 115; 123 - 124; 406; 410; 507; 508; 514; 115; 615; 413; 334; 226; 228; 240; 242; 626 - 628; 202 - 205; 213; 408; 921 - 927; 946; 957; 702; K.708; 709; 711 ; 710; 706; 706; 712; 705; 713; 1020: 707; Fall (vgl. Episode) Fortschrittskritik Klassifikation Knappheit -Definition -administrative überfluß vs. -Arbeitslosigkeit vs. K. -Bedürfniseinschränkung vs. K. -BOrokratie vs. K. -Einkommensverteilung vs. K. -Geldmangel vs. K. -individuelle Verarmung vs. K. -Mangel vs. K. -ökologie vs. Knappheit -ökonomisches Prinzip und K. -überfluß vs. Knappheit Kognition -Alltagsdenken -Begriffe versus Terme -Hierarchien, ereignislose -kognitive Dissonanzen -Referenzsysteme -scripts -Vernetzen -Verstehen -Vorurteile, Kultivierung von -Wissenschaftsdenken Lernen -Eihste1lungsänderung -Ergebnissicherung -Funktion von Lehrtexten -Lernmotlve -Lernprinzipien -schulförmiges L. -selbstreferentielles L. -Sozialisation, außerschu- lische -Voru~te1le, Kultivierung von -Werbekommunikation und L. offentliche Einrichtungen -Kritik am Ausmaß ö.E. -Legitimation ö.E. -Quotenregelung -Rotationsprinzip mögliche R. Wechsel zwischen R. Vermischung von R. -Schematheorie !r'.h~ng . . . .__ . _ . ----::ge=-=-=....:it. 334 ökonomik -empirische ökonomik -Konstruktionsprinzipien -Lehrbuchökonomik -naive Deutungen -typisierte Generalisierung Reduktion, didaktische Redundantes Rollenspiel Schulbuch SchOler -Betroffenheit -Haltungen von S. -Lernvoraussetzungen -Urteile Ober S. -psychoanalyt. Betracht~ng Stoffliche Routen Textanalyse -aussagenlogische T. -Instrumente der T. -Werbekommunikat1on -Wirkung von Texten Unterricht -darstellender u. -fragend-entwickelnder U. -Intentionen ökonomischen U. -problemlösender U. -subjektive Rezeption (SchOler) (Lehrer) -Unterrichtsstil autoritärer U. soz1al1ntegrativer U. -U.formen -U.planung 518; 523; 404; 508: 519 - 524 102; 201; 518 - 522; 524; 809; 413; 505 - 507; 721; 802; 1027; 407; 204; 320; 322; 324; 326; 328; 334; 404; 407; 408; 410: 450: 809; 810; 905; 918; 928; 1124; 206; 425; 501; 515; 517; 701; 714; 901 ; 703 - 714; 809; 201; 204; 205; 334; 411: 419: 522; 902 - 971; 1031; 1113 ; 401; 616; 625; 212; 625; 127; 413; 506; 516; 619; 830; 107; 422; 619; 625; 830; 830; 124; 201; 418; 965: 1201; 226; 403 - 408; 410; 411; 904 - 964; 902; 950; 417 - 424; 405; 406; 971; 122; 226: 245; 724; 115; 209; 513; 607; 609 - 612; 619; 723: 504; 505; 525 115; 213; 245; 513; 245; 601 - 614;625; 616 -625; 601; 603; 607: 609; 612; 801 - 827; 825; 245; 616; 418; 421, 422; 514; 1035; 1201; Schriftenreihe Berufs- und Wirtschaftspädagogik des Fachbereichs 02 der GhK Bisher erschienen: Bd. 1 Bd. 2 Bd. 3 Bd. 4 Bd. 5 Dröge, Raimund Datenverarbeitung und Informationstechnologie im kaufmänni- schen Bereich (1985); 374 Seiten; DM 10,-- Frey, Karl Schulisches BGJ, betriebliche Fachstufe und regionale Erwerbs- chancen (1985); 181 Seiten; DM 8,50 Grote, Martin Bildungsplanung in Entwicklungsländern als Problem der Ent- wicklungspolitik (1985); 271 Seiten; DM 10,-- Hoffues/Purschke/Tümmers Berufspädagogische Probleme bei türkischen Jugendlichen (1986); 170 Seiten; DM 10,-- Kempkes, Hans Peter Das Konzept des offenen Schulbuches als Beitrag zur Curricu- lumentwicklung des Faches Wirtschaftslehre/Wirtschaftswissen- schaften in der Sekundarstufe 11 (1987); 356 Seiten; DM 15,-- Bd. 6 Tümmers, Türke 1 - dagogik Fouladi, DM 58,-- Jürgen für Berufspädagogen. Studienmaterialien zur Sonderpä- der Berufsbildung unter Mitarbeit von Beyer, Cinar, Hoffues, Koch, Purschke, Wilhelm (1988); 647 Seiten; Bd. 7 E. TL Sode Schulbuch 0 hne Schule. 1. Bedürfnisse. Die unterdrückte Lust an der didaktischen Reflexion (1989); 335 Seiten; DM 15.-- pemnächst erscheinen: Bd. 8 Bd. 9 Gerdsmeier, Gerhard Der klassifikatorische Strukturkern; (vorraus. Frühjahr 1989) Lim, Se Yung Die Ergebnisse der Lernortdiskussion und ihre Bedeutung für die Qualifizierung von gewerblich-technischen Arbeitskräften in der Republik Korea; (vorraus. Frühjahr 1989) Bestellungen bzw. Anfragen an: Dr. Raimund Dröge Gesamthochschule Kassel, FB 02 Heinrich-Plett-Str. 40 3500 Kassel