Karl Friedrich Tuczek deep plan Die Architektur der tiefen Geschossbauten 3 Hiermit versichere ich, dass ich die vorliegende Dissertation selbständig und ohne unerlaubte Hilfe angefertigt und andere als die in der Dissertation angegebenen Hilfsmittel nicht benutzt habe. Alle Stellen, die wörtlich oder sinngemäß aus veröffentlichten oder unveröffentlichten Schriften entnommen sind, habe ich als solche kenntlich gemacht. Kein Teil dieser Arbeit ist in einem anderen Promotions- oder Habilitationsverfahren verwendet worden. Friedrich Tuczek, 10.08.2009 Karl Friedrich Tuczek deep plan Die Architektur der tiefen Geschossbauten Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Ingenieurwissenschaften (Dr. Ing.) am Fachbereich 06 Architektur, Stadtplanung, Landschaftsplanung der Universität Kassel, Fachgebiet Entwerfen und Baukonstruktion Prof. Dipl.-Ing. Brigitte Häntsch (1. Gutachterin) Prof. Dipl.-Ing. Manfred Grohmann (2. Gutachter) Datum der mündlichen Prüfung: 10.02.2010 7 Gebäudetiefe als typologischer Parameter................................................................................... 9 Teil I: 1890-1990 Vorgeschichte ............................................................................................................................... 15 Skelettbau und tiefer Grundriß: Chicago / New York 1880-1900 ............................................... 21 Eisenbeton und Großstadtarchitektur: Der tiefe Grundriß in der Moderne um 1930 .............. 41 Plan libre und tiefer Grundriß bei Le Corbusier 1926-65 ........................................................... 59 Corporate Modernism 1945-73 ..................................................................................................... 73 fl exible frameworks: Von Megastruktur zu High-Tech 1953-85 ............................................... 103 Exkurs: No-Stop City 1971.......................................................................................................... 132 Teil II: seit 1990 Programmatische Grundlagen bei OMA ................................................................................... 133 Raumbildung ................................................................................................................................ 141 Tragstruktur ................................................................................................................................. 225 Erschließung ................................................................................................................................ 242 Fassade ........................................................................................................................................ 246 Teil III: Schlussfolgerungen Tiefe Geschossbauten- ein Format und seine Charakteristika................................................249 Entwicklungsphasen....................................................................................................................256 Anmerkungen .............................................................................................................................. 266 Übersichten .................................................................................................................................. 271 Bibliographie ................................................................................................................................ 289 Abbildungsnachweis ................................................................................................................... 294 English Summary / Zusammenfassung .................................................................................... 296 Inhalt 9 deep plan: Die Architektur der tiefen Geschossbauten Gebäudetiefe als typologischer Parameter In der Geschichte der modernen Architektur lassen sich bezüglich der Dimensionen gebauter Volumina zwei gegensätzliche Haltungen erkennen: Die eine, in der europäischen Moderne stärker repräsentierte Tendenz ist die auf reformerischen Ideen der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert basierende Vorstellung, dass der Außenkontakt der Innenräume von primärer Bedeutung ist, dass also Baukörper, nach Nutzungsarten differenziert, gerade so tief dimensioniert werden, wie funktionell notwendig. Zufuhr von Licht, Luft und Sonne werden als menschliche Grundbedürfnisse verstanden, deren Befriedigung im Zusammenhang mit einer Verbesserung der Hygiene in den Städten die Regeneration der Wohnbevölkerung unterstützt. Diese Haltung wird illustriert durch das Bauhaus von Gropius, das Sanatorium von Aalto, das Projekt für den Völkerbundspalast von Le Corbusier und die Kombinationen von Hochhausscheibe und Sockel bei Mies und SOM. Diese Lesart wird in der Selbstdarstellung der Moderne –am bekanntesten ist Giedions Raum Zeit Architektur (1947) - privilegiert. Die andere Tendenz läuft auf die Herausbildung „tiefer“ Gebäude hin, in denen der Außenkontakt der Nutzer geringere Priorität hat, gegenüber der Herstellung eines möglichst ausgedehnten Innenraums. Diese Option wird möglich durch den Skelettbau, fl ankiert von Innovationen in der technischen Gebäudeausrüstung: Künstliche Belichtung, Aufzüge, Rolltreppen, Klimatisierung. Gegenüber den reformerischen Ideen der oben aufgeführten ‚funktionalistischen‘ oder organischen Tradition liegt der Ausgangspunkt hier entweder in der Optimierung von Arbeitsabläufen und Warenfl üssen, die wiederum zu größerer ökonomischer Rentabilität führt (>Taylorismus, Fordismus). Oder es geht um die möglichst hohe Ausnutzung teuerer Grundstücke in Innenstadtlage. In beiden Fällen wird die Maximierung von zusammenhängender Geschossfl äche zum Ziel. Diese eher pragmatische amerikanische Moderne ist u.a. seit Koolhaas Delirious New York (1978) stärker ins Blickfeld geraten. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der zweitgenannten Tendenz der Ausbildung von „tiefen“ Gebäuden.- Aber wie defi niert sich diese „Tiefe“? Als Dimensionsangabe ist sie eine Zusammenziehung von „Länge“ und „Breite“. Konkret angewandt meint sie von diesen beiden horizontalen Dimensionen eines Gebäudes immer die kürzere, d.h. die Breite. Die Wahl des Begriffs „Tiefe“ anstatt „Breite“ deutet allerdings schon an, dass keine der beiden horizontalen Dimensionen quantitativ dominiert, dass also der tiefe Grundriss zum Quadrat tendiert. Andererseits ruft sie die Vorstellung „räumlicher Tiefe“ hervor, als einer perzeptuellen Qualität, die die Relation eines (aufrecht stehenden) Subjekts zu Objekten innerhalb des Sehfeldes beschreibt: Auf Architektur bezogen wäre dies z.B. die Vorstellung, dass ein Gebäude, von außen betrachtet, hinter der Fassade eine bestimmte „Tiefe“ aufweist. Man würde nicht erwarten, dass selbst ein strikter Modernist wie Hilberseimer den Grundriss als der Fassade nachgeordnet beschreibt: Der Grundriss bringt die dritte räumliche Koordinate, die Tiefe, zur Horizontalen und Vertikalen. Er wird daher unwillkürlich mitumfaßt. Er ist die Horizontalprojektion des Bauwerks, das er mit den Vertikalprojektionen: Schnitten und Ansichten geometrisch bestimmt und festlegt.1 Aber Hilberseimer geht es auch primär um die Kongruenz zwischen Schnitt und Ansicht. Dem gegenüber schwenkt bei Rem Koolhaas‘ der Winkel der Betrachtung um 180° in der Horizontalen: Jetzt sind wir innerhalb des Gebäudes und blicken in Richtung Fassade. Trotzdem bleibt die „Tiefe“ quantitativ recht vage: A “deep” plan suggests a condition where the distance between core and facade is considerable...2 Beide, Hilberseimer wie Koolhaas, verbinden also die Gebäudetiefe mit dem Verhältnis von Innen und Außen. “Tiefe” ist bei ihnen relativ; sie wird nicht maßlich präzise bestimmt. Zur Eingrenzung des Themas bleibt jedoch nichts anderes übrig, als eine willkürliche, aber begründbare, quantitative Festsetzung zu machen. Gebäudetiefe als typologischer Parameter Defi nition: Tiefe Grundrisse / tiefe Geschossbauten 1. Ein tiefer Grundriss ist eine Ebene eines mehrgeschossigen Gebäudes (Geschossbaus) von mindestens 25 Metern Tiefe in beiden Richtungen. 2. Ein tiefes Gebäude soll mindestens vier Geschossebenen, einschließlich des Erdgeschosses, aufweisen. Es geht folglich von der Geschossanzahl her um die Art von Gebäuden, die auf Englisch als mid-rise bezeichnet werden (die Hochhausgrenze des deutschen Baurechts soll hier aber nicht maßgeblich sein). 3. Das Verhältnis von Hüllfl äche zu Gebäudevolumen soll möglichst gering sein, d.h. der Baukörper soll kompakt sein. 4. Die Geschossebene kann Einschnitte oder Lufträume bis zu einem Flächenanteil von 20% der Geschossfl äche aufweisen, nicht jedoch ein mittiges Atrium; ausgenommen die Fälle, wo die Fläche zwischen Atrium und Fassade tiefer als 25 m ist. 5. Die Grundrissmitte soll nicht durch einen Erschließungskern belegt werden. Bei tiefen Grundrissen liegen Erschließungskerne entweder am Rand der Geschossfl äche oder sind in mehrere Kerne aufgespalten, die gleichmäßig über die Geschossfl äche verteilt sind. Die Defi nitionen grenzen die Gebäude mit tiefen Grundrissen von anderen Bauformen ab: Defi nition 1 fordert für einen tiefen Grundriss 25 Meter. Als maximal mögliche Gebäudetiefe bei einseitiger natürlicher Belichtung gelten traditionell 8 Meter, das heißt für zweiseitige natürliche Belichtung 16 Meter3. Die tiefsten Gebäuderiegel sind mit 24 Metern die Riegel des Turiner Lingotto oder der Unités d‘habitation von Le Corbusier4. Riegel und Scheibe als Bautyplogien sollen aber ausgeschlossen werden, da es um kompakte Baukörper geht. -24 Meter Tiefe ist übrigens auch die Mindestanforderung bei den Bürolandschaften –der Organisationsform, die nach den Warenhäusern als zweite den tiefen Grundriss aus funktionalen Gründen propagiert.5 Defi nition 2 grenzt die tiefen Gebäude von Flachbauten oder Teppichbebauungen ab. Diese Bautypen, auf Englisch auch als mat building bezeichnet, haben ein bis drei Geschosse einschließlich des Erdgeschosses und bildet eine eigene, an Beispielen reiche typologische Kategorie, die anderenorts bereits behandelt ist6. Eine explizite Abgrenzung der tiefen Gebäude von Hochhäusern erübrigt sich durch Defi nition 5. Defi nition 3 grenzt die tiefen Grundrisse gegenüber strukturalistischen Baukomplexen ab, bei denen die Addition von baulichen Einheiten eine stark zerklüftete Außenkontur hervorruft. Die tiefen Gebäude sind generell in sich abgeschlossene Gebäude mit Solitärcharakter. Defi nition 4 grenzt die Gebäude mit tiefen Grundrissen von Atriumbauten ab, zu denen sie in der Tat den Gegenentwurf darstellen. Das zentrale Atrium ist –ähnlich wie die Passage- ein Bautyp des 19. Jahrhunderts, der ab den späten 1960er Jahren „wiederentdeckt“ wird (z.B. Ford Foundation, New York). Typologischer Ausgangspunkt ist meist eine vierfl ügelige Hofanlage, die mit Glas überdeckt wird. Die seitlichen Riegel sind jedoch schmale Grundrissformen, sodass die lineare Grundrissorganisation mehr oder weniger vorgegeben ist. 11 Zu Defi nition 5: Der Erschließungs- und Versorgungskern in Grundrissmitte ist vor allem ein Gestaltmerkmal von Hochhäusern, wenn es auch Gebäude mittlerer Höhe gibt, die einen Mittelkern aufweisen. Ein mittiger Kern bedingt –ähnlich wie ein mittiges Atrium- fast immer eine Grundrissorganisation in mehreren konzentrischen Ringen um den Kern. Für tiefe Grundrisse hingegen ist eine feld-artige, fl ächigen Grundrissorganisation kennzeichnend. Untersuchungsgegenstand und Methode Der Begriff „Tiefer Grundriss“ existiert; er wird also nicht in dieser Arbeit etabliert, jedoch –da sein Gebrauch, zumindest im Deutschen nicht weit verbreitet und schwankend ist- präzisiert. Dadurch bedingt, dass das Ziel der Arbeit nicht in der Herleitung des Begriffs besteht, sondern in seiner Entfaltung, musste diese Defi nition vorweggenommen werden, obwohl sie sich als sinnvolle Defi nition nur aus der Gesamtmenge der versammelten Referenzen erweisen kann. Mit der vorgenannten Defi nition hat man eine formale Eingrenzung der zu betrachtenden Gebäudereferenzen vorgenommen. Angenommen, die gesamte bauliche Hinterlassenschaft aller Länder und Zeiten läge in Form eines Archivs vor, das zu jedem Objekt maßstäbliche Grundrisse, Schnitte, Ansichten, Fotos oder Perspektiven bereithielte, so könnte man diesen Bestand unter dem Filter der selbstgesetzten Defi nition scannen. Da dieses Archiv nicht existiert, ist man darauf angewiesen, die Auswahl und Aufl istung der Referenzen selbst vorzunehmen, was den Vorteil bietet, dass –weil die Auswahl notwendigerweise interessegeleitet erfolgt- das Erkenntnisinteresse klarer in den Vordergrund rückt. Das Erkenntnisinteresse ist wie bei jeder Überblicksarbeit im Zwiespalt zwischen der Betrachtung des Einzelobjekts und seiner Einordnung in einen größeren Zusammenhang, wobei klar ist, dass die Hauptleistung auf dem Herstellen des größeren Zusammenhangs liegt, d.h. auf Verallgemeinerung. Der größere Zusammenhang bei einer Gruppe von Gebäuden mit bestimmten Gemeinsamkeiten kann entweder ein sachlicher sein; dann ist die Frage nach der Typologie gestellt. Oder er ist ein zeitlicher Zusammenhang; dann kann im Sinne einer Chronologie eine architekturgeschichtliche Entwicklung nachgezeichnet werden. Beide Blickwinkel spielen in dieser Arbeit eine Rolle. Die Frage, ob die wie oben defi nierten tiefen Gebäude einen eigenen Typus darstellen, oder –falls nicht- ob sich eine andere Bezeichnung für die Gesamtheit der Referenzen empfi ehlt, wird am Schluss der Arbeit beantwortet. An diesem Punkt kann zunächst einmal ein Interessenfeld beschrieben werden, das sich der Gebäudekunde zuordnen lässt, wobei sich die Arbeit nicht auf eine spezifi sche Nutzung konzentriert. Gleichzeitig erstreckt sich die Arbeit auf das Gebiet der modernen Architekturgeschichte. Es soll aus der vergleichenden Betrachtung der Referenzen ein historischer Überblick gewonnen werden, an den sich die Architektur der jüngsten Vergangenheit anschließen lässt. Dabei stellt sich die Frage, inwiefern die tiefen Geschossbauten zu einem Verständnis dessen, was die historische Einmaligkeit moderner Architektur ausmacht, beitragen. Die Untersuchung berührt dabei im Laufe der Arbeit immer wieder folgende Bereiche: -Städtebau: Was sind die städtebaulichen Voraussetzungen für das Entstehen tiefer Geschossbauten (Stadtstruktur, Blockgröße, Parzellengrößen, Topographie, Infrastruktur...). -Funktion: Welche Funktionen werden in tiefen Geschossbauten angesiedelt, und welche nicht? Wie spezifi sch ist die Zuordnung von Gebäudestruktur und Nutzung? Lassen sich wiederkehrende Erschließungs- und Belegungsmuster erkennen? -Tragstruktur: Welche Rolle spielt sie für die Innenraum- wie Fassadenausbildung; hieran knüpft sich die Frage nach dem Grad der Integration von Konstruktion, Erschließung, Gebäudetechnik als einem wesentlichen Entscheidungskriterium jedes Architekturentwurfs. Es geht also um einen Komplex aus städtebaulichen, programmatischen, räumlichen und strukturellen Fragestellungen, der anhand bestimmter baulicher Referenzen –allesamt tiefe Geschossbauten- geklärt werden soll. Die Untersuchung des Ineinandergreifens von architektonischer Konzeptbildung und (bau)technischer Innovation ist dabei eine Konstante. Ein wichtiger Bestandteil der Arbeit ist die Möglichkeit, maßstäbliche Vergleiche gebauter oder projektierter Referenzen herzustellen. Der einheitlich durchgehende Abbildungsmaßstab von 1:1000, von dem nur in explizit genannten Ausnahmefällen abgewichen wird, stellt hier ein dimensionales Bezugssystem her. Dabei geht es auch um die Korrektur eines Defi zits, das viele architekturgeschichtliche Darstellungen aufweisen. Während sie in Bezug auf die Chronologie meistens sehr präzise sind, spielt die Maßstäblichkeit oder die Angabe von Dimensionen oft eine geringe Rolle. Diese Arbeit vertritt die Position, dass in der Auseinandersetzung mit Architektur das Herstellen eines Bezugssystems in den räumlichen Dimensionen ebenso wichtig ist, wie in der zeitlichen Dimension. Allerdings vernachlässigt die Architektur-Geschichtsschreibung auch in der Chronologie oft den Aspekt der Nutzungsdauer oder –geschichte. Gerade in der modernen Architekturgeschichte wird weit eher die Genese des Werks betrachtet, als sein Bestehen, seine Adaption an veränderte Nutzungen oder Kontexte etc.. Bauten werden auch ein halbes Jahrhundert nach ihrer Entstehung oft noch ausschließlich mit Fotografi en aus der Erbauungszeit dokumentiert. Soweit möglich, sollen deshalb in dieser Arbeit Aspekte der Nutzungsgeschichte bei den Referenzen zumindest stichwortartig erwähnt werden. Gliederung der Arbeit Die Arbeit ist in zwei Teile gegliedert: Der erste Teil betrachtet die historischen Referenzen der Zeit zwischen 1890 und 1990. Der zweite Teil untersucht die Referenzen seit 1990. Während sich im ersten Teil eine chronologische Gliederung ergibt, werden die Referenzen im zweiten Teil unter morphologischen Gesichtspunkten betrachtet. Diese Gliederung empfi ehlt sich aus mehreren Gründen, die mit dem Entstehen dieser Arbeit zusammenhängen: Die neueren Referenzen der Zeit nach 1990 und die Beobachtungen, die sich im vergleichenden Überblick geradezu aufdrängen, waren konkreter Anlaß für die Arbeit: Es erschien reizvoll, die Mannigfaltigkeit der Strukturen und der Raumbildung innerhalb eines bestimmten architektonischen Formats, die die verschiedenen Referenzen gewissermaßen als Variationen über ein oder mehrere Themen erscheinen läßt, zu untersuchen und zu ordnen. Daneben war von Anfang an die Frage nach historischen Vorläufern interessant, aber ganz anders gelagert. Die Annahme, „deep plan“ sei ein Charakteristikum architektonischer Modernisierungsschübe, wurde auch durch eine Äußerung von Rem Koolhaas in seinem Artikel über Bigness gestützt. Dort wird postuliert, gegen Ende des 19. Jahrhunderts habe sich eine Art Urknall ereignet, in dessen Folge eine neue Spezies von Architektur entstanden sei. Der historische Teil gliedert sich in fünf Kapitel, mit einem „prähistorischen“ Vorspann: Je ein Kapitel ist der Zeit zwischen 1890 und 1900 sowie der Zeit um 1930 gewidmet. Darauf folgt ein Kapitel über Le Corbusier als Verbindung zwischer der „klassischen“ Moderne und der Nachkriegszeit. Die an Referenzen reiche Nachkriegszeit wird dann in zwei Kapitel aufgeteilt, die unterschiedliche Stränge verfolgen. Der zweite Teil stellt eingangs die Theoriebildung von Rem Koolhaas vor, da diese für die „deep plans“ der 1990er Jahre eine Initialzündung darstellt. Danach wird in einer „ersten Näherung“ eine Klassifi kation vorgeschlagen, die Vielfalt der Referenzen nach bestimmten Gestaltmerkmalen in sechs Gruppen ordnet. Die morphologische Betrachtungsweise wird in einem detaillierteren Durchgang auf die einzelnen „Subsysteme“ des Gebäudes, wie Erschließung, Fassade oder Tragwerk ausgedehnt. Der Aspekt Tragwerk bildet einen Schwerpunkt. Zum einen weisen die Gebäudebeispiele eine große Vielfalt an innovativen Tragstrukturen auf; andererseits eignen diese sich besonders gut für eine morphologische Klassifi kation.-In der Zusammenfassung wird geklärt, was die Referenzen der 1990er Jahre ihren „Vorläufern“ verdanken. 13 Quellenlage: Was sind die in dieser Arbeit auszuwertenden Dokumente? -Zuallererst die Gebäudebeispiele selbst. Hinzu kommen jedoch auch nicht ausgeführte Projekte, wie Wettbewerbsprojekte, Studien etc; schließlich geht es ja um eine Art architektonischer Ideengeschichte, und für diese können nicht realisierte Projekte ebenso einfl ußreich sein, wie ausgeführte Bauten. Dazu kommen Texte der Entwurfsverfasser, wie Projekterläuterungen, oder weitergehende (architektur-) theoretische Äußerungen. Des weiteren werden –auch ‚veraltete‘- Handbücher, Entwurfsatlanten oder gebäudekundliche Literatur ausgewertet, die einen Überblick über den Wissenstand einer jeweiligen Zeit geben und auch normative Vorgaben (in diesem Fall z.B. zu Gebäudedimensionen) enthalten, insofern wieder Aufschluß über eine bestimmte Planungskultur geben. -Ergänzt wird dieses Spektrum durch eigene Beobachtungen vor Ort, Interviews mit Planungsbeteiligten oder Nutzern. Eine Anregung, der Frage der Gebäudetiefe in der modernen Architektur nachzugehen, kann von den Texten und Interviews mit Rem Koolhaas in der Zeitschrift ARCH+ (Juni 1993) ausgehen. Dieses Heft eröffnet im deutschen Sprachraum die Diskussion über Themen wie Große Gebäude und Informelles Konstruieren. S,M,L,XL, 1996 erschienen, führt diese Diskussion fort. Die Projekte werden nach ihren Außendimensionen geordnet. S,M,L,XL exemplifi ziert, wie städtebauliche, typologische und konstruktive Fragestellungen in den Großen Gebäuden des Offi ce for Metropolitan Architecture zusammenkommen. Vorgestellte Projekte, wie das ZKM Karlsruhe, zeigen die Anwendung der in Delirious New York (1978) getroffenen Analysen. Texte wie Typical Plan und Bigness verbinden, Koolhaas-typisch, Analyse und Polemik. Cecil Balmonds Buch informal (2002) zeigt, wie der Tragwerksaspekt zu dem neuen regime of complexity beiträgt, das in S,M,L,XL propagiert wird. Tower and Offi ce von Inaki Abalos und Juan Herreros ist eine weitere relevante Anregung für diese Arbeit, da es sich um eine geschichtlich-theoretische Aufarbeitung handelt, die von praktizierenden Architekten stammt. Weiterhin waren alle Texte interessant, die die Entwicklung neuer Raumkonzepte oder Gebäudetypen unter dem Blickwinkel technischer Innovationen betrachten, wie z.B. Reyner Banhams Bücher über die Megastrukturen oder The architecture of the well-tempered environment. Bei einem Überblick über die Literatur zu Gebäudetypen, wie dem Warenhaus oder dem Bürohaus läßt sich beobachten, dass die ‚moderne‘, mehr oder weniger funktionalistisch motivierte Literatur der 1930er bis 60er Jahre weitaus konkretere quantitative und qualitative Vorgaben bezüglich dieser Bautypen macht, als die neuere Literatur, die sich darauf beschränkt, ein Spektrum an gebauten ‚Lösungen‘ leidlich plausibel zu klassifi zieren. Während also in einem Architekturbüro der 1960er Jahre z.B. bei der Planung eines Bürobaus neben den ‚Neufert‘ als stets greifbare Planungshilfe das Buch von Gottschalk7 trat, würde man heute Informationen zur Planung auf der Ebene des Vorentwurfs nicht primär aus einem Entwurfsatlanten beziehen können. Die neuere Literatur hat denn auch eher resümierenden als operativen Charakter; selbst auf Minimalstandards wie gleichen Abbildungsmaßstab von Grundrissen wird verzichtet, sodass derartige Literatur eher als gebäudekundlich sortierte Architekturführer dienen kann, denn als Planungshandbuch (was übrigens diese Arbeit auch nicht sein will). Einschränkungen: Bezüglich der vorgestellten Referenzen, aber auch der theoretischen Äußerungen, legt diese Arbeit einen Schwerpunkt auf die westeuropäische und US-amerikanische Architektur der Moderne. Mit Ausnahme Japans werden die modernen Architekturen der übrigen Kontinente leider nicht einmal ansatzweise berücksichtigt. Diese Eingrenzung, die auch mit den im Rahmen der Arbeit verfügbaren und zugänglichen Quellen zusammenhängt, hat jedoch insofern eine gewisse Berechtigung, als die vorgestellte Diskussion primär in der europäischen und nordamerikanischen Architektur vorangetrieben wurde, sodass hier auch die wesentlichen Dokumente zu fi nden sein dürften. Im Übrigen kann die Auswahl der Beispiele auch innerhalb dieser prinzipiellen Eingrenzung nicht als annähernd vollständig gelten. Ganz bestimmt ließen sich viele weitere interessante Referenzen anführen; die Arbeit zieht primär Beispiele heran, die einem erweiterten Kanon der europäischen und nordamerikanischen Architekturgeschichte der Moderne zugehören. Ein weiterer Aspekt, der von dieser Arbeit nicht beantwortet werden kann, ist die Frage nach der energetischen Bewertung tiefer Geschossbauten in Relation zu anderen Baukörperfi gurationen. Da die vorgestellten aktuellen Beispiele bislang eher als Ausnahme-Gebäude, als spektakuläre Sonderfälle gesehen wurden, liegen keine empirischen Daten oder vergleichenden Untersuchungen zum Energieverbrauch dieser Gebäude vor. Im Vergleich zum Atriumtyp als einem bevorzugten Studienobjekt in Bezug auf Energieeffi zienz sind die tiefen Geschossbauten m.W. bislang nicht energetisch untersucht worden. 15 1 Eugène-Emanuelle Viollet-le Duc: Venezianischer Palazzo; aus: Entretiens 3 Cà Loredan und Cà Farsetti 4 Cà Giustinian und benachbarte Häuser 1 Venezia, Orthophotoausschnitt mit Cà Loredan und Cà Farsetti (re. oben) und Palazzo Grimani a San Luca (Mi- chele Sanmicheli, li. unten) 2 Geschichtliche Voraussetzungen Vorgeschichte I: Venedig Die Palazzi Venedigs (eigentlich keine Palazzi, sondern case – der einzige Palazzo in Venedig ist der des Dogen) sind ein in mancher Hinsicht erstaunlich ‚moderner‘ Bautyp. Diese Behauptung mag verwundern, da der Typ des Stadtpalasts in Venedig über Jahrhunderte unverändert geblieben ist und viel geringere Varianz aufweist als Palazzi in Florenz, Rom oder Genua. Die Grundelemente sind bereits in der vorgotischen, byzantinischen Periode festgelegt und werden, außer einer Zunahme der Geschossigkeit von zwei auf drei und vier Geschosse, später kaum verändert. Im Unterschied zu den Palästen anderer italienischer Städte entfällt in Venedig schon in der Frühzeit die Funktion der Verteidigung. Da hingegen Baugrund teuer ist, hat der Hof hier eine ganz untergeordnete Bedeutung. Der venezianische Palazzo ist bis ins 18. Jahrhundert hinein ein kubischer Block, der oft an mehreren Seiten frei steht. Die Hauptseite ist immer die Wasserseite; die Räume werden aber auch von den anderen Seiten her belichtet, wobei dort die Distanz zum Nachbargebäude zuweilen nicht mehr als zwei Meter beträgt. Höfe fi nden sich -wenn überhaupt- an der Längs- oder Rückseite; selten und spät in der Entwicklung ist ein zentraler Hof im rückwärtigen Bereich. Zentraler Raum des Erdgeschosses ist der androne, ein langer, durch die Gebäudetiefe ‚durchgesteckter‘ Raum, der den Zugang von der Wasserseite mit dem von der Landseite verbindet. In den seitlich angrenzenden Räumen werden später oft –dank der großen Geschosshöhen- Mezzanine eingebaut, die gelegentlich durch Brücken über den androne hinweg zusammengeschlossen werden. Im 1. Obergeschoss, dem piano nobile, entspricht dem androne der portego (abgeleitet von portico) als zentraler Raum der casa, der gleichzeitig Repräsentations- wie Erschließungsfunktion, nämlich für die beiderseits angrenzenden Zimmerfl uchten, hat. Entlang einer Seitenwand ist der Kamin angeordnet. Die venezianische casa stellt sich also dar als ein kubisches Bauvolumen mit „durchgesteckten“ Räumen und mit getrennten äußeren Erschließungen für verschiedene Verkehrsarten; hinzu kommt das Element des Dachgartens –altana- , zum Wäschetrocknen oder Teppichlüften (oder auch angeblich von den Damen zum Haarebleichen) benutzt. Die Decken sind als Holzbalkendecken fl ach und vergleichsweise leicht konstruiert – Gewichtsreduzierung spielt dabei die Hauptrolle; auch abgehängte Decken werden gebaut, um Bewegungen infolge von Setzungen auszugleichen. Ein Keller entfällt natürlich. Aus der modernen Perspektive stellt sich die venezianische casa mithin als ein Typus dar, der Le Corbusier zum Beispiel hätte interessieren können; der perspektivische Längsschnitt durch einen venezianischen Palazzo, den Viollet-le Duc in seinen Entretiens zeigt, hätte anregend wirken können. Vielleicht war Le Corbusier der Typus aber auch allzu statisch, oder die prunkvollen Fassaden täuschten ihn darüber hinweg, dass hier ein gutes Beispiel eines architektonischen Standards zu fi nden gewesen wäre. Viollet-le Ducs Längsschnitt zeigt den Palazzo als dicht gepacktes Volumen. Die Typologie von Maretto legt nahe, dass die immer gleiche Struktur der drei ‚Schiffe‘ auch durch die Spannweite der Balkendecken determiniert wurde. Es bleibt festzuhalten, dass Venedig zahlreiche Beispiele für kubisch-blockhafte Bauten bereithält, die sich zwanglos in eine –allerdings singuläre- städtische Textur einordnen. Die Herkunft des Typs aus einem merkantilen Umfeld als Handelshaus (funduk > fundaco) legt nahe, dass es sich bei mehrgeschossigen Bauten mit tiefem Grundriss um pragmatisch-utilitäre Bauformen handelt. Literatur: Elena Bassi: Palazzi di Venezia. La Stamperia di Venezia Editrice, Venezia 1976 Paolo Maretto: L’ edilizia gotica veneziana. Filippi Editore, Venezia 3. Aufl . 1978 (1. Aufl . 1960) Paolo Maretto: La Casa veneziana nella storia dellà città dalle origini all’ ottocento. Marsilio Editori, Venezia 1986 Peter Lauritzen: Venezianische Paläste. Bruckmann, München 1979 Comune di Venezia: Atlante di Venezia. Marsilio Editori, Venezia 1989 Teil I: 1890-1990 1 2 3 4 Vorgeschichte II: Frühe Industrialisierung Die Entwicklung des modernen Skelettbaus seit seinen Anfängen in der Frühzeit der Industrialisierung zu verfolgen, wäre eine interessante Aufgabe, die jedoch außerhalb der Möglichkeiten dieser Arbeit liegt. Es sollen nur schlaglichtartig zwei Aspekte der frühindustriellen Zeit beleuchtet werden, die für die weitere Entwicklung hin zu „deep plan“ maßgeblich sind: Erstens die Entwicklung der Konstruktionssysteme von den „Schiffen“ hin zum isotropen Stützenraster, zweitens der Aspekt der städtebaulichen Autonomie prismatischer, utilitärer Baukörper. Zuerst zum städtebaulichen Aspekt: Nach Tafuri8 wird das Verhältnis von Architektur (Gebäude) und Stadt zum ersten Mal in der Aufklärung der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts problematisch. Die beginnende industrielle Revolution und der soziale Umbruch infolge der französischen Revolution (Säkularisation etc.) führen dazu, dass die bestehende Stadtstruktur von den Architekten als obsolet empfunden wird. Ihre Versuche, die Stadt zu ‚verlandschaftlichen‘, haben nach Tafuri hauptsächlich den Zweck, das damals bereits bestehende ökonomische Stadt-Land-Gefälle im Sinne einer sozialen Harmonisierung abzumildern. Der intendierte landschaftliche Charakter der Stadt führt zu einer größeren Autonomie des Einzelgebäudes. Julius Posener9 (wie vor ihm Goerd Peschken) beschreibt Schinkels städtebauliche Idealvorstellung am Beispiel der Planung am Kupfergraben in Berlin als die Zuordnung einzelner Klötze ...in einem stadt-landschaftlichen Zusammenhang. ...Ein jeder dieser Körper (i.e. Bauakademie, Packhof) benötigt ein Umfeld für seine individuelle Ausstrahlung. Es bleibt unklar, inwieweit die Kenntnis der englischen Industriestädte Schinkel beeinfl ußt hat – bekannt ist seine Skizze der Stockwerksfabriken am Wasser in Manchester, von der Englandreise 1826. Englische Stockwerksfabriken Deckentragwerke vor Erfi ndung des Stahlbetons sind überwiegend einachsig gespannt, besonders im mehrgeschossigem Bauen10. Der gerichtete Raum, der sich ergibt, wenn eine Decke (Balkendecke oder Tonnengewölbe) von beschränkter Spannweite auf zwei seitlichen, linearen Aufl agern (Unterzügen, Wandschotten, Arkaden) liegt, wird traditionell als ‚Schiff‘ bezeichnet. Schiffe (in ihrer einfachen Form, wie in römischen Basiliken oder der Moschee von Cordoba) sind gekennzeichnet durch einachsig gespannte Decken ohne Durchlaufwirkung über die Aufl ager hinweg, durch massive Außenfassaden und –im Falle von Gewölben- durch das Auftreten von Horizontalschub an den Seitenfassaden. Ein tiefer Raum entsteht durch das Aneinanderreihen mehrerer Schiffe, die sich durch Säulenstellungen oder Arkaden gegeneinander öffnen. Die venezianischen Palazzi stehen für die Übertragung des Schiff-Systems auf den Geschossbau: Vier parallele Wandschotten gliedern die Grundrisse in drei Schiffe gleicher Breite. Dieses archaische Prinzip herrscht auch noch in der frühen Industrialisierung: Auch die zwei oder drei inneren Stützenreihen der Stockwerksfabriken bilden zusammen mit den Außenwänden ‚Schiffe‘. Der moderne Skelettbau -Voraussetzung für die Herausbildung tiefer Grundrisse- entsteht anläßlich dieser reinen Funktionsbauten der beginnenden industriellen Revolution. Sie sind die ersten Beispiele, die die Stapelung von Geschossen auch nach außen hin ohne ästhetischen Vorbehalt zeigen, und entstehen kurz vor der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert in England. Die Grundrissfl ächen dieser Bauten sind noch nicht tiefer als 14 bis16 Meter bei Gebäudelängen von 50 - 80 Metern. Der Grund für ihre Mehrgeschossigkeit liegt in der Energieerzeugung durch Mühlen oder Dampfmaschinen im untersten Geschoss. Offenkundig läßt sich die Energieübertragung in der Vertikalen am einfachsten und mit den geringsten Verlusten gestalten. Der entwicklungsgeschichtlich relevanteste Aspekt der Stockwerksfabriken ist das Tragskelett, das zwischen tragende Außenwände eingestellt ist11. Anfänglich liegen die Geschossdecken aus Ziegelschalen auf hölzernen Balken und Stützen, wobei sich der mangelnde Brandschutz der 1 2 17 Holzkonstruktion als drängendes Problem erweist. 1792 führt William Strutt bei einer Fabrik in Derby Gußeisensäulen ein, um die hölzernen Balken, die hier erstmals verkleidet werden, zu unterstützen. In Shrewsbury Mill verwendet Charles Bage 1797 zum ersten Mal gußeiserne Träger. In Salford Mill, 1801, von Boulton & Watt, kommen zum gußeisernen Skelett zwei Innovationen hinzu, nämlich die Dampfheizung in den hohlen Rundstützen, die die Abwärme der zum Betrieb ohnehin vorhandenen Dampfmaschine nutzt- ein frühes Beispiel für die Integration von Konstruktion und Haustechnik; außerdem fi ndet sich hier die erste Gebäudebeleuchtung mit Gaslicht (1805). Die vom Bauherrn der Salford Mill angeforderte Zeichnung eines (anonymen) Mitarbeiters im Planungsbüro von Boulton & Watt, die das gußeiserne Skelett vor dem Einziehen der Decken abbildet, zeigt die Faszination, die die neuartige Konstruktion auf die Zeitgenossen ausübt. Diese Serie von Innovationen in der Zeit kurz vor 1800 bildet den ersten, raschen Schub der Entwicklung im Geschossbau, die sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts stark verlangsamt. Allerdings erhält in diesem Zeitraum das Schmiedeeisen gegenüber dem Gußeisen durch den Bau von Walzwerken neuen Auftrieb; im Zuge des Eisenbahnbaus werden in den 1830er Jahren die ersten Schienen hergestellt; 1854 wird zum ersten Mal ein eisernes I-Profi l hergestellt. In dieser Zeit entsteht mit dem Bootshaus auf dem Royal Dockyard in Sheerness der erste Skelettbau, bestehend aus zwei Gebäuderiegeln mit einer dazwischenliegenden Halle. Gußeisenstützen und -träger werden ab 1870 durch die Kombination von Gußeisenstützen mit gewalzten Trägern als Standardvokabular der mehrgeschossigen Eisenkonstruktion abgelöst. Die Chocolaterie Menier in Noisiel von Jules Saulnier (1871-72), von Viollet-le Duc inspiriert, ist der erste reine Eisenskelettbau ohne jedwedes tragende Mauerwerk auf dem Kontinent. Die aneinandergereihten Schiffe kann man als Vorform des Stützenrasters betrachten. So kann man auch Schinkels Bauakademie als zweischiffi gen Bau lesen, der um einen Hof herumgewickelt ist. Der Rationalisierungsprozess, den der Übergang von den gereihten Schiffen zum ‚isotropen‘ Raster bedeutet, vollzieht sich mit dem Chicago Frame und kurz später mit den Pilzdecken von Maillart. Trotzdem sind die parallelen Schiffe bis hin zu Le Corbusier und Kahn als Alternative zum uniformen, ‚isotropen‘ Raster lebendig. Im Prinzip bilden sich von der Raumwirkung her überall dort Schiffe heraus, wo die Stützen in einer Richtung enger stehen, als in der anderen. Selbst auf den Ebenen der Mediathek Sendai kann man, wenn man will, „Schiffe“ erkennen. Die in der Bautradition verankerte Praxis, ‚Schiffe‘ zu bauen, überlagert sich seit Brunelleschi mit dem eher ästhetisch als baupraktisch motivierten Anliegen, den Grundriss auf einem quadratischen Modul zu basieren, das –als Konstruktionsmodul genommen- eine zweiachsig gespannte Deckenkonstruktion suggeriert (wie sie in den Seitenschiffen seiner Kirchen auch realisiert ist). Die Urform dieser quadratischen Module an der Decke sind antike Kassettendecken, die die Hierarchie von Haupt-und Nebenspannrichtung durch Gleichbehandlung kaschieren. Seit der Aufklärung wird das quadratische Raster wieder kultiviert; oft handelt es sich allerdings –wie bei Durand- mit dem Quadratraster um eine Entwurfshilfe. Erst bei Labrouste (Bibliothèque Nationale, Paris) ist es –wie bei Brunelleschi- die Hängekuppel, allerdings jetzt in Gußeisen, die einer quadratischen Säulenstellung entspricht. Hier ist auch zum ersten Mal eine feldartige Verteilung von Stützen im Raum, die sich keiner Zentralität unterwirft, als ästhetischer Reiz faßbar, wobei das Neun-Quadrate- Raster alle Vorschriften bezüglich Symmetrie und Axialität erfüllt. Hierzu paßt, dass Labrouste – nach Giedion- der erste Architekt ist, der sich traut, eine Stütze, in den Raum gestellt, zu zeigen. In Schinkels Bauakademie fungieren die Zellen im quadratischen Konstruktionsraster des Grundrisses auch als räumliche Grundeinheiten. Schinkels Raster ist aber nicht primär konstruktiv motiviert: Einachsig gespannte Ziegelkappen erfordern keine Stützen im Quadratraster. Vielmehr ist das Raster hier Ausdruck der architektonischen ratio, die das Gebäude durchwalten soll. In den Fassaden hingegen ist diese Vereinheitlichung des Unterschiedlichen nicht ebenso fortgeschritten; hier wird die Zunahme der Vertikalkräfte an der Verbreiterung der Pfeiler nach unten sichtbar. In 1 Charles Bage: Shrewsbury Mill, 1796 Innenansicht: Erster Geschoßbau mit gußeisernen (massiven) Stützen und Trägern. Trägerspannweiten 2,74m, Spannweite der Kappen 3,05-3,66m 2 Boulton & Watt: Salford Mill, 1799-1801. Zeichnung im Bauzustand von William Creighton: Hohle Gußeisenstützen. Trägerspannweiten 4,26 m, Spannweite der Kappen 2,74m. 3 Fabriken in Manchester. Skizze von Karl Friedrich Schinkel, 1826 3 der Fassade ist Schinkels Kubus noch ein reiner Wandbau. Gillys frühe Vision einer ‚skeletalen‘ Architektur aus steinernen Balken und Stützen ist zu Schinkels Lebzeiten nicht realisierbar, auch nicht mit den Techniken der englischen Stockwerksfabriken. Das Raster der Konstruktion aus dem Grundriss auf Schnitt und Ansicht zu übertragen und dort ablesbar zu machen, wird erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts möglich; und zwar bei den viergeschossigen Seitenriegeln des Naval Dockyard, Sherness, zunächst in den schmächtigen Dimensionen der Eisenkonstruktion. Bauakademie, Berlin 1831-36 Die frühen Industriebauten -völlig außerhalb der „akademischen“ Architektur entstanden- bleiben von dieser nicht unbemerkt. Schinkels Reise nach England (1826) gilt als ein wichtiger Moment der Annäherung an die neuen technischen und sozialen Realitäten. Der Anerkennung des Tragwerksrasters als disziplinierender baulicher Struktur ist andererseits bei Durand vorgearbeitet, der das Entwerfen auf dem Quadratraster über alle Bautypen hinweg durchexerziert. In der Bauakademie, Berlin 1831-36 ergibt sich für Schinkel die Möglichkeit, die nutzungstypologisch neue Bauaufgabe einer Architekturschule ohne Rückgriff auf traditionelle Vorbilder zu gestalten. Der kompakte Mauerwerksbau hat in seiner geschlossenen Erscheinung dennoch oft die Assoziation eines Palasts hervorgerufen. Von einer vierfl ügeligen Anlage im Sinne älterer Palazzi (z.B. des Palazzo Farnese in Rom) unterscheidet sich die Bauakademie jedoch schon durch die geringen Dimensionen des Hofs im Vergleich zur Grundfl äche. Der Hof wirkt eher als Lichtschacht; und auch das durchgehende Konstruktionsraster von acht mal acht quadratischen Feldern erweckt den Anschein, eine mögliche Schließung des Hofs sei in der konstruktiven Logik des Gebäudes angelegt. Ein späterer Umbau (1875) hat denn ja auch den Hof auf die Fläche von vier Quadratfeldern verkleinert und mit einem Glasoberlicht überdacht. Das Konstruktionsraster der gemauerten Pfeiler ist mit 5,50 Metern recht eng und determiniert so die eher kleinräumigen Nutzungen. Über Mauerpfeilern und Natursteinstützen ruhen die preußischen Kappen der Decken auf quer zur Fassade angeordneten Mauerwerksbögen. Die Ziegelkappen spannen im Normalfall also parallel zu den Außenwänden, wie bei den englischen Mühlengebäuden. Während diese jedoch schlichte Riegel waren, bei denen die Ausrichtung der Deckenspannrichtung innerhalb der Grundrisskontur problemlos war, wird im Fall der Bauakademie das gerichtete Deckentragwerk auf einen quadratischen Grundriss angewendet. Das führt dazu, dass sich in den Eckräumen jeweils eine Spannrichtung durchsetzt. Damit aber die Ziegelkappen keinen Horizontalschub auf die Außenwände ausüben, müssen in den Ecken, wo die Decken normal zu den Außenwänden spannen, Entlastungsbögen in den Kappen den Horizontalschub auf die stärker dimensionierten Pfeiler in der Fassade ableiten. Die Fassade zeichnet mit ihren Wandvorlagen die inneren Mauerpfeiler nach. Obwohl die drei unteren Geschosse eine ähnliche Höhe im Aufriß zeigen, ist die reich profi lierte Fassade weit vom Pragmatismus der englischen Vorbilder entfernt. Andererseits liegt die Bautechnik im Preußen Schinkels, zumindest vom Grad der Industrialisierung her, hinter der englischen Entwicklung zurück. Gußeiserne Bauteile stehen hier noch nicht zur Verfügung. Aber genau die stärkere Dimension der Stützen, die sich durch Mauerwerk oder Monolithsäulen im Vergleich zu Gußeisen ergibt, unterstützt die Idee des durchgehenden Quadratrasters aus ähnlich dimensionierten Bauteilen, wie man sie aus heutiger Perspektive aus der Bauakademie herausliest. Die Diskrepanz zwischen massiver Außenwand und schlanken Stützen, wie sie sich in den englischen Stockwerksfabriken zeigt, würde diese Lesart des räumlichen Gefüges nicht ermöglichen. Das Fortschrittliche besteht bei Schinkel nicht in der Verwendung eines neuen Materials, sondern in der Perfektionierung des traditionellen Backsteins und in der Rationalisierung der geometrischen Grundstruktur des Gebäudes. 1 19 Karl Friedrich Schinkel: Bauakademie Berlin 1831-36 1 Außenansicht von Osten Literatur: Karl Friedrich Schinkel: Collected Architectural Designs (Sammlung Architektonischer Entwürfe). Academy Editions, London 1982 Kenneth Frampton: Studies in Tectonic Culture. MIT Press, Cambridge MA, London, 1996 S. 61-81 Frank Augustin (Hrg.): Mythos Bauakademie. Verlag für Bauwesen, Berlin 1997 Harald Bodenschatz: Der rote Kasten. Zu Bedeutung, Wirkung und Zukunft von Schinkels Bauakademie. Transit, Berlin 1996 Jonas Geist: Karl Friedrich Schinkel: Die Bauakademie. Eine Vergegenwärtigung. Fischer, Frankfurt a.M. 1993 2.OG 1.OG EG 21 Skelettbau und tiefer Grundriss: Chicago / New York 1880-1900 Chicago 1880 Die Situation in Chicago zwischen 1880 und 1900 ermöglicht es, das Zusammenwirken von städtebaulicher Struktur, wirtschaftlicher Entwicklung und bautechnischen Innovationen als Katalysatoren in der Entstehung eines neuen Architektur-Formats besonders deutlich zu verfolgen. Chicago wird nach dem Ende des amerikanischen Bürgerkriegs (1861-65) zum wichtigsten Handels-und Industriezentrum im Landesinneren der USA. Die erst 1833 gegründete Stadt nimmt als Knotenpunkt der Verkehrsnetze von Wasserwegen und Eisenbahn einen raschen Aufschwung. Der Brand von 1871, der die Innenstadt fast völlig zerstört, ist Ausgangspunkt für einen Wiederaufbau von großer Dynamik. Diese wird allerdings schon bald durch den Börsenkrach von 1873 und die nachfolgende Depression gedämpft. Ein zweiter Brand zerstört 1874 die drei Jahre zuvor verschont gebliebenen Bereiche auf der south side von Chicago. Erst um 1880 entspannt sich die wirtschaftliche Lage wieder. Jetzt setzt der Wiederaufbau auf voller Breite ein. Bevölkerungsexplosion, rasche Produktionszuwächse, und eine überhitzte Grundstücksspekulation lassen die Preise für Grundstücke nach oben schnellen und erzeugen einen ökonomischen Druck, die Flächen maximal auszunutzen. So entstehen die ersten tiefen Grundrisse bei mehrgeschossigen Bauten. Der Wiederaufbau Chicagos berücksichtigt das vorhandene Straßenraster von 1833, das durch einen Block von 90 bis 100 Meter Tiefe auf 120 Metern Länge gekennzeichnet ist. Die großen Blöcke des Chicago-Rasters werden meistens durch eine alley, die zur rückwärtigen Erschließung bzw. Anlieferung der Gebäude dient, mittig geteilt. Daraus ergibt sich eine Grundstückstiefe von 45 bis 50 Metern. Während die Blöcke in Manhattan mit 61 Metern weniger tief, dafür aber von der Proportion her stark in die Länge gezogene Rechtecke sind, ist die Proportion der Blöcke in Chicago nahezu quadratisch. Schon hieraus läßt sich ersehen, dass der Stadtplan von Chicago im Vergleich zu Manhattan tiefere Eckgrundstücke aufweist. Solche Eckgrundstücke sind aber in einem Blockraster für die Ausbildung tiefer kubischer Bauten besonders prädestiniert, da die natürliche Belichtung von mindestens zwei Seiten her gesichert ist. Über die Rückseite zur alley hin kann das Gebäude womöglich sogar von einer dritten Seite her belichtet werden. Außerdem kann das Eckgebäude über die längere Frontabwicklung im Erdgeschoss mehr Passanten, d.h. Kunden anziehen; dies wirkt sich auf die kommerzielle Rentabilität positiv aus. Nicht zuletzt ist die visuelle Erfaßbarkeit eines Eckgebäudes größer, das über eine gewisse Distanz als Volumen, nicht nur als Fassade, wahrgenommen werden kann. Auch deshalb ist es kein Zufall, wenn die hier vorgestellten Referenzen sämtlich Eckgrundstücke oder ganze Blockhälften einnehmen. Ein weiterer Aspekt, der Chicago von Manhattan unterscheidet ist die stärkere Höhenbeschränkung der Bebauung. Während für Manhattan das Zurückstaffeln der Baukörper infolge von zoning-Vorschriften charakteristisch wird, dominiert in Chicago, zumindest in der Zeit vor 1920 das horizontale Kranzgesims, das die kubische Gebäudegestalt zur Wirkung bringt. Zwei Aspekte der Architektur in Chicago gegen Ende des 19. Jahrhunderts sind in Bezug auf die Ausbildung tiefer Grundrissorganisationen besonders relevant: Zunächst die Konzeption von tiefen Geschossbauten für Handel und produzierendes Gewerbe als möglichst neutrale, aber vielseitig nutzbare Behälter. Dann aber auch die Hybride, in denen mehrere Nutzungen mit ganz spezifi schen Anforderungen in einem einzigen Baukörper konfrontiert werden. Big Store Doch zuerst zu den Loft-Strukturen, und zwar in ihrer Ursprungskonzeption als Warenhaus.12 Dieser Bautyp entwickelt sich nach Giedion13 in den 1860er Jahren aus dem Typus des Lagerhauses, und zwar in Frankreich und den USA. Der schlichte Geschossbautyp wächst in seinen grundrisslichen Dimensionen, wird allerdings bald mit Lichthöfen „perforiert“. Besonders prominent sind in Europa Skelettbau und tiefer Grundriß: Chicago / New York 1880-1910 am Ende des 19. Jahrhunderts die französischen Beispiele (Bon Marché, Printemps, Galeries Lafayette, alle in Paris). Sie werden für die anderen Länder Europas als Vorbilder maßgeblich. Im Gegensatz zu den europäischen Beispielen sind Lichthöfe in den US-amerikanischen Warenhäusern des späten 19. Jahrhunderts nur eine Option, nicht aber verbindlich. Im Frühstadium der Entwicklung werden bewußt tiefe Grundrisse im Warenhaus angestrebt14; entstehen doch die großen, zusammenhängenden Grundrissfl ächen zunächst durch den Zusammenschluß aneinander grenzender Bestandsgebäude. Deshalb besteht die Tendenz, möglichst rationell zu nutzende Flächen mit einheitlichem Stützenraster zu gewinnen („Interior partitions make a store seem crowded“15). Nachdem in Häusern wie dem First und Second Leiter Building diese tiefen Grundrisse mit einheitlichem Stützenraster erreicht sind, fi ndet im weiteren Verlauf der Entwicklung auch der Lichthof Eingang in die amerikanischen Warenhäuser, selbst in Chicago. The Fair (1890- 92) ist dort das erste Beispiel. In der eklektischen Architektur, die seit der Weltausstellung 1893 die Chicagoer Szene, vor allem in der Person von Daniel Burnham bestimmt, wird dann der zentrale mehrgeschossige Luftraum im Inneren des Warenhauses häufi ger. Daneben werden aber weiterhin sehr große Warenhäuser ohne Lichthöfe erbaut, wie die im Anschluß vorgestellten Referenzen belegen.-Mit dem Bau von Warenhäusern verbindet sich eine Reihe von bautechnischen Innovationen. Neben dem Skelettbau spielen Rolltreppe und Aufzug eine wichtige Rolle in der Entwicklung, seitdem Elisha Otis 1857 den ersten Aufzug in einem New Yorker Warenhaus installiert16. 1887 wird der erste elektrisch betriebene Aufzug hergestellt, 1919 kommt zum ersten Mal Kimatisierung bei einem Warenhaus zum Einsatz. Beim First Leiter Building (1879), einem relativ kleinen Warenhaus, das gemeinhin als erster Bau der Chicago School angesehen wird, orientiert sich William Le Baron Jenney von der äußeren Erscheinung her an dem im Vorjahr fertiggestellten Shillito‘s Department Store des Architekten James McLaughlin in Cincinnati17. Der Vergleich der beiden Gebäude macht einen entscheidenden Unterschied in Baukörper und innerer Struktur deutlich: Das wesentlich größere Gebäude in Cincinnati hat einen L-förmigen Grundriss, wogegen es sich bei dem Chicagoer Bau um einen kompakten Quader handelt; und auch auf das mehrgeschossige Atrium verzichtet Jenney. Diese Reduzierung der Aufgabenstellung auf ihre elementaren Bestandteile und der Verzicht auf alles an Innenraumbildung, was über schlichte Funktionalität hinausgeht, werden zum Charakteristikum der Chicago School und machen ihre Modernität aus. Kennzeichnend für die Warenhäuser im Chicago der 1880-90er Jahre ist neben dem tiefen Grundriss die Randlage der vertikalen Erschließung, die im übrigen auch möglichst minimiert wird. Die Aufzüge sind meistens an der Fassade im rückwärtigen Bereich angeordnet, wo auch von der alley her angeliefert wird. Solange die übliche Konstruktionsweise von Geschossbauten in der Kombination von tragender Außenwand und innerem gußeisernen oder hölzernen Skelett besteht, fällt es schwer, die Stapelung von Geschossdecken als das formative Prinzip des Geschossbaus in der Außengestalt zu erkennen. Dies wird erst da möglich, wo die Fassade nur noch Verblendung des Skeletts ist, und dies ist eben bei den Skelettbauten im Chicago der 1880er Jahre erstmalig der Fall, sodass sich hier ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen bautechnischem Fortschritt und architektonischem Konzept ergibt. Bezeichnend hierfür ist die Zeitungsanzeige, mit der das Kaufhaus Willoughby, Hill & Co in Chicago 1881 für seine Eröffnung wirbt: How is this for an „Opening“?18 fragt die bewußt doppelsinnige Unterschrift unter der Grafi k, die ein Kaufhaus mit vier oberirdischen Geschossen –tiefen Grundrissen- zeigt, dessen Fassade mit Ausnahme des Gesimses weggeschnitten ist, um Einblick ins Innere zu gewähren. Dort zeigen sich die durchgehenden Ebenen des Kaufhauses mit ihrem Stützenraster und den für diese Phase typischen Treppen in Randlage, bzw. dem Aufzug in der Gebäudeecke. Die Ebenen sind von Käufern dicht bevölkert; der Zeichner zeigt den zum Eröffnungstag erwarteten Ansturm des Publikums. Diese Grafi k ist genau der Typ von „anonymem“ Artefakt, den als Diagramm zu lesen spätestens mit Koolhaas (wenn nicht mit Giedion, oder, schon 1 2 23 1880-1910 vorher, mit Le Corbusier) üblich geworden ist. In diesem Fall ist ein architektonisches Konzept um mindestens ein halbes Jahrhundert voweggenommen, das im Übrigen nicht in Chicago zum ersten Mal umgesetzt werden sollte: Die Idee des total durchsichtigen Quaders, in dem gestapelte, ununterbrochene Geschossdecken maximale Nutzfl äche bieten.19 Während also das Warenhaus im Chicago der 1880er und 90er Jahre ein Experimentierfeld bezüglich der möglichen Bebauungstiefe darstellt, sind die speziell als Bürobauten errichteten frühen Hochhäuser der gleichen Zeit noch durch gereihte Einzelbüros auf schmalen Grundrisszuschnitten um Höfe, oder in U-Form charakterisiert, wie das Marquette Building (1894) von Holabird & Roche zeigt. Meist erheben sich die „schmalen“ Bürogeschosse über einem zweigeschossigen Sockel, der das ganze Grundstück füllt. Vereinzelt werden Bürogebäude auch als schlanker Tower realisiert, wie beim Reliance Building (ebenfalls 1894) von Burnham & Root. In einem Artikel von 1890 stellt der Architekt John Welborn Root einen Bezug zwischen der Gebäudetiefe von Bürobauten und der Produktivität der Beschäftigten her, wenn er beschreibt: Experience has demon strated that all spaces within the enclosure of four walls which are not well lighted by sunshine or at least direct daylight, are in offi ce buildings non-productive. Die optimale Gebäudetiefe ist, Root zufolge, 24 Fuß (d.h. 8 Meter) bei einseitiger Belichtung, folglich 16 Meter bei zweiseitiger Belichtung20. Bürofl ächen im tiefen Grundriss sind in dieser Zeit nur im obersten Geschoss von Warenhäusern oder in Kombination mit produzierendem Gewerbe anzutreffen.21 Chicago Frame Der Übergang von der Mischkonstruktion der frühen Industrialisierung mit ihren tragenden Außenwänden und inneren Gußeisenstützen zum modernen Stahlskelett, der sich in Chicago zwischen 1880 und 1900 ereignet, ist vielfach beschrieben worden22. Dabei ist hervorgehoben worden, dass Chicago weder die zeitliche Priorität in der Ausbildung eines Skelettbaus hat, noch sich die Konstruktionen der Chicago School durch besonders raffi nierte Fügung oder Berechnung auszeichnen. Der spezifi sche Beitrag Chicagos auf dem Gebiet der Eisenkonstruktionen ist zum einen die Lösung des Brandschutzes, der aus der Erfahrung der Stadtbrände heraus besonders dringlich erscheint; 1874 wird ein erstes Patent für die Ummantelung von Gußeisenstützen angemeldet. Das entscheidende Element für die Prominenz Chicagos in der Architekturgeschichte aber ist die Dynamik der Entwicklung, die innerhalb weniger Jahre auf der Tabula rasa des Stadtrasters eine Fülle von Bauten entstehen läßt, deren Dimensionen und Gesamtdichte bis dahin einzigartig sind. Deshalb verbindet sich mit Chicago gemeinhin die Entstehung des mehrgeschossigen Skelettbaus; und Chicago verdeutlicht auch die gemeinsame Wurzel von Skelettbau und tiefem Grundriss. Die tiefen Grundrisse der Chicagoer Kaufhäuser erfordern große Fensteröffnungen, um den Anteil an Tageslicht, der ins Innere gelangt, zu maximieren. Deshalb sind die Architekten bestrebt, den Anteil an Mauerwerk in der Fassade zu reduzieren. Im Werk von William Le Baron Jenney kann man im Einzelnen verfolgen, wie sich Skelettbau und Außenwand voneinander lösen –eine Entwicklung, die mit der vorgehängten Fassade zu einem vorläufi gen Abschluß kommt. Beim First Leiter Building (1879) werden die Mauerpfeiler der Fassade zum Teil noch zum Lastabtrag von Deckenlasten herangezogen. Beim Home Insurance Building (1885) geht Jenney dazu über, in alle Mauerpfeiler Eisenstützen in Form von Walzprofi len einzubetten. Die Fassade trägt aber noch zum Teil mit. Bei The Fair (1890-91) ist dann ein wirklich unabhängiges Stahlskelett erreicht, das an der Fassade mit Terrakotta verkleidet ist: Erstmals bestehen Stützen und Träger ausnahmslos aus Walzprofi len. Dadurch werden die konstruktiven Details vereinfacht und die Grundlagen zu einer Steigerung der Gebäudehöhe gelegt. Die zum Brandschutz ummantelten Stützen sind zusammengesetzte Kastenprofi le, die Träger I-Profi le. Gleichzeitig bekommen die Hohlziegeldecken eine plane Untersicht. Somit ist erstmals ein relativ „isotropes“ Raster mit fl achen Deckenuntersichten ausgebildet (Spannweiten 6,00 x 7,00 m). Während bei einigen der früheren Gebäude von Jenney 1 Chicago, Ausschnitt aus Rand McNallys Bird-eye map of Chicago 1892; eingekringelt: Grundstück von Carson, Pirie Scott 2 Warenhaus Willoughby, Hill & Co., Chicago 1881. Werbegrafi k zur Eröffnung 3 William Le Baron Jenney: „The Fair“, Chicago 1889. Anschluss Träger-Stütze, Deckenaufbau 4 „The Fair“ im Bauzustand, 1889 3 4 die Aussteifung nicht erkennbar ist, wird sie bei The Fair über Eckversteifungen hergestellt.23 Bezüglich der Außengestalt stellen die neuen Baukörper mit ihren gestapelten Geschossen und der geringen Mauermasse an der Fassade die Architekten vor die Frage nach einer adäquaten Gliederung.24 Der klassische Kanon der europäischen Baugeschichte ist hier offenkundig nicht anwendbar. Zumindest erweisen sich die Versuche, den Aufriß als eine Stapelung von Kolossalordnungen zu behandeln, als nicht erfolgreich. Hinzu kommt die Anforderung, die Gebäude so zu konzipieren, dass Aufstockungen möglich sind. Auch die Aufteilung in Bauabschnitte –entweder, weil die Nachbarparzelle noch nicht verfügbar ist, oder weil man den Betrieb nicht unterbrechen will- erleichtert nicht die Frage der Fassadengestalt. In der Literatur wird die Fassade des Second Leiter Building (1891) von Jenney mit seiner großzügigen Gliederung als Durchbruch zu einem neuen und eigenständigem Ausdruck gesehen. In dieser Linie folgt Sullivans Carson Pirie Scott (1899-1906), wo zum ersten Mal die Horizontale in der Fassade eines Geschossbaus betont ist. Wird die Tragstruktur in Darstellungen der Chicago School zwar umfassend behandelt, so stehen die Innovationen in der technischen Gebäudeausrüstung nicht gleichermaßen im Vordergrund. Bei den Kaufhäusern wird bis in die 1880er Jahre hinein –wie schon in den englischen mills- die Abwärme der Dampfmaschinen genutzt, die zum Betrieb der Aufzüge erforderlich sind. Dieses System erweist sich allerdings aufgrund ungleicher Wärmeverteilung als unkomfortabel; außerdem ist die notwendige Ventilation in den Sommermonaten nicht berücksichtigt. Später, z.B. bei Carson Pirie Scott gibt es dann eine eigene Heizungsanlage. -Zur künstlichen Beleuchtung der tiefen Geschossfl ächen stehen vor der Erfi ndung der elektrischen Beleuchtung durch Edison (1879) und Swan (1881) Gasleuchten zur Verfügung. Die elektrische Beleuchtung ermöglicht dann im Gegensatz zur Gasfl amme erstmals, das Licht, wie gewünscht, nach unten, d.h. von der Decke auf den Boden zu richten.- Zur Tageslichtnutzung in tiefen Grundrissen kommen bei den Warenhäusern am Ende des 19. Jahrhunderts erstmals Systeme zur Lichtlenkung zum Einsatz. Es entstehen mehrere Unternehmen, die Prismen für den Einbau in Fassaden oder –für die Belichtung von Untergeschossen –im Gehwegbereich anbieten. Auch bei Carson Pirie Scott werden Prismen der Luxfer Company im oberen Bereich der großen Fenster eingebaut, die das Tageslicht in die tiefen Räume lenken sollen. Von Frank Lloyd Wright stammt ein Hochhausprojekt mit großfl ächigem Einsatz solcher Prismen in der Fassade. Die Kataloge der Prismenfi rmen schlagen dem Architekten der damaligen Zeit eine Fülle von Anwendungsmöglichkeiten in allen denkbaren Schnittsituationen vor. Hybrid Unter dem Druck bis dahin ungekannter städtischer Verdichtung entstehen in Chicago auch die ersten (modernen) Beispiele für architektonische Hybride.25 Die Hybridisierung zeigt die Grenzen einer nutzungstypologischen Systematik der modernen Architektur auf. Allein die Tatsache, dass, wie Heinrich Klotz beschreibt, die verschiedenen Bautypen –Rathaus, Börse, Gericht, Oper oder Theater- verschwinden und identisch mit der überall geltenden Grundform des Rechtkants werden26, steht für ein Moment der typologischen Unschärfe insofern, als das traditionelle Verständnis von Typologie auch die Erkennbarkeit der Gebäudefunktion im städtischen Kontext umfaßt. Das Desinteresse an der Formulierung von öffentlichen Außenräumen, das die Bauaktivität Chicagos vor der Weltausstellung von 1893 kennzeichnet, arbeitet dieser typologischen Unschärfe ebenso zu wie die weitestgehend auf privatem Kapital beruhenden Finanzierungsmodelle. Innerhalb dieser müssen die weniger rentablen Nutzungen durch Profi te mit anders genutzten Flächen kompensiert werden. Die Hybride sind in Bezug auf die Frage der tiefen Grundrisse insofern interessant, als sie die Frage nach einer angemessenen Gebäudetiefe aufwerfen, falls die jeweils günstigsten Raumtiefen für die diversen Nutzungen verschieden sind. Die traditionelle Lösung für dieses 1 2 25 1880-1910 Problem ist die Gliederung in einen Sockel, der das Grundstück großfl ächig überbaut, und einen darüberliegenden Aufsatz geringerer Tiefe als Randbebauung, bzw. ein Zurückstaffeln nach oben infolge von Zonierungsvorschriften. Diese Abnahme der Geschossfl äche nach oben entspricht der nach oben hin abnehmenden ökonomischen Rentabilität der Flächen. Die Höchstbewertung für die Erdgeschossfl äche beweist allerdings, dass das hybride Gebäude noch Teil einer städtischen Textur ist. Nimmt man Koolhaas‘ These27 ernst, dass das ‚große‘ Gebäude die Stadt ersetzen will und autark vom Kontext werden will, dann ist diese Höherwertigkeit des Erdgeschosses nicht mehr zeitgemäß. Durch leistungsfähige Vertikalerschließungen müssen die Obergeschosse aufgewertet werden. Hinzu kommt die moderne Gestaltvorstellung vom Gebäude als klarem Prisma. D.h., die Hybride müssen sich von bodenverhafteten Randbebauungen mit ausgegossenem Hof in massive, über alle Geschosse kompakte Attraktoren verwandeln, die in jedem Geschoss neue Sensationen bieten. Die Hybridisierung betrifft jedoch nicht nur die Nutzungstypologie, sondern auch die Tragstruktur. Beim Auditorium Building, Chicago (1889) von Adler und Sullivan wird das zentral gelegene Auditorium mit einer Mantelbebauung aus Büros und einem Hotel umgeben. Hier ergeben sich in der Überbauung des Konzertsaals zum ersten Mal die für Hybride typischen Probleme verschiedener Spannweiten innerhalb eines Gebäudes. Der Grundriss des in den unteren fünf Geschossen vollständig überbauten Blocks ist klar zoniert in eine kommerzielle Mantelbebauung am Rand und das zentrale Auditorium. Auf Höhe des 6. Obergeschosses überbrücken Fachwerkträger mit 40 Metern Spannweite, die beidseits auf massiven Mauerwerkswänden der Mantelbebauung ruhen, die Konzerthalle. Zwischen die Fachwerkträger sind Räume eingefügt, wie ein Vortragssaal, eine Banketthalle und zusätzliche Gästezimmer des Hotels, das ansonsten innerhalb der Mantelbebauung liegt. Eine zeitgenössische Photographie des Rohbaus zeigt eine faszinierende Konstruktion mit einer Vielzahl von Kombination aus Walzprofi len und aufgelösten Profi len. Sullivans Innenraumgestaltung läßt die Leichtigkeit und Transparenz des Gebildes im Ausbauzustand allerdings nicht mehr spürbar werden.28 Beispiele für die Überbauung gerade von Theatern und Auditorien sind in Chicago und anderen nordamerikanischen Städten zahlreich; bei der vierzig Jahre späteren Civic Opera von Chicago (Graham, Anderson, Probst and White, 1928-29) überlagert ein achtgeschossiger Querriegel, der auch den Probenraum des Orchesters aufnimmt, das Auditorium.29 Sportnutzungen sind ähnlich intolerant gegenüber Innenstützen, wie große Auditorien: Beim Athletic Club, Chicago von Henry Cobb (1901) muss die größere Spannweite über dem Pool im Erdgeschoss (ca. 24 m) mit einer Vierendeelkonstruktion in den Obergeschossen bewältigt werden. Diese strukturellen Problematiken des Abfangens und Überbrückens werden in den amerikanischen Hybriden jedoch ohne viel Aufhebens bewerkstelligt. Die europäische Architektur der Zeit weist wenig vergleichbares auf: Der städtebauliche Druck, den Baukörper möglichst kompakt auszubilden, ist in Europa nicht dermaßen stark gegeben; größere Raumvolumina im Blockinneren (z.B. in Otto Wagners Postsparkasse) werden nicht überbaut; außerdem gilt hier natürlich die Forderung nach einer Differenzierung des Bauvolumens. 1 Warenhaus Browning, King & Co, Chicago 1897. Prismen in der Fassade zur Aufhellung der Raumtiefe 2 Adler und Sullivan: Auditorium Building, Chicago 1886-89. Ansicht von Osten 3 Auditorium Building. Bankettsaal über dem Auditorium, 6.OG, im Bau. Spannweite der Haupt-Fachwerkträger 36,50m. 4 Auditorium Building. Schnitt M 1:1000. Der Bankettsaal ist der Kasten rechts neben dem Bühnenturm 3 4 New York 1900 Die Entwicklung in New York hingegen nimmt einen anderen Verlauf als in Chicago. Schon das Blockraster Manhattans von 1811 schafft andere Grundstückszuschnitte: Der Manhattan-Block mißt 60 in der Tiefe bei bis zu 280 Metern in der Länge. Die anfangs vorgesehenen alleys in der Mittelachse des Blocks werden im Laufe der Zeit zunehmend überbaut. Grundstücke sind also entweder 30 oder 60 Meter tief. Die Überbauung der ganzen Blocktiefe von 60 Metern kommt häufi g vor, bevorzugt an den Stirnseiten der Blöcke zu den Avenues hin. Vor allem die großen Kaufhäuser nehmen die ganze Blocktiefe ein und verfügen so über drei Straßenseiten. Dadurch kann das Erdgeschoss die Funktion einer Passage von einer Querstraße zur nächsten übernehmen. Das bedeutet auch, dass solche Gebäude fast den Charakter von Solitären annehmen und mithin eine vergleichsweise größere Freiheit gegenüber der Stadtstruktur besitzen, als dies in Chicago möglich ist.30 Manfredo Tafuris Beschreibung des amerikanischen Blockrasters im Kontrast zum europäischen Städtebau zeigt das Potential auf, das in der Trennung von Architektur und Städtebau für das einzelne Gebäude liegt: Mit dem Mittel eines regelmäßigen Netzes von Verkehrsadern als einfacher und fl exibler Grundlage einer städtischen Struktur, deren kontinuierliche Veränderbarkeit man sichern will, wird das Ziel erreicht, zu dem der europäische Städtebau nicht vorstoßen konnte. Die absolute Freiheit, die den einzelnen architektonischen Fragmenten zugestanden wird, fügt sich hier exakt in einen Kontext ein, der in seiner Form wiederum nicht vom einzelnen Fragment her bestimmt wird. Der amerikanischen Stadt gelingt es also, den sie formenden Sekundärelementen ein Maximum an Artikulationsfreiheit zu gewähren und gleichzeitig die Gesetze streng aufrechtzuerhalten, die sie als Ganzes beherrschen. Städtebau und Architektur sind damit endgültig voneinander getrennt. Der Geometrismus des Plans von Philadelphia, von Chicago oder von New York will gar keine Entsprechung in den einzelnen Formen der Gebäude fi nden. Ganz im Gegensatz zu dem, was in Petersburg, in Karlsruhe oder in Berlin geschieht, ist die Architektur hier frei, die verschiedensten und entferntesten Kommunikationsfelder zu erforschen, während dem Stadtsystem die Aufgabe vorbehalten ist, den Fungibilitätsgrad dieser Gestaltungsfreiheit auszudrücken, oder besser: mit seiner formalen Rigidität eine feste Bezugsdimension zu sichern. Auf diese Weise fördert die Stadtstruktur einen unglaublichen Reichtum an Gestaltung, der sich insbesondere von der 2.Hälfte des 19. Jahrunderts an in den freien Gefügen der amerikanischen Städte entfaltet. Die liberalistische Ethik trifft auf die Mythen der Pioniere.31 Wenn Tafuris Beschreibung zwar für New York wie Chicago gilt, so trifft sie doch den Sachverhalt für New York genauer, wo die Freiheit der einzelnen Fragmente –bedingt durch den Zuschnitt der Blöcke- größer ist. Es fällt nicht schwer, Delirious New York (1978) als einen Beleg dafür zu lesen. Schon Koolhaas‘ und Zoe Zenghelis‘ The City of the Captive Globe (1972)32 kann geradezu als Illustration der These von Tafuri gelten. Da jedoch die Überbauung der 60 Meter Tiefe eines Manhattan-Blocks ohne Höfe oder Lichtschächte in der Zeit um 1900 für alle anderen Nutzungen außer Warenhäusern undenkbar ist, wird für New York ein anderer Bautyp prägend, der sich als vertikale Extrusion eines schmalen Grundrisses in U- oder E-Form darstellt. Wenn das Erdgeschoss dabei voll überbaut wird, ergibt sich die bereits angesprochene Kombination aus einem Sockel mit einem turmartigem Aufsatz. Die Morphologie dieses Typs, der Apartment-, Hotel- und Bürogebäude umfaßt, wird in Steven Holls Buch The Alphabetical City (1980)33 vorgestellt. Sie beruht gerade nicht auf dem tiefen Grundriss, sondern auf den fi gurativen Möglichkeiten, die mit schmalen Grundrissen gegeben sind. Die Frage der natürlichen Belichtung und Belüftung erscheint hier als der primäre gestaltgebende Faktor. Die meisten dieser Gebäude sind für die Diskussion tiefer Grundrissorganisationen nicht relevant, doch kann in Extremfällen die Konfi guration aus Gebäuderiegeln sich so verdichten, dass man von einem 1 2 3 27 1880-1910 tiefen Grundriss sprechen muss. So kann man zum Beispiel den Grundriss der Riviera Apartments in Harlem als die Zusammenstellung eines „I“ mit einem „E“ lesen. Im Ergebnis erscheint es aber fast so, als sei hier ein –übrigens fast freistehender- kompakter Kubus mit schmalen Einschnitten versehen worden. Die Dichte begünstigt das Umkippen von einer additiven zu einer subtraktiven Lesart. Wenn auch vermutlich als Wohnform problematisch, ist das räumliche Gefüge der Riviera Apartments doch interessant genug, um es im Zusammenhang mit dem tiefen Grundriss als Referenz zu diskutieren, zumal tiefe Grundrisse im Wohnungsbau naturgemäß selten sind. Künstliche Terrains In der Rückschau auf die Architektur Chicagos wird bezüglich Skelettkonstruktion und Geschossbau die konstruktive Integrität der Chicago School immer in den Vordergrund gestellt. Manhattan hingegen wird als Hort des architektonischen Eklektizismus gezeichnet. Tatsächlich ist die Architektur Manhattans technologisch konservativer als die der Chicagoer Linie, die mit Jenney beginnt. Die tragende Außenwand bleibt hier weit über die Wende zum 20. Jahrhundert die Norm. Andererseits werden in Manhattan die eigentlichen Höhenrekorde gefeiert. Das typologische Spektrum ist so eindeutig vom Hochhausbau dominiert, dass andere Typen kaum ins Bewußtsein gelangen. Wenn das Skelett für die Pragmatiker Chicagos möglicherweise vor allem ein Vehikel ist, um die nutzbare Fläche eines Geschossbaus zu maximieren, so wird es, durch den Filter der Nachkriegsarchitektur von Mies van der Rohe gesehen, von der Nachwelt als ein Stück greifbarer, disziplinierender Ordnung verstanden. Ganz im Gegensatz dazu muss die New Yorker Mentalität erscheinen, folgt man der Auffassung Koolhaas‘, dass hier über die Stapelung von Geschossdecken künstliche Terrains entstehen, die voneinander unabhängig besiedelt werden können. Dies als New Yorker Interpretation des Skelettbaus anzusehen, legt zumindest das in Delirious New York abgebildete „Theorem“ aus Life Magazin von 190934 nahe, in dem eigentlich das Konzept der Megastrukturen vorweggenommen wird. Zum ersten Mal wird hier das Skelett als „Meta-Architektur“ erkannt: als eine Struktur, die Strukturen kleineren Maßstabs aufnehmen kann. Die megastrukturelle Perspektive stimmt damit zusammen, dass New York ungleich stärker als Chicago das utopische Denken inspiriert hat; vor allem in der Emanzipation der Stadt von der Grundebene, die in aufgeständerten walkways und Brücken über Straßenschluchten ihre Erfüllung fi ndet. Das Skelett des 1909 theorem konstituiert nicht ein strukturiertes Prisma, wie das Skelett in Chicago, sondern eine infrastrukturelle Armatur, die mit programmatischer Phantasie gefüllt werden kann. Standardisierte Grundrisse An den New Yorker Warenhäusern der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert läßt sich beobachten, wie die durch das Blockraster vorgegebene Gebäudetiefe von 61 Metern zu einer Standardisierung der Grundrisse führt. So haben alle fünf gezeigten Beispiele –von Siegel Cooper (1896) bis zu Saks Fifth Avenue (1924), also über einen Zeitraum von drei Jahrzehnten- mit geringen Schwankungen die selben Stützenraster: Die Gebäudetiefe von 61 Metern wird jeweils in neun Felder unterteilt, was einen durchschnittlichen Stützenabstand von 6,80 Metern bedeutet. Die Anzahl der Felder muss selbstverständlich ungerade sein, damit der mittige Zugang von der Schmalseite her nicht durch eine Stützenreihe verstellt wird. Die Mittelachse wird, vom Eingang her gesehen mindestens bis zur Hälfte ihrer Länge, von allen Sichthemmnissen freigehalten, damit man auf ihr möglichst weit in die Geschossfl äche hineinschauen kann. Aufzüge und Fluchttreppen liegen entlang der langen Straßenfronten und/oder an der rückwärtigen Brandwand zurm Nachbargrundstück. Rolltreppenanlagen sind eine technische Innovation dieser Zeit, die durch Patente in den Jahren 1892 bis1906 dokumentiert ist35. Sie sind die einzigen Erschließungselemente, die einen Platz inmitten der Geschossfl äche beanspruchen dürfen. Typical Plan kann man hier nicht nur auf die Wiederholung der Grundrisse im einzelnen Gebäude beziehen, sondern auch auf den Gebäudetypus überhaupt. 1 „1909 theorem“ aus TIME magazine, Abb. in: Deli- rious New York 2 Planausschnitt Manhattan, um 1910: Herald Square, Braodway, Sixth Avenue. In der linken Hälfte erkennt man die drei Warenhäuser Macy‘s, Saks Broadway und Gimbels. 3 Dieselbe Gegend, Blick nach Westen vom Empire State Bulilding aus. Wurts Brothers, 1951 4, 5 Riviera Apartments, New York. Harlem /th Ave, 142nd Street. ca. 1900 4 5 Rationalisierung Zusammenfassend läßt sich sagen, dass die Entstehung tiefer Grundrisse in den amerikanischen Downtowns seit 1880 Ergebnis extremer urbaner Verdichtung im Zuge einer rasanten demographischen und wirtschaftlichen Entwicklung ist. Diese fi ndet im Rahmen eines Blockrasters statt, das aus der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts stammmt. Im Fall von Chicago wird das städtische Verdichtungsgebiet durch den Loop markiert, d.h. durch eine infrastrukturelle Vorgabe; im Fall von Manhattan durch Hudson und East River. Die tiefen Grundrisse der Warenhäuser in Chicago entstehen dadurch, dass aufgrund hoher Grundstückspreise und der Zielsetzung maximaler zusammenhängender Geschossfl äche meist auf einen Lichthof verzichtet wird. Die tiefen Grundrisse entstehen bevorzugt an der Blockecke oder entlang einer ganzen Blocklänge. Dadurch wird die natürliche Belichtung von mehreren Seiten möglich. Andererseits ist die Hierarchie von Vorder- und Rückseite gegeben, wobei die Vertikalerschließungen üblicherweise an der Gebäuderückseite liegen. Die Rationalisierung des Stahlskeletts beschleunigt den Bauprozess und eröffnet die Option auf Erweiterungen in der Vertikalen wie in der Horizontalen. Das verwehrt dem Architekten die Kontrolle der Baukörperproportionen und macht traditionelle Mittel der Fassadengliederung obsolet. Die Gestaltungsfreiheit des entwerfenden Architekten in Bezug auf die räumliche Organisation erscheint gering. Geschichtliche Darstellungen der Chicago School zeigen denn auch die Gebäude fast immer nur von außen und betonen Varianten der Fassadenausbildung. Die Grundrisse von Waren-und Bürohäusern der Zeit sind fast immer typische, d.h. sich über die Geschosse hinweg wiederholende Grundrisse. Die Gestaltung des Grundrisses ist noch nicht –wie in der Moderne der 1920er Jahre- eine architektonische Hauptaufgabe36, bzw. die Anforderungen an den Grundriss sind eher negativ als positiv formuliert: Keine störenden Trennwände, keine verschwenderischen Lufträume, Kerne am Rand etc. - Die entwurfl iche Hauptschwierigkeit scheint in der Konzeption eines Grundrisses zu liegen, der in separaten Bauabschnitten jeweils funktioniert. -Die tiefen Grundrisse sind auch nicht denkbar ohne Maßnahmen zum Brandschutz, zur gleichmäßigen Temperierung, zur künstlichen Ventilation und Beleuchtung. Rezeption In der Architekturgeschichtsschreibung der Moderne steht die Chicago School für Funktionalität und konsequent durchgearbeitete Tragstruktur. Diese Aspekte werden in den Texten von Hilberseimer (1928), Giedion (1947) oder Wachsmann (1959) besonders hervorgehoben. Dabei wird die strukturelle Konsequenz in der Ausbildung des Tragwerksrasters und seine Lesbarkeit an der Fassade betont. Aber auch die volumetrische Klarheit der Baukörper wird gewürdigt: Für Giedion verläuft die Entwicklung der Chicago School der reinen Form entgegen.37 In der Moderne wird allerdings immer das Hochhaus als der Endpunkt der Entwicklung gesehen: Die kanonische Darstellung der Chicago School muss eigentlich mit Mies‘ Lake Shore Drive Apartments (1951) enden. Dass die tiefen Grundrisse einen eigenen Typus verkörpern könnten, bzw. dass das Hochhaus mit zentralem Kern und die Warenhäuser mit den peripheren Erschließungen typologisch völlig unterschiedlich sind, wird für nicht erwähnenswert gehalten. Auch der faszinierende Aspekt der Nutzungsmischung kommt bei den „modernen“ Autoren nicht zur Sprache. Dass die generic lofts Chicagos dem modernen Dogma der Nutzungstrennung zuwiderlaufen, bleibt unbeachtet. Man kann annehmen, dass Koolhaas‘ Wahl von New York als Studienobjekt des urbanen Deliriums (1978) im bewußten Kontrast zu dieser zentralen Stellung Chicagos in der modernen Orthodoxie geschieht. Aber eine Revision der Errungenschaften Chicagos setzt schon vorher ein: Während die Moderne der 1920 bis 50er Jahre die Bauten der Chicago School zu ihren Vorgängern rechnet, wird im gleichen Maße, wie -beginnend in den späten 1950er Jahren- Kritik an der Moderne aufkommt, auch eine Kritik an der Chicago School formuliert. Colin Rowe vermißt 1 2 3 29 1880-1910 in der Architektur Chicagos die eigentliche Grundrissarbeit und bewußte Raumbildung, die ihm als Kern architektonischen Entwerfens gelten. Vor dem Hintergrund Chicagos konturiert er Frank Lloyd Wright als genuinen Innovator räumlich-plastischer Zusammenhänge. Im Prinzip führt Rowe damit eine Kontroverse, die mit der Auseinandersetzung zwischen Mies und Häring in den 1920er Jahren beginnt und sich in den 1990er Jahren zwischen Koolhaas und van Berkel fortsetzt, und bei der es um die Frage nach dem „richtigen“ Grad an architektonischer Determination in Bezug auf programmatische Offenheit geht. Bei Heinrich Klotz wird später- diesmal aus einer deutlich postmodernen Perspektive heraus- mit einem gewissen Bedauern konstatiert, wie die verschiedenen Bautypen in Chicago aufgrund des Aufgehens in einem neutralen Prisma ihre Lesbarkeit verlieren.- Man könnte aber auch –auf den Innenraum bezogen- festhalten, dass eine Leistung der Chicago School in der Begründung moderner Großräume besteht, die –mit einem ganzen Geschoss identisch- die ersten wohltemperierten Umgebungen darstellen. Referenzen 1-3 Louis Sullivan: Carson Pirie Scott: Bauprozess des 2.Bauabschnitts 1903: 23.03., 31.03.,13.04 4 Carson Pirie Scott: Erdgeschoss 5 Carson Pirie Scott: 6. Obergeschoss 4 5 First Leiter Building, Chicago 1879 Das First Leiter Building, ein Kaufhaus -und Bürobau des als Ingenieur ausgebildeten William Le Baron Jenney, wird oft als der erste Bau der Chicago School beschrieben. Positiv hervorgehoben wird der rein utilitaristische Charakter des Baus, der auf schmückende Zutaten verzichtet. Konstruktiv ist das First Leiter Building noch durch eine Mischbauweise geprägt. Die Decken sind Holzbohlendecken auf hölzernen Unterzügen, die ihrerseits von Gußeisensäulen im Inneren getragen werden. An der Ostseite stehen auch Gußeisensäulen innen vor den Mauerwerkspfeilern der Fassade, ebenso an der stärker geschlossenen westlichen Außenwand. An der Südseite jedoch übernehmen die Mauerpfeiler die Lasten eines eisernen Randträgers. Somit handelt es sich nicht um ein reines Eisenskelett. Das Stützraster –drei Reihen von fünf freistehenden Stützen- misst ca. 7,60 x 4,00 Meter auf einer Grundrissfl äche von 32 x 25 Metern. Das Gebäude wird von anfänglich fünf Geschossen wenig später auf sieben aufgestockt. Typisch ist die Randlage der Vertikalerschließungen, die sich aus der Zielsetzung einer maximalen ununterbrochenen Geschossfl äche ergibt. Die Geschosshöhen nehmen von unten nach oben hin kontinuierlich ab: Die Höhe des Erdgeschosses ist 5,50 Meter, während das 4. Obergeschoss knapp 4,00 Meter hoch ist. Obwohl als Denkmal eingetragen, wird das Gebäude 1972 abgerissen. Literatur: Carl Condit: The Chicago School of Architecture. The University of Chicago Press, Chicago and London 1964. S. 79-80, Abb. 40-41 Sigfried Giedion: Raum, Zeit, Architektur. Otto Maier Verlag, Ravensburg 1965, S. 248 u. Abb. 225 Hart, Henn, Sonntag: Stahlbauatlas. Geschoßbauten. Verlag Architektur und Baudetail, 2. Aufl . 1982, S. 12 Theodore Turak: William Le Baron Jenney. University of Michigan Press, Ann Arbor 1986 Ulrich Pfammatter: In die Zukunft gebaut. Prestel, München, Berlin, London, New York 2005, S.168- 169 Second Leiter Building, Chicago 1889-91 Erbaut von Levi Leiter als Investor, genutzt von Siegel, Cooper and Company, ist das Second Leiter Building zu seiner Entstehungszeit eines der größten Warenhäuser. William LeBaron Jenney stützt sich hier auf die Erfahrungen aus dem Bau des First Leiter Building und des Home Insurance Building (1884), das als erstes wirkliches Skelett im Hochbau gilt. Der achtgeschossige Quader des Second Leiter Building mit den Maßen 122 x 44 x 44 Metern nimmt, ebenso wie die anderen großen Warenhäuser Chicagos, eine Blockfront an der State Street ein. Im mittleren Abschnitt der Rückseite springt ab dem 3. Obergeschoss die Fassade um eine Achse zurück. Die Fassadengliederung ist schlicht und großzügig: Die jeweils zehn bzw. vier Tragwerksachsen des inneren Skeletts bilden sich nach außen in vertikal durchlaufenden, nichttragenden Mauerstreifen ab, die nur über die Gesimse an ihrem oberen Ende überhaupt als Pfeiler erkennbar werden. Die Zäsuren in der Vertikalen sind ein schmales Gesims über den zwei unteren Geschossen und ein durchlaufender Streifen auf halber Höhe der Pfeiler, der mit diesen fl ächenbündig ist. Das gering auskragende Kranzgesims über einem hohen Architrav schließt sich –gerade aus der Queransicht- mit den breiten Eckpfeilern zu einem fl ächig wirkenden Rahmen zusammen, der die Kanten des Gebäudekubus‘ akzentuiert. Im Inneren schafft das Stützenraster von 6,60 x 6,10 Metern große, zusammenhängende Geschossfl ächen. Um das Untergeschoss vollfl ächig für den Handel nutzen zu können, wird die Haustechnik in ein Nachbargebäude ausgelagert.- Die Stützen sind hohle Gußeisenstützen, rund im Inneren, rechteckig in der Außenwand. Die Träger sind aus Stahl. Über dem Erdgeschoss liegt Referenzen 3 1 2 31 1880-1910 an den Fassaden ein 90 Zentimeter hoher Träger als zusammengesetztes Profi l; die anderen Träger sind gewalzte I-Profi le. Die Decken sind gewölbte Hohlziegeldecken. Alle Gußeisen-und Stahlbauteile sind mit Ziegelverkleidungen oder Terrakotta brandgeschützt. Nutzungsgeschichte: Bis 1915 wird das Gebäude von einem einzigen Mieter genutzt, danach von mehreren unterschiedlichen Ladenmietern. 1932, mitten in den Jahren der Depression, übernimmt die Warenhauskette Sears Roebuck & Company das Gebäude als alleiniger Eigentümer, um hier ihren „fl agship store“ einzurichten. Nach dem Auszug in den frühen 1980er Jahren werden die Flächen in Büros umgewandelt. Seit 1998 wird das Second Leiter Building vom Robert Morris College genutzt (Umbau durch Phelan Associates). Literatur: Carl Condit: The Chicago School of Architecture. The University of Chicago Press, Chicago and London 1964. S.89-90 Theodore Turak: William Le Baron Jenney. University of Michigan Press, Ann Arbor 1986. S. 269- 276 Ludington Building, Chicago 1891 Der achtgeschossige Bau auf einer Grundfl äche von 36,60 x 50,50 Metern verkörpert den Typ des generischen Lofts38 in Reinform. Von seiner Nutzungsgeschichte her bestätigt er die funktionsübergreifende Brauchbarkeit und Wandlungsfähigkeit dieses Typs. Er wird 1891 von Jenney & Mundie für ein Verlagshaus, die American Book Company erbaut. In dieser Zeit entwickelt sich Chicago zum Zentrum des Verlagswesens in den USA; die Lage des Grundstücks zwischen zwei Bahnhöfen ist für den Versand vorteilhaft. Im Entwurf ist die Option berücksichtigt, weitere acht Geschosse aufzustocken. Deshalb, und weil im 3. bis 5. Obergeschoss schwere Druckmaschinen betrieben werden, ist das reine Stahlskelett (keine Gußeisenstützen mehr!) für hohe Lasten ausgelegt. Die Fassade mit ihrem hohen Öffnungsanteil läßt dies aber nicht erwarten. Die Stärke der Fassadenstützen samt ihrer Verkleidung ist auf das minimal Mögliche beschränkt. Die Position des Baus an einer Blockecke ermöglicht die Ausbildung zweier fein gegliederter und mit Terrakotta verkleideter Fassaden zu den Straßenseiten. Wie aufgelegt wirkende Pilasterstellungen lassen den Eindruck risalitartiger Abschnitte an den Ecken und in der Mittelachse entstehen. Sie strecken den Bau optisch in die Vertikale, wobei das kräftige Kranzgesims durchläuft, ohne sich zu verkröpfen. Die rückwärtigen Ansichten zeigen dagegen Ziegelstein. Das Ludington Building verkörpert eine ähnliche Haltung wie das First Leiter Building in der kubischen Grundform und der durchlaufenden Befensterung, die die Primärkonstruktion sofort erkennbar werden läßt. Dabei sind die beiden Gebäude in ganz verschiedenen Materialien errichtet: Wo beim First Leiter Building für die Konstruktion Gußeisen und Holz verwendet wurden, während die Fassade aus Kalkstein bestand, fi ndet man hier Stahl und Terrakotta. -Das Stützenraster (ca. 5,20 x 5 m) ist –vermutlich wegen der hohen Deckenlasten- etwas dichter als beim im gleichen Jahr fertiggestellten Second Leiter Building. Das Treppenhaus und drei Personenaufzüge liegen direkt am Eingang; zwei Lastenaufzüge liegen an der Rückseite in Nähe der Anlieferung. Die ursprüngliche Nutzungsverteilung ist: Verpackung und Versand in den unteren Geschossen, darüber die Druckerei, zuoberst die Büros. Das Gebäude bleibt auch nach dem Ende des Verlagsgeschäfts bis 1960 im Besitz der Familie von Mary Ludington Barnes, der ursprünglichen Bauherrin. In dieser Zeit sind die Geschossfl ächen schon mit anderen Nutzungen belegt; so wird dort unter anderem in den 1910 und 20er Jahren von der Firma Pepsodent Zahnpasta hergestellt. Zwischen 1960 und 1999 wird das Gebäude von einem Autoteile-Vertrieb als Lager genutzt. Seit 1999 ist der Bau im Besitz des Columbia College Chicago, der größten Kunst-und Medienhochschule in den USA, deren Fakultäten über mehrere Alle Grundrisse und Schnitte sind, soweit nicht anders vermerkt, im Maßstab 1:1000. 1, 3 William Le Baron Jenney: First Leiter Building, Chi- cago 1879. Ansicht und Grundriss Obergeschoss 2 William Le Baron Jenney: Second Leiter Building, später Sears Roebuck, heute Morris College, Chica- go 1889-91 4 Jenney & Mundie: Ludington Building, Chicago 1891 4 Gebäude des South Loop von Chicago verteilt sind. Im Ludington Building sind die Fachbereiche für Grafi k und Buchkunst, ein Teil der Filmhochschule, eine Galerie und ein multikulturelles Zentrum angesiedelt. Nach dem Abriß des First Leiter Buildings und von The Fair ist das Ludington Building eines von lediglich zwei verbliebenen Loft-Gebäuden von William Le Baron Jenney (neben dem Second Leiter Building). Literatur: Carl Condit: The Chicago School of Architecture. The University of Chicago Press, Chicago and London 1964. S.92-93 Theodore Turak: William Le Baron Jenney. University of Michigan Press, Ann Arbor 1986. S. 295- 299 Alice Sinkevitch (Hrg.): AIA Guide to Chicago, Harcourt, San Diego 2004, S.151 Carson, Pirie Scott, Chicago 1899-1906 1899 beauftragt das Unternehmen von Schlesinger & Mayer Louis Sullivan mit der Planung eines Warenhauses an der Ecke von State Street und Madison Street in Chicago, die als world‘s busiest corner gilt. Das Warenhaus geht wenig später an Carson Pirie Scott über und wird unter diesem Namen bekannt. Die Auftraggeber erhoffen sich durch die Wahl des Architekten Sullivan einen Distinktionsgewinn gegenüber ihren Wettbewerbern. Das Kaufhaus muss in vier Bauabschnitten (1899 – 1906) errichtet werden, um den Verkauf nicht durch Bauarbeiten zu unterbrechen; außerdem wird die Parzelle des vierten Bauabschnitts erst später verfügbar. Der zweite Bauabschnitt, an der Ecke von Madison und State Street muss sogar unter dem bestehenden Altbau gegründet werden, damit der Verlust durch Betriebsunterbrechung an dieser teuren Ecklage minimiert wird. Im Wochenabstand aufgenommene Fotos zeigen den sensationell raschen Baufortschritt dieses Bauteils. Die Grundrisse von Carson Pirie Scott zeigen das für die tiefen Grundrisse der Chicago School typische Bild: Auf einer Geschossfl äche über zwölf Geschosse von 56 x 42 Metern gibt es ein Stützraster von ca. 6,80 x 5,70 Metern. Die Anlage von Schaufenstern führt zu einem größeren Rastermaß am Rand. Die runde Eckausbildung wird von Giedion als Konzession an den Auftraggeber entschuldigt.39 Aufzüge und Treppen sind an den Rand der Geschossdecke gerückt. Die Inszenierung der vertikalen Erschließung ist auch in diesem Kaufhaus noch kein Thema. Dafür unterstützt auf den Geschossen die Ladeneinrichtung durch ihre Höhenbeschränkung den Eindruck des übersichtlichen Großraums. Das konstruktive System von Carson Pirie Scott ist dem von The Fair ähnlich, mit der Ausnahme, dass Sullivan bei den Geschossdecken noch mit gewölbten Kappen arbeitet, sodass für die Herstellung einer fl achen Deckenuntersicht eine Abhangdecke in den unteren vier Geschossen zum Einsatz kommt. Diese Geschosse sind auch durch die Gestaltung des Stützenkopfes mit einem dekorativen Kapitell ausgezeichnet. In den darüberliegenden Geschossen bleibt die Kappendecke sichtbar. Der Schnitt zeigt, dass die Geschosshöhe von unten nach oben kontinuierlich abnimmt. Von 6,10 Metern Höhe im Erdgeschoss reduziert sich die Höhe auf 3,40 Meter im 10. Obergeschoss. Nur im obersten Geschoss mit dem Besucherrestaurant ist die lichte Höhe wieder größer.40 Bei Carson Pirie Scott wird jedoch auch dem Aspekt des Komforts Rechnung getragen: So sorgen Warmluftauslässe in Stützennähe entlang des Perimeters für eine gleichmäßige Temperierung der Verkaufsgeschosse. Das Warenhaus verfügt über ein kohlebefeuertes Kraftwerk zur Elektrizitätserzeugung innerhalb des Baublocks, eine Heizungs- und Lüftungsanlage im 2. Untergeschoss und einen Maschinenraum für Aufzüge und Förderanlagen auf dem Dach. Diese Einrichtungen gelten zur Erbauungszeit als so innovativ, dass sie Bestandteil täglicher Führungen 2.BA 01-05/1903 3.BA 05-10/1903 1.BA 1899 4.BA D.H.Burnham & Co. 1906 1 2 33 1880-1910 für Besucher sind. Die Tour beginnt in den Untergeschossen und kulminiert auf dem Dach mit der Besichtigung der großen Tanks für die Sprinkleranlage mit den dazugehörigen Pumpen. Die künstliche Beleuchtung setzt sich zusammen aus einer Grundbeleuchtung mittels Bogenleuchten in der Mitte jedes Tragwerksjoches und einer Akzentbeleuchtung mittels Glühlampen. Bei der Fassade läßt Sullivan das übliche Dilemma, wie denn die neuen Großbauten zu gliedern seien, hinter sich: Nachdem er in seinen Bürogebäuden die strikte Vertikalität erprobt hat, wird in der Fassade von Carson Pirie Scott nun die Horizontale ungewöhnlich stark betont41. Der opake Fassadenabschnitt vor der Stütze und der vor der Geschossdecke liegen in der gleichen Ebene. Vertikale und Horizontale sind damit plastisch gleich gewichtet; die Unterteilungen der Fensteröffnung hingegen treten zurück. So entsteht erstmals deutlich erkennbar ein liegendes Fensterformat. Durch die zwei horizontalen Borten unter- und oberhalb des Fensters wird die Brüstungshöhe optisch reduziert, wodurch sich die Dimensionen von Stütze und Sturz annähern; andererseits wird nochmals die Horizontalbetonung verstärkt. Somit bildet sich das Tragwerksraster klarer als je zuvor an der Fassade ab. Nach dem Verkauf der Warenhauskette Carson Pirie Scott 2006 wird Sullivans landmark im Frühjahr 2007 geschlossen. Die Umsätze dieser Filiale waren angeblich seit Jahren rückläufi g, während die Betriebskosten um 40% höher lagen, als in anderen Filialen. Der Eigentümer will das Gebäude neu entwickeln, mit einem Mix aus Handel, Büros und Entertainment. Literatur: (ohne Autorenangabe): Prominent Buildings erected by the George A. Fuller Company. New York 1904, S. 144-145 Carl Condit: The Chicago School of Architecture. The University of Chicago Press, Chicago and London 1964, S.160-166 u. 170-172 Sigfried Giedion: Raum, Zeit, Architektur. Otto Maier Verlag, Ravensburg 1965, S. 255-257 Joseph Siry: Carson Pirie Scott. The University of Chicago Press, Chicago and London, 1988 Ulrich Pfammatter: In die Zukunft gebaut. Prestel, München, Berlin, London, New York 2005, S. 170-171 Athletic Club Chicago 1893 Durch Koolhaas hat der New Yorker Downtown Athletic Club architekturtheoretische Prominenz gewonnen. Der Athletic Club des Architekten Henry I. Cobb an der Michigan Avenue in Chicago stapelt bereits 37 Jahre früher Sporteinrichtungen, Lounges, Clubräume und eine Bibliothek, allerdings in Form eines elfgeschossigen venezianischen Palazzos. Das Gebäude steht in einer Blockfront und bildet deshalb an beiden Flanken Brandwände aus; kleine Lichthöfe führen hier zu einer Einschnürung des Gebäudevolumens. Die angrenzenden Grundstücke zur Linken werden übrigens wenig später mit der sogenannten Gage Group, einer Gruppe von drei Gebäuden der Architekten Holabird and Roche und Louis Sullivan bebaut. Die reich gegliederte Fassade mit ihren Balkonen und Loggien hat hier natürlich noch nicht den Charakter einer neutralen Hülle. Auch die Grundrisse haben nicht die klare Zonierung wie beim Downtown Athletic Club. Bemerkenswert ist aber, wie der Pool des Erdgeschosses von einem geschosshohen Vierendeelträger im 2. Obergeschoss überspannt wird. Das Gebäude, bis dahin vom Chicago Athletic Club genutzt, wird 2007 verkauft. Literatur: Prominent Buildings erected by the George A. Fuller Company. New York 1904, S. 186-187 1, 2 Louis Sullivan: Warenhaus Carson, Pirie Scott, Chicago 1899-1906. Grundriss Erdgeschoss, Bauabschnitte 3, 4, 5 Henry Ives Cobb: Athletic Club, Chicago (um 1900): Ansicht von der Michigan Avenue, Grundrisse 2.OG, EG 3 4 5 Siegel Cooper, New York 1896 Das Warenhaus an der 6th Avenue ist die New Yorker Filiale des Chicagoer Unternehmens von Henry Siegel und Frank Cooper. Der sechsgeschossige Bau der New Yorker Architekten De Lemos & Cordes besetzt mit 61 auf 140 Metern Grundfl äche mehr als die Hälfte des Blocks. Das Äußere refl ektiert den Beaux-Arts-geprägten Zeitgeschmack der 1890er Jahre. Das hohe Erdgeschoss ist durch zwei interne Straßen -wie Cardo und Decumanus der römischen Stadt- in vier Quadranten gegliedert. Der Kreuzungspunkt der inneren Straßen wird durch einen Brunnen markiert. Dies ist der einzige Punkt, der durch einen kreisrunden Deckenausschnitt überhöht wird, während die Erschließungsachsen im Gegensatz zu Passagen nur eingeschossig sind. Sie sind eigentlich nur durch die etwas weiteren Stützenabstände und den Fußbodenbelag ausgezeichnet, während das Stützenraster ansonsten regelmäßig ist. Bemerkenswert ist das Layout der Aufzüge in der Gebäudemitte, die zu zwei Gruppen von je vier Aufzügen in einer viertelkreisförmigen Anordnung ein Echo auf den kreisförmigen Brunnen bilden. Ihnen gegenüber liegt die kurvierte Treppenanlage. Die Komposition ist zwar symmetrisch, aber nur in Bezug auf die Querachse. Zusammen mit dem Brunnen und dem Luftraum entsteht hier ein interessantes Zusammenspiel zwischen striktem Stützenraster bei durchgehender Geschossdecke und Beaux-Arts-Geometrie in den Ausbauelementen, das sonst in dieser Zeit nicht zu fi nden ist. Die singuläre Position der Aufzüge in der Grundrissmitte leitet sich daraus her, dass der Grundriss vor der Einführung von Rolltreppen konzipiert ist. Noch 1896 werden sie bei Siegel Cooper nachgerüstet. Bei den nachfolgenden Bauten rücken die Aufzüge an den Rand der Geschosse, um die zwei alternativen Vertikalerschließungen räumlich zu entzerren. Siegel Cooper wirbt damit, auf über 60.000 Quadratmetern Bruttogeschossfl äche eine Stadt für sich zu bieten. 9000 Mitarbeiter stehen den erwarteten 190.000 Kunden pro Tag zur Verfügung. Aber die Dichte an großen Warenhäusern der Ladies‘ Mile führt zu einer Übersättigung des Marktes, die bei schlechterer Wirtschaftslage ihren Tribut fordert: Schon 1915 muss das Warenhaus schließen. Während des Ersten Weltkriegs wird das Gebäude als Lazarett genutzt; danach werden die Flächen aufgeteilt und zu Läden im Erdgeschoss, Büros in den Obergeschossen umgewidmet. 1992 wird das Gebäude zum power center entwickelt, d.h. einer Ansammlung von Fachmärkten („Bed, Bath & Beyond“, „TJ Maxx“). Literatur: Josef Durm (Hg.): Handbuch der Architektur, 4.Teil, Band II, 2. J.M. Gebhardt, Leipzig 1900, S. 122-123 Alfred Wiener: Das Warenhaus, Wasmuth, Berlin 1912, S. 117-118 Robert A.M. Stern u.a.: New York 1900, Rizzoli, New York 1987 (2. Aufl .) S.192, Abb. S.191 De Lemos & Cordes: Siegel, Cooper, New York 1896 1 Außenansicht 6th Avenue (2006) 2 Historische Ansicht (1903) 3 Innenraum Erdgeschoss, neben dem Brunnen, historische Aufnahme 1 35 1880-1910 3 1. OG EG 2 Macy´s, New York 1901 1901 verlagern R.H. Macy & Company ihren Standort innerhalb Manhattans von der 14. zur 35. Straße. Das Warenhaus füllt nach Erweiterungen zwischen 1922 und 1931 einen ganzen Block zwischen Broadway, bzw. Herald Square und 7th Avenue mit einer Grundfl äche von 200 x 60 Metern. Der Ursprungsbau von 1901 nimmt bereits den größeren Teil des Blocks ein. In der zeitgenössischen Wahrnehmung ist mit dieser Größenordnung eine Grenze erreicht: According to the Architectural Record, De Lemos & Cordes’ design for the nine- story building stretched the Big Store to “the limit of useful and profi table height.” 42 Die Eingänge liegen an den wichtigeren Gebäudeseiten zu Broadway und 34. Straße –der Haupteingang nahe der Ecke-, während an der 35. Straße Warenannahme und Warenausgang situiert sind. Aufzüge und Fluchttreppen liegen am Rand der Geschossfl äche, d.h. an der Fassade oder an der inneren Brandwand, während die Rolltreppen als offene Treppen im Inneren liegen. Das Stützenraster der Stahlkonstruktion misst im Ursprungsbau 21 x 24 Fuß, d.h. 6,40 x 7,20 Meter. Am Rand der Geschossfl äche ist der Stützabstand mit 4,50 Metern, quer zur tragenden Fassade gemessen, geringer; hier wird auf die Anlage der Aufzüge und Treppen Bezug genommen. Die technischen Anlagen umfassen 33 hydraulische Aufzüge, vier Rolltreppen vom Erdgeschoss bis zum 4. Obergeschoss, Förderbänder zum Warentransport, ein ausgedehntes Rohrpostsystem, vacuum cleaning und Klimatisierung, wenn auch noch in einer rudimentären Form. Im obersten Geschoss liegt das Besucherrestaurant.- An der Broadway-Seite wird der Baukörper schräg angeschnitten; hier gliedern mehrgeschossige Bay-Windows die Fassade. Die negative Ausbildung der wichtigsten Gebäudeecke verdankt sich dem Besitzer des Eckgebäudes, der sich hartnäckig dem Verkauf seines Grundstücks widersetzt. Im Rahmen von zwei Erweiterungsmaßnahmen –zwischen 1922 und 24 bzw.1931- wird der verbliebene Rest des Blocks dem Warenhaus ebenfalls zugeschlagen. Die Erweiterung geht mit 20 Geschossen höhenmäßig deutlich über den Ursprungsbau hinaus, nimmt jedoch in den oberen elf Geschossen nur Verwaltung, Lager und Werkstätten auf. So ergeben sich neun Verkaufsebenen, jeweils von der Größe des Baublocks, allerdings mit der Zäsur durch eine Brandwand. Das Rückstaffeln infolge der Zoning-Vorschriften führt beim Erweiterungsbau dazu, dass die Personenaufzüge, die ja bis oben durchlaufen, vom Rand ein Stück nach innen rücken. Hinzu kommen vier Aufzüge für kleine LKW von 8 m Tiefe, die direkt von der 35. Straße her befahren werden können. Der gesamte Block verfügt über 200.000 Quadratmeter Nutzfl äche; Anfang der 1960er Jahre werden hier 150.000 Kunden pro Tag von 11.000 Angestellten betreut. Literatur: Prominent Buildings erected by the George A. Fuller Company. New York 1904, S. 136-137 Louis Parnes: Bauten des Einzelhandels und ihre Verkehrs- und Organisationsprobleme. Orell Füssli Verlag, Zürich - Leipzig 1935, S. 214 ff. John William Ferry: A History of the Department Store. Macmillan, New York, 1960, S. 60 Robert A.M. Stern u.a.: New York 1900, Rizzoli, New York 1987 (2. Aufl .) S.192, Abb. S.190 Robert A.M. Stern u.a.: New York 1930, Rizzoli, New York 19XX, S. 312, 317; Anm. 118, S. 788 1 2 OG Warenhäuser am Herald Square, New York: 1 Historische Ansicht Herald Square (1903), links Saks Building, rechts Macy‘s 2 Buchman & Fox: Saks Building, New York ca. 1900, Ansicht EG 37 1880-1910 De Lemos & Cordes: R.H. Macy & Company Building, New York 1901.Stützraster 7,00 x 6,40m. 1 Historische Anischt Broadway / Ecke 34. Straße 2 Ansicht Broadway / Ecke 34. Straße (2006) OG EG 21 1B. Altman & Company, New York 1905-06, 1912-13 Der Vorgänger von Benjamin Altmans Warenhaus (1874 erbaut) lag in dem als Ladies‘ Mile bezeichneten Straßenabschnitt an Sixth Avenue gegenüber dem Siegel Cooper Store zwischen 18. und 19. Straße. Von dort zieht das Unternehmen 1906 in den Bau an Fifth Avenue, zwischen 34. und 35. Straße gelegen. Der achtgeschossige Palazzo der Architekten Trowbridge & Livingston mit seiner Natursteinverkleidung zeigt entlang der Avenue die üblichen neun Achsen. Dieses Gebäude wird abschnittweise in Richtung Madison Avenue erweitert und füllt 1914 den ganzen Block. Es ist das erste Warenhaus an Fifth Avenue und initiiert die Entwicklung der Straße als wichtigste Einkaufsstraße New Yorks. Bis dahin ist Fifth Avenue noch weitgehend als gehobene Wohngegend bekannt. Auf dem diagonal gegenüberliegenden Block steht seit 1893 das Waldorf-Astoria Hotel, das später dem Empire State Building weichen muss. Altman & Company wird neben dem wirtschaftliche Erfolg durch seine philantropische Ausrichtung bekannt: Es ist (in den 1870/80er Jahren) das erste größere Unternehmen, das Sanitärräume und eine Kantine für die Angestellten bereitstellt, die tägliche Arbeitszeit verkürzt und samstägliche Schließung im Sommer vorsieht. Der neue Bau an Fifth Avenue enthält darüber hinaus eine kleine Klinik mit sieben Betten für die Angestellten, und –bei Notfällen- auch für Kunden, eine Schule für die Kinder der Angestellten und ein eigenes Kraftwerk im Untergeschoss. 1985 wird das Gebäude unter Denkmalschutz gestellt; im gleichen Jahr gibt es Überlegungen, das Warenhaus aus wirtschaftlichen Gründen auf die Hälfte zu verkleinern. 1989 schließt das Warenhaus endgültig. In den Gebäudeteil an Madison Avenue zieht ein Verlag (Oxford University Press) und Abteilungen der New York Public Library ein. Der Palazzo von 1905 an Fifth Avenue wird 1995-99 umgebaut, um hinfort als Graduate Center der City University of New York genutzt zu werden. Die Hochschule im ehemaligen Warenhaus hat eine Bruttogeschossfl äche von 54.000 Quadratmetern. Die Architekten des Umbaus, Gwathmey Siegel, müssen im Erdgeschoss wie Untergeschoss mehrere große Säle, einen Hörsaal, eine Konzerthalle und ein Konferenzzentrum integrieren. Dazu werden mehrere Eingriffe in das gleichmäßige Stützenraster mittels Abfangungen erforderlich. Im Erdgeschoss liegt neben den Zugängen zu den Sälen eine Kunstgalerie und die Bibliothek, die sich auch über das ganze 1. Obergeschoss erstreckt. Die darüberliegenden Geschosse (2. bis 6. Obergeschoss) nehmen die Fachbereiche auf, wobei Computerräume und Seminarräume im Inneren liegen, während die Büros entlang der Peripherie aufgereiht sind. Im 7. und 8. Obergeschoss liegt die Verwaltung und weitere Konferenzräume. Die Cafeteria mit ihrem Oberlicht, durch das man das Empire State Building sieht, liegt an der Stelle, wo auch im Altbau bereits eine oberseitig verglaste Rotunde lag. Literatur: Robert A.M. Stern u.a.: New York 1900. Rizzoli, New York 1987 (2. Aufl .) S. 193-95 Brad Collins (Hg.): Gwathmey Siegel. Buildings and Projects 1992-2002. Rizzoli, New York 2003, S. 268-277 Trowbridge & Livingston: B. Altman & Company, New York 1905-06, 1912-13 1 Ansicht von Westen (Fifth Avenue) aus der Erbauungszeit 2 Corset Department (1914) 2 39 1880-1910 Trowbridge & Livingston: B. Altman & Company, New York 1905-06, 1912-13; Umbau durch Gwathmey Siegel zum Graduate Center der City University of New York, 1995-99 1 Innenraum Bibliothek 2 Innenraum Computerpool 3 2.-6. Obergeschoss: Fachbereiche 4 1. Obergeschoss: Bibliothek 2 3 4 1 Daniel Burnham: Gimbel Store, New York 1907-11 1 Ansicht Broadway (1911) 2 Ansicht Broadway nach Konversion zur „Manhattan Mall“ (2006) 3 Grundriss EG (1911) 1 3 2 Gimbels, New York 1911 Zwei Blöcke von Macy‘s entfernt, ebenfalls am Herald Square als Knotenpunkt des öffentlichen Nahverkehr, siedeln sich Gimbel Brothers, ein Unternehmen aus Philadelphia, 1911 mit ihrem großen Warenhaus an. Der von Daniel Burnham geplante Bau ist vor allem durch die Schnelligkeit seiner Errichtung bemerkenswert. Der Grundriss zeigt ein ähnliches Bild wie bei Macy‘s; allerdings bilden sich deutlich zwei Nord-Süd-Passagen durch den Block heraus. Über eine Brücke kann das Gebäude direkt von der Hochbahn aus erschlossen werden.1923 erwerben Gimbel Brothers das benachbarte Warenhaus von Saks, das ebenfalls mit einer Brücke angeschlossen wird. Heute ist der Bau mit umgestalteter Fasssade Teil der Manhattan Mall. Literatur: Parnes, Louis: Bauten des Einzelhandels und ihre Verkehrs- und Organisationsprobleme. Orell Füssli Verlag, Zürich - Leipzig 1935, S. 219 John William Ferry: A History of the Department Store. Macmillan, New York, 1960, S. 73 Robert A.M. Stern u.a.: New York 1900, Rizzoli, New York 1987 (2. Aufl .) S.192 41 Eisenbeton und Großstadtarchitektur: Der tiefe Grundriss in der Moderne um 1930 Die Situation um 1930 ist komplexer zu beschreiben, als die in Chicago oder New York um 1900. Man muss nicht nur die amerikanische Entwicklung im Auge behalten, sondern auch die europäische; und dort die jeweils die verschiedenen Spielarten der Moderne. Wobei ja schon in der Einleitung gezeigt wurde, dass die europäische Moderne der 1920er Jahre die schmalen Grundrissformen eindeutig favorisiert. Eigentlich liegen um 1930 alle Voraussetzungen für die Kristallisation neuer Bautypen vor: Ein immer noch relativ neues Material (Stahlbeton), neue Bauaufgaben (z.B. alle, die mit dem Auto zusammenhängen), eine neue Intensität des internationalen Austauschs (z.B. die International Style- Ausstellung 1932) etc. Trotzdem ist die Situation von Verzögerungen und Hemmnissen geprägt, die auch mit den Folgen des Ersten Weltkriegs und der wirtschaftlichen Rezession zusammenhängen. Das einzige, das sich mit Sicherheit sagen läßt, ist, dass der tiefe Grundriss weiterhin als Charakteristikum kommerzieller Bauten angesehen wird. Er ist nicht so sehr ein Bautyp der Moderne, als vielmehr ein Vehikel der Modernisierung. Will man über den tiefen Grundriss um 1930 Aussagen treffen, darf man nicht die realisierten Bauten von Gropius, Mies oder Aalto ins Auge fassen, sondern eher die kommerziellen Bauten Mendelsohns und seiner etwas weniger berühmten Kollegen wie Fahrenkamp und Schaudt in Deutschland oder Frits Peuts in den Niederlanden. Bezüglich der amerikanischen Entwicklung kann man –was die wirtschaftlichen Grundlagen der Stadtentwicklung betrifft- von einer gewissen Sättigung ausgehen. Nicht zufällig entstehen die beiden, von den Dimensionen her größten amerikanischen Kommerzbauten der Zeit um 1930 (Merchandise Mart, Chicago und Starrett-Lehigh Building, New York) dank air rights über innerstädtischen Gleisanlagen. Die Nähe zur Verkehrsinfrastruktur ist dabei ein wichtiger Aspekt; die Nutzung dieser schwierigen Grundstücke belegt aber auch, dass die amerikanischen Innenstädte in dieser Zeit im Großen und Ganzen „fertig“ gebaut sind. Wie wirkt sich denn das neue Verständnis von Planung als dem Lösen von Problemen räumlich- funktioneller Organisation, wie es die europäischen Avantgarden der 1920er Jahre propagieren, in der Grundrissbildung aus? -Mit der Zeit um 1930 befi ndet man sich selbstverständlich in der Hochblüte der europäischen Moderne, einer gründlich erforschten Epoche. Die verschiedenen gedanklichen Stränge sollen deshalb nur insoweit verfolgt werden, als sie in einen Bezug zur Frage der Gebäudetiefe gesetzt werden können. Monolithische Konstruktion Um den Einfl uss des neuen Materials Stahlbeton auf die Grundrissbildung nachvollziehen zu können, sollen zunächst in geraffter Form die wesentlichen Entwicklungsschritte in der Ausbildung des Stahlbetonskeletts rekapituliert werden: In der frühen Geschichte des Stahlbetons werden –der „monolithischen“ Betonkonstruktion geschuldet- zum ersten Mal ganze Bausysteme patentiert, d.h. eine strukturelle Einheit von Stütze und Decke. Entwicklung, Erstellung und Lizenzvergabe für die Bausysteme liegt in einer Hand, nämlich der des Ingenieurs als (Bau-)unternehmers. Dabei verläuft die Entwicklung in Europa und den USA nahezu parallel: In den 1890er Jahren entwickeln Francois Hennebique in Frankreich und Ernest Ransome in den USA Deckensysteme mit Unterzügen bzw. Rippen. Um 1910 bilden die Pilzdecken von Claude A.P. Turner ein amerikanisches Pendant zu den Pilzdecken von Robert Maillart in Europa. Beim System Hennebique (Patente 1892/97) bilden die Deckenplatte mit Längs-und Querrippen und die Stütze eine Einheit, wenn auch das Vorbild der geschichteten Stahlkonstruktion noch spürbar ist. Die Betonkonstruktion steift sich über gevoutete Anschlüsse der Unterzüge an die Stützen selbst aus, d.h. die Bedingungen für eine „Befreiung“ der Außenwand von der Tragfunktion sind langfristig gegeben. Industriebauten im System Hennebique fi ndet man über ganz Westeuropa, z.B. in Nantes, Lille, Strasbourg, Mulhouse, Genua. Eisenbeton und Groszstadtarchitektur: Der tiefe Grundriß in der Moderne um 1930 Ernest Ransome hat in Kalifornien bereits 1885 eine Rippendecke aus Beton entwickelt. Sein Patent von 1893 bezieht gegenüber Hennebiques Patent Aspekte der Vorfertigung mit ein: Beim System Ransome handelt sich um vorgefertigte Rippendeckenelemente, die auf einem Fertigteilunterzug aufl iegen und vor Ort zu einer monolithischen Decke vergossen werden. Anwendungsbeispiele für dieses System sind: United Shoe Machinery Company, 1903 und Winchester Gun Factory, 1906 von Albert Kahn. Bei beiden Bauten ist das Stahlbetonskelett auch in der Fassade deutlich ablesbar. System Maillart (1910): Auch Maillart ist gleichzeitig Entwickler und Unternehmer. So gibt es Bauten im System Maillart von Barcelona bis St. Petersburg. Maillarts Pilzdecken gehen auf Versuche um 1900 zurück. Die ersten Anwendungen werden 1910 gebaut. Sie gelten allgemein als Durchbruch zu einer ersten dem Material Stahlbeton angemessenen Formulierung des Tragwerks im Geschossbau. Bei Maillart wird die Platte durch die Art der Bewehrung statisch aktiviert und zum Flächentragwerk. Die zum Verhindern des „Durchstanzens“ notwendige Verbreiterung des Stützenkopfs wird von Maillart organisch im Sinne einer Flächenkontinuität von Decke und Stütze gestaltet. Damit ist das erste wirklich richtungsneutrale Deckensystem im Geschossbau erreicht. Gleichzeitig ist die Pilzstütze ein eher für Großräume geeignetes Tragwerk, da ein eventueller Trennwandanschluß in Stützenebene zumindest aufwändig ist. Maillarts Pilzstützen kommen zu seinen Lebzeiten nur in Lagerhäusern zur Verwendung, so im Lagerhaus Giesshübelstraße 62 (1910) oder im Getreidemagazin Altdorf (1912). In beiden Fällen besteht die tragende Außenwand aus Mauerwerk. System Turner (1910): Gleichzeitig und unabhängig von Maillart entwickelt der amerikanische Ingenieur C.A.P. Turner ein Mushroom System of Construction (1908). Turner argumentiert für sein System gegenüber den früheren Rippensystemen damit, dass die plane Deckenuntersicht den Lichteinfall verbessert und die Stockwerkshöhe besser ausnutzt. Im Gegensatz zum „Zweibahnensystem“ Maillarts ist die Bewehrung der Turnerschen Pilzdecke allerdings im „Vierbahnensystem“ verlegt; d.h. vier um 45° verdrehte Bewehrungslagen überlagern sich über dem Stützenkopf. Dadurch wird das Einschieben einer ca 1,20 Meter im Quadrat messenden Platte über dem Stützenkopf notwendig – eine Lösung, die Maillart als materialaufwendig und unorganisch kritisiert. Die Referenzen zeigen alle diese eingeschobene Platte, mit Ausnahme des John Deere Plow Building, Omaha 1908. -Die Turnersche Pilzdecke wird zum bevorzugten Konstruktionssystem US-amerikanischer Lagerhäuser und Stockwerksfabriken. Stahlbeton und Gebäudetiefe Bezüglich der Grundrissorganisation von Geschossbauten wird der Unterschied zwischen zwei gegensätzlichen Behandlungsweisen des Stahlbetons wirksam: Die aus dem System Hennebique entwickelten Bauweisen könnte man als Gefüge von Stützen-Balken-Decke bezeichnen, die Konstruktionen mit Pilzdecken hingegen als Stützen-Decken-Gefüge. Bei den letzteren entfallen die Unterzüge als vermittelndes Element zwischen Stütze und Decke. Während die Balkensysteme immer gerichtete Tragwerke sind, bringen die Pilzdecken den Durchbruch zur Geschossdecke als einem Flächentragwerk. Und wo Fassade und Stützen bei den Balkensystemen meistens in einer Ebene liegen, erfordert die Pilzdecke geradezu den Versatz einer nichttragenden Fassade zu den Stützen und befördert so auf längere Sicht die „freie Fassade“. Es erscheint so, als sei die Pilzdecke das geeignete Konstruktionssystem für einen tiefen Geschossbau in Stahlbeton –zumindest vor Erfi ndung der Flachdecke. Der historische Überblick zeigt, dass –obwohl die Pilzdecke als das avanciertere System gelten kann- auch die Bauweise mit Unterzügen daneben weiterhin besteht. Die Unterzugbauweise kommt eher bei den Stockwerksfabriken, die Pilzbauweise eher bei den Lagerhäusern zum Einsatz. Beide erweisen sich als besonders leistungsfähig, was hohe Deckenlasten und Feuerbeständigkeit System Hennebique und andere Stahlbeton-Balken- decken 1 Francois Hennebique: Spinnerei Barois, Lille1894 2 Giovanni Matte-Trucco: Lingotto, Turin, 1923 Gebäudetiefe 24 m. 3 August Nordin: Century Garage, San Francisco 1928 4 Francois Hennebique: Patent für Eisenbetonkonstrukti- on im Geschoßbau, 1893 1 2 4 3 43 Um 1930 betrifft. Die Gebäudetiefe bei den Stockwerksfabriken aus Stahlbeton ist etwas größer als bei den Beispielen aus dem 19. Jahrhundert, überschreitet aber selten 24 Meter. In Highland Park Plant (1908-10), der ersten Autofabrik überhaupt, von Albert Kahn für Ford gebaut, hat der Baukörper eine Tiefe von 22,50 Metern. Das europäische Pendant zu den Bauten von Ford in Detroit, der Turiner Lingotto (1916-26) von Mattè Trucco, hat 24 Meter tiefe Geschossfl ächen. Banham nennt diese Art von Bauten denn auch Tageslicht-Fabriken43. In den 1920er Jahren wird der Typus der Stockwerksfabrik allmählich durch eingeschossige Fabrikanlagen mit Sheddächern abgelöst. Bei den Lagerhäusern der Zeit um 1910 hingegen, wo der Bedarf an Tageslicht geringer ist, sind noch tragende Außenwände aus Mauerwerk üblich. Die Lagerhäuser mit ihren fl ächig tragenden Decken haben auch größere Gebäudetiefen. Ihr Inneres läßt sich wirklich als ein gerastertes Kontinuum in zwei Raumrichtungen wahrnehmen. In der weiteren Entwicklung wird die Plattenbalkendecke des Systems Hennebique vereinfacht, indem die sekundären Rippen entfallen. Neben die massive (Ortbeton-)Plattendecke treten Stahlbeton-Rippendecken, bei denen Füllkörper wie Hohlziegel mit Beton vergossen werden. Im Gegensatz zur früheren Stahlsteindecke sind diese Ziegel jedoch nicht am Lastabtrag beteiligt, sondern dienen lediglich der Gewichtsreduzierung. (Rippendecken unterscheiden sich von Plattenbalkendecken durch die Maßgabe, dass der Abstand der Rippen kleiner als 70 Zentimeter ist). Die Rippendecken mit verlorener Schalung aus Hohlziegeln sind allerdings, wenn sie unterseitig verputzt sind, von Plattenbalkendecken ohne Sekundärträger äußerlich nicht zu unterscheiden. Le Corbusiers Dom-Ino (1914) zeigt die frühe Version einer Stahlbeton-Rippendecke mit glatter Untersicht. Die Tatsache, dass Le Corbusier die Plattenbalken weggelassen hat (tatsächlich handelt es sich um deckengleiche Unterzüge, was aufgrund der geringen Spannweite auch möglich ist), hat für viel Verwirrung gesorgt. So wurde Le Corbusier zum Visionär, der die Flachdecke um Jahrzehnte vorwegnahm44. Die Stahlbeton-Rippendecken mit Hohlziegeln als verlorener Schalung kommen in den 1920er und 30er Jahren als Deckensystem bei normalen Verkehrslasten zum Einsatz: So zum Beispiel in Le Corbusiers Villen, mit fl acher Untersicht beiVilla Stein, Garches (1927), mit sichtbaren Unterzügen bei Villa Savoye (1927-29). Während Le Corbusier bestrebt ist, die Unterzüge zu eliminieren, wird die Plattenbalkenstruktur in der deutschen Moderne fraglos akzeptiert, sogar die gevouteten Anschlüsse an die Stützen; siehe Mies‘ Bürohaus aus Eisenbeton (1923), oder Bauhaus Dessau (1925-25)). Terragni hingegen arbeitet bei der Casa del Fascio, Como (1932- 36) mit abgehängten Decken. Die Balken seiner Stützen-Balken-Matrix werden immer nur an Außenfl ächen oder Luftraumkanten ablesbar. Die Decken in der Casa del Fascio sind wie die des Bauhauses Rippendecken mit Hohlziegeln. Die Pilzdecke wird in den 1920er und 30er Jahren generell bei höheren Deckenlasten angewendet, d.h. bei Waren- und Lagerhäusern, Druckereien und Fabriken. Das Untergeschoss des Bauhauses in Dessau, Aaltos Turun Sanomat (1927-29) und die Van Nelle-Fabrik, Rotterdam (1926-30) belegen dies. Beispiele der 1930er Jahre umfassen das Starrett-Lehigh-Building in New York (1930-31), die Schuhfabrik in Nottingham von Owen Williams (1930-32), und den Glaspalast in Heerlen von Frits Peuts (1934-35). Am Ende des Jahrzehnts bringt Frank Lloyd Wright mit seinem Verwaltungsgebäude für Johnson Wax (1939) eine eigenwillige und spektakuläre Version der Pilzstütze. Von allen genannten Beispielen sind das Starrett-Lehigh-Building in New York als amerikanisches und der Glaspalast in Heerlen als europäisches Beispiel die einzigen tiefen Geschossbauten. Daran zeigt sich, dass in der klassischen Moderne nur das Warenhaus oder die Mietfabrik als tiefe Gebäude denkbar sind. Für den Bürobau ist weiterhin der schmale Grundriss maßgeblich. Wrights Larkin Building in Buffalo (1905) ist –obwohl es sich um einen klassischen Atrium-Typ handelt- insofern für die Diskussion der Gebäudetiefe interessant, als hier die Raumtiefe nur noch als Problem der natürlichen Belichtung diskutiert wird, nicht mehr als eines der natürlichen Belüftung Pilzdecken System Maillart bzw. Turner 1 Robert Maillart: Lagerhaus Gießhübelstraße, Zürich 1910. Gebäudetiefe 19,50 m. Wird derzeit zu Woh- nungen umgebaut. 2 Claude Allen Porter Turner: Lindeke Warner Building, St. Paul, Minnessota 1909-11. Gebäudedimensionen 87 x 54 m 3 Claude Allen Porter Turner: John Deere Plow Building, Omaha 1908-10 4 Robert Maillart: Eidgenössisches Getreidemagazin, Altdorf 1912 21 4 3 oder der Möglichkeit des Ausblick von innen nach draußen: Das Larkin Building ist eine hermetisch versiegelte Box45 mit mechanischer Lüftung; die Fensterbänder liegen so hoch, dass kein Ausblick möglich ist. Damit sind von drei Hauptgründen für den schmalen Grundriss zwei Gründe entfallen. Der Einfl uß des Larkin Building auf die europäische Moderne zeigt sich in Mies van der Rohes Entwurf für ein Bürohaus aus Eisenbeton, Berlin 1922. Auch bei Mies sind die Brüstungen so hochgezogen, dass das Fensterband zwar der Belichtung dient, aber den unmittelbaren Ausblick verwehrt – ein Schnittprinzip, dass sich auch in den Kaufhäusern von Mendelsohn fi ndet. Das Bürohaus aus Eisenbeton ist im Übrigen eines der wenigen Beispiele aus der Zwischenkriegszeit, in der die Produktion von Bürofl ächen in Europa stark zurückgeht.46 Selbst in den USA bleiben für Bürobauten die geringen Gebäudetiefen bis in die 1930er Jahre hinein maßgeblich. Bekannt ist das Beispiel des Rockefeller Centers, New York (1932), wo die Tiefe der Bürofl ächen 27 Fuß zwischen Fassade und Kern beträgt. Hier folgt der Baukörper mit seiner charakteristischen Staffelung unmittelbar der Form des Kerns, in dem die Anzahl der Aufzüge nach oben hin abnimmt. Das exponierte Raster Mit dem Stahlbetonskelett ergeben sich neue Möglichkeiten, den Raumabschluß, d.h. das Problem der Fassade zu formulieren. Im Rückblick auf die Baukonstruktionen in Chicago und New York kann man dort im wesentlichen zwei Varianten der Fassadenausbildung beobachten: Die tragende Außenwand aus Mauerwerk und die Fassade als Verkleidung des tragenden Skeletts. Der Stahlbeton bringt für die Artikulation der Fassade weitere Optionen, da er (zumindest in der Baukonstruktion der damaligen Zeit) der Verkleidung nicht bedarf. Bei den Stahlbeton-Geschossfabriken entspricht das in Horizontale und Vertikale ausgeglichene Raster der Fassade dem konstruktiven Bestand. Was Banham als kanonisches Bild des Betonrahmenbaus47 bezeichnet, beeinfl ußt später Architekten wie Le Corbusier48 und Terragni. Ausgehend von der Ford-Fabrik in Highland Park von Albert Kahn gelangt dieser Betonrahmenbau mit dem Turiner Lingotto nach Europa. In der Fassade des Lingotto fällt übrigens auf, dass sich dort wieder die stärkere Vertikale ausbildet: gewissermaßen ein stilistischer Rückfall, der -im europäischen Kontext der Zeit gesehen- durch eine Perret verwandte Haltung motiviert sein kann, die Stahlbetonkonstruktion gestalterisch zu veredeln und zu überhöhen (wofür ja auch die Rampen des Lingotto sehr eindrucksvolle Beispiele sind). Während die Stockwerksfabriken relativ schmale Baukörper mit einheitlichem Tragwerksraster sind, die auf der Geschossebene keine sekundären Wände aufweisen, stellt sich den modernen Architekten die Frage nach der Anwendbarkeit des Stahlbetonrasters für ausdifferenzierte öffentliche oder kulturelle Raumprogramme. Giuseppe Terragnis Casa del Fascio in Como (1932- 36) kann man wohl ebenso als eine Auseinandersetzung mit dem Stützen-Balken-Raster des Lingotto wie mit Le Corbusiers Vier Kompositionen von 192949 auffassen.Terragni kommt in der Weiterentwicklung von Le Corbusiers viertem Typus jedoch zu ganz anderen Konsequenzen als dieser: Während für Le Corbusier die Geschossdecke das primäre Element ist, das im Skelettbau auf jeder Ebene ein anderes Layout von sekundären Elementen ermöglicht, betont Terragni den Kontrast zwischen Rahmen und Füllung. Mit einem größeren Raumprogramm muss er das Schema der Villa Savoie auf mehr als zwei Geschossen durchdenken, ohne die natürliche Belichtung zu vernachlässigen. Die Casa del Fascio zeigt die logische Entwicklung eines dreidimensionalen Rasters in Richtung eines tiefen Grundrisses. Sie steht für die beim Skelettbau naheliegende und immer wiederkehrende Konzeption des Tragwerks als eines Gerüsts, das ausgefüllt werden kann, das aber auch leer bleiben kann. Diese Auffassung ist bei Terragni –wie die ‚Freiheit‘ der freien Grundrisse für Le Corbusier- allerdings nur eine konzeptuelle Option im Entwurf. Sie hat nichts mit späteren Konzepten zu tun, die Flexibilität im Sinne der physischen Wandelbarkeit von Raumgrenzen oder –einheiten wörtlich nehmen. 1 Louis Sullivan: Carson, Pirie Scott, Chicago 1898-1906 2 Albert Kahn: Ford Highland Park Plant, Detroit 1909 3 Giacomo Mattè Trucco: Lingotto, Turin 1923 4 Giuseppe Terragni: Casa del Fascio, Como 1932-36 1 2 3 45 Um 1930 Außenbau und Innenbau Eine wichtige Eigenschaft der Stahlbetonbauweisen wird allerdings wird in den Stockwerksfabriken und Lagerhäusern noch nicht genutzt. Sie besteht in der Option, die Geschossdecken mit ihrem Rand über die Stützen hinweg auskragen zu lassen. Wahrscheinlich ist Le Corbusier mit der Maison Dom-Ino (1914) der erste, der diese Neuerung ins Bewußtsein rückt. Die auskragende Geschossdecke führt zu zwei neuen Varianten der Fassadenausbildung: der Bandfassade und der Vorhangfassade. Die Bandfassade, wie sie von Mendelsohn oder den Architekten des Starrett-Lehigh Building gehandhabt wird, drückt die Befreiung der Fassade von der Tragfunktion im Wechsel verglaster und geschlossener horizontaler Bänder aus, die über die Gebäudehöhe hinweg alternieren. Die durchlaufenden horizontalen Bänder lassen die Stapelung der Geschosse besonders gut lesbar werden. Bei den Kaufhäusern von Mendelsohn wird erkennbar, wie die Bandfassaden in ihrer Dynamik einen wirkungsvollen Kontrast zu der historischen Nachbarbebauung ergeben. Hilberseimer unterstreicht die Bedeutung der Bandfassade für die Modernität neuer Großstadtarchitektur: Außenbau und Innenraum bedingen sich gegenseitig. Die Gliederung des Innenraums bestimmt die Gestaltung des Außenbaues, wie umgekehrt der Innenraum von den Grundzügen der äußeren Gestaltung abhängig ist. Außenbau und Innenraum begrenzen einander in den Außenfl ächen des Baukörpers. Diese als Konzentration beider Raumverhältnisse bilden die eigentliche architektonische Form. Die allseitige Übereinstimmung von Innen-und Außenbau schafft die zur Vollendung erforderliche Proportionalität. Bei einräumigen Gebäuden ist diese Übereinstimmung leicht zu erzielen. Komplizierter werden die Verhältnisse mit der steigenden Zahl der Räume und Geschosse. Von selbst wird sich durch das Übereinanderschichten der Geschosse eine horizontale Gliederung des Baukörpers ergeben, während die einseitige Betonung der Vertikalen bei einem horizontal geschichteten Gebäude sinnwidrig ist.50 Die Vorhangfassade bedeutet einen weiteren Schritt in Richtung wörtlicher Transparenz. Hier wird das ganze Tragskelett enthüllt; eine Betonung der Horizontalen ergibt sich möglicherweise dadurch, dass die Fassade am vortretenden Deckenrand befestigt ist. Letzlich wird jedoch das Gebäudevolumen vereinheitlicht. Ein ästhetisches Interesse ergibt sich durch das Changieren in der Lesart des Volumens zwischen Tag und Nacht, weil das Gebäude mit einer Vorhangfassade einen Gutteil seiner Wirkung in der Dämmerung entfaltet, wenn das umhüllende Glas nicht mehr spiegelt, sondern das innere Gefüge aus Stützen und Decken ebenso enthüllt, wie die Belegung der Geschossfl ächen. Die amerikanischen Beispiele zeigen, wie diese Errungenschaften der europäischen Moderne in den USA selektiv wahrgenommen werden, wobei die älteren Bauweisen und Gestaltungen gleichzeitig weiterleben. Modernism ist nur eine von mehreren stilistischen Optionen in einer Zeit, die noch weitgehend durch Art Deco dominiert ist. So zeigen die Fassaden des Merchandise Mart (1929-31) ebenso wie des Downtown Athletic Club (1927-31) –beides mit Naturstein bzw. Backstein verkleidete Stahlbauten- noch genau die vertikale Gliederung, die Hilberseimer kritisiert. In einem späteren Abschnitt dieser Arbeit wird jedoch gezeigt werden, wie gerade das Schisma, das in der amerikanischen Architektur zwischen innerer Organisation und Fassadengestalt klafft, eigenes Potential bereithält. 4 Das Warenhaus als Organisationsproblem An den Warenhäusern der Jahrhundertwende in Chicago und New York war gezeigt worden, wie die beiden Entwicklungslinien, der Atrium- oder Lichthof-Typ und der tiefe Grundriss, nebeneinander her bestehen. Der Atrium-Typ gehört zur eklektischen Beaux-Arts-Architektur, in der Prachtentfaltung und Repräsentation eine große Rolle spielen. Der tiefe Grundriss hingegen entspricht einer stärker utilitären Konzeption, die sich auch nach außen in einer Ablesbarkeit der Skelettkonstruktion manifestiert. Die europäischen Warenhäuser der Jahrhundertwende sind generell noch durch schmale Gebäudegrundrisse zwischen Lichthöfen gekennzeichnet. Erst im Zuge der sich durchsetzenden Moderne der 1920er Jahre wird der Lichthof auch in Europa zunehmend als Erschließungshindernis und deshalb als obsolet angesehen. Ein Beispiel hierfür ist das Warenhaus Tietz von J.E. Schaudt in der Chausseestraße, Berlin 1929, das als eines der ersten europäischen Beispiele auf den bis dahin üblichen Lichthof verzichtet. Der ‚Glaspalast‘ von Frits Peuts in Heerlen (1934) ist ein gläsernes Prisma, das Kompaktheit mit Transparenz vereint. Für den Verzicht auf den Hof ist nicht so sehr der städtebaulich gegebene Verwertungsdruck maßgeblich, als das neue funktionalistische Leitbild einer Optimierung der internen Verkehrsströme. Die neu gewonnene Transparenz der Fassaden kann den Zugewinn an Raumtiefe begünstigen. Bezüglich des tiefen Grundrisses im modernen Kaufhaus ist es aufschlußreich, Louis Parnes‘ Plädoyer gegen Lichthöfe, für große zusammenhängende Geschossfl ächen im Kaufhausbau zu verfolgen. Parnes‘ 1935 aus einer Dissertation bei Rudolf Otto Salvisberg in Zürich hervorgegangenes Buch Bauten des Einzelhandels und ihre Verkehrs- und Organisationsprobleme ist ein Beispiel für die Verwissenschaftlichung des Entwerfens in der „klassischen“ Moderne. Die Grundrissbildung soll nicht mehr auf Erfahrungswerten, sondern auf analytisch gewonnenen, konkreten funktionellen und dimensionalen Vorgaben basieren. Über den Wert der Lichthöfe ist man heute noch geteilter Ansicht. Der Lichthof hat sich aus dem ursprünglichen einfachen Innenhof, der alle Geschosse eines Gebäudes mit genügend Licht und Luft versorgen musste, entwickelt. Durch die spätere Überdachung dieses Binnenhofes mit einer Glasdecke konnte die ganze Erdgeschosshoffl äche für Verkaufszwecke herangezogen werden, und durch den Wegfall der den Hof umgrenzenden massiven Mauern erreichte man eine bessere Übersicht und klarere Orientierung innerhalb aller und zwischen allen Obergeschossen. Der offene Lichthof bot den gewöhnlichen, geschlossenen Innenhöfen gegenüber tatsächlich bedeutende warenhaustechnische Vorteile. [...]51 Dann heißt es aber: Den mit der stets zunehmenden Bedeutung und dem unaufhaltsam anwachsenden Verkehr an das Warenhaus neu gestellten Anforderungen konnte der übliche Lichthof mit der Zeit nicht mehr genügen. Die mangelhafte Lichtzufuhr erforderte in den meisten Fällen stets noch zusätzliche künstliche Beleuchtung. Die Unterbrechung der zusammenhängenden Geschossfl ächen durch den Lichthof bedeutete immer noch eine andauernde Störung im Verkehrsbetrieb. [...] Durch die Einführung mehrerer Lichthöfe in einem und demselben Warenhause beabsichtigte man eine gesteigerte Lichtzufuhr. Parnes beschreibt die Entwicklung von Seitenlichthöfen, die aber auch Probleme haben. Erst durch die gänzliche Loslösung des Lichthofes von der Haupttreppe...konnte ein großer Fortschritt erzielt werden. [...] das Warenhaus (wurde) zum erstenmal als Verkehrsproblem erfaßt. Repräsentativ für diese Entwicklungsstufe sei das Warenhaus Tietz in Köln 1912-14, dessen Schema zwei Jahrzehnte lang nachgeahmt worden sei. Jedoch: Den vom Warenhausbetrieb gestellten, neuesten und dringendsten Anforderungen in bezug auf Lichtzufuhr, Verkehr und Orientierung, Arbeitsablauf und Wirtschaftlichkeit kann selbst der Lichthof nach dem bewährten Kölner Tietztyp nicht mehr genügen. Nur die eine, heute unbedeutende Louis Parnes: Das Warenhaus als Verkehrs- und Orga- nisationsproblem, 1935. 1,2 Anordnung von Stützen bei ausgekragter Fassade 1: Falsche Anordnung (zu geringe Auskragung) 2: Richtige Anordnung (größere Auskragung) 3,4 Einfl uß der Möblierung auf den wirtschaftlichen Erfolg des Warenhauses 3: Die unwirksame Abteilung (zu enge Stützabstände, zu hohe Regale) 4: Die wirksame Abteilung (doppelter Umsatz pro qm!) 5,6 Vorteile des lichthofl osen Warenhauses: 5: Grundriß mit Lichthöfen 6: Ohne Lichthof. Die Nutzfl ächen der beiden Grundrisse sind gleich groß. 21 3 47 Um 1930 Forderung nach Repräsentation wird erfüllt, und diese ist sehr teuer erkauft, wenn man bedenkt, dass die Lichthöfe oft 30 bis 50% der Gesamtfl äche beanspruchen. Lichthöfe in kleineren Warenhäusern wirken nach Parnes lediglich als schlotartige Schächte. Hinzu kommt, dass ein traditioneller Lichthof vom Besucher der Obergeschosse als kompakte(r) Kasten inmitten des freien Raumes empfunden wird. Parnes folgert: Der Lichthof, sofern auf seine Anlage überhaupt noch Wert gelegt wird, kann nur in Warenhäusern mit großer horizontaler Grundfl äche bei kleiner Geschosszahl einen praktischen Zweck erfüllen. Er merkt auch an: Die meisten amerikanischen Warenhäuser besitzen überhaupt keine Lichthöfe. Dies ist einerseits durch die starke Höhenentwicklung der Gebäude bedingt, anderseits durch die bessere wirtschaftliche Ausnutzung der Flächen [...] Die inneren Verkaufsfl ächen erhalten künstliche Beleuchtung, womit gleichzeitig Zwielicht ausgeschaltet und eine gleichmäßige konstante Erhellung gewährleistet ist. Aber auch in Europa setzt sich immer mehr und mehr die richtige Auffassung vom Warenhaus als reinem kommerziellem Zweckbau durch. Im Folgenden verweist Louis Parnes auch auf seinerzeit (1935) neue Bestimmungen bezüglich des Brandschutzes, die die Anlage von Lichthöfen erschweren würden. Abschließend erläutert er an einem Vergleich zweier Grundrisse, eines mit und eines ohne Lichthöfen, die Vorteile des lichthofl osen Warenhauses: 1. Durch den Gewinn an zusammenhängender Fläche kann die Tiefe des Grundrisses geringer sein und dadurch eine bessere Beleuchtung erzielt werden als durch die schlotartigen Lichthöfe. 2. Kontinuierliche, geradlinige Verkehrswege (I-II, III-IV). 3. Freie Übersicht über ein ganzes Geschoss 4. Wirtschaftliche Anordnung der Verkaufsstände. 5. Reduktion des Baukubus um 30-50%, damit Verbilligung der Baukosten. 6. Sicherer Feuerschutz 7. Bessere Ausnutzung der Dachfl ächen für Grünanlagen, Sportplätze, Flüghäfen, Dachrestaurant etc. 8. Beliebige Aufstockungsmöglichkeit (beim Warenhaus mit Lichthof nicht möglich, weil auf seine Proportionen Rücksicht genommen werden muss: ein zu hoher Lichthof wirkt schachtartig). Das Buch von Louis Parnes ist auch dadurch interessant, dass dort die verschiedenen Kennwerte der angeführten Gebäudebeispiele tabellarisch aufgelistet sind. Es gibt eine Tabelle zu Anzahl und Größe von Lichthöfen im Vergleich zur Erdgeschossfl äche; außerdem eine Tabelle zu Tragwerksrastern. In einem 1948 entstandenen Entwurf für ein Warenhaus setzt Louis Parnes die Erkenntnisse aus seiner theoretischen Arbeit in die Entwurfspraxis um.52 Referenzen 4 65 Starrett & van Vleck: Saks Fifth Avenue, New York 1922-24 1 Ansicht von Nordwesten 2 Grundriss EG 3 Herrenabteilung. Foto aus der Erbauungszeit Saks Fifth Avenue, New York 1922-24 Saks Umzug von Herald Square nach Fifth Avenue zwischen 49. und 50. Straße markiert das Ende des Trends, innerhalb dessen sich seit 1900 die großen Warenhäuser vom Süden Manhattans nach Midtown verlagern. Die Architekten Starrett & van Vleck sind seit dem Neubau für Lord & Taylor (New York, 1912-13) auf Warenhäuser spezialisiert. Der Bau für Saks Fifth Avenue hat die für die Manhattan typische Breite von 60 Metern entlang Fifth Avenue. Durch die gleichgroße Länge ergibt sich ein kompaktes Volumen über quadratischem Grundriss. Das Stützenraster hat die typischen neun Achsen entlang der Avenue. Das Fassadenraster ist jedoch enger gestellt: Fünf Achsen an der Fassade entsprechen drei im Inneren. Dieses engere Raster führt zur Betonung der Vertikalen und läßt die innere Struktur außen weniger ablesbar werden. Es wird für die amerikanischen Stahlbauten der 1920er und 30er Jahre, aber auch späterer Jahrzehnte maßgeblich (vgl. Merchandise Mart, Chicago; Rockefeller Center, New York; bis hin zum World Trade Center). Das enge Raster ermöglicht auch die Ecklösung mit einer 45°-Abkantung, an der der Rhythmus der Vertikalen umläuft (vgl. wieder Merchandise Mart, Chicago). Im Inneren fällt der Verzicht auf Rolltreppen auf; das Warenhaus ist hier eindeutig als Hochhaus entwickelt. Die ganze Rückwand wird durch Aufzüge eingenommen, wobei die Personenaufzüge, in Form einer fl achen Apsis gereiht, auf den Eingang zur Avenue hin ausgerichtet sind. Saks Fifth Avenue wird berühmt für seine besonders aufregend eingerichteten Schaufenster; in den ersten Jahren werden diese von Künstlern wie Frederick Kiesler (1927) und Archipenko (1929) gestaltet. Literatur: Robert A. M. Stern u.a.: New York 1930, Rizzoli, New York 1987, S. 311 Vergleichende Referenz: Downtown Athletic Club, New York 1929-30 Der Downtown Athletic Club ist historisch so einfl ussreich geworden, dass im Zusammenhang der Arbeit nicht auf ihn verzichtet werden kann, obwohl er etwas schmaler als 25 Meter und somit kein tiefes Gebäude ist. Seine Bekanntheit verdankt sich einem Abschnitt in Delirious New York von Rem Koolhaas, in dem das Gebäude als Verkörperung (sogar: Apotheose) der culture of congestion gepriesen wird.53 Im Vergleich zu dem konventionellen Bau derselben Architekten für Saks Fifth Avenue wirkt der Downtown Athletic Club eindeutig moderner; anscheinend verdankt sich dies der Partnerschaft von Starrett & Van Vleck mit dem Architekten Duncan Hunter bei diesem Projekt. Der Downtown Athletic Club steht für das Konzept eines funktionalen Hybrids auf einer städtischen Parzelle. Koolhaas zeigt, wie hier mittels des Aufzugs vollkommen unterschiedliche Programme in einer artifi ziellen Sequenz übereinandermontiert werden. Das Gebäude wird damit zu einem programmatischen Ausschnitt der Stadt: In the Downtown Athletic Club each “plan” is an abstract composition of activities that desribes, on each of the synthetic platforms, a different “performance” that is only a fragment of the larger spectacle of the Metropolis. Der 38 Stockwerke bzw. circa 160 Meter hohe Turm steht auf einem knapp 24 x 55 Meter messenden Grundstück im Süden Manhattans zwischen West und Washington Street. An seiner Nordseite grenzt er an einen weiteren, etwas niedrigeren Turm derselben Architekten. Ausgehend von einer Grundfl äche von knapp 45 x 22,50 Metern staffelt sich der Turm in fünf Stufen zurück. Infolge dieser baurechtlich vorgegebenen Zurückstaffelung der Baumasse müssen die raumgreifenden Sportaktivitäten auf den unteren Ebenen angesiedelt sein. Auf den 1 2 3 49 Um 1930 Starrett & van Vleck mit Duncan Hunter: Downtown Athletic Club, New York 1929-30 1 Längsschnitt (West-Ost) 2 Ansicht von Osten 3 Golfclub im 6. OG 1 8. OG 16. OG 9. OG 2 3 relativ bescheidenen Geschossfl ächen von 35 x 22,50 Metern befi nden sich auf den unteren zwölf Geschossen die Sporteinrichtungen –von einem Golfplatz auf Ebene 7 über Boxräume mit Austernbar auf Ebene 9 bis hin zum Pool auf Ebene 12. Auf den darüberliegenden Ebenen gibt es Speisesäle, Küchen, Lounges. Die obersten 16 Ebenen sind Wohngeschosse für Clubmitglieder, 137 Einzimmer-Apartments für metropolitan bachelors. Das Stahlskelett ist außenseitig mit weitgehend geschlossenen Ziegelfassaden verkleidet. Im Inneren ergibt sich eine Teilung der Geschossfl ächen in eine Erschließungs- und Servicezone entlang der Brandwand zum Nachbarhochhaus und eine stützenfreie Nutzfl äche von 33,40 x 14,50 Metern. An der Grenze der beiden Zonen stehen die einzigen über die Gebäudehöhe durchlaufenden Innenstützen. Durch die Rückstaffelung des Baukörpers einerseits und die Vorgabe stützenfreier Geschosse andererseits ergibt sich die Notwendigkeit, die vertikalen Lasten jeweils darüberliegender Gebäudeteile in geschosshohen Trägern abzufangen und auf die Außenwände umzulenken. Mit der klaren grundrisslichen Zonierung erscheint der Downtown Athletic Club als Vorläufer von Gebäuden wie dem Pepsi Cola Headquarter von SOM (New York 1958-59, siehe S. 73 Abb. 5). Allerdings handelt es sich hierbei um ein monofunktionales, prismatisches Gebäude. Die Vielfalt der Funktionsmischung innerhalb einer straffen Hülle wird erst in den 1990er Jahren wiederentdeckt, und damit auch die effi ziente, undogmatische Konstruktion, bei der die Abfangung und Umlenkung von Lasten ohne jede Zurschaustellung bewältigt wird. Der 1926 gegründete Downtown Athletic Club hat in den 1960er Jahren bis zu 4.500 Mitglieder, deren Zahl jedoch bis 2001 auf 900 Mitglieder sinkt. Um den Bankrott abzuwenden, verkauft der Club 1999 das Gebäude an einen Fonds, der die unteren Etagen wiederum an den Club verpachtet, während die Wohngeschosse weiterverkauft werden. 2000 wird der Bau als landmark in die Denkmalsliste eingetragen. Durch die Ereignisse des September 2001 beschädigt, wird das Gebäude in der Folge nicht mehr benutzt. 2003 entscheidet sich der Downtown Athletic Club zum Auszug. 2005 wird das Innere vollständig umgebaut und in 289 Eigentumswohnungen aufgeteilt; lediglich ein Fitness-Studio erinnert an die frühere Nutzung des Gebäudes. Literatur: Rem Koolhaas: Defi nitive Instability: The Downtown Athletic Club; in: Delirious New York, 010 Publishers, Rotterdam 1994, S. 152-159 Robert A.M. Stern u.a.: New York 1930, Rizzoli, New York 1987, S. 194-196; Bibliographie in Anm. 32, S. 778 Merchandise Mart, Chicago 1928-31 Merchandise Mart in Chicago, 1929-31, ein 18-geschossiges Großhandelsgebäude (200 x 104 x 80 m), ist zu seiner Entstehungszeit das größte Gebäude der Welt, wird in dieser Eigenschaft allerdings kurz darauf vom Pentagon in Washington überrundet. Der Bau entsteht über Gleisanlagen der North Western Railway entlang des Chicago River. Die Initiative zu seiner Errichtung geht von der Großhandelsabteilung des Warenhauses Marshall Field‘s aus (damals noch Nutzer des berühmten Gebäudes von H.H. Richardson). Der Merchandise Mart soll als landesweites Verkaufszentrum für Möbel und Haushaltsgeräte fungieren: A department store for stores... a town in one building54. Räumliche Konzentration soll die Arbeit der Einkäufer erleichtern, die das ganze Angebot unter einem Dach vorfi nden, anstatt viele über die Stadt verstreute Großhandelseinrichtungen aufsuchen zu müssen. Gleichzeitig realisiert die Eisenbahngesellschaft auf der untersten Ebene ihr Frachtzentrum. Die organisatorischen Vorteile dieser komplexen Lösung werden aber durch die Folgen der wirtschaftlichen Depression wie den Niedergang des schienengebundenen Güterverkehrs nie wirksam. Schon Mitte der 1930er Jahre wird der Merchandise Mart für ein Drittel seiner Baukosten an Joseph P. Kennedy verkauft. Der Bauprozess stellt sich, Berichten zufolge, als Kette von Superlativen dar: Das Bauunternehmen setzt ein System von Förderbändern zum Transport des Betons ein, wie es normalerweise nur beim Bau von Dämmen verwendet wird. Die Schienen werden sofort gelegt, nachdem die Caissons der Fundamente abgesenkt wurden, damit die Baumaterialien mittels Bahn transportiert werden können. Über Monate hinweg treffen 20 Waggons täglich mit Materialladungen auf der Baustelle ein. Insgesamt werden 5.700 Bauarbeiter beschäftigt, 2.500 davon gleichzeitig. Nach Deborah Fulton Rau vereint der Merchandise Mart typologisch Kennzeichen von Lagerhaus, Warenhaus und Bürogebäude. Die Stahlkonstruktion ist hinter einer Art Deco-Fassade verborgen. Zwei kleine periphere Lichthöfe genügen für die natürliche Belichtung, denn: scientifi c artifi cial ventilation is provided for all interior spaces. Die Gebäudetiefe empfi ehlt sich nach Ansicht der Initiatoren für die Handelsfl ächen, da künstliche Beleuchtung ohnehin für viele Produktlinien vorteilhaft sei. Die lineare Anlage der vertikalen Erschließungselemente, Personen- und Lastenaufzüge, erklärt sich aus der Anlage der Gleise im Untergeschoss. Im Erdgeschoss verläuft eine Passage längs der Vertikalerschließungen; an der Kreuzung dieser mit der Eingangshalle liegen schwerpunktmäßig die Personenaufzüge. Die Lastenaufzüge öffnen sich zum rückwärtigen Bereich mit seinem begehbaren Lager. Die Rückseite des Baukörpers wird im Erdgeschoss über die ganze Länge von der Anlieferung eingenommen.1977 wird der Komplex durch das Apparel Center nach einem Entwurf von SOM zu einer Gesamtfl äche von 600.000 Quadratmetern erweitert. Heute fi nden auf den Ebenen des Merchandise Mart auch Kunstmessen statt, z.B. die Chicago Art Fair. Literatur: Ernest R. Graham (Vorw.): The Architectural Work of Graham, Anderson, Probst and White; London, 1933 Carl Condit: Chicago 1930-1970. University of Chicago Press, 1973, S. 132-135 Deborah Fulton Rau: The Merchandise Mart; in: John Zukowski (Hg.): Chicago Architektur 1922- 1970. Prestel, München 1987, S. 99-113 Graham, Anderson, Probst & White: Merchandise Mart, Chicago 1931. Stützraster 6,40 x 6,40m. 1 Ansicht vom Chicago River 2 Korridor im Inneren 3 Unterirdische Gleisanlagen 4 Guide Service des Merchandise Mart, ca. 1948 5 Typischer Grundriss Obergeschoß 6 Grundriss Erdgeschoß 1 2 51 Um 1930 5 6 3 4 Starrett-LeHigh Building, New York 1930-31 Das Starrett-LeHigh Building nimmt einen ganzen Block an der westlichen Uferkante Manhattans, zwischen 11. und 12. Avenue und zwischen 26. und 27. Straße ein. Das als Lagerhaus und Mietfabrik konzipierte Gebäude entsteht in einem Joint Venture der Starrett Investing Company mit einer Eisenbahngesellschaft (LeHigh Valley Railroad). 1930 erwirbt der Investor für 99 Jahre die Luftrechte über der Endstation der LeHigh Valley Railroad. Eine Tochterfi rma, Starrett Brothers & Eken, errichtet das Gebäude von 180.000 Quadratmetern Bruttogeschossfl äche, etwa so groß wie das Empire State Building. Als Hauptmotiv für seine Errichtung nennt der Investor William A. Starrett die Reduzierung der für New York typischen congestion: When water and rail and automotive transportation can be joined up in a great terminal, where under the same roof, executives, sales, storage, assembly and distribution all can be carried on in a single terminal unit we will have defeated the major affl iction of modern metropolitan life—traffi c congestion.55 Durch die Lage am Hudson River bedingt, können die Bahngleise direkt von den Piers aus ins Erdgeschoss des Gebäudes führen. Die Aufzüge im Inneren sind so groß dimensioniert, dass ganze Lastwagen auf die verschiedenen Geschossebenen transportiert werden können, um dort zu entladen. So wird jedes Geschoss zum Erdgeschoss56. Der Gütertransport über Bahn und Schiff wird aber langfristig durch LKW-Transport ersetzt, zumal in den 1930er Jahren Tunnel und Brücken fertiggestellt werden, die Manhattan mit den westlichen Bezirken verbinden: Schon 1944 (nach anderen Quellen 1966) werden die Bahngleise abmontiert. Die unteren neun Geschosse umfassen jeweils 15.000 Quadratmeter mit 4 Metern lichter Raumhöhe. Darüber nimmt die Geschossfl äche ab; die vorgelagerten Terrassen bieten hier attraktive Ausblicke über Stadt und Fluß. Zur Erbauungszeit verfügt das Gebäude über drei große Lastenaufzüge und vier Personenaufzüge. Die Konstruktion besteht aus Stahlbeton-Pilzdecken auf Rundstützen. Die Geschossdecken kragen in den oberen Geschossen an den Rändern über die Stützen aus. In den unteren Geschossen –das Erdgeschoss hat ursprünglich doppelte Höhe- gibt es auch tragende Stützen in den Fassaden. Hier folgt die Stützenstellung den Gleisanlagen. Der Kern, mittig an der Fassade zur 26. Straße gelegen, zeichnet sich nach außen hin als vertikal gegliederter Abschnitt in der horizontalen Bänderung des Gesamtvolumens ab –ein Aspekt der Außengestalt, der bereits nach der Fertigstellung des Gebäudes von Lewis Mumford kritisiert wird57. Das Starrett-LeHigh Building gilt zur Zeit seiner Erbauung nicht nur aufgrund seines Nutzungs- und Erschließungskonzepts als bemerkenswert, sondern auch durch seine Architektur; so ist es Teil der Ausstellung über den International Style des Museum of Modern Art 1932. Passender als mit dem Label International Style wäre das Starrett-LeHigh Building allerdings als Mixtur aus Art Deco und Streamline-Design bezeichnet. -Zu den Mietern der Erbauungszeit gehören Unternehmen wie Standard Pressed Steel, Il Duce Wine Company und Wheeling Tire Company. Auch Buckminster Fuller arbeitet in dem Gebäude in seiner Dymaxion-Phase, wo er sich mit industriell herzustellenden Küchen-und Bad-Einheiten beschäftigt. Nachdem das Gebäude in den späten 1990er Jahren zu 40 Prozent leer steht, plant der neue Eigentümer zunächst, großfl ächigen Einzelhandel hier anzusiedeln, entscheidet sich aber dann, das Gebäude zu einem Standort für „Kreative“ und Dienstleistungsunternehmen zu entwickeln. Dazu werden fünf zusätzliche Personenaufzüge eingebaut und die Klimaanlage bei kräftig erhöhter Kapazität rundum erneuert. Auf den großfl ächigen Geschossen haben sich zum Teil Modeunternehmen mit ihren Verwaltungen und Showrooms angesiedelt; außerdem fungiert das Gebäude als Fernsehstudio für eine Show von Martha Stewart. Die gestiegenen Mieten haben einen Verdrängungsprozess eingeleitet, der zur Abwanderung der produzierenden Gewerbebetriebe führt. Cory & Cory, Ing.: Purdy & Henderson: Starret-Lehigh Building, New York 1930-31 1 Ansicht vom Hudson River 2 Innenraum Erdgeschoss 3 Innenraum Obergeschoss 4 Grundriss Obergeschoß nach Umbau 5 Grundriss Erdgeschoss mit Gleisanlagen, vor Umbau 1 2 53 Um 1930 Literatur: The Architectural Record, 1932 Nr. 1, S. 30-35 Robert A.M. Stern u.a.: New York 1930, Rizzoli, New York 1987, S. 520-522 Kurt Ackermann: Geschossbauten für Industrie und Gewerbe. DVA, Stuttgart 1993, S. 79 New York Times: Streetscapes: Starrett-Lehigh Building; Time of Change for a Modern Industrial Landmark, May 31, 1998 3 4 5 Warenhaus Tietz, Chausseestraße, Berlin 1929 Das 1929 als Ersatz für einen abgebrannten Vorgängerbau errichtete Kaufhaus ist eines der ersten deutschen Beispiele ohne Lichthof; stattdessen gibt es eine zweigeschossige Halle an der Rückseite mit Seitenlicht und Treppe ins 1. Obergeschoss. Die Primärkonstruktion des sechsgeschossigen Gebäudes ist ein Stahlskelett, schon wegen der Möglichkeit einer raschen Montage. Der Grundriss des 1. Obergeschosses zeigt ein Rechteck, in das rückwärtig das gestreckte Achteck der Seitenlichthalle eingeschoben ist. Bezüglich der dienenden Räume ist keine klare Strategie zu erkennen: Teilweise sind sie in den Hauptbaukörper am Rand eingeräumt, teilweise nach außen verlagert. Auffällig ist das Fehlen einer Rolltreppenanlage. An ihrer Stelle werden vier Aufzüge angeboten. Die paarweise Gruppierung macht eine Paternoster- Anlage wahrscheinlich. Die Straßenfront gibt sich, auch durch die horizontale Profi lierung, den Anschein einer Bandfassade; dabei gibt es in der Fassadenebene schlanke Stützen in einem engen Raster, die als Blindfelder im Fensterband auftauchen. Sie werden über dem Erdgeschoss von einem Träger abgefangen; hier wird auch die Umrahmung des seitlichen Treppenhauses, um die Ecke geführt, zu einem breiten Sturz über der Schaufensterzone. Das Rastermaß der Fassade beträgt in den Obergeschossen zwei Fünftel des inneren Stützrasters; dadurch ergibt sich im Erdgeschoss kein plausibler geometrischer Bezug zwischen den Rand-und Innenstützen.- Die Absicht, den Grundriss des Warenhauses zu rationalisieren, ist klar erkennbar. Stilistisch verharrt der Bau auf der Schwelle zwischen Art Déco und Moderne.- Das im 2. Weltkrieg zerstörte Gebäude wird in der Folgezeit abgerissen. Literatur: Louis Parnes: Bauten des Einzelhandels und ihre Verkehrs- und Organisationsprobleme. Orell Füssli Verlag, Zürich - Leipzig 1935, S.166, 196, Abb. 172, 240-242; Osborn, Max (Einl.): Johann Emil Schaudt (aus der Reihe Neue Werkkunst), Gebr. Mann Verlag, Berlin 1930. Text S.XIX-XX, Abb. ohne Seitenangabe Kaufhaus Michel, Wuppertal 1930 Der an drei Seiten von Straßen gesäumte Bau steht fast frei und ist nur rückwärtig an eine Brandwand angebaut; hier liegt auch der zweigeschossige Lichthof. In seiner Lage dem von Warenhaus Tietz an der Chausseestraße vergleichbar, ist er durch den Lichteinfall von oben statt von der Seite her unterschieden. Sämtliche Vertikalerschließungen liegen zu beiden Seiten des Lichthofs. Auch in diesem Kaufhaus gibt es keine Rolltreppen. Damit steht in fünf Geschossen eine vierseitig belichtete Verkaufsfl äche von durchschnittlich 25 Metern Tiefe und 42 Metern Breite zur Verfügung. In der Außengestalt wirkt der verhältnismäßig kleine Bau dynamisch durch die vorstehenden Fensterbänder, die sich um die abgerundeten Ecken herumziehen. Der durch den Grundrisszuschnitt bedingte verzogene Verlauf der Vorderfront trägt dazu bei. Durch einen leichten konvexen Knick in der Mitte der Längsfassade ergibt sich eine Mittenbetonung, die durch die stützenden Leuchtkörper unterhalb der Dachplatte verstärkt ist. Im Gegensatz zu den beiden anderen Referenzen auf dieser Doppelseite staffelt sich der Baukörper am Dach nicht zurück; zwar ist die Fassade zurückgesetzt, doch die Dachplatte wiederholt die Kontur der unteren Geschosse. Die Anlage einer Arkade entlang der rechten Flanke stimmt mit der Dynamik des Baukörpers nicht ganz zusammen. In der Fassade ergibt sich durch den Wechsel der verglasten Abschnitte mit ihren schmalen Profi len und gebogenen Scheiben ein wirkungsvoller Kontrast zu den natursteinverkleideten Brüstungsbändern, der durch den Schattenwurf der Glasbänder verstärkt ist. In den 1960er Jahren wird das Kaufhaus mit einer vollkommen geschlossenen Aluminiumfassade in den Obergeschossen verkleidet, die erst im Zuge einer 1999 abgeschlossenen Restaurierung wieder entfernt wird. Die drei unteren Geschosse werden seitdem von einem Modehaus genutzt, 1 2 3 55 Um 1930 dessen Verwaltung auch das 3. OG belegt. Das 4. und 5. Obergeschoss sollen als Büro- und Praxisräume vermietet werden. Literatur: Louis Parnes: Bauten des Einzelhandels und ihre Verkehrs- und Organisationsprobleme. Orell Füssli Verlag, Zürich - Leipzig 1935, S.169, 202, Abb. 179, 255-257; Christoph Heuter: Fahrenkamps Kaufhaus Michel; in: Bauwelt 37, 1999, S. 2057 Kaufhaus Schocken, Chemnitz 1930 Mendelsohns Chemnitzer Kaufhaus steht auf einem Grundstück von fächerförmigem Zuschnitt mit beidseitig angrenzender Nachbarbebauung. Der Bau hat sechs reguläre Geschosse, zuzüglich zweier Staffelgeschosse und eines Flugdachs über den Dachaufbauten. Der Grundriss ist im Prinzip symmetrisch und orthogonal konzipiert: Im Zentrum soll eine klare, rechteckige Verkaufsfl äche liegen, während die Zwickel mit Nebenräumen gefüllt werden. Allerdings müssen aufgrund nachbarschaftlicher Schwierigkeiten58 an der linken Flanke relativ große Partien, auch der Verkaufsfl äche, weggeschnitten werden, sodass dieses klassische Grundrissschema nur in verstümmelter Form umgesetzt ist. An der Straßenfront ist hiervon jedoch nichts wahrnehmbar: Vier Zugänge in gleichmäßigem Abstand zueinander führen von der Straße ins Innere; die beiden seitlichen erschließen jeweils auch Kundentreppenhäuser mit einem Aufzug. Ein weiteres Treppenhaus und zwei Aufzüge sind an der schmaleren Rückfront positioniert. Die Rolltreppenanlage liegt an der rechten Flanke. Der Chemnitzer Schocken-Bau ist vor allem für seine Fassade berühmt: Durch die Ausrundung des abknickenden Straßenverlaufs wird dort eine 70 Meter breite Fassadenabwicklung von konstantem Radius erreicht. Der breite Mittelteil, in Mendelsohns Worten ein 56 m breiter Erker, springt gegenüber den rahmenden Fassadenabschnitten der seitlichen Treppenhäuser und gegenüber den Schaufenstern des Erdgeschosses um einen Meter vor. Von der Stahlbetonkonstruktion sind an der Fassade fast nur die Kragarme zu sehen; die Stützen sind um 3,50 Meter nach hinten versetzt. Das Raumbild im Innern wird durch die kräftigen Stahlbetonstützen geprägt. Die angevouteten Unterzüge sind etwas schmaler als diese und verlaufen einander parallel in Richtung der Mittelachse. An der Fassade dienen die 1,45 m hohen Brüstungen zur Aufstellung von Regalen. Die großen, durchgehenden Glasfl ächen darüber sorgen für eine große Lichtfülle. Im Gegensatz zu den entsprechenden Beispielen eines solchen Fassadenschnitts bei Wright (Larkin) ist jedoch der Ausblick nicht gänzlich verwehrt. Der Wunsch, in der Fassade gleichhohe geschlossene und verglaste Abschnitte alternieren zu lassen wie auch bei Mies (Bürohaus in Eisenbeton, 1922), sorgt für eine moderate Brüstungshöhe. Die großen Auskragungen lassen das Äußere sehr elegant wirken; im Inneren sollen die Stützenstellungen –Erfahrungsberichten zufolge- die Nutzung beeinträchtigt haben. Die drei deutschen Beispiele aus den Jahren 1929/30 zeigen drei Varianten der Bandfassade: Bei Schaudt nur als Stilmittel, das dem konstruktiven Bestand nicht entspricht; bei Fahrenkamp eine pragmatisch wie ästhetisch sinnvolle Lösung; bei Mendelsohn die –auch innenräumlich- eleganteste Lösung, aber vielleicht mit grundrisslichen Nachteilen. Literatur: Julius Posener: Erich Mendelsohn; in: Was Architektur sein kann. Neuere Aufsätze. Birkhäuser, Basel Boston Berlin 1995, S. 163-170; Bruno Zevi: Erich Mendelsohn. The Complete Works. Birkhäuser, Basel Berlin Boston 1999, S. 170-176; Regina Stephan (Hg.): Erich Mendelsohn. Gebaute Welten. Hatje, Ostfi ldern-Ruit 1998, S. 127-131; Tilo Richter: Erich Mendelsohns Kaufhaus Schocken. Jüdische Kulturgeschichte in Chemnitz. Passage-Verlag, Leipzig 1998 1, 2 Johann Emil Schaudt: Warenhaus Tietz, Chausseestra- ße, Berlin 1929. Ansicht und Grundriss 1.OG 3,4 Emil Fahrenkamp und Georg Schäfer: Kaufhaus Mi- chel, Wuppertal 1930. Ansicht und Grundriss EG 5,6 Erich Mendelsohn: Kaufhaus Schocken, Chemnitz 1930. Ansicht und Grundriss EG 654 Glaspalast, Heerlen 1934-35 Der als Textil-Kaufhaus von dem Architekten Frits P.J.Peutz errichtete Bau auf einer Grundfl äche von knapp 30 x 30 Metern hat sechs oberirdische Geschosse, das oberste davon als Penthouse, und zwei Untergeschosse. Das vollständig verglaste Gebäude richtet sich zum Marktplatz der kleinen niederländischen Stadt Heerlen aus. Der Bauherr, Peter Schunck und sein Architekt besichtigten vor dem Entwurf Kaufhäuser in ganz Europa und konzipierten daraufhin das Gebäude als überdachten, aufeinander gestapelten Marktplatz. Die Hauptidee des Bauherrn ist es, das gesamte Lager für Kunden zugänglich zu machen oder – anders ausgedrückt – überhaupt kein Lager zu haben.59 Die Konstruktion besteht aus Stahlbeton-Decken und Pilzstützen im Raster von 4,50 x 4,80 Metern. Die Pilzköpfe sind in Erdgeschoss und erstem Obergeschoss ausgerundet (torisch), während sie in den darüberliegenden Geschossen oktogonal gekantet ausgeführt sind. Die Vertikalerschließung ist an der Rückseite des Baukörpers angeordnet. Der Bau wird bis in die 1960er Jahre hinein als Warenhaus genutzt, wobei die Familie des Besitzers im Penthouse auf dem Dach wohnt. Danach geht der Bau an neue Eigentümer, die Büroräume einbauen und die Scheiben der Fassade durch getöntes Spiegelglas ersetzen. 1997 wird das Gebäude –mittlerweile als wichtiges Denkmal der niederländischen Moderne erkannt- von der Stadt gekauft und in den Jahren 2000-2004 von den Architekten Wiel Arets und Jo Coenen zum Kulturzentrum umgebaut. So sind jetzt in dem Gebäude und einem benachbarten Neubau fünf Institutionen angesiedelt: Stadtbücherei (1.und 2. Obergeschoss), Städtische Galerie (Untergeschosse), Filmhaus, Architekturzentrum (3.Obergeschoss) sowie die Musik-und Tanzschule (Neubau). Im Ergeschoss liegt das Foyer, im 4. Obergeschoss die Verwaltung. Literatur: Ludger Fischer: Gestapelter Marktplatz; in: Bauwelt 03/2004, S. 8-13; darin Verweis auf: William Pars Graatsma: Frits Peuts Glaspaleis Schunck, Rosbeek Books, Nuth 1996 Vergleichende Referenz: Casa del Fascio, Como 1932-36 Die Casa del Fascio ist kein tiefes Gebäude im Sinne der eingangs getroffenen Defi nition. In der Konfrontation mit den gleichzeitigen kommerziellen Bauten und im Vorgriff auf das nächste, Le Corbusier gewidmete Kapitel, erscheint es jedoch sinnvoll, sie an dieser Stelle einzubeziehen, und zwar als eine spezielle und weithin einfl ussreiche Interpretation des Stahlbetonskeletts und der daraus resultierenden Gebäudestruktur. In seiner Projekterläuterung betont Terragni die typologische Neuheit einer Casa del Fascio60. -Das von der Stadt gestellte Grundstück erweist sich als „zu klein“ und wird in zähen Verhandlungen zu einem Quadrat von 33 Metern Seitenlänge vergrößert. Aber auch die jetzt erzielte Grundstücksgröße erfordert die Stapelung des Programms. Terragni entscheidet sich, das ganze Grundstück zu überbauen. In der Mitte des Erdgeschosses liegt eine große Versammlungshalle, die mit dem davorliegenden Platz in Verbindung steht (Nutzung für Massenkundgebungen etc.). Die Eigenschaft der Transparenz unterscheidet in Terragnis Sicht die Casa del Fascio von anderen Gebäuden, wie etwa einem Palazzo. Die Öffentlichkeit soll durch das gesamte Gebäude ungehindert zirkulieren können, um in den verschiedenen Büros vorsprechen zu können. 1-5 Frits Peuts: Warenhaus „Glaspaleis“ Schunck Heerlen (NL) 1934-35 Ansicht vom Marktplatz, Innenraum 1.OG, Schnitt; Grundrisse 1.OG, EG 1 2 5 3 4 57 Um 1930 Das Erdgeschoss enthält neben der großen, doppelgeschossigen Halle die Büros verschiedener, für Sozialleistungen zuständiger Parteiorganisationen; am Foyer liegt eine faschistische Gedenkstätte, bestehend aus drei monolithischen Granitwänden. Die zentrale Halle liegt nach Terragni deshalb nicht vollkommen symmetrisch, um die Anlage einer linearen Erschließungszone zur Rechten zu ermöglichen, die die beiden Treppenhäuser verbindet. Auf den oberen drei Geschossen des Gebäudes liegen die Büros der Partei; im ersten und zweiten Obergeschoss entlang allen vier Seiten des Baukörpers, im dritten Obergeschoss entlang der Flanken. Formal nimmt Terragni explizit Bezug auf Typ 4 von Le Corbusiers Quatre Compositions (1929), nämlich den als très gènereux bezeichneten Typus, bei dem das Gebäudevolumen durch ein klar ablesbares und geräumiges konstruktives Skelett defi niert wird. Raumbegrenzungen sind demnach nichttragende Füllungen, die entweder fl ächig oder nach innen versetzt eingefügt werden können. Besondere Aufmerksamkeit widmet Terragni dem Thema der Orientierung des Baukörpers zur Sonne. Dadurch, dass das Raster von Como leicht gegenüber den Haupthimmelsrichtungen verschwenkt ist, gibt es keine reine Nordseite. Terragni betont, wie sorgfältig das Verhältnis von Öffnung zu geschlossener Wand in den einzelnen Fassaden austariert ist; der jeweilige Sonneneinfallswinkel ist auf Basis der Diagramme von Ernst Neufert berechnet worden. Die Stützen sind zwischen 30 und 40 Zentimeter im Quadrat messende, natursteinverkleidete Stahlbetonstützen in einem Raster von 4,80 Metern. Diese tragen Plattenbalkendecken mit Hohlziegeln als verlorener Schalung. In der mittigen Halle wird die dreifache Spannweite durch 1,40 Meter hohe Träger überbrückt. Terragni legt Wert darauf, dass die Unterkante dieser Träger der Höhe von 2,10 Meter über dem Boden entspricht, die sich als horizontales Datum durch das ganze Gebäude zieht und die Türformate bestimmt. Hiermit ist die Möglichkeit eines Proportionssystem auf Basis des menschlichen Maßstabs gegeben. Städtebaulich ist das Gebäude als klarer Solitär positioniert. In einer nicht ausgeführten städtebauliche Planung sieht Terragni einen zweiten Baukörper von identischer Kubatur vor, und zwar in einer Position, die die der Casa del Fascio, gespiegelt an der Längsachse des benachbarten Domes, entspricht. In der Literatur wird übrigens eine Analogie der Casa del Fascio zu den venezianischen Palazzi hergestellt, die vor allem in der zentralen Lage der Halle oder sala und in dem Wegfall eines Innenhofs besteht61.- Im Rahmen dieser Arbeit ist die Casa del Fascio auch insofern relevant, als sie eine Interpretation von Le Corbusiers Systematik der späten 1920er Jahre und deren erste „Anwendung“ auf ein größeres Raumprogramm und Bauvolumen darstellt. Obwohl die Grundrisse der Casa del Fascio keine tiefen Grundrisse sind, kann man doch in die konstruktive Struktur eine Tendenz zur Vereinheitlichung des kubischen Gesamtvolumens in Richtung einer isotropen Matrix hineinlesen. Das nach dem Ende des Faschismus in Casa del Popolo umbenannte Gebäude beherbergt heute lokale Behörden, darunter ein Finanzamt. Literatur: Giuseppe Terragni: La costruzione della Casa del Fascio à Como; ins Engl. übersetzt in: Thomas Schumacher: Giuseppe Terragni. Surface and Symbol. Princeton, New Jersey 1991, S. 142-159 Bruno Zevi: Giuseppe Terragni. Verlag für Architektur Artemis Zürich 1989 (1. Aufl . 1980), S. 70-83 Thomas Schumacher: Giuseppe Terragni. Surface and Symbol. Princeton, New Jersey 1991, S.142-170 Daniel Libeskind, Attilio Terragni: The Terragni Atlas. Built Work. Skira, Milano 2003 Peter Eisenman: Giuseppe Terragni. Transformations, Decompositions, Critiques. The Monacelli Press, New York 2003 Giuseppe Terragni, Renato Uslenghi (TW): Casa del Fascio, Como 1932-36 1 Ansicht 1 1. OG 3. OG 2. OG EG 1. OG 3. OG 2. OG EG 5. OG 4. OG UG Museum of Modern Art, New York 1937-35 Die Institution MoMA entsteht 1929 als private Gründung reicher conoisseurs. Alfred H. Barr ist der erste Direktor. 1930 werden Howe & Lescaze mit Vorstudien für den Museumsbau beauftragt, allerdings ohne konkretes Grundstück. Unter den Vorstudien fi ndet sich auch ein mehrgeschossiger Baukörper, der sich geschossweise zurückstaffelt, um jedes Geschoss mit Zenithlicht zu versorgen. In einer anderen Variante werden die Galerieräume geschossweise gegeneinander um 90° verdreht, um denselben Effekt zu erreichen. Die Schenkung eines bestehenden Hauses durch John D. Rockefeller, das zwischen 1932 und 38 als Museumsgebäude fungiert, verzögert die Neuplanungen. In der Zwischenzeit werden die Abteilungen für Architektur und Industriedesign sowie für Film gegündet; im Zusammenhang mit mehreren Schenkungen entsteht so Erweiterungsbedarf. Das Museum wird in dieser Zeit noch als Annex an Rockefeller Center konzipiert.- Nachdem Howe & Lescaze 1935 ihre Partnerschaft aufl ösen, wird die Frage, wer den Auftrag für den Neubau erhält, umso dringlicher, als das Museum mit seiner neuen Architekturabteilung eine Rolle als arbiter of good design übernommen hat. Barr schlägt Mies, Gropius oder Oud vor; Le Corbusier und Wright gelten als zu schwierig. Auf Veranlassung von Barr wird Mies eingeladen; als er im Sommer 1937 kommt, hat das Baukommitee jedoch bereits Philip Goodwin und Edward Durrell Stone beauftragt. Barr versucht noch, Mies die Fassade entwerfen zu lassen, aber ohne Erfolg62. Das Gebäude von Goodwin und Stone, auf einer Grundfl äche von 38,50 x 27,50 Metern errichtet, geht bis an die Baugrenze, im Gegensatz zu den benachbarten Wohnbauten. Seine gleißend helle Fassade aus Marmor und Thermolux-Gläsern ist strikt horizontal gegliedert. Sie spiegelt die Aufteilung des fünfgeschossigen Gebäudes wider: Über dem zurückspringenden Erdgeschoss mit Foyer und einem kleineren Ausstellungsraum liegen zwei Galeriegeschosse, das untere davon mit Seitenlicht, das obere mit Seitenlicht im vorderen und Zenithlicht im rückwärtigen Bereich. Es folgen zwei Geschosse mit Verwaltung und Bibliothek, darüber das wiederum zurückgesetzte Dachgeschoss mit seinen Gesellschafträumen. In den beiden Untergeschossen liegt neben den üblichen Lagerräumen ein Auditorium mit ansteigenden Reihen. Die Innenräume sind loftartig, mit einem Stützenraster von 24 Fuß (7,30 Metern) und versetzbaren Trennwänden. Die Vertikalerschließung ist in der etwas breiteren, westlich an die Brandwand angrenzenden Achse konzentriert. Das MoMA wird mehrfach erweitert. Philip Johnson baut 1954 und 1963 jeweils seitliche Flügel an. 1977-84 errichtet Cesar Pelli anstelle des Westfl ügels einen Wohnturm und stellt die interne Erschließung auf eine Kaskade von Rolltreppen an der Gartenseite um. Dabei wird in den Bestand von 1939 eingegriffen; die Galeriefl äche verdoppelt sich. Der letzte Eingriff, von Taniguchi (1997- 2001) schafft eine weitere Expansion nach Westen; der Fuß des Wohnturms wird durch ein Atrium freigeschält, um das herum sich die neuen Galerien anlagern. Der Haupteingang wird dabei nach Westen verlegt. Das Ursprungsgebäude von Goodwin und Stone wird partiell rekonstruiert. Literatur: Architectural Review, September 1939 Robert A.M. Stern u.a.: New York 1930, Rizzoli, New York 1987, S. 141-145 Terence Riley: Yoshui Taniguchi. Nine Museums. Rizzoli, New York 2001 1 59 Plan libre und tiefer Grundriss bei Le Corbusier 1926-65 Plan libre und tiefer Grundriss bei Le Corbusier 1926-65 Die Untersuchung der tiefen Grundrissorganisationen bei Le Corbusier fordert –auch wenn es sich dabei nur um einen Überblick handeln kann- aus mehreren Gründen ein eigenes Kapitel: Zum einen stellt das umfängliche Werk von Le Corbusier eine Verbindung von der Moderne der Zwischenkriegszeit (um 1930) in die Nachkriegszeit der 1950er und 1960er Jahre her und läßt sich so nicht spezifi sch einer einzelnen Dekade zuordnen. Im Gegenteil erscheint es so, als sei das Spätwerk eine Entfaltung von Prinzipien, die Jahrzehnte zuvor aufgestellt wurden. Vor allem aber ist Le Corbusier der Autor des plan libre oder freien Grundrisses, mithin eines spezifi sch auf den Skelettbau ausgerichteten architektonischen Konzepts, das bis heute Nachwirkungen zeigt. Dabei ist auch zu klären, wie die jeweils zeit- und ortsspezifi sch verfügbaren Bautechniken des Stahlbetonskeletts in Corbusiers Konzeptionen von tiefen Geschossbauten hineinspielen.- An diese beiden Hauptpunkte schließt sich als untergeordnete, aber interessante Fragestellung an, wie sich in Bezug auf die tiefen Grundrissorganisationen in der Person Le Corbusiers der Architekt und der Städtebauer zueinander verhalten –nachdem sich feststellen ließ, dass das tiefe Gebäude immer auch eine städtebauliche Stellungnahme bedeutet. Bezüglich der tiefen Grundrissorganisationen bei Le Corbusier besteht die methodische Schwierigkeit, dass alle betreffenden Referenzen zum Spätwerk gehören, hier aber kaum von theoretischen Äußerungen begleitet sind. Die bekannten Texte der Zwischenkriegszeit hingegen beziehen sich nicht explizit auf tiefe Gebäude. Sie fi nden zwar ihre Parallelen in den Villenbauten der 1920er Jahre, die man aus der Perspektive des Spätwerks als nuclei größerer Gebäude auffassen darf; trotzdem bleibt man in manchen Punkten auf Mutmaßungen angewiesen, wenn man z.B. behauptet, die Tendenz des freien Grundrisses zur Ausdehnung auf eine größere Gebäudetiefe sei dem Prinzip von Beginn an immanent gewesen. Andererseits wird man dazu ermutigt, bezieht man die Texte von Autoren wie Rowe, Curtis oder Frampton ein, die das Spätwerk immer wieder in Bezug zur Maison Dom-Ino, zur Maison Citrohan oder zur Villa Savoye setzen63. Daraus legitimiert sich der Versuch, die Grundlagen für die Entwicklung, wie sie Le Corbusier in den 1920er Jahren legt, noch einmal zu skizzieren: Im Abstand von jeweils drei Jahren stellt er die Bausteine seiner Entwurfsmethodik auf: 1923 (Vers une Architecture) den Primat des Grundrisses, 1926 (Cinq Points d‘une Architecture Nouvelle) die Entkoppelung der baulichen Subsysteme (Volumen, Rohbau, Ausbau, Fassade), 1929 (Quatre Compositions) –schon resümierend- eine mögliche Typologie, die sich daraus ergibt. Primat des Grundrisses Den Grundriss als Generator64 zu bezeichnen, wie in Vers une Architecture, setzt voraus, dass der Prozess, der in das Bauwerk mündet, mit der Grundrisszeichnung initiiert wird; dass aber auch diese primäre Rolle des Grundrisses im fertigen Werk noch erkennbar ist. In pragmatischer Hinsicht erweist sich diese Proklamation als das logische Korrelat einer Geometrie, die vorwiegend mit Extrusionen von Kurven aus der Grundebene in die vertikale Dimension arbeitet. (Die Geometrie doppelter Krümmungen fi ndet sich nur bei eingeschossigen Gebäuden und Dachaufbauten.) Dem entspricht, was Curtis über die Entwurfsarbeit im Atelier Le Corbusiers berichtet: Der Grundriss wird meist vom Meister selbst skizziert, während die Durchzeichnung und Schnitte bzw. Ansichten von den Mitarbeitern erstellt werden65. Liegt ein in sich konsistentes Kompendium von Grundrissen, Ansichten und Schnitten vor, kann ein Modell gebaut werden. Gelegentlich werden die Konturen einzelner Geschosse überprüft, indem Silhouetten aus farbigem Papier ausgeschnitten werden. Die freien Grundrisse Le Corbusiers haben fast durchgehend starke graphische, „kompositionelle“ Qualitäten. Nach Curtis erscheint es beim späten Le Corbusier so, als sei der Grundriss eine nackte Leinwand, die durch das Einstreuen von Formen energetisiert wird.66 Im Entwurfsprozess des Carpenter Center werden bestimmte Kurvenverläufe aus einem von Corbusier entworfenen Wandteppich im Atelier der Rue de Sèvres geradewegs abgezeichnet und in skalierter Philip Goodwin, Edward Durrell Stone: Museum of Modern Art, New York 1937-39 1 Südfassade (53rd Street) Version in die Grundrisse eingearbeitet67. Schon Willy Boesiger, der Herausgeber des Gesamtwerks, suggeriert eine Ähnlichkeit zwischen einer Tapisserie von Le Corbusier und dem Grundriss des Krankenhausprojekts für Venedig68. Es wäre eine eigene Untersuchung wert, zu verfolgen, wie für Le Corbusier, den Architekten-Maler, die traditionelle Auffassung eines Gemäldes als Fenster und die mögliche neue Lesart eines Grundrisses als Bild ineinandergreifen.69 Eine weitere Entwurfstechnik, die auf dem Primat des Grundrisses beruht, ist die Modellbautechnik, bei der das Modell eines Geschossbaus aus einzelnen Ebenen zusammengesetzt wird, sodass Relief und Binnenstruktur der einzelnen Geschosses gezeigt werden können. Die Modellfotos der einzelnen Ebenen, jeweils senkrecht zur Geschossplatte aufgenommen, ersetzen das aufwendige zeichnerische Verschatten von Grundrissen, wie es in der Beaux-Arts-Tradition gelegentlich geübt wurde. Schräge Aufsichten auf die einzelnen Geschosse lassen das Innenleben plastisch werden. Werden die einzelnen Geschosse gestapelt, ergibt sich automatisch ein Gesamtmodell des Gebäudes. Diese Techniken, ideal für tiefe Grundrisse, erscheinen heute selbstverständlich, weil allgemeine Praxis, werden aber von Le Corbusier zum ersten Mal methodisch eingesetzt.70 plan libre als Entwurfswerkzeug Die Grundlagen zum freien Grundriss –plan libre- fi nden sich in den Fünf Punkten zu einer neuen Architektur von 1926 als dritter Punkt: Der freie Grundriss: Das Säulensystem trägt die Decken aller Stockwerke. Die Trennungswände können in jedem Geschoss beliebig aufgestellt werden, ohne dass die Säulen der freien Grundrissgestaltung hinderlich wären. Tragende Mauern gibt es nicht mehr, was zu einer großen Ökonomie in der Baukonstruktion führt.71 Der freie Grundriss ist also ein konzeptionelles Werkzeug, das beim Entwerfen zu höheren Freiheitsgraden führt, indem die baulichen Subsysteme Rohbau und Ausbau entkoppelt werden. Diese Entkoppelung ist auch pragmatisch insofern sinnvoll, als die räumliche Trennung einer zeitlichen Abfolge im Bauprozess entspricht. plan libre steht damit für eine Konzeption des Entwerfens, die in einer Zergliederung des gesamten Prozesses in Einzelschritte führt. Die Aufgabenteilung („separation des pouvoirs“) der einzelnen räumlichen Elemente (reines Prisma, Skelett, Ausbau) entspricht einzeln lösbaren Entwurfsschritten. Ein Teil der Wirkung Le Corbusiers beruht auf dieser rationellen Methodik, die jjedoch unter seinen Händen zu Ergebnissen führt, die die analytische Trockenheit und Polemik des ursprünglichen Vorsatzes weit hinter sich lassen. Ein schönes Beispiel bietet der Grundriss von Niveau 4 des ungebauten Gouverneurspalastes für Chandigarh: Durch das Stützenraster -der Querschnitt der Kreuzstützen weckt kartographische Assoziationen- winden sich zwanglos die gekurvten Wände der Apartments; orthogonal strukturierte Zonen koexistieren mit organisch wirkenden, sich verzweigenden Gebilden wie in einem späten Werk von Paul Klee. Vom strikten Protokoll der beiden unteren Geschosse erschöpft, kann sich die Gouverneursfamilie hier in die spielerische Privatheit ihres Wohngeschosses zurückziehen. Die voluptuöse Geometrie der ein- und ausschwingenden Wände steht dabei –wie oft bei Le Corbusier- im Zusammenhang mit den Funktionen Schlafen, Erholen und Körperpfl ege.72 Der freie Grundriss ist also zu Beginn eine rationale, systemische Entscheidung, der zufolge sich im Entwurfsprozess jedoch bestimmte programmatische Bedingungen zu Gebilden von großer plastischer und räumlicher Intensität verdichten können. 1 2 61 Le Corbusier Mögliche Typologien des Geschossbaus In den Vier Kompositionen von 1929 resümiert Le Corbusier seine Villenbauten der 1920er Jahre. Ohne dass die Bauten wörtlich genannt würden, erlauben doch die Skizzen eine Zuordnung. Am rechten Rand der Zeichnung notiert er jeweils eine knappe Einschätzung. So heißt es: 1. Villa La Roche-Jeanneret: genre plutôt facile, pittoresque... 2. Villa Stein in Garches: très diffi cile (satisfaction de l´esprit) 3. Villa in Karthago: très facile, pratique, combinable 4. Villa Savoie: très génereux / on affi rme à l´extérieur une volonté architecturale, on satisfait à l’intérieur à tous les besoins fonctionnels (insolation, contiguités, circulation) Nummer 2-4 werden durch eine Klammer zusammengefaßt, die besagt: composition cubique (prisme pur). Mit den Vier Kompositionen wird beansprucht, dass die Bauten über ihre speziellen Entstehungsumstände hinaus Modellcharakter haben –ein Anspruch, der zum Beispiel durch die explizite Bezugnahme Terragnis auf Typ 4 der Kompositionen in seiner Beschreibung der Casa del Fascio historisch eingelöst ist. Aber das in den Vier Kompositionen festgehaltene Repertoire hat ja zunächst einmal Bedeutung für Le Corbusier selbst. Sie liegt zum einen darin, dass der geometrische Primärkörper als architektonisches Volumen, wie er schon in Vers une Architecture auftauchte, durch die Praxis bestätigt wird. Nur Nr. 1 ist noch eine wirkliche Komposition von Baukörpern, wie sie auch für Corbusiers grands travaux der 1920er Jahre vorbildlich war (Armée du Salut, Völkerbund, Centrosoyus). Die drei anderen Typen sind zunächst einmal reine Prismen (prisme pur). Sie unterscheiden sich nach der Dichte, mit der jeweils die Binnenstruktur die kubische Umfassung ausfüllt. Beim „schwierigen“ Typ 2 ist die Dichte so hoch, dass die Komplexität des Inneren sich nach außen nicht mehr zeigt; Typ 3 („leicht“) besteht aus einer Anwendung des freien Grundrisses auf allen Geschossen; Typ 4 setzt sich einen Rahmen, der locker ausgefüllt werden kann und wird deshalb als „großzügig“ gekennzeichnet. Wenn man die grundsätzliche Entwicklungsfähigkeit dieser Haustypen in Richtung auf größere Baukörper akzeptiert, können die Vier Kompositionen als eine mögliche Typologie des mehrgeschossigen Skelettbaus gesehen werden. Diese Typologie entfaltet sich durch Varianten in der Auseinandersetzung zwischen prismatischem Gebäudevolumen und komplexer Binnenstruktur. Dazu läßt sich Colin Rowes Unterscheidung von Megaron und Sandwich als grundsätzlich unterschiedlichen Haustypen bei Le Corbusier als Ansatz einer morphologischen Klassifi zierung heranziehen 73. Hier wird das Verhältnis zum Baugrund als zusätzliches Kriterium eingebracht: Mit Megaron hatte Vincent Scully die blockhaft-geschlossenen Häuser bei Le Corbusier gekennzeichnet, deren Urform das Citrohan-Haus darstellt. Das Megaron hat seitliche Wandschotten, die aus dem Boden emporwachsen; man kann es also mit Nr. 2 der vier Kompositionen in Verbindung bringen. Mit Sandwich meint Rowe hingegen die über Pilotis aufgeständerten, fl achen Volumina, wie die Villa Savoie (Nr. 4), bei denen die horizontalen Geschossdecken bestimmend wirken. In Bezug auf Le Corbusiers Spätwerk kann man im Millowners‘ Building Ahmedabad ein klassisches Megaron-Volumen erkennen, im Kongreßpalast Strasbourg hingegen einen typischen Sandwich. Komplizierter sind das Carpenter Center und der Gouverneurspalast einzuordnen, also diejenigen Projekte, in denen das klare Prisma verlassen wird, und in denen schwebende Bauteile ebenso zu fi nden wie erdverbundene. 1 Maison Dom-Ino 1914 2 Vier Kompositionen , 1929 3 Skizze zum Freien Grundriß, 1926 4 Megaron: Maison Citrohan, 1920 5 Sandwich: Villa Savoie, 1929 3 4 5 Individualisierte Geschosse In den amerikanischen Kommerzbauten, wo sich die Grundrisse als Typical Plan über alle Geschosse wiederholten, wurde das Stahlskelett vor allem wegen der schnellen Montage eingesetzt. Die grundrisslichen Freiräume, die es ermöglicht, blieben weitgehend ungenutzt. Auch das Stahlbetonskelett der Brüder Perret, das Le Corbusier zeitlich näher liegt, bringt demgegenüber noch keinen Durchbruch. Le Corbusier erkennt das Potential, das im Skelettbau liegt, und das gerade nicht zu Wiederholung, sondern zu Abwandlung in den einzelnen Grundrissen führen kann. Die Möglichkeit, das Skelett durch eine unabhängige Schicht ‚Raumbildung‘ zu ergänzen, macht den Skelettbau für fast alle Nutzungen plausibel, auch für die Wohnnutzung. Bei Sigfried Giedions heißt es: Le Corbusier verwandelte das Eisenbetonskelett aus einem technischen Hilfsmittel in einen ästhetischen Wertfaktor. Er verwendete die Trennwände, um den Innenraum des Hauses verschiedenartig modellieren zu können. Sie erlaubten ihm, den Innenraum fl exibel zu gestalten und eine Durchdringung von Innen-und Außenraum zu erreichen, die kühn und ungewohnt war, und die er stets weiterverfolgte, so in dem Carpenter Center (1962), wo eine Rampe auf der einen Seite aufsteigt und eine andere jenseits wieder hinabführt. Mit „offenen Planen“ ist die freie und individualisierte Organisation voneinander unabhängiger Stockwerke gemeint...“ 74 Interessant ist die Verschiebung in der Beurteilung des tragenden Skeletts von Ökonomie in der Baukonstruktion bei Le Corbusier zum ästhetischen Wertfaktor bei Giedion. Die Durchdringung von Innen- und Außenraum trifft zwar auf das Carpenter-Center zu –ebenso wie auf Ahmedabad und Strasbourg; sie spielt aber in den Fünf Punkten keine Rolle. Dort geht es –ganz im Gegensatz- um die Überlagerung von Freiraum mit Gebäude dank Aufständerung über Pilotis (Punkt 1). Das Gegenteil des plan libre ist der herkömmliche Zellengrundriss: In den Feststellungen (1929) gibt es eine Skizze, in der Le Corbusier den Grundriss eines Hauses mit tragenden Außenwänden als plan paralyzé, d.h. -wörtlich übersetzt –“querschnittsgelähmten“ Grundriss bezeichnet. Für Le Corbusier sichert nur die Ablösung der Raumbegrenzung von der Tragkonstruktion der Architektur ihre Beweglichkeit. Siegfried Giedion hebt als besondere Leistung bei Le Corbusier die Individualisierung der Geschosse, also das genaue Gegenteil des Typical Plan, hervor. Le Corbusiers Fokus ist nicht so sehr auf programmatischer, wie auf formaler Differenzierung innerhalb der Stapelung. Für diese stellt er allerdings ein sehr entwicklungsfähiges Vokabular zur Verfügung. Modulationen des Stahlbetonskeletts In der Behandlung der kubischen Baukörper mit ihren quadratischen Grundrissen vermeidet Le Corbusier jeden Schematismus. Die quadratische Grundform bedeutet ihm nicht, dass auf allen vier Seiten gleiche Bedingungen zu fi nden sein müssen. Im Gegenteil dazu werden immer deutlich erkennbare Flanken, Vorder-und Rückseiten ausgebildet. Der Austausch zwischen Stütze und tragender Wand in einer Achse ist deshalb ebenso möglich, wie andererseits der Versatz zwischen Stütze und nichttragender Wand vorgegeben ist. Damit sind alle Kuben Mischformen des Megaron- mit dem Sandwich-Typus, wenn man auch verschiedene Gewichtungen feststellen kann. Die fl ankierenden Wände werden jedoch oft als parallele Schotten eingesetzt und nicht als kontinuierlich umlaufende Wand, sodass sich die Kombination aus Wänden und Stützen nicht zum Volumen schließt. Die Stützen müssen nicht in einem quadratischen Raster stehen. Aber selbst, wenn dies der Fall ist, treffen an den Gebäudeecken immer zwei verschiedene Fassaden zusammen. Außerdem wird der Quadratgrundriss immer so aufgeteilt, dass durch die Zone der brise-soleil ein Quer-oder Längsrechteck als Kerngrundriss entsteht Bezüglich der Frage nach der Deckenuntersicht, die für den freien Grundriss so elementar scheint75, ist eine vergleichsweise große Varianz zu fi nden, die vom quadratischen Trägerrost über 1 2 3 63 Le Corbusier Unterzüge mit dazwischengehängter Abhangdecke zur Flachdecke reicht: Für die quadratischen Geschossdecken des Gouverneurspalasts in Chandigarh (Entwurf 1951-54) sieht Le Corbusier Kassettendecken vor, die von Kreuzstützen getragen werden. Die Kassettendecken verbinden das Prinzip des Trägerrosts als eines Flächentragwerks mit dem des Plattenbalkens, wonach die Platte selber in der Druckzone des Balkens mitwirkt. So ist eine Antwort auf den quadratischen Zuschnitt ebenso gefunden, wie auf die vergrößerten Spannweiten76. Die strukturierte Deckenuntersicht bleibt allerdings Episode für Le Corbusier. In den folgenden Projekten kehrt er zum Leitbild der fl achen Deckenuntersicht zurück. Beim Millowners‘ Association Building in Ahmadabad (1951-54) wird die plane Deckenuntersicht durch eine Rabitzdecke erreicht, die ebenenbündig zwischen die Plattenbalken gehängt ist, sodass sich die Unterzüge als dunklere Streifen abzeichnen, gewissermaßen ein Kompromiß aus struktureller Ehrlichkeit und dem Wunsch zur abstrakten Planarität. Im Carpenter Center (1961-64) hingegen ist der Eindruck der Flachdecke dadurch erreicht, dass die Pilzköpfe der Stützen oberhalb der Deckenplatte liegen: Le Corbusiers erste Sichtbetondecken ohne Unterzüge, ein halbes Jahrhundert nach Dom-Ino. In der Planung des Projektes in Strasbourg (1964) wird dann von Flachdecken ausgegangen. Die Raumprogramme der Institutionen, für die Le Corbusier entwirft, verlangen große Säle. Le Corbusier arbeitet zwar in seinen Wohnriegeln mit Abfangungen über dem Erdgeschoss, aber dieses Mittel gilt ihm nur für den Umgang mit dem Außenraum. In seinen tiefen Geschossbauten liegen die Räume mit großer Spannweite bevorzugt im obersten Geschoss (Ahmadabad, Strasbourg). Nur in Harvard wird der Veranstaltungssaal im Untergeschoss angelegt und durch Träger im Erdgeschoss überspannt. Die klimatischen Aspekte sind in den tiefen Gebäudekuben Corbusiers übrigens nicht unproblematisch. In Ahmadabad unterschätzt er die Wirkung des Schlagregens während der Monsun-Saison. Der Verzicht auf einen Raumabschluß in den Obergeschossen des Millowners Building hat dazu geführt, dass dieses Gebäudes offenkundig nie in der vorgesehenen Weise genutzt werden konnte. In Harvard kann sich der Architekt mit seiner Ablehnung von air conditioning nicht durchsetzen. Brise-soleil und aérateur als Methoden der Verschattung und Belüftung werden in der Ausführungsplanung des Büros von Sert –auf Wunsch des Auftraggebers- durch airfl oor und Klimaanlage ergänzt. Diese Aspekte verweisen darauf, dass die Planungskultur Le Corbusiers vor dem Hintergrund der Nachkriegsjahre zumindest in technischer Hinsicht etwas anachronistisch wirkt. Dialektik von Raster und freier Form Die Bedeutung Le Corbusiers für eine Geschichte des tiefen Grundrisses liegt darin, dass Corbusier das Raster des Tragskeletts entgegen der rationalistischen Tradition Schinkels und Terragnis, aber auch dem Pragmatismus der Chicagos School, nicht als Qualität in sich artikuliert, sondern den tiefen Grundriss in der wechselseitigen Durchdringung von Stützenraster und Raumtrennung konzipiert. Es verselbständigt sich nicht nur die Fassade gegenüber den Außenstützen, sondern ebenso werden alle internen Raumtrennungen, die keine konstruktive Funktion haben, konsequent von den Stützen abgesetzt. Stütze und Wand werden beide als gleichermaßen substantielle Körper im Raum gesehen, und behalten ihre Autonomie durch physische Distanz. Durch die Möglichkeit, z.B. an der Fassade das Stützenraster lokal zu exponieren, andernorts aber zu überspielen, ergibt sich eine bislang ungeahnte kompositionelle Varianz, in der sich gegenüber der Universalität des Rasters Asymmetrie und Differenz artikulieren lassen. Die Le Corbusier eigene Dialektik besteht darin, dass einerseits Stützen und Wände plastische, belichtete und schattenwerfende Körper mit haptischer Qualität sind - und andererseits Stützenraster und Raumtrennungen als zwei sich überlagernde, ideell transparente Systeme gedacht werden müssen. Le Corbusier betrachtet im freien Grundriss idealerweise nicht den einzelnen Raum, sondern 1-3 Le Corbusier: Carpenter Center of Visual Arts, Harvard University New Haven/ Connecticut 1961-64, Modellfotos 4-5 Le Corbusier: Kongresspalast Strasbourg 1964, Modellfotos 54 1konzipiert das ganze Geschoss als einen großen, jedoch lokal differenzierten Raum. In seinen Geschossbauten werden dank der Skelettbauweise die Geschosse in Funktion, Geschosshöhe und Raumbildung differenziert. Durch die Einführung raumgreifender Rampenerschließungen wird das reine Prisma des Baukörpers in den Spätwerken gegenüber dem Außen ebenso geöffnet, wie die Räume der Geschosse gegeneinander. In der Fassadenausbildung wird nicht zwischen Rohbau und Ausbau unterschieden. Das gelingt durch die Beschränkung auf das eine Material Stahlbeton und die Reduzierung verglaster Abschnitte bzw. durch die Verlegung des Glases in die zweite Schicht. Selbst in den verglasten Bereichen, die ohne zweite Schicht verbleiben, werden schmale Betonstützen eingeführt, die diesen Abschnitten Substanz geben, unabhängig von der Belichtung und den wechselnden Refl ektionen des Glases. Raumvolumina innerhalb des Rasters, die -wie Auditorien- größere Spannweiten erfordern, werden, wie gesagt, meistens in das oberste Geschoss verlegt. Im Zusammenhang mit der geschlossenen Fassade solcher Volumina ergibt sich der Eindruck, dass schwere, opake Körper in die Höhe gestemmt sind, d.h. dass das Spiel von Tragen und Lasten absichtsvoll dramatisiert wird. Gegenüber der traditionellen Gebäudegliederung mit ihrer Hierarchie von öffentlich-unten zu privat- oben ergibt sich zusätzlich eine Aktivierung der Nutzung in den Obergeschossen. Im Rückblick scheint sich Le Corbusiers Werk vollkommen logisch aus den technischen Fortschritten im Stahlbeton-Skelettbau, vor allem in Frankreich, seit 1890 zu entwickeln. Am Anfang steht, vermittelt durch Perret, die Aneignung der neuen Skelettkonstruktion im Geschossbau. 1926 gelingt die architektonische Konzeptualisierung der Beziehungen zwischen Skelett und Raumbildung in den fünf Punkten. Das Werk seit 1950 bis zum Lebensende 1965 entfaltet in immer neuen Variationen die darin angelegten Möglichkeiten. Ganz am Schluß entwickelt Le Corbusier mit dem Kongreßpalast Strasbourg sogar eine Architektur, die in einen Bereich jenseits der Dialektik von Raster und freier Form vorstößt. Architektur vs. Städtebau Angesichts von Le Corbusiers Eigenheit, jeden konkreten Auftrag immer auch als Suche nach einer typischen Lösung zu sehen, die letztlich in einem idealen städtebaulichen Ensemble mitspielt77, muss sich die Frage stellen, in welchem imaginären städtebaulichen Rahmen die institutionellen Kuben des Spätwerks gesehen werden müssen... Für das Carpenter Center ist die Frage bereits beantwortet: Nach Curtis ist dieses Gebäude als eine Summe von Le Corbusiers Lebenswerk aufzufassen und bildet städtebaulich eine klare Antithese zum Kontext. In Chandigarh ist der Fall ebenso eindeutig: Der Gouverneurspalast ist als Schlußstein einer Gesamtanlage konzipiert. Darauf beruht die Schnittfi gur mit ihrer prägnanten Silhouette; daher rührt auch der durch das Quadrat zunächst richtungslose Grundriss. Trotzdem darf man fragen, ob der Kubus in Ahmadabad und das Gebäude in Strasbourg als Teil eines Corbusianischen Städtebaus vorstellbar sind, oder ob die klare Volumetrik nur Ausdruck einer Rückzugsposition ist. In Sur les 4 routes (1938-41) bezeichnet Le Corbusier den Städtebau als die Wissenschaft von den gebauten Kuben78 (l´urbanisme est la science des cubes bâtis). William Curtis meint, Le Corbusier habe den Gebrauch des deutschen Wortes ‚Kubatur‘ bei seinem Aufenthalt im Büro von Peter Behrens aufgegriffen79. In jedem Fall erstaunt die Betonung auf den Kuben, bedenkt man, dass z.B. die großen Planungen für Algier (Plan Obus, 1930-34) oder Paris (Ville Radieuse, 1935) noch einen ganz anderen Zuschnitt haben, der durch lineare, sich über Block-und Katastergrenzen sich hinwegschlängelnde oder -mäandrierende Baukörper gekennzeichnet ist. Ist das Insistieren auf einem Städtebau der Kuben ein Versuch, den totalen Anspruch der früheren Städtebauprojekte etwas zurückzunehmen (immerhin veröffentlicht Le Corbusier Sur les 4 routes mitten im Krieg)? 2 65 Le Corbusier Le Corbusier: 1 Plan für St. Dié, 1946 2 Capitol, Chandigarh, Plan von 1956 3 Plan Obus für Algier, 1931 4 Gouverneurspalast Chandigarh, 1951-54 4 3 Die Frage ist deshalb interessant, weil es für die Kuben des Spätwerks in den städtebaulichen Planungen der Zwischenkriegszeit und auch noch der unmittelbaren Nachkriegszeit keine Platzhalter gibt. Zum Beispiel gibt es im Plan für Saint-Dié (1946) neben den Unités d‘habitation nur das obligate wachsende Museum und ein unauffälliges Warenhaus, während im Plan für Chandigarh ausnahmsweise der quadratische Palast des Gouverneurs eine Schlüsselstellung einnimmt. Außerdem fällt auf, dass die Häufung der Quadratgrundrisse (Chandigarh, Ahmedabad, Harvard, Strasbourg) nicht vom Versuch der Typisierung begleitet ist, während vorher die Unités als ‚typische‘ Lösung des Wohnproblems oder das wachsende Museum als Standards immer wieder verwendet wurden. Der Kubus scheint für den modernen Architekten eine Möglichkeit zu sein, in der bestehenden Stadt zu intervenieren, ohne sich vom Kontext allzu sehr korrumpieren zu lassen. Curtis zeigt anhand des Carpenter Center, wie Le Corbusier versucht, seine städtebaulichen Doktrinen in einem Gebäudeentwurf zu verdichten. Der Kubus kann so zum Teil einer idealen Stadt werden, wenn diese auch in der Gegenwart noch nicht realisierbar ist. In diesem Sinne kann man schon vorher die frappierende Ähnlichkeit zwischen den kurvierten Riegeln des Plan Obus und den Trennwänden des Gouverneurspalastes als Beleg für einen Transfer vom Städtebau auf die Gebäudeebene lesen. Es scheint so, als ob sich die Schnittstelle zwischen Städtebau und Architektur für den Le Corbusier der 1950er Jahre anders darstellen würde, als zwanzig Jahre zuvor. Die städtebaulichen Konfi gurationen der Zwischenkriegszeit werden so als Vokabular für das Gebäudeinnere verfügbar. Die Übertragung städtebaulicher Organisationsformen auf den Gebäudemaßstab kann man im Spätwerk von Le Corbusier auch anhand der Erschließung verfolgen. De Idee der Promenade ist bereits in den Villenbauten der 1920er Jahre zentral; das Element der Rampe wird hier auch erstmals erprobt. Im Gegensatz zu Treppen überwinden Rampen die Geschosshöhen gemächlich, aber mühelos. (Le Corbusier: Rampen verbinden, Treppen trennen80). In der Sprache des Films entspricht der Aufzug einem Schnitt, die Rampe oder die Rolltreppe einer Überblendung. Während jedoch die Rolltreppe eine sehr effi ziente Form einer mechanisierten Vertikalerschließung darstellt, ist die Rampe eine klassische Form der Überwindung von Höhensprüngen, die als lineare Anlage vor Le Corbusier allerdings fast ausschließlich im Freien anzutreffen ist. Die raumgreifenden Rampen sind im Gebäudeinnerern nicht immer ohne weiteres unterzubringen, wie sich anhand des Entwurfsprozesses des Visual Arts Center in Harvard belegen läßt. Die ebenfalls von Le Corbusier propagierte Idee der Inneren Straße ist diejenige Komponente seiner Unités d‘habitation, die diesen am ehesten den Charakter einer Megastruktur verleiht. Der Schwachpunkt der Inneren Straße ist –neben ihrer geringen Nutzerfrequenz- ihre mangelnde Anbindung an die äußere Erschließung. Die Rampenerschließungen in Ahmadabad und Harvard sind hingegen vorrangig äußere Erschließung: Es gibt den Übergang ins Innere, aber die Rampen setzen sich dort nicht unmittelbar fort. Die überzeugendste Formulierung eines Erschließungskontinuums fi ndet sich bei Le Corbusier in seinem späten, leider unrealisiert gebliebenen Projekt für den Kongreßpalast Strasbourg. Die Autonomie des reinen Prismas resultiert auch aus einer mentalen Reserve gegenüber der vorhandenen Stadt; sie ist andererseits das Pendant zu einer für die Zukunft angestrebten, stärker landschaftlich geprägten Stadt. Deshalb spielt die Einbettung in die Topographie immer eine große Rolle: Der Gouverneurspalast wird an einem künstlich geschaffenen Geländeversatz positioniert; in Ahmadabad und Harvard sorgen die Rampen für ein landschaftliches Element in der allmählichen Annäherung an das Gebäude und dem Ablösen vom Grund. In Strasbourg wird der Baukörper über Erdbewegungen differenziert eingebettet: Eine umlaufende Abgrabung isoliert das Gebäude zunächst vom Gelände, während der massive Rampenkörper eine deutliche Verbindung schafft. Referenzen Gouverneurspalast Chandigarh, Projekt 1951-54 Für den Gouverneurspalast Chandigarh von Le Corbusier existieren zwei Entwürfe: Der erste, von 1951 bis 1953 entstanden, erweist sich als überdimensioniert und zu teuer. Aber auch die verkleinerte Version von 1954 wird nicht gebaut; der indische Premierminister Nehru lehnt die Vorstellung eines Palasts für den Gouverneur als undemokratisch ab.81 Dabei hat Le Corbusier dem Palast des Gouverneurs als Sitz der Exekutive in seinem Plan für das Kapitol von Chandigarh eine zentrale Position zugewiesen; und zwar zwischen Parlamentsgebäude (Legislative) und Gerichtshof (Judikative) am Ende der Mittelachse der Gesamtanlage. Er wählt einen quadratischen Baukörper, der sich im Aufriß nach oben zurückstaffelt, um in einem bekrönenden Dachaufbau zu enden. Der Bau ist mit seinem untersten Geschoss in einen quergelagerten Hof eingesenkt, sodass er aus der Perspektive des Kapitols im Prinzip dreigeschossig, aus der Queransicht viergeschossig erscheint. Diese Geschosse sind –zumal für Le Corbusier- ungewöhnlich hoch und folglich können zwischen die drei unteren Ebenen Mezzaningeschosse eingeschoben werden. Für den Palastbau typische Elemente sind der blockhafte Charakter der Baukörper bei gleichzeitiger Frontalität der Ansicht; die Ausbildung eines piano nobile im 1. Obergeschoss und das Arbeiten mit Mezzaningeschossen für „dienende“ Funktionen. Gleichzeitig werden diese Elemente zurückgenommen: Die frontale Ansicht vom Kapitol aus wird funktionell durch die Verkehrserschließung von der Querachse aus relativiert; das piano nobile hat über den Geländeversprung Bodenkontakt; die Mezzaningeschosse öffnen sich als Emporen zu den Haupträumen, wirken also als Galeriegeschosse, die auch die Höhe des darunterliegenden Geschosses reduzieren.- Das Raumprogramm zeigt folgende vertikale Abfolge: Vorfahrt mit zentraler Halle auf Niveau 1, Gesellschaftsräume auf Niveau 2, Gästeappartments auf Niveau 3 und 3 b, die Gouverneurswohnung auf Niveau 4. Ungewöhnlich für Le Corbusier ist der komplizierte Aufriß mit der vertikalen Abfolge von vier, im Grundriss unterschiedlich weit ausgreifenden Zonen. Aus der Perspektive des Kapitols kann man das Gebäude als eine Villa Savoie auf einem Sockel auffassen. Ungewöhnlich ist auch die rigide Konstruktion der Decken als Platten mit Trägerrosten und der Stützen in Kreuzform: Es handelt sich um die einzige Anwendung eines Trägerrostes mit quadratischen Zellen bei Le Corbusier. Die mächtigen Kreuzstützen prägen durch die vom Raster vorgegebene Stellung vor allem die kleineren Räume stark. Die Position der 4 x 4 Kreuzstützen im Raster von 8,50 m in beiden Richtungen ist von der im Grundriss kleinsten Geschossplatte bestimmt. Das bedeutet für die restlichen Volumina, dass mit Auskragungen gearbeitet werden muss, bzw. auf Niveau 1 und 2 links und rechts jeweils eine zusätzliche Tragachse eingeführt wird: Zwei kräftige Wandschotten auf Niveau 2, à la Ronchamp perforiert, werden von Pfeilern auf Niveau 1 getragen. Der Entwurf für den Gouverneurspalast steht somit in einer gedanklichen Linie mit dem 20-25 Jahre früheren Werk Le Corbusiers auf Basis der Fünf Punkte; andererseits zeigen sich im Tragwerk neue Einfl üsse. So kann man im Konvolut der Pläne am Rand einer Schnittskizze den Namen Nervi lesen. Offensichtlich haben Pier Luigi Nervis ungerichtete Deckentragwerke der Zeit um 1950, seine Trajektoriendecken, Kassettendecken und Trägerroste hier auf das Atelier Le Corbusiers eingewirkt. Der Trägerrost wird vielleicht auch deshalb vorgeschlagen, weil das Mezzaningeschoss über Niveau 2 teilweise als freie Ebene von oben her abgehängt ist (allerdings ist die „Ehrentreppe“ auf Niveau 1 wieder konventionell gestützt). Der Gouverneurspalast kann folglich als der Versuch angesehen werden, die Dialektik zwischen äußerem Kubus und frei geformten Geschossrand, ausgehend von der Villa Savoie, auf eine Mehrgeschossigkeit und größere Spannweiten zu übertragen. Das Interesse an der durchstrukturierten Deckenuntersicht im Entwurf für den Gouverneurspalast bildet eine Parallele zur gleichzeitigen Arbeit von Louis Kahn an der Yale Art Gallery (1953). Es ist anzunehmen, dass die Wollfabrik in Rom und die Tabakmanufaktur in Bologna von Nervi aus den Le Corbusier: Gouverneurspalast Chandigarh, Projekt 1951-54 1 Modell 2 Schnitt 1 3.OG 67 Le Corbusier Jahren 1950-52 in beiden Fällen Anregung waren. Der quadratische Trägerrost bleibt Le Corbusier –im Gegensatz zu Mies und Kahn- jedoch fremd; die folgenden Projekte richten sich wieder nach dem Leitbild der Flachdecke als des Systems, das den Anforderungen der Fünf Punkte adäquat ist. Literatur: W. Boesiger: Le Corbusier. Oeuvre Complète 1946-52. Editions Girsberger, Zurich 1953, S.154-155 W. Boesiger: Le Corbusier. Oeuvre Complète 1952-57. Editions Girsberger, Zurich 1957, S. S.102-107 H. Allen Brooks (Hg.): The Le Corbusier Archive. Chandigarh: Capitole, Vol.III. Palais du Gouverneur and Other Buildings and Projects. Garland Publishing, New York / London und Fondation Le Corbusier, Paris 1983, S.1-381 William Curtis: Ideas and Forms. Phaidon, Oxford 1986, S.192-193; Klaus-Peter Gast: Paris-Chandigarh. Birkhäuser, Basel Berlin Boston 2000, S.146-149 Millowners‘ Association Building Ahmedabad 1951-54 Das Gebäude entsteht als Verwaltungs- und Versammlungsgebäude einer Vereinigung von lokalen Textilfabrikanten. Der kubische Baukörper von 27 auf 27 Metern Grundfl äche ist exakt nach den Himmelsrichtungen ausgerichtet. Während die Süd-und Nordseite weitestgehend geschlossen sind, öffnen sich die West- (Eingangs-) und Ostfassade in zwei verschiedenen Mustern von brise- soleil. Somit entspricht das Grundschema dem von Colin Rowe so genannten Megaron-Typ im Werk Le Corbusiers.- Im Erdgeschoss liegen die Verwaltungsräume als Großraumbüro, das den ganzen Grundriss füllt. Im ersten Obergeschoss, das durch die Rampenerschließung von außen als Hauptgeschoss gekennzeichnet ist, liegen die Räume der Direktion. Das doppelgeschossige zweite Obergeschoss wird in seiner Nordhälfte von einem kurviert geformten Versammlungssaal eingenommen, während die restliche Fläche als Aufenthaltszone für Feiern und Empfänge dient. Über ein kleines Mezzanin gelangt man von hier aus die Dachterrasse. Zur Vertikalerschließung gibt es einen innenliegenden Aufzugskern und eine wie von außen an den Baukörper herangeschoben wirkende Treppe. Durch die tiefen brise-soleil der West- und Ostfassade, die als eigene Raumschicht vor den Baukörper gestellt sind, und durch den Verzicht auf Verglasungen in den Obergeschossen ist der klimatische Raumabschluss von außen her kaum erkennbar. Der Sonnenschutz steckt ein äußerst luftig wirkendes Gebäudevolumen ab. Der großzügige Anteil von Verkehrsfl ächen im Inneren unterstreicht den räumlichen Luxus. Besonders eindrucksvoll ist die Zugangssequenz, in der man sich über die Rampe einer großen Fassadenöffnung nähert. Diese ist allerdings in Verlängerung der Rampe durch eine nach hinten versetzte Wandscheibe geschlossen. Der Eindruck der Öffnung entsteht nur über den tiefen Schatten infolge des Rücksprungs, während man zum eigentlichen Zugang leicht nach rechts –in die Flucht des Treppenantritts- verschwenken muss. Das Primärtragwerk des Millowners‘ Building zeigt die bei Le Corbusier übliche Behandlung eines quadratischen Grundrisses: Die beidseitigen brise-soleil werden vom äußeren Quadrat abgezogen, sodass als Kerngrundriss ein Querrechteck verbleibt, dessen Geschossplatten über 4 x 5 Achsen gestützt sind. Die seitlichen Achsen werden als gebäudehohe Wandschotten ausgebildet. Das Stahlbetonskelett besteht aus schlanken Rundstützen im Raster von 7,50 x 7,50 Metern (bzw. 6,50 Metern am Rand) und Plattenbalken mit einer dazwischengehängten Rabitzdecke. So entsteht eine fl ächige Deckenuntersicht, in der sich die Unterzüge als dunklere Streifen abzeichnen. Das Projekt existiert in der Oeuvre Complète übrigens in zwei Fassungen, von denen die frühere die gleiche Erschließung, wenn auch in gespiegelter Form, aufweist. Der frühere Entwurf hat jedoch keine brise-soleil. Der große Saal ist in dieser Fassung auch noch ganz kubisch und Teil der 2 1.OG2.OG EG Primärkonstruktion; im ausgeführten Projekt hingegen ist er als freigeformtes plastisches Element von der Primärkonstruktion abgelöst. Die Proportionen wirken in der Frühfassung gedrückter, weil hier die Vertikalen des Sonnenschutzes fehlen.- Das Oberlicht des Versammlungssaals im realisierten Gebäude greift ein Element des nicht realisierten Gouverneurspalast in Chandigarh auf. Andere Entwurfsgedanken hingegen, wie die Rampe, die auf einen kubischen Baukörper trifft, weisen auf das spätere Carpenter Center in Harvard voraus. Nach Kenneth Frampton steht das Millowners‘ Building für ein introvertiertes klassisches Modell, dessen extrovertierte Antithese das Carpenter Center bildet. Literatur: W. Boesiger: Le Corbusier. Oeuvre Complète 1946-52. Editions Girsberger, Zurich 1953, S. 162 W. Boesiger: Le Corbusier. Oeuvre Complète 1952-57. Editions Girsberger, Zurich 1957, S. 144-157 William Curtis: Ideas and Forms. Phaidon, Oxford 1986, S. 202-207 Kenneth Frampton: Le Corbusier and the dialectical imagination; in: Carlo Palazzolo / Riccardo Vio (Hg.): In the Footsteps of Le Corbusier. Rizzoli, New York 1991, S. 242-246 Edward Ford: The Details of Modern Architecture, Vol. 2. The MIT Press, Cambridge and London 1996, S. 204-205 Klaus-Peter Gast: Paris-Chandigarh. Birkhäuser, Basel Berlin Boston 2000, S. 172-174 Kenneth Frampton: Le Corbusier. Architect of the Twentieth Century. Harry N. Abrams Inc., New York 2002, S. 140-151 Carpenter Center for Visual Arts, Harvard University, Cambridge 1961-64 Das Carpenter Center in Harvard ist für die Undergraduate-Studenten aller Fachbereiche der Universität bestimmt, die hier eine Art grundsätzlicher Schulung in visueller Wahrnehmung und Gestaltung, sozusagen als „Schlüsselkompetenz“, empfangen sollen. Das idealistische Lehr- und Raumprogramm des Gebäudes soll nach den Worten von Sigfried Giedion, der als Professor in Harvard an der Konzeption beteiligt ist, dazu beitragen, die verhängnisvolle Spaltung von Denken und Gefühl in der Gegenwart zu überwinden82. Dazu stehen mehrere Werkräume für zweidimensionale und plastische Studien, ein Foto- und Filmatelier, mehrere Seminarräume und ein kleines Auditorium zur Verfügung. Der Bildhauer Mirko Basadella hat als künstlerischer Leiter sein Atelier im obersten Geschoss. Die Initiative zum Bau geht auf eine private Stiftung zurück. Jose Luis Sert schreibt als Dekan des Fachbereichs Architektur und Städtebau Le Corbusier im Oktober 1958 an, um ihn im Auftrag der Harvard University als Architekten für das Visual Arts Center zu gewinnen. Le Corbusier bittet in seiner Antwort darum, mit der Auswahl des Grundstücks auf ihn zu warten, weil bestimmte Dimensionen für das Projekt ungünstig sein könnten.83 Allerdings kann Le Corbusier das Grundstück nicht frei wählen, sondern muss sich mit dem bereits ausgewählten, beengten Standort zwischen den klassizistischen Bauten von Fogg Museum und Faculty Club abfi nden. Das Gebäude behauptet seine Autonomie angesichts dieser Einschränkung dadurch, dass sich der zentrale Kubus mit einer Grundfl äche von 29 Metern im Quadrat gegenüber der Ausrichtung der Nachbargebäude verdreht. Gleichzeitig stößt das Bauvolumen über die nierenförmige Auswüchse zu beiden Seiten jeweils an die Straßen vor. Die S-förmige Rampe, die jeweils parallel zu den Bürgersteigen beginnt und dank der Drehung des Kubus senkrecht auf seine Fronten trifft, stellt eine Verbindung zwischen Prescott und Quincey Street her. Durch die Rampenanlage bedingt, hat das Gebäude Eingänge auf zwei Ebenen: Im Erdgeschoss liegt das eigentliche Foyer mit dem Empfangstresen, zusammen mit dem Auditorium; im 2. Obergeschoss erschließt die Rampe nach Süden hin das Atelier für dreidimensionale Studien mit seinen brise-soleil und nach Norden hin den Le Corbusier: Haus der Baumwollspinner, Ahmadabad 1951-54 1 Außenansicht von der Straßenseite (Westen) 2 Außenansicht von der Wasserseite (Osten) 1 EG 1. OG 3.OG 2.OG 2 69 Le Corbusier unteren der beiden Ausstellungsräume. Die schmalere, haarnadelförmige Rampe, die von hier aus ansteigend die beiden Ausstellungsräume verbinden sollte, wird nicht realisiert. Im 1. Obergeschoss liegt das Atelier für zweidimensionale Studien mit seiner ondulatoire-Verglasung nach Norden hin. Der Erschließungs- und Servicekern an der Südwestecke des Gebäudes ist so gestellt, dass er in die quadratischen Geschossfl ächen des Kubus nicht einschneidet. Er bestimmt allerdings durch seine Ausmaße die Ansicht nach Westen, zur Quincy Street hin, wo die Volumina insgesamt weniger „schweben“ und stattdessen mehr Bodenkontakt haben. Die Ostansicht hingegen, zur Prescott Street hin, ist weitaus dynamischer. Hier bildet sich eine komplexe und beziehungsreiche Komposition aus dem kubischen Hauptbaukörper mit dem großen Einschnitt für die Rampe, der gekurvten Außenwand des Studios, dem schlankeren Aufzugsturm und der gebogenen Rampe Die Konstruktion aus Beton und Glas ist eine Demonstration von Le Corbusiers Theorien84. Der Architekt geht davon aus, dass die Schulung des Sehens, der sein Gebäude dienen soll, mit eben diesem Gebäude beginnt. Da es sich in Bezug auf das Programm um, wie Giedion sagt, einen Prototypen85 handelt, kann man erwarten, dass auch die Corbusier- typische Dialektik von Tragwerk und Raumbildung beim Carpenter Center besonders klar entwickelt ist. Curtis berichtet, dass im Entwurfsprozess die plastische Ausbildung des Volumens den konstruktiven Überlegungen vorangeht: The contours were conceived fi rst and the structure was put in place later, though of course a structure of this kind had been envisaged all along.86 Le Corbusier arbeitet im Inneren erstmals mit fl achen Deckenuntersichten bei einem Stützraster von 7,50 x 3,90 Metern. Anfangs sieht er noch Plattenbalken vor, da ihm die Flachdecke entweder unbekannt ist, oder er bewußt eine linear gerichtete Deckenuntersicht anstrebt87; auf einer Skizze fi ndet sich die Absicht, „Schiffe“ –nefs- auszubilden88. Im weiteren Entwurfsverlauf wird aber deutlich, dass die Balken in Konfl ikt mit den gerundeten Deckenkanten treten würden. Außerdem sind Beheizung und Belüftung bislang nicht bedacht worden. Le Corbusiers Abneigung gegen Raumkonditionierung und Abhangdecken ist bekannt. Aufgrund der Nutzung (Filmstudio, Versammlungsraum) muss jedoch in den beiden unteren Geschossen (UG und EG) eine Klimatisierung vorgesehen werden. In den Obergeschossen soll eine mechanische Lüftung mit öffenbaren Lüftungsfl ügeln –aerateurs- kombiniert werden. In diesem Moment schlägt das Büro von Sert, Jackson und Gourley, das die Ausführungsplanung übernommen hat, die Lösung mittels airfl oor vor. Das bedeutet, dass auf einer Flachdecke halbkreisförmige Luftkanäle aufgebracht werden, die später im Aufbeton vergossen werden. So ergibt sich zwar ein etwas höheres Deckenpaket, aber es kann eine glatte Deckenuntersicht erreicht werden, vor allem deshalb, weil die Pilzköpfe über die tragende Deckenplatte verlegt werden. Diese im Bauprozess aufwendige Lösung gefällt Le Corbusier so gut, dass er behauptet, die orthogonale Verbindung von Stütze und Platte ohne Kapitell89 sei überhaupt die wahre Verkörperung einer dem Material Beton adäquaten Konstruktion. Im Gegensatz zum bisherigen beton brut besteht Le Corbusier in Harvard übrigens auf einer perfekten Betonoberfl äche.90 Literatur: W. Boesiger (Hg.): Le Corbusier. Oeuvre Complète 1957-65. Les Editions d’architecture, Zurich 1965, S. 54-67; Sigfried Giedion: Raum, Zeit, Architektur. Otto Maier Verlag, Ravensburg 1965, S. 348-353; Eduard Sekler, William Curtis: Le Corbusier at Work. The Genesis of the Carpenter Center for Visual Arts. Harvard University Press, Cambridge Massachusetts, London England 1978; Kenneth Frampton: Le Corbusier and the dialectical imagination; in: Carlo Palazzolo / Riccardo Vio (Hg.): In the Footsteps of Le Corbusier. Rizzoli, New York 1991, S. 247-249; Kenneth Frampton: Le Corbusier. Architect of the Twentieth Century. Harry N. Abrams Inc., New York 2002, S. 182-195 Le Corbusier; Le Messurier Associates (TW); Werkplanung: Sert, Jackson & Gourley, Boston: Visual Arts Center, Harvard University, Cambridge Massachusetts 1961-64 1 Ansicht von Osten (Prescott Street) 2 Innenraum 2.OG 1. OG 1 2 4.OG 2.OG Kongresspalast, Strasbourg 1964 Der 80 x 80 Meter messende Baukörper hat bei einer Höhe zwischen 24 und 31 Metern vier Hauptgeschosse, wobei das Niveau 1 unter dem natürlichen Terrain liegt, und über eine breite Abgrabung belichtet ist. Niveau 2, das untere Eingangsgeschoss auf Geländehöhe, enthält - windmühlenfl ügelartig angeordnet- vier Konferenzbereiche. Zusätzlich zum zentralen Foyer sind den eigentlichen Konferenzsälen jeweils separate Saalfoyers mit Besprechungsräumen und Büros vorgeschaltet. Niveau 3 ist das obere Eingangsgeschoss, ebenfalls mit einer Höhe von 5,50 Metern; das Konferenzzentrum wird hier an einer Gebäudeecke über eine breite Rampe im Außenbereich erschlossen. Dem Eintretenden bietet sich ein Blick in das großzügige Foyer, in dem Infotheken, Reisebüro, Bank, Post, Zeitungsladen und Bar als fl ottierende Inseln zu treiben scheinen. Nur die Gesellschafträume sind mit der Bibliothek zu einem Block zusammengefaßt. Die eigentliche Sensation besteht aber in einem Auswuchs der Geschossplatte, der in Blickrichtung des Eingangs aus der Rückseite des Gebäudes vortretend die quadratische Kontur verläßt und sich auf das schräg geneigte Dach des Konferenzzentrums hochwindet. Ein breiter Abzweig dieses Rampenbauteils erschließt das Niveau 4, auf dem ein Ausstellungssaal und die großen Konferenzsäle liegen. Deren weitaus größter nimmt zusammen mit der Bühne die ganze Gebäudetiefe der Westhälfte ein. Hinter dem Abzweig geht die Rampe in den Außenraum über, da sie ab diesem Punkt die begehbare Dachfl äche erschließt. Diese entpuppt sich bei näherem Hinsehen als sehr fl aches hyperbolisches Paraboloid, dessen Schräglage sich aus den unterschiedlichen Raumproportionen der Säle auf Niveau 4 herleitet. Der heraustretende Rampenbauteil umgeht das Niveau 3b, das Verwaltung und Unterbühne des großen Saals in einer L-förmigen Konfi guration vereint. Die Verwaltung ist separat zugänglich über die Galerie, die auf Niveau 3 durch den Rückversatz der Fassade hinter die Außenstützen entsteht. Niveau 5 beschränkt sich auf schmale Serviceezonen entlang der großen Säle. Neben der Rampenerschließung erschließen zentral situierte Rolltreppen die Niveaus 1 bis 4. Ein vom Gebäude abgerückter Lastenaufzug bedient über Brücken die wichtigen Geschosse und das Dach. Das ganze Gebäude ist trotz seiner großen Tiefe nur über die Seiten belichtet. Ein 14 m im Quadrat messender Luftraum erlaubt vertikale Sichtbeziehungen von Niveau 2 zu Niveau 3 und 3b; ein gleich großer Luftraum verbindet –in Randlage- Niveau 4 und 5 mit Niveau 3. Der Entwurf für den Kongresspalast Strasbourg zeigt eine besondere Variante der Durchdringung von innen und außen: Die äußere Erschließung läuft hier nicht durch das Haus, wie beim Carpenter Center, wo der Eingang im Zentrum liegt. In Strasbourg wird die Bewegung in einer Spiralform stärker eingefangen: Die äußere Erschließung wird, nachdem sie den Eingang passiert hat, zu interner Erschließung; die Bewegungsenergie dieses Verkehrsstroms scheint aber so groß zu sein, dass sie durch die Gebäudekontur hindurchbricht und den Erschließungsraum nach außen stülpt. Die ganze topologische Manipulation wird dabei –mit Ausnahme der ebenfalls unproblematisch zu konstruierenden Dachfl äche- in einer schlichten Geometrie einsinniger Krümmungen ausgeführt. Die Ebenen im kartesianischen Raster bleiben scheinbar unangetastet, werden nur punktuell miteinander vernäht. Nicht zufällig entspricht die durchschnittliche Breite der Rampe dem durchgehenden Stützenabstand von 7,50 Metern. In Strasbourg wird die freie Fassade der fünf Punkte über die Geschossplatte hinaus gedehnt und wird dabei zu primärer Konstruktion. Jedoch führt der Bruch mit den selbstgesetzten Dogmen das Projekt mittels der topologischen Ausstülpung auf ein neues Niveau der Kohärenz. Le Corbusier, der sich im Laufe seines Lebens vom Maler zum Plastiker entwickelt hat, verläßt in Strasbourg noch folgenreicher als in Harvard das Rechteck des plan libre und entdeckt in der Topologie das räumliche Äquivalent zur mariage des contours. Le Corbusier: Kongresspalast Strasbourg, Projekt 1964 1 Dachaufsicht Modell 2 Schnitt W-O 1 2 71 Le Corbusier EG 1. OG 3. OG 2. OG Literatur: W. Boesiger (Hg.): Le Corbusier. Oeuvre Complète 1957-65. Les Editions d’architecture, Zurich 1965, S. 152-163 H. Allen Brooks (Hg.): The Le Corbusier Archive. Buildings and Projects, 1964-65. Garland Publishing, New York / London und Fondation Le Corbusier, Paris 1984, S. 87-190 Karin Michels: Der Sinn der Unordnung. Arbeitsformen in Atelier Le Corbusier. Vieweg, Braunschweig, Wiesbaden 1989, S.119-156 Typenentwurf für Geschäftshäuser in Chandigarh Die 30 Meter tiefen, vier Geschosse hohen Gebäuderiegel umstehen den zentralen Marktplatz von Chandigarh und die daran anschließenden breiten, für Fußgänger konzipierten Einkaufsstraßen. Ihr Entwurf wurde –dem Text in der Oeuvre Complète zufolge- einer Gruppe indischer Architekten unter Leitung von Pierre Jeanneret anvertraut. Man kann in ihnen die reinste Verkörperung des Dom-Ino-Diagramms erkennen, die von Le Corbusier oder seinem Umkreis umgesetzt wurde: Stahlbetonbauten auf einem quadratischen Raster mit Rundstützen von 5 auf 5 Metern; darüber jeweils Plattenbalken in beiden Richtungen, die an Längs-und Querseite der Baukörper gleiche Bedingungen schaffen. Darüber die Geschossdecke, die allerdings bündig mit den Stützen abschließt. Dieses ist das einzige Zugeständnis an die Tradition schattenspendender Arkaden. Massive Brüstungen sind auf Abstand zwischen die Stützen gesetzt. Die allseits zurückgesetzte Raumbegrenzung –mit ondulatoire-Verglasung- führt dazu, dass die Korridore laubengangartig am Rand der Geschosse verlaufen. Eine ähnliche Inversion von Erschließung zu Nutzfl äche kann man in den Laborbauten von Saarinen und Kahn beobachten. In Chandigarh hat diese Umstülpung den Vorteil, dass die Geschossdecken gleichzeitig als Sonnenschutz dienen. So sollen die Obergeschosse wohl genau so funktionieren, wie das Erdgeschoss. An den kurzen Stirnseiten zum Marktplatz sind geringfügige Modifi kationen des Systems möglich, bei denen jeweils eine oder zwei Geschossdecken um eine Achse zurückgesetzt werden, sodass sich eine etwas monumentalere Ordnung ergibt. Literatur: W. Boesiger (Hg.): Le Corbusier. Oeuvre Complète (Band 8). Les dernières oeuvres 1965-69. Les Editions d’architecture, Zurich 1969, S.86 Le Corbusier: Typenentwurf für Geschäftshäuser in Chandigarh 1, 2 Ansicht 3 Axonometrie Deckenrand 4 Typischer Grundriss 5 Schnitt 6 Ansicht 1 3 5 2 4 6 73 Corporate Modernism 1945-73 In diesem und dem nächsten Kapitel werden die tiefen Grundrissorganisationen der Nachkriegszeit anhand ausgewählter Referenzen vorgestellt Dabei lassen sich zwei unterschiedliche thematische Stränge verfolgen, die untereinander mannigfache Berührungspunkte haben, doch hier der Klarheit wegen in separaten Kapiteln behandelt werden sollen. Unter Corporate Modernism ist dabei eine spezifi sch US-amerikanische Kombination aus moderner Architektur und Unternehmenskultur gemeint. In der Entstehung dieses Kontextes spielen die europäischen Emigranten wie Mies van der Rohe oder Marcel Breuer eine große Rolle; als Inbegriff von Corporate Modernism kann die Arbeit des Büros Skidmore, Owings & Merrill (SOM), aber auch von Eero Saarinen gelten. Im Rahmen dieses Kapitel geht es dabei eher um die Auswirkungen der Arbeitsorganisation auf die Grundrissbildung, während im nächsten Kapitel die architektonischen Infrastruktur-Konzepte vorgestellt werden. Ähnlich, wie in Chicago um 1880 läßt sich auch im Nachkriegs-Amerika fast musterhaft das Zusammenwirken von gesellschaftlichen und technischen mit städtebaulichen und architektonischen Entwicklungen beobachten: Die Durchsetzung des motorisierten Individualverkehrs, das Anwachsen des Dienstleistungssektors gegenüber dem produzierenden Sektor oder neue Formen der Arbeitsorganisation treffen als soziale und ökonomische Entwicklungen auf Innovationen der Baukonstruktion und des technischen Ausbaus. Das Wesentliche ist dabei, dass die tiefen Grundrissorganisationen erstmals nicht mehr in den Innenstädten allein zu fi nden sind. Das Argument der städtischen Dichte als vordringlicher Motivation wird ersetzt durch das organisatorischer Vorteile von tiefen Gebäuden. Das bedeutet, die Autonomie des tiefen Gebäudes wird noch größer; man trifft es in diversen städtischen und landschaftlichen Kontexten an; seine interne Struktur ist das Ergebnis eines funktionalen Optimierungsprozesses. Urban-suburban-exurban In den Nachkriegsjahren entsteht bei den großen Verwaltungen und Dienstleistern wie Versicherungsunternehmen die Tendenz, den notwendig werdenden Erweiterungsbedarf nicht auf angrenzenden Grundstücken innerhalb der Stadt zu decken, sondern völlig neue Anlagen außerhalb der Städte zu errichten. Dazu trägt die sprunghaft angestiegene individuelle Mobilität bei; nach dem Krieg entsteht innerhalb weniger Jahre das Autobahnnetz der USA. In diesem Kontext wird es erstmals möglich, Bürogebäude in einem idyllischen, landschaftlichen Kontext anzusiedeln. Arthur Drexler geht so weit, das ex-urbane Bürogebäude als ein ‚ideales‘ Problem der modernen Architektur zu bezeichnen91. Zumindest handelt es sich um einen neuen Typus von Bürogebäude, der gleichberechtigt neben die innerstädtischen skyscraper tritt. Waren die Gebäudedimensionen in den Blockrastern der amerikanischen Innenstädte durch die Grundstückszuschnitte vorgegeben, so werden sie bei einem Verwaltungsgebäude im Grünen arbiträr. Für die Gebäudetiefe und innere Struktur dieser Bürokomplexe werden neue Vorstellungen zur Arbeitsorganisation wirksam, die auf die neuen technischen Möglichkeiten zur Klimatisierung und Beleuchtung tiefer Grundrisse zurückgreifen können. Die meisten dieser ex-urbanen Anlagen gehören in die Typologie der (verdichteten) Flachbauten oder ‚mat buildings‘. Einige sind allerdings so massiv und kompakt, dass sie als tiefe, mehrgeschossige Bauten anzusehen sind. Die ex-urbanen Verwaltungsbauten sind letzlich der Endpunkt einer Entwicklung zur Aufl ösung der Stadt, deren Beginn mit der Aufklärung Tafuri nachzeichnet, wobei die daraus folgende soziale Desintegration ein Maß übersteigt, das sich die frühen Theoretiker der Stadt-Landschaft vorstellen konnten (z.B. im Fall von Detroit). Das Arkadien der ex-urbanen Headquarters steht für eine im amerikanischen Bewußtsein immer wieder anzutreffende anti-urbane Mentalität, die die congestion der Innenstädte scheut und räumliche Zusammenhänge auf Frage der Verkehrsanbindung reduzieren möchte. Corporate Modernism 1945-73 Open Offi ce Das Bürogebäude als eigener Bautyp entsteht bereits um 1870 und setzt innerhalb eines produzierenden Unternehmens die Möglichkeit einer räumlichen Trennung von Verwaltung und Produktion voraus, die erst durch die Erfi ndung des Telefons gegeben ist. Vom nutzerspezifi sch erstellten Verwaltungsbau ist der Bürobau als Objekt der Immobilienspekulation zu unterscheiden, der nur wenig später einsetzt92. Dominiert am Anfang das Zellenbüro, so wird dieses gegen Anfang des 20. Jahrhunderts durch großräumigere Zusammenhänge abgelöst, wie sie sich in Wrights Larkin Building (1905) beobachten lassen. In der Nähe zur Produktion folgt die Büroarbeit dabei den Vorstellungen von Effi zienz, wie sie sich mit einer tayloristischen Arbeitsorganisation verbinden. In den Jahren vor dem zweiten Weltkrieg jedoch wandelt sich das Leitbild der Büroorganisation. Man verabschiedet sich allmählich von den rigide linear strukturierten Büroorganisationen früherer Jahrzehnte und versucht, neue arbeitspsychologische Kenntnisse auf die Büroumgebung anzuwenden. Das Großraumbüro von Johnson Wax (Frank Lloyd Wright, 1939) ist die erste, architektonisch spektakuläre Version dieses Trends, in dem es um darum geht, räumliche Barrieren zwischen Managern und Angestellten zu verringern und Teamwork als stärker motivierende Arbeitsform zu etablieren93. Während bei Johnson Wax als produzierendem Unternehmen noch die Verwaltung in räumlicher Nähe zur Produktion angesiedelt ist, handelt es sich bei den Auftraggebern der großen ex-urbanen Bürokomplexe nach dem Krieg hauptsächlich um Dienstleistungsunternehmen:1956 überholt erstmals der white-collar den blue-collar-Sektor der US-amerikanischen Wirtschaft.- Der Gebäudekomplex der Connecticut General Life Insurance Company, Bloomfi eld (Connecticut), 1954-57 von SOM (Skidmore, Owings, Merrill) ist repräsentativ für diese Entwicklung94. Die ex- urbanen Bürobauten sind sämtlich großfl ächige, zwei- oder dreigeschossige Baukörper mit zurückgesetzten Erdgeschossen und vergleichsweise großen Gebäudetiefen. Die Geschossfl ächen sind dank eingeschnittener Höfe nicht tiefer als 20 m, wenn auch teilweise nur einseitig belichtet. Für die Organisation der Bürofl ächen wird das Konzept des „Offenen Büros“ (open offi ce) entwickelt. Es bedeutet den Abschied von rigide linear gereihten Bürozellen. An deren Stelle treten einige wenige modular aufgebaute Kojen für die Einzelarbeit, die an der Fassade angeordnet sind; der weitaus größere Anteil des Grundrisses ist jedoch ein durch fl exible Trennwände auf modularer Basis strukturierter Großraum. Das open offi ce greift auf drei technische Innovationen der Zeit zurück: Klimatisierung, künstliche Beleuchtung mittels Leuchtstoffröhren und Abhangdecke. Mit diesen Mitteln kann die Raumtiefe beträchtlich erhöht werden. Gleichzeitig entsteht Bedarf an Versorgungsnetzen, die jeden Punkt im Raum bedienen, und mobilen Raumtrennungen. Modulare Möbelsysteme sind die notwendige Ergänzung zum open offi ce. Klimatisierung und Grundrissform Einen entscheidenden Schritt zur Nutzung tiefer Geschossfl ächen bedeutet die Klimatisierung, die, auf Patenten der Zeit um 1905 herum basierend, anfänglich vor allem bei industriellen Nutzungen angewendet wird (Der Begriff air conditioning stammt von Stuart W. Cramer, 1904-06). Von dort aus greift sie –in den 1920er bis 50er Jahren auf Kinosäle über. Das erste klimatisierte Bürogebäude ist nach Banham das Milam Building in San Antonio, Texas von 1928 (Architekt George Willis, Ingenieur M. L. Diver), übrigens seinerzeit mit 21 Geschossen das höchste Hochhaus aus Beton. Die zentral- dezentral konzipierte Klimaanlage versorgt im oberen Abschnitt des Gebäudes je zwei Geschosse über Kanäle im Flurbereich des Zweibunds, wobei die Korridore selbst als Abluftkanäle dienen. Die dezentralen Einheiten, die es auf jedem zweiten Geschoss gibt, sind mit Toiletten und Aufzügen zu einem zentralen Block an der Außenseite des U-förmigen Baus geordnet. Somit geht wenig 1 2 5 3 4 75 Corporate Modernism Geschossfl äche durch vertikale Leitungsführung verloren. Das Konzept wird bis 1937 durch Willis Carrier, den ‚Vater‘ des air conditioning, verfeinert: Gefi lterte Luft mit kontrollierter Luftfeuchte wird mit hoher Geschwindigkeit durch kleine Querschnitte geführt und am Austritt unter den Bürofenstern gewärmt oder gekühlt. Wegen Rezession und Krieg setzt sich air conditioning vor Ende der 1940er Jahre nicht allgemein durch. Zu diesem Zeitpunkt ist aber bereits die Neonröhre (Lumiline, 1938 von Westinghouse und GEC) auf den Markt gekommen, die bei geringerem Stromverbrauch die thermischen Lasten aus künstlicher Beleuchtung signifi kant reduziert. Dieses Zusammentreffen von Klimatisierung und Neonröhre ermöglicht nach Banham eine längst fällige Rationalisierung des Standard- US- Büroturmgrundrisses: 95 Herkömmliche Bürohausgrundrisse, wie das Marquette Building, Chicago, von Holabird & Roche, hatten eine Einkerbung auf der Rückseite, die der Licht- und Luftzufuhr zum Zentrum des Blocks diente. Ein solcher Grundriss (notchback) ist aber schwer zu unterteilen und enthält unvorteilhafte Eckräume, die sich schwer vermieten lassen, während ein Rechteckgrundriss (full-fl oor) mit Kern im Zentrum wesentliche Vorteile in Nutzung und Vermietung bietet. So ist nur eine Frage der Zeit, bis die möglichen Mehreinnahmen in der Vermietung des full-fl oors die Zusatzkosten aus air conditioning und unterstützender künstlicher Beleuchtung für die innenliegenden Zonen überwiegen. Nach dem Zweiten Weltkrieg ist dies der Fall, und trifft mit der Präferenz der Architekten für simple Prismen zusammen. Die Favorisierung des full-fl oor führt dazu, dass wenig später, z.B. beim Inland Steel Building, Chicago von SOM, der Erschließungs-und Installationskern ganz aus der Geschossfl äche ausgegliedert wird, und somit ein idealer rechteckiger Großraum für die Büronutzung zur Verfügung steht. Auswirkungen von Klimatisierung und künstlicher Beleuchtung auf die Grundrißform US-amerikani- scher Bürohochhäuser notchback: 1 Holabird & Roche: Marquette Building, Chicago 1884 (16 Geschosse, Stahl) 2 George Willis; Ing.: M.L.Diver: Milam Building, San An- tonio, Texas 1928 (22 Geschosse, Stahlbeton; erstes Beispiel für Klimatisierung) full fl oor: 3 Skidmore, Owings & Merrill (Gordon Bunshaft): Pepsi Cola HQ, New York 1958-59 (11 Geschosse, Stahl) 4 Skidmore, Owings & Merrill: Inland Steel Company HQ, Chicago 1956-58 (19 Geschosse, Stahl) 5 Skidmore, Owings & Merrill (Gordon Bunshaft): American Republic Insurance Company, Des Moines / Iowa (8 Geschosse, Stahlbeton), s.a. Schnitt S. 286 6 Skidmore, Owings & Merrill: Hartford Fire Insurance Company, Chicago, 1959-61 (22 Geschosse, Stahl- beton) 7 Kevin Roche, John Dinkeloo Ass.: College Life Insurance Company, Indianapolis / India- na 1967 (11 Geschosse, Stahlbeton) 8 Skidmore, Owings & Merrill (Bruce Graham, Fazlur Khan): Sears Tower, Chicago 1968-74 (109 Geschos- se, Stahl) 6 7 8 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 77 Corporate Modernism Bürolandschaft Das organisatorische Modell des open offi ce erreicht in den späten 1950er Jahren Europa und wird besonders in Deutschland vom Quickborner Team aufgegriffen. Hier werden die Arbeitsabläufe neu durchdacht und optimiert. Erkenntnisse aus der Kybernetik als einer damals neuen Disziplin werden einbezogen. Büroarbeit wird erstmal explizit als Informationsverarbeitung defi niert. Die möglichst effi ziente Informationsverarbeitung ist aber von der Funktion der Kommunikationsnetze abhängig. Die Autoren der Bürolandschaft grenzen sich bewußt gegenüber dem US-amerikanischen Konzept des open offi ce ab: Der Büro-Großraum ist kein Saal, bei dem man vergessen hat, Wände einzuziehen und schon gar nicht jener großfl ächige Bürotyp aus den USA, dessen sämtliche Fensterfronten mit Glasboxen für das middle-management besetzt sind und in dessen tageslichtlosem Inneren die Schreibtische endlos, langweilig gereiht sind.96 Unter dem Namen „Bürolandschaft“ wird ein möglichst tiefer Großraum von geringer Deckenhöhe mit mobilen Abtrennungen propagiert. Die räumliche Mobilität wechselnder Arbeitsgruppen wird dabei vorrangig. Das Einzelbüro soll völlig verschwinden. Leitbilder sind Selbstorganisation und fl ache Hierarchien; das heißt, die tiefen Grundrisse werden auf Basis neu gefundener funktionaler Parameter für eine optimierte Arbeitsorganisation im Gebäudeinneren angestrebt. Dabei wird das Entwurfswissen in Form präziser maßlicher Vorgaben niedergelegt. Repräsentativ für dieses Bürokonzept ist das Buch Flexible Verwaltungsbauten von: Ottomar Gottschalk97, 1963 zum ersten Mal erschienen. (Die folgenden Zitate stammen aus der 2. Aufl age von 1968). Gottschalk stellt das Konzept der Bürolandschaft von der Planung über den Gebäudentwurf bis zu Ausbau und Einrichtung vor. Am Schluß geht er auf geplante und realisierte Beispiele ein, die auch einer Bewertung unterzogen werden. Im Rahmen dieser Arbeit sind zunächst die Empfehlungen zum Gebäudeentwurf interessant: Grundrissmerkmale sind: unabhängig von der Fassade angeordnete Arbeitsplätze und variable Verkehrsadern. Ausschließlich dieser Gebäudetyp vermag alle Forderungen hinsichtlich der Flexibilität zu erfüllen...Die Gestalt der zusammenhängenden Primär- oder Nutzfl äche muss aus folgenden Gründen dem Kreis angenähert sein: -Geringere Wege im Büro durch ideale Zuordnungsmöglichkeit der Arbeitsplätze; -Bessere Beherrschung der Umweltbedingungen durch geringere optische, akustische und klimatische Störungen; -Weniger Verkehrs– und Konstruktionsfl ächen und damit niedrigere Baukosten. Es wird ein Grundriss von mindestens 24 m Tiefe gefordert, mit einer Proportion der Seitenlängen von mindestens 1:2. Der Perimeter soll möglichst klein sein. Es soll mindestens 100 Arbeitsplätze pro Großraumeinheit geben, d.h. eine Bürofl äche von 800 - 1000 m². Dabei wird mit der Geräuschkulisse durch die arbeitenden Personen argumentiert, die bei 50-54 db liegen soll. Über die Maximalausdehnung liegen keine praktischen Erfahrungen vor. Bekannt ist, dass Raumtiefen von 60- 80 m bei entsprechend gestalteter Umwelt keine psychologischen Schwierigkeiten bereiten. Bedingt durch organisatorische Forderungen können daher künftig größere Raumtiefen erwartet werden, sofern Verkehrserschließung und Grundstücksgröße dieses zulassen....Die Anzahl der Bürogeschosse soll möglichst gering gehalten werden, um die Kommunikationslinien nicht zu stören. Daneben sprechen besonders wirtschaftliche Gründe für eine Begrenzung der Geschosszahl. Daher haben Bauten am Stadtrand 1-2 Bürogeschosse, Bauten in der Stadtmitte 5-6 Bürogeschosse. Es ist wichtig, unterhalb der Hochhausgrenze zu bleiben, um die erhöhten Kosten für Brandschutzmaßnahmen zu vermeiden... Bezüglich der Erschließung wird empfohlen: Alle Nutzfl ächen innerhalb eines Geschosses sollen von einer einzigen Stelle, dem Erschließungspunkt, funktional erschlossen werden. Pausenzonen und Sanitärfl ächen sollen dezentral angeordnet werden. Kennzeichnend für die Bürolandschaft ist die Lage der Erschließungskerne am Rand, ähnlich wie in Chicago am Ende des 19. Jahrhunderts, 1 Walter Henn: Verwaltungsgebäude Osram, Mün- chen 1962-66, Innenraum 2,3 Bauabteilung DuPont: Testraum DuPont, Wilming- ton 1966-67. Umbau 15. OG eines best. Büro- hochhauses. Gegenüberstellung Zellengrundriß / Bürolandschaft 4 Bauabteilung der Ford-Werke: Verwaltung Ford- Werke Köln-Deutz, Umbau eines dreistöckigen Ausstellungsgebäudes 1965-67 5 Walter Henn: Verwaltungsgebäude Oseam, Mün- chen 1962-66, Neubau mit 5 Obergeschossen 6 Werner Zobel: Nino, Nordhorn, 1960-63, Neubau mit 4 Obergeschossen 7 Zinsser: Continental, Hannover. Neubau mit 4 Obergeschossen 1964-66 8 Bauabteilung Philips: Philips Eindhoven, zweige- schossiger Neubau, 1967 9. 13 Walter Henn : Kommissionshaus Buch + Ton, Gütersloh, Umbau 4.OG eines bestehenden Ver- sandgebäudes 10 Gehrmann: Berlinische Leben, Wiesbaden 11 Kodak Project Engineering Offi ce: Eastman Kodak, Rochester (New York) 1967-68 Umbau 4.OG einer best. Fabrik 12, 13 Abbildungen ohne Ortsangabe aus Sieverts, Büro- haus- und Verwaltungsbau 12 13 um eine möglichst große zusammenhängende Fläche herzustellen: Hauptkern und Nebenkerne müssen am Rande der Bürofl äche liegen, um diese nicht unnötig zu zerteilen. Auch die horizontale Erweiterbarkeit spielt hierbei wieder eine Rolle. Die lichte Raumhöhe soll zwischen 2,65 und 2,80 m liegen. Höhere Werte erschweren wesentlich die Schaffung subjektiver Räume durch die freie Mobiliaranordnung. Es sind vorzusehen: für Beleuchtung, Unterdecke und Rasterdecke: 0,40 –0,70 m für Klimakanäle, Konstruktion und Estrich: 0,85 –1,20 m Die Geschosshöhen mehrgeschossiger Bauten betragen daher 3,90 –4,70 m; der Durchschnitt liegt zwischen 4,20 und 4,30 m. Bezüglich der Fassade heißt es: Bei einem gut geplanten Großraum sollten ... statt 100 % nur 20 bis 40% der Geschossumrißlinie verglast sein. Das entspricht ... ca. 1,0 m² Glasfl äche je Arbeitsplatz. ... Da das Fenster im Großraum keine Quelle der Belichtung oder der Belüftung für die Arbeitsplätze mehr darstellt, dient es nur noch dem Ausblick, um den Kontakt mit der Außenwelt zu erhalten... Pausenzonen dagegen müssen immer großzügig verglast werden. Wichtig, auch aus Gründen des unproblematischen Umbaus, ist die gleichwertige Belichtung, Klimatisierung und akustische Behandlung aller Flächenabschnitte... Nach diesen etwas trockenen Hinweisen kommt man zur Mobiliaranordnung. Hier entfaltet die Bürolandschaft, wieder ausgehend von strikt funktionalen Parametern, ihre karge Poesie von Haupt- und Nebenwegen, Kommunikationsfl üssen und Arbeitsabläufen. So gilt z.B.: Arbeitsgruppen müssen durch gleiche Ausrichtung oder Schrägstellung ihrer Schreibtische und durch abgrenzende Zäsurelemente betont und für alle Angestellten kenntlich gemacht werden, da die Arbeit innerhalb einer Gruppe soziale Anregung gibt. In der Theorie der Bürolandschaft wird ein um 45° gegenüber den Außenkonturen des Baukörpers gedrehtes Stützenraster empfohlen, weil so die Geschossplatte noch mehr als ein „Feld“ erscheint98. Die Stützenreihen des orthogonalen Rasters vermitteln in der räumlichen Erfahrung immer noch das Gefühl von Tiefe: Man erkennt die Fassadenstützen, dann den ersten inneren Stützen“ring“, etc.. Durch die Schrägstellung des Rasters hingegen soll das Gefälle vom hochwertigem Rand zur dunkleren Kernzone, das sich traditionell in tiefen Grundrissen einstellt, auch strukturell aufgebrochen werden. In der Empfehlung alternativer Raster schwingt hier die Erwartung mit, durch eine Störung herkömmlicher Orientierungsmuster die traditionell unterschiedliche „Wertigkeit“ von Teilräumen aufzuheben. Deshalb gibt es auch Bürolandschaften im Dreiecks-und Sechseckraster. Die ersten Bürolandschaften, die in Deutschland realisiert werden, sind „Testräume“. Die Unternehmen wollen die Brauchbarkeit der neuen Organisationsform zunächst für eine Weile testen, bevor sie ihre ganze Verwaltung umstellen. Solche Testräume werden oft im obersten Geschoss von bestehenden Produktionsstätten untergebracht. Hier ist der unmittelbare typologische „Link“ zwischen Stockwerksfabrik und Bürolandschaft gegeben. Diese Nähe belegt auch die These, dass Bürolandschaften jeweils unternehmensspezifi sch organisiert sind und sich nie als Leitbild in der Möblierung anonymer, spekulativer Bürofl ächen durchsetzen. Andererseits ist die Bürolandschaft noch ein Konzept aus der Frühzeit der digitalen Info rmationsverarbeitung. Papierarbeit und Belegfl uß99 spielen noch eine große Rolle, während die elektronische Datenverarbeitung lokal, oft in Nähe zu „Festpunkten“, d.h. Kernen konzentriert und von der Bürofl äche separiert ist. Trotzdem ist das Konzept der Bürolandschaft historisch relevant, weil es einen der ersten Versuche bedeutet, die Struktur von Information und Kommunikation, als immaterieller Faktoren, räumlich adäquat umzusetzen und so Architektur und Planung auf eine neue Phase der Arbeitsorganisation einzustellen. Etwas frustrierend ist die Tatsache, dass die Bürolandschaft räumlich und formal so wenig fruchtbar geworden ist, da sie sich hauptsächlich in Sekundärelementen, wie Mobiliar oder beweglichen Raumteilern manifestiert. 1 Rave und Rave: BfA Berlin 2 Barmenia, Wuppertal 1964 3 Abbildung ohne Ortsangabe aus Sieverts, Bürohaus- und Verwaltungsbau 1 2 3 79 Corporate Modernism Das „Landschaftliche“ bleibt nur Metapher, als Umschreibung für eine lockere, ‚spontane‘, informelle Ordnung der sekundären Elemente wie Möblierung und bewegliche Raumteiler, die sich in einer nicht-orthogonalen Geometrie in der Anordnung dieser Elemente manifestiert. Da für die meisten Menschen das Landschaftserlebnis sich mit Freiheit verbindet, nimmt der Terminus Bürolandschaft auch beschönigenden Charakter an, bedeutet das Arbeiten in einer Bürolandschaft für die Angestellten doch tendenziell Deprivation von visuellem Außenkontakt und individuellen Rückzugsmöglichkeiten. Die Anforderungen an die Architektur sind ebenso klar formuliert wie rudimentär. So wird die Geschossdecke ebenso akzeptiert, wie Stützenraster und Erschließungskerne. Während also die Möblierung der Ebenen dem Konzept der Vernetzung folgt, unterliegt die Architektur nach wie vor dem Diktat der Rationalisierung: Kompaktheit des Baukörpers, Schichtung von Ebenen und ein unkomplizierter Bauablauf sind die Prämissen der Primärkonstruktion. Obwohl Gottschalk vom Raum als Hülle eines Informationsmarktes100 spricht, ist die Bürolandschaft nur ein wichtiger Zwischenschritt auf dem Weg zu einer wirklichen Informations-Architektur. Vom open offi ce über die Bürolandschaft zum Atrium Anhand zweier US-amerikanischer Beispiele, die im Abstand eines Jahrzehnts entstanden, zeigt sich, wie das Konzept der Bürolandschaft in den amerikanischen Kontext einwirkt, wobei es zunächst das open offi ce ablöst. In ihrem vollen Umfang wird allerdings in den USA keine Bürolandschaft realisiert. Eero Saarinens Deere & Company, 1957-63, und SOM‘s Weyerhäuser, 1968-71, gehen – zunächst vom Baukörper her betrachtet- über die Zwei-und Dreigeschossigkeit der sonstigen ex- urbanen Bürogebäude hinaus. Beide Gebäude sind so in landschaftliche Mulden eingebettet, dass der Zugang in einem Obergeschoss liegt. In der mehrgeschossigen Schichtung des Gebäudes bildet sich immer auch die Unternehmenshierarchie ab: Die Unternehmensspitze ist in einem eigenen Geschoss separiert, das weniger Fläche als ein Normalgeschoss hat und insofern entweder als Rücksprung im Sockelbereich (eines tiefen, aufgeständerten Riegels bei Deere & Company) oder als Penthouse (beim pyramidalen Querschnitt von Weyerhäuser) in Erscheinung tritt. Deere & Company ist als open offi ce mit einem beträchtlichen Anteil von Zellenbüros, auch in der Grundrisstiefe, organisiert. Die Anlage von Zellenbüros (meistens für die Sekretariate) in zweiter und dritter Reihe ist eine amerikanische Besonderheit, die schon im Marquette Building vorkommt. Hingegen folgt Weyerhäuser eher dem egalitären, europäischen Modell der Bürolandschaft, wobei sich auch hier durch die wechselnden Geschosstiefen sehr verschiedene Innenraumqualitäten einstellen. Andere mehrgeschossige Beispiele von Bürobauten, wie Aetna, 1966 und College Life, 1967 -zwei Bürogebäude für Versicherungsunternehmen von Kevin Roche und John Dinkeloo- entsprechen eher einem klassischen Loft. Die topographische Einbettung spielt hier keine Rolle. Obwohl für ein spezielles Unternehmen konzipiert, ist gerade College Life auch als spekulativer Bürobau gut vorstellbar. Bei den Bürobauten von Roche / Dinkeloo sind die großen, über weite Strecken geschlossenen Außenwände bemerkenswert, die mit verspiegelten Glasabschnitten wechseln. Vertikalerschließung und Services werden an den Rand der Geschossfl äche geräumt. Der Anteil natürlicher Belichtung in den z.T. über 30m tiefen Flächen kommt bei Aetna neben gläsernen Spalten der Außenwand vor allem über einen Innenhof, bei College Life über die vollverglasten Südwest-/Südostfassaden. In der sparsamen Befensterung folgen diese Bauten noch am ehesten den Empfehlungen zur Bürolandschaft, ebenso wie in der Randlage der Kerne. Anhand der Produktion von Roche / Dinkeloo –die ja das Büro von Eero Saarinen nach dessen Tod 1961 weiterführen- läßt sich die Entwicklung des US-amerikanischen Bürobaus gut nachvollziehen. In ihren späteren Bauten rücken sie von den tiefen Grundrissen zunehmend ab. Atrien, wie zuerst Ottomar Gottschalk: Diagramme zur Büroland- schaft, aus: Flexible Verwaltungsbauten (1. Aufl age1961, 2. Aufl age,1968, 3. neubearbei- tete Aufl age 1979) 1 Beziehungsschema einer Hauptverwaltung mit 800 Personen (1968) 2 Verkehrsführung in einer Bürolandschaft (1979) 3 Organisatorische Forderungen an die Umrißlinie einer Bürolandschaft (1979) 1 2 3 bei Saarinens Bell Labs erprobt, werden zum festen Bestandteil der Bürogebäude. In diesem Sinn wird auch die Erweiterung von Deere & Company ausgeführt. Im unrealisierten Entwurf für FIAT in Turin von 1973 (!) wird der Querschnitt von Deere & Company –mit den Zellenbüros in Tiefen Grundrissen- um die vier Seiten eines verglasten Atriums herumgewickelt. In den 1980er Jahren stoßen Roche / Dinkeloo zu Organisationsformen vor, bei denen durch das fraktale Aufbrechen und Verlängern der Umrißlinie fast alle Büros in den Genuß von Tageslicht kommen (Exxon Corporation, 1983 etc.) Die europäische Produktion folgt nach dem Abschied von der Bürolandschaft im Prinzip diesen amerikanischen Organisationsformen, aber in Gebäuden, die technisch und formal verfeinert sind. Willis, Faber, Dumas in Ipswich, 1971-75 von Foster Associates zeigt wie Bauten von Roche / Dinkeloo eine Kombination von tiefen Geschossfl ächen und Atrium. Auch hier entstehen beidseits des Atriums immer noch Flächen, die nicht allein natürlich belichtet werden können. In der Außenkontur wird der urbane Kontext stärker berücksichtigt, als in den US-amerikanischen Beispielen (bei denen solche Grundstückszuschnitte freilich auch nicht vorkommen). Die Hongkong & Shanghai Bank von Foster übernimmt das Prinzip der an die Peripherie versetzten Erschließungs-und Technikfl ächen in den Hochhausbau. Bekannt für ihr Atrium, verfügt die Hongkong & Shanghai Bank auch über tiefe Grundrisse in den Geschossen 13 bis 29. Radikale Introversion Einen noch radikaleren Bruch mit bisherigen Organisationsformen als die Bürolandschaften bedeuten die Laboratoriumsbauten aus dem Büro von Eero Saarinen: IBM in Yorktown, 1957-61 und Bell Labs in Holmdel, 1957-62. Hier werden Einzelbüros mit Laborräumen, an Korridoren einander gegenüberliegend, zu Raumgruppen ohne jeden Außenkontakt gereiht. Die einzige Möglichkeit zum Ausblick in die umgebenden Parklandschaften besteht während Arbeitspausen. Während die dreigeschossigen Laboratorien von IBM analog den Beispielen aus dem Büro SOM an einer Geländekante angeordnet werden, und der Gesamtkomplex durch die Anordnung in einem fl achen Kreissegment die umgebende Landschaft einzufangen scheint, sind die Laboratorien von Bell ein selbstbezüglicher, massiver fünfgeschossiger Quader, der durch Atrien mit rein repräsentativer Funktion kreuzförmig zerschnitten wird. Der erste großfl ächige Einsatz von Spiegelglas macht die Fassaden zu riesigen screens, auf denen jede Information getilgt ist.101 In seinen Laborbauten zieht Saarinen den Schluß aus einer Entwicklung, in der Air Condition und Neonbeleuchtung Fenster als Quelle von Licht und Luft weitgehend ersetzt haben. Das Ergebnis ist –nach Saarinen- a bold new plan: Alle Laboratorien und Büros liegen im fensterlosen Gebäudeinneren, während auf den vier Seiten Korridore entlang der Fassaden verlaufen - eine gründliche Umkehrung der modernen Forderung nach Licht, Luft, Sonne. Der Korridor an der Fassade fi ndet sich aber nicht nur bei Saarinen, sondern auch im gleichzeitigen Salk Institute, La Jolla 1959-65 von Louis Kahn, wobei dort der Korridor dank des milden Klimas im Außenraum verläuft. In Verbindung mit der vergleichsweise geringeren Tiefe des Innenraums von 19 Metern hat er so eher den Charakter eines Laubengangs.. Auch für die Einzelhandelsnutzung scheint Tageslicht in dieser Zeit entbehrlich. Marcel Breuers Wiederaufbau des Bienkorf in Rotterdam ist repräsentativ für diese Phase. Der weitgehende Verzicht auf natürliche Belichtung führt zu den typischen Warenhausfassaden der Nachkriegszeit, wie sie auch Egon Eiermann für Merkur bzw. Horten entwickelt. Schon vorher wird in den USA der fensterlose Laden (window-less store) propagiert. Dort entwickelt sich in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg das bisher innerstädtische Warenhaus zum ‚Ankermieter‘ von suburbanen Shopping Malls. Mit der Durchsetzung des motorisierten Individualverkehrs auf breiter Front verlagern sich die wirtschaftlichen Konzentrationsprozesse, die sich eine Zeit lang im tiefen Warenhausgrundriss bündelten, aus der Stadt heraus und auf eine andere Maßstabsebene. Ein typologisch interessanter Sonderfall ist die Fusion von Warenhaus und Parkhaus in MACY‘s Rego Park von SOM (1965). 1 Eero Saarinen & Associates: Bell Telephone Labo- ratories. Holmdell (New Jersey), 1957-62 (Phase I), 1962-66 (Phase II) 1 81 Corporate Modernism deep-plan beim späten Mies und seinen Nachfolgern In Neoklassizismus und moderne Architektur102 beschreibt Colin Rowe die Gebäude für das IIT in Chicago aus der zweiten Hälfte der 1940er Jahre als einen Wendepunkt in Mies‘ Schaffen. Der „fl ießende“ Raum mit seinen an den Stützen verbeigleitenden Scheiben, der für die Häuser und Pavillons der Zwischenkriegsjahre kennzeichnend war, wird durch einen Raum anderen Charakters abgelöst: Dieser ist prinzipiell axialsymmetrisch aufgebaut; auch die Wände, wenn sie raumhoch sind, rasten wieder zwischen den Stützenstellungen ein. Dadurch wirkt der Raum klassischer, universeller, vielleicht statischer. Diese Verlagerung –weg von seiner Variante des freien Grundrisses103, hin zu einer Koordination zwischen Primär- und Sekundärkonstruktion, die eher den Traditionen der Chicago School entspricht, verändert Mies‘ Interpretation des Skelettbaus vollständig. Gleichzeitig –und dies ist mehrfach als widersprüchlich gesehen worden104- akzeptiert Mies die Abhangdecke, die durch die Gebäudetechnik (auch durch den Brandschutz) erforderlich wird. Die Abhangdecke stellt ein fl ächiges Kontinuum her, das wieder an die glatten Untersichten in Barcelona-Pavillon und Tugendhat-Haus erinnert. Typologisch beschränkt sich Mies auf wenige Bauaufgaben und auf weitgehend monofunktionale Volumina. Das ermöglicht die Zweiteilung des typologischen Spektrums in Wohn- und Bürohochhäuser einerseits, eingeschossige Hallen und Pavillons andererseits. Die Bauaufgabe Campus (in Chicago) oder die Einführung von Plazas (wie beim Seagram Building) erleichtert es, einen Abstand gegenüber den Zwängen der amerikanischen Stadt (Dichte, congestion, zoning, Hybridisierung) zu halten. Nachdem das Repertoire von Mies jedoch in den 1950er und 60er Jahren stilistisch allgemein prägend und verbindlich wird, fällt es den von ihm beeinfl ussten Büros und Architekten zu, Mies‘ Vokabular auch in stärker kubisch proportionierten Baukörpern zu erproben. Dazu ist es hilfreich, sich das Mies‘sche Stahlskelett in seinen Geschossbauten der 1950er und 60er Jahre zu vergegenwärtigen: Es hat durchgehende Rastermaße von 7 bis 9 Metern Spannweite und wird durch Windverbände an den Kernen, die ebenfalls als Skelett erstellt sind, ausgesteift. Da die Stützen wie im Stahlbau der Chicago School vertikal durchlaufen (z.B. mit Stößen in jedem zweiten Geschoss), sind die Deckenträger zwischen den Stützen Einfeld- und nicht Durchlaufträger. Dadurch liegen Auskragungen am Geschoßrand nicht nahe. Auch deshalb werden die Stützen nicht mehr hinter die Fassade zurückgesetzt, wie noch beim Bürohaus aus Eisenbeton (1923), sondern es wird, z.B. bei den ersten Apartmenttürmen am Lake Shore Drive (1949-51), die Fassade zwischen die Stützen gesetzt. So zeichnet sich das Primärraster der Tragkonstruktion unmittelbar an der Fassade ab. Auf einen tiefen Grundriss übertragen, läßt sich dieses System an dem Bau der Heinz Vinegar Factory, Pittsburgh (1952-53) von SOM wiedererkennen, wobei hier die Verglasungen großfl ächiger sind und auf die Mies-typischen vorgesetzten I-Träger verzichtet wird. Wo bei den Apartmenttürmen Stützen und Träger einbetoniert sind, ist hier sogar der tragende Stahlquerschnitt sichtbar: Die Randträger der Geschossdecken sind nach außen gewendete U- Profi le, die innenseitig mit einer Aufkantung der Ortbetondecke ausgefüllt sind. Die Anordnung von Tragstruktur und Glasfassade in einer Schicht, die bei einem Industriebau von vier Geschossen Höhe angehen mag, schafft jedoch bei einem Wohn- oder Büroturm mehrere baukonstruktive und bauphysikalische Probleme. Deshalb liegt bei den folgenden Projekten von Mies und SOM die Fassade als echte curtain wall knapp vor den Stützen.105 In Mies‘ Geschossbauten gibt es also keine Auskragungen. Beim Manufacturers Trust Company Building (New York 1953-54) von SOM hingegen sind die Deckenträger in Art einer Zangenkonstruktion aufgedoppelt, um eine vergleichsweise große Auskragung von 6 Metern am Deckenrand zu bewältigen. Die Entfl echtung von Tragstruktur und Raumbegrenzung ist hier deutlich erkennbar. Bei John Deere von Eero Saarinen (1957-63) wiederum sind die Stützen vor die Fassade verlegt. Der sechsgeschossige Bau hat vier Stützen pro Tragwerksachse, wobei die beiden mittleren eine Zonierung des Grundrisses in eine Erschließungszone entlang der 1 2 3 1 SOM: Manufacturers Hanover Trust, New York 1953-54 2 Eero Saarinen Associates: John Deere Headquarters, Moline/Wisconsin, 1957-61 3 Mies van der Rohe: Martin Luther King Library, Washing- ton 1965-71 Mittelachse, mit seitlichen, tiefen Bürofl ächen festlegen. Auch hier ermöglicht die Verdoppelung der Träger zur Zangenkonstruktion die Auskragung an der Fassade. Die Lage der Nebenträger unterstützt den Eindruck einer geschichteten Konstruktion aus deutlich voneinander abgesetzten Elementen. Bei Osram München von Walter Henn (1962-66) stehen die Stützen im Quadratraster und tragen, zusammen mit einem –auch aussteifenden- Stahlbetonkern, vorgefertigte elementierte Stahlbetondecken und –brüstungen106. Durch die besondere Ausgestaltung des Knotens können die Rundstützen vertikal durchlaufen; andererseits ergibt sich eine Auskragung der Decke am Rand. Für Mies selbst ist der tiefe Grundriss fast nie Thema. Erst ganz gegen Ende seines Lebens treten Aufgaben an sein Büro heran, die eine Auseinandersetzung in dieser Richtung erfordern. Die Referenzen Martin Luther King Library und High School Chicago ebenso wie Uris Hall in Cornell von SOM zeigen die Problematik in der Adaption der Miesianischen Grundtypen von Bürohochhaus und eingeschossigem Pavillon auf kubische Volumina mit komplexen Raumprogrammen. Dabei werden die Konfl ikte, die sich aus der Präferenz für das Raster als durchgehender ordnender Struktur und den Anforderungen einzelner Räume, z.B. in Bezug auf größere Spannweiten, ergeben, jeweils ähnlich gelöst: So verlangt der Miesianische Kodex zum Beispiel, dass das Ebenmaß in der gleichmäßigen Abfolge von Stützen und Brüstungen an den Fassaden nicht gestört wird. Schon aus diesem Grund können die Erschließungs- und Installationskerne nicht am Rand der Geschossfl ächen stehen; außerdem soll die Fassade im Erdgeschoss zurückspringen. Durch die Größe der Geschosse bedingt, reicht ein einzelner zentraler Kern jedoch nicht aus. Außerdem soll die Anlage eines zentralen Großraums möglich sein. Die logische Konsequenz sind mehrere Kerne, die zwischen der peripher umlaufenden Raumschicht und der Mittelzone positioniert werden. So läßt sich eine zentral-periphere Grundrissorganisation mit der Anforderung ein- oder besser zweiachsiger Symmetrie vereinigen. An den Referenzen dieses Kapitels zeigt sich auch die allgemeine Verbindlichkeit der Abhangdecke in dieser Zeit. In allen Beispielen wird durch abgehängte Decken eine plane Deckenuntersicht hergesetellt, an die Stützen wie Trennwände anzustoßen scheinen. Ein freier Grundriss stellt sich, bei Saarinen schon durch die Orientierung von Grundriss und Tragwerk, bei Mies durch die Stellung der Kerne bedingt, nicht ein. Die Trennwände bei Osram, in der Martin Luther King Library wie im Social Sciences Building stehen immer auf den Stützenachsen. Einzig bei John Deere werden die Stützen innen wie an der Fassade freigestellt. Die Rasterung der Decke stellt alllerdings auch hier ein orthogonales geometrisches Bezugssystem her. Referenzen 83 Corporate Modernism Manufacturers Hanover Trust Company, New York 1953-54 Das Bankgebäude (heute J P Morgan Chase & Company) steht in Midtown Manhattan an der Ecke von Fifth Avenue und 43rd Street auf einem Grundstück von 30 x 38 Metern Größe. Die Höhe des Hauptbaukörpers ist durch eine Eintragung im Grundbuch, die dem Nachbarn freie Sicht verschaffen soll, auf 60 Fuß (18 m) beschränkt; hierzu addiert sich ein zurückgestaffeltes Penthouse. Dadurch bedingt entsteht ein für Manhattan ungewöhnlich niedriger Bau, der durch seine geringe Höhe den üblichen Zoning-Vorschriften nicht unterliegt. Der kubische Bau des Manufacturers Hanover Trust hat großfl ächig verglaste Fassaden. Ein außenliegender Sonnenschutz vor den Glasfl ächen ist nicht vorhanden, da der Bau bereits durch die umgebenden Häuser weitgehend verschattet ist. Der Eingang liegt an der Seitenstraße, sodass die Fassade zur Fifth Avenue einheitlich, ohne Öffnungen durchläuft. Im Inneren verbinden Rolltreppen die Eingangsebene mit dem galerieartigen 1. Obergeschoss, das durch seine Höhe als piano nobile wirkt. Darüber liegen zwei Bürogeschosse; im Penthouse liegt das Midtown-Büro des Präsidenten, ein Konferenz-und Speisesaal und Nebenräume. Die Primärkonstruktion ist ein Stahlskelett mit acht freistehenden Innenstützen. Die aufgedoppelten Unterzüge der Zangenkonstruktion kragen zur Straße hin 6,25 Meter aus, bei einer Spannweite des mittleren Felds von 14,55 Metern. Die einbetonierten Stahlträger tragen 20 Zentimeter starke Ortbetondecken. Die daran abgehängten Lichtdecken bilden zur Erbauungszeit eine Sensation. Die leuchtenden Deckenuntersichten sind nur durch die streifenförmig angeordneten Luftauslässe der Klimaanlage unterbrochen. Diese sind auf den Rhythmus der Fassadenpfosten abgestimmt, sodass die modulare Ordnung des Gebäudes unmittelbar einsichtig wird. Eine weitere Attraktion ist der von der Straße aus einsehbare Tresor als einziger Raum, der über massive Wände verfügt. In der innenräumlichen Organisation werden die traditionellen Bankschalter aufgelöst und durch eine freie Möblierung ersetzt. Ein Wandschirm von Harry Bertoia läuft als Blickfang über eine ganze Innenwand des ersten Obergeschosses. Bei Nacht verwandelt sich das Gebäude in eine leuchtende Vitrine, deren Tiefe von der Straße aus wahrgenommen werden kann. Die Filiale des Manufacturers Hanover Trust steht für die sich nach dem zweiten Weltkrieg durchsetzende Aufassung eines Bankgebäudes, das nicht mehr festungsartigen Charakter hat, sondern den Eindruck eines offenen, progressiven Dienstleistungsunternehmens machen soll: Banks used to sell security. But now, with their deposits federally insured, they are selling service.107 Neu ist auch die Forderung des Bauherrn, das Gebäude so zu konzipieren, dass es problemlos umzunutzen ist, falls die Filiale geschlossen werden sollte. Der Bau bietet somit ein Beispiel dafür, wie neue rechtliche Rahmenbedingungen und eine Betrachtung der gesamten Nutzungsdauer des Gebäudes dazu beitragen, typologische Konventionen –in diesem Falle der Architektur von Bankhäusern- aufzulösen. Literatur: Maurice Baechlin: Bauen in Stahl (1). Verlag Schweizer Stahlbauverband, Zürich 1956, S. 235-238 Ernst Danz: Architecture of Skidmore, Owings & Merrill, 1950-62, with an introduction by Henry- Russell Hitchcock. Hatje Stuttgart, 1963, S. 42-47 Carol H. Krinsky: Gordon Bunshaft of Skidmore, Owings & Merrill. The Architectural History Foundation, New York / MIT Press, 1988, S. 49-52, 82-87 Robert A.M. Stern, Thomas Mellins, David Fishman: New York 1960. Monacelli Press, New York 1995, S. 372-375; darin auch eine umfassende Bibliographie in Anmerkung 18, S. 1250 Skidmore, Owings & Merrill (Gordon Bunshaft): Manufac- turers Hanover Trust Company, New York 1953-54 1 Querschnitt 2 Ansicht Ecke Fifth Avenue / 43. Straße 3 Blick in das 1. Obergeschoss 2 3 1. OG 2./ 3. OG 1 EG Osram München 1962-66 Repräsentativ für das Konzept der Bürolandschaft in seiner Frühphase ist das Bürogebäude von Osram in München, das von Walter Henn, beraten durch das Quickborner Team, nach Planungen seit 1962, in den Jahren 1964-66 realisiert wird: In der durch Solitärbauten bestimmten Ordnung des Firmengrundstücks am Stadtrand von München formiert sich die Hauptverwaltung als Halbkubus von 50 x 50 Metern Grundfl äche und 27 Metern Höhe. Das prismatische, „miesianische“ Äußere steht in starkem Kontrast zu den hexagonal ausgreifenden Grundrissen mancher späteren Bürolandschaften. Das sechsgeschossige Bürogebäude ist für 850 Angestellte ausgelegt. Sein Haupteingang orientiert sich -weg von der nördlich angrenzenden Straße- zum südlich gelegenen Parkplatz. Im Untergeschoss des Gebäudes liegen Technikräume, das Zentralarchiv und ein Vortragssaal. Im Erdgeschoss befi ndet sich neben der Eingangshalle die Kantine und die davon separierten Speiseräume der Direktion; außerdem Küche, Poststelle, Warenannahme. In den fünf Obergeschossen liegen die Büroarbeitsplätze überwiegend in Großräumen. Einzelbüros sind um den Kern an der Ostseite des Gebäudes gruppiert. In der Mitte der Geschossfl äche ist ein Fluchttreppenhaus positioniert. Lage, Zuschnitt und Layout des massigen Erschließungs -und Servicekerns erklären sich aus der Aufteilung des Erdgeschossgrundrisses. Die Konstruktion ist ein Stahlskelett mit zylindrischen Stützen im 8 x 8 Meter- Abstand und Stahlbetonfertigteilen für Decken und Brüstungen. Die Stützen sind deutlich hinter die Fassade zurückgesetzt. An die vertikal durchlaufenden Pendelstützen von 30 Zentimetern Durchmesser schließen in einer Richtung 68 Zentimeter hohe Hauptträger an. In der anderen Richtung werden Stützen und Hauptträger durch 68 bzw. 44 Zentimeter hohe Nebenträger verbunden, die mit Vouten an die Hauptträger anschließen. Diese Nebenträger halbieren die quadratischen Felder; auf ihnen liegen die 12 Zentimeter starken vorgefertigten Stahlbetondecken mit Plattengrößen von 3,92 x 1,96 Metern. Die Kreuzungspunkte der Träger sind biegesteif ausgeführt, sodass die Decke unter Windlast als Scheibe wirkt, die die Horizontalkräfte in die Kerne leitet. Die Geschosshöhen betragen 4,50 im EG und 4,00 Meter in den Obergeschossen. Die Fassade als Aluminium-Vorhangfassade mit opaken Brüstungen und festverglasten Bandfenstern verfügt über außenliegenden Sonnenschutz.- Alle Räume sind vollklimatisiert. Die Deckenuntersichten der Großräume (3 m lichte Raumhöhe) werden geprägt durch das Raster der abgehängten Aluminiumkassetten mit fl ächenbündig integrierten Leuchten. In der Eingangshalle gibt es, abweichend hiervon, eine gefaltete Deckenuntersicht mit Leuchten in den ‚Graten‘ der Faltung, während die Kantine über kastenförmige Pendelleuchten belichtet ist. Die Büroräume werden über ein 2 x 2 Meter- Raster von Bodendosen versorgt. Osram illustriert das Programm des Quickborner Teams recht getreu, wenn es auch in einigen wichtigen Punkten davon abweicht: So liegen die Pausenzonen nicht am Rand, sondern in der Grundrissmitte; vor allem aber gibt es eine Anzahl von Einzelräumen für das obere und mittlere Management, was traditionelle Hierarchien verfestigt. Gerade um deren Aufl ösung war es jedoch den Initiatoren der Bürolandschaft gegangen. Literatur: Ottomar Gottschalk: Flexible Verwaltungsbauten. Verlag Schnelle, Quickborn 2. Aufl . 1968, S. 240-241; Reinhold Hohl: Bürogebäude international. Gerd Hatje, Stuttgart 1968, S.56-61; S. Nagel u.a (dbz): Verwaltungsbauten. Bertelsmann, Gütersloh 1972, S. 104-107; Hart, Henn, Sonntag: Stahlbauatlas Geschoßbauten. Verlag Architektur und Baudetail, München 1974, S. 140-141; Inaki Abalos, Juan Herreros: Tower and Offi ce: From Modernist Theory to Contemporary Practice. The MIT Press, Cambridge Massachusetts/ London, England 2003, S. 202-203, 214 1 2 85 Corporate Modernism EG OG 5 6 Walter Henn mit Bauabteilung Osram: Osram Verwaltungsgebäude München 1962-66. 1 Ansicht von Süden 2 Lage 3 Foyer 4 Innenraum Bürogeschoss 5 Trägerlage Geschossdecke 6 Schnitt 3 4 Martin Luther King Jr. Memorial Library, Washington DC 1965-68 Der längsrechteckige Quader der Bibliothek, eines Spätwerks von Mies, besetzt einen Teil eines Blocks in Downtown Washington. Mit vier Geschossen über Straßenniveau wirkt der Bau gegenüber seinen Nachbarn vergleichsweise niedrig. Es handelt sich um einen Stahlbau mit in Beton eingegossenen Stützen, den mies-typischen aufgesetzten Vertikalprofi len vor den Fassadenpfosten und dunklen Gläsern. Zwölf auf sechs Stützenabstände von je 30 Fuß (9,14 m) Spannweite ergeben ein Geviert von 110 x 55 Metern Seitenlänge. Im Erdgeschoss ist die Fassade allseits zurückgesetzt, an der Eingangsseite im Süden um einen ganzen Stützenabstand. Über einen großzügigen Windfang erschließt man eine zentrale Lobby mit Information und Ausleihe. Von hier aus werden entweder die zwei, im Erdgeschoss an den entgegengesetzten Schmalseiten liegenden Teilbüchereien erschlossen, oder –über Aufzüge und Treppen- die drei Ober, bzw. zwei Untergeschosse. Das 1. Obergeschoss zeigt eine ähnliche Konfi guration; nur ist hier die zentrale Lobby durch einen Block an künstlich beleuchteten Räumen für die Film-Sammlung belegt, der von einem umlaufenden Korridor gesäumt ist. An den Schmalseiten liegen wieder die zwei Großräume; zwischen den Kernen jeweils an der Fassade liegt ein größerer Raum für die Kinderbücherei und „Populäre Literatur“. Im 2. Obergeschoss wird der gesamte Perimeter durch Magazinfl äche belegt, während die Räume für „Washingtoniana“ und „Black Studies“ künstlich beleuchtet im Inneren liegen, ebenso wie Personalräume und Bauabteilung. Im 3. Obergeschoss fi ndet sich die Verwaltung in einem großen, dem Grundriss einbeschriebenen Rechteck, allerdings auch nur mit Außenkontakt entlang der Südfassade, wo dann Direktion und „Board Room“ liegen. Die drei übrigen Seiten werden durch „Book Processing“ belegt. Das Erdgeschoss hat rückwärtig eine Einkerbung für die Anlieferung. Zwei Lastwagen können dort gleichzeitig entladen, während die Lieferung über Hebebühnen ins darunterliegende Geschoss gelangt, wo sie ausgepackt werden kann und über die Buchförderanlage in die verschiedenen Bereiche der Bibliothek gelangt. In diesem 1. Untergeschoss liegt auch die Buchbinderei; an öffentlich zugänglichen Räumen die „Schools Division“ und ein Hörsaal. Das 2. Untergeschoss bietet Raum für 100 Parkplätze. Die dazugehörigen Tiefgaragenabfahrten sind gleichermaßen symmetrisch positioniert und durch eine Schirmwand gegenüber dem umlaufenden Wandelgang im Erdgeschoss abgegrenzt. Durch die Lage und Größe der Kerne ist eine prinzipielle Grundrisszonierung in allen Geschossen vorgegeben. Erstaunlich ist, wie, teilweise bis zu Einzelräumen, an der Axialsymmetrie des Grundrisses festgehalten wird. Die einzige Abweichung vom durchgehenden Raster ist die Elimination der mittleren Stützenreihe in der Lobby zwischen den Kernen. Hier spannen die Deckenträger mit größerer Höhe über die doppelte Länge, was aber durch die überall durchlaufende Abhangdecke nicht wahrzunehmen ist. Das 5-Fuß-Raster der in die Abhangdecke integrierten Langfeldleuchten ist auf den gleichgroßen Regalabstand abgestimmt, ebenso auf das 10-Fuß-Fassadenraster, das wiederum das 30-Fuß-Stützenraster drittelt. An den Kernen sind die Backsteinwände (ursprünglich geplant: Marmor) als Ausfachung des Stützenrasters ablesbar. Nichttragende, geschlossene Wände sind solche Sichtmauerwerkswände. Glastrennwände sind ebenfalls auf die Stützenachsen gesetzt; sie sorgen für eine räumliche Kontinuität zwischen der Kernzone und den Großräumen an den Schmalseiten. Die Wegeführung ist nicht sehr intuitiv: Dem in Lobby Eintretenden bietet sich als Gegenüber die blanke, lange Wand von Kernen und Anlieferung. Der schlauchartige Raum scheint seine Energie eher in die Querrichtung zu verteilen, wo über die beiden Großräume ein Rest von Tageslicht einfällt. Die Aufzüge und Treppen, über die man in die anderen Geschosse gelangt, sind –im Gegensatz zu den Hochhaus-Lobbies von Mies- nicht sofort ersichtlich. Das Abbauen psychologischer Hemmschwellen gegenüber der Institution Bibliothek liegt dem Büro von Mies Mies van der Rohe: Martin Luther King Jr. Me- morial Library, Washington DC 1965-72 1 Außenansicht 2 Wandgemälde im Foyer 3, 4 Lobby Erdgeschoss von Westen 5 Abteilung „Technology“, „Business“, EG Westen 1 2 87 Corporate Modernism hier offensichtlich ebenso wenig am Herzen, wie die Ausstattung der Vertikalerschließung mit einer eigenen räumlichen Qualität. Die Bibliothek scheint nach über dreißig Jahren Betrieb renovierungsbedürftig zu sein; die technische Gebäudeausrüstung ist teilweise nicht mehr funktionsfähig. Außerdem hat sich das Konzept der öffentlichen Bibliotheken hat sich in dieser Zeit stark gewandelt. Seit 2003 ist das Gebäude konkret von Abriß bedroht, da der Bürgermeister von Washington einen Neubau an der Stelle wünscht. Vorschläge zur „Rettung“ des Gebäudes, die durch ein Team des lokalen „AIA“ skizziert wurden, enthalten auch die Option, über Geschossdurchbrüche ein Atrium in Gebäudemitte anzulegen und ein –von der Straße aus angeblich nicht wahrnehmbares- zusätzliches Geschoss aufzustocken. Literatur: Franz Schulze (Hg.): The Mies van der Rohe Archive, Part II: 1938-1967. The American Work. Volume Nineteen. Garland Publishing Inc., New York and London 1992, S. 354-415 43 1. OG EG 5 Social Sciences Building (Uris Hall), Cornell (Ithaca) 1969 (?)-72 Bei dem späten, pseudo-miesianischen Social Sciences Building in Cornell von SOM (1972 fertiggestellt) ist das gleichmäßige Stützraster an den vier identischen Fassaden des extrudierten Quadrats jeweils durch eine dreigeschossige Vierendeel-Scheibe ersetzt, die das dreifache Rastermaß der inneren Stahlkonstruktion überspannt und beidseitig um eines auskragt. Sie lagert, wie das Dach von Mies‘ Berliner Nationalgalerie, auf acht Punkten. Diese aufwändige stählerne Brückenkonstruktion stützt den Geschossdeckenrand und hält das Erd-sowie Untergeschoss frei von Stützen. So kann dort ein großer Saal angeordnet werden. Tatsächlich ist dieser Saal von bescheidener Größe; außerdem stanzen auch innerhalb des Grundrisses noch Stützen und Kerne in die unteren Geschosse durch. SOM verwechseln hier gewissermaßen physisches und optisches Gewicht. Das Social Sciences Building läßt sich die Adaption einer Hallenkonstruktion wie in Mies‘ nicht realisierter Convention Hall für Chicago oder SOM‘s eigener Beineke Library in Yale auf einen Geschossbau erkennen. Mit letzterer besteht die Parallele, dass mehrgeschossige Vierendeelsysteme für die große Spannweite eingesetzt werden. Allerdings bleibt es bei einer Anordung von aufgelösten Scheiben um die Grundrissperipherie. Die mögliche Konsequenz aus der Convention Hall, ein räumliches Tragwerk über die ganze Grundrisstiefe anzuordnen, wird nicht verfolgt. Auch die Erwartung, dass das Erdgeschoss freigehalten wird, um eine Verzahnung mit dem Außenraum herzustellen, wird enttäuscht. So wirkt die Aufständerung lediglich als Pathosformel. Die Mies‘sche Idee des Brückenhauses ist hier –bedingt durch die Gebäudetiefe- nicht bis zur möglichen Konsequenz getrieben. Literatur: Arthur Drexler (Einl.), Axel Menges: Architektur von Skidmore, Owings & Merrill, 1963-1973. Verlag Gerd Hatje, Stuttgart 1974, S. 216-219 Skidmore, Owings & Merrill: Social Sciences Buil- ding, Cornell / Ithaca 1972 1 Ansicht 2 Schnitt 3 Grundriss Obergeschoss 4 Grundriss Erdgeschoss 1 2 3 4 89 Corporate Modernism Roberto Clemente High School, Chicago 1971-74 Die Schule, ein Bau von Dirk Lohan als verantwortlichem Partner des Offi ce of Mies van der Rohe, liegt im Nordwesten von Chicago und ist für 3000 Schüler konzipiert. Der Schulkomplex besteht aus zwei Baukörpern: Einem achtgeschossigen Quader mit Dachaufbau als Hauptbaukörper und einem zweigeschossigen Gebäude mit Schwimm- und zwei Sporthallen. Die beiden Gebäude stehen auf zwei durch eine Straße getrennten Blöcken und sind über eine Brücke im 1.Obergeschoss verbunden. Hier soll nur der Hauptbaukörper betrachtet werden, der die Klassenräume enthält. Auf fünf seiner acht Obergeschosse fi ndet sich jeweils die gleiche Organisation, bei der neun Klassenzimmer zusammen mit Gruppenraum und Lehrerzimmern in U-Form entlang der Fassade angeordnet sind. Die Pausenhalle auf dem Geschoss, die zugleich als Speisesaal dient, hat ebenfalls Fassadenkontakt. Die Mittelzone ist mit Vertikalerschließung und Nebenräumen, darunter der Essensausgabe belegt. Im 1., 2. und 7. Obergeschoss liegen die Fachklassen. Im Erd- und Untergeschoss befi ndet sich mittig ein großes Auditorium, davorgelagert die Eingangshalle. Die Fassade ist mies-typisch im Erdgeschoss zurückversetzt. Zur Vertikalerschließung dient neben zwei Aufzügen und drei Treppenhäusern eine Rolltreppenanlage, deren Geschwindigkeit und Laufrichtung dem jeweiligen Verkehrsfl uß angepaßt wird. Die Stützen stehen in einem quadratischen Raster von 9,14 Metern. Über dem stützenfreien Auditorium im Erdgeschoss spannen in Querrichtung zwei Kastenträger, die jeweils zwei Stützen aus den sieben darüberliegenden Geschossen abfangen. Die Spannweite der Kastenträger beträgt über 27 Meter, ihre Höhe 2,13 m. Von der Außengestalt her geht der Bau auf den Mies der frühen 1950er Jahre zurück: Das ablesbare Primärraster und die Backstein-Ausfachungen der IIT-Bauten werden allerdings technisch aktualisiert. Die Stützen sind betonummantelte Stahlstützen, die außen mit Blech verkleidet sind. Die Decken sind als Stahl-Beton-Verbunddecken mit Trapezblech als verlorener Schalung ausgeführt, und das Mauerwerk im Brüstungsbereich ist zweischalig mit dazwischenliegender Wärmedämmung. Der Bau ist klimatisiert. Literatur: Hart, Henn, Sonntag: Stahlbauatlas Geschoßbauten. Verlag Architektur und Baudetail, München 1974, S. 92-93 DETAIL 2 / 1976 Werner Blaser: Mies van der Rohe. Continuing the Chicago School of Architecture. Birkhäuser, Basel Boston Stuttgart 1981, S. 254-259 2 1 43 Offi ce of Mies van der Rohe (Dirk Lohan), Nelson, Ostrom, Baskin, Berman & Ass. (TW): Roberto Clemente High School, Chicago 1971-74 1 Ansicht 2 Schnitt 3 Grundriss Obergeschoss 4 Grundriss Erdgeschoss De Bijenkorf, Rotterdam 1953-57 Marcel Breuers Kaufhaus Bijenkorf De Bijenkorf in Rotterdam 1953-57 ist ein prismatischer Baukörper von 87 x 72 Metern Grundrissfl äche und weitgehend geschlossenen Fassaden. Er verzichtet auf den vertikalen Luftraum im Zentrum, der noch ein Charakteristikum des Vorgängerbaus von Willem Dudok108 war. Stattdessen schafft er möglichst ausgedehnte, klimatisierte und künstlich belichtete Verkaufsfl ächen mit geräumigen Stützenabständen von 12 x 12 Metern. Der Rücksprung im Erdgeschoss und zur Nachbarbebauung schält das Kaufhaus als massiges Volumen aus seinem Kontext heraus. Die freistehende Großplastik von Naum Gabo an der Straße Coolsingel geht auf einen Vorschlag Breuers zurück. Die Stadt hatte gewünscht, die Straße an dieser Stelle baulich durch einen Gebäudevorsprung zu fassen, was Breuer jedoch vermeiden will. Das Warenhaus bildet einen ruhigen Hintergrund für die gebäudehohe Plastik. Das Verhältnis von Plastik und Gebäude ist im Sinne der Moderne als wirkungsvoller Kontrast der dynamischen Raumfi gur der Plastik vor dem planarem Hintergrund der Architektur aufgefaßt. Die geschlossenen Fassadenabschnitte sind mit vorgehängten Travertintafeln verkleidet. An den kurzen Seiten sind diese in dem charakteristischen Wabenmuster angeordnet, während die straßenseitige Längsfront Rechteckformate aufweist. Kleine, regelmäßig diagonal zueinander versetzte Fenster sind in die Fassade eingeschnitten. Beim Restaurant im 2. Obergeschoss öffnet sich die Fassade an der wichtigen Straßenecke im Südosten zu breiten Fenstern in beiden Richtungen. West- und Nordseite sind städtebaulich weniger exponiert. An der Westseite liegt ein vorgelagerter eingeschossiger Pavillon, der zu der daran anschließenden Lijnbaan-Bebauung der Architekten van den Broek und Bakema überleitet. An der Nordseite liegt ein länglicher, bis zu fünf Geschossen umfassender Trakt, der durch seine geringere Höhe und den Rücksprung an der Fassade dem Hauptbaukörper untergeordnet ist. Dieser Bauteil nimmt obergeschossig in seiner Osthälfte ein Kino auf; in seiner Westhälfte liegt die Verwaltung, deren Glasfassade das besondere Lob Lewis Mumfords fand. Das Erdgeschoss dieses Trakts hingegen ist überwiegend durch Wareneingang und -auszeichnung belegt. Die Verkaufsfl äche im Hauptvolumen umfaßt fünf Etagen einschließlich Basement und Erdgeschoss. Das oberste Geschoss (4. OG) bleibt der Angestelltenkantine (1200 Beschäftigte Marcel Breuer, A. Elzas, Daniel Schwartzman: Kaufhaus Bijenkorf Rotterdam 1953-57 1 Fassade zur Straße Coolsingel (0sten) 2 Blick ins Erdgeschoss Marcel Breuer and Associates (Hamilton Smith): Whitney Museum of American Art, New York 1963- 66 3 Längsschnitt 4 Ansicht Madison Avenue 5 Ausstellungsraum 3. OG 6 Querschnitt 1 2 4.OG EG 91 Corporate Modernism zur Erbauungszeit) samt Küche und der Buchhaltung vorbehalten. In diesem Geschoss werden werden die Räume überwiegend natürlich belichtet, und zwar durch große horizontale Einschnitte in der Fassade, oder über die drei gleichgroßen Patios. Diese fügen sich zwanglos in das gewählte Stützenraster. Die Verkaufsebenen zeichnen sich durch eine konsistent moderne Detaillierung aus, die die Abhangdecken ebenso umfaßt wie das Mobiliar. Auch die Materialität des Inneren, von Travertinverkleidungen, gestocktem Beton und Teakholz, zeigt den architektonischen Anspruch. Der Rotterdamer Bijenkorf repräsentiert in einer sehr qualitätvollen Variante den Typus des Warenhauses, wie es in den 1950er bis 70er Jahren in jeder europäischen Mittel- und Großstadt entsteht. Für die Ausbildung eines kompakten, prismatischen Baukörpers mit tiefen Grundrissen sind zwei Entscheidungen kennzeichnend: Der Verzicht auf den inneren Lichthof und der Verzicht auf eine städtebaulich motivierte Außenraumbildung durch etwaige Vor-und Rücksprünge. Das derart bereinigte Prisma kann in seinen Außen-wie Innenfl ächen zum Objekt eines durchgehenden Patterning, d.h. der Musterbildung und -applikation auf mehreren Maßstabsebenen werden. Literatur: W. Sandberg: Les grands magasins de Rotterdam; in: Zodiac no. 1, 1957, S. 145-58 Hansdietmar Klug: Der „Bijenkorf“ in Rotterdam; in: Bauwelt 15/1958, S. 339-343 Lewis Mumford: A Walk through Rotterdam (1957); in: The Highway and The City. Secker & Warburg, London 1964, S. 53-54 Marcel Breuer, 1946-60; Hatje, Stuttgart 1961, S.182-183 Robert Gatje: Marcel Breuer, A Memoir, S.52-54 Isabel Hymans: Marcel Breuer, Architect, S. 275-76 Whitney Museum of American Art, New York 1963-66 Marcel Breuers New Yorker Whitney Museum steht als skulptural aufgefasster Baukörper von fünf Geschossen Höhe über Straßenniveau auf einem 31,60 x 38,10 Meter messenden Grundstück an der Ecke von Madison Avenue und 77. Straße. Die etwas schmalere Hauptfront liegt zur Madison Avenue. Hier staffelt sich der Baukörper, an der Traufkante von der Baugrenze ausgehend, in drei Stufen nach hinten. So wird die Anlage eines 8,40 Meter breiten Skulpturengartens entlang der Straße möglich; diesen überquert der Besucher auf einem Steg, um zum Haupteingang zu gelangen. Das Foyer bildet eine Galeriekante zum 1. Untergeschoss aus. Die Ausstellungssäle sind als Großräume im 1., 2. und 3. Obergeschoss untergebracht. Die Verwaltung liegt im 4. Obergeschoß; darüber ein Dachaufbau für die Haustechnik. In den Grundrissen ergibt sich eine Zonierung in zwei schmalere Randzonen, in denen Treppenhäuser und Aufzüge verlaufen und die breitere Mittelzone der großen Ausstellungssäle. In der nördlichen Randzone liegen auch einzelne, kabinettartige Ausstellungsräume, die von den Haupträumen aus erschlossen werden. Die Wand zwischen Großraum und Kabinetten liegt entlang der Stützenstellung, die die Rippendecken in zwei Felder von 7 und 17,50 Metern Spannweite unterteilt. Die Fassaden sind weitgehend geschlossen und granitverkleidet, bis auf vereinzelte, frei verteilte Fenster, deren Rahmung mit ihrem charakteristischen diamantenen Zuschnitt vor die Wand tritt. Die Brandwand zum Nachbarn an der Madison Avenue ist über die Zäsur der Treppenhausverglasung auf Abstand gesetzt und schafft einen Hintergrund für den dramatisch überhängenden Baukörper, dessen texturierte Oberfl ächen durch die Gebäudegeometrie bedingt vom Wechsel der Licht- und Schattenpartien leben. Zur Avenue hin sind Erd- und 1. Untergeschoss weitgehend verglast, um die angrenzenden Flächen natürlich zu belichten und ein visuelles Kontinuum mit dem Skulpturengarten herzustellen. Das Abrücken des Baukörpers von der Baugrenze im Erdgeschoss und die Anordnung 3.OG EG 1.UG 3 6 54 1 2 8 eines Grabens zwischen Bürgersteig und Gebäude verstärkt die Autonomie, die das Volumen durch seine Fassadengliederung behauptet. Das Whitney Museum, 1931 gegründet, hat eine Tradition notorischer Raumknappheit, in der Breuers 1966 eröffnetes Gebäude nach zwei vorhergehenden Umzügen zunächst Abhilfe schafft. Zu Beginn des neuen Millenniums jedoch werden OMA / Rem Koolhaas beauftragt, ein Erweiterungskonzept auf den südlich angrenzenden Grundstücken zu entwickeln, bei dem die denkmalgeschützten „Brownstone“-Gebäude erhalten bleiben. Das Konzept von OMA, ein mehrfach verschwenkender, gewagt über den Breuer-Bau auskragender Turm, kommt jedoch nicht zur Ausführung. Stattdessen wird 2006 Renzo Piano mit der Aufgabe betreut. Literatur: Robert A. M.Stern, Thomas Mellins, David Fishman: New York 1960. The Monacelli Press, New York 1995, S. 824-830; dort auch Bibliographie: S. 1297, Anm. 32 A. Tzonis, L. Lefaivre, R. Diamond: Architektur in Nordamerika seit 1960. Birkhäuser, Basel Berlin Boston 1995, S. 106-109 Deere & Company, Moline (Illinois) 1957 - 63 Die siebengeschossige Hauptverwaltung des Landmaschinenherstellers Deere & Company in Moline, Illinois, 1957-63, liegt elf Kilometer südöstlich des Stadtzentrums, eingebettet in eine Senke des parklandschaftlich gestalteten Grundstücks. Vom Parkplatz aus erreicht man eine Ausstellungshalle, die gleichzeitig als Foyer des Verwaltungsriegels fungiert. An die Ausstellungshalle gliedert sich ein Auditorium mit einer Drehbühne an, wo Besucher einen Überblick über die Firmenproduktion bekommen. Der tiefe Büroriegel auf einer Grundfl äche von 100 x 29 Metern, das Hauptgebäude der Anlage, wird von der Ausstellungshalle aus über eine verglaste Brücke auf dem Niveau des 2.Obergeschosses erschlossen. Die oberen fünf Geschosse (2.-6.OG) sind reine Bürogeschosse für 800 bis 1000 Mitarbeiter. Die horizontale Erschließung in diesen Geschossen verläuft durch einen breiten Mittelfl ur, dessen Dimension durch die Stahlkonstruktion vorgegeben ist. An den Fassaden liegen Gruppen- bzw. Großraumbüros. Zwischen diesen und dem Flur liegen künstlich beleuchtete Einzelbüros. Das erste Obergeschoss beherbergt die Direktion. Hier kehrt sich die Raumaufteilung um: Die Einzelbüros der Direktoren sind hier an der Fassade angeordnet, während die Grundrissmitte von einem Großraum für die Sekretariate belegt ist. Im Erdgeschoss liegt die Kantine mit Küche und Nebenräumen. Die Kantine für die Unternehmensspitze liegt im Geschoss darunter, mit Ausblick auf den dem Gebäude vorgelagerten Teich. Die vollständig geschweißte Primärkonstruktion aus Cor-Ten-Stahl –die erste aus diesem Material- ist an der Fassade nach außen gelegt, es handelt sich also um ein Exoskelett. In den unteren zwei Geschossen liegt die Fassade weit zurück, sodass sich hier um das Gebäude umlaufend ein gedeckter Umgang ergibt. Die Stellung der nichttragenden Trennwände basiert auf einem Planungsmodul von 6 Fuß (1,83 m) in der Länge auf 3 Fuß (91,5 cm) in der Breite des Gebäudes. Das Fassadenraster beträgt umlaufend 6 Fuß. Die Stützen des Primärrasters stehen in Längsrichtung auf dem Modul im Abstand von 30 Fuß (10,48m); in Querrichtung sind sie gegenüber dem Planungsmodul versetzt, damit die inneren Stützen von nichttragenden Trennwänden separiert sind. Die Nebenträger verlaufen nicht –wie bislang üblich- oberkantenbündig mit den Hauptträgern, sondern liegen auf diesen auf. Die Decken sind Stahlzellendecken, bestehend aus einer 5 Zentimeter starken Schicht gefalteten, tragenden Stahlblechs (cellular steel deck) mit 6 Zentimetern Aufbeton. Im Zwischenraum zwischen der Rohbaudecke und der Abhangdecke mit ihren Akustikpaneelen verlaufen die Leitungen der Klimaanlage; die Luftauslässe liegen, von einem durchgehenden Rost abgedeckt, entlang der Fassade. Unterhalb der Abhangdecke hängt eine gerasterte Lichtdecke, deren 93 Corporate Modernism Eero Saarinen & Associates: Deere & Company, Moline (Illinois) 1957-63 1 Längsseite mit künstlichen Teich 2 Blick aus innenliegenden Büros (2.-6.OG) 3 Großraum für die Sekretariate des Managements im 1.OG 4 Personalkantine im EG 5 Typischer Grundriss 2.-6. Obergeschoss 6 Grundriss 1. Obergeschoss: Management-Etage 7 Grundriss 1. Untergeschoss 8 Fassadenschnitt 3 4 5 6 7 Teilung den Planungsmodul wiedergibt.- Während der außenliegende horizontale Sonnenschutz gestaltprägend in die Primärkonstruktion integriert ist, werden in der Fassade zum Schutz gegen fl acher einfallendes Sonnenlicht Verbundgläser mit einer refl ektierende Folie eingesetzt. Da man sich aus Kostengründen gegen eine Isolierverglasung entscheidet, die in dieser Zeit noch sehr teuer ist, kommt es später zu Wärmeabfall und Kondensation an der Innenseite der Glasscheiben.- Der Entwurf von Saarinen Associates umfasst nicht nur die Architektur, sondern auch das Mobiliar der Innenräume, das speziell für Deere & Company angefertigt wird; besonders auffällig sind die durch eine einzige Säule gestützten Bürotische. Während bei Mies‘ Geschossbauten unabhängig von ihrer Proportion die Vertikale gegenüber Eero Saarinen & Associates: Bell Telephone Labo- ratories. Holmdell (New Jersey), 1957-62 (Phase I), 1962-66 (Phase II) 1 Fassade 2 Blick vom Korridor entlang der Fassade in ein Labor 3 Gang zwischen Laboren und Büros mit modularem Trennwandsystem 4 Grundriss Erdgeschoss (li. beschnitten) 1 der Horizontalen betont ist, arbeiten Saarinen Associates bei John Deere, den Baukörperproportionen und der Umgebung entsprechend, die Horizontale stark heraus. Deere & Company ist derjenige unter Saarinens Bürobauten, der den europäischen Sensibilitäten seiner Zeit deutlich am nächsten ist. Die Verwandschaft, etwa zu Egon Eiermanns Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Washington ist deutlich; allerdings ist die Gebäudetiefe bei Deere & Company sehr viel größer.- Das Gebäude von Saarinen wird in den 1960er Jahren durch ein Atriumgebäude von Roche und Dinkeloo westlich vom Hauptbau erweitert, das bereits im Lageplan vorgesehen war; der Gebäudekomplex fungiert weiterhin als Hauptverwaltung des Unternehmens. Literatur: Reinhold Hohl: Bürogebäude international. Gerd Hatje, Stuttgart 1968. S. 74-79. Yukio Futagawa (Hg.): Eero Saarinen, Bell Telephone Corporation Research Laboratories, New Jersey, 1957 - 62, Deere & Company Headquarters Building, Illinois, 1957 – 63; ADA Edita, Tokio 1971 Edward Ford: The Details of Modern Architecture. Volume 2. The MIT Press, Cambridge and London 1996, S. 300-303 Leonard R. Bachman: Integrated Buildings. The Systems Basis of Architecture. John Wiley & Sons, Hoboken (New Jersey) 2003, S. 141-154, darin auch Bibliographie auf S. 460 E.-L. Pelkonen, D. Albrecht: Eero Saarinen. Shaping the Future. Yale University Press, New Haven and London 2006, S. 68-73, 210-211 (Bibliographie S. 210), 282-284. Bell Laboratories, Holmdell (New Jersey) 1957-62 Saarinens Bell Laboratories liegen als 250 x 130 Meter messender ‚Superblock‘ von fünf Geschossen Höhe inmitten der freien Landschaft, eingebettet in die geometrische Figur einer Ellipse, die auch die Parkplätze umfaßt. Der Grundriss zeigt vier Quadranten von künstlich belichteten Laborräumen und Büros, die durch ein kreuzförmiges Atrium getrennt werden. Gemeinschaftlich genutzte Räume wie Kantine und Auditorium liegen im Untergeschoss, wo auch die Großrechner untergebracht sind. Die oberirdischen Geschosse werden über Aufzüge und Treppenhäuser erschlossen; die Lufträume des glasgedeckten Atriums werden nicht zur Erschließung herangezogen. In den Labor- und Büroblöcken liegen in einer Tragwerksachse jeweils Labore und Bürozellen einander gegenüber. In der nächsten Achse wird das Layout gespiegelt, sodass zwei Labor-‘Stangen‘ jeweils von einem Schacht versorgt werden, in den auch die Stützen integriert sind. Die Bell Laboratories übernehmen das Grundrissprinzip der radikalen Introversion von dem Laborbau für IBM in Yorktown, mit dem Unterschied, dass die ‚Batterien‘ aus Laboren und Büros in Yorktown nur in einer gebogenen Spange angeordnet waren. Auch die Höhe mit drei Geschossen an der Front und –durch einen Geländeversprung bedingt- nur zwei Geschossen an der Rückseite fi el dort moderater aus. Die Krümmung, der Einbezug der Topographie und die Verwendung von Naturstein sprechen bei IBM in Yorktown vom Wunsch nach Einbettung in die Landschaft. In Holmdell hingegen ist schon der Lageplan einer rigiden Beaux-Arts-Geometrie unterworfen. Die Leere und Ödheit der suburbanen Umgebung setzen sich im voluminösen, aber spannungslosen Atrium fort. Von dort aus gelangt man in die tiefen, lichtlosen Flure mit den Arbeitsräumen. Für die Spiegelglasfassade bleibt keine Information, die aus dem Inneren nach außen zu tragen wäre. Die Bell Telephone Laboratories, ursprünglich als Entwicklungsabteilung des Bell-Konzerns gegründet, sind seit 1925 ein eigenständiges Unternehmen, mit Western Electric und AT&T als gleichgewichtigen Anteilseignern. Die Bell Labs sind der Ort einer Vielzahl von Entdeckungen und Entwicklungen, wie z.B. des Transistors (1947) oder der ersten Solarzellen (1953). 1963 gelingt dort der Nachweis der kosmischen Hintergrundstrahlung, der die Big Bang-Theorie der Entstehung des 95 Corporate Modernism Universums unterstützt.- 1996 jedoch werden die Bell Labs von AT&T in die Firma Alcatel Lucent ausgegliedert. Diese verkauft 2006 im Zuge des downsizing Saarinens Gebäude in Holmdell. Seitdem wird ein Teilabriß des Gebäudes erwogen. Literatur: Yukio Futagawa (Hg.): Eero Saarinen, Bell Telephone Corporation Research Laboratories, New Jersey, 1957 - 62, Deere & Company Headquarters Building, Illinois, 1957 – 63. ADA Edita Tokio 1971; Reinhold Martin: The Organisational Complex. MIT Press, Cambridge, Mass. / London, England 2005, S. 195-211 4 2 3 1Macy’s Rego Park, Queens (New Jersey) 1965 Macy’s Rego Park (1965) in Queens, New York soll durch seine Größe und die Ausrichtung auf die PKW-Erschließung zu den suburbanen Einkaufszentren in Konkurrenz treten. Parkhaus und Warenhaus werden von Skidmore, Owings Merrill zu einem einzigen zylindrischen Komplex von 130 Metern Durchmesser verschmolzen. Die Synthese ist auch bedingt durch das unregelmäßig geschnittene Grundstück an der Kreuzung mehrerer Durchgangsstraßen, das wie eine riesige Verkehrsinsel wirkt, aber im Vergleich zur Verkaufsfl äche knapp bemessen ist. Dadurch kommt Oberfl ächenparken, wie bei den Malls üblich, nicht in Frage. Wegen des hohen Grundwasserspiegels wird von den Architekten eine Tiefgarage ausgeschlossen. So kommt es zu der Lösung, bei der drei Warenhausgeschosse von fünf ringförmigen Parkgeschossen umgeben werden. Dadurch wird auch der Weg vom Parkplatz zum Shop verkürzt: Man parkt wie am Straßenrand, aber ohne langes Suchen. An der Ostseite liegen die separaten Ein- und Ausfahrtsrampen. Im Erdgeschoss gibt es keine Parkfl ächen; hier ist das Gebäude für Fußgänger über eine umlaufende ‚Arkade‘ von mehreren Seiten zugänglich. Die gegenüber den Obergeschossen zurückgesetzte Außenwand ist bis auf die Eingänge und acht Schaufenster geschlossen und mit Mosaikfl iesen verkleidet. Im Erdgeschoss hat der Verkaufsraum Kreuzform, wobei die Restfl ächen innerhalb des Kreises als Lager genutzt werden. In den Obergeschossen hat der Verkaufsraum eine Rechteckkontur mit abgerundeten Querseiten. Ein quadratisches Stützenraster von 8,53 Metern zieht sich über das ganze Warenhaus. Die Fassade ist in Ortbeton mit weißem Quarzsandzusatz ausgeführt, wobei die Oberfl äche nachträglich sandgestrahlt ist. Die Konstruktion ist daraufhin ausgelegt, das Warenhaus um ein, das Parkhaus um zwei Geschosse aufzustocken, was aber nie ausgeführt wird. Die Anlage des ringförmigen Parkhauses als Mantelbebauung um das Warenhaus herum wird dadurch möglich, dass Tageslicht im Kaufhaus nicht als notwendig angesehen wird. Die Öffnungen der Fassade dienen lediglich der natürlichen Entlüftung der Parkgeschosse. Macy‘s Rego Park zeigt also eine periphere Lage der Vertikalerschließungen, wobei die PKW-Zufahrt Teil des Erschließungssystems wird. Das Organisationsmodell kann im Zusammenhang mit den Skizzen von Louis Kahn für Midtown Philadelphia aus den 1950er Jahren gesehen werden. Kahns Konzept kreisrunder Parkgaragen, die von höherer Randbebauung gesäumt sind, ist in Macy‘s Rego Park allerdings von innen nach außen umgestülpt. Literatur: Robert A. M.Stern, Thomas Mellins, David Fishman: New York 1960. The Monacelli Press, New York 1995, S. 1069-1071; dort auch Bibliographie: S. 1326, Anm. 99 Arthur Drexler (Einl.), Axel Menges: Architektur von Skidmore, Owings & Merrill, 1963-1973. Verlag Gerd Hatje, Stuttgart 1974, S. 42-45 97 Corporate Modernism SOM: Macy´s Rego Park, Queens, New York 1965. Durchmesser 130m, Stützraster 8,53 x 8,53. Drei Warenhausgeschosse, Option auf Auf- stockung zu vier. Fünf Parkebenen mit halber Geschosshöhe. Im Erdgeschoss kein Parken. 2 3 Kevin Roche, John Dinkeloo: Aetna Life Insu- rance Company Building, Hartford (Connecticut) 1966 1 Geschlossene Fassade 2 Tiefer Innenraum 3 Typischer Grundriss Obergeschoss Aetna Life Insurance Company Building, Hartford (Connecticut) 1966 Roche und Dinkeloos Rechenzentrum für eine Versicherungsgesellschaft liegt im Zentrum von Hartford in unmittelbarer Nachbarschaft des neoklassizistischen Hauptgebäudes, als dessen Erweiterung es konzipiert ist. Von seiner räumlichen Organisation her kann man es als eine Weiterentwicklung des Schemas der Bell Laboratories –für die Kevin Roche als Büroleiter von Eero Saarinen mitverantwortlich war- ansehen. Auch hier sind die tiefen Geschossfl ächen durch fensterlose Wände nach außen hin abgeschottet und mit einem zentralen Leerraum kombiniert. Allerdings ist dieser kein Atrium, sondern ein richtiger Innenhof, dessen Seiten verglast sind, sodass die Bürofl ächen von hier aus zumindest teilweise natürlich belichtet werden können. Auch das Service-Konzept ist anders, denn die aufgedoppelten Außenwände enthalten Schächte und Vertikalerschließung. So ergeben sich große natursteinverkleidete Fassaden ohne Fenstereinschnitte nach außen; nur die Gebäudeecken und Mittelachsen sind durch verglaste Fugen zwischen pylonartigen Vorsprüngen akzentuiert. Saarinens bold new plan scheint mit einer von Louis Kahn inspirierten Monumentalität überarbeitet worden zu sein. Im Inneren arbeiten Roche Dinkeloo mit einer sichtbar gelassenen Stahlbeton-Deckenstruktur, wobei die Primärträger zur Aufnahme von Lüftungsleitungen aufgedoppelt sind. Sie liegen auf adäquat ausgeformten Doppelstützen in einem Raster von 16 Metern im Quadrat. Zwischen den Sekundärträgern sind an der Deckenunterseite Akustikpaneele angeordnet. Die großzügige Raumhöhe von 5,30 Metern sorgt dafür, dass der Eindruck des Großraumes durch die Möblierung nicht beeinträchtigt wird. Der auf allen Seiten um das Gebäude herumlaufende Sockel ist an seiner 1 2 3 99 Corporate Modernism Kevin Roche, John Dinkeloo: College Life Insuran- ce, Indianapolis (Indiana) 1967 1 Ansicht von Westen 2 Innenraum 3 Grundriss eines Pyramidenstumpfs mit Möblierung Oberseite schräg verglast. Über die Dachneigung ergibt sich im Inneren eine Galeriesituation an den Außenecken des 1. Obergeschosses. Das für eine Zahl von 3.000 Angestellte ausgelegte Gebäude scheint eher für Maschinen, d.h. Großrechner, als für Menschen konzipiert zu sein. Nichts an seiner Außengestalt läßt den Maßstab des Objekts erahnen. Literatur: s.u. College Life Insurance Company Headquarters, Indianapolis (Indiana) 1967 Die Versicherungsgesellschaft wünscht anfänglich einen Turm von 25 Geschossen Höhe. Roche und Dinkeloo können aber ihre Auftraggeber davon überzeugen, stattdessen eine Gruppe von neun niedrigeren Baukörpern zu planen. Diese sind innerhalb des an einer Kreuzung von Bundesstraße und Autobahn gelegenen Grundstücks möglichst weit von der Straße abgerückt. Die elfgeschossigen Pyramiden(stümpfe) spiegeln sich, wie bei den ex-urbanen Corporate Headquarters üblich, in einer vorgelagerten, amorph geschwungenen und von Bäumen gerahmten Wasserfl äche. Zur Kreuzung hin, nach Norden, bilden die Bauten einen geschlossenen ‚Rücken‘ aus, während sie sich über Schrägverglasungen ganzfl ächig nach Süden öffnen. Der Rücken nimmt die vertikale Erschließung und Services auf, sodass für die Nutzung eine durchgehende quadratische Fläche verbleibt. Im Bezug auf das vorhergehende Beispiel der Aetna Life Insurance wirken die Grundrisse fast so, als habe man den Grundriss von Aetna in vier Quadranten geteilt und einen davon isoliert. Die Pyramiden sind über Tunnel im Untergeschoss und geschlossene Brücken im 1. Obergeschoss verbunden. Ihr Stahlbetontragwerk besteht aus massiven Kernen, Plattendecken und Rundstützen im Raster von 9,10 Metern. Das Fassadenraster und das Raster der Abhangdecke sind so aufeinander abgestimmt, dass –von innen her gesehen- die Fassade sich an die Decke zu falten scheint. Dieser Eindruck wird dadurch unterstützt, dass die Abhangdecke bis an die Fassade herangezogen ist und sich so Tageslicht und Neonlicht im Zwischenraum der Decke mischen: Natürliche und künstliche Beleuchtung gehen unmerklich ineinander über; jedes Geschoss wirkt wie ein großer verglaster Wintergarten. Die halbhohen Raumteiler sind auf ihrer Außenseite mit poliertem Edelstahl verkleidet und wirken so als Refl ektoren. Von der ursprünglichen Neunergruppe werden nur die drei südlichen Pyramiden errichtet. Durch Fortschritte in der Datenverarbeitung bedingt, braucht College Life immer weniger Angestellte und folglich auch weniger Bürofl äche. Das Unternehmen verkauft das Gebäude schließlich an General Foods. Literatur: Yukio Futagawa (Hg.): Roche, Dinkeloo & Associates: Aetna Life Insurance Company Building, Hartford (Connecticut) 1966, College Life Insurance Company Headquarters, Indianapolis (Indiana)1967. Text by William Marlin. GA Global Architecture. ADA Edita, Tokyo 1974 Yukio Futagawa (Hg.): Kevin Roche, John Dinkeloo & Associates. Einl. Henry Russel-Hitchcock. Hatje, Stuttgart 1975 a+u Extra edition: Kevin Roche, 1987 Nr. 8 Francesco Dal Co: Kevin Roche. Electa, Milano 1985 1 2 3 Weyerhaeuser Company, Tacoma (Washington) 1968(?)-71 Die Hauptverwaltung der Weyerhaeuser Company, eines Unternehmens der Holzwirtschaft, in Tacoma (Washington) ist Beispiel für eine Bürolandschaft im US-amerikanischen Kontext. Der Bau ist von der Anlage als breiter Riegel in einer Talsituation her verwandt mit Saarinens Deere & Company. Doch während Saarinens stählerner Riegel von Mies ausgeht, nimmt der Betonbau Weyerhäuser Ideen von Frank Lloyd Wright auf. Zwei vorangegangene Bauten an der Westküste: das Marin County Civic Center von Wright (1959-61) und das Oakland Museum von Roche / Dinkeloo (1961-68) könnten die SOM-Filiale in San Francisco in ihrem Entwurf beeinfl ußt haben. Der pyramidale Querschnitt des in eine Mulde eingesenkten Riegels erinnert an einen Damm. Der Querschnitt ist aber durch die Einbettung in die Landschaft nicht unmittelbar abzulesen; er vermittelt sich nur über die Stufung von Terrassen, die den vollverglasten Büroebenen vorgelagert sind. Die massigen, abgeschrägten Brüstungen der Terrassen mit ihrem Efeu-Bewuchs verstärken den Eindruck der Horizontalität. An die Terrassenhäuser der gleichen Zeit erinnernd, zeigt das Skidmore Owings & Merrill (SOM): Weyerhaeuser Company, Tacoma (Washington) 1968-71 1 Außenansicht 2 Innenansicht 3 Schnitt 4 Grundriss 3.OG 5 Grundriss 1.OG 1 2 4 3 5 101 Corporate Modernism Headquarter einen ungewohnt ‚häuslichen‘ Charakter. Corporate America zeigt sich hier von seiner „mitfühlenden“ Seite. Die Bereichsgliederung zeigt allerdings, dass die Arbeitsplätze je nach Stellung in der Unternehmenshierarchie doch recht unterschiedliche Qualität haben. Die unteren drei Geschosse enthalten die „Normalbüros“ (general offi ces). Der Zugang zum Gebäude liegt im Geschoss darüber, das an das obere Geländeniveau anbindet. Hier liegen auch die Kantine und ein Hörsaal. Die Büros der Geschäftsleitung liegen im fl ach walmgedeckten Penthouse darüber. Die Grundrisse entwickeln sich von 64 m Tiefe unten nach 21m Tiefe oben. Weil die Ebenen gleichzeitig nach oben hin länger werden, ändert sich ihre Proportion von Länge zu Breite: Von 3:2 im untersten Geschoss zu 8:1 im obersten Geschoss. Bei Weyerhäuser ist auch die Empfehlung der Bürolandschafts-Experten realisiert, das Stützenraster diagonal zu orientieren. Es gibt keine raumhohen Trennwände; die verschiedenen Abteilungen fl ießen kontinuierlich ineinander. Die diagonale Stützenstellung mit Winkeln von 105° bzw. 75° ist auf den Rücksprung der Geschosse abgestimmt. So ist die Auskragung der Decke in den verschieden tiefen Geschossen jeweils gleich, ohne dass das Raster zu eng würde. Das Gebäude wird nach wie vor von dem Unternehmen als Hauptverwaltung genutzt. Literatur: Arthur Drexler (Einl.), Axel Menges: Architektur von Skidmore, Owings & Merrill, 1963-1973. Verlag Gerd Hatje, Stuttgart 1974, S. 94-105 Pacifi c Design Center, Los Angeles 1972-76 Der 1. Bauabschnitt des Pacifi c Design Center in Los Angeles von Cesar Pelli, The Blue Whale, mit Geschossplatten im Ausmaß von 165 x 63 Metern, wird 1977 fertiggestellt. Ähnlich wie beim Merchandise Mart handelt es sich nicht um ein Kaufhaus, sondern um einen Großhandel für Einrichtungen. Der Container-Charakter des Gebäudes wird durch die blaue Spiegelglasfassade unterstrichen, die nichts vom Inneren preisgibt. Die Unterdrückung der Geschossdecke an der Fassade verschleiert zusätzlich die Maßstäblichkeit des „rätselhaften“ Objekts, das sich um den städtischen Kontext nicht weiter bemüht. Frampton bewertet das Pacifi c Design Center als Cesar Pelli / Gruen Ass.: Pacifi c Design Center 1. Bauabschnitt: The Blue Whale, Los Angeles 1974. 1 Querschnitt 2 Westansicht 3 Grundriss ‚Typisches‘ Obergeschoss (1.-4. OG) Stützraster 9,14 x 9,14m. 1 2 3 architecture of displacement109, weil hier aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang gerissene Episoden aus traditionellen Architekturen erscheinen: So das Tonnengewölbe des Grand Court und der Galleria im 4. Obergeschoss oder die Rolltreppenanlagen, deren eine als Zylinder zur Hälfte in das Hauptvolumen des Gebäudes hineingeschoben ist , was Frampton an das Schloß in Blois erinnert. Auch der massige Vorsprung an der Dachkante der Straßenfront wirkt wie ein vergröbertes Gesims. Frampton bewertet diese Episoden als den Versuch, den Mangel an Öffentlichkeit und typologischer Substanz in dieser Loftstruktur zu kompensieren. Er resümiert: Certainly there are always the evident and constant touchstones of Pelli’s unique manner: the ubiquitous escalators, the reflective spandrel glass, the taut concrete profi les, the gas ketted skin walls, the spinal systems of organisation, the extruded elevations and the cascading monitor lights, but in the end a consistent typology, adequate ly detailed for the purposes of honorifi c infl ection, seems to elude his practice. Literatur: Kenneth Frampton: Building for Megalopolis; in: Yukio Futagawa (Hg.): Cesar Pelli/ Gruen Associates. Pacifi c Design Center, Los Angeles, California. 1972 – 76. ADA Edita Tokio 1981 John Pastier: Cesar Pelli. Whitney, New York 1981 A. Tzonis, L. Lefaivre, R. Diamond: Architektur in Nordamerika seit 1960. Birkhäuser, Basel Berlin Boston 1995, S. 156-157 Institute of Scientifi c Information, Philadelphia 1978 Der viergeschossige Bau auf einer Grundfl äche von 45 Metern im Quadrat steht in einer durch Nachkriegsmoderne geprägten Straße der Innenstadt von Philadelphia. Er verkörpert Venturi und Scott-Browns Vorstellungen vom generischen loft-Typus als eines anspruchslosen, auf der Skelettkonstruktion basierenden, vielfältig einsetzbaren Bautyps. Die Fassade mit ihren liegenden Fenstern läßt das Tragwerksraster von 7,50 Metern sofort erkennbar werden. Die Blindfelder vor den Stützen sind farbig so abgesetzt, dass das horizontale Durchlaufen der Brüstungen betont wird. Deren Verkleidung mit farbigen Kacheln evoziert einander überlagernde Lochkartenmuster. Das symmetrische Muster mit seiner Positiv-Negativ-Umkehrung erzeugt eine Mittenbetonung als einzigen typisch postmodernen Effekt. Die Grundrisse sind so lapidar wie möglich. Das Institute of Scientifi c Information benötigt für seine Datenverarbeitung große zusammenhängende Flächen. Wie in Chicago 1880 werden die Kerne dorthin geschoben, wo sie am wenigsten stören. Die gestalterischen Impulse konzentrieren sich –neben der Fassade- auf die verspielte Eingangssequenz mit ihrem Blumenmotiv und den dazugehörenden Warhol-Assoziationen. Im Vergleich z.B. mit dem seriösen, an Mies orientierten Münchner Osram-Bau wirkt das ähnlich strukturierte Gebäude von Venturi und Scott-Brown mit seinen Pop-Referenzen unkompliziert und unprätentiös. Literatur: Stanislaus von Moos: Venturi, Scott-Brown. Schirmer Mosel, München 1987 S. 230-231, dort auch Bibliographie bis 1987 Heinrich Klotz: Architektur des 20. Jahrhunderts. Deutsches Architektur Museum / Klett, Stuttgart 1990, S. 236-237 Venturi & Scott-Brown: Institute for Scientifi c Informati- on (ISI), Philadelphia 1978 1 Straßenansicht 2 Typischer Grundriss Obergeschoss 3 Grundriss Erdgeschoss 1 2 3 103 fl exible frameworks: Tiefe Grundrisse in Megastruktur und High-Tech 1953-85 fl exible frameworks: Von Megastruktur zu High-Tech 1953-85 Ging es im vorangehenden Kapitel vor allem um die Entwicklung in den USA während der 1950er bis 1970er Jahre, so sollen hier die gleichzeitigen Entwicklungen in den USA, Europa und Japan verfolgt werden, die durch Überbegriffe wie Brutalismus, Metabolismus oder Strukturalismus angedeutet sind. Dabei soll der Fokus strikt auf die tiefen Grundrissorganisationen, ihre Motivation und Ausprägung beschränkt bleiben. Bei aller Verschiedenheit im Einzelnen sind die Entwicklungen in diesem Zeitraum durch eine Kritik an der CIAM-Moderne motiviert. Innerhalb dieser Kritik bildet Louis Kahns Plan for Midtown Philadelphia (1952-62) eine zentrale städtebauliche Referenz, deren Einfl uß auf die Architekten und Architektinnen des Team Ten in vielfacher Weise belegt ist. In seinen Vorschlägen für das Stadtzentrum akzeptiert Kahn das bestehende Blockraster Philadelphias als Arbeitsgrundlage. Die Zentralität der Innenstadt zeigt sich für Kahn darin, dass hier die öffentlichen Institutionen gemeinsam angesiedelt und sichtbar werden. Die neue City Hall ist einer von mehreren Bausteinen, die am zentralen Forum liegen. Dieses Bild der civitas muss vor den zerstörerischen Folgen des motorisierten Individualverkehrs geschützt werden. Die großen Rundlinge der Hybridbauten aus Parkhäusern mit Büros und Hotels bilden folglich einen schützenden Ring um den Stadtkern. Sie liegen an den Autobahnen, die zusammen mit den beiden Flußläufen das Stadtzentrum eingrenzen. Diese Rundbauten empfangen den Besucher und bieten ihm wiedererkennbare Landmarken; bei Nacht helfen sie dank eines Farbcodes bei der Orientierung. Außerdem sorgt eine Einbahnstraßenregelung bzw. eine Zuweisung der Straßen nach Verkehrsarten und Geschwindigkeiten für einen kontinuierlichen Verkehrsfl uß in den bestehenden Straßen des Stadtrasters, die nicht verbreitert werden sollen. Durchgangsverkehr wird von Zielverkehr getrennt, etc. –Kahn sieht seinen Städtebau als eine Ordnung, die von Bewegungsmustern ausgeht. Gegenüber dem Städtebau Le Corbusiers lassen sich bei Kahn der sorgsamere Umgang mit bestehenden funktionsfähigen Strukturen und die größere Dichte positiv hervorheben. Obwohl kein Element von Kahns Planung für Philadelphia realisiert ist, läßt sich doch ein Einfl uß nicht nur auf die europäische, sondern auch auf die amerikanische Architektur der Folgezeit erkennen, im letzteren Fall jedoch mehr im Sinne ästhetischer Anleihen, als unter Berücksichtigung des konzeptionellen Gehalts. So hat zum Beispiel die Kombination von Shopping und Parken bei Macy‘s Rego Park von SOM Ähnlichkeit mit Kahns runden Park-Hybriden für Philadelphia. Allerdings entsteht hier nicht die Art von städtischer Ordnung, die Kahn vorschwebt, da es sich um ein isoliertes Element handelt. Den Gegenpol –in konzeptueller wie geografi scher Sicht- zu Kahns Midtown Philadelphia formuliert Kenzo Tange 1960 mit seinem Tokyo Bay Project. Wo Kahn versucht, Bestehendes umzuwerten und Zentralität zu erzeugen, projektiert Tange eine lineare Stadterweiterung über dem Wasser, die durch ihre Verkehrsinfrastruktur gerahmt ist. Tanges Projekt wird zu einem Auslöser der Megastrukturen, die gegen Ende der 1950er Jahre zunächst in Großbritannien und Japan projektiert werden. In ihnen wird das Verhältnis von Städtebau und Architektur neu defi niert, und zwar mit einer Schwerpunktverschiebung in Richtung der Architektur. Kennzeichen der Megastrukturen sind nach Wilcoxson110 der modulare Aufbau, der die Option der Erweiterbarkeit einschließt und der Charakter eines Rahmenwerks, in das kleinere vorfabrizierte Einheiten eingehängt werden können. Megastrukturen unterscheiden somit zwischen der langlebigen Primärstruktur und den austauschbaren Untereinheiten. Charakteristisch für megastrukturelle Konzepte ist der Versuch, Bewegung auf allen Maßstabsebenen zu kanalisieren. Auch in Kahns Plan für Philadelphia kann man Ansätze dazu fi nden; so werden die Straßen als Kanäle bezeichnet; außerdem versucht Kahn, die Freeways als viaduct architecture zu Gebäuden werden zu lassen. Die Kanalisierung von Bewegung ist die Verbindung zu den städtebaulichen Konzepten von Kenzo Tange. Dabei nicht so sehr das riesige Tokio Bay Project von 1960, sondern eher seine gebauten Kommunikationsnetze111 für Tsukiji von 1960. Die in den 1960er Jahren projektierten utopischen Megastrukturen (Plug-In City, Urbanisme Spatial etc.) sind additive, offene und erweiterbare Strukturen, die sich vom Boden lösen und Eigentumsgrenzen ignorieren. Als Projektionen individueller Autoren auf die Gesellschaft können sie deren Interessenkonfl ikte nicht abbilden; sie stehen somit weder unter Außen-noch Innendruck. Gebäude mit tiefen Grundrissen hingegen sind kompakt. Sie entstehen nur in einem Regime der Knappheit, der Dichte und des wirtschaftlichen Wettbewerbs. Megastruktur und tiefes Gebäude sind somit in ihren Entstehungsbedingungen diametral entgegengesetzt; in der Erscheinung gibt es jedoch interessante Grenzfälle, wie Kahns City Tower oder das Centre Pompidou, die sich daraus herleiten, dass Megastrukturen in der Realisierung einen Gutteil ihres utopischen Gehalts verlieren. Was als grundsätzlicher städtebaulicher Lösungsansatz gemeint war, wird unter den konkreten Bedingungen eines vorgegebenen Grundstücks, unter den Einschränkungen von Budget und Raumprogramm zu einem diskreten Gebäude. So ließe sich zum Beispiel argumentieren, dass das Centre Pompidou am Übergang von der Megastruktur zum Tiefen Grundriss angesiedelt ist. Der Tiefe Grundriss erscheint so zunächst als das, was von den Ambitionen der Megastrukturen übrigbleibt, nachdem die Schwerkraft fi nanzieller, juristischer und praktisch-technischer Probleme auf solch ein Projekt gewirkt hat: Das Centre Pompidou schwebt nicht über der alten Stadt, wie Yona Friedmans Urbanisme Spatial, sondern es nutzt ein verfügbares, wenn auch großzügig geschnittenes Grundstück inmitten der alten Stadt. Insofern ist es auch nicht erweiterbar. Der modulare Aufbau ist klar erkennbar; die Zielsetzung der Austauschbarkeit von Komponenten hat sich allerdings als obsolet erwiesen. Wird das Centre Pompidou wird immer wieder mit den utopischen Projekten der 1960er Jahre in Zusammenhang gebracht, wie Cedric Price‘ Fun Palace und den Projekten von Archigram, so scheint dies eher auf die offensichtlichen „Fun“-Elemente wie die Rolltreppenkaskade zuzutreffen. In Bezug auf die Primärstruktur könnte man auch argumentieren, dass das Centre Pompidou einfach der Höhepunkt der modernen Großraumkonzeptionen ist. Banhams Geschichte der Megastrukturen ließe sich rückblickend einbetten in eine Geschichte von architektonischen Erscheinungsformen der „Bigness“. Bezüglich der Vorgeschichte der Megastrukturen läßt sich fragen, was die historische Stellung dieser Phase in der modernen Architektur ist. Das weiter oben angeführte 1909 theorem könnte nahelegen, dass Megastruktur in ihrer Wurzel ein amerikanisches Konzept ist. Le Corbusier ist jedoch anscheinend der erste Architekt, der die Idee des künstlichen Terrains in ihren Konsequenzen ernst nimmt. Ein wichtiges Element seines Plan Obus für Algier (1930-34) –von Reyner Banham zur ersten modernen Megastruktur erklärt112- ist ein kilometerlanger, mehrgeschossiger, leicht gekurvter Gebäuderiegel, auf dessen Dach eine Straße verläuft, und dessen Ebenen mit Wohnungen ausgebaut werden können. Mit dem Plan Obus ist ein Vorläufer benannt. Mehrere Autoren113 haben aber auch auf die Tendenz der europäischen Avantgarden in der Zwischenkriegszeit hingewiesen, das Tragskelett der Stahl-oder Betonkonstruktion ideell zu überhöhen. Die Lösung des Raumabschlusses vom Tragskelett bei Le Corbusier ist ein Beispiel dafür. In der Freistellung des Skeletts bei Typ 3 seiner Vier Kompositionen erscheint die Tragstruktur eindeutig als primär, die Fassade als sekundär. Im Grunde ist damit das ästhetische Potential der Megastrukturen schon angedeutet: Die Struktur greift räumlich immer weiter aus, als die Füllung. Die Infrastrukturtürme müssen über die oberste Ebene hinausragen, das Tragskelett muss bereichsweise „leer“ bleiben, damit die Wachstumsfähigkeit der Struktur demonstriert ist. Daraus entstehen die Klüfte, Spalten, Rück-und Vorsprünge des Baukörpers, die jeder Lesung als Volumen entgegenlaufen. Vermutlich ist schon die Unterscheidung zwischen konstanten und transitorischen Momenten, wie die zwischen bedienten und dienenden Räumen bei Kahn typisch strukturelles Denken. 1 Louis I. Kahn: Plan for Midtown Philadelphia,1956; links hinten: der City Tower, vorne: Parkgaragen mit Mantelbebauung 2 Louis I. Kahn: Parking Docks für Midtown Philadelphia, 1957 3 Skidmore Owings & Merrill (SOM): Macy‘s Rego Park, Queens (New Jersey) 1965 1 2 3 105 Megastruktur und high-tech Aus der heutigen Perspektive erscheinen Funktionalismus und Megastruktur als verwandt in einer prinzipiell mechanischen Auffassung von Raum und Funktion. Kenzo Tange versteht das megastrukturelle Denken jedoch als einen großen Fortschritt gegenüber einer funktionalistischen Auffassung der Architektur, weil es von den einzelnen Räumen zu höheren Ordnungen übergeht und sich für die Kopplungen zwischen den funktionellen Einheiten interessiert114. Megastruktur bedeutet auch den Anspruch der Architekten, Ordnungssysteme über alle Maßstabsebenen hinweg erfi nden zu können. Wenn Kenzo Tange schreibt: Das Kommunikationszentrum von Yamanashi zeigt, wie ein dreidimensionales Raumnetz in einem einzelnen Gebäude aussieht, dann ist dies auch eine Neudefi nition des Typus aus struktureller Sicht. Das Gebäude ist dann nämlich über seinen unmittelbaren Zweck hinaus Exempel eines neuen Städtebaus; man hat es sich als Ausschnitt aus einem größeren Zusammenhang zu denken. Das Gebäude verkörpert ein dreidimensionales Raumnetz als neue Form räumlicher Organisation in Architektur und Städtebau. Es soll belegen, dass –wie Tange postuliert- Kommunikation ...dem Raum Struktur verleiht. Tanges Kommunikationszentrum gehört zu den Bauten, die im Rahmen dieser Arbeit interessant sind, wo durch Verdichtung innerhalb des additiv konzipierten Gefüges ein tiefes Gebäude entsteht. Auf den Gebäudemaßstab bezogen fördert das (mega)strukturelle Denken eine Fülle von Innovationen zutage: Das analytische, systemische Denken, das sich in ihnen äußert, opfert die Einheit des puren Prismas, um der räumlichen Verfl echtung von Erschließung, Konstruktion und technischer Gebäudeausrüstung nachzugehen. Das megastrukturell inspirierte tiefe Gebäude refl ektiert so auch die Komplexität des verdichteten und immer stärker mechanisierten Bauens. Damit arbeiten die Strukturen der 1960er Jahre einer Uminterpretation des tiefen Gebäudes zu. 4 Kenzo Tange: Tokyo Bay Project, 1960 5 Kenzo Tange, Yoshikats Tsuboi (TW): Tsukiji Project, 1960 6 Kenzo Tange, Fugako Yokoyama (TW): Yamanashi-Gebäude, Kofu 1961-66 4 5 6 1936-46: suspension Paul Nelsons Suspended House (1936-38) kann, ähnlich wie die Vier Kompositionen Le Corbusiers, als ideeller Nukleus angesehen werden, der sich in Richtung größerer „Häuser“ entwickeln läßt. Das Projekt besteht aus zwei Elementen: einem eingeschossigen Pavillon, der sich mit einem dreigeschossigen Halbkubus durchdringt. Die Stahlstruktur des letzteren mit ihren zwei Achsen von außenliegenden Stützen und Trägern erscheint als „Käfi g“, innerhalb dessen die beiden oberen Geschossebenen von oben her abgehängt sind. Damit haben sich die gekurvten Wände des freien Grundrisses bei Le Corbusier gleichsam von der Bindung an eine rechteckige Geschossplatte gelöst und verselbständigen sich als freie Körper im dreidimensionalen Raum. Die Abhängung, von der die „Meisterarchitekten“ nie Gebrauch machen, sorgt für ein surreales Moment im Raumerlebnis –die Beteiligung von Arp, Calder und Leger an der Ausstattung des Suspended House ist charakteristisch für den gedanklichen Horizont dieses Werks. Bei Amancio Williams‘ Projekt für ein Bürohochhaus (Suspended Offi ce Building) von 1946115 wird das Prinzip der Hängekonstruktion auf dem Maßstab eines Hochhauses erkundet. Bei Williams sind drei achtgeschossige Pakete und ein viergeschossiges Paket über stählerne Zugstangen von der aus Ortbeton herzustellenden Superstruktur abgehängt. Deren einzelne Masten und Querriegel sind sämtlich als Vierendeelsysteme ausgebildet. Die vier Hauptträger an der Gebäudekrone haben mächtige Höhen, da sie die Lasten aus allen Geschossen übernehmen. Die unterste abgehängte Geschossdecke befi ndet sich 18 m über dem Straßenniveau, sodass darunter ein öffentlicher überdachter Platz entsteht. In der Längsansicht weist das Projekt mithin augenfällige Parallelen zur 34 Jahre späteren Hongkong Bank auf, wobei das Hochhaus von Williams eher eine Scheibe ist. Um zur Hongkong Bank zu kommen, müßte man es dreifach hintereinander anordnen. Den „Fehler“, die Zugstangen über die ganze Gebäudehöhe zu führen, korrigiert Williams übrigens in einem Hochhausprojekt von 1968, wo nur jeweils sieben Geschosse von einem Trägergeschoss abgehängt sind. Allerdings ist auch hier die Erschließung, ebenso wie bei dem früheren Projekt, in einem mittigen Kern gebündelt, mithin das Potential der eigenen „Entdeckung“ nicht ausgeschöpft. 1946: clear span Während Mies in den späten 1920er und frühen 1930er Jahren zunächst dem von Le Corbusier formulierten Prinzip des freien Grundrisses folgt (am deutlichsten im Tugendthat-Haus), fi ndet er im weiteren Verlauf zu einer eigenen, völlig anderen Raumkonzeption: der Idee des stützenfreien Großraums. Der Innenraum der Crown Hall (1950-56) mit seinen 45 m Spannweite ist die erste Verwirklichung dieses Ideals. Mies‘ Entwurf für ein Drive-in-Restaurant von 1946116 kann man als Prototyp dieser Linie ansehen. Die große Spannweite - im Gegensatz zum Farnsworth House aus demselben Jahr verläuft der Hauptträger in Längsrichtung- erfordert einen Fachwerkträger. Dieser ist aufgrund seiner Höhe oberhalb der Dachebene angeordnet. Eine Lage des Trägers unterhalb der Decke würde eine zu große Raumhöhe erfordern; außerdem wird eine fl ache Deckenuntersicht gewünscht. Bei diesem Modell könnte es sich -ersetzt man den Fachwerkträger durch einen Vollwandträger- geradezu um ein Ausschnittsmodell der Crown Hall handeln.- Stützenfreier Großraum und Geschossbau bleiben für Mies aber bis zuletzt einander ausschließende Konstruktionsweisen. Mies‘ Geschossbauten stehen alle in der Tradition des isotropen Skeletts der Chicago School; ja sie erscheinen geradezu als Höhepunkte dieser Art des Skelettbaus. Nie versucht Mies, seine weitgespannten Eingeschosser übereinander zu stapeln. 1948: Integration Die Entwicklung, die im folgenden Abschnitt beschrieben wird, ist als Auseinandersetzung mit dem Mies‘ schen Schema von Geschossbauten zu sehen, das durch ein „isotropes“ Konstruktionsraster, durch den Einsatz von Abhangdecken im Inneren und Vorhangfassaden in der Außengestalt 1 2 3 107 Megastruktur und high-tech charakterisiert ist. Eero Saarinens dreigeschossiger Bauteil im General Motors Technical Center, 1948 entworfen, folgt dem Miesianischen Schema noch in der Außengestalt. Im Inneren allerdings spannen die Raumfachwerk-Decken stützenfrei über die 16 Meter Gebäudetiefe. Die eng stehenden Stahlprofi le in Fassadenebene tragen gleichzeitig Decken und Fassade. In Bezug auf die Fassade wird die Entfl echtung von Tragstruktur und Raumbildung als eine Errungenschaft der klassichen Moderne zu einem frühen Zeitpunkt revidiert. In Bezug auf den Innenraum entsteht ein stützenfreier Großraum, während die technische Gebäudeausrüstung in der statischen Höhe der Deckenkonstruktion integriert werden kann. Ein ähnliches Schema –allerdings eingeschossig- fi ndet man in den gleichzeitigen Schulbausystemen Ezra Ehrenkrantz‘. Ebenfalls aus dem Jahr 1948 stammen zwei Konzeptentwürfe für Warenhäuser, die den stützenfreien Großraum und die Integration „dienender“ Räume in die Deckenstruktur thematisieren. Voraussetzung ist eine Zunahme der Spannweite ebenso wie der statischen Höhe der Deckenkonstruktion. In der Variante von Ladislav Rado und Antonin Raymond117 wird die gesamte Gebäudebreite von Fachwerkträgern gleichbleibender Höhe überspannt. Diese verlaufen in Installations-und Lagergeschossen, die mit Verkaufsebenen doppelter Raumhöhe alternieren. An der neutral durchgerasterten Glasfassade zeigen sich die Installationsgeschosse lediglich durch eine etwas breitere Profi lierung an. Die Verwandschaft zu Saarinens General Motors ist unmittelbar einsichtig. Die Frage der Priorität kann hier nicht geklärt werden. Auch der Beitrag von Louis Parnes, der weiter oben bereits als Autor des Warenhausbuches von 1935 zur Sprache gekommen ist, arbeitet mit großen Spannweiten und „dienenden“ Geschossen. In seinem tiefen, aber eher länglichen Baukörper sind die Lager- und Technikgeschosse in gebauchte Einfeldträger mit beidseitigen Kragarmen integriert. So erscheint an der Fassade nur eine schmale Geschossdecke, die zur Mitte des Baukörpers hin an statischer Höhe gewinnt. Die Dynamik der geschwungenen Deckenuntersicht schlägt auf die Stützen durch, die aus ihrer senkrechten Stellung heraus leicht geneigt werden und in der Normalen an den gebauchten Träger anschließen. Diese Schrägstellung der Stützen sorgt für die Queraussteifung; außerdem wird durch den Versatz von Fuß-und Kopfpunkt der Stützen das mittlere Feld des Trägers geringfügig entlastet. Die Rolltreppenwangen werden für die Längsaussteifung eingesetzt. Gerade mit dem Beitrag von Parnes sind Themen vorweggenommen, die für eine primär an technologischer Innovation interessierte Architektur über mehr als drei Jahrzehnte hinweg aktuell bleiben werden. Noch in einem Projekt wie Century Tower, Tokio (1988-91) von Foster Associates kann man Verwandschaften erkennen. Man muss auch bedenken, dass die gebauchte Deckenuntersicht in Ronchamp erst zwei Jahre später (1950) entworfen ist. Dabei läßt sich nicht behaupten, das Projekt von Parnes sei besonders intensiv rezipiert worden. Es muss sich wohl um die Art von Phänomenen handeln, die nach Giedion in der Tiefe der Zeit schlummern. Der Grund dafür, dass die beiden technisch so innovativen Entwürfe von Raymond/Rado und Parnes einen marginalen Status in der Architekturgeschichte einnehmen, liegt vermutlich darin, dass das mehrgeschossige innerstädtische Warenhaus mit Glasfassade 1948 bereits obsolet ist. Zum gilt in dieser Zeit Tageslicht in der Einzelhandelsnutzung bereits als entbehrlich. Zum anderen beginnt in den Nachkriegsjahren ein Prozess, im Zuge dessen das Warenhaus generell, zumindest in den USA, nur noch als Ankermieter einer suburbanen Mall denkbar ist. Die beiden Konzepte belegen auch, dass das gemeinhin Louis Kahn zugeschriebene Prinzip der Trennung dienender von bedienten Räumen bereits in den späten 1940er Jahren vorformuliert ist. Kahns Statuierung dieses Prinzips stammt von 1957 . 1 Paul Nelson: Suspended House, Projekt 1936- 38 2 Amancio Williams: Suspended Offi ce Building, Projekt 1946 3 Ludwig Mies van der Rohe: Drive-In Restaurant, Projekt 1946 4 Eero Saarinen Associates: General Motors Technical Center, Warren (Michigan) 1948-50 (1. Bauphase) 5 Ladislav Rado, Antonin Raymond: Konzept für ein Warenhaus, 1948 6 Louis Parnes: Konzept für ein Warenhaus, 1948 4 5 6 1953: hollow stones In der Yale Art Gallery (1951-53) versucht Louis Kahn, Leitungsführung und Beleuchtung in die statische Höhe der Decke zu integrieren. Die größere statische Höhe der räumlichen Fachwerksdecke mit ihrer größeren Spannweite ergänzt das Konzept des klima-kontrollierten Raums mit seiner erhöhten Gebäudetiefe. In Yale gelingt es Kahn, die technische Gebäudeausrüstung so zu integrieren, dass die Primärkonstruktion unverdeckt sichtbar bleibt. In Gothic times, architects built in solid stones. Now we can build with hollow stones. The spaces defi ned by the members of a structure are as important as the members. These spaces range in scale from the voids of an insulation panel, voids for air, lighting and heat to circulate, to spaces big enough to walk through or live in. The desire to express voids positively in the design of structure is evi denced by the growing interest and work in the development of space frames. The forms being experimented with come from a closer knowledge of nature and the outgrowth of the constant search for order. Design habits leading to the con cealment of structure have no place in this implied order.... I believe that in ar chitecture, as in all art, the artist instinctively keep the marks which reveal how a thing was done. . . . Structures should be devised which can harbor the mechani- cal needs of rooms and spaces.... lt would follow that the pasting over of the construction, of lighting and acoustical material, the burying of tortured, un wanted ducts, conduits, and pipe lines, would become intolerable. The desire to express how it is done would fi lter through the entire society of building, to archi tect, engineer, builder and craftsman.118 Kahn wendet in mehreren Bauten das von ihm formulierte Prinzip der Trennung von bedienten zu dienenden Räumen im Grundriss wie im Schnitt an. Die bekannteste Anwendung auf den Grundriss sind die Richards Medical Laboratories an der University of Pennsylvania (von wo aus sich Bezüge zu Lloyd´s in London spannen). In Anwendung auf den Schnitt ist das Salk Institute, La Jolla 1959-65 zu nennen. The same interaction between structure and mechanical systems that Saarinen proposed based on a metal structure led Kahn to reject the suspended ceiling as the sole and universal mechanism for cli matized space. His goal was more ambitious. With Yale’s tetrahedral ceiling he not only placed the sus pended ceiling in crisis; more profoundly, he also questioned the relevance of the modern movement’s two models for constructing stacked vertical build ings: the uniform concrete slab proposed by Le Cor busier in the Maison Dom-ino and the steel frame structure characteristic of Mies van der Rohe’s work in the United States. Kahn’s ceiling responded to the in creasing need for energy distribution systems by in corporating advances in the three-dimensional conception of structural systems, thus synthesizing structural, energy, and formal demands. The element defi ning the vertical layering of fl oors was no longer the “slab that separates” but rather the “cavity that contains,” a cavity that served dual purposes related to both energy needs and structure.119 Kahn ist also nicht von der Gültigkeit eines universalen Rasters überzeugt. Sein Ausgangspunkt ist immer die Vorstellung eines einzelnen Raums, genauer gesagt einer Raumzelle. In dieser beunruhigt ihn die Anwesenheit einer freistehenden Stütze insofern, als diese Stütze die Verbindlichkeit der Raumgrenze schwächt und auf ein übergeordnetes Raster verweist. Seine Kritik bezieht sich auf die universelle Anwendung des Skelettbaus in allen möglichen Nutzungen. Kahn plädiert dafür, die Frage nach der Konstruktionsweise (Skelettbau oder Massivbau?) und nach den Spannweiten in Bezug auf den einzelnen Raum spezifi scher zu beantworten, als Le Corbusier. Dieses Deckensystem übernimmt Kahn für den Entwurf des Philadelphia City Towers. Trotzdem löst diese Decke nicht alle Probleme, da ihre Herstellung kompliziert und teuer ist und der Austausch der Gebäudetechnik aufwendig ist. Beim Salk Institute, 1959-65 wird denn auch für die noch umfangreichere Technik ein eigenes, niedriges Geschoss reserviert, das auch die Vierendeeltragstruktur aufnimmt. Das ursprüngliche Konzept einer gefalteten Deckenkonstruktion, die nicht durchgehend begehbar gewesen wäre, ist dabei gegenüber dem Bauherrn nicht durchsetzbar. So kommt es zu der 1 2 109 Megastruktur und high-tech realisierten Vierendeel-Version, die mit ihrer glatten Beton-Untersicht am ehesten einer Stapelung von Mies-Großräumen entspricht. Für die vertikale Leitungsführung wird Kahns Konzept der dienenden und bedienten Räume relevant, das er zum ersten Mal beim Richards Medical Research Building an der University of Pennsylvania, 1957-61 anwendet, wo vertikale Schächte an der Gebäudeperipherie plaziert sind. Die entgegengesetze Option besteht darin, den mittigen Kern durch eine Anzahl kleinerer Kerne zu ersetzen, die über die Geschossfl äche verteilt diese gleichmäßiger bedienen. Kahns Philadelphia City Tower zeigt diese Variante. In einem Brief an Anne Tyng schreibt Kahn 1954: Now the column must be hollow like the stem of a leaf or the trunk of a tree.120 Diese Äußerung steht im Zusammenhang mit Kahns Selbstkritik an seiner im Vorjahr fertiggestelltenYale Art Gallery. In einer Skizze zeigt Kahn, wie die adäquate Stütze für ein trianguläres Deckentragwerk aussehen müßte. Die hohle Stütze wird aber auch beim City Tower nicht erreicht; eine häufi g vorgebrachte Kritik an der fi nalen Version des City Towers ist ja die, dass die Vertikalerschließung nicht ins Tragwerk integriert ist. Dabei zeigt eine frühe Variante, dass eine triangulierte Hohlstütze durchaus denkbar wäre. Die Zeichnung MCD XX zeigt alternierend stützenfreie Geschosse und Trägergeschosse. Dabei wird gezeigt, dass die Geschosshöhen, auch innerhalb der Trägergeschosse durchaus variieren können. Die Bauteile der aufgelösten Stützen sind deutlich kräftiger gezeichnet, als die der weitspannenden Raumfachwerke in den Trägergeschossen. Nimmt man die, in sich zum Raumfachwerk aufgelöste Deckenkonstruktion hinzu, dann hat man drei Hierarchieebenen der Konstruktion, die einander ähnlich sind. Diese Konzeption verweist auf den Einfl uß von Le Ricolais und seine Erforschung selbstähnlicher Strukturen, „the structure of the structure“. Während die Finalversion des City Towers mit seiner durchgehender Tetra-Okta-Raumstruktur aus immer gleichen Stablängen stärker auf Fuller verweist, zeigt die Vorversion eine zwar nicht ausgearbeitete, aber stärker differenzierte Struktur. Nachhaltigeren Eindruck auf die folgende Architektur hinterlassen die ausgegliederten und vom Gebäude abgerückten Kerne von Kahns Richards Medical Laboratories (1957-61). Dieses Prinzip wirkt über Paul Rudolph und Kevin Roche bis in die High-Tech-Architektur der 1980er Jahre hinein (Lloyd‘s, Hongkong Bank). 1953: full fl oor + exoskeleton In den bislang aufgeführten Referenzen ruhten die Deckentragwerke immer auf Stützen kurz hinter oder in Fassadenebene. In den nächsten Beispielen folgt aus der großen Spannweite die Auslagerung der –pro Achse verbliebenen- zwei Stützen; eine Kombination von Exoskelett und Großraum, die defi nitiv auf Mies zurückgeht. In Myron Goldsmiths Thesis-Projekt (1953) ist jeweils die Hälfte der Geschossdecken von den Querriegeln der Superstruktur abgehängt, während die andere Hälfte über Stützen darauf lagert. So werden die offensichtlichen statischen „Mängel“ des Konzepts von Amancio Williams vermieden. Außerdem entsteht so in der Mitte zwischen den Geschossdecken-Paketen jeweils ein stützenfreies Geschoss. Aber auch hier ist die Erschließung nicht ausgegliedert. Inland Steel von SOM (1956-58) bringt die Vollwandträgervariante des gestapelten stützenfreien Großraums, die in Bezug auf Trägerform und Außenstützen Parallelen zur Crown Hall aufweist, allerdings um den Preis der (gänzlich un-Miesianischen) Ausgliederung des Erschließungs-und Servicekerns. Die Gebäudetiefe von 18,50 Metern entspricht hier zwar noch nicht dem, was oben als tiefer Grundriss defi niert wurde, ist aber weitaus fl exibler zu bespielen, als die 8 Meter Tiefe zwischen Fassade und Kern bei den früheren Bürohochhäusern, wie auch noch in Mies‘ Seagram Building. Bei einem weiteren Beitrag aus dem Büro von SOM, American Republic Insurance Company in Des Moines (1962-64), wird der Kern wieder in die Grundrissfl äche eingegeliedert und Spannbeton erprobt, um bei vergleichsweise geringer statischer Höhe immerhin 1 Louis I. Kahn, Ing.: Henry Phisterer: Yale Art Gallery, New Haven (Conn.), 1951-53 2 Louis Kahn, Anne Tyng: Philadelphia City Tower, Detail der Service-Einheiten in den Mezzaninge- schossen, 1957 3 Louis I. Kahn, Ing.: August Komendant: Richards Laboratories, University of Pennsylvania 1957-61 4 Louis I. Kahn, Ing.: August Komendant: Salk Institu- te, La Jolla (California) 1959-65 3 4 30 Meter stützenfrei zu überspannen. Die T-förmigen Spannbetonelemente werden dabei von Querrippen, die zur Aussteifung dienen, gekreuzt. Beim Centre Pompidou, Paris (1971-77) ist die Idee des stützenfreien Großraums zu einem neuen Rekord getrieben, allerdings nicht nur bezüglich der Spannweite (48m), sondern auch Trägerhöhe (Proportion Trägerhöhe zu lichter Höhe von 3:4). Damit haben die Architekten jegliche Vertikale zumindest aus dem Innenraum erfolgreich verdrängt: Wären die Fassaden aus Mattglas, wie später bei Lloyds, dann würde man außer den Fassadenpfosten auf einem leeren Geschoss keine senkrechten Linien sehen. – Um den Luftraum zwischen den Trägern zu nutzen, entwickeln die Architekten eingehängte Mezanninebenen, die innerhalb einer Tragwerksachse verfahrbar sein sollen. Leider sind diese im fertigen Gebäude nur in geringem Umfang realisiert. 1958: Larkin revisited Soll die Nutzfl äche möglichst ununterbrochen sein, dann stellt sich die Frage, wo –neben der vertikalen Erschließung- Schächte für Lüftungs- und andere Leitungen anzulegen sind: Im Gegensatz zur später v.a. im Hochhausbau vorherrschenden Praxis, die vertikale Leitungsführung in Grundrissmitte anzulegen, erkennt man, dass in den tiefen Grundrissen der Chicago School die Schächte stets am Rand der Geschossdecke liegen. Frank Lloyd Wrights Konzept für Larkin, mit den gestaltprägenden Schächten an der Peripherie, kann so als die architektonisch anspruchsvolle Verarbeitung dieser Praxis angesehen werden. Kahns Prinzip der dienenden und bedienten Räume im Schnitt wurde schon erwähnt. Auf den Grundriss bezogen, wird es von Kahn erstmals bei den Richards Laboratories angewendet. Eine dem Larkin Building noch stärker verwandte Version von gestalterisch hervorgehobenen Schächten an der Außenseite des Volumens bietet das Yale Art and Architecture Building von Paul Rudolph. In den 1960er Jahren, wo natürliche Belichtung im Großraumbüro nicht mehr von primärer Bedeutung ist, wird das Prinzip der peripheren Schächte von Roche und Dinkeloo auf Bürobauten angewandt, wo opake „Infrastrukturwände“ abschnittsweise die Außenwand bilden (College Life, Aetna). Auch bei SOM (American Republic Insurance Company) werden gelegentlich Klimakanäle und sonstige Leitungen in der aufgedoppelten Außenwand geführt. Bei Inland Steel ist der ganze Kern ausgegliedert und vom Hauptvolumen abgerückt. In der metabolistischen Architektur wird die architektonische Herausarbeitung und Freistellung von Elementen der Ver- und Entsorgung geradezu zum Prinzip erhoben: Yamanashi in Kofu weist so nicht nur mittige, sondern auch periphere Versorgungsröhren auf. -Bezeichnenderweise sind alle der angeführten Architekturen mit Ausnahme von Inland Steel Stahlbetontragwerke... 1961: Kommunikationskanäle Die erste realisierte Version eines Rasters von zylindrischen Erschließungs- und Versorgungskernen ist der Campus Jussieu des Architekten E. Albert in Paris (1958-73), bei dem es sich allerdings nicht um einen tiefen Grundriss, sondern um eine Hofstruktur handelt. -Kenzo Tange übernimmt für Yamanashi, Kofu (1961-66) die Konzeption mehrerer schlanker zylindrischer Kerne, die gleichmäßig verteilt sind, weil er darin ein infrastrukturelles Prinzip erkennt, das die Gebäudekonfi guration nicht als abgeschlossen, sondern als wachstumsfähig annimmt. Bei ihm ersetzt die Infrastruktur der Kerne die herkömmliche Gebäudestruktur. Von den 16 Kernen des Yamanashi-Gebäudes sind je drei mit Aufzügen, gewendelten Treppen und Sanitärräumen besetzt; die restlichen dienen als Installationsschächte, bzw. werden für zukünftige Erweiterungen vorgehalten. Die weitgehend geschlossenen runden Kerne tragen als hohle Stützen die Geschossdecken. Sie erstrecken sich jedoch in der Vertikalen weit über die letzte Decke hinaus. Jeweils zwei parallele Träger können pro 1 Myron Goldsmith: Master‘s Thesis IIT Chicago 1953, Schnitt u. Grundriss ohne Maßstab 2 SOM: Inland Steel Building, Chicago 1956-61 1 2 111 Megastruktur und high-tech Geschoss in allen vier Richtungen an eine Kernstütze anschließen. Auch, wo dies nicht der Fall ist, zeigen konsolenartige Gebilde, die aus den Kernstützen herausragen, die Möglichkeit dafür an. Die heutezutage selbstverständliche Kombination von Tragskelett und aussteifendem Kern, bei der der Kern, unabhängig davon, ob das Skelett in Stahl oder Beton ausgeführt ist, auf jeden Fall aus Stahlbeton besteht, ist in der Geschichte des Skelettbaus eine jüngere (und vorwiegend europäische) Entwicklung. Brandschutz ist das treibende Motiv, Aufzüge und Treppen mit Schächten für die vertikale Leitungsführung zusammen zu gruppieren und durch Brandwände gegenüber der nutzbaren Geschossfl äche abzugrenzen. Während es in Europa in den 1960er Jahren üblich wird, den Kern aus Stahlbeton im Gleitschalungsverfahren hochzuziehen (Osram München ist dafür ein Beispiel im midrise-Bereich), sind die Kerne in den USA weiterhin oft Skelettkonstruktionen. Im Stahlbau ist dies plausibel –so sieht man z.B. in der Bibliothek von Mies (Martin Luther King Library, Washington 1965-69) die verkleideten Stahlstützen durch ihre Dimension bedingt aus den Kernwänden herausstehen, wobei Stützen und Wände dieselbe Achse teilen. (Als Beispiel aus dem Hochhausbau erinnert man sich vielleicht an die Twin Towers). Aber selbst im Betonbau fi ndet man Kerne als Skelettkonstruktion (s. Kahns Medical Service Center, Philadelphia 1956). Bei Aetna von Roche Dinkeloo stehen die Randstützen durchgehend direkt vor Kernen, bei College Life dienen die Kernwände direkt als Aufl ager. Nur langsam wird akzeptiert, dass die Kernwände Stützen ersetzen können. Während im Hochhausbau der mittige Kern zum Standard wird, zeichnen sich die tiefen Grundrisse der Nachkriegszeit generell durch peripher gelegene Kerne aus. Osram zeigt die formal nicht ganz befriedigende Situation eines voluminösen Hauptkerns in Randlage. Im allgemeinen nehmen in der Büroarchitektur der 1960er Jahre deshalb die Kerne allmählich länglichere, gestreckte Proportionen an, wie sie sich bei Roche Dinkeloo zeigen. Infrastrukturzonen entlang der ganzen Fassade wie beim Centre Pompidou sind der Endpunkt dieser Entwicklung. 1969: Hohlraumboden Für die horizontale Verteilung von Leitungen werden aufgeständerte Böden als Alternative zur abgehängten Decke entwickelt. Die neu hinzukommende Verkabelung für Datenverarbeitung wird auch besser im Boden verteilt. Der Hohlraumboden hat die leichtere Zugänglichkeit für sich, im Falle, dass Revisionen durchgeführt werden sollen. Typologisch mit Inland Steel verwandt, demonstriert das Centre Pompidou, 1971-77 die Brauchbarkeit des Typs für die Unterbringung diverser Raumprogramme, im Unterschied zur ausschließlichen Büronutzung bei Inland Steel. Der kompakte vertikale Kern von SOM wird über die ganze Länge der Fassade wieder entfl ochten. Der Hohlraumboden ist nur 15 Zentimeter aufgeständert und nimmt nur die Elektro-und Datenleitungen auf, während der Zwischenraum über der Abhangdecke die voluminöseren Lüftungsleitungen beherbergt. Erst in der Hongkong & Shanghai Bank, 1978-85 von Norman Foster Associates kehrt sich die Proportion von Abhangdecke zu Hohlraumboden um: Hier dominiert die Versorgung des Geschosses über den Bodenzwischenraum. In der Abhangdecke verbleiben nur noch Beleuchtung, Sprinklerleitungen und Brandmelder. Bei Foster wird die primäre Deckenkonstruktion nur als Vehikel zur Erzeugung von Hohlräumen aufgefaßt, die die horizontale Verteilung ermöglichen. Die visuelle Einheit von Decke und Boden wird lediglich über die Ausbauelemente Abhangdecke und aufgeständerter Boden hergestellt. Die Entlastung der Deckenunterseite von Gebäudetechnik führt dazu, dass die Verkleidung der primären Stahlkonstruktion zu Brandschutzzwecken wieder in den Vordergrund rückt. So werden die Deckenbalken wieder von unten her ablesbar. 3 Frank Lloyd Wright: Verwaltungsgebäude Larkin Company, Buffalo NY 1905 4 Paul Rudolph: Yale Art and Architecture Building, Yale NJ 1958-62 5 Kenzo Tange, Ing.: Yoshikatsu Tsuboi: Yamanashi Kommunikationszentrum, Kofu 1961-66 3 4 5 1971-85: Synthese Das Konzept des single span ließ sich bis in die letzten Jahre des zweiten Weltkriegs zurückverfolgen; das gilt auch für die damit und untereinander verwandten Konzepte von Exoskelett und Hängehaus. In der Folgezeit wird das Hängehaus-Prinzip allerdings nicht in diesem großen Maßstab angewandt. Stattdessen wird der ohnehin vorhandene Erschließungskern zum Ausgangspunkt der Tragwerkskonzeption, indem die Geschossdecken innenseitig am Kern aufl iegen, während sie außenseitig durch Hängstangen getragen werden, die über diagonale Zugglieder oberhalb der Dachebene in den Kern zurückbinden. So wird es zu einem verbreiteten Konstruktionsprinzip von Hochhäusern bescheidener Höhe –worauf im Rahmen dieser Arbeit nicht eingegangen werden soll; es sei nur an Beispiele wie die Hängevariante von Eiermanns Olivetti-Hochhaus oder die Siemens- Verwaltung in Saint-Denis von Bernard Zehrfuss (mit Jean Prouvé) erinnert. Die Entfl echtung von Makrostruktur und Tragstruktur der Geschossdecken in den Projekten von Williams und Goldsmith ist im kleineren Maßstab nicht mehr sinnvoll. Die Aufnahme der Windlasten durch den innenliegenden Kern bedeutet auch, dass in der Schicht der „Hänger“ vor der Fassade keine weitere Aussteifung erforderlich ist. Im Vergleich zu Hiesmayrs Gebäude, wo der strukturelle und der volumetrische Aspekt in der Außengestalt noch nicht zu einem glücklichem Ausgleich gekommen sind, hält das Centre Pompidou durch die Ausformulierung des außenliegenden Tragwerks wie der Fassaden die perfekte Schwebe zwischen porösem Volumen und fi ligranem Gerüst. Die Querfassaden des Centre Pompidou (1971-77) sind aufgelöste Wandscheiben, die Vertikalkräfte aus den Decken und Horizontalkräfte aus Windlast aufnehmen. Im Unterschied zu den structural skins sind die verglasten Fassaden gegenüber der Tragwerksachse rückversetzt. Somit handelt es sich um ein Exoskelett, ein außenliegendes Tragwerk. Ausgangspunkt ist das weitgespannte System der Normalachsen aus Einfeldträger mit beidseitigen Kragarmen. Dieses wird durch die Einfügung von je drei umgekehrten V‘s in den Obergeschossen zur Scheibe mit vierendeelartiger Tragwirkung. Im Erdgeschoss müssen die Kräfte aus dieser Scheibe in die 9 Meter langen Fundamentkörper eingeleitet werden, die beidseits unterhalb der Stützen und der Zugstangen liegen. Daraus erklären sich die auffälligen Windverbände, die auf Erdgeschossniveau beidseits in der Gerberettenzone angeordnet sind. Also gibt es auch hier (wie bei den structural skins) eine Sonderlösung im Erdgeschoss. Der Verzicht auf die umgekehrten V-Verbände im Erdgeschoss hat auch den Vorteil, das ungehinderte Zirkulieren der Passanten nicht zu behindern. Außerdem wird dem sich möglicherweise einstellenden, aber falschen Eindruck, die Fachwerke der Querfassaden stünden aufeinander –als ob die umgekehrten V‘s Vertikallasten übertragen würden- entgegengewirkt. Vage ähnlich wie das Tragsystem des Centre Pompidou funktioniert die Konstruktion der Hongkong Bank über weit auseinandergerückte Stützen –in diesem Fall als Vierendeelmasten ausgebildet- und über die Entlastung, die das weitgespannte „Feld“ über außenseitige Kragarme erfährt. Damit enden aber schon die Parallelen. So ist bei der Hongkong Bank die Mittelzone in zwei Felder geteilt, wobei die mittige Zugstange jeweils die halbe Last aus den Deckenträgern aufnimmt. Die Zugstange gibt ihre Lasten über zugebelastete diagonale Ausleger und horizontale Druckstreben an die Vierendeelmaste ab. Wo die Fachwerkträger des Centre Pompidou nur Normalkräfte (Druck) in die Stützen eintrugen, werden die Vierendeelmaste bei der Hongkong Bank auf Zug und Druck, mithin auf Biegung belastet. Die Decken sind halb gestützt, halb abgehängt. Dadurch, dass das „Hängehaus“-Prinzip nicht über beliebig viele Etagen funktioniert, sondern in diesem Fall für sieben bis acht Geschosse, entsteht die charakteristische Teilung des Gebäudevolumens in fünf vertikale Abschnitte. Diese sind durch „Lobby“-Geschosse doppelter Höhe getrennt –genau jene Geschosse, in denen die Umlenkung der Kräfte auf die Stützen stattfi ndet. Dieses Tragsystem nutzt offenkundig zwei grundlegende Bedingungen aus: 1.: dass der Querschnitt zugbelasteter Bauteile aus Stahl geringer ist als der druckbelasteter, 2.: dass die Bürogeschosse der Bank nicht total stützenfrei sein müssen. 1 2 1 Renzo Piano, Richard Rogers; ARUP, Peter Rice (TW): Centre Pompidou, Paris 1971-77. Spannweite 48,00 m 2 Norman Foster Associates: Hongkong & Shanghai Bank, Hongkong 1979-85. Deckenspannweiten 16,50 (von Stütze zu Hänger) 3 Norman Foster Associates: Williis Faber Dumas, Ipswich 1971-75, perspektivischer Schnitt 4 Norman Foster Associates: Hongkong & Shanghai Bank, Hongkong 1979-85. perspektivischer Schnitt 113 Megastruktur und high-tech Flexibilität Beim Centre Pompidou und in Sendai werden die Museumskabinette von nichttragenden Trennwänden gebildet. Im Fall von Sendai sind diese vom Architekten bereits vorgesehen. Beim Centre Pompidou handelt es sich um spätere Einbauten, die korrigierenden Charakter haben. Gewandelte Vorstellungen über die museale Präsentation führen dazu, dass die Museumsleitung klassische Kabinette zurückwünscht. Die erste dieser Umbaumaßnahmen (Gae Aulenti, 1982- 85) betrifft das 4. Obergeschoss, wo das Musée National d‘Art Moderne untergebracht ist. Ein langgestreckter „Boulevard“ erschließt die linear gereihten Kabinette, deren Rhythmus auf die (schwerlich zu ignorierende)Tragstruktur Bezug nimmt. In einer zweiten, späteren Umbaumaßnahme (1995-2000) unter Beteiligung des Büros von Renzo Piano wird auch das 3. Obergeschoss analog umgestaltet.121 Großraumkonzepte, zumindest bei Kunstmuseen, unterliegen also der Gefahr, durch eine spätere Aufteilung gar nicht mehr wahrnehmbar zu sein. Beim Centre Pompidou und in Sendai ist auch zu erkennen, wie die ungewöhnliche Tragstruktur der Geschosse die Art der Aufteilung in Einzelräume geradezu vorschreibt, sei es durch tief herabgreifende Fachwerkträger oder durch raumgreifende Hohlstützen. Während also durch die Aufteilung die räumliche Großzügigkeit verloren geht, ist andererseits die Kabinetteinteilung nicht wirklich frei wählbar und auch nicht fl ächenoptimiert. Referenzen 3 4 Philadelphia City Tower 1952-53; 1956-57 In den frühen 1950er Jahren entwerfen Louis Kahn und Anne Tyng, angeregt durch den Kontakt mit Le Ricolais und Buckminster Fuller, mehrere Gebäudestrukturen auf Basis einer raumfüllenden Tetraeder-/ Oktaedergeometrie. Die trianguläre Deckenstruktur der Yale Art Gallery (1951-53) ist das einzige realisierte Ergebnis dieser Studien. Von dem unrealisierten Projekt des Philadelphia City Tower wird meistens die spätere, turmartige Variante von 1956-57 besprochen. Hier soll es aber um die erste Planungsphase des Projekts (1952-53) gehen, in der sich das Gebäude noch als prismatischer Baukörper von 66 Metern Höhe, aber von größerer Tiefe darstellt. Das Prisma ist die schlichte Extrusion einer charakteristischen Grundrisskontur, nämlich einer Dreiecksform, die durch ihre konvexen Seiten wie aufgepumpt erscheint. Diese Form, die ungefähr auf der Mitte zwischen gleichseitigem Dreieck und Sechseck liegt, und deren stumpfe Winkel zusätzlich abgeplattet sind, scheint von der Abbildung einer Diatomee in d‘Arcy Thomsons On Growth and Form122 angeregt zu sein. Die Diatomee ist deshalb eine wichtige Referenz, weil sie fähig ist, aufgrund ihrer räumlichen Struktur Druck-und Zugspannungen mit einem Minimum an Materialeinsatz aufzunehmen. Sie ist also auch in ihrem inneren Aufbau das Naturvorbild für das Raumfachwerk der Geschossdecken. Da dessen Zellen jedoch von uniformer Größe, und nicht –wie in der Natur- gegen den Rand hin skaliert sind, ergibt sich im Projekt des City Towers eine ähnliche Reibung zwischen der Geometrie des Deckenrands und der triangulären Geometrie der Deckenstruktur wie bei der in der gleichen Zeit entstehenden Yale Art Gallery. -Der Schnitt zeigt ein 15- geschossiges Bauwerk mit aufgeständertem Erdgeschoss, über dessen Höhe Trägergeschosse mit weitgehend stützenfreien Geschossen alternieren. Die Ansicht zeigt den prismatischen Baukörper, der auf wenigen massigen Stützen des Erdgeschosses ruht. Sie gehört offenkundig zur selben Entwicklungsphase des Projekts wie die abgebildeten Grundrisse, während der Schnitt ein Gebäude größerer Tiefe zeigt. In der nächsten Phase des Projekts wird die Oktet-Matrix des Raumtragwerks über die ganze Gebäudehöhe ausgedehnt, wobei die Höhe der Zellen jeweils drei Geschossen entspricht. Über die Gebäudehöhe hinweg gibt es drei Geschosse mit dem Dreifachen der normalen Geschosshöhe. Die Geschossdecken haben jetzt die Kontur aus drei aneinandergesetzten Sechsecken. Die durchgehende Oktet-Struktur führt zu einer verspringenden Außenkontur. Diese Version des Projekts wird 1953 in Perspecta veröffentlicht.1956-57 nehmen dann Kahn und Tyng die Arbeit am City Tower wieder auf und entwickeln das Projekt zu einem Hochhaus von 188 Metern Höhe. Nachdem das Projekt keine Chancen auf Realisierung mehr hat, dient es jetzt als von der Betonindustrie gesponsertes Demonstrationsobjekt für die Anwendung von Beton im Hochhausbau. Es scheint so, als seien Kahn und Tyng im Verlauf der fünf Jahre, über die sich das Projekt hinzieht, zunächst von einem liegenden Baukörper ausgegangen, um sich zunehmend in Richtung Hochhaus zu bewegen. Die spätere Hochhaus-Fassung kann auch dadurch motiviert sein, die Möglichkeit der Windaussteifung als zusätzliches Argument für die tetraedrische Struktur einzusetzen. Für die Diskussion des tiefen Grundrisses ist die erste Variante am ergiebigsten, vor allem durch das prismatische Volumen, den Wechsel zwischen regelmäßig gestützten und fast stützenfreien Geschossen und durch die Idee der Selbstähnlichkeit zwischen Stütze und Deckentragwerk. Hierin 1 2 115 Megastruktur und high-tech scheint hauptsächlich Kahns Beitrag zu liegen; die Frage, welche Stützenform die strukturelle Logik des Deckentragwerks fordert, beschäftigt ihn auch nach Vollendung der Yale Art Gallery.123 Die Ebenen werden durch sechs Kerne gestützt, die Aufzüge und Treppen enthalten. Diese Kerne sind Türme im Oktet-System, dessen einzelne Stäbe hier besonders kräftig ausgeführt sind. Die Geschossebenen als Raumfachwerke werden durch ein räumliches Fachwerk der selben Maßstäblichkeit wie die Kerne zu steifen Paketen gebündelt, die an die Kerne anschließen. Der Schnitt zeigt mehrere Unsicherheiten bezüglich der Frage, wie die Aufzüge durch die Tetraederstruktur hindurchfädeln, oder wie die Geschosshöhe mit dem tetraedrischen Modul abzustimmen ist. Vermutlich aus diesen Gründen wird das Projekt in der nächsten Phase vereinfacht. Der Text, mit dem Kahn das zweite Projekt erläutert, verrät den Einfl uß von Le Ricolais. Er schlägt darin vor, an die Monumentalität historischer Architekturen anzuknüpfen, aber nicht mit gebauter Masse, sondern mit raumhaltigen Strukturen („to build with hollow stones“).124 Der City Tower bleibt jedoch –vor allem in der Hochhaus-Fassung- eine Episode im Werk von Louis Kahn. In seiner Perspektivskizze des Gesamtplans für Midtown Philadelphia sind die von den Pyramiden und dem Kolosseum inspirierten massiven Baukörper mit mehr Überzeugung gezeichnet, als der City Tower; ihm mangelt es in Kahns Augen wohl an physischer Substanz und Prägnanz der Form. Die frühe Version in ihrem prismatischen Erscheinungsbild paßt noch in die Komposition aus Quadern, Kegelstumpf und Zylindern, die Kahns Plan darstellt, die spätere Version bleibt ihm fremd. Literatur: Romualdo Giurgola: Louis Kahn. Verlag für Architektur Artemis, Zürich 1979 (1. Aufl . 1975), S. 192- 194 Vincent Scully (introd.): The Louis I. Kahn Archive, I. Buildings and Projects, 1926-1958. Garland Publishing Inc., New York and London 1987, S. 294-331 Heinz Ronner, Sharad Jhavery,: Louis Kahn. Complete Works 1953-74. Birkhäuser, Basel Boston Berlin 2. Aufl . 1987, S. 30-33 Kenneth Frampton: Studies in Tectonic Culture. The MIT Press, Cambridge Massachusetts/ London, England 1996 (2. Aufl .) S. 215-217 Irene E. Ayad: Louis Kahn and Space Frames, aus: Beyond the cube. Wiley, New York 1997 S. 127-146 Inaki Abalos, Juan Herreros: Tower and Offi ce. The MIT Press, Cambridge Massachusetts/ London, England 2003, S. 48-49 Louis I. Kahn: Philadelphia City Tower, Variante 1 1952-53 1 Schnittskizze mit großer Gebäudetiefe 2 Ansicht 3 GrundrissTrägergeschoss 4 Grundriss Stützengeschoss 3 4 Großstruktur aus einem Standardelement, 1953 Wachsmanns Großstruktur ist die abstrakte Studie eines Bausystems für den Geschossbau. Die zusammen mit Studenten des Institute of Design in Chicago entwickelte Struktur besticht durch den Versuch, das konstruktive Gefüge eines Geschossbaus auf die wiederholte Anwendung eines einzigen Bauteils zu reduzieren, das Stütze und Träger in sich vereint. Dabei handelt es sich, wie Wachsmann versichert, um eine rein geometrisch-räumliche Untersuchung, in der die Frage des Materials noch ausgeklammert ist. Das Bauteil als dreischenkliges, schlüsselbeinartiges Gebilde ist als Halbfertigteil konzipiert. Ausgangspunkt ist eine biegesteife Verbindung zwischen Stütze, Boden und Decke: So wird ein Doppelpilz erzeugt, der dann in Röhren aufgelöst wird. Das Standardelement bedarf allerdings der Ergänzung durch Zwischenelemente (Träger), die jeweils die Enden der Y- förmigen Elemente miteinander verbinden, um eine gewisse Spannweite herzustellen. Die eindrucksvolle Perspektive der Großstruktur suggeriert, dass die Struktur in alle Raumrichtungen unendlich weit wachsen kann. Sogar eine Version, in der die Stützen sich geschossweise versetzen, wird in Wendepunkt im Bauen gezeigt. Allerdings ist hier immer nur der „Rohbau“ dargestellt: Wachsmann stellt sich das Standardelement im Ausbau fl ächig beplankt vor, wobei es seinen fi ligranen Charakter wieder einbüßen würde. Im Gegensatz zu Nervi interessiert es ihn nicht, den Kraftverlauf in der Decke sichtbar zu machen; stattdessen erzeugt Wachsmann ein strukturell motiviertes, aber skulptural wirkendes Element, um es später zu verkleiden! Faszinierend ist jedoch an Wachsmanns Vision die Vorstellung, einen Geschossbau (fast!) aus einem einzigen Element aufzubauen, das Stütze und Deckenkonstruktion vereint, und das sich durch die Etagen spiralförmig hindurchwindet. Die Großstruktur aus einem Standardelement hat eine singuläre Stellung in Wachsmanns Buch Wendepunkt im Bauen. Der konstruktive Knoten, der Wachsmann auch sonst stark beschäftigt, ist hier gleichsam vergrößert und zu expressiver Kraft entfaltet. Interessant ist auch die Gleichbehandlung von Decke und Fußboden in der Großstruktur: Bei Maillart wuchs die Stütze aus der Decke heraus; bei Wachsmann wächst die Stütze aus Decke und Fußboden gleichermaßen heraus; der Stoß ist in der Mitte der Geschosshöhe. Solche Systeme werden in den 1950 bzw. 60er Jahren höchstens als zweidimensionale Systeme realisiert, z.B. bei der Rare Books Collection an der Yale University von SOM. Aber hier fehlt der eindrucksvolle Gedanke Wachsmanns, die Struktur über die Etagen des Baukörpers hindurchzuweben. Das Konzept der Bündelstütze fi ndet man in dieser Zeit auch bei Robert Le Ricolais. Aber hier wird nicht versucht, das Bauteil zu einer größeren Struktur, die auch Deckenbauteile umfaßt, zu fügen. Wachsmanns System hingegen kann -zumindest ideell- in alle Richtungen expandieren. Die Ideen Wachsmanns werden zu einer Anregung für die Teilnehmer der Sommerakademien, in denen Wachsmann von 1951-59 in Salzburg lehrt, so z.B. für die österreichische Arbeitsgruppe 4. Literatur: Konrad Wachsmann: Wendepunkt im Bauen, DVA Stuttgart 1988, S.194-201 (1. Aufl . Krausskopf- Verlag Wiesbaden 1959) Heinrich Klotz: Architektur des 20. Jahrhunderts, Deutsches Architekturmuseum, Frankfurt 1989, S. 202-205 Konrad Wachsmann: Großstruktur aus einem Standardelement, Studie, 1953 1 Perspektive 2 Option auf Stützenversatz von Geschoß zu Geschoß 3 Knoten 4 Deckenspiegel 1 2 3 4 117 Megastruktur und high-tech Yale Art and Architecture Building 1958-62 Es ist fraglich, ob die Grundrisse von Paul Rudolphs Yale Art and Architecture Building (1958-62) als tiefe Grundrisse bezeichnet werden können. Die durchgehenden Geschossebenen verdanken sich lediglich Brandschutzaufl agen; die Konzeption des Architekten ist im Grunde ein Atrium- die Verwandschaft mit dem Larkin Building von Wright ist in der Literatur denn auch öfters festgestellt worden. Nach Paul Rudolph gibt es in dem Gebäude von ungefähr sieben Geschossen Höhe insgesamt sechsunddreißig verschiedene Niveaus– Anzeichen dafür, dass ihm auch eine Art Raumplan vorschwebt. Die schwierige Nutzungs-und Rezeptionsgeschichte des Art and Architecture Building ist andernorts bereits aufgearbeitet worden. Die zeitgenössische Kritik, die mittlerweile einer positiven Neubewertung gewichen ist, ließe sich unter dem Verdikt Susan Sontags bündeln, die an Rudolphs Bau style at the expense of content diagnostiziert hatte. Der Grundriss zeigt, dass die Geschossebenen im Inneren von vier mächtigen Hohlkörperpfeilern von längsrechteckigem Querschnitt getragen werden. Die Decken schließen im Atrium an zwei Seiten an, sodass die Pfeiler auf den verbleibenden Seiten exponiert sind. Der Eindruck, dies sei die Grundstruktur des Gebäudes, wird durch die Lufträume der oberen Geschosse verstärkt, die sich exakt nach der Breite dieser Pfeiler dimensionieren. Rudolphs eigenhändige Perspektive scheint drei parallele Riegel zu zeigen, die zwischen Pfeilern hindurchgesteckt sind. Die Außenansicht zeigt hingegen ein etwas anderes Bild: Hier entsteht der Eindruck, dass das zentrale verglaste Volumen von rechtwinklig und geschossweise zueinander versetzten Riegeln überspannt wird, die von pfeilerbesetzten Kernen emporgestemmt werden. Der Erdgeschossgrundriss wiederum ist ein tiefer Grundriss mit einer differenzierten Peripherie, in den vier Pfeiler eingestellt sind, während die Vertikalerschließung ausgegliedert ist. Das Art and Architecture Building entpuppt sich so als ein wichtiger link zwischen dem Larkin Building, den Richards Laboratories von Louis Kahn und Lloyd‘s of London von Richard Rogers (der ja in den späten 1960er Jahren bei Rudolph in Yale studierte). Mögliche Lesarten des Gebäudes wechseln also zwischen einer Überlagerung von Riegeln, einem Atrium und einem tiefen Grundriss. Der etwas formalistische Charakter des Ganzen ergibt sich dabei aus der Diskrepanz zwischen Innerem und Äußeren. Literatur: Paul Rudolph. Faculté d’art et architecture..., in: L’architecture d’aujourd’hui Juni/Juli 1964, S.62-65 Rupert Spade: Paul Rudolph. Thames and Hudson, London / New York 1971 Paul Rudolph: Dessins d´Architecture. Offi ce du Livre, Fribourg 1974 A. Tzonis, L. Lefaivre, R. Diamond: Architektur in Nordamerika seit 1960. Birkhäuser, Basel Berlin Boston 1995, S. 82-85. Ezra Stoller: The Yale Art and Architecture Building; in der Reihe Building Blocks. Princeton Architectural Press, New York 1999 Timothy M. Rohan: Rendering the Surface: Paul Rudolph’s Art and Architecture Building at Yale, Grey Room 01, S. 85-107 Paul Rudolph (1918-97): Yale Art and Architec- ture Building, 1958-62 1 Ansicht über Eck von Südosten 2 Perspektivischer Längsschnitt W-O, o.M. 3 Grundriss 4. OG: Arts Department 4 Grundriss 2.OG: Großer Zeichensaal der Archi- tekturabteilung 5 Grundriss 1.UG: Bibliothek 1 2 3 4 5 Yamanashi Kommunikationszentrum, Kofu 1961-66 In seinem Text Funktion, Struktur und Symbol (1966) beruft sich Tange auf den Kybernetiker Norbert Wiener und fordert, dass sich –entgegen der streng funktionalistischen Auffassung- Kopplungen zwischen funktionellen Einheiten pluralistischer, elastischer ...und spontaner ausnehmen. Nach Tange ist es die Kommunikation..., die dem Raum Struktur verleiht. Er will aus Kommunikationskanälen ein dreidimensionales Raster aufbauen, wie in seinem Plan für Tsukiji. Die Grenze zwischen Städtebau und Gebäude wird dabei –typisch für Megastrukturen-aufgelöst: Das Kommunikationszentrum von Yamanashi zeigt, wie ein dreidimensionales Raumnetz in einem einzelnen Gebäude aussieht. Im Gebäude befi nden sich die Büros der Zeitung Yamanashi, des Radiosenders Yamanashi und eine Druckerei. Die Einkaufsläden, die sich in der Gebäude seite gegenüber dem Bahnhof befi nden, tragen noch dazu bei, die Entwicklung der Nordseite des Bahn- hofes zu fördern. Den Funktionen entsprechen vier Arten von Räumen:Räume für Laden, Büroräume für die Zeitungs- und Radioagentur, Druckereiräume für die Zeitung und das Reklamebüro und Studioräume für die Radio gesellschaft. Jedes der funktionellen Elemente ver- langt eine andere Behandlung. Betreffend vertikale Beförderungsmittel verlangen die Büroräume zum Beispiel Personenaufzüge, Treppenhäuser für Ange stellte und Gäste, ferner braucht die Druckerei Waren aufzüge und die Zeitungsabteilung Personen- und Warenaufzüge. Um diesen Anforderungen entgegenzukommen, er richteten wir eine Anzahl vertikaler Kommunikations schächte, jeder mit einer anderen Funktion. Dann legten wir den einzelnen Kernen Räume zu, und zwar dort, wo sie ihren Funktionen am meisten ent gegenkamen. Auf diese Art kamen vertikale Straßen zustande, wenn auch da und dort Leerräume vor handen sind. Diese werden im Falle einer Erweiterung ausgenutzt. In diesem Sinn ist das Gebäude ein einzelner räumlicher Typ, der sich verändern und der wachsen kann, also ein Raum innerhalb eines drei dimensionalen Kommunikationsrasters. Dieser Vor schlag gilt für einzelne Bauten und ebenso für die Stadtplanung. Wie sieht dieses Raster mit seinen Kommunikationsschächten nun in Wirklichkeit aus? Die Außenperspektive zeigt eine eindrucksvolle Silhouette, gleich einer Bohrinsel. Dabei bietet die zerklüftete Ostseite ein anderes Bild als die Westseite, die eher als geschlossene Wand wirkt. Im Grundriss erstaunt es, die Zylinder der Kerne nicht in einem gleichmäßigen Raster zu fi nden, sondern in einer Mittelzone enger gestellt –was sich wohl aus der üblichen Kombination von Treppe und Aufzug herleitet, die innerhalb einer einzigen Rundstütze nicht unterzubringen wären. Dadurch erhält die Matrix aus 4 x 4 Stützen eine Ausrichtung: Gerade im Eingangsbereich des Erdgeschosses wirkt die Mittelzone als Symmetrieachse. Im 1.und 2. Obergeschoss kragen die tiefen Geschossplatten getreu dem corbusianischem Vorbild (Villa Savoie etc.) in zwei entgegengesetzten Richtungen über die Randstützen aus, während sie in den zwei anderen Richtungen knapp hinter die Stütze versetzt enden. Die unteren fünf Geschosse (davon zwei unterirdisch) sind tiefe Grundrisse; das 3. OG ist eine teilüberdeckte Dachterrasse mit seitlichem Riegel. Die darüberliegenden Geschosse stellen sich als Riegel dar, die in wechselnden Richtungen zwischen die Kerne gespannt sind. Die Matrix aus runden Erschließungskernen ist hier nur zur Hälfte mit Räumen belegt. Reyner Banham äußert sich bezüglich der Erweiterungsmöglichkeiten unentschieden: In Megastructure billigt er dem Gebäude –as close to megastructure as anything Tange ever built- nur eine vertikale Erweiterung zu; in einem späteren Text meint er, es könnten ja auch weitere Türme errichtet werden, wonach auch ein horizontales Wachstum möglich wäre. Der Vergleich dieses Gebäudes mit Paul Rudolphs Art and Architecture Building ist aufschlußreich: Beide Gebäude schwanken in der Lesbarkeit des Grundschemas zwischen einer Überlagerung von Riegeln, die zwischen massive Kerne gespannt sind, und einem tiefen Grundriss, wobei das Atrium bei Tange nicht vorkommt. War Paul Rudolphs Art and Architecture Building irgendwo zwischen Wright und Kahn angesiedelt, so sind Tanges Ausgangspunkte eher Le Corbusier und Kahn. Kenzo Tange (1913-2005), Fugako Yokoyama (TW): Yamanashi Kommunikationszentrum, Kofu 1961-66 1 Ansicht von Osten 2, 3 Eingangshalle 4 Ansicht von Westen 5 Schnitt N-S 6 Grundriss 3.OG (links Dachterrasse) 7 Grundriss 2.OG: Zeitungsredaktion 8 Grundriss 1.OG: Zeitungsdruckerei, Cafeteria 9 Grundriss 2.UG 1 2 3 119 Megastruktur und high-tech Beide Bauten, von Paul Rudolph ebenso wie von Kenzo Tange, sind aufgrund ihrer strukturellen Überartikulation ebenso bewundert wie kritisiert worden, wobei Tanges Ansatz stärker theoretisch fundiert und in sich strukturell konsequenter erscheint. Der strukturelle Exzess ist bei ihm nicht Selbstzweck, sondern soll im Dienst erhöhter Flexibilität und Wachstumsfähigkeit des Gebäudes bestehen. Weitere Parallelen von Tanges Projekt bestehen zur Mikveh Israel Synagoge (1961) von Kahn oder zum Hochaus der Knights of Columbus (1968) von Kevin Roche und John Dinkeloo. Selbst die Hongkong and Shanghai Bank von Foster zeigt Nachwirkungen, obwohl dort vertikale Tragstruktur und Erschließung wieder entfl ochten sind. Auch wird die Mittelzone, die bei Tange noch besonders verdichtet war, bei Foster durch das gewählte Konstruktionssystem ‚entlastet‘. Aber bei beiden Gebäuden zeigt sich ein Raster von vertikalen Masten, zwischen die Geschosspakete gespannt sind, wobei sich die Füllung nach oben hin ausdünnt. Es ließe sich eine Linie konstruieren, die von Kofu aus, in Kombination mit dem Gerbersystem des Centre Pompidou, zur Hongkong Bank führt. Literatur: Kenzo Tange: Funktion, Struktur und Symbol (1966); in: Udo Kultermann (Hg.): Kenzo Tange 1946-1969. Architektur und Städtebau. Verlag für Architektur Artemis, Zürich 19XX, S. 240-245; Paolo Riani: Kenzo Tange. Sadea/Sansoni, Firenze 1969, S. 41-43; Reyner Banham: Megastructure. Urban Futures of the Recent Past. Thames and Hudson Ltd., London 1976, S. 54- 55; Arnulf Lüchinger: Strukturalismus. Karl Krämer-Verlag Stuttgart 1981, S. 126-127; auch S. 48- 52; Reyner Banham, Hiroyuki Suzuki: Modernes Bauen in Japan. DVA Stuttgart 1987, S. 64-65. 4 5 6 7 8 9 Centre Pompidou, Paris 1971-77 Konzept: Das Centre Pompidou, Paris 1971-77 ist bekanntermaßen als Kulturzentrum konzipiert, das moderne Kunst (Musée national de l‘art moderne), Industriedesign (Centre de Création Industrielle) und Musik (IRCAM) mit einer Bibliothek kombiniert. Zielsetzung der Architekten ist, dass das Gebäude sich wandeln kann; und zwar nicht nur im Grundriss, sondern auch in Schnitt und Ansicht. Die Idee ist die eines Rahmenwerks, das den Ausdruck individueller Freiheit erlauben soll. Das Rahmenwerk soll fähig sein, auf technische Änderungen ebenso zu reagieren, wie auf programmatische Umstrukturierungen innerhalb des Gebäudes. Jedes der fünf Geschosse mißt 170 x 48 x 7 Meter ohne Unterbrechung durch Stützen, Leitungen oder Erschließung. Alle Vertikalerschließungen verlaufen in einer Zone an der West- und Ostseite des Gebäudes. Mittels der Verlegung von Leitungsführung und Erschließung an die Fassade verfolgen die Architekten nicht nur das Ziel einer leichten Austauschbarkeit technischer Komponenten, sondern sie erwarten sich davon auch, dass die Größe des Gebäudes durch kleinmaßstäbliche Elemente differenziert wird. Die traditionelle Fassade als Grenze eines Volumens wird aufgelöst in eine durchlässige, poröse Zone (Inside-out building). Mit dem Centre Pompidou gewinnt die Idee des well-serviced shed, auf einen Geschossbau übertragen, ebenso Gestalt, wie die emanzipatorischen Ideen der Zeit nach 1968 über einen schwellenlosen Zugang zur Kultur. Planungsprozess: Das Konzept der Architekten macht auf dem Weg zur Realisierung einige Änderungen durch: Einige Ideen scheitern am Desinteresse des Bauherrn, mangelnder Finanzierung, vor allem aber an Brandschutzanforderungen. Andererseits bringt der Planungsprozess auch eine Fülle von Innovationen. Wie sich das Tragwerkskonzept des Centre Pompidou herausbildet, ist bei Peter Rice nachzulesen. Drei Punkte, die Peter Rice besonders heraushebt, sind: 1. Die Gerberetten, die das strukturelle System des Wettbewerbsentwurfs mit seinen vier Stützen pro Achse auf die elegantere Form von zwei Stützen mit Hauptträger und beideitigen Kragarmen bringen. 2. Die Aufl ösung von Ober- und Untergurt der 45 Meter langen Fachwerkträger in zwei runde Hohlprofi le. 3. Die Schleudergußstützen, die über die ganze Gebäudehöhe ihren Außendurchmesser von 85 Zentimetern beibehalten, während die Wandungsdicke von 8,5 auf 4 Zentimeter abnimmt. Umbau: Das Innere des Centre Pompidou wird in den Jahren 1995-2000 durch Renzo Piano u.a. gründlich umgestaltet. Nachdem das Centre wegen einer Erneuerung der Haustechnik ohnehin geschlossen ist, werden die inneren Funktionen reorganisiert: Ein Teil des Forums im Erd-und Untergeschosses wird geschlossen, um dort Säle anzulegen. Das Musée National de l‘ Art Moderne (MNAM) nimmt jetzt die Ebenen 4 und 5 komplett ein. Es gibt dort keinen Großraum mit locker verteilten Scheiben mehr, sondern geschlossene Sammlungsräume entlang eines innenliegenden „Boulevards“. Die Geschossdecke der Ebene 6 wird erweitert. Die Verwaltung zieht komplett aus dem Centre aus, in ein Gebäude der Umgebung. Die Bibliothek nimmt jetzt die Nordseite von Ebene 1, die ganze Ebene 2 und acht Achsen von Ebene 3 ein. Sie ist auf 2000 Besucher hin ausgelegt und wird durch neu hinzugekommene Rolltreppen in einem Luftraum, quer zu denen der Fassade, vom Mezzanin des Forums aus separat erschlossen. Dieser Luftraum ist aus Brandschutzgründen abgekoffert. Für die Benutzung der Rolltreppenkaskade wird ein Tarif erhoben; für die Bibliothek ein separater Tarif. Der Umbau verweist auf organisatorische Schwachpunkte des Ursprungskonzept: So z.B. hat die Rolltreppenkaskade als alleinige Vertikalerschließung zu Warteschlangen in den öffentlichen Bereichen des Erdgeschosses geführt. Konstruktion: Vierzehn Gelenkrahmen im Abstand von 12,80 Metern überspannen stützenfrei 48 Meter. Sie sind als eine Art Gerbersystem konzipiert, wo die 44,80 Meter langen Fachwerkträger durch 7,60 Meter messende Kragträger entlastet werden. Am äußeren Ende der Kragträger verläuft jeweils ein Zugstab. Stütze und Zugstab teilen sich jeweils einen 9 Meter langen Fundamentkörper aus Stahlbeton. Renzo Piano, Richard Rogers; ARUP, Peter Rice (TW): Centre Pompidou, Paris 1971-77. Spannweiten 48,00 x 12,80m. Sechs Geschosse. 1 Platzansicht (Westen) 2 Café an der Dachterrasse.Zustand 1977 3-6 Musée National d‘Art Moderne, Ebene 4 und 5, Zu- stand 1977 7 Typischer Grundriss 1 2 3 121 Megastruktur und high-tech Die Stützen sind Rohrprofi le von 850 Millimetern und von unten nach oben abnehmenden Wanddicken von 85 bis 40 Millimetern. Die Fachwerkträger haben aufgedoppelte Obergurte aus Rundrohren von 410 Millimetern Durchmesser und ebenso aufgedoppelte Untergurte aus Vollstählen mit Durchmessern von 160 bis 225 Millimetern (von außen nach innen zunehmend). Die mittig gelegenen Diagonalen der Fachwerkträger bestehen aus Rohren für die Druckstäbe und aus runden Vollstählen für die Zugstäbe. Die Kragträger (Gerberetten) sind mit Auskragungen von 6,00 Metern und 1,60 Metern gelenkig an die Stützen angeschlossen. Die Zugstangen sind 200 Millimeter messende Vollstäbe. Die Decken sind 11 Zentimeter starke Stahlbetonplatten von 3,20 x 6, 40 Metern Größe, die auf den Sekundärträgern von 50 Zentimeter Höhe aufl iegen und mit diesen durch Kopfbolzen verbunden sind. Die Anordnung von 6 Millimetern breiten Fugen erlaubt, dass der Obergurt des Fachwerkträgers sich infolge Belastung um 4 Millimeter verkürzen kann, ohne dass diese Verkürzung Druckspannungen in der Decke hervorrufen würde. Die Decken fungieren unter Horizontallast als Scheiben, die die Windkräfte auf die Vertikalstruktur übertragen. Deren Aussteifung ist in Längsrichtung durch Auskreuzungen hergestellt, die die Gerberetten der „geradzahligen“ Geschosse jeweils an ihrer Spitze miteinander verbinden. Die Gerberettenzone wird zusätzlich durch horizontale K-Verbände in jeder zweiten Achse ausgesteift. Direkt angrenzend ist in den verbleibenden Zwischenraum zur Geschossdecke ebenfalls ein horizontaler K-Verband eingesetzt. In Querrichtung werden die „Giebelwände“, d.h. die erste und letzte Konstruktionsachse durch die Einfügung zusätzlicher Stäbe zu Scheiben. Außerdem gibt es auf Erdgeschossniveau jeweils zwischen Stütze und zugehörigem Zugstab, unterhalb der untersten Gerberette eine kräftige Auskreuzung. Die Knotenpunkte der Fachwerkträger, ihre Endstücke und die Gerberetten sind im Stahlgußverfahren hergestellt. Das Centre Pompidou steht damit für eine Wiederbelebung des Stahlgusses (nach dem Ersatz der Gusseisenstützen durch Walzprofi le in den 1880er Jahren war der Gußstahl nur noch für kleinmaßstäbliche Anwendungen in Frage gekommen). Die Gussteile verleihen dem Tragwerk des Centre Pompidou eine einzigartige skulpturale Qualität. Scheinbar durch nichts vorbereitet, entsteht ein in sich konsistentes Formenrepertoire für die Ausbildung von Gelenken, Anschlüssen etc. Die Fügung der Stahlkonstruktion in ihrem großen Maßstab ist damit zu einer Finesse und Eleganz getrieben, die –zumindest im Geschossbau- 4 5 6 7 bislang unerreicht ist. Brandschutz: Brandschutzaufl agen führen zu teilweise einschneidenden Änderungen des ursprünglichen Konzepts: Im Planungsverlauf wird die Gebäudehöhe auf 42 Meter reduziert -die 28 Meter Länge einer Pariser Feuerwehrleiter sind hier maßgeblich. Die verminderte Gesamthöhe führt auch zu einer geringeren Geschosshöhe (Mitarbeiter aus dem Team von Piano und Rogers beklagen, dass die realisierte Geschosshöhe von 7 Meter nicht hoch genug sei.) Vor allem aber verwehrt eine innere Brandwand auf jedem Geschoss den Durchblick über die ganze Länge des Gebäudes. Eine Brandwand zur Installationszone hin führt eine konzeptionell nicht gewollte Asymmetrie in den Schnitt ein. Der Brandschutz der Stützen wurde ursprünglich dadurch gewährleistet, dass sie an der Innenseite von Salzwasser durchfl ossen wurden, das über Pumpen konstant zirkulierte. Nach der Renovierung wird der Brandschutz durch einen Anstrich sichergestellt. Fachwerk- und Deckenträger 1 2 3 4 5 123 Megastruktur und high-tech sind durch eine Ummantelung geschützt, die Kragträger durch eine äußere Bewässerung. Das auch vorher schon umfängliche Brandschutzsystem (Rauch-und Brandmeldeanlagen, Sprinkler) wird 2000-05 auf den neuesten Stand gebracht (Nachrüstung von Brandmeldern, Brandschutztüren etc.). Technische Gebäudeausrüstung: Die Räume werden versorgt über die Decke, an der alle Leitungen sichtbar verlaufen, und den geringfügig (14 cm hoch) aufgeständerten Boden. Im Rahmen der Renovierung wird die Klimaanlage vom elektrischen Betrieb auf Wärmepumpen und Fernwärmenutzung umgestellt. Ein neues Blockheizkraftwerk liefert Strom und Wärme für das Centre. Rezeption: Kritik am Centre Pompidou wird seit seiner Fertigstellung aus mehreren Blickwinkeln vorgetragen. So wird argumentiert, dass das Konzept einer totalen Flexibilität entweder nicht wünschbar, oder nicht realisierbar, bzw. im fertigen Gebäude nicht realisiert sei. Oder es wird beklagt, dass der Preis dieser Flexibilität zu hoch sei (vgl. die Kritik von Alan Colquhoun in Architectural Review...) Literatur: Alan Colquhoun: Critique; in: Architectural Design 2/77, S. 96-102 Yukio Futagawa (Hg.): GA 44 Piano + Rogers Architects, Ove Arup Engineers. Centre Georges Pompidou Paris 1972-1977. ADA Edita Tokio, 1977 Hart, Henn, Sontag: Stahlbauatlas Geschoßbauten. Verlag Architektur und Baudetail, 2. Aufl . 1982, S. 130-131 Antoine Picon (Hg.): Du Plateau Beaubourg au Centre Pompidou. Centre Georges Pompidou, Paris 1987 Nathan Silver: The Making of Beaubourg. Prestel, München 1992 Peter Rice: Beaubourg; in: An Engineer Imagines. Artremis, Zürich 1994, S. 25-46 Zum Umbau: Le Moniteur d‘ Architecture no. 105 / März 2000, S. 66-74 Renzo Piano, Richard Rogers; ARUP, Peter Rice (TW): Centre Pompidou, Paris 1971-77. 1 Musée National d‘ Art Moderne, Ebene 5. Zustand nach Umbau 1985 2-3 Bibliothek Ebene 3 4 Grundriss Ebene 5 nach Umbau 5 Grundriss Ebene 3 nach Umbau 6 Bibliothek. Zustand 1977 7 Ebene im Bau 8 Eingangshalle 9 Querschnitt 6 7 8 9 Willis Faber & Dumas, Ipswich 1971-75 Der in den 1970er Jahren dominierende Trend zum Großraum zeigt sich auch in den Bürobauten von Norman Foster & Partners; hier allerdings ohne die anarchisch wirkende Möblierung der Quickborner. Fosters Bürogrundrisse haben sämtlich atriumartige Einschnitte. Allerdings ist die verbleibende Geschossfl äche immer sehr tief. Außerdem sind die Arbeitsplätze, wie im Konzept der Bürolandschaft gefordert, unabhängig von der Fassade angeordnet. Der Anlaß für das Bürogebäude von Willis Faber & Dumas Ipswich, 1971-75, ist die Konzentration von 1.300 Mitarbeitern des Versicherungsunternehmens, die vorher an verschiedenen Standorten in der Londoner Peripherie angesiedelt waren. Der dreigeschossige Bau fährt auf drei Seiten relativ genau die Kontur ab, die sich aus der Zusammenlegung der städtischen Blöcke ergibt. Das Grundstück in Ipswich wird ausgewählt, weil es kostengünstig und „nur“ anderthalb Stunden vom Londoner Zentrum entfernt ist. Das 1. und 2. Obergeschoss sind reine Bürofl ächen; das Erdgeschoss enthält neben dem Empfang einen Swimming Pool, das Rechenzentrum, Haustechnik und Lieferzone. Im 3. Obergeschoss gibt es ein Mitarbeiterrestaurant mit Austritt auf die Dachfl äche. Die 7.000 Quadratmeter große Grundrissfl äche mißt an den tiefsten Stellen 80 bzw. 90 m von Fassade zu Fassade. Ein Stützenraster von 14 x 14 m wird an der Peripherie durch schlanke Stützen im 7 m-Abstand ergänzt. Vergleichsweise kleine Einschnitte von 7,50 x 20 Metern nehmen die Vertikalerschließung über eine Kaskade von Rolltreppen auf. Vier Servicekerne zonieren den Grundriss in Bereiche von bis zu 30 m Tiefe. Durch komplette Sprinklerung können Brandwände entfallen. Der Energieverbrauch des einfach verglasten Gebäudes liegt –durch den tiefen Grundriss bedingt- unter den Vergleichswerten „konventioneller“ Bürobauten.Der aufgeständerte Boden ist mit grünem Teppich bzw. Noppengummi belegt, während die abgehängte Decke mit ihrem relativ weiten Leuchtenraster von 2 m aus polierten Aluminiumlamellen besteht. Die poppigen Farben verstärken den Charakter des Innenraums als einer artifi ziellen Innenwelt. Im Entwurfsprozess taucht die Idee der Klimahülle auf, als einer gläsernen Haut, die über die gestapelten Geschosse gestülpt werden könnte. Foster skizziert diese Option und merkt an: Great possibilities! But we lack time and immediate expertise at technical level. Literatur: Gabriele Bramante: Willis Faber & Dumas Building. Phaidon Press, London 1993 Ian Lambot (Hg.): Buildings and Projects of Foster Associates. Vol. II 1971-78, Ernst & Sohn, Berlin 1989 Norman Foster: Foster Works Vol.II, Prestel, Munich 2005 1 2 125 Megastruktur und high-tech Norman Foster Associates: Willis Faber Dumas, heute Willis Coroon, Ipswich 1971-75. 1 Außenansicht 2-4 Innenansichten 5 Grundstück mit Vorgängerbebauung 6 Grundriss 1.OG 3 4 5 6 Ernst Hiesmayr, K.Koss (TW) : Juristische Fakultät, Universität Wien 1974-82 1 Außenaufnahme 2 Längschnitt 3 Grundriss 3.-6. OG 4 Grundriss 1./2. OG Juridicum, Wien 1974-82 Beispiel eines Hängehauses mit tiefen Grundrissen ist das Gebäude der Juristischen Fakultät der Universität Wien von Ernst Hiesmayr (1974-82): Die Superstruktur des Gebäudes besteht aus vier Fachwerkträgern, die, in Längsrichtung orientiert, mit über 50 Metern Spannweite auf vier paarweise angeordneten Stahlbetonkernen lagern. Die Fachwerkträger sind durch Verbände in der Ober-und Untergurtebene zu einem torsionssteifen Raumtragwerk verbunden. [...] An diesem Raumtragwerk sind sieben Geschosse durch Hängestangen im Abstand von 6,60m abgehängt.125 Die Fachwerkträger sind bei diesem Bau aufgrund der großen Spannweite und der hohen Lasten sehr klobige Schwerlast-Konstruktionen, die allerdings aus der engen Straßenperspektive nicht sichtbar sind. Das, was aus Fußgängersicht von der Tragstruktur erkennbar wird, sind die im unteren Bereich freigeschälten Kerne, die Zugstangen vor der Fassade und die Deckenträgerlage im Bereich des Unterschnitts. Das wuchtige Volumen wird durch die spiegelnde Verglasung noch zusätzlich betont. Der Architekt optiert für die Anlage als Hängehaus auch deshalb, weil im Untergeschoss ein größerer Hörsaal liegt. Das Erdgeschoss wird für ein großzügiges Foyer freigehalten. Von hier aus führt eine Rampe einserseits zum Hörsaal im Untergeschoss, andererseits auf eine schmale Mezzaninebene mit einem Café. Die massiven Stahlbetonkerne enthalten Aufzüge und Toiletten, jedoch erstaunlicherweise keine Fluchttreppen. Die beiden Treppenhäuser liegen mit „offenen“ Treppenläufen jeweils an den gegenüberliegenden Schmalseiten des Gebäudes in Zone zwischen den Kernen, die in den Plänen als Halle bezeichnet ist. Circa die Hälfte der gesamten Nutzfl äche wird durch die Fachbereichsbibliotheken eingenommen. So ist im 3. bis 6. Obergeschoss der mittlere Abschnitt der Geschossebenen jeweils durch Bibliotheksfl ächen belegt, die den einzelnen Fachgebieten (Strafrecht, Zivilrecht etc.) zugeordnet sind. Interne Verbindungen zwischen den Geschossen werden dabei nicht angeboten. An die Bibliotheken anschließend liegen beiderseits je zwei künstlich belichtete Seminarräume pro Geschoss. Die schmalen, natürlich belichteten Flächen um die Kerne herum sind von den Büros der Fachgebiete belegt. Der längsrechteckige Grundriss mit den vier Kernen, die Bibliotheksnutzung und die durchgehende Symmetrie der Grundrissaufteilung bilden eine Parallele zur Martin Luther King Library Mies van der Rohes in Washington D.C. Die gegensätzliche Behandlung der Tragstruktur führt bei den beiden Referenzen jedoch zu einem vollkommen unterschiedlichen Erscheinungsbild. Literatur: Hart, Henn, Sontag: Stahlbauatlas Geschossbauten, 2. bearb. Aufl . Institut für internationale Archi- tekturdokumentation, München 1982, S. 102-103 Ernst Hiesmayr: Juridicum Universität Wien, Löcker, Wien 1996 AZW ArchitekturZentrum Wien: Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert, S. 160-161 1 2 3 4 127 Megastruktur und high-tech Hongkong and Shanghai Bank, Hongkong 1979-85 Gebäudekonzept: In der Hongkong Bank suchen Foster Associates eine neue Form räumlicher Organisation. Ihr „radical plan“ sieht das erste Hochhaus ohne zentralen Kern vor, aber mit Rolltreppen. Die vertikale Segmentierung des Baukörpers in fünf mehrgeschossige Abschnitte führt zu: village-like clusters of fl oors, which help to break down the scale of the building (FW2, S. 10). Dabei werden die drei Typen Atrium, tiefer Grundriss und Hochhausscheibe kombiniert. Besonders das 13. bis 19.Obergeschoss kann als tiefer Grundriss bezeichnet werden. Durch den Wegfall des zentralen Kerns ergibt sich eine wesentlich größere Flexibilität in der Nutzung der Geschossfl äche: ...we virtually reinvented the offi ce tower: the cores are pushed to the perimeter to create deep-plan offi ce fl oors; vertical movement combines high-speed lifts with escalators...(FW2, S.33) Die Funktionsverteilung sieht einen öffentlicher Raum unter dem Gebäude als durchgehend zugängliche Plaza vor; durch die Aufständerung soll der Bezug zur Stadt und zur Öffentlichkeit verstärkt werden. Darüber liegt, über ihren Glasboden einsichtbar die öffentlich zugängliche Bankhalle im 1. Obergeschoss. Der unterere Gebäudeabschnitt ist durch den Einschnitt des Atriums mit seiner Belichtung über den „sunscoop“ und die refl ektierende Decke besonders ausgezeichnet. Die darüberliegenden vier Abschnitte enthalten Normalbüros, von den vier doppelgeschossigen Lobbies unterbrochen. Das obere Management ist in den obersten Geschossen angesiedelt. Die Grundrisse sind weitgehend frei möbliert; Zellenbüros sind im Zentrum des Grundrisses, um die Rolltreppen herum angeordnet. Durch die Rolltreppen soll der statische Büroraum in Bewegung geraten. Es ergibt sich Gelegenheit für informelle Begegnungen, und zwar nicht im Lift, sondern auf offenen Ebenen, wo man gleichzeitig Pause machen kann. Die Nutzer der angrenzenden Geschosse werden zu Nachbarn, die Gruppe der zusammengehörenden Geschosse wird, etwas kitschig, „a village in the sky“. ...This is not a collection of spcaes but a structure through which space fl ows (S.97) Foster ist aus seiner Studienzeit in Yale her beeinfl ußt von Kahns Prinzip der dienenden und bedienten Räume. Dies hat nicht nur räumliche, sondern auch technische Implikationen, da die Lebensdauer der technischen Gebäudeausrüstung nur 10-15 Jahre beträgt, während die der Büroräume mit 50 Jahren angesetzt wird. Durch die Plazierung der vertikalen Services am Perimeter leichtere ist eine leichtere Zugänglichkeit und Austauschbarkeit der Komponenten gesichert, ohne den Bürobetrieb dafür unterbrechen zu müssen. Die praktische Flexibilität der Bank wird belegt durch viele Umgruppierungen einzelner Abteilungen seit der Eröffnung. Die dafür notwendigen Umbauten lassen sich anscheinend durch bankeigenes Personal innerhalb eines Wochenendes bewältigen. Die Konzeption der Bank legt den Vergleich mit den japanischen Metabolisten nahe. die Unterschiede liegen darin, dass hier Stahl statt Beton verwendet wird; es wird behauptet, die Flexibilität sei real, nicht nur rhetorisch, wie bei den Metabolisten. Im Vergleich zu deren Gebäuden dreht sich bei der Hongkong Bank das Verhältnis fi xierter zu fl exibler Bereichen um: Während z.B. bei Kenzo Tange die Infrastruktur, integriert in die Tragstruktur, permanent ist, und Module von „bedientem Raum“ daran eingehängt werden, ist bei Foster der „bediente Raum“ permanent, und die Infrastruktur wird in die Tragstruktur seitlich eingehängt. Tragstruktur: Die ursprüngliche Motivation für die Wahl des Tragsystems mit seinen Abhängungen ist die Option, die alte Bankhalle des Vorgängerbaus von 1935 zu erhalten und zu überbauen. Nachdem sich die Bank entscheidet, den Altbau gänzlich abzureißen, wird das Tragwerkskonzept aber nicht mehr geändert. Die Tragstruktur besteht asu acht massiven Vierendeelmasten, die die Geschossdecken am Rand und, über fünf „Hänger“, jeweils in acht parallelen Achsen, durch Zugstangen in der Mitte stützen. Durch die asymmetrische Belastung bedingt, wird die Tragstruktur beim Bau mit einer leichten 1 Norman Foster Associates: Hongkong & Shanghai Bank, Hongkong 1979-85 1 Ansicht 2 Innenraum 13.-19. OG 2 Neigung nach Westen hin errichtet, um im fertigen Gebäude wieder vollständig im Lot zu sein. Eine von Foster Associates geprüfte Tragwerksvariante namens Chevron Scheme soll mehr Flexibilität im Schnitt erlauben: Hier ist jede Ebene mit diagonalen Zugstäben von den Masten abgehängt, was dazu führt, dass das Geschoss von mehreren Diagonalen durchkreuzt wird. Auch die horizontale Leitungsführung wird modularisiert, indem die Deckenpakete abschnittsweise als voll ausgestattete Technikmodule vorgefertigt werden sollen. Die letztlich gewählte Ausführung knüpft demegegenüber wieder an die Wettbewerbsversion an. Die beiden diagonalen Hänger, „Kleiderbügel“ genannt, müssen aus Aussteifungsgründen allerdings miteinander verbunden werden. Dadurch ergibt sich ein Gebilde, das dem Fachwerkträger der Wettbewerbsversion entspricht. Nur ist diesmal der Obergurt des Trägers in die Geschossdecke verlegt, sodass der Anschein einer reinen Hängekonstruktion gewahrt bleibt (an der Gebäudespitze ist diese Horizontale unterdrückt). Die Verlagerung der Services an den Perimeter der Ost-und Westseite erzeugt die primäre Grundrisszonierung; rechtwinklig dazu verlaufen zwei weitere Zonen, die in ihrer Breite jeweils durch die Vierendeelmaste vorgegeben ist: Zwei Service-und Erschließungszonen, in denen auch die Rolltreppen liegen. Das Feld des Grundrisses wird so in drei parallele Bahnen geteilt; es entsteht ein „laminarer“ Grundriss. Ähnlich wie bei der Stahlkonstruktion des Centre Pompidou, erfordern die Dimensionen und Belastungen der hohlen Rundstützen, aus denen sich die acht Stahlmasten zusammensetzen, besondere Schweißtechniken, wie sie normalerweise bei Ölplatformen zum Einsatz kommen. Die Ausführung der Primärkonstruktion in Stahl stellt auch besondere Anforderungen hinsichtlich Korrosions - und Brandschutz. Um wartungsfreie Oberfl ächen zu erreichen, wird eine Aluminiumverkleidung vorgesehen, die der Geometrie der Tragglieder folgt. Tausende von Verkleidungsteilen, mit fast ebenso vielen verschiedenen Zuschnitten, werden in den USA hierfür gefertigt. Die 5 mm starke Aluminiumverkleidung der Tragstruktur erfüllt zwei Funktionen: Außen sorgt sie für den Wetterschutz der Brandschutzverkleidung um die Stahlteile; innen ist der Hohlraum zwischen Tragstruktur und ihrer Verkleidung Teil des Luftverteilungssystems. Bei dem feuchten Klima von Hongkong besteht allerdings die Gefahr der Korrosion des Stahls hinter der Verkleidung, die dann auch nicht mehr kontrolliert werden kann. Nachdem man eine Zeit lang erwägt, die Luft im Raum zwischen Stahl und Verkleidung zu konditionieren, wird diese Idee aus Kostengründen verworfen. Die Stahlteile in Beton zu vergießen, hat den Vorteil, den Stahl mit einem alkalischen Medium zu umgeben, das die Korrosion verhindert; erfordert jedoch normalerweise eine Betonüberdeckung von mindestens 5 Zentimeter , die das reale und visuelle Gewicht der Konstruktion unverhältnismäßig erhöhen würde. Man wählt stattdessen einen neuen Prozess namens „cementitious barrier coating“, bei dem durch Zusätze zur Zementmischung die Stärke der Überdeckung auf 12 mm reduziert werden kann. Durch die großen Spannweiten bedingt, kann die Durchbiegung der Geschossdecken bis zu 50mm betragen, was besondere Anforderungen an die Fassadenausbildung stellt - und das bei tausenden von Durchdringungspunkten der Fassade, die durch die von außen nach innen verlaufenden Unterzüge bedingt sind. Erschließung: Im fertiggestellten Gebäude bilden Raum, Funktion, Tragstruktur und Erschließung ein kohärentes Muster. Die doppelgeschossigen Zwischenzonen im Schnitt, ursprünglich als Technikgeschosse konzipiert, übernehmen als Sammelpunkte vor allem Erschließungsfunktion. Sie sind Umsteigepunkte zwischen den Hochgeschwindigkeits-Aufzügen und den Rolltreppen des jeweiligen Gebäudeabschnitts. Die Anzahl der notwendigen Aufzüge halbiert sich so; der Anteil an Hauptnutzfl äche steigt auf 73,5 % Nettofl äche pro Geschoss und ist damit höher als bei den meisten Hochhäusern. Die den Lobbies vorgelagerten Terrassen haben Sammelfunktion im Rahmen des Rettungswegekonzepts; sie werden über die ebenfalls an der Peripherie angeordneten verglasten Fluchttreppenhäuser erreicht. Norman Foster Associates: Hongkong & Shanghai Bank, Hongkong 1979-85. Deckenspannweiten 16,50 (von Stütze zu Hänger) x 10,80m. 13.-19.Obergeschoss 1 Grundriss 2 Innenansicht 2 Querschnitt 4 Längsschnitt 5 Innenraum mit Möblierung 1 3 2 129 Megastruktur und high-tech Technische Gebäudeausrüstung: Die tiefen Geschossfl ächen werden über dezentrale Anlagen klimatisiert. Die Boxen für Luftaufbereitung und Toilettenräume sind vorgefertigt und zu beiden Seiten der Primärstruktur eingehängt. Sie sind von einem japanischen Konsortium (Hitachi, Mitsubishi und Toshiba) produziert (Die japanische Bauindustrie gilt als besonders fortschrittlich, was Vorfertigung im Bauen, auch bei haustechnischen Installationen, angeht). Auch die Register der vertikalen Leitungsführung sind in zwei-und dreigeschossigen Abschnitten vorgefertigt. Sie liegen jeweils direkt beidseits der Unterzüge, deren Oberseite über einen Rost begehbar ist. Lokale Klimaaggregate bereiten die Luft in den geschossweise verteilten Containern auf und versorgen das jeweilige Geschoss über horizontale Lüftungsleitungen im aufgeständerten Hohlraumboden. Hier verlaufen die Hauptleitungen in Ost-West-Richtung; von ihnen zweigen Nebenleitungen in Nord-Süd-Richtung ab. Diese führen über fl exible Schläuche zu den Quelluftauslässen. 80% der aufbereiteten Luft werden in den Hohlraumboden eingeleitet, der als Ganzes als Plenum wirkt, aus dem die Luft über lineare Auslässe ausströmt. Die restlichen 20% werden über die Leuchten in den Deckenhohlraum geleitet, von dort über den Zwischenraum in der Aluminiumverkleidung der Masten in den Hohlraumboden. Die Paneele des aufgeständerten Bodens haben einen Zuschnitt von 1,20 Metern im Quadrat. Sie haben einen sandwichartigen Aufbau mit einer Aluminium-Wabenstruktur (normalerweise in den Böden der Boeing 747 verwendet) für Teppich und Edelstahl für Marmorbelag. Nichttragende Trennwände basieren auf dem 1,20 Meter-Modul. Die Aussparungen für die Luftauslässe und Bodendosen sind in der Mitte eines Paneelquadranten plaziert, sodass sich ein engeres Modul von 60 x 60 Zentimetern ergibt, das durch eine einfache Rotation der Platte wie gewünscht ausgerichtet werden kann. Technologietransfer: In der Durcharbeitung des Projekts stoßen Foster Associates und ihre Fachplaner auf Probleme, die mit Standardkomponenten nicht gelöst werden können. Der Technologietransfer, z.B. aus der Luftfahrtindustrie, spielt für die Entwicklung der meisten Subsysteme eine Rolle, wobei sich die Bank und die Hersteller Forschungs-und Entwicklungskosten teilen. Die Hongkong Bank erhält auch ein computerbasiertes Gebäudemanagement, das alle gebäudetechnischen Systeme umfaßt, und durch ständiges Abgleichen der Daten optimiert, also gewissermaßen lernfähig ist. Durch die Vorfertigung der verschiedenen Komponenten in Europa (Tragstruktur), Japan (Technikmodule), den USA (Aluminiumverkleidung) ist die Abstimmung bezogen auf Toleranzen besonders anspruchsvoll. Auch hier setzen Entwurf und Bau der Hongkong Bank neue Maßstäbe. Literatur: Ian Lambot: The new headquarters for the Hong Kong and Shanghai banking corporation. South China Print. Comp., Hong Kong 1986 Ian Lambot (Hg.): Buildings and Projects of Foster Associates. Vol. III 1978-85, Ernst & Sohn, Berlin 1989 Colin Davies: Hongkong and Shanghai Banking Headquarters; S. 32 –149 in: Foster Works, Vol. 2 Prestel, Munich 2005 4 5 Reuters Data Centre, London 1987-92 Richard Rogers’ Datenzentrum für die Presseagentur Reuters liegt auf dem Gelände der Brunswick Wharf in den Londoner Docklands. Das Gebäude ist der erste von vier Bauabschnitten, wobei die weiteren drei nie verwirklicht werden. Von der Konzeption her knüpft es unmittelbar an das kurz vorher fertiggestellte Lloyd‘s Building in der Londoner City an. Allerdings entscheidet sich Reuters für ein tiefes Gebäude anstatt eines Atriums. Louis Kahns Unterscheidung zwischen dienenden und bedienten Räumen ist auch hier angewendet: Große, fl exible Geschossebenen (69 x 45 m), die für Großrechner oder als Bürofl ächen genutzt werden können, werden von außenliegenden Erschließungskernen gesäumt. Die Paneele der Fassade sind austauschbar: Durch Austausch geschlossener gegen durchsichtiger Paneele können Technikfl ächen zu Bürofl ächen umgenutzt werden. Die Fassade des zehngeschossigen Baus macht die Abfolge der Nutzungen deutlich: Auf die lamellenverkleideten Haustechnikfl ächen in den beiden unteren Geschossen folgen zwei Geschosse für die Rechner mit geschlossenen Aluminiumpaneelen; darüber vier verglaste Bürogeschosse. Die darüberliegende Stahlstruktur umhaust die Generatoren –Datenzentren müssen über eine zweite, unabhängige Stromversorgung verfügen- und mehrere Satellitenschüsseln. Zwei seitlich gelegene Pavillons, einer für den Empfang und einer für das Mitarbeiterrestaurant, ergänzen das blockartige Gebäudevolumen. Das relativ enge Stützenraster von 6 auf 9,50 Metern verrät, dass dieses Gebäude für hohe Deckenlasten ausgelegt ist. Aus technischen Gründen hat das Datenzentrum eine geringe Zahl von Angestellten und aus Sicherheitsgründen gibt es wenig Publikumsverkehr. Die Mitarbeiter werden mittels eines Hovercraft vom Parkplatz auf dem gegenüberliegenden Themseufer zu ihrem Arbeitsplatz gebracht. Als ein Haus, das nicht nur für Menschen, sondern auch für Maschinen konzipiert ist, hat das Datenzentum Verwandschaft mit Speicher- und Lagergebäuden. Am Ort der ehemaligen Docks formuliert das Reuters Data Centre deutlich ein Landmark. Im Hinblick auf Sicherheitserwägungen wird dieser Landmark-Charakter durch die geschlossene Fassade und die eingeschränkte Zugänglichkeit allerdings etwas zurückgenommen. Literatur: a+u Extra Edition 12/1988: Richard Rogers 1978-88, S. 264-269 Architecture d’aujourd’hui 1989, S. 25-26 Kenneth Powell: Richard Rogers. Buildings and Projects Vol. 2. Phaidon, London 2001, S. 54-59 Richard Rogers and Partners: Reuters Data Centre, London 1987-88 1 Modell 2 Typischer Grundriss 1 2 131 1 2 Exkurs: deep plan als Utopie Exkurs: deep plan als Utopie Archizooms No-Stop City 1971 In No Stop City126, einem utopischen Stadtprojekt der italienischen Avantgardegruppe Archizoom Associati werden die tiefen Geschossbauten, die in ihrer Aneinaderreihung einen kontinuierlichen Innenraum ergeben, zu einem Ersatz für die herkömmliche Stadt. Die Entwicklung der Nachkriegsarchitektur in Richtung ausgedehnter kontrollierter Innenräume wie in den Bürolandschaften und Warenhäusern wird als Beleg dafür gesehen, dass der Kapitalismus in sein Endstadium eingetreten ist. No Stop City ist somit eher Diagnose als Projekt, eher Dystopie als Utopie. Die Funktionen einer Stadt, normalerweise neben- und übereinander angeordnet, werden von Archizoom strikt vertikal geschichtet: Unten liegen die Verkehrstrassen, darüber „Servicegeschosse“, darüber die Wohngeschosse. Bei den Wohngeschossen gibt es zum einen Zellengrundrisse mit abgetrennten Wohnungen für Paare, Familien und Singles; zum anderen gibt es open plan- Geschosse, die keine festen Abtrennungen mehr aufweisen, sondern in denen die Bewohner –dank Klimatisierung- nackt, in Zelten, mit Haustieren und „Equipment“ als urbane Nomaden campieren. Der Raumeindruck dieser Wohnebenen wird von Archizoom in Guckkastenmodellen wiedergegeben, deren Seiten verspiegelt sind, sodass ein in den horizontalen Dimensionen unendlicher Raum erscheint. Die Ebenen sind über Stützenraster abgetragen und in einem Raster von Aufzugskernen erschlossen. Die Grundrisse zeigen den Kontrast zwischen repetitiven, im Raster angeordneten Elementen (Leuchten? Bodenauslässen? Bodenmarkierungen?) und freien, naturhaften Elementen. Die „kontinuierlichen bewohnten Ebenen“ werden auch als „innere Landschaften“ (paesaggi interni) bezeichnet: Ein Grundriss zeigt einen künstlichen Strand, weiter entfernt gibt es einige Dünen. Auf einem anderen Grundriss sind schlierenartige Vegetationsinseln zu lesen. Auf einem dritten Grundriss verzweigt sich ein Fluß und bildet ein kleines Delta am Rand der Geschossdecke. Der begleitende Text erläutert dazu, dass die Idee der Stadt sich überlebt habe, bzw. „Stadt“ angesichts der neuen wirtschaftlichen Umstände neu defi niert werden müsse. Die Architektur geht in der Stadt auf; Modell für diese Architektur ist das Parkhaus (Residential Parking) bzw. Fabrik und Supermarkt: “The factory and the supermarket become the specimen models of the future city: optimal urban structures, potentially limitless, where human functions are arranged spontaneously in a free fi eld, made uniform by a system of micro-acclimatization and optimal circulation of information. The “natural and spontaneous” balance of light and air is superseded: the house becomes a well equipped parking lot. Inside it there exist no hierarchies nor spacial fi gurations of a conditioning nature. Hier fallen die Stichworte: Potentiell unendliche Strukturen, spontane Arrangements im freien Feld, Mikro-Klimatisierung: “Das Haus wird zum gut ausgestatteten Parkplatz”, ohne Hierarchien und räumliche Konditionierung. Trotz inhaltlicher Überlappungen mit Megastructure erscheinen die Utopien von Archizoom in Reyner Banhams Buch nur am Rande127. Für ihn ist aus einer britischen Perspektive heraus der strukturelle Aspekt relevant; No-Stop City wird hingegen von Banham einer „rationalistischen“ Richtung zugerechnet, die mit Beispielen von Gregotti und Stirling illustriert ist. No-Stop City, im Frühjahr 1971 publiziert, läßt sich innerhalb eines Bezugsfeldes positionieren, in dem Megastruktur, Bürolandschaft und Mies eine Rolle spielen. Im selben Jahr wird auch der Wettbewerb für das Centre Pompidou entschieden. In der Rhetorik seiner Autoren (das Centre als supermarket of culture) kann man Parallelen zur Argumentation von Archizoom sehen. Archizoom teilen der Architektur immer noch ein emanzipatives Potential zu: But now people, being strengthened by the new and ever increasing capacity to decide for themselves which they have won at work, must take housing into their own hands, freeing it from all preconstituted cultural and 1,2 Archizoom Associati: No-Stop-City 1971 1 2 3 4 5 6 social models... Gegen Ende des Artikels wird das Thema angeschlagen, das später Rem Koolhaas beschäftigen wird: Nowadays the only possible utopia is quantitative.[...] Quantitative language replaces qualitative, thus becoming the only scientifi c means of approach to the undifferentiated stratifi cation of production and hence of reality. Literatur: Archizoom Associati: No-Stop-City / Residential Parkings / Climatic Universal Sistem (sic!) (Domus 496, März 1971 S.49-55; s.a. Andrea Branzi: Luoghi. Complete Works. Berlin 1992 S.50-65) Schaik, Martin: Exit Utopia. Architectural Provocations 1956-76. IHAAU-TU Delft / Prestel Munich Berlin London New York 2005 1-6 Archizoom Associati: No-Stop-City 1971 133 deep plan seit 1990 In diesem zweiten Teil der Arbeit, in dem es um die Aktualisierung des deep plan seit 1990 geht, wird eine von der bisherigen Betrachtungsweise abweichende Gliederung vorgenommen. Zunächst werden die theoretischen Grundlagen in der Arbeit von OMA und Rem Koolhaas referiert, da hier die im Rahmen dieser Arbeit relevantesten theoretischen Äußerungen und expliziten Stellungnahmen zum Problem der Gebäudetiefe, zum kompakten Solitär, zum Verhältnis von Architektur und Städtebau in den Jahren seit 1989 zu fi nden sind. Damit ist einerseits die Rolle von OMA als primärem Anreger für die Architektur der 1990er Jahre anerkannt; andererseits kann es auch interessant sein, den eher stilistischen als konzeptuellen Abhängigkeiten, denen auch die Arbeit von OMA unterliegt, nachzuspüren. Um dies jedoch keine Arbeit über „OMA und die Folgen“ werden zu lassen, wird vorgeschlagen, im weiteren Verlauf den monographischen, historischen Blickwinkel zu verlassen und –der Anregung von Alejandro Zaera Polo und Farshid Moussavi in ihrem Buch Phylogenesis128 folgend- den Schwerpunkt auf den morphologischen Aspekt innerhalb der betrachteten Architektur-Spezies zu legen. Die morphologische Varianz der Gebäudereferenzen wird in zwei Durchgängen aufgeblättert. Im ersten Durchgang geht es darum, einen „griffi gen“ Überblick über die Referenzen zu bekommen. Dabei werden Gestaltmerkmale zu sechs Untergruppen gebündelt, die jeweils ein bestimmtes Profi l beschreiben. Hierbei sind jedoch noch räumliche, strukturelle und programmatische Aspekte miteinander vermischt. Deshalb werden im zweiten Durchlauf Einzelaspekte wie Erschließung, Tragwerk und Fassade separat voneinander thematisiert. Programmatische Grundlagen bei OMA Bevor auf die Arbeit von OMA seit 1989 eingegangen wird, ist es vielleicht nützlich, den Werdegang von Rem Koolhaas seit den frühen 1970er Jahren zu skizzieren; die Hoffnung ist dabei, auf diesem Weg Bezüge zwischen Megastruktur und Bigness, zwischen den Utopien der Zeit nach 1968 und der von Koolhaas postulierten culture of congestion anreißen zu können, die die zeitliche und gedankliche Verbindung zu den vorhergehenden Kapiteln herstellen. Den Weg von Koolhaas‘ Studie über die Berliner Mauer als Architektur (1971, noch als Student der AA in London) zu den großen Projekten des Jahres 1989 nachzuzeichnen, ist im Rahmen dieser Arbeit natürlich nicht möglich. Es können nur Stationen benannt werden: 1972 die Abschlußarbeit an der AA (Exodus or Voluntary Prisoners of Architecture), 1978 die Veröffentlichung von Delirious New York nach mehrjähriger Vorarbeit. Bereits 1975 wurde das Büro OMA (Offi ce for Metropolitan Architecture) mit Elia und Zoe Zenghelis in London gegründet. 1978 dann wird das Büro in Rotterdam etabliert. In den Jahren 1978 bis 1987 arbeiten Koolhaas und Elia Zenghelis an Wettbewerben und Projekten, deren prominentestes das Niederländische Tanztheater in Den Haag ist. Im Jahr seiner Fertigstellung (1987) trennen sich Koolhaas und Zenghelis; ab diesem Zeitpunkt ist OMA das Büro von Koolhaas. format vs. content Schon in Exodus or Voluntary Prisoners of Architecture (1972) zeigt sich die für Koolhaas‘ Denken typische Aufspaltung des Entwerfens in die beiden Schritte Formatieren und Programmieren. Formatieren ist das Setzen eines möglichst abstrakten Rahmens, das Festlegen äußerer Dimensionen (S,M,L,XL); es ist an der Grenze von Städtebau zur Architektur angesiedelt. Die Berliner Mauer, das New Yorker Blockraster, die typischen Grundrisse der amerikanischen Bürohochhäuser, Big Buildings: Alle diese Artefakte, die Koolhaas über die Jahre hinweg beschäftigen, sind zunächst einmal Formate. Die Kategorien S, M, L, XL bezeichnen eigentlich nichts anderes als Formate, auch wenn sie in dem gleichnamigen Buch noch nicht explizit als solche bezeichnet werden. Das Programmieren hingegen ist das Ausfüllen des durch das Format gesetzten Rahmens, die Bespielung und Belegung, die dank der Grenzsetzung durch das Format an Dichte, an Diversität bis hin zum Konfl ikt und an Intensität bis zum Delirium gewinnen kann. Teil 2: deep plan seit 1990 Man kann diese Spaltung in Format und Programm als eine Reformulierung des Form- Funktion-Problems in der modernen Architektur auffassen. Zunächst einmal wird der Begriff der Funktion, mit seinen zweckrationalistischen und deterministischen Untertönen durch das Programm ersetzt, das auch das Irrationale, Paradoxe einschließen darf. Dann wird die Form als persönlicher Ausdruck dem Format als überpersönlicher, neutraler Instanz untergeordnet. Dabei ist es nicht gleichgültig, dass Koolhaas eine Weile lang als Journalist gearbeitet hat. Die Erfahrung aus der redaktionellen Arbeit ermöglichen es ihm, das Format nicht als etwas rein Äußerliches zu betrachten, sondern als etwas, das auch den Inhalt konditioniert. S,M,L,XL bereichert die Architektur-Lektüre um viele Formate, wie sie schon auf der Rückseite annonciert sind: S,M,L,XL enthält Essays, Manifeste, Tagebücher, Märchen, Reisebeschreibungen, einen Zyklus von Meditationen über die gegenwärtige Stadt. Die journalistische Tätigkeit bietet ein Modell für Kreativität, in dem externe formale Vorgaben und Inhaltliches problemlos zusammenfi nden. Der Begriff des Formats hat somit eine Nähe zum Genre, in dem bestimmte Erzählkonventionen auch zunächst akzeptiert werden, um im weiteren Verlauf eventuell gebrochen zu werden. Die journalistische Schulung lehrt auch, mit kurzen Aufmerksamkeitsspannen umzugehen, auf die Faßlichkeit des Textes zu achten, gezielte Schlüsselreize zu setzen (wie zum Beispiel Paradox oder Heureka, zwei von Koolhaas Lieblingsbegriffen). In einem 2007 mit Beatriz Colomina geführten Interview bekräftigt Koolhaas: Format is a much better word than typology. Because it is also applicable across media. Typology is always about limitations. The beauty of format is that once it is defi ned, it suggests the content, and it gives shape to inarticulate intuitions. Typology excludes, format includes.129 So wird das architektonische Form-Funktion-Problem erfolgreich suspendiert: Format und Content - letzteres der Titel der zweiten Monographie von OMA - sind von vorneherein auf verschiedenen Ebenen angesiedelt. Die individuelle Form hingegen wird umso unproblematischer, je stärker sie mit dem gewählten oder gegebenen Format kongruent wird. deep plan ist deshalb interessant, weil darin äußere Form und Format zur weitestgehenden Deckung gelangen. Provokant wird diese Verschiebung vielleicht dann, wenn man sie mit anderen Momenten der modernen Architekturtheorie kontrastiert. So ist klar, dass die Gebäude von OMA immer von außen her entworfen sind, nicht von innen heraus, wie etwa bei Wright, oder den Organikern und Strukturalisten. Provokant muss auch seinerzeit (Anfang der 1970er) die offen formulierte Skepsis gegenüber dem emanzipativen Potential der Architektur gewirkt haben, zumindest in der Version, in der es von den utopischen, technizistischen Megastrukturen der späten 1960er Jahre behauptet wurde. Voluntary Prisoners (1972) 1971 macht Rem Koolhaas, damals Student der Londoner Architectural Association, einen fi eld-trip nach Berlin, um die Berliner Mauer zu untersuchen. In The Berlin Wall as Architecture wird Politik in einer dezidiert unpolitischen Argumentationsweise benutzt, um der Architektur „existenzielle“ Bedeutung zu verleihen. Am Anfang steht der Schock der Erkenntnis, dass nicht Ostberlin eingeschlossen ist, sondern dass die Mauer Westberlin umgibt und es dadurch paradoxerweise frei macht. Die im darauffolgenden Jahr entstandene Abschlußarbeit Exodus or Voluntary Prisoners of Architecture löst die Mauer aus ihrem politischen Kontext. Nicht Berlin, sondern London ist der Ort dieses Projekts, das die Fähigkeit der Architektur thematisiert, unerwünschte Bedingungen auszublenden. Geradezu sozialdarwinistisch soll eine Oase im behavioural sink Londons etabliert werden. Der metropolitane Bebauungsstreifen, der sich durch London zieht, wird durch seine Attraktivität zum Exodus der Bewohner aus der restlichen Stadt führen. Der durch Mauern abgegrenzte Streifen ist in quadratische Felder unterteilt, die mit den verschiedensten öffentlichen Programmen belegt werden. 1 Rem Koolhaas, Bruce Mau: S,M,L,XL Cover, 1995 2 OMA AMO, Rem Koolhaas: Content Cover, 2004 3 Rem Koolhaas, Madelon Vriesendorp: Exodus, or the Voluntary Prisoners of Architecture. Abschlussarbeit, Architectural Association, London 1971 4 Rem Koolhaas, Zoe Zenghelis: City of the Captive Globe, 1972; aus: Delirious New York, 1978 1 2 135 deep plan seit 1990 The City of the Captive Globe (1972) The City of the Captive Globe ist die intuitive Vorwegnahme der Hauptthese von Delirious New York: Das Blockraster von Manhattan, in dem alle möglichen einander konkurrierenden Theorien, philosophischen Systeme und Weltanschauungen gleichberechtigt nebeneinander Platz fi nden können, ist ein Inkubator für die Welt schlechthin. Grid, lobotomy und schism als die drei fundamentalen Axiome, auf denen The City of the Captive Globe basiert, stellen sich im Grunde als drei Schismata auf verschiedenen Ebenen dar: Das Blockraster als eine Trennung zwischen Architektur und Städtebau, lobotomy als eine Trennung zwischen Innen und Außen, (vertical) schism als eine Lockerung des Verhältnisses zwischen dem Ganzen und den Teilen, oder die Autonomie der Teile. Das bedeutet natürlich den Abschied von allen humanistischen und organischen Idealen der europäischen Architekturtheorie. -Die Projekte im Anhang an Delirious New York verstehen sich Interpretationen und Modifi kationen dieser Axiome. Im Rückblick erscheinen sie als erste Annäherungen an eine metropolitane Architektur, wie sie OMA erst ab 1989 gelingt. Lobotomy (1978) Nach Koolhaas wird bei tiefen Gebäuden der Abstand zwischen Kern und Fassade so groß, dass die Fassade nichts mehr über das Innenleben mitteilen kann: Buildings have both an interior and exterior. In Western architecture there has been the humanistic assumption that it is desirable to establish a moral relationship between the two, whereby the exterior makes certain revelations about the interior that the interior corroborates. The „honest“ facade speaks about the activities it conceals. But mathematically, the interior volume of three-dimensional objects increases in cubed leaps and the containing envelope only by squared increments: less and less surface has to represent more and more interior activity. Beyond a certain critical mass the relationship is stressed beyond the breaking point; this „break“ is the symptom of Automonumentality. In the deliberate discrepancy between container and contained New York´s makers discover an arena of unprecedented freedom. They exploit and formalize it in the architectural equivalent of a lobotomy – the surgical severance of the connection between the frontal lobes and the rest of the brain to relieve some mental disorders by disconnecting thought processes from emotions.130 Von Onyx zu ZKM: lobotomy perfected (1987-89) 1989 ist OMAs annus mirabilis. Die drei Projekte für Zeebrugge, Paris und Karlsruhe bedeuten einen Quantensprung in Größe, Komplexität und Originalität gegenüber der früheren Produktion. Alle drei sind tiefe, kubische Gebäude. Wie kommt es nach den verspielten und zergliederten OMA-Projekten aus der Mitte der 1980er Jahre dazu? Im Kontrast zur frustrierenden Erfahrung mit dem Tanztheater in Den Haag (1981-87) bringen schon die Projekte für das Rathaus in Den Haag (1986), Architekturinstitut und Kunsthalle in Rotterdam (beide 1987) neue konzeptuelle Klarheit: Das Rathaus in Den Haag nimmt sich Rockefeller Center als Ausgangspunkt für die erfi nderische Lösung eines großen administrativen Programms mit vielen Büros und Archiven. Ein längliches Atrium teilt den tiefen Baukörper der Sockelgeschosse, aus denen die versetzten Scheiben der Türme emporwachsen. Der 270 Meter lange, 50 Meter breite Baukörper gibt sich über seine gestaffelten Sihouetten den Anschein einer ganzen Stadt. Architekturinstitut und Kunsthalle hingegen sind im wesentlichen „fl ache“ Projekte, aus denen jeweils ein vertikales Element emporragt. Im Erschließungssystem der Kunsthalle mit ihrer Passage durch das Gebäude, der Erschließung vom Inneren her und der Parallelführung von externen und internen Wegen, kann man zum ersten Mal Reminiszenzen an den späten Corbusier entdecken. 3 4 Der enigmatische Kubus, der in zweien der Projekte des Jahres 1989 so prominent ist, ist in Jean Nouvels und Jean-Marc Ibos‘ Kulturzentrum Onyx (Saint Herblain, 1987-89) vorformuliert. Das Gebäude, am Rande eines Parkplatzes situiert, bildet einen Komplex zusammen mit einem Shopping Center (übrigens von Rogers) im Norden und einem öffentlichen Park um den See herum im Süden. Der Parkplatz ist mit seiner Ecke über 45° gegen den See orientiert und fällt dorthin ab. Damit ergibt sich ein spannendes Wechselspiel zwischen der grafi sch markierten Parkfl äche und dem Halbkubus, der mit einer umlaufenden Fuge darin eingesetzt ist. In Nouvels Projektbeschreibung ist die Rede von einer Dichotomie...zwischen Himmel (Park) und Hölle (Shopping); wobei das Gebäude die Widersprüche des Grundstücks nicht lösen kann...Das Gebäude ist schwarz, scharf geschnitten, kubisch, kompakt und extrem verdichtet....es gibt keinen Maßstabsbezug...es bleibt enigmatisch und läßt nur suggestive, fragmentarische Information nach außen dringen... alles Stichworte, die auch in Texten von Koolhaas vorkommen. Kurz: In Onyx ist das New Yorker Prinzip der lobotomy, d.h. des Schismas zwischen interner Organisation und Fassade, in einer Form realisiert, die für OMA 1987 noch nicht vorstellbar ist. Mit Onyx ist die lobotomy der frühen 90er Jahre geschaffen; Mehrschichtigkeit und Semitransparenz sind dabei die Mittel, um Abstraktion, Maßstabslosigkeit und Rätselhaftigkeit zu erzielen. Damit ist die Retro-Moderne der 80er-Jahre Projekte von OMA schlagartig obsolet. Das Prinzip der Collage bleibt zwar noch eine Weile erhalten (vgl. die verschiedenen Fassaden des ZKM), aber langfristig werden die Fassaden in Richtung eines monolithischen Erscheinungsbildes vereinheitlicht. Zamp Kelps Beitrag für den Wettbewerb zum ZKM zeigt die Faszination, die Nouvels rätselhafter Kubus auch auf andere Architekten in der Zeit um 1989 ausübt. Das Vorbild des Onyx ist bei ihm noch deutlicher, da der Großteil des Volumens von einem Theater ausgefüllt wird. Wie bei Nouvel läßt sich der Bühnenraum zur Stadt hin großfl ächig öffnen. Oberhalb des Theaters liegen noch einige größere Raumvolumina, doch erweckt der Schnitt nicht den Eindruck eines Geschossbaus. Mit 30 Metern Kantenlänge in allen Richtungen bleibt Zamp Kelp bescheidener als Koolhaas mit seinem 57 Meter hohen Kubus auf 43 x 43 Metern Grundfl äche. Beim siegreichen Entwurf von Koolhaas hingegen kommt die Ästhetik des Onyx mit dem Diagramm der heterogenen Stapelung, das sich im Schnitt des Downtown Athletic Clubs so klar ausdrückt, zusammen. Das metropolitane Delirium aus dem New York der 1930er Jahre kann solchermaßen für 1989 aktualisiert werden. Typical Plan (1993) Koolhaas Text über Typical Plan (1993, in S,M,L,XL) kann man als einen Appendix zu Delirious New York verstehen. In den 1990er Jahren kommt Koolhaas auf die ‚typischen‘ Grundrisse, diesmal von New Yorker Bürohochhäusern zurück. Die Eigenschaftslosigkeit dieser Grundrisses wird von ihm als utopisches Versprechen gepriesen131. Der Text stellt auch den Bezug zwischen Typical Plan oder loft und Tiefem Grundriss her: Typical plan is deep. It has evolved beyond the naive humanist assumption that contact with the exterior – so called reality – is a necessary condition for human happiness, for survival. [...]. Could the offi ce building be the most radical typology? A kind of reverse type defi ned by all the qualities it does not have? Zwischen Koolhaas’ Begeisterung für architektonische Hybride (Downtown Athletic Club) einerseits und den ‘typischen’ Grundriss (RCA Building) andererseits scheint ein Widerspruch zu bestehen. Die Aufl ösung lautet, dass Typical Plan vor allem eine Typologie des Büro- und Geschäftshauses ist: The ambition of Typical Plan is to create new territories for the smooth unfolding of new processes, in this case, ideal accomodation for business. But what is business? Supposedly the most circumscribed program, it is actually the most formless. Business makes no demands. 1 Jean Nouvel, Jean-Marc Ibos: Centre Culturel Onyx, Saint Herblain, 1987-89 2 Günther Zamp Kelp: ZKM Karlsruhe, Wettbewerbsprojekt 1989 3 OMA/Rem Koolhaas, Cecil Balmond (TW): ZKM Karlsruhe, Projekt 1989-92 4 Starrett & Van Vleek: Downtown Athletic Club, New York 1929-31 5 OMA/Rem Koolhaas: Bibliothèque de France, Wettbewerbsprojekt 1989 6 Typical Plans aus: Rem Koolhaas: S,M,L,XL 1 2 3 4 137 deep plan seit 1990 The architects of Typical Plan understood the secret of business: the offi ce building represents the fi rst totally abstract program – it does not demand a particular architecture, its only function is to let its occupants exist. Business can invade any architecture. Out of this indeterminacy Typical Plan generates character. Raymond Hood, one of its inventors, defi ned the typical plan with tautological bravura: “The plan is of primary importance, because on the fl oor are performed all the activities of the human occupants.”132 Im Gegensatz zur europäischen Architektur, in der sich –Koolhaas zufolge- der individuelle architektonische Ausdruck verselbständigt hat, steht Typical Plan für eine amerikanische Moderne, die ein wirksames Korrektiv hierzu darstellt. Bigness (1994) Die Überzeugung von Archizoom in No-Stop City, die einzig mögliche Utopie sei quantitativ, fi ndet zwanzig Jahre später ihr Echo in Koolhaas‘ Artikel Bigness133 (1994, in S,M,L,XL). Ähnlich wie Typical Plan kann man auch Bigness als Vertiefung der Thesen aus Delirious New York begreifen. Im Abschnitt Automonument wurde dort gezeigt, wie ein Gebäude aufgrund seiner schieren Masse den Charakter eines Monuments gewinnen kann. In der selben Begeisterung für das Faktische wird nun Bigness propagiert, mit einer neuen Betonung auf dem Regime der Komplexität, das nur dank Bigness möglich wird. Konzeptuelle Durchbrüche und unterstützende Technologien der 1890er Jahre haben, Koolhaas zufolge, einen Big Bang ausgelöst, in dessen Verlauf Aufzug, Elektrizität, Air-Conditioning, Stahl und neue Infrastrukturen als ein Bündel von Innovationen zur Entstehung einer neuen Spezies von Architektur geführt haben. Bigness ist ein weiteres retro-aktives Manifest für diese Revolution ohne Programm. Dessen einzelne Theoreme sind: 1. Das Theorem der kritischen Masse; 2. Aufzug; 3. Lobotomy; 4. Automonument; 5. fuck context. Bigness ist ein Plädoyer für eine komplexe moderne Architektur, die nach Koolhaas nur in Gebäuden von einer kritischen Masse entstehen kann, weil dort das klassische Repertoire der Architektur... null und nichtig wird, eben dank Aufzug, Klimatisierung etc.. Ein großes Gebäude ist nicht länger Teil der städtischen Textur. Es kann vielleicht mit ihr koexistieren, aber seine eigentliche Botschaft ist fuck context. In der eigenen Entwurfspraxis begreifen die Architekten von OMA ‚große‘ Gebäude jedoch eher als urbane Attraktoren, die alle möglichen Aktivitäten absorbieren134. Insofern besteht schon ein Austausch zwischen großem Gebäude und seiner Umgebung. Auch zeigt der historische Überblick, dass in der Geschichte des tiefen Grundrisses die Extreme in Bezug auf Gebäudedimensionen schon früh, d.h. um 1900 erreicht werden, während die neueren Referenzen eher bescheidene Dimensionen haben. Daraus folgt: Bigness ist im Prinzip nichts Neues, führt aber womöglich auf eine falsche Fährte. Große Gebäude als bauliche Kategorie bzw. Format In einem 1992 geführten Interview mit Alejandro Zaera Polo bezieht Rem Koolhaas Stellung zur Frage, ob große Gebäude als eigene Typen betrachtet werden können. Koolhaas bevorzugt hier, von baulichen Kategorien statt von Typen zu sprechen. Zaera-Polo: Kann man die Großen Gebäude als sich neu entwickelnde Typologie betrachten oder glauben Sie, dass die Dynamik der derzeitigen Entwicklungen verhindern wird, dass sich Typolo gien aus ihnen kristallisieren? Rem Koolhaas: Ich fi nde solche Fragen sehr beunruhigend, aber ich glaube, die Antwort lautet: Ja, unbedingt. Ich weiß nicht genau war um, aber ich habe Angst vor Wiederholung, und darum er schreckt mich die Vorstellung einer Typologie. 5 6 Ich kann mir allerdings Typologien im ganz primitiven Sinne von groß und klein und hoch und niedrig vorstellen, oder im Sinne von synthetisch und nicht-synthetisch, fl ach oder tief, im Sinne der Gebäudetiefe. Der Titel unserer Werk monographie lautet `S-M-L-XL‘, d.h.: Small, Medium, Large, Extra-Large (klein, mittel, groß, besonders groß). Das sind für uns wichtige Kategorien, aber ich würde sie nicht unbedingt als Typologien bezeichnen.135 Anderthalb Jahrzehnte später läßt sich beobachten, dass Koolhaas‘ 1992 geäußerte „Befürchtung“ tatsächlich eingetreten ist: Dass sich die Großen oder tiefen Gebäude tatsächlich zu einem eigenen Format der Architektur verfestigt haben. Die Offenheit der historischen Situation, in der OMA das Potential des XL zum ersten Mal propagierte, ist nicht mehr gegeben. Stattdessen läßt sich die Entwicklung, die die Architektur seitdem genommen hat, partiell schon überschauen. Kontext bei OMA In einem Artikel von 1992 bemüht sich Alejandro Zaera-Polo um eine typologische Gliederung städtebaulicher Organisationsformen bei OMA. Eine davon ist das tiefe Gebäude als Attraktor in einem Umfeld geringerer Dichte, wie man ihn in Karlsruhe (ZKM) oder im Projekt für die Bibliothèque der France verfolgen kann. Dieses Attraktor-Modell wird für die Kuben der 90er als städtebauliche „Setzung“ allgemein gültig. Die Würfelform, die lokale Verdichtung sind immer frei gewählt und lassen sich aus dem Kontext nicht herleiten. Andererseits ist der Einfl uß des Kontexts auf die interne Organisation des Gebäudeprismas vielerorts faßbar: Beim ZKM wird das Programm entsprechend den inhaltlichen Polaritäten in den drei Raumrichtungen verteilt. Die x-Achse soll dabei der Polarität von Zentrum und Peripherie entsprechen, die y-Achse der von Produktion und Rezeption (Künstler und Öffentlichkeit), in der z-Achse entwickelt sich das Programm vom hochtechnisierten Theaterraum im Erdgeschoss zum klassischen Galerieraum im obersten Geschoss. Beim ZKM ist der Wunsch, das Prisma möglichst präzise zu verorten, bzw. überzeugend in die Umgebung einzubetten, besonders gut erkennbar. In der räumlichen Nähe zur Infrastruktur des Hauptbahnhofs kann sich –so die Erwartung- ein symbiotisches Verhältnis zwischen ZKM und Bahnhof entwickeln. Der Eingang zum Medienzentrum liegt am Ende der Passage unter den Gleisen, die über ihre Länge hinweg bereits mit ZKM-Programmen bespielt wird. Das Prisma der Hauptbaukörpers wiederum ist eines von mehreren blockartigen Gebäuden, die sich entlang der Südseite des Bahnhofs aufreihen. Über die breite äußere Erschließungsrampe, die bis auf das Niveau der Gleisanlagen (zu den neuen ICE- Bahnsteigen) ansteigt, wird der räumliche Bezug zwischen Gleisanlagen und Solitär geklärt. Der an der Nordseite des Prismas, zu den Gleisen hin angeordnete Eingangsriegel steht für die Absicht, die Verkehrsströme von der Bahnhofspassage ins ZKM umzulenken. Eine ähnliche Situation, diesmal zwischen Gleisanlagen und Fluß in der einen Richtung, Zentrum und Peripherie in der anderen, fi ndet sich bei dem Grundstück für die Bibliothèque de France in Paris. Hier ist allerdings die Ausrichtung von Front und Rückseite eindeutiger: Die Front mit der Haupterschließung liegt zur Seine, die Rückseite mit den Verwaltungsräumen zu den Gleisen hin. Auch hier ist der prismatische Hauptbaukörper in einen Winkel aus niedrigen Nebengebäuden eingespannt. Bei den Bibliotheken von Jussieu spielt das Podium des benachbarten Campus eine Rolle. Das Gebäudeprisma ist jetzt Bestandteil eines programmierten Streifens gleicher Breite (vgl. Voluntary Prisoners), der an das bestehende Podium andockt und dieses mit dem niedriger gelegenen Straßenniveau verbindet. An der Stelle, wo sich der Streifen mit dem Prisma überlagert, liegt das Foyer. Von dort entwickelt sich die geisteswissenschaftliche Bibliothek nach oben, die naturwissenschaftliche Bibliothek nach unten. Also auch hier ist wiederum der Bezug zum Kontext maßgeblich für die Verteilung des Programms. Kontext bei OMA: 1 Konnex mit Infrastruktur: ZKM, Zugangssituation 2 Podium und Rahmen, Block und Solitär Niederländische Botschaft 3 Blickbezüge Seattle Library 4 Programmierter Streifen als Verbindung zum Podium des bestehenden Campus Bibliotheken von Jussieu 1 2 3 139 deep plan seit 1990 Auch bei der Niederländischen Botschaft Berlin fi ndet man die Einbettung des Gebäudeprismas über ein Podium und eine rahmende Bebauung; wobei in diesem Fall die Brandwandbebauung Teil des Neubaus, nicht der vorgefundenen Situation ist. Das in den drei vorgenannten Projekten entwickelte Instrumentarium wird eingesetzt, um eine Situation zuschaffen, in der Block und Solitär, Attraktorwirkung des Prismas und klassische Außenraumbildung sehr elegant ineinandergeblendet werden können. Auch hier übersetzt der Niveauunterschied zwischen hofseitiger Vorfahrt und straßenseitigem Verwaltungseingang den programmatischen Kontrast zwischen dem zeremoniellen Protokoll der Staatsbesuche und der täglichen Routine der Botschaftsarbeit. In der Führung des Trajekts spielt der Kontext auch wieder eine Rolle, denkt man z.B. an die Blickachse Richtung Fernsehturm.- Bei der Public Library Seattle ist wiederum der Niveauunterschied der beiden Eingänge an gegenüberliegenden Gebäudeseiten durch das hängige Gelände vorgegeben. Das im Vergleich zu den vorigen Beispielen bewegtere Volumen verdankt sich dem Wunsch, Blickbezüge von innen nach außen herzustellen, die den Baublock im städtischen Raster optisch mit den Naturräumen wie der Bucht oder dem Mount Rainier verbindet. Zusammenfassend läßt sich sagen, dass die Prismen von OMA recht kontext-sensitiv sind und überhaupt nicht dem „fuck context“ aus Bigness entsprechen. Sie stehen immer im Zusammenhang mit Geländeversprüngen, Podien etc., die durch die urbanen Infrastrukturen erzeugt worden sind. Da die Prototypen der Verdichtung bei OMA ihr Leben aus der (Um-)lenkung von Verkehrsströmen speisen, sind die Anbindungen an die Umgebung immer sorgfältig herausgearbeitet. Zum Beispiel ergeben sich so immer Zugänge auf mehreren Ebenen, die verschiedenen Funktionen entsprechen. Der Kontext gibt auch Anlässe für die Zuordnung des Raumprogramms zu den unterschiedlichen Bereichen. Die Gebäudeprismen werden durch den Kontext gewissermaßen polarisiert; so ergibt sich eine fl üssige Zonierung in Gradienten, die sich über Grund- und Aufriß erstrecken. Kontext ist somit nicht ein restriktiver ästhetischer Rahmen, sondern wird funktionell-programmatisch aufgefaßt. Der Kontext beeinfl ußt nicht so sehr das äußere Volumen, als die interne Organisation. Bigness nach 2001 Ist die Hochphase von OMA besonders mit dem Zeitabschnitt zwischen 1989 und 2001 verbunden? Zumindest läßt sich diese Zeit als die deep-plan-Phase in der Produktion von OMA fassen. Die Niederländische Botschaft ist gewissermaßen die Summe in der Realisierung der architektonischen Potentiale, die bei OMA zwischen 1989 und 1993 aufgeworfen wurden. Seitdem hat offenkundig die Frage der skulpturalen Form ebenso wie die Suche nach dem urbanen icon neue Bedeutung für Koolhaas und OMA gewonnen: Die bewegten Konturen der Seattle Library oder der Casa de Musica in Porto beherbergen noch tiefe, räumlich komplexe interne Organisationen. Im Gegensatz dazu scheinen der Entwurf für das New Yorker Whitney Museum, das Science Center in der Hamburger HafenCity oder das CCTV in Peking primär als riesige Signaturen im städtischen Raum aufgefaßt zu sein. Der fi gurative Charakter dieser schlankeren Gebäudevolumina führt zu einer Reduktion der internen Komplexität. Es wird spannend sein, zu verfolgen, ob OMA noch einmal ein Gebäude in der kreativen Dichte der Niederländischen Botschaft gelingt. 4 141 deep plan seit 1990 Raumbildung Was geschieht mit dem klassischen Loft-Typus in den 1990er Jahren? Auf keinen Fall wird er zu neuen Superlativen der Größe geführt. Die Entwicklung zielt vielmehr auf eine neue räumliche Qualifi zierung des Typs, der dabei soweit verfremdet werden kann, dass sein Ausgangspunkt kaum mehr zu entdecken ist. Im Prinzip wird er als eine Art Rohling begriffen, der unterschiedlich formatiert werden kann. Dabei werden innerhalb der Polarität von Stapelung in der Vertikalen und Vernetzung in der Horizontalen neue Positionen gefunden. Ausgangspunkt sind die potentiellen Mängel des Loft-Typs. Neben seinen unbestreitbaren funktionalen Vorteilen kann er architektonisch als zu uniform und zu unspezifi sch empfunden werden. Die innere Raumbildung kann durch die Schichtung der Geschosse in ihrer strikten Horizontalität als zu unspektakulär empfunden werden. Oder der Skelettbau als bislang dominante Tragstruktur kann hinterfragt werden. Die Suche nach räumlicher Spezifi k bei funktionaler Unbestimmtheit (Koolhaas136) ist Ausgangspunkt für eine Reihe von Permutationen, die die seit der Postmoderne zunehmende Nachfrage nach einer architektonischen Signatur zu befriedigen und gleichzeitig auf programmatische Ungewißheit adäquat zu reagieren versuchen. An Lösungsversuchen für dieses Dilemma lassen sich sechs verschiedene Strategien unterscheiden, die auch darin voneinander abweichen, ob sie Varianten der Stapelung erfi nden, oder die Stapelung insgesamt zu überwinden versuchen. Die erste dieser Strategien ist eine Reaktion auf die partielle Verlagerung öffentlichen Raums ins Gebäudeinnere, die sich in den gemischtgenutzten Baukomplexen der Innenstädte seit der Nachkriegszeit ereignet hatte. Als Konsequenz daraus werden zu Beginn der 1990er Jahre die Figur-Grund-Strategien, die die Postmoderne auf dem Maßstab der Stadt wiederbelebt hatte, auf das Gebäude selbst übertragen. Geschossbau-fremde Raumfi guren dringen in die Stapelung ein. Damit entsteht –ähnlich wie bei den Atrien, aber in anderer Form- eine dritte Räumlichkeit zwischen innen und außen (->Prismen mit Einschlüssen / solids and voids). Gleichzeitig entstehen Neubauten für Institutionen, die den Strukturwandel hin zu einer medien- und wissensbasierten Gesellschaft besonders deutlich dokumentieren, wie Medien- und Designschulen, Mediatheken, Museen für zeitgenössische Kunst etc. Einige dieser semitransparenten Kuben überspielen die programmatische Instabilität nach außen hin im Sinne einer formalen Purifi zierung, und einer Unterdrückung der inneren Komplexität. Die Architektur übernimmt hier auch die Aufgabe, die neugegründeten Institutionen in ihrer öffentlichen Wahrnehmung zu stabilisieren. Innenräumlich sind diese Bauten Neufassungen moderner Großraumkonzepte (->Gestapelte Großräume / Generic Cubes). Gleichzeitig erweist sich der klassische Loft-Typus weiterhin als erstaunlich brauchbar, und kann architektonisch durch Modifi kationen einzelner Elemente aktualisiert werden: So kann die Hülle ebenso verformt werden, wie das Tragskelett; oder der räumliche Zusammenhang in der Vertikalen kann durch durch das Zurückversetzen von Geschossebenen gegenüber der Fassade gestärkt werden. (-> Rekonfi gurierte Lofts) Zum anderen kann die typologische Unbestimmtheit zu einer erneuten Beschäftigung mit der Tektonik der Geschossbauten, als dem einzig stabilen und kontrollierbaren Element, führen - im Prinzip ähnlich wie bei den fl exiblen Rahmenwerken aus den 1970er Jahren (Centre Pompidou). Während diese jedoch auf eine Entfl echtung von Tragwerk, Erschließung und technischer Gebäudeaurüstung setzten, steht diesmal die Integration dieser Subsysteme, zumal mit der Belichtung, im Vordergrund. Auch beschränkt sich die Konstruktion nicht auf eine Hintergrundrolle, sondern spielt durch ihre Positionierung bedingt eine aktivere Rolle darin, das Verhalten von Nutzern und den Bewegungsfl uß auf der Geschossfl äche zu konditionieren (-> Poröse Strukturen /Räumliche Matrizen). In einer weiteren Gruppe von Beispielen wird der Kontrast oder Grenzverlauf zwischen Raumbildung Tiefe Geschossbauten 1990-2006 Schnittdiagramme M 1:2000 programmatisch stabilen und instabilen Zonen thematisiert. Zusammen mit dem Prinzip der Stapelung entsteht eine alternierende Abfolge von funktional klar strukturierten Geschossen, die in Einzelräume aufgeteilt sind, und stärker öffentlichen Platformen. Dieses Schema kann aber auch dort entstehen, wo normalerweise horizontal nebeneinander angeordnete Funktionen ausnahmsweise vertikal gestapelt werden (->Boxen und Platformen). In der letzten Gruppe stehen die Referenzen, bei denen die geschossbau-typische Stratifi zierung generell überwunden werden und ein stärkerer räumliche Zusammenhang über die Vertikale, oder besser: Diagonale des Gebäudes hergestellt werden soll. Schlichte Parkhäuser auf der einen Seite und Frank Lloyd Wrights Guggenheim-Museum auf der anderen Seite sind Vorläufer dieser Referenzen, die auf ein Raumkontinuum hin angelegt sind (->Kontinuierlicher Innenraum). Perforierter Innenraum137 Bevor die einzelnen Gruppen vorgestellt werden, erfordert noch ein eigenes Phänomen, das über die vorgestellten Kategorien hinweg auftritt, Erwähnung: Dabei handelt es sich um den durch Lufträume perforierten Innenraum in den tiefen Gebäuden der 1990er Jahre - ein Moment, das in der modernen Architektur bislang keine größere Rolle gespielt hatte. Der Lichtschacht ist in den dichten städtischen Bebauungen des fi n-de-siècle –man denke zum Beispiel an Paris, Barcelona, Berlin- weit verbreitet, da er die einzige Möglichkeit bietet, tiefe Gebäudevolumina auf natürliche Weise, wenn auch sparsam, mit Luft und Licht zu versorgen. Die Lichtschächte werden deshalb von den Architekten der frühen Moderne mit ungesunden, durch übermäßige Dichte bedingten Wohnverhältnissen assoziiert. Daraus erkärt sich ein Tabu des Lichtschachts; bei Tony Garnier heißt es z.B.: Höfe und Höfchen, d.h. Räume, die von Mauern umschlossen und dafür bestimmt sind, Luft und Licht zuzulassen, sind verboten. Jeder Raum, wie klein er auch sei, muss von außen her belichtet und ventiliert werden.138 Das Element des Lichtschachts als eines Einschnitts in das Gebäudevolumen spielt folglich in der modernen Architektur bis in die 1970er Jahre hinein fast keine Rolle. Lufträume entstehen z.B. bei Le Corbusier im Gebäudeinneren, entlang galerieartig zurückgesetzter Geschossebenen. Auch noch in der strukturalistischen Architektur, z.B. bei Hertzberger in Central Beheer, sind die vertikalen Lufträume zum Innenklima gehörende Zwischenräume, die zwischen den horizontal addierten kreuzförmigen Grundmodulen verbleiben. Auch hier ist die Kante von Geschoss zu Luftraum lediglich durch eine Brüstung akzentuiert. Erst in den 1990er Jahren werden mehrere Lufträume feldartig über die Geschossfl äche verteilt und als Volumina gegenüber dem Geschossraum abgeschlossen. Das Kontinuum der Geschossdecke wird so in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen durchbrochen und das Gebäudevolumen entsprechend aufgelockert. Die Lufträume sind durch tragende oder nichttragende Fassaden abgegrenzt. Entweder sind sie -klimatisch gesehen- Pufferräume, wie bei Nouvel oder Ito; oder es handelt sich um richtige Außenräume wie bei Miller + Maranta oder MvRdV. Im diesem Fall stehen sie mit Außenterrassen in Verbindung und ermöglichen so Außenkontakt in der Grundrisstiefe. Die neuen Lufträume ermöglichen die lokale Reduzierung der Gebäudetiefe, ohne den organisatorischen und volumetrischen Zusammenhalt der Gebäudestruktur aufzulösen. Die Anordnung der Lufträume erweckt den Eindruck, sie könne über die Gebäudekontur hinaus fortgesetzt werden; als ob man ein potentiell unendlich weit ausgedehntes mehrgeschossiges Volumen nur über solche Einschnitte belichten könnte. Als Lichtquelle sind die Lufträume oft eher ein Zusatzangebot, da der größere Anteil an Tageslicht nach wie vor über die Außenfassaden einfällt. So belichten die vier Lichthöfe der Voltaschule von Miller + Maranta die den Klassen zugeordneten Gruppenräume ebenso wie Verwaltungsräume, 1 2 3 4 5 143 deep plan seit 1990 Teeküchen, aber vor allem die großzügige Erschließungszone, die als Pausenfl äche benutzt wird. Die eigentlichen Klassenräume der Schule erhalten jedoch ihr Tageslicht primär über die Außenfassade. Konstruktiv gesehen, können die Lufträume als Durchbrüche innerhalb eines Stützen-Decken- Tragwerks konzipiert sein: so z.B. bei den Galeries Lafayette, wo die Lufträume im Stützraster angeordnet sind und so jeweils anstelle von Stützen stehen -die kreisrunden Deckenausschnitte haben ihren Mittelpunkt in einem Kreuzungspunkt des Rasters. Bei Villa VPRO sind die Lufträume ebenfalls am Raster ausgerichtet, aber liegen zwischen den Stützen. Es kann aber auch Tragstruktur am Rand des Luftraums angeordnet sein, wie in der Voltaschule, wo die perforierten Tragschotten gleichzeitig Außenwände zu den Lichthöfen sind –was am ehesten dem herkömmlichen Schema eines Lichtschachts entspricht. In der weitest gehenden Form von Integration wird der Luftraumselbst zur aufgeweiteten hohlen Stütze, wie in der Mediathek Sendai und im Entwurf für Vestbanen. Bezüglich der Form der Lufträume könnte man annehmen, dass runde Deckenausschnitte besser mit offenen Grundrissen kombiniert werden, während rechteckige oder polygonale Zuschnitte sich besser für die Anlage von Zellenbüros eignen. In der Praxis liegen hingegen an den Kegeln der Galeries Lafayette vorwiegend Einzelbüros, während die orthogonalen Einschnitte bei Villa VPRO Einzelbüros, aber auch Großraum-Bürobereiche belichten. Bei Toyo Ito, wo die Lufträume auch Vertikalerschließung aufnehmen, ist es wiederum nicht möglich, allseits mit Trennwänden an die Luftraumfassaden anzuschließen, da die Verkehrsfl ächen an die Lufträume herangeführt werden müssen. Die abgebildeten Beispiele belegen die Fülle von Kombinationsmöglichkeiten, die sich auf der Geschossebene im Zusammenspiel der Elemente -Vertikalerschließung (Kerne), Horizontalerschließung (Flure), Tragwerk (tragende Wände und Stützen), Luftraum (Größe, Kontur, Abstände) und Terrassen (Außenfl ächen auf der Etage)- ergibt. Lufträume / Außenräume M 1: 1000 1 Herman Hertzberger: Central Beheer, Apeldoorn, 197X 2 MvRdV (Maas, van Rijs, de Vries): Villa VPRO, Hilversum 1993-94 3 Jean Nouvel: Galeries Lafayette, Berlin 1991-94 4 Miller + Maranta: Volta Schulhaus, Basel 1997-2000 5 Van Berkel & Bos: Diözesanmuseum Köln, Wettbewerb 1997 6 Toyo Ito: Mediathek Sendai, 1996-2001 7 Toyo Ito,: Vestbanen, Oslo; Wettbewerb 2002 8 SANAA: Kazuyo Sejima, Ryue Nishizawa: Zollverein School of Management and Design, Essen 2003-06: Büroebene (4.OG) 6 7 8 1 2 3 4 5 6 9 11 7 8 10 145 deep plan seit 1990 Modifi kationen des Loft-Typs In einer Reihe von Projekten werden die Modifi kationen des klassischen Loft-Typs, die in den vorangegangenen Jahrzehnten bereits erprobt wurden, weiterentwickelt. Die Elemente Hülle, Tragwerk / Raster und Geschosskontur werden dabei einzeln oder in Kombination modifi ziert. So wird z.B. die Modulierung der Außenkontur, die mit Le Corbusiers Carpenter Center begann, und für die das Bürogebäude in Ipswich von Foster Associates ein weiteres Beispiel darstellt, von Herzog & de Meuron wiederaufgenommen. An das letztere Beispiel erinnert die homogenisierende, über die ganze Gebäudehöhe durchlaufende gekurvte Hülle der Bibliothek in Cottbus. Auch die dem Fassadenverlauf folgenden Randstützen bieten eine Parallele. Vom Corbusianischen Beispiel hingegen wird die Divergenz zwischen Hülle und Geschosskante übernommen, die zu den peripheren Lufträumen führt. In einer, dem ursprünglichen Lagerhaustyp entsprechenden, größeren Schlichtheit tritt diese Divergenz zwischen Geschossrand und Fassade auch beim Schaulager Basel auf, wo ein über vertikaler Luftraum über alle Geschosse entsteht. Ansonsten ist das Schaulager das Gebäude unter den vorgestellten Referenzen, das dem klassischen Loft am nächsten kommt. Bei Herzog & de Meuron kommt die Hülle in Bewegung, während die Geschosse gerade abgeschnitten sind. Bei Itos Kaufhausprojekt für Glasgow führt die Deformation des Tragwerks zur Deformation der Fassade. Die Geschossdecke folgt wiederum dem Verlauf der Fassade. Mit der Deformation des Stützenrasters in x-und y- Richtung ist eine weitere Option zur Modifi zierung des Lofts gegeben. Bei Ito sind die Elemente Skelett, Geschossdecken und Hülle in einer Art dreidimensionaler Matrix verknüpft. 1 Le Corbusier: Villa à Carthage, 1928 , o.M 2 Herzog & de Meuron: Bibliothek Cottbus, o.M. 3 Le Corbusier: Carpenter Center, Harvard 1961-64 4 Herzog & de Meuron: Bibliothek Cottbus, o.M. Rekonfi gurierte Lofts: 5 OMA: Morgan Bank, Amsterdam 1985 6, 7 Herzog & de Meuron: Bibliothek Cottbus, 1998-2002 8, 9 Herzog & de Meuron: Schaulager Basel 1998-2002 10, 11 Toyo Ito: Selfridges, Glasgow 2002. Projekt Modifi kationen des Loft-Typs Morgan Bank Amsterdam 1985 Das Projekt, ein Wettbewerbsentwurf von OMA für ein Bürogebäude in Amsterdam, wird in S,M,L,XL im Anschluß an den Text Typical Plan von 1993 vorgestellt. Darin besteht auch schon sein hauptsächliches Interesse: Es handelt sich –in Koolhaas‘ Worten- um einfachen, abstrakten Büroraum, dessen Dimensionen mit der Absicht gewählt werden, ein Maximum an Permutationen zu ermöglichen, indem für Holland ungewöhnliche (und unerwünschte) Tiefe eingeführt wird... Ein Hohlraumboden versorgt jeden Punkt der Bürofl äche, die Stützen interferieren minimal mit der Nutzung. Das einzige „feature“ ist eine Glastreppe, die alle Geschosse miteinander verbindet. Die Negativecke und die Höhenstaffelung erklären sich dabei aus städtebaulicher Rücksichtnahme heraus. Das marmorverkleidete Pfeiler- und Balkenraster der Fassaden sieht aus wie eine späte Reminiszenz an die italienischen Avantgarden der Zeit um 1970, vielleicht auch an Ungers, letztlich an Terragni. Es ruft auch die Kühle und Anonymität Hilberseimerscher Groszstadtarchitektur ins Gedächtnis, die hier dem holländischen Kontext entgegengesetzt werden sollen. Literatur: Rem Koolhaas, Bruce Mau: S,M,L,XL. Monacelli Press, New York 1995, S. 350-353 Heinrich Klotz: Architektur des 20. Jahrhunderts. Deutsches Architektur Museum / Klett, Stuttgart 1990, S. 324; 330-331 Sydney Contemporary Art Museum, 1997 SANAAs Museumsprojekt ist für einen prominenten Standort in erster Reihe an der Bucht von Sydney konzipiert. Es handelt sich um einen siebengeschossiger Würfel von 34 m Kantenlänge als Erweiterung eines Altbaus von hantelförmigem Grundriss. Der Würfel hält zu diesem einen Abstand von drei Metern, der von drei gläsernen Brücken in den Obergeschossen überspannt wird, da der Neubau auch den neuen Haupteingang des Museums aufnehmen soll. Die deutlich verschieden hohen Geschosse des verglasten Würfels werden über eine freie Rampen- und Treppensequenz erschlossen. Das ansteigende Erdgeschoss folgt dem zur Bucht hin abfallenden Terrain. Das 1. Obergeschoss ist dementsprechend bogenförmig ausgeschnitten. Die Rampe stößt von der Wasserseite nach hinten, wendet sich um 180° und erreicht das 2. Obergeschoss. Nachdem Erd- und 1. Obergeschoss für Museumsshop und Ladenfl ächen vorgesehen waren, befi ndet sich hier die eigentliche Lobby des Museums. Sie ist von Verwaltungs- und offenen Lagerfl ächen umgeben. Der Rampe, die eine zweite Wendung - diesmal an der Wasserseite- nimmt, folgend, erreicht man das 3. Obergesschoß, das als Galeriegeschoss durch größere Höhe ausgezeichnet ist. Im 4. Obergeschoss endet die gebogene Treppenrampe; hier liegt eine Kinemathek. Die Verdunkelung ihrer zwei Säle ist im Modell durch eine weiße Bedruckung des Fassadenabschnitts angedeutet. Von hier aus kann man über eine Wendeltreppe und eine längliche Treppe, die sich aus dem Fluchttreppenhaus entwickelt, das 5. Obergeschoss mit dem Restaurant besuchen. Das 6. Obergeschoss ist nicht weiter unterteilt, sondern bietet einen großen Raum für verschiedene Zwecke. Das Modell zeigt ein gläsernes fl aches Dach darüber. 5 x 5 Stützen quadratischen Querschnitts stützen die Decken. Das noch skizzenhaft entwickelte Projekt ist als Vorstufe zur Design School Zollverein interessant. Es ist auf einer stilistischen Zwischenstufe angesiedelt, zwischen Erschließungsideen, wie sie durch Corbusier und OMA angeregt sein könnten, und der SANAA-typischen Reduktion auf das Wesentliche, wie sie später in Zollverein exemplarisch realisiert ist. Literatur: El Croquis 99: Kazuyo Sejima Ryue Nishizawa 1995 2000. Making the boundary. Madrid, 2000, S.164-169 1 2 3 OMA: Morgan Bank, Amsterdam 1985 1 Perspektivische Ansicht 2 Typischer Grunriss 3 Außenperspektive 147 deep plan seit 1990 SANAA: Kazuyo Sejima, Ryue Nishizawa: Museum of Contemporary Art, Sydney 1997 Wettbewerb, 1. Preis. Unrealisiert 1 Schnitt 2 Modellfoto 1 2 5.OG EG 1.OG 3.OG 2.OG 4.OG 6.OG Schaulager Basel, 1998-2003 Das Schaulager ist eine Neuinterpretation des Lagerhaustyps aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert für die postindustrielle Ära. Hinter der scheinbaren Sachlichkeit und Anspruchslosigkeit des Lagerns im Schaulager steckt ein gutes Stück Nostalgie, vergleicht man, wie Lagern als Teil von Logistik und Vertrieb sich heute architektonisch ausdrückt. Angesichts einer Entwicklung, in der als Folge von Strukturwandel die verschiedenen Bautypen gegeneinander durchlässig werden –ein Lagerhaus kann heute problemlos zum Museum werden- belegt das Schaulager, wie diese neue typologische Freiheit in Umkehrung der Argumentation - zurück vom Museum zum Lagerhaus- auch auf Neubauten anwendbar wird. Letztlich scheint es nur auf Raumhöhen, Raumtiefen, Spannweiten und ein Signal nach außen hin anzukommen: Venturis generic loft mit etwas weniger Ironie und etwas mehr Materialauthentizität. Der klassische Lagerhaustyp wird von Herzog & de Meuron folgendermaßen bereichert: Eine konkave Einziehung des Baukörpers als Geste zur Straße ist Projektionsfl äche und Eingangsfassade und beschreibt, zusammen mit dem kleinen Eingangs-Häuschen einen Vorplatz, der den Konfl ikt zwischen der suburbanen, industriellen Umgebung und dem Inneren moderiert. Tritt man durch den horizontalen Schlitz zwischen Eingangswand und Boden ins Innere, so überschaut man dank eines atriumartigen Luftraums die ganze Höhe des Baukörpers mit seinen bis zu 40 Meter tiefen fünf Geschossen. Ähnlich wie in Cottbus ensteht zwischen den orthogonalen Geschosskanten und der polygonalen Fassade ein unregelmäßig geformter Luftraum. Für das Publikum zugänglich sind Unter- und Erdgeschoss. Beide Geschosse haben eine Höhe von 6,80 Metern, die es erlaubt, auch raumgreifende Skulpturen oder Installationen auszustellen. Nur im Café/Bookshop ist die Raumhöhe künstlich abgesenkt. Die Obergeschosse haben eine Höhe von 4,76 Metern. Im 1. Obergeschoss liegen Verwaltungsräume, im 2. und 3. Obergeschoss lagern die Bestände einer Privatsammlung (Sammlung Hoffmann). Die gerichtete, weitgespannte Deckenkonstruktion besteht aus aneinandergereihten, wannenförmigen Betonfertigteilen mit einem Achsabstand von 2,00 Metern, die 16,50 Meter überspannen, und auf 1,50 Meter breiten Unterzügen aufl iegen. Die Stützen mit 50 Zentimetern Quadratquerschnitt stehen in einem Raster von 18 x 8 Metern. Das 78 Zentimeter starke Deckenpaket setzt sich zusammen aus den 60 Zentimeter hohen Betonelementen, in die oberseitig eine Betonplatte als verlorene Schalung eingesetzt ist, einer Schicht Aufbeton und einem 8 Zentimeter starken Fließestrich. Der Hohlraum der Decke wird zur Installationsführung verwendet. In die Fugen zwischen den vorgefertigten Betonelementen, deren Unterseite sichtbar bleibt, sind Leuchtstoffröhren eingesetzt. Bedarfsweise können hier Spotlights hinzugefügt werden. Im Beton der vorgefertigten Deckenelemente verlaufen Kühlrohre. Außerdem sind Abluftansaugung, Quelluftauslässe, Rauchmelder, Sprinkler und Stromanschlüsse in Boden bzw. Decke integriert. Die dicke Außenwand trägt durch ihre thermische Masse zu einem stabilen Innenklima bei. Sie ist an der Süd- und Südostseite im Erdgeschoss und im 1. Obergeschoss über plastisch geformte Fensterbänder fl ächenmäßig geringfügig geöffnet. Diese Fensterbänder laufen jedoch über eine Länge von 45 Metern im EG und von 71 Metern im 1.OG horizontal ohne sichtbare Unterbrechung durch, sodass die Außenwand hier keine einfache Lochfassade sein kann: Da die Fensterbänder einen zweischaligen Wandaufbau mit Kerndämmung durchtrennen, müssen innen wie außen die darüberliegenden Wandabschnitte möglichst unauffällig gestützt werden. Außen geschieht dies durch einbetonierte Stahlstützen von 16 Zentimetern Durchmesser in der massiven Außenschale, die nur im Fensterband exponiert sind, aber dort durch ihre schwarze Farbe optisch untergehen. Oberhalb des Schlitzes muss die Außenschale so maximal 16 Meter überspannen. Die Innenschale, die auch noch die Hälfte eines Deckenfeldes von 8 Metern Breite tragen muss, wird durch Stahlstützen 1 2 Herzog & de Meuron, Zachmann & Pauli, Basel (TW): Schaulager Laurenz Foundation, Münchenstein / Basel 1998-2003 1 Ansicht 2 Innenraum 3,4 Querschnitte 149 deep plan seit 1990 von 18 bzw. 20 Zentimetern Durchmesser und Stahlbeton- Querschotten im Abstand von 8 Metern hinter der Fassade gehalten und dadurch praktisch entlastet. Die Stahlstützen sind dabei in den Trennwänden der Büros verborgen. Literatur: El Croquis 109/110: Herzog & de Meuron. the nature of artifi ce. Madrid, 2002, S.220-227 El Croquis 129/130: Herzog & de Meuron. the monumental and the intimate. Madrid, 2006, S.126- 145 3 4 2.OG 1.OG EG UG Bibliothek (IKMZ) der Universität Cottbus (BTU), 1998-2004 Die Bibliothek der Universität Cottbus übernimmt die Aufgaben eines Informations-, Kommunikations- und Medienzentrums; wobei die Nutzung der Geschosse von einem herkömmlichen Bibliotheksprogramm mit Freihandbereichen, Lesesälen und Lesegalerien dominiert wird. Das 29 Meter hohe, achtgeschossige Prisma auf dem Grundriss einer aus Kreisradien zusammengesetzten Kurve von vier Konvex- und vier Konkavschwüngen ist als städtebaulicher Solitär konzipiert. Betritt man das Gebäude über eine Einschnürung im Erdgeschoss, die den Zugang von zwei Seiten her ermöglicht, so steht man in einem doppelgeschossigen Raum, der an seiner Süd- und Nordseite Blicke in das Untergeschoss freigibt, während seitlich im 1.Obergeschoss ein schmales Mezzanin verläuft. Vom Zentrum aus, in dem die Infotheke angeordnet ist, erreicht man zwei zylindrische Treppen-, Aufzugs-und WC-Kerne, die sich diagonal an den zwei weiten Konkavschwüngen des Grundrisses gegenüberstehen. Über diese und eine zusätzliche, ‚freie‘ Wendeltreppe von 6 Metern Durchmesser erreicht man die Ober- und Untergeschosse. Hier gibt es jeweils doppel- oder dreigeschossige Lesesäle im 1.Untergeschoss sowie im 1.- 5.Obergeschoss. Außerdem werden Lesegalerien entlang von Geschosskanten mit Blick in die Lufträume angeboten, und zwar im Erdgeschoss sowie im 2. bis 5.Obergeschoss; hinzu kommen Carrels im 6.Obergeschoss. Diesen peripher gelegenen Arbeits- und Leseplätzen sind jeweils Freihandbereiche im weniger gut belichteten Zentrum des Grundrisses zugeordnet. Im obersten Geschoss liegt die Verwaltung. Dort, wo die Regalfl ächen der Freihandbereiche an die Fassade stoßen, ist diese geschlossen; in den Lesebereichen hingegen ist sie verglast. Nach außen werden diese unterschiedlichen Fassadenabschnitte durch eine zweite Hülle homogenisiert; nur abends, wenn die Geschosse von innen erleuchtet sind, zeichnet sich der Stahlbeton- Rohbau dunkel hinter der äußeren Fassadenschicht ab. Tragwerk: 18 Rundstützen stehen entlang des Perimeters als ausbetonierte Stahl-Hohlprofi le mit Durchmessern zwischen 40 und 50 Zentimetern.13 davon stehen auch auf den Längs-oder Querachsen des Grundrasters von 6,80 x 6,25 bzw. 7,50 Metern, auf dem die 15 Innenstützen stehen. Die Decken sind Stahlbeton- Flachdecken von 25 bzw. 35 Zentimetern Stärke, die an ihren Rändern mit einer Abkantung nach unten versehen sind. Hinzu kommt ein Hohlraumboden von 22 Zentimetern und eine abgehängte Decke aus Streckmetall von 50 bzw. 40 Zentimetern Höhe, sodass sich ein 97 Zentimeter starkes Deckenpaket ergibt. Bei einer Geschosshöhe 3,50 Metern (EG 3,70 m) stellen sich Räume von 2,50, 6,00 und 9,50 Metern lichter Höhe ein. Die Aussteifung wird über die gebogenen Außenwände im Verbund mit den Kernen hergestellt. Diese massiven Außenwände schließen fast immer an Geschossdecken an. Dort, wo das nicht der Fall ist, wie bei der ‚Banderole‘ in der nordwestlichen Ausbuchtung zwischen 2. und 3. OG, wird die Stahlbetonbrüstung direkt von den Stützen gehalten. Interessant ist es, die Bibliothek von Herzog & de Meuron mit der Geisteswissenschaftlichen Bibliothek von Foster & Partners an der FU Berlin (1998-2003) zu kontrastieren. Bei beiden sind Geschossdeckenrand und Fassade (bei HdM zumindest teilweise) unabhängig voneinander geführt. Die Wellenbewegung der Geschosskanten bei Foster wie der Fassade bei HdM dient demselben Zweck der Perimeterverlängerung, um mehr Nutzer an natürlicher Belichtung teilhaben zu lassen, und der Anlage von Lufträumen an der Peripherie. Bei Foster entstehen so die Leseplätze entlang der sinusförmigen Wellen, die geschossweise phasenversetzt sind. Bei HdM hingegen wird so die Tiefe des Baukörpers moduliert. Die Bibliothek in Cottbus kann als die Umkehrung der Bibliothek von Foster & Partners gelesen werden: Die Lufträume der Bibliothek in Berlin entstehen durch konkave Einziehungen der Geschossdecke, die in Cottbus durch (konvexe) Ausbuchtungen der Fassade. Wo an der FU-Bibliothek Hülle und Geschosskante im Prinzip konzentrisch geführt sind, sodass die Geschossdecken nie die Fassade 1 2 3.OG 151 deep plan seit 1990 tangieren (Prinzip Klimahülle), wird durch die Art, wie die Geschosskanten in Cottbus abgeschnitten sind, gerade der Wechsel zwischen an die Fassade stoßenden Abschnitten und durch Luftraum von der Fassade getrennten Abschnitten der Geschossdecke ausgespielt. Hier ist die Möglichkeit realisiert, dass die Fassade nicht –wie bei den Kuben von OMA- ein gerader Schnitt durch die freieren Geometrien des Inneren ist, sondern dass umgekehrt die Fassade als Prisma auf gekurvtem Grundriss vollkommen rechtwinklige Streifen von Geschossfl äche ‚wie zufällig‘ anschneidet. Dadurch entsteht bei HdM ein breiteres Spektrum an innenräumlich interessanten Situationen als bei Foster. Literatur: El Croquis 109/110: Herzog & de Meuron. the nature of artifi ce. Madrid, 2002, S.210-219 El Croquis 129/130: Herzog & de Meuron. the monumental and the intimate. Madrid, 2006, S.98- 125 Kaufhaus Selfridge‘s, Glasgow 2002-04 Die britische Kaufhauskette Selfridges, die seit den 1980er Jahren mehrere architektonisch anspruchsvolle Neubauten realisiert hat (vgl. Grimshaw, Future Systems) beauftragt Toyo Ito 2002 mit dem Projekt für einen Neubau in Glasgow, nachdem der Aufsichtsratsvorsitzende von Selfridges bei einem Besuch der Mediathek Sendai befi ndet, dieses Konzept sei auch für ein Warenhaus geeignet. Während das Projekt von Future Systems in Birmingham vor allem durch die Fassade bekannt wird, greift Ito stärker in die Primärkonstruktion des Warenhauses ein, und sieht in Zusammenarbeit mit Cecil Balmond vor, das ganze Stützenraster regelbasierten Deformationen zu unterwerfen. Vorgabe des Auftraggebers sind neutrale Räume mit Stützabständen zwischen 8 und 10 Metern. Ito und Balmond entwickeln das Raster zu einem unregelmäßigen Netz aus Stützen und Trägern, dessen einzelne Zellen Trapez- und gelegentlich Dreiecksform haben. Durch die Schrägstellung der Stützen ist dieses Netz in jedem Geschoss verschieden. Die Anzahl unterschiedlicher Stützenanschlüsse dadurch reduziert, dass die Deformation des Rasters auf einem Algorithmus basiert: Über die bebaubare Fläche wird ein Raster von 10 x 10 Metern gelegt. Es ergeben sich 5 x 14 Achsen. Über jeden Rasterpunkt wird ein magisches Quadrat gelegt. Über einen Algorithmus wird der Punkt innerhalb des magischen Quadrats versetzt. Dieser Vorgang wird für alle vier Geschosse wiederholt; die jeweils einander entsprechenden Punkte werden durch Polylinien miteinander verbunden und ergeben so den Verlauf der Stützen. Es ergeben sich neun verschiedene Stützenformen. So ist eine Vorfertigung in komplexer Wiederholung möglich. Die –wie bei Warenhäusern seit der Nachkriegszeit üblich- weitgehend geschlossene Fassade soll, indem sie der Schrägstellung der Stützen folgt, innen und außen in einer für den Bautyp ungewohnten Weise verbinden. Sie wird in der Mitte jedes Stützenabstands zusätzlich gefaltet. So entsteht eine entlang der Hauptseite 130 Meter lange gefaltete und gebogene Abwicklung aus scheinbar irregulären Zuschnitten, die den Vorstellungen des Stadtplanungsamt, die Baumasse zu differenzieren, entgegenkommen soll. Die Fassadenpaneele sind als vorgefertigte Betonelemente in der Geometrie hyperbolischer Paraboloide, mithin als Regelfl ächen, konzipiert. Dadurch, dass über eine weitere mathematische Regel die Polylinien der Stützen in einer Art DNA- Strang miteinander verbunden werden, wird defi niert, welche Stützenform jeweils einer anderen benachbart ist. So reduziert sich die Anzahl der verschiedenen Fassadenpaneele, die ja beidseitig an die Stützen anschließen sollen, auf acht unterschiedliche Zuschnitte, die in drei verschiedenen Oberfl ächenqualitäten vorgesehen werden. 3 4 EG Herzog & de Meuron, Ing.: Pahn Ingenieure, Groß-Gaglow: IKMZ BTU Cottbus, 1998-2004 1 Ansicht 2 Foyer 3 Längsschnitt 4 Querschnitt Da Selfridges einem Shop-in-Shop-Konzept folgt, ist die Planung und der Ausbau der einzelnen Läden Sache der Mieter. Die Frage stellt sich, ob das Feld aus tanzenden Stützen dann noch als solches wahrzunehmen wäre. Wie sich Itos und Balmonds gemeinsames Anliegen, den universellen Raum der Moderne durch einen lokal differenzierten Raum zu ersetzen, am Bautyp Warenhaus bewährt hätte, kann vermutlich nicht überprüft werden -die Planung, die das Kaufhaus als Hauptbestandteil einer Neubebauung des ganzen Blocks vorsah, wird derzeit nicht fortgesetzt. Literatur: Toyo Ito / Under Construction. a+u 404. Tokio, Mai 2004 S. 44-53 (Interview Cecil Balmond) El Croquis 123: Toyo Ito. beyond modernism. Madrid, 2004, S. 286-293 Toyo Ito: Beyond the Image. a+u 417. Tokio, Mai 2005 S. 18-67 Toyo Ito, Ing.: ARUP Kaufhaus Selfridges, Glasgow 2002-04 1 Strukturmodell 2 Innenraummodell 3 Schnitt 1 2 3 EG 1. OG 153 deep plan seit 1990 1 2 Barkow Leibinger, Ing.: Schlaich Bergermann und Partner: Trutec Building, Seoul 2005-07 1 Schnitt (unten beschnitten) 2 Ansicht von Westen 3 Innenraum Büroebene 3 Mezzanin über EG OG Trutec Building, Seoul 2005-07 Das Trutec Building der Architekten Barkow Leibinger steht in Digital Media City, einem neuen Stadtviertel von Seoul. Das zwölgeschossige Hochhaus mit fünf Untergeschossen erhebt sich auf einer Grundfl äche von circa 35 auf 35 Metern. Es fungiert als Büro-, Schulungs- und Ausstellungsgebäude für mehrere Maschinenbauunternehmen. Über der doppelgeschossigen Lobby mit ihrem Mezzaningeschoss liegen zwei Geschosse mit Showrooms von 5,90 Metern Höhe; darüber folgen sieben Bürogeschosse von 4,20 Metern Höhe. Darüber ist die Glasfassade um ein Geschoss hochgezogen, um die Technikaufbauten zu verdecken. Die Ebenen werden zu einem Viertel von „Kern“-Fläche eingenommen; genauer gesagt handelt es sich um drei Kerne mit dazwischenliegenden Korridoren, die zu einem kompakten Quadrat gruppiert sind. Die restlichen drei Viertel jeder Ebene stehen als frei unterteilbare Geschossfl äche zur Verfügung. Das Stützraster von circa 11 auf 16 Metern wird ergänzt durch Randstützen im halben Rastermaß. Doppelboden und Abhangdecke neutrale Konditionen für die vermietbaren Bürofl ächen. Die besondere Attraktion des Gebäudes liegt in der Fassade. Diese ist als Elementfassade in silbern verspiegeltem Glas ausgeführt, wobei die einzelnen Elemente, in Dreiecks- und Trapezfl ächen aufgespalten plastisch hervortreten. Die kaleidoskopartigen Spiegelungen der Umgebung erzeugen ein einzigartiges Bild, das –stärker noch als herkömmliche plane Verglasungen- nach Tageszeit und Betrachtungswinkel variiert. In den Showroom- Geschossen sind sogar jeweils zwei Elemente öffenbar, um Ausstellungsstücke von außen anliefern zu können. Die Architekten beschreiben ihre Entwurfsstrategie als Reaktion auf die Ungewißheit des Kontexts: Die umgebenden Türme der Digital Media City mit ihren geringen Abstandsfl ächen sind mehr oder weniger banale Architekturen; die Entwürfe für die Nachbarbebauung waren zum Teil nicht verfügbar. Damit stellt sich die weitgehende Autonomie und Selbstbezüglichkeit des Trutec Buildings als einzig mögliche Antwort dar. Literatur: Christian Brensing: Trutec Building; in: Bauwelt 14 / 2007, S. 26-31 Andres Lepik (Hg.): Barkow Leibinger. Trutec Building. Hatje Cantz, Stuttgart 2007 12 4 6 8 3 5 7 155 deep plan seit 1990 Gestapelte Großräume / Generic Cubes Die Kuben der 1990er Jahre sind vom Städtebau her freistehende Solitäre, die als Attraktoren in einem Umfeld geringerer Dichte fungieren. Kompaktheit ist ihr wesentliches äußeres Merkmal. Zudem eignet ihnen eine gewisse Rätselhaftigkeit, da die Geschossigkeit und innere Struktur nicht, oder nur unscharf, hinter der Fassade abzulesen ist. Der Maßstab ist dadurch schwer einzuschätzen. Vom innenräumlichen Konzept her bieten die Kuben übereinander angeordnet je einen Großraum pro Geschoss. Die Grundrisse sind tief; sie haben zwischen 25 und 35 m Kantenlänge (mit der Ausnahme: MegaFloor: 78 m). Die klare Schichtung von Ebenen wird nicht durch Deckenausschnitte durchbrochen. Die Ausgliederung der Vertikalerschließung aus dem Kernquadrat führt beim ZKM, beim Kunsthaus Bregenz und beim MegaFloor zur Anlage einer Hüllzone an der Peripherie. Anderenorts erfordert die Lage der Erschließung innerhalb der quadratischen Grundrissfl äche die Anlage von Kernen (Zollverein School). Diese werden aber so gestellt, dass ihre Grundfl äche möglichst gering ist und dass der Eindruck eines Großraums auf jedem Geschoss erhalten bleibt. Durch die tragenden Außenwände wirken die Kuben in sich abgeschlossen; sie sind nicht in der Horizontalen erweiterbar. Die tragenden Wände sind entweder massiv oder aufgelöst. Damit sind die Tragwerke der Kuben Kombinationen von Massivbau bzw. Schottenbau und Skelettbau. Die Wandscheiben sind entweder selbst Fassade (Zollverein, M-Project), oder es gibt Schichten von semitransparenten Materialien, die davorgelagert sind (ZKM, Bregenz). Das Wechselspiel von Opazität und Transparenz bzw. Transluzenz entfaltet sich einmal in nur einer Fassadenebene, ein andermal in mehreren Ebenen. Die Geschossfl äche kann stützenfrei entweder mit Trägern (ZKM) oder fl ächigen Decken (Bregenz) überspannt werden. Alternativ wäre auch bei dem quadratischen Zuschnitt ein Trägerrost denkbar. Werden geringere statische Höhen bei der Deckenkonstruktion gewünscht, müssen zusätzliche Stützen bzw. Scheiben gestellt werden. Durch die Wahl der Decke als eines Flächentragwerks ist die Positionierung der zusätzlichen stützenden Elemente nicht an ein Raster gebunden (Zollverein, M-Projekt). Hierin besteht einer der Unterschiede zum klassischen Loft mit seinem Stützenraster. Die „freie“ Anordnung der Stützen verstärkt den Eindruck des Großraums. Vom Raumcharakter her entstehen auf den Geschossen ruhige, mit einem Blick zu erfassende Räume, die nicht, oder nur sehr dezent durch sekundäre Elemente wie Trennwände, beeinträchtigt werden. Der Raumeindruck unterstützt Introversion und Konzentration auf das Wesentliche. Die quadratische Raumproportion und die Unterdrückung von sichtbarer Technik tragen dazu bei. Vorläufer/Genealogie: In der Betonung des Generischen, Lapidaren kommen die Kuben von Alejandro de la Sota als Vorläufer in Betracht (auf jeden Fall für Abalos‘ und Herreros‘ Bibliothek in Usera) Der Aspekt des rätselhaften, Neugier weckenden Objekts ist –vor OMA- bereits durch das Kulturzentrum Onyx, Saint Herblain von Jean Nouvel verkörpert. Wenn man will, kann man dieses mit Corbusiers boîte à miracles in Zusammenhang bringen. Auch die Ästhetik variierender Transparenzen, der Fassadenschichtung von Hülle und Kern ist von Nouvel vorgeprägt. Diese Ästhetik fasziniert zu Beginn der Neunziger nicht nur OMA; auch Zamp Kelps Projekt für das ZKM zeigt Ähnlichkeiten. Von der Tragstruktur her weisen die Kuben Verwandschaft zu Röhrentragwerken bei Hochhäusern auf. Die variierenden Geschosshöhen trifft man bereits beim New Yorker Downtown Athletic Club an; die Gliederung in Randzone und Kernzone bei Belmont / Prouvés Projekt eines Hochhauses für das Außenministerium, Paris 1976. Der strukturelle Aspekt wird im Abschnitt über single span-Konzepte im Kapitel „Tragwerk“ vertieft. Gestapelte Großräume / Generic Cubes: 1 Jean Nouvel, Jean-Marc Ibos: Centre Culturel Onyx, Saint-Herblain, 1987-89 2, 3 OMA / Rem Koolhaas: ZKM Karlsruhe, 1990-92 4, 5 Peter Zumthor: Kunsthaus Bregenz, 1993-97 6, 7 SANAA (Sejima und Nishizawa): Zollverein School, Essen 2003-06 8 Toyo Itro: M-Project, Tokio 2003 Gestapelte Großräume / Generic Cubes Zentrum für Kunst und Medientechnologie, Karlsruhe; Projekt, 1989 Das Projekt von OMA für das ZKM Karlsruhe ist Gewinner des Wettbewerbs von 1989; das Projekt wird in der Folge beauftragt und bis zur Genehmigungsplanung getrieben. Der Stadtrat von Karlsruhe entscheidet sich jedoch 1992 aus mehreren Gründen gegen die Ausführung. Anstelle des Neubaus von OMA wird eine leerstehende alte Munitionsfabrik umgebaut. Das Zentrum für Kunst und Medientechnologie ist eine Medienhochschule, die Theater, Museum und Bibliothek vereint. Ende der 1980er Jahre dringt ‚Medienkunst‘ als neuer Kunstzweig ins öffentliche Bewußtsein. Es ist dieselbe Zeit, in der –obwohl das Internet sich noch nicht auf breiter Front durchgesetzt hat- zunehmend vom Informationszeitalter die Rede ist. Hieran knüpft sich die Erwartung, dass auch die Architektur sich ‚entmaterialisieren‘ wird, oder dass zumindest Fassaden als ‚Medienfassaden‘ zum Informationsträger oder Interface werden. Teilweise gilt das auch für das ZKM. In anderer Hinsicht bildet das ZKM –zumindest in Koolhaas‘ Formulierung- eine Parallele zum Centre Pompidou. Beide Vorhaben sind vor dem Hintergrund eines gesellschaftlichen Aufbruchs zu verstehen (1968 bzw.1989), beide handeln von neuen Formen der Vermittlung von Kunst, auch von der Überwindung konventioneller disziplinärer Schranken. Und beide verstehen sich als urbane Attraktoren, als eminent öffentliche Orte. -Ein Unterschied ist, dass das ZKM auch Hochschule ist, bzw. Ort der künstlerischen Produktion selbst. Wie bei dem Projekt für Paris aus demselben Jahr wählt OMA die Grundform des Würfels; auch hier wird auf mehreren Ebenen die Anbindung an die vorhandenen Bodenniveaus gesucht, die sich durch die Nähe zum Bahnhof ergeben: Die äußere Erschließung bindet direkt an die unter den Gleisen gelegene Bahnhofpassage an, deren eine Hälfte zum Medienmuseum wird; das ZKM schafft dabei an der der Peripherie zugewandten Seite einen Gegenpol zum Bahnhofsgebäude. Aus dieser Polarität entsteht die Idee, den Baukomplex in allen drei Raumrichtungen zu polarisieren und so eine Handhabe für die Verteilung des Programms zu bekommen: Die bereits geschilderte x-Achse weist auf das barocke Zentrum von Karlsruhe und steht für die Polarität von Zentrum und Peripherie; die y-Achse für den Kontrast von Künstler-/in und Öffentlichkeit bzw. von Produktion und Demonstration; die z-Achse gliedert die Programmverteilung in der Vertikalen des Würfels nach der Polarität von ‚klassisch‘ (die oberen Museumsräume) und ‚futuristisch‘ (das experimentelle Theater auf Höhe der Bahnhofsgleise). Bereichsgliederung und Tragwerk: In die Grundrissfl äche von 43 x 43 Metern ist –leicht zum Zentrum versetzt- eine Kernzone von 31 x 32 Metern (das sind ca.50% der Grundfl äche) eingestellt, an deren Seiten vier Wandschotten über die gesamte Höhe des Gebäudes aufragen. In der Kernzone alternieren stützenfreie Ebenen mit Ebenen, die zwischen geschosshohe, 30 Meter überspannende Vierendeel-Träger gehängt sind: Von den sechs hohen Obergeschossen der Kernzone sind drei als Trägergeschosse ausgebildet. Die Geschosshöhe variiert zwischen 4 Metern für Studioräume, 6 Metern für Museumsräume und 15 Metern für das Theater. Die Randzone variiiert an den verschiedenen Seiten in ihrer Tiefe von 4 bis 7 Meter. Sie nimmt Nebenräume und Erschließung auf. Die Geschosshöhe ist hier mit 3 Metern wesentlich geringer als in der Kernzone; über die 57Meter Gebäudehöhe sind 19 Geschosse gestapelt. Dadurch, dass die Geschosshöhen in der Kernzone immer ein Vielfaches von 3Metern sind, werden ebenengleiche Übergänge zwischen Rand- und Kernzone gewährleistet. Dieses einfache Bild wird bei näherem Hinsehen durch viele Freiheiten in der räumlichen Disposition überspielt und belebt: So können die Geschosse auch geneigt sein (Ebene Vortragssaal / Bibliothek, + 40 m); oder es gibt eingehängte Mezzanine in der Kernzone (+ 27 m). Auch die Grenze zwischen Kernzone und Randzone kann gelegentlich ignoriert werden; so schwingt der kreisförmige Museumsraum auf + 43 m über die Kernzone hinaus in die Erschließungsräume der 1 2 3 7 157 deep plan seit 1990 OMA / Rem Koolhaas; Ing.: Cecil Balmond, Ove Arup& Partners Zentrum für Kunst und Medientechnologie, Karlsruhe 1989, Projekt 1 Modell 2 Grundriss Dachmuseum (+55.25) 3 Grundriss Gegenwartsmuseum (+49.75) 4 Grundriss Gegenwartsmuseum (+43.00) 5 Grundriss Vortragssaal, Bibliothek (+40.00) 6 Grundriss Gegenwartsmuseum (+31.00) 7 Schnitt W-O 8 Schnitt S-N Randzone. Rampen, fl ache Schlepptreppen, Treppen normaler Steigung, Rolltreppen und Aufzüge bieten alternative Erschließungen. Überhaupt hält sich die Erschließung nicht an die ihr im Grundriss zugewiesene Zone, sondern fädelt sich aus der Randzone in die Kernzone, durchdringt diese sogar einmal mittig und stößt dabei orthogonal auf die Fassade, wo sie doch sonst meist parallel dazu verläuft, etc. Alles läuft einer Funktionstrennung entgegen und zielt stattdessen auf die partielle Überlagerung von Nutz-und Erschließungsfl äche. Dadurch wird die eigentliche Erschließungszone an der Bahnhofsseite entlastet, sodass sich hier aufregende Blickbeziehungen in der Vertikalen ergeben, die die Höhe des Gebäudes innenräumlich überhaupt erst wahrnehmbar machen. Die Schräglage der Rampen, auch im Grundriss; ihre schräge Abhängung, die steilen Perspektiven mit Ausblick auf die Bahngleise –alles ist an dieser Gebäudeseite auf die Erzeugung von vertigo angelegt. Ebenso groß sind die Freiheiten in der Ausgestaltung des Tragwerks: Beispiele für das Informelle, das Cecil Balmond propagiert: Von den vier Wänden um die Kernzone herum, sind nur die zwei seitlichen durchgehend massive Betonschotten, wenn auch mit geringen Öffnungen. Die beiden anderen sind abschnittsweise in Stahlfachwerke aufgelöst. Bei den geschosshohen Trägern der Kernzone wechseln Vierendeelträger mit Fachwerkträgern –in Randbereichen, wo die Diagonalen nicht stören- ab; bei den Vierendeelträgern variieren die Abstände der Vertikalen; diese sind gelegentlich in kleine Fachwerke aufgelöst etc. Die Decken in der Randzone lagern zum einen auf den inneren Wandschotten; sie kragen entweder von dort aus, sind von oben abgehängt, oder an der Außenseite gestützt. Ähnlich bewußt collagenartig sind –damit zusammenhängend- die Fassaden behandelt, die alle Grade von völliger Transparenz bis zu Opazität vorführen. Auch innerhalb einer Fassadenfl äche können massive Abschnitte an verglaste stoßen, Lochfassaden wechseln mit schleierartigen Wirkungen ab, die die Wände der Kernzone als hintere Fassadenschicht erscheinen lassen. Es gibt Loggien, die den Austritt ins Freie ermöglichen ebenso wie großfl ächige Screens, die das gesamte Gebäude zur Projektionsfl äche machen. Der Entwurf für das ZKM ist das profi lierteste Beispiel für die Anwendung des informal auf einen tiefen Grundriss. Wie das Centre Pompidou ist das ZKM –wenn auch nur Entwurf geblieben- ebenso kulturelles Statement wie strukturelle Innovation. Das Potential, das im Downtown Athletic Club angelegt war, nämlich gegensätzlichste Programme in stützenfreien Geschossen zu stapeln und mittels Aufzug zu einer Sequenz zu montieren, wird hier voll entfaltet. Auf das Centre Pompidou geht hingegen der Aspekt zurück, das Gebäude mittels einer inszenierten Vertikalerschließung als Signal in der urbanen Landschaft zu positionieren- ein Aspekt, der der konventionellen Fassade des Downtown Athletic Club völlig abging. Durch die Unterdrückung des strukturellen Aspekts an der Fassade, wo er beim Centre Pompidou so dominiert hatte, kann diese wiederum als ganze zur Projektionsfl äche werden. Fast könnte man zum Vergleich von Centre Pompidou und ZKM Colin Rowes Unterscheidung zwischen ‚wörtlicher‘ und ‚phänomenaler‘ Transparenz bemühen, würde das ZKM nicht auch die ‚wörtliche‘ Transparenz virtuos ausspielen. Im Projekt für das ZKM kommen zwei Entwicklungsstränge zusammen: Die hybriden Gebäude der US-amerikanischen Architektur zwischen 1880 und 1930 und die eben aufgezeichnete Entwicklungslinie des stützenfreien Großraums. In einer Linie mit den architektonischen Hybriden der US-Downtowns liegt die konstruktiv ‚unreine‘ Stapelung programmatisch heterogener Teile. Die vertikale Aufeinanderfolge von Traggeschossen und stützenfreien Geschossen hingegen liegt in der Tradition des stützenfreien Großraums. Die Tragstruktur hat dabei episodischen Charakter139: geschossweise verschiedene Anforderungen an die Spannweite werden nicht im Sinne des Centre Pompidou vereinheitlicht. Stattdessen wird die statische Höhe von Trägern mitgenutzt140, ähnlich wie schon im Auditorium Building –was in der Miesianischen Tradition nur als Brückenhaus denkbar war (Rezor House, Arts 4 5 6 8 Center Pasadena). Der Einsatz von Vierendeelträgern ermöglicht, den Raum innerhalb der Träger ohne Einschränkungen durch diagonale Stäbe zu nutzen. Koolhaas und Balmond scheinen zu beanspruchen, den Vierendeelträger wiederentdeckt zu haben. Tatsächlich ist dieses System auch in der jüngeren Vergangenheit kontinuierlich immer wieder angewendet worden (Salk Institute, La Grande Arche etc.). An das Auditorium Building erinnert beim ZKM die Vielzahl der Profi lformen, wie der Einsatz aufgelöster bzw. zusammengesetzter Profi le. Während das Centre Pompidou an die Epoche des Gußeisens anknüpfte, zitiert das ZKM die in immer engmaschigere Fachwerke aus Walzprofi len und Bandstahl aufgelösten Konstruktionen der 1880er Jahre. Literatur: El Croquis 53: OMA/Rem Koolhaas 1987-1993, Madrid 1993, S.126-143 Rem Koolhaas: Darwinian Arena (S. 686-763) und: Last Apples (S.662-685); in: S,M,L,XL. Monacelli Press, New York 1995 Kunsthaus Bregenz, 1994-97 Ursprünglich als Landesgalerie, d.h. mit einer ständigen Sammlung geplant, hat sich das Programm des Gebäudes auf Basis des Wettbewerbsentwurfs von Peter Zumthor in Richtung eines Kunsthauses, als einen Ortes, der ausschließlich für Wechselausstellungen konzipiert ist, verlagert.141 Zumthors Bau an der Bregenzer Seefront ist Teil der Uferbebauung und gleichzeitig Solitär. An der seeabgewandten Seite beherrscht er einen kleinen Vorplatz, an dem auch der Eingang liegt. Das Volumen auf einer Grundfl äche von knapp 27 m im Quadrat und einer Höhe von fast 30 m ist durchgehend in eine Hülle aus geätztem Glas gekleidet, die vor der eigentlichen klimatisch trennenden Fassadenschicht liegt. Die drei Obergeschossebenen und die Dachplatte von jeweils 24 x 24 m Kantenlänge werden durch drei Schotten getragen, die auch die Vertikalerschließung von den Ausstellungsräumen der Geschosse abtrennen: Die einläufi ge Haupttreppe, die zweiläufi ge Fluchttreppe samt Personenaufzug, sowie den Lastenaufzug. Die Obergeschosse sind unterhalb der Lichtdecke rundherum durch eine Betonwand geschlossen. Das Licht kommt nur durch die Lichtdecke, die zwei Meter unterhalb der Betondecke abgehängt ist. Dieser ‚Lichtraum‘ ist seitlich verglast. Dadurch gibt es natürliches Oberlicht auf mehreren Ebenen des Geschossbaus, wobei die natürliche Belichtung durch künstliche Beleuchtung oberhalb der Lichtdecke ergänzt werden kann. Das Erdgeschoss hingegen ist zu den Seiten hin verglast und dadurch weniger introvertiert. Hier ist die lichte Geschosshöhe größer, da es keine Lichtdecke gibt; stattdessen zeigt sich an der Decke der Sichtbeton des Rohbaus. Nebenräume sind in die zwei Untergeschosse verlagert, wobei für Publikum nur das 1. Untergeschoss zugänglich ist. Dieses erhält auch durch einen umlaufenden Lichtspalt in der Breite des Fassadenaufbaus noch ein wenig natürliches Licht. Die Betonaußenwand der Obergeschosse läuft entlang der Haupttreppe mit nach oben, bildet so über vier Geschosse ein Kontinuum in Spiralform und begleitet so die Bewegung der Besucher durch das Gebäude. Im Erdgeschoss schließt sie an die lange Schotte der Haupttreppe an und fängt sich so. An ihrem oberen Ende läuft sie an der Dachkante aus. Peter Zumthor, Ing.: Robert Manahl Kunsthaus, Bregenz 1994-97 4, 7 Schnitte 5 Ansicht Süd 6 Innenraum Obergeschoss 1 2 3 OMA / Rem Koolhaas; Ing.: Cecil Balmond, Ove Arup& Partners Zentrum für Kunst und Medientechnologie, Karlsruhe 1989, Projekt 1 Grundriss Medienmuseum (+24.00) 2 Grundriss Medientheater (+9.00) 3 Grundriss Video, Multimedia, Eingang Bahnhof (+3.00) 159 deep plan seit 1990 Die Decken sind zweiachsig gespannte Flachdecken von 80 Zentimeter Stärke, die von drei Schotten am Rand getragen werden. Sie überspannen stützenfrei ein Feld von 18 x 21 Metern, wobei sich die größere Spannweite von 21 Metern durch einen deckengleichen Unterzug, der beidseitig in die Schotten einbindet, in ein Feld von 14 Metern bzw. eine Auskragung von 7 Metern Spannweite teilt. Bei der Auskragung ist die Decke –wie an allen Seiten zum Rand hin- angevoutet; hier wirkt die umlaufende Wandschotte als Randaufkantung stabilisierend. So gelingt es, den Eindruck schwebender Volumina innerhalb der transluzenten Hülle hervorzurufen. Der Beton der Primärkonstruktion fungiert als thermische Masse, da er über wasserdurchfl ossene Kunststoffrohre temperiert wird; Bauteilheizung und –kühlung machen aufgeständerte Böden oder konventionelle Abhangdecken unnötig; auch die Lüftungsleitungen sind in den Beton integriert. Das Kunsthaus steht für die Konzeption des Stockwerks als ‚Einraum‘: nicht als eines Großraums, der unterteilt werden könnte, sondern eines einzigen Raums pro Geschoss, der ideales Gefäß für die Aufnahme von Kunst sein soll. Die Stapelung der Geschosse folgt hier einem Prinzip der Serialität, wie es auch in der minimal art zu fi nden ist. Bei Zumthor gewinnt –dadurch, dass jedes Geschoss über die Belichtung von oben gewissermaßen in sich selbst zentriert ist - die Repetition identischer Räume über die vertikale Dimension eine eigene Qualität. Literatur: DETAIL 8/1997, Verlag für internationale Architekturdokumentation, München S. 1318-1319 El Croquis: Mundos, Madrid 1998 Peter Zumthor: Kunsthaus Bregenz. archiv kunst architektur Werkdokumente. Hatje, Ostfi ldern-Ruit 1999 10 Jahre Kunsthaus Bregenz. Veröffentlichung Kunsthaus Bregenz 2007 4 5 6 7 OG EG Deckenspiegel 1.UG MegaFloor; Studie, Tokio 2001 MegaFloor ist Ergebnis einer 2001 unter dem Titel Offi ceUrbanism von einem vorwiegend japanischen Expertenteam durchgeführten Studie, die die architektonischen Implikationen gewandelter Büroarbeit untersucht. Das entwickelte Organisationsmodell soll sich vom herkömmlichen Standard für Bürogebäude in Japan abheben, der durch 20 Meter tiefe Gebäude mit 2,80m Geschosshöhe, einem 3,60 m Planungsmodul und zentralen Kern gekennzeichnet ist. Diesem Typ spekulativen Bürobaus soll ein Modell entgegengesetzt werden, das alle verfügbaren Techniken der Kommunikation ausschöpft und mehr Kreativität und Spontaneität zuläßt: Das ‚Studio‘ ersetzt das Büro (Bruce Mau) Der Titel Offi ce Urbanism soll darauf anspielen, dass Büroarbeit nicht mehr an spezifi sche Orte gebunden ist -auch derzeit gibt es schon viele Büros mit non-territorial workplaces-, dass andererseits eine Vielfalt von Transaktionen im Büro stattfi ndet, die nach Meinung der Autoren die Lebendigkeit einer Stadt widerspiegeln –zumal die Arbeitszeit den Tagesablauf ohnehin dominiert. Den Autoren geht es darum, ein System von Orten mit freiem Potential zu schaffen, das folgende Eigenschaften aufweist: Der MegaFloor misst 100 x 100 m und soll so besonders große Flexibilität bieten. Die lichte Geschosshöhe beträgt 4,50m wie bei einem Museum oder Shopping Center. ...Selbst im Zentrum dieser tiefen Geschosse fühlt man sich nicht eingeengt. Die überwältigende Höhe fegt Büroplanungsrichtlinien bezüglich des Abstands zum Fenster hinweg. Der MegaFloor hat ein kräftiges Tragwerk mit großen Spannweiten und möglichst wenigen Stützen. Die folglich höheren Träger können in Hohlraumböden verborgen werden, die die Geschossfl äche zusätzlich befreien. Der Kern wird an der Peripherie des MegaFloor angeordnet. Das ermöglicht größere Freiheit in der Wegeführung und Abkürzungen. Die Bewegung der Nutzer wird an der Fassade sichtbar und teilt die Aktivität, die im Inneren des Gebäudes herrscht, an die Straße mit. Auch die Gemeinschaftsnutzungen werden am Perimeter angeordnet: Die Lage von Cafés, Besprechungsräume, Teeküchen etc. am Rand der Geschossdecken sorgt dafür, dass die wertvollen Fensterfl ächen nicht von einzelnen Nutzern vereinnahmt werden. An der Peripherie der 108 x 108 Meter messenden Geschossplatte ist eine Erschließungszone von 7,20 Metern Tiefe bzw. eine Zone für gemeinschaftliche Nutzungen von 14,40 Metern Tiefe angeordnet. Das läßt eine Kernzone von 78,40 Metern im Quadrat übrig, an deren Rand auf allen vier Seiten Fachwerkscheiben zur Aussteifung über die ganze Gebäudehöhe von 100 Metern verlaufen. Die Fachwerkscheiben sind ‚Diagrids‘ mit Horizontalen auf jedem zweiten Geschoss. Sie sind durch vertikale Schlitze jeweils in drei Abschnitte aufgeteilt und durch dazwischenliegende diagonale Stäbe gekoppelt, die bei seismischer Belastung als Dämpfer fungieren. 1 161 deep plan seit 1990 Innerhalb der Kernzone gibt es neun Stützen im Abstand von 21,60 Metern. Diese sind - wie die Vierendeelmaste der Hongkong and Shanghai Bank, aber diagonal gestellt- in vier Rundprofi le aufgelöst, die geschossweise biegesteif verbunden sind (clustered column). Diese Stützen sind zugleich Schächte. 1,30 Meter hohe Doppel-T-Träger überspannen die 21,60 Meter Spannweite der Decken; quer zu ihnen spannen Fachwerkträger fast gleicher Höhe im 7,20 Meter- Abstand. Die Höhe der Konstruktion wird zur horizontalen Installationsführung benutzt. Zusätzlich zur Erschließung an der Peripherie gibt es einen zentralen Lastenaufzug mit Treppe. Auf der Geschossebene soll man sich nicht nur zu Fuß, sondern auch durch neuartige Fortbewegungsmittel beschleunigt bewegen können. Eine Geschosshöhe von 6,50 Metern mit einer lichten Höhe von 4,50 Metern soll das Büro vom Fluch des Fensters befreien. Die Autoren sind der Ansicht, dass Fenster nicht absolut notwendig sind: Sie tragen zwar zur Stressreduzierung bei; auch gibt es einen Zusammenhang zwischen der Möglichkeit des Blick aus dem Fenster und der ‚inneren Uhr‘ des Menschen. Beim MegaFloor ermöglicht jedoch die größere Geschosshöhe ein größeres Sichtfeld der Nutzer von ihrem Arbeitsplatz aus und soll so den Verlust des Fensters kompensieren. Die große Geschosshöhe ermöglicht jedenfalls, den Boden lokal abzusenken oder Mezzanine einzurichten. Außerdem soll über diese Höhe, trotz Klimatisierung, durch Konvektion eine Temperaturdifferenz zwischen der oberen und der unteren Raumschicht entstehen, die den Eindruck eines ‚natürlichen‘ Klimas hervorbringt. Der Würfel wird als Gebäudeform gewählt, weil man fl ach und hoch zugleich bauen will: Flach, um möglichst große Geschossfl ächen zu haben; und hoch, um auf derselben Grundfl äche möglichst viele solcher großen Geschossfl ächen zu haben. Während die Verteilung von Nutzungen auf verschiedene Geschosse dann sinnvoll erscheint, wenn die einzelnen –möglicherweise recht diversen- Programme jeweils auf einer Ebene Platz fi nden, wirkt sie einschränkend, wenn ein und dieselbe Nutzung funktionswidrig auf mehrere Etagen aufgeteilt werden muss, weil die Geschossfl äche zu klein ist. Diese Trennung zusammengehöriger Funktionen durch die Verteilung auf verschiedene Geschosse soll beim MegaFloor überwunden werden, indem 400 Beschäftigte gleichzeitig auf den 7.000 Quadratmetern Bürofl äche eines Geschosses arbeiten können. Um Architektur zu einem Vehikel in der Reorganisation von Büroarbeit zu machen, müssen die natürlichen Hierarchien, die es in jedem Gebäudevolumen gibt -zwischen oben und unten, Rand und Kern- überwunden werden, da diese auch immer als soziale Hierarchien verstanden Hitoshi Abe, Masashige Motoe, Yasuaki Onoda, Manabu Chiba, Masashi Sogabe, Bruce Mau u.a.: MegaFloor, Tokio 2001 1 Querschnitt 2 Typischer Grundriss 2 werden, wie schon die Verfechter der Bürolandschaft erkannten. Deren Folgerung war jedoch, die vertikale Dimension ganz zu unterdrücken: durch niedrige Decken, aber vor allem durch geringe Geschosszahlen, was der anti-urbanen Mentalität der Zeit entsprach. Dem gegenüber erscheinen die Festsetzungen in Offi ce Urbanism weitaus logischer: Den Rand des Geschosses aufzuwerten, aber allen Nutzern zugute kommen zu lassen, und die Geschosshöhe zu vergrößern, um Klaustrophobie vorzubeugen. Offi ce Urbanism wird trotzdem wahrscheinlich nur aus einer japanischen Perspektive heraus verständlich. Literatur: Diverse Autoren: Offi ce Urbanism. Japan Architect 50, Tokio, Sommer 2003 1 Hitoshi Abe, Masashige Motoe, Yasuaki Onoda, Manabu Chiba, Masashi Sogabe, Bruce Mau u.a.: MegaFloor, Tokio 2001 1 Axonometrie: Möblierung eines Geschosses 163 deep plan seit 1990 M-Project, Tokio; Projekt, 2003-04 Das Projekt von Toyo Ito ist ein nicht prämierter Wettbewerbsbeitrag, der die Programmatik und das Volumen der Mediathek Sendai –etwas verkleinert- mit dem Tragwerk von TOD‘s Omotesando (Toyo Ito, 2002-04) verknüpft. Das Raumprogramm ist eine öffentliche Einrichtung, ähnlich einer Mediathek, mit Bibliothek, Galerie, Studio. Das 32 Meter hohe Gebäudevolumen auf einer Grundfl äche von 41 Metern im Quadrat hat sechs Geschosse. Ähnlich wie in Sendai ist das Erdgeschoss als überdachter öffentlicher Raum aufgefaßt. Auch hier ist das 1. Obergeschoss eine Informationsebene; darüber liegt die Bibliothek. Auch die Lage der (Kunst-)galerie im vorletzten Geschoss erinnert an Sendai. Daneben gibt es Arbeits- und Studioräume; auf dem Dach liegt ein Dachgarten. An der Peripherie des Quadratgrundrisses sind neun ‚Bäume‘ vorgesehen, die wie bei TOD‘s als ‚structural skin‘ in der Fassadenebene liegende Primärkonstruktion sind. Durch die Tiefe des Grundrisses werden jedoch weitere Aufl ager für die Decken notwendig. Deshalb gibt es sieben ‚freistehende‘ Bäume, die in x- und y- Richtung wie Tragschotten innerhalb der Grundrissfl äche plaziert sind. Die Bäume vereinen vertikalen Lastabtrag und Aussteifung; das ‚Sammeln‘ der Lastpfade wird von ihnen unmittelbar verbildlicht. In ihrem unteren Bereich sind sie 4,50 Meter breite Wandschotten, um nach oben hin immer breiter, aber auch stärker aufgelöst zu werden. In diesem Bereich verzahnen sie sich mit dem jeweils benachbarten Baum. Da das M-Project von TOD‘s Omotesando abgeleitet ist, ist die Baumstruktur ebenso wie dort aus Stahlbeton gedacht. Die Deckenkonstruktion scheint allerdings wie in Sendai als Stahltragwerk konzipiert zu sein. Das Projekt verdeutlicht die Problematik, ein Fassadentragwerk (‚Manteltragwerk‘) auf den Innenbereich zu übertragen. In der Perspektive eines einzelnen Geschosses könnte das Dickicht der Tragstruktur sich etwas chaotisch ausnehmen. Literatur: Toyo Ito / Under Construction. a+u 404. Tokio, Mai 2004 S.132-133 Toyo Ito Architects, Sasaki Associates (TW): M-Project Tokio 2003-04 1 Grundriss EG mit Baumbestand 2 Modell 3 Schnitt 4 Grundriss Obergeschoss 21 3 4 Zollverein School of Management and Design, Essen 2003-06 In der Revitalisierung und Neunutzung der Weltkulturerbe-Zeche Zollverein nimmt die School of Management and Design eine Schlüsselstellung als Attraktor am südöstlichen Rand des Areals ein. Die Beauftragung von SANAA: Kazuyo Sejima und Ryue Nishizawa geht auf einen Wettbewerb 2002/03 zurück. Der im Grundriss 35 x 35 Meter messende, 34 Meter hohe Würfel beherbergt auf vier Geschossen die School of Management and Design, eine Einrichtung, die, etwas verkürzt gesagt, Managern Design-Strategien und Designern Management Know-how vermitteln will. Die Schule ist zunächst für lediglich 36 Studenten konzipiert. Zwei Treppenhäuser und ein Aufzugskern erschließen die drei Obergeschosse und den Dachgarten. Im Erdgeschoss von 4,50 Metern lichter Höhe befi nden sich das als Glaskiste eingestellte Auditorium, ein Ausstellungsbereich und das Café. Das 1. Obergeschoss mit 9,80 Metern Raumhöhe ist ein lichtdurchfl uteter Großraum, der das eigentliche Design Studio beherbergt. Im 2.Obergeschoss (5,00 Meter lichte Höhe) liegen Bibliothek und Seminarräume; im 3. Obergeschoss (Raumhöhe 3,20m) ist die Verwaltung, über sechs innenliegende Patios belichtet, untergebracht. Der darüberliegende Dachgarten wird von fast 8 Meter hohen Wänden gerahmt. Alle Geschosse sind als Großräume konzipiert. Nutzungen, die der akustischen Abtrennung bedürfen, werden über gläserne Trennwände separiert. Die von diesen geschaffenen Räume zeigen sich aber immer als eingestellte Volumina. Nie stoßen Trennwände von innen an die Fassade. Das Bürogeschoss (3.OG) zeigt eine gegenüber konventionellen Organisationsformen geradezu umgestülpte Fassung: Die Erschließung liegt am Rand, mit relativ sparsamen Ausblicken über die Lochfenster der Außenwand, während die Büros sich zu den 5 Metern im Quadrat großen Patios orientieren. Die Büros stehen untereinander und mit dem zentralen Konferenzraum in Verbindung, sodass trotz der Aufteilung eine Vielzahl von Wegen über diese Geschossfl äche möglich ist, wobei die Trennung von Verkehrsfl äche und Nutzfl äche in diesem ‚Feld‘ außer Kraft gesetzt ist. Dieses Geschoss gibt durch sein 5 x 5 Meter-Raster auch die Maße der Erschließungskerne und die Stellung der zwei Rundstützen vor, wobei die Stützen nicht genau auf dem Raster, sondern 40 Zentimeter in beiden Richtungen dazu versetzt stehen, damit die auf dem Raster stehenden Glastrennwände daran vorbeilaufen können. Die Geschosshöhen sind offensichtlich so gewählt, dass sich in den jeweils abgetrennten Einzelräumen eine Raumhöhe von etwa zwei Dritteln der Raumbreite ergibt, d.h. die Decke ist umso niedriger, je kleiner die Räume darunter sind. Das 1. Obergeschoss hingegen hat eine Raumhöhe von knapp einem Drittel der –hier auch viel größeren- Breite. Durch die sehr unterschiedlichen Geschosshöhen ergeben sich bei gleicher Grundfl äche ganz verschiedene Raumwirkungen. SANAA scheinen hier demonstrieren zu wollen, wie mit einem Minimum an formalen Maßnahmen ein Maximum an räumlicher Differenzierung erreicht werden kann. Die Stahlbeton-Außenwände von 30 Zentimetern Stärke sind in beidseitiger Sichtbetonqualität und ohne Bewegungsfugen vor Ort erstellt. Im Beton der tragenden Außenwände sind Kunststoffrohre von 25 Millimetern Durchmesser im Abstand von 40 Zentimetern schlangenförmig verlegt. Diese sind von 30° warmen Wasser durchfl ossen und erwärmen –über Sensoren kontrolliert- die Fassade, sodass auf konventionelle Wärmedämmung verzichtet werden kann. Dazu wird ein Teil des in Grundstücksnähe ohnehin vorhandenen ‚Grubenwassers‘ aus 1000 Metern Tiefe genutzt, das über eine Wärmetauscheranlage Wärme an den Wasserkreislauf der Zollverein School abgibt. Die drei Erschließungskerne und zwei stählerne Rundstützen tragen zusammen mit der 30 Zentimeter starken einschaligen Außenwand die Ebenen. Die Geschossdecken –unterseitig ebenfalls in Sichtbeton- sind als Bauteile ebenso thermisch ‚aktiviert‘, wie die Außenwände, wobei im Winter geheizt und im Sommer gekühlt wird. Die Stahlbeton-Decken von 50 Zentimetern Rohbauhöhe schließen runde Kunststoff-Hohlkörper von 36 Zentimetern Durchmesser (bubble- 3. OG 2. OG 1. OG EG 1 2 3 165 deep plan seit 1990 deck) zur Gewichtsreduzierung unter Beibehaltung der statischen Höhe in sich ein. Die horizontale Installation ist in einem 40 Zentimeter aufgeständerten Hohlraumboden geführt. Als Blendschutz der großformatigen Fenster (ohne außenliegenden Sonnenschutz) dienen verfahrbare, raumhohe Vorhänge. Die tragende Fassade ist mit 134 quadratischen Öffnungen in vier verschiedenen Größen perforiert, die - scheinbar zufällig plaziert- die Lage der Geschossebenen nach außen kaum erkennbar werden lassen. Die ‚Fenster‘ ballen sich zu drei dichteren Zonen über drei Eckkanten des Würfels hinweg; von dort aus nimmt ihre Zahl ab, sodass sich auch größere ununterbrochene Wandabschnitte herausbilden. Der Würfel zeichnet sich so durch große Abstraktion aus. Nicht nur lassen sich die Decken seitlich nicht ablesen - auch die quadratischen Einschnitte im Dach ähneln denen der Fassade. Betrachtet man den Kubus von außen über die Straßenecke aus der Fußgängerperspektive, so ist über die Gebäudeecken wie über die Dachkante hinweg ein Durchblick durch das Volumen auf den –meist helleren- Himmel möglich; an der dem Betrachter nächstgelegenen Ecke hingegen zeichnet sich der dahinterliegende Raum dunkel ab, verstärkt durch die Spiegelung von Bäumen und Häusern der durchgehend niedrigeren Umgebung. Im Zusammenspiel mit der Plazierung der Fenster entstehen so auf den Würfelfl ächen verschiedene Zonen, die das poröse Volumen des Würfels mal dichter, mal weniger dicht erscheinen lassen. Das Spiel zwischen Fläche und Öffnung wird durch die Lichtrefl ektion und -transmission des Glases, das die Öffnungen klimatisch schließt, überlagert und bereichert. Obwohl durch einen Wechsel des Fassadenkonzepts gegenüber der Wettbewerbsversion die Größe der Öffnungen –bei Abnahme ihrer Anzahl- stark zugenommen hat, stellt sich so in der optischen Wahrnehmung eine ähnliche Unschärfe im Übergang von geschlossenen zu geöffneten Zonen der Außenwand ein, wie sie die Visualisierungen im Wettbewerb vermittelten. Im Unterschied zu den meisten anderen ‚generischen Kuben‘ (La Coruña, Bregenz, ZKM) wird bei der Design School Zollverein die perzeptuelle Ambivalenz des Baukörpers nicht über eine Mehrschichtigkeit der Fassade hergestellt, sondern allein über eine einzige Schicht. Der im Schnitt sichtbare Sachverhalt der gestapelten Geschosse wird an der Fassade so fast noch effektiver negiert, auch im Vergleich zu den ‚Pixelfenstern‘ der Wettbewerbsfassung. Die Geschosse erscheinen wie von oben in die auf Quadratgrundriss errichtete Hülle nachträglich eingesenkt und auf verschiedenen Höhen fi xiert. Während die Abfolge der Geschosshöhen im Schnitt, vor allem durch das hohe 1. Obergeschoss als ‚piano nobile‘, fast klassisch wirkt, bricht die Zollverein School nach außen hin radikal mit den Konventionen des Geschossbaus. Literatur: Peter Cachola Schmal (Hg.): Workfl ow: Struktur-Architektur / Architecture-Engineering. Klaus Bollinger + Manfred Grohmann. Birkhäuser, Basel Berlin Boston 2004, S.204-209 El Croquis 121/122: SANAA. Kazuyo Sejima + Ryue Nishizawa. Madrid, 2004, S.202-210 Bauwelt 11/03, S. 14-17; Bauwelt 32/06, S.24-33 Baumeister September 2006, S.42-53 Holger Techen, Klaus Bollinger, Manfred Grohmann: Die integrierte Planung der Zollverein School of Management and Design; in: DETAIL 12/2005 Architekt + Ingenieur, S. 1466-1470 SANAA: Kazuyo Sejima, Ryue Nishizawa Ing.: Bollinger+Grohmann Zollverein School of Management and Design, Essen 2003-06 1 Ansicht 2 Innenraum 3 Schnitt Caixa Forum Madrid, 2001, 2006-08 Das Caixa Forum, in Madrid zwischen Prado und Museo Reina Sofi a angesiedelt, ist ein mehrgeschossiges Ausstellungsgebäude für zeitgenössische Kunst, das von der katalanischen Sparkasse Caixa fi nanziert wird. Der Bau von Herzog & de Meuron integriert die Wandschale eines ehemaligen Umspannwerks in der Fassade. Der denkmalgeschützte zweischiffi ge Backstein-Altbau wurde vollkommen entkernt, unterseitig aufgeschnitten und abgefangen, um das Gebäude scheinbar zum Schweben zu bringen. Gleichzeitig wurde der Backsteinkörper um eine kupferverkleidete “Krone” ergänzt. Zusammen mit den ausgreifenden zwei Untergeschossen wird so die Bruttogeschossfl äche gegenüber dem alten Umspannwerk um das Fünffache gesteigert. Das Erdgeschoss ist somit ein öffentlich begehbarer Raum, der zusammen mit dem, durch Abriss einer Tankstelle zum Prado hin gewonnenen Vorplatz ein Kontinuum bildet. Von hier aus wird das Gebäude über Kerne und eine gewendelte Treppe, die sich aus der Decke über dem Erdgeschoss herunterfaltet, erschlossen. Das 1. Obergeschoss hat die Funktion eines Foyers; 2. und 3. Obergeschoss werden jeweils durch einen mittig gelegenen, großen Ausstellungssaal eingenommen. Im 4. Obergeschoss liegen Verwaltung, Bibliothek und Restaurant. In den beiden Untergeschossen, die über den Fußabdruck des Ursprungsbaus hinausgehen, liegt ein großes Auditorium, Lagerfl ächen und eine Tiefgarage. Die Untergeschosse werden durch den südlich gelegenen Erschließungskern erreicht, dessen dreiläufi ge Treppe um ein sich nach oben aufweitendes Treppenauge herumgewendelt ist. Zusammen mit drei bzw. vier Aufzügen bildet er den Hauptstamm der Besucher-Erschließung. Von den beiden anderen Kernen nimmt der nordöstlich gelegene die Personalerschließung bzw. Fluchttreppen und den großen Lastenaufzug auf. Der nordwestliche Kern enthält den PKW-Aufzug für die Tiefgarage und einen großen Klimaschacht. Die drei massigen Kerne sind die einzige Tragstruktur, die das Erdgeschoss erreicht. Sie stützen das Geviert von tragenden Wandschotten in den Obergeschossen, die teilweise an den Ecken des Baukörpers weit auskragen. Diesen fällt es zu, nicht nur die Geschossdecken zu tragen, sondern auch die Altbauwand abzufangen.- Im 2. und 3. Obergeschoss ergibt sich eine klare Zonierung des Grundrisses in drei Streifen, wobei die Kerne in die Randzonen einbinden, während in der Mittelzone ein stützenfreier Großraum von 19,5 Metern Breite und circa 35 Metern Länge liegt. In den Randzonen liegen leweils kleinere, kabinettartige Ausstellungsräume. Im 4. Obergeschoss springt die Fassade bereichsweise von der Außenkante zurück, sodaß der Eindruck von Türmen entsteht, die aus der Baumasse herauswachsen. Das geneigte Dach soll eine Reverenz an die umgebende Dachlandschaft darstellen. Die Geschossdecken der Obergeschosse sind als Stahlträgerlagen mit einer Ortbetonschicht konstruiert. Die Decke über dem Erdgeschoss ist dabei von der Stahlkonstruktion der darüberliegenden Geschossdecke abgehängt; im 1. Obergeschoss sind die Zugstangen mit ihrem relativ geringen Querschnitten scheinbar frei verteilt. Diese Konstruktionsart ermöglicht es, die Unterseite der Decke über Erdgeschoss mittels einer gefalteten Abhangdecke frei zu modellieren; zumal das Foyer nicht stützenfrei sein muss. Damit wird auch der Kontrast zum Raumeindruck der neonlicht-gefl uteten, weitestgehend neutral gehaltenen Großräumen in den darüberliegenden Geschossen gesteigert. Der Kontrast zwischen der haptischen, texturierten Hülle und den sterilen Ausstellungsräumen mit ihrem kalten Licht erinnert an das Schaulager. Die Kombination von Kernen mit peripheren Wandschotten als strukturelles Diagramm wird im Beitrag für den Wettbewerb Centre Pompidou Metz wieder aufgenommen. Das Caixa Forum hingegen verfolgt eine subtile Strategie der scheinbaren Kontextualität im Äußeren, wobei die vollkommen generischen Ausstellungsräume des Inneren in Grundriss wie Schnitt durch individueller ausgeformte Räume und Raumzonen gepuffert werden. 1 2 3 167 deep plan seit 1990 Literatur: El Croquis 129/130: Herzog & de Meuron. the monumental and the intimate. Madrid, 2006, S.336- 347 Herzog & de Meuron, WGG Schnetzer Puskas Ingenieure (TW): Caixa Forum, Madrid 2001, 2006-08 1 Ansicht 2 Foyer 1. OG 3 Längsschnitt 4 Querschnitt Ausstellung 5 Querschnitt Treppenhaus Süd 3. OG 4 5 4. OG 1. OG2. OG 1. UG EG 1 2 4 5 7 8 3 6 169 deep plan seit 1990 Boxen und Platformen Werden zwei übereinanderliegende Ebenen durch massive oder aufgelöste Außenwände miteinander verbunden, entsteht der Eindruck einer Box oder eines „Geschoss-Pakets“, dessen Oberseite als Platform erscheint. Bei den folgenden Gebäudereferenzen wird dieser Wechsel über die Vertikale des Gebäudes hinweg im Sinne einer alternierenden Sequenz wiederholt. Prototypen der „Geschoss-Pakete“ fi ndet man im Werk Le Corbusiers, insbesondere in der von Colin Rowe als „Sandwich“-Typen bezeichneten Untergruppe von Projekten, die mit der Villa Savoie, Poissy 1927-29, beginnt, wenn hier auch das „schwebende“ Volumen des 1. Obergeschosses nicht vollkommen ausgefüllt ist. Auch die in den Wandscheiben theoretisch mögliche Verteilung und Umlenkung der Lasten wird hier nicht genutzt, da sich das Stützenraster aus dem Erdgeschoss ins 1. Obergeschoss fortsetzt. Das visuelle Gewicht des piano nobile ist nur durch massive Brüstungen und Attiken hervorgerufen, wobei die Brüstungen zumindest die Geschossdeckenränder entlang der seitlichen Auskragungen versteifen. Das unrealisierte Projekt für den Gouverneurspalast in Chandigarh zeigt im seitlichen Aufriß zwei solcher schwebender fl acher Quader übereinander, wobei der untere front-und rückseitig Bodenkontakt hat. Aber auch hier arbeitet Le Corbusier, wie immer, mit maßvollen Auskragungen. Jedenfalls ist mit dem geschossweisen Wechsel von „freien Fassaden“ als verglasten Abschnitten mit geschlossenen Außenwänden (die zumindest teilweise tragen) ein wirkungsvolles Mittel zur plastischen Differenzierung des Baukörpers gegeben, das in Analogie zu einer sich darin abbildenden Differenzierung der Funktionen steht. Eine Skizze zur Cluster City der Smithsons, London 1952, zeigt, dass hiermit ein Modell etabliert ist, wo sich die verschiedenen Gebäudetiefen, die den diversen Funktionen wie Einzelhandel, Büros und Wohnen angemessen erscheinen, innerhalb einer vertikalen Struktur realisieren lassen –erste Ansätze für die Überwindung der modernen, funktionsentmischten Stadt.- Bei Le Corbusier wie bei den Smithsons sieht man, wie die Oberseite der stärker geschlossenen Volumina als Terrasse bzw. Erschließungsplattform fungieren kann. Damit ist es möglich, auf der Etage ins Freie zu treten – eine Idee, die in den bisher aufgeführten Kategorien keine Rolle spielte. Bei Le Corbusier und den Smithsons sieht man auch, wie in den Box-und-Platform-Schemata die Verbindlichkeit der Nullebene als alleiniger Erschließungsebene geschwächt wird. Die Anbindung an das umgebende Terrain auf mehreren Ebenen fi ndet man auch bei der Seattle Public Library von OMA. Das Konzept des Außenraums auf der Etage hingegen kommt beim Niederländischen Pavillon von MvRdV zum Tragen. Auch beim Wettbewerbskonzept für das Centre Pompidou Metz von Herzog & de Meuron haben die Platformgeschosse eine städtebauliche Komponente: Hier bietet sich die Möglichkeit, das umgebende Stadtpanorama wahrzunehmen. In der Leutschenbachschule von Christian Kerez sind Funktionen, die bislang funktional entzerrt nebeneinander angeordnet waren, übereinander gestapelt. Damit entsprechen die Rücksprünge in der Gebäudekontur den Außenräumen, die sich vormals zwischen verschiedenen Trakten einer Schule, oder zwischen Schule und Sporthalle ausbildeten. Man kann die Kategorie der Bauten mit Geschoss-Paketen also als Kombination der beiden vorangegangenen Typen auffassen: Die Geschosse zeigen abwechselnd Charakteristika der „Generic Cubes“ mit ihrer Randstützung und der rekonfi gurierten Loft-Typen mit ihren auskragenden Ebenen. Konstruktiv werden jeweils zwei übereinanderliegende Geschossdecken durch Scheiben (massiv oder zum Fachwerk aufgelöst) entlang der Außenkanten der Geschossdecken zu einem räumlich steifen Gebilde verbunden. Der Vorteil kann darin bestehen, dass Stützen im darunterliegenden Geschoss weiter zurückgesetzt werden können; es lassen sich somit größere Auskragungen bei gleichzeitig geringeren Verformungen realisieren. Durch die Koppelung der Decken ensteht ein torsionssteifer Kasten mit einer wesentlich größeren statischen Höhe als der einer einzelnen Decke. Boxen und Platformen: 1 Le Corbusier: Gouverneurspalast Chandigarh, Projekt 1951-54 2 Allison Smithson, Peter Smithson: Cluster City, 1952 3, 4 OMA / Rem Koolhaas: Seattle Public Library, 2000-2004 5 MVRDV (Maas, van Rijs, de Vries): Niederländischer Pavillon, EXPO Hannover 1997-2000 6, 7 Christian Kerez: Schulhaus Leutschenbach, Zürich 2002-07 8 Herzog & de Meuron: Centre Pompidou Metz, Wettbewerb 2003 Boxen und Platformen Pavillon der Niederlande, EXPO Hannover 1997-2000 Der niederländische Pavillon auf der EXPO 2000 ist ein explizites Statement zur Stapelung und zum tiefen Grundriss unter dem Motto ‚Holland schafft Raum‘. Die Vorstellungen vom künstlichen Terrain und der Landschaft auf dem Geschoss, die seit einem Jahrhundert in der kollektiven Phantasie angelegt waren, werden zum ersten Mal wörtlich genommen und zupackend umgesetzt. Dadurch, dass der Pavillon mit den Themen Dichte, Infrastruktur und Landschaft architekturrelevante Themen aufgreift, wird der Konfl ikt zwischen Architektur und ‚Event‘, der sich häufi g in Weltauss tellungsbeiträgen manifestiert, vermieden. Durch die vertikale Verdichtung in sieben Ebenen von 1.000 Quadratmetern Fläche können sieben Achtel des 8.000 Quadratmeter großen Grundstücks unbebaut bleiben. Über die Höhe des Pavillons sind, von unten nach oben folgende Programme gestapelt: Im EG befi nden sich in einem ‚holländisch‘ verklinkerten Sockel Verwaltungen, ‚Guest Relations‘ und Küche. Im 1. Obergeschoss kann man eine Dünen- und Grottenlandschaft über Stege begehen. Das Blumengeschoss des 2. Obergeschosses steht für die niederländische Agrarwirtschaft und die Gewächshauskulturen. Das 3. Obergeschoss bietet in überdimensionierten Pfl anzkübeln den Wurzeln der Bäume darüberliegenden Geschosses Raum; einige von den herabhängenden Kegelstümpfen sind hohl und werden mit einer multimedialen Performance bespielt. Im 4. Obergeschoss, das sich durch besonders große Höhe auszeichnet erlebt man ein Waldstück mit echten Bäumen, Büschen und Waldboden, das neben dem natürlichen Seitenlicht von der Decke her mit kaltem Neonlicht gefl utet ist. Im 5. Obergeschoss liegen drei Kino- und Theatersäle, die zu einem kompakten Kern in Geschossmitte gruppiert sind. Als „Fassade“ dient ein Vorhang aus künstlichem Regen, der entlang von Kunststoffplanen herunterläuft. Auf dem Dach trifft man auf eine Wasserlandschaft mit Windrädern und einem künstlichen Hügel, dessen Inneres begehbar ist. Die Windräder sollen den mehrgeschossigen Park dieses Pavillons energetisch autark machen. Bezüglich des Tragwerks bildet jedes Stockwerk des Pavillons ein eigenes System aus. Daraus ergeben sich Diskontinuitäten im Lastabtrag, die durch die Konzentration auf einige wenige Hauptlastpfade aufgefangen werden sollen. Die unteren drei Geschosse sind als Stahlbetonkonstruktion ausgeführt, wobei Sockelgeschoss und 1. Obergeschoss durch den biegesteifen Verbund von Stützen und Geschossdecken als Vierendeelsysteme fungieren. Die dazwischenliegende Dünenlandschaft des Erdgeschosses besteht aus tragenden schrägen Stützen, die in den Wandungen der ansonsten aus zwei Lagen Spritzbeton aufgebauten Topographie verborgen sind. In ähnlicher Weise sind auch im 2. Obergeschoss geneigte Stahlstützen in die Wandungen der Kegelstümpfe integriert. Die 14 Baumstützen des 3. Obergeschosses sind ungeschälte Eichenstämme von 80 Zentimetern Durchmesser, die einen Stahlträgerrost tragen. Die Decke über dem 4. Obergeschoss wird durch Stahlbetonstützen getragen, die in den aufgedoppelten Wänden der Säle versteckt sind, außerdem durch geschosshohe Fachwerkträger an den Außenkanten. Die Decke besteht hier aus Spannbetonhohlplatten. Die Aussteifung wird im obersten Geschoss durch die Fachwerkträger am Rand erreicht, im ‚Waldgeschoss‘ (3.OG) ebenso wie im EG durch die Neigung der Stützen in unterschiedliche Richtungen, im Sockelgeschoss wie im 1.OG durch die Vierendeelträger, im 2.OG durch vier konventionelle Windverbände. Besonders schwierig gestaltet sich im 3. OG der Anschluß der Eichenstämme an Boden und Decke, da herkömmliche Holz-Stahlverbindungen hier nicht zum Einsatz kommen können: Es muss durch die Gestaltung des Anschlusse sichergestellt sein, dass keine Momente in die Stämme eingeleitet werden, sondern nur Druck in Richtung ihrer Mittelachse. Dies wird sichergestellt, indem die Kraft am Aufl ager über ein Neoprenkissen übertragen wird. Die Konstruktion wirkt ‚informeller‘, als sie ist. Die Stützenstellungen basieren sehr rationell auf einem 5 x 5 Meter- Raster, wobei nicht alle Rasterpunkte immer besetzt sind. Die zwölf Stützen in der doppelten Wand des 4.Obergeschosses stehen genau über dem Kopf der 1 2 3 5. OG Dach 4. OG 3. OG 2. OG 171 deep plan seit 1990 MVRDV (Maas, van Rijs, de Vries) Ing.: ABT (adviesbureau voor bouwtechniek): Niederländischer Pavillon, EXPO Hannover 1997- 2000 1: Ansicht 2: Wald auf dem 3.OG 3: Schnitt 4: Rohbauperspektive grau = Beton, orange = Stahl, braun = Holz geneigten Baumstämme des 3. Obergeschosses. Diese erreichen mit ihren Fußpunkten neun Kreuzungspunkte des 5 x 5 Meter- Rasters. Ganz abweichend vom subjektiven Eindruck ist die Stellung der Bäume axialsymmetrisch und auch in der Querachse partiell symmetrisch. Im darunterliegenden Geschoss (2.OG) sind die auf dem Raster stehenden neun Stahlstützen, die die Bäume abfangen, in den Pfl anzkübeln gut versteckt, während die Decke dieses Geschosses mit ihren deckengleichen Kastenträgern separat von schrägen Pendelstützen in den Wandungen der Kübel getragen wird. Auch die Vierendeelstützen des 1. Obergeschosses nehmen die Rasterpunkte im 5 Meter- Abstand ein. Da dieses Geschoss die Kapazität zu größeren Spannweiten hat, müssen die darunter anschließenden Diagonalstützen der Dünenlandschaft an ihrem oberen Ende nicht jeden Rasterpunkt abgreifen. Ihre Fußpunkte treffen auch nicht immer genau die Kopfpunkte der ebenfalls im Raster angeordneten Stützen des Sockelgeschosses, was aufgrund der geringen Spannweite von 5 Metern tolerabel ist. Entgegen dem Anschein ist der niederländische Pavillon also kein hybrides Tragwerk –wie es z.B. die Kombination von Schale und Stabtragwerk wäre-, sondern eine reine Skelettkonstruktion. Die massiv wirkenden Bauteile sind Ausbauelemente. Dies ist sicher auch auf den Zeitdruck zurückzuführen, der beim Bau eines Expo-Pavillons herrscht: Die Konzeption der Primärkonstruktion als Skelett ermöglicht rascheren Baufortschritt, weil in den unteren Geschossen schon mit dem Ausbau begonnen werden kann, während oben noch am Rohbau gearbeitet wird. Die Option der leichten Demontage spielt hierbei eine geringere Rolle, wenn auch die Planung zunächst davon ausging, die beiden hohen oberen Geschosse demontabel zu machen, während die eher massiven unteren vier Geschosse dauerhaft am Ort verbleiben könnten (es gab eine bis Februar 2001 befristete Befreiung von der Bauhöhengrenze auf 25 Meter Höhe –der Pavillon ist 36 Meter hoch). Literatur: El Croquis 86: mvrdv: Maas vanRijs deVries 1991-1997. artifi cial ecologies. Madrid 1998, S. 158-163 El Croquis 111: mvrdv: stacking and layering, Madrid 2002 Annette Detzel: Der niederländische Pavillon für die EXPO 2000 in Hannover; in: Stahlbau 70 (2001), Heft 3, S. 202-208 4 1. OG EG Mezzanin EG UG Seattle Public Library, 2000-2004 Die Beauftragung von OMA für den Neubau der zentralen öffentlichen Bibliothek in Seattle geht auf ein Workshop-Verfahren mit drei Finalisten zurück, das 1999 stattfi ndet.142 Der Bibliotheksbau – Kernstück eines groß angelegten Programms zur Stärkung der öffentlichen Bibliotheken- wird neben privaten Spenden über eine Anhebung der Grundsteuer fi nanziert, für die in einer Abstimmung 70% der Wähler votiert hatten. Das Konzept von OMA sieht eine klare räumliche Trennung zwischen Lesesälen und Freihandbereichen vor, um der infolge wachsender Buchbestände drohenden Umwidmung von Lese- und Arbeitsbereichen in Regalstellfl äche vorzubeugen. Die ‚Bücherspirale‘ als kompakter Freihandbereich enthält derzeit 900.000 Bücher und hat eine Kapazität von anderthalb Millionen Büchern. Den größeren Teil des insgesamt 40.000 Quadratmeter großen Bibliotheksbaus nehmen allerdings Aufenthalts- und Versammlungsräume ein. Über die Höhe des Gebäudes sind fünf Bereiche zu, auf Lücke übereinander ‚schwebenden‘ Boxen gepackt, die nach städtebaulichen Gesichtspunkten, Blickbeziehungen, Besonnung und Verschattung gegeneinander horizontal verschoben sind: So soll man aus den Richtung Osten versetzten Verwaltungsräumen im obersten Geschoss entlang der Fifth Avenue nach Süden auf den Mount Rainier blicken können; das Freihandmagazin hingegen ist nach Norden verschoben, damit man aus dem Lesesaal in Richtung Elliott Bay sehen kann. Eine in Rauten aufgelöste Hülle vermittelt zwischen den vor-und zurückspringenden Kanten der Boxen. Die Kubatur des in plane Flächen facettierten, elfgeschossigen Baukörpers erzeugt so im Straßenraum dramatische Schrägen und Überhänge. Das 73 Meter im Quadrat messende Grundstück in Downtown Seattle liegt am Hang; deshalb gibt es Eingänge auf zwei verschiedenen Ebenen: An der Fourth Avenue im Westen auf Erdgeschossniveau, an der Fifth Avenue im Osten auf Höhe des 2. Obergeschosses. Die „Boxen“ beherbergen folgende Programmteile: Verwaltung (10.OG), Magazinspirale (Freihandbereich, 5.- 8.OG), ‚Meeting Rooms‘ (3.OG), ‚Staff‘ (1.OG), Parken (UG). Die Platformen auf der Oberseite der ‚Boxen‘ ,d.h. die Zwischenräume sind belegt mit: Lesesaal (9.OG), ‚Mixing Chamber‘ (4.OG), ‚Living Room‘ (2.OG) und Kinderbibliothek (EG). Die Vertikalerschließung erfolgt, neben den zu einem einzigen Kern gebündelten Aufzügen, über eine Reihe von Rolltreppen, die die Platformen verbinden, die Boxen aber ohne Halt durchqueren. So tunnelt z.B. eine Rolltreppe vom 2. Obergeschoss (Eingang Fifth Avenue, ‚Living Room‘) durch das 3. Obergeschoss (Meeting Rooms) ins 4. Obergeschoss (‚Mixing Chamber‘). Auch die an zwei gegenüberliegenden Seiten und mit einer Höhendifferenz von zwei Geschossen positionierten Eingänge sind durch Rolltreppen verbunden. Parallel dazu kann jedoch auch das Auditorium, das durch Schiebewände im Erdgeschoss und eine herunterfahrbare Faltwand im 1. Obergeschoss abtrennbar ist, benutzt werden. Es nimmt, beginnend im Erdgeschoss (Westen) und ansteigend bis ins 2. Obergeschoss (Osten) die schlechter belichtete Mittelzone der unteren drei Ebenen ein. Dort wirkt es wie eine sehr breite Freitreppe, ähnlich dem Auditorium der Kunsthalle Rotterdam. Unter der Schräge der ansteigenden Sitzreihen liegt ein Ausstellungsraum. Der interne Betrieb der Bibliothek (‘Staff’, 1.OG) ist davon separiert; er hat auf der Nordseite einen eigenem Zugang; auf der Südseite liegt die Anlieferung. Der ‘Living Room’, als “öffentliches Wohnzimmer” Seattles deklariert, liegt mit 61 x 54 Metern Fläche auf Höhe des 2. Obergeschosses und grenzt so an die höhergelegene Fifth Avenue. Sein Charakter als überdachter und temperierter öffentlicher Raum kommt dem kühlen Klima Seattles entgegen: Dies soll ein Ort zum Sitzen, Lesen, Ausruhen und Treffen sein, der auch nach Schließung der Bibliothek geöffnet ist, weshalb sich die Regale des Shops entlang von Schienen zu einem Kubus zusammenfahren lassen. Hier befi ndet sich auch der Freihandbereich für Belletristik OMA / Rem Koolhaas mit LMN, Ing.: ARUP / Magnusson Klemencic Associates: Seattle Public Library, 2000-2004 1 Ansicht von Osten 2 Innenraum Mixing Chamber 4.OG 3 Schnitt N-S 4 Schnitt W-O 1 2 173 deep plan seit 1990 (‘Fiction Collection’). Das 3. Obergeschoss enthält Besprechungssäle in verschiedensten Größen und Computerlabs für das ‘E-Learning’. Die darüberliegende ‘Mixing Chamber’ bündelt den Großteil der Informationstheken in einem Bereich. Die hier beginnende Rolltreppe durchdringt mit nur einem Zwischenpodest die ganze ‘Bücherspirale’ über ihre vier Geschosse und erreicht den Lesesaal im 9. Obergeschoss. Eine Treppe erlaubt Abkürzungen zwischen den einzelnen sehr fl ach (2%) geneigten Ebenen der Spirale. Die durchlaufende Rampe der Bücherspirale soll die Segmentierung des Wissens in einzelne ‘Departments’ verhindern. Sie erinnert am stärksten an das Projekt für die Bibliotheken von Jussieu. Zusätzlich gibt es auf vier Geschossen eine Kompaktanlage in der südlichen (nicht geneigten) Raumschiene. Auch der Lesesaal des 9. Obergeschosses ist noch gestuft. Er erhält großzügig Nordlicht aus der geneigten, vollständig verglasten Dachfl äche. 2. OG3. OG 6. OG10. OG 3 4 Tragwerk: Die unteren drei Geschosse (einschließlich der Tiefgarage im 1.UG) sind eine reine Stahlbetonkonstruktion mit Stützen und senkrechten Außenwänden an den drei Seiten, wo das ansteigende Terrain anstößt. Die schrägen Stützen mit Pilzköpfen in Form quadratischer Platten, wie sie in der Kinderbücherei des Erdgeschosses sichtbar werden, vermitteln zwischen dem Raster der Tiefgarage und dem ab dem 1. Obergeschoss darüberliegenden Raster, das auf die Bücherspirale hin abgestimmt ist. Das 3. Obergeschoss als unterste der aufgeständerten “Boxen” wird durch dieses relativ regelmäßige Raster von 4 x 5 Stützen im Abstand von 7,5 bzw. 9 Metern in Nord-Südrichtung auf 9 bzw.11 Metern in Ost-/Westrichtung getragen. Die Stahlstützen dieses ‘Basisrasters’ stehen auf Betonstützen des 1. Obergeschosses und sind die einzigen, die über zehn der insgesamt zwölf Geschosse durchlaufen. Sie setzen sich nach oben bis ins 10. Obergeschoss fort, wo jeweils die nördliche und westliche Achse entfallen. Gegenüber diesen ‘Basisstützen’ kragt das 3. Obergeschoss nach Norden um 8 Meter, nach Westen um 15 Meter aus. Die Geschosskante an Boden und Decke wird deshalb durch einen geschosshohen Fachwerkträger gestützt, der im doppelten Rasterabstand von oben her an schrägen Stützen abgehängt ist. Noch dramatischere Überhänge ergeben sich durch das viergeschossige Paket, das die Bücherspirale enthält. Es lädt gegenüber dem erwähnten Basisbestand an Stützen in drei Richtungen, vor allem nach Süden mit 18 Metern wesentlich weiter aus als das 3. Obergeschoss. Es wird deshalb an seiner Südostecke im 5. Obergeschoss durch zwei kräftige, in Grund- und Aufriss schräge Stützen (Querschnitt ca.70 x 70 cm) von ca. 26 Metern Länge gehalten, die am Rand des 2. Obergeschosses entspringen und auf Pfeilervorlagen der Außenwand in den unteren drei Geschossen ruhen. An der Südwestecke ist die Lage durch die Nähe des massigen Treppenkerns, der zum Lastabtrag herangezogen werden kann, etwas entspannter. Hier gibt es auch zwei schräge Stützen, allerdings mit kleinerem Querschnitt, bzw. als offenes Profi l. Weitere sechs schräge Stützen setzen ebenfalls im 2.Obergeschoss (mit einer Ausnahme) am Fußpunkt jeder zweiten Randstütze bzw. den Eckstützen des ‘Basisrasters’ an und neigen sich von dort nach außen. Insgesamt zehn schräge Stützen halten die viergeschossigen Fachwerke, die die riesige ‘Box’ der Bücherspirale auf allen vier Seiten säumen. So überspannt z.B. das Fachwerk an der Südseite der Box 35 Meter und kragt 9 bzw.18 Meter aus. An der Nordseite überspannt es 34 Meter und kragt 8 bzw.11 Meter weit aus. Demgegenüber ist der Lastabtrag der nur eingeschossigen Verwaltungsbox im 10. Obergeschoss wieder einfacher: Die Auskragung von 8 Metern nach Süden, noch über den eben erwähnten Fachwerkträger hinweg, wird durch die größere Trägerhöhe innerhalb des Bodenaufbaus bewältigt. Zur Unterstützung der 9 Meter weiten Auskragung nach Osten gibt es Fachwerkscheiben in zwei Achsen rechtwinklig zur Fassade, von denen jeweils zwei Diagonalen in Fassadenebene abgehängt sind. Die Rautenfassade tritt nach außen durch die immer gleiche Breite der Pressleisten als uniforme Hülle in Erscheinung. Innenseitig wird allerdings durch die unterschiedliche Dimensionierung der Unterkonstruktion klar, dass diese lokal verschieden zwischen linearer und fl ächiger Tragwirkung wechselt. In nicht besonders beanspruchten Bereichen ist sie wie eine herkömmliche Fassadenkonstruktion linear gerichtet: Sie besteht hier aus einer Schar von Profi len in lediglich einer Richtung, während es in der anderen Richtung nur Glashalteprofi le gibt. In Bereichen höherer Beanspruchung werden in regelmäßigen Abständen auch in der anderen Richtung tragende Profi le eingeschaltet. Gibt es in jeder Raute gleichhohe Profi le in beiden Richtungen und steife Ecken, so wird diese Fassade lokal zum Flächentragwerk. In Bereichen besonderer Belastung wird sie durch Aufdoppeln der Profi le in beiden Richtungen verstärkt. So kann die Fassade Horizontallasten (Windlasten und seismische Lasten) aufnehmen. Auch dort, wo die Fassade auf einer Stütze aufl iegt, ist eine fl ächige Tragwirkung über die Aufdoppelung der Profi le in beiden Richtungen hergestellt, die hier einem aufgelösten Pilzkopf entspricht. Ebenso ist in Bereichen großer Spannweite die statische Höhe der Profi le verdoppelt. Die Zellen dieser 1. OG EG 175 deep plan seit 1990 Fassade, Rauten von 1,20 Metern Seitenlänge, sind mit jeweils einer Scheibe verglast, wobei vielerorts ein Metallgewebe zum Sonnenschutz in die Verglasung integriert ist. Eine herkömmliche Fassadenbefahranlage ist durch Ösen ersetzt, die aus den Preßleisten herausstehen, an denen sich die Fassadenreiniger einhaken können. Bei der Seattle Public Library wird das Konzept der Funktionstrennung, das sich in der klassischen Moderne in einer Konfi guration aus verschiedenen Baukörpern verwirklichte, auf den Innenraum und auf den Gebäudeschnitt übertragen. Weil jede Platform für einen anderen Zweck entworfen ist, variieren sie in Größe, Grad der Flexibilität, Erschließung, Konstruktion und Materialien. Die effi ziente Stapelung diverser Programme in einfach übereinanderliegenden Geschossen wie im Downtown Athletic Club scheint Koolhaas in diesem Fall nicht auszureichen, um ein ikonisches Gebäude (so die explizite Zielsetzung) herzustellen. So rückt die Seattle Public Library in erstaunliche Nähe zu technokratischen Klimahülle-Projekten, oder –noch schlimmer- zu der im kalten, regnerischen Klima der nördlichen US-Bundesstaaten so beliebten Architektur der verglasten Atrien und Wintergärten, die Koolhaas eigentlich verachtet. Das Konzeptmodell stellt nur die schwebenden Boxen dar. Die folglich nachgeordnete Hülle dominiert aber den architektonischen Ausdruck der Bibliothek nicht nur von außen, sondern auch von innen. Im Vergleich mit dem sieben Jahre früheren Kino von Coop Himmelblau, der sich durch die polygonal gefaltete Glashülle fast aufdrängt –obwohl die beiden Gebäude sonst nicht viel gemein haben-, wirken die vertikalen Lufträume in Seattle dabei etwas kühl und überschaubar. Auch das ‚Atrium‘ als Versuch, doch wieder vertikale Sichtbezüge zwischen den Platformen herzustellen, läuft dem Grundkonzept zuwider.- Außenräumlich hingegen erklärt sich die Hülle sofort: Sie baut einen Bezug zur Maßstäblichkeit der umgebenden Rasterfassaden auf. Das ‚Diagrid‘ wirkt dabei als wohltuende Varianz. Die Bibliothek wird durch ihre ausgefallene, aber monolithische Gestalt trotz ihrer im Vergleich zu den umstehenden Hochhäusern geringeren Höhe zum unbestrittenen Zentrum des städtischen Raums. Literatur: Joshua Ramus: Seattle Public; in: Rem Koolhaas: Content. Taschen, Köln 2004, S.138-149 Bettina Schürkamp: Seattle; in: Bauwelt 23/2004, S. 26-35 Michael Kubo, Ramon Prat: Seattle Public Library. OMA / LMN. Actar, Barcelona 2005 Yukio Futagawa (Hg.): OMA. Seattle Central Library; in: GA Document 80. ADA Edita Tokio 2005, S. 8-61. El Croquis 134/135: AMO OMA Rem Koolhaas (II). Madrid, 2007, S. 62-117 OMA / Rem Koolhaas mit LMN, Ing.: ARUP / Magnusson Klemencic Associates: Seattle Public Library, 2000-2004 1 Axonometrie Primärtragwerk 1 Schule Leutschenbach, Kanton Zürich; 2002-08 Das Schulprojekt von Christian Kerez geht 2002 als Gewinner aus einem Wettbewerb hervor und ist derzeit im Bau. In diesem Projekt werden alle Funktionen der Schule zu einem Hochhaus gestapelt: Von den Fachklassen im Untergeschoss, über die Cafeteria und den Eingangsbereich im Ergeschoss, über die allgemeinen Klassenräume im 1. bis 3. Obergeschoss zum 4.Obergeschoss mit Aula, Bibliothek und Lehrerzimmer. Zuoberst liegt die Sporthalle, deren Maße den ‘Fußabdruck’ des Gebäudes festlegen. Der Architekt votiert für diese vertikale Verdichtung der normalerweise nebeneinander angesiedelten Schulfunktionen, um möglichst viel Grundstücksfl äche von Bebauung freizuhalten. So ist auf einer Grundfl äche von knapp 1.200 Quadratmeter eine BGF von fast 10.000 Quadratmeter realisiert –und das auf einem Grundstück von 15.000 Quadratmeter. Die lichten Raumhöhen nehmen über die Geschossse von unten nach oben zu: Erdgeschoss: 2,50 m; 1.-3. Obergeschoss: 3,60 m; 4. Obergeschoss: 4,20 m; 5. Obergeschoss: 8,80 m. Die Geschosse haben dabei ganz verschiedenen Charakter: Im relativ niedrigen Erdgeschoss sind die Nebenräume, wie die Küche, zu einem kompakten Kern gruppiert, sodass man im umgebenden Raum sich unter einem gewaltigen Überhang der darüberliegenden Geschosse befi ndet, während der Blick nach draußen ins Grüne geht. In den darüberliegenden drei Geschossen sind die nahezu quadratischen, mit 9,50 Metern relativ tiefen Klassenräume jeweils entlang der Längsseiten gereiht, während eine breite Mittelzone als zusätzlicher gemeinsamer Unterrichts- und Pausenbereich genutzt werden kann. Hier liegen auch zentral in jedem Geschoss zwei ‚freie‘, gegenläufi ge Treppen, über die sich zwei voneinander separate Treppenfl uchten jeweils für die unteren und die oberen Jahrgänge ergeben. Diese treffen sich erst im 4.OG, wo die gemeinschaftlichen Bereiche angeordnet sind. Hier liegen die einzelnen Räume um eine zentrale ‚Halle‘. Über die Treppe des Erschließungskerns gelangt man zur Sporthalle (5.OG) mit ihren Umkleiden. Der Erschließungskern mit Aufzug und notwendiger Treppe liegt, durch die Sporthalle vorgegeben, am Rand einer Längsseite. Im Erdgeschoss kann er folglich nicht –wie architektonisch gewünscht- in die Kernzone integriert werden. Hier ist über die Freistellung von Aufzug und Treppe eine Lösung gefunden worden: Da die Treppe dieses Kerns als erster Fluchtweg fungiert, wird sie im Brandfall durch aus einer Tasche der Kernzone herausfahrende Brandschotts zum geschlossenen Treppenraum. Ein zweiter Fluchtweg ist auf jedem Geschoss durch den umlaufenden Fluchtbalkon inklusive Fluchttreppe gegeben. Die durchlaufende ‚freien‘ Treppen in der Mittelzone sind baurechtlich nicht notwendig. Da die Deckenaussschnitte im Brandfall den Brandüberschlag aus einem darunterliegenden Geschoss ermöglichen, können sie durch klappbare Bodentore -normalerweise in der Brüstung verstaut- im Boden des 4.OGs geschlossen werden.. Überraschenderweise führt die Lage des Raumvolumens mit großen Spannweiten im obersten Geschoss nicht zu einem ‚einfachen‘ Tragwerk; denkbar wäre ja, dass ein Stützenraster durch die unteren Geschosse nach oben bis unter den Boden der Sporthalle hindurchgeführt würde, während die Deckenträger der Sporthalle nur auf den Randstützen aufl iegen. Anstatt dieser konventionellen Lösung werden die Geschosse bzw. Geschoss-Pakete jeweils als in Stahl-Fachwerke aufgelöste ‚Kisten‘ ausgebildet, die übereinander gestapelt sind. Das Geschoss unterhalb der Sporthalle (4.OG) zeichnet sich so im Rohbau als kräftiger Rücksprung ab: Hier ist nämlich die Wand zwischen mittiger ‚Halle‘ und umliegenden Räumen als Geviert von Fachwerkscheiben ausgebildet, wobei die Träger über die kurzen Seiten bis an die Längsfassaden des Baukörpers weitergeführt werden. Nur diese können die vertikalen Lasten aus dem Paket der Sporthalle aufnehmen. Das bedeutet wiederum, dass die Längsseiten der Sporthalle geschosshohe (9 m) Fachwerkträger sein müssen, die als Einfeldträger über 27 Meter mit Kragarmen von 7 bzw. 11 Metern Länge spannen. An den Enden dieser Längsträger sind die ebenso hohen Querträger der kurzen Seiten angehängt; an Christian Kerez Ing.: DSP AG, W. Kaufmann (Wettbewerb), Joseph Schwartz (Ausführung): Schulhaus, Leutschenbach 2002-2007 1 Ansicht 2 Schnitt längs 3 Schnitt quer 4 Grundriss 5. OG: Sporthalle 1 2 3 4 5 6 177 deep plan seit 1990 den Knotenpunkten ihrer Obergurte schließen, ebenfalls in Querrichtung, die über der Dachebene angeordneten Hauptträger des Sporthallendachs als 1,50 m hohe Vollwandträger (Variante mit 2,75 m hohen Fachwerkträgern) im Abstand von 4,50 Metern an. Diese sind –dem Momentenverlauf entsprechend- zum Aufl ager hin angeschrägt, um optisch nicht zu sehr aufzutragen. Die Längsträger des 4. Obergeschosses unterstützen den Boden der Sporthalle, sodass sich hier kleinere Spannweiten und somit ein niedrigeres Deckenpaket ergibt. Wesentlich stärker beansprucht sind die beiden Querträger des 4. OGs, da auf ihren vier Enden nicht nur die ganze Last der Sporthalle aufl iegt, sondern von ihnen auch die Fachwerkscheiben an den Längsfassaden der drei darunterliegenden Geschosse abgehängt sind, die jeweils vier Deckenstreifen von 45 x 5 m (halbes Feld) zu tragen haben. Die Querträger des 4.OGs geben ihre Last auf zwei innenliegende parallele Fachwerkscheiben des 1.-3.OGs ab, die an der Grenze von Klassenräumen zur Mittelzone liegen. Diese lagern ihrerseits im Erdgeschoss jeweils auf drei kräftigen „Dreibeinen“, die auf Stahlbetonwänden des Untergeschosses stehen. Diese „Dreibeine“ bestehen aus zwei A-förmig angeordneten Stützen mit einer normal dazu verlaufenden Querstrebe, die am Fuß über ein zugbeanspruchtes Profi l zusammengebunden sind. Obwohl sich die Schule als monolithisches Volumen zeigt, dessen Fassaden –von geringfügigen Versprüngen abgesehen- von unten nach oben durchlaufen, werden die Lasten, ausgehend von den Längskanten des Daches, nach unten hin zunehmend konzentriert, um an sechs Stellen in den Boden eingeleitet zu werden. Das 4. Obergeschoss hat hierbei eine Schlüsselfunktion; letztlich geht es aber darum, das Ergeschoss von Randstützen freizuhalten. Die Diagonalen der Fachwerkträger sind meist quadratische Stahl-Hohlprofi le von 30 Zentimetern Breite, deren Wandungsstärke je nach Belastung von 1 bis zu 3 Zentimeter , stellenweise sogar 10 Zentimetern, variiert. An Stellen höchster Belastung nehmen die Profi le auf 35 x 60 Zentimetern Querschnitt zu; generell ist die nach außen hin sichtbare Stahlkonstruktion in ihrer Dimensionierung möglichst vereinheitlicht. Die Geschossdecken liegen auf seitlich an den Fachwerkträgern befestigten Betonträgern auf, die durch zickzackförmige Aussparungen Aufl ager für die Deckenelemente bereithalten. Der Grund dafür, die Decken nicht direkt an den Fachwerkträgern aufzulagern, ist darin zu sehen, dass nicht in allen Geschossen Ober- oder Untergurte der Fachwerkträger zum Deckenanschluß zur Verfügung stehen, und dass die Decken im Randbereich an das außenliegende Tragwerk nur punktuell, und zwar über Isokörbe, anschließen sollen. Die Decken sind als Faltwerke von 1,50 Metern Breite ausgeführt, in die partiell mit Lochblech verkleidete Akustikelemente eingesetzt werden. In den Hochpunkten des Faltwerks ist die Beleuchtung angeordnet; die horizontale Leitungsführung ist im Aufbeton verlegt. Es ergibt sich eine Rohbaudecke von maximal 45 Zentimetern Höhe, bzw. mit Trittschalldämmung und Estrich ein Deckenpaket von 60 Zentimetern Höhe (unter der Sporthalle 87 cm mit abweichendem Aufbau). Die Fassaden sind vollverglast; zur Windaussteigung werden Glasschwerter eingesetzt; der Deckenanschluß ist dabei auf die Aufnahme von Längenänderungen infolge von Durchbiegungen der großen Kragarme ausgelegt. Die Schule Leutschenbach ist in vielerlei Hinsicht experimentell: Einerseits im Hinblick auf die Stapelung und die Tiefe der Grundrisse, andererseits in Bezug auf den Stahlbau, der im Schweizer Schulbau länger keine Rolle gespielt hat. Die Informationen aus den Planunterlagen lassen erwarten, dass hier ein mutiges Grundkonzept formal kompromißlos und technisch aufwendig umgesetzt wird. Literatur: a+u 405, Tokio 2005, S. 44-45 Schweizerischer Ingenieur-und Architekten-Verein: Stahl-Beton-Verbund im Hochbau. SIA, Zürich 2007 7 8 9 5 Grundriss 4.OG: Mehrzweckraum und Bücherei 6 Grundriss 1.-3. OG: Klassenräume 7 Grundriss EG: Freizeitbetreuung, Speisesaal 8. Grundriss UG: Fachklassen 9 Modellfoto 4.OG Centre Pompidou, Metz; Wettbewerbsprojekt 2003 Der Beitrag von Herzog & de Meuron für den Wettbewerb um die Filiale des Centre Pompidou in Metz (einer von sechs Finalisten, jedoch nicht prämiert) ist als vertikal verdichtetes Museumskonzept im Rahmen der vorgestellten Referenzen interessant. Herzog & de Meuron schlagen einen kubischen Geschossbau von 39 Metern Höhe auf einer Grundfl äche von 55 x 55 Metern vor. Durch die Höhenentwicklung sollen Blickbeziehungen zur Innenstadt und zur Kathedrale von Metz möglich werden; außerdem soll das Museum Signalwirkung entfalten. Da der größere Teil der Ausstellungssäle künstlich zu belichten ist, können die Museumsgeschosse seitlich vollkommen geschlossen sein. Nur das oberste Geschoss erhält natürliches Oberlicht. Die Geschosse für die öffentlicheren Funktionen wie Foyer, Café, Bücherei, Informationszentrum und Restaurant, sollen hingegen Ausblicksmöglichkeiten nach draußen, auf das Stadtpanorama genießen. Daraus leiten die Architekten ihr Konzept einer im Schnitt lesbaren vertikalen Abfolge von Kompression (in den geschlossenen Ausstellungssälen) und Dekompression (in den kommunikativen Zwischengeschossen) ab. Die unterschiedliche Gewichtung von Schwarz und Weiß in der Grundrissgrafi k verdeutlicht diesen Wechsel von Verdichtung und Aufl ockerung, von Konzentration und Zerstreuung in der Abfolge der Geschosse, die der Erfahrung eines Museumsbesuchers entsprechen soll. Der Bezug zur Stadt wird dadurch zusätzlich betont, dass die verschiedenen Raumcharaktere in den Geschossen mit der Analogie zu städtischen Räumen, wie ‚Avenue‘, ‚Park‘, ‚Altstadt‘, ‚moderne Stadt‘ bezeichnet sind. Die Ausstellungsgeschosse sind durch die tragenden Wände Zellengrundrisse, wenn auch die ‚Zellen‘ sehr groß sind. Die Zwischengeschosse sind ‚freie Grundrisse‘, in denen nur die Kerne tragende Funktion haben. In der Tragwerkskonzeption müssen die Lasten aus den Ausstellungsgeschossen jeweils auf vier Kerne in den Zwischengeschossen übertragen werden. Drei Kerne laufen vertikal durch; der vierte ist etwas prekär, da er nicht durch die große Ausstellungshalle des 1.Obergeschosses durchstanzen darf (die im Übrigen die saubere Abfolge der Geschosse durcheinanderbringt). Er wird in eine Anzahl von kleineren Kernen und eine Schotte aufgespalten. Die Wände zwischen den Ausstellungssälen fungieren als geschosshohe Träger bzw. Kragschotten, die mit der Außenwand und den Geschossdecken zu einem torsionssteifen Gebilde verbunden sind. Die äußere Gestalt des Gebäudes wird durch die Stapelung der drei ‚komprimierten‘ Pakete der hohen Ausstellungsgeschosse bestimmt, die nach außen verspiegelt sind. Dazwischen, mit diesen alternierend, liegen die kommunikativen Bereiche mit ihren starken Rücksprüngen und den skulptural geformten Kernen. Das Erdgeschoss kann durch die Aufnahme der ganzen Anlieferfunktionen kein ‚freier Grundriss‘ werden, ist aber durch die inverse Böschung der Fassade auch als zurückspringendes Geschoss gestaltet. Wenn auch noch keine ganz überzeugende Kongruenz zwischen Programm und Gestalt erreicht ist, so ist der Ansatz doch interessant durch die ungewöhnliche Kombination von Zellengrundriss und freiem Grundriss. Im Werk von Herzog & de Meuron ergibt sich ein Bezug zur Bibliothek Eberswalde mit ihrem Wechsel opaker und geschlossener Streifen an der Fassade. Verglichen mit der Seattle Library erscheint es hingegen so, als habe man die dort gegeneinander versetzten Geschosspakete wieder übereinander geschoben, dabei aber die Kerne verdreht. In Bezug auf die Taillierung des Baukörpers kann das Projekt mit dem Schulhaus Leutschenbach verglichen werden. Literatur: El Croquis 129/130: Herzog & de Meuron. the monumental and the intimate. Madrid, 2006, S.412- 417 1 179 deep plan seit 1990 Herzog & de Meuron Ing.: RFR, Paris Centre Pompidou Metz, Wettbewerb 2003 1 Modell 2, 3 Schnitte 5. OG 4. OG 3. OG 2. OG 1. OG EG 2 3 14 6 8 11 2 5 7 3 9 10 181 deep plan seit 1990 Prismen mit Einschlüssen / Solids and Voids In einer Architektur der Solids and Voids wird der Loft-Typ zunächst in seinem strukturellen Bestand akzeptiert, aber mit dem Eindringen frei geformter Fremdkörper konfrontiert. Diese bereichern das Innere um eine neue, ungewöhnliche Raumqualität, da sie die geschichteten Geschossdecken durchbrechen und mit ihren gekrümmten Oberfl ächen gegen das orthogonale Stützraster spielen. Der Skelettbau wird durch den Abschluß mit einer Fassade einerseits so „solide“, dass man den Baukörper in seiner Gesamtheit als homogene Masse wahrzunehmen bereit ist; andererseits bleibt diese durchsichtig, damit die freigeformten Einschlüsse des Inneren auch von außen her wahrnehmbar sind. Der Baukörper wird damit zu einem „liquid solid“143, zu einem Körper gelartiger Konsistenz und variabler Transparenz. Die Stapelung der Geschossdecken muss dazu möglichst abstrakt wirken. Die Artikulation des Kraftverlaufs im tragenden Skelett ist kein Thema mehr; stattdessen wirken die Geschossdecken wie materialisierte horizontale Schnitte durch das Bauvolumen. Jean Nouvels Galeries Lafayette in Berlin stehen für eine Architektur von Solids and Voids, die den konstruktiven Grundbestand des „gängigen“ Betonskeletts mit Rundstützen im Raster und Flachdecken nur geringfügig anzutasten scheint. Der Baukörper wird von durch zylindrische und kegelförmige Einschnitte von oben und unten her durchbohrt, um Tageslicht und vertikale Durchblicksmöglichkeiten zu erreichen. Wo bislang der Luftraum im Geschossbau vor allem zur Kommunikation zwischen einem Geschoss und dem nächstoberen bzw. -unteren vorgesehen war, werden hier die beiden Raumvolumina –Luftraum und Geschossraum- gegeneinander durch gebogene Glasfl ächen luftdicht abgeschottet. Die „freie Fassade“ Le Corbusiers ist hier nicht mehr frei; sie hat den Geschosskanten präzise zu folgen. Dafür gibt es jetzt plötzlich „Fassade“ im Gebäudeinneren. Schwer zu entscheiden, was hier Solid, und was Void ist: Betrachtet man nur die Geschossdecken, so sind die vertikalen Lufträume Voids. Betrachtet man das Raumvolumen eines Geschosses, so sind die gläsernen Kegel eigentlich Solids, aggressive Eindringlinge, die die horizontale Kontinuität des Geschosses von oben her anbohren. Der Status der Lufträume wird dadurch nicht klarer, dass sie ihrerseits am Dach, an ihrer Oberseite verglast sind, d.h. auch keine wirklichen Außenräume sind. Die Kegel bringen eine ambivalente Räumlichkeit –gleichzeitig innen und außen, Raum und Körper- in das Prisma des Baukörpers. Hier setzt später Toyo Ito mit seinem Entwurf für die Sendai Mediathek an. Anders gelagert ist die Motivation für Koolhaas und Ito bei ihren nahezu gleichzeitigen Entwürfen für die Bibliothèque de France, 1989 und die Maison de la Culture du Japon, 1990, beide für Paris entworfen und unrealisiert geblieben. Hier sind die Einschlüsse der frei geformten Sonderräume durch das Raumprogramm angeregt. Es sind horizontal gelagerte Räume, die jeweils eine Sondernutzung mit einem besonderen Raumerlebnis verbinden. Sie stehen in einem dialektischen Verhältnis zum Rest des Gebäudevolumens mit seinen gestapelten Decken und seiner gerasterten Tragstruktur, ähnlich wie die Freiformen beim späten Corbusier, aber mit größeren Auswirkungen auf den Schnitt. Itos Lösung ist dabei noch relativ zahm. Die kokon-artig geformten Sonderräume sind jeweils einem Geschoss zugeordnet und zeigen sich an der darunterliegenden Decke durch eine Ausbuchtung nach unten an. Zwei der insgesamt nur drei Kokons liegen auf dem Dach, wo sich die Frage der Integration in die Folge der Geschossdecken ohnehin nicht stellt; der eine, der im Gebäudeinneren liegt, ist über einen Luftraum freigestellt. Strukturell trägt diese Lösung alle Zeichen des Übergangs. Suggestiv dagegen ist die Fassadenwirkung im Modell, wo es so wirkt, als seien die drei „Blasen“ im Auftrieb begriffen. Radikaler ist die Lösung von OMA für die Bibliothèque de France, ein Schlüsselprojekt der frühen 1990er Jahre überhaupt. Die Tragstruktur besteht hier nicht mehr aus Stützen, sondern aus Schotten, die gleichzeitig als Brandwände fungieren. Die Sonderräume sind so mit dieser Schottenmatrix verschnitten, dass sich für sie lineare Aufl ager ergeben, die gegenüber dem Prismen mit Einschlüssen / Solids and Voids: 1 Jean Nouvel, Philippe Starck: Oper Tokio, Wettbewerbsprojekt 1987 2, 3, 4 OMA / Rem Koolhaas: Bibliothèque de France, Paris. Wettbewerbsprojekt, 1989 5, 6 Toyo Ito: Japanisches Kulturzentrum Paris. Wettbewerbsprojekt 1990 7, 8 Jean Nouvel: Galeries Lafayette; Berlin 1992-96 9, 10, 11 OMA / Rem Koolhaas: Niederländische Botschaft Berlin 1997-2004 Prismen mit Einschlüssen / Solids and Voids Zusammentreffen von „Blase“ und Stütze bei Ito formale und strukturelle Vorteile bieten. Die „Voids“ halten sich auch nicht mehr an bestehende Geschosshöhen; über die Schottenmatrix ist hier zum ersten Mal ein „freier Schnitt“ hergestellt. Außerdem haben die Sondervolumina Fassadenkontakt; die Fassade ist so nicht mehr Hülle um ein Volumen, sondern ideell eine verglaste Schnittfl äche. Der Baukörper als ganzes wirkt wie aus einem größeren Zusammenhang herausgestanzt. Mit dem Einbetten der Sonderräume als Hohlräume in die Masse der Schotten kehrt sich bei OMA aber auch gegenüber Ito das Verhältnis von Masse und Leere insgesamt um: Bei Ito schweben die Blasen als geschlossene Körper in der durchsichtigen Struktur der Geschossebenen und Stützen, bei OMA bilden die Sonderräume „Voids“ in der Gebäudemasse aus. Während Itos Schema aus der Horizontalen wahrgenommen werden muss, am besten auf halber Gebäudehöhe auf die Fassaden blickend, wäre ein solcher Betrachterstandpunkt bei einem Hochhaus wie der Bibliothèque de France endgültig illusorisch. Das bedeutet, dass die innere Struktur nur von außen her annähernd zu fassen ist. Daraus folgt, die Fassade als Anschnitt durch die Gebäudestruktur zu behandeln. Die Niederländische Botschaft, Berlin 1998-2004, hat sich als einziger, und kleinster, der drei oder vier Kuben von OMA materialisiert. Das „Void“-Element ist hier nicht Luftraum oder Sonderfunktion, sondern Erschließung: Ein „Trajekt“ schlängelt sich durch das Volumen, verläßt dieses sogar, und nimmt gundrißlich, je nach Gebäudehöhe, alle denkbaren Positionen ein. Die Seitenwände dieses Negativraums haben gelegentlich, aber nicht überall, strukturelle Funktion als geschosshohe Träger. Für den vertikalen Lastabtrag sorgen in diesem Gebäude Kerne, Stützen und Wandschotten. Gegenüber der diagrammatischen Abstraktion der Bibliothèque de France zeigen die Grundrisse der Niederländischen Botschaft eine geradezu verwirrende Fülle von Ausrichtungen und Zuschnitten der Einzelräume, eine undogmatische Fusion von Massivbau, Schottenbau und Skelettbau. Das Trajekt ist dabei immer wieder an der Fassade ablesbar, ähnlich wie die frei geformten Sonderräume der Bibliothèque de France. Die „Masse“, bei der Bibliothek durch die horizontale Streifung der vielen Geschosse gekennzeichnet, hat dagegen bei der Botschaft durch die Fassade eine vertikale Streifung bekommen. Das heißt: Bei den tiefen Gebäuden muss die Lesbarkeit der Gebäudestruktur an der Fassade graphisch verstärkt werden. Im Fall der Niederländischen Botschaft ist die innere Struktur besser abzulesen, als bei den Galeries Lafayette, wo die Kegelkonturen lediglich in Siebdruck auf die Fassaden projiziert sind. Auch bei der Niederländischen Botschaft gibt es also das Spiel von Masse und Leere; aber es wirkt sich nicht mehr im Sinne einer Dialektik von Ordnung und Freiheit, von Regel und Ausnahme aus, da auch die Masse nicht mehr einer einfach zu kategorisierenden Ordnung folgt. Noch stärker als die Projekte für ZKM und die Bibliothèque de France spielt das Tragwerk der Niederländischen Botschaft –hierin der Villa in Bordeaux und der Bibliothek in Seattle verwandt- das Thema der ‚prekären Balance‘ aus, wenn dies auch durch die Fassade wieder etwas zurückgenommen ist. Die Fassade muss einen Teil der inneren Komplexität unterdrücken, indem sich die Geschosskanten, und damit die verschiedenen Raumhöhen, nur undeutlich an der Fassade abzeichnen.- Betrachtet man die Abfolge von den Galeries Lafayette bis zur Niederländischen Botschaft, dann läßt sich beobachten, wie die anfänglich geschossbau-fremden Void-Elemente und die Tragstruktur allmählich einander anverwandeln. Die Kontrastierung von Skelettbau und freier Raumbildung wird im Laufe des vorigen Jahrzehnts als Leitbild durch das einer größeren Kohärenz innerhalb der Gebäudestruktur abgelöst. 183 deep plan seit 1990 Bibliothèque de France, Paris; Wettbewerbsprojekt 1989 Die Bibliothèque de France ist das erste von drei Bibliotheksprojekten von OMA. Das Projekt ist ein Beitrag zu dem Wettbewerb von 1989, den Dominique Perrault mit seinem, seitdem realisierten Projekt gewinnt. Das Grundstück auf dem linken Seineufer wäre großfl ächig genug, um die geforderten 250.000 Quadratmeter Programmfl äche in einer Bebauung mittlerer Höhe unterzubringen. OMA schlägt jedoch einen Kubus von 75 x 87 Metern Grundfl äche und 87 Metern Höhe vor. Die leichte Neigung des Geländes wird nicht wie bei Perrault durch einen Sockel aufgefangen; stattdessen steht der Kubus von OMA auf dem Niveau der Uferstraße. Niedrige Nebengebäude grenzen an die ansteigenden Seitenstraßen. Auch die geräumige Eingangshalle ist als Nebengebäude gedacht (im Modell irritierenderweise nicht gebaut). Von ihr aus gelangt man in einer schmalen Randzone des Kubus mit vier gestaffelten Rolltreppen auf die erhöht liegende ‘Ebene Null’ (eigentlich auf Höhe des 4. OGs) Der Kubus zeigt schon von außen je eine vertikale und horizontale Teilung an: In der erhöht angeordneten Nullebene liegt die große Verteilerhalle (Great Hall of Ascension) mit einer Höhe von drei Normalgeschossen. An der Seine-abgewandten Seite des Kubus wird eine gebäudehohe Bürospange angeordnet. Durch diese zwei Maßnahmen wird der Kubus ‚verortet‘; er bekommt eine Frontseite zur Seine, eine Rückseite zum Bahnhof Tolbiac, und zwei –bis auf die Spiegelung identische- Seitenansichten. Nach Abzug der horizontalen Verteilerhalle und der vertikalen Bürospange verbleibt ein fast mathematisch präziser Kubus von 75 x 75 x 77m als solider Block an Information. Dieser beherbergt die Magazinfl ächen, aus denen die Lesesäle in einer Strategie der Voids herausgeschnitten werden. Die Bibliothèque de France besteht aus fünf Einzelbibliotheken, die jeweils verschieden ausgeformt werden: Im vierten Untergeschoss liegt die Mediathek für Ton- und Filmdokumente mit vier „blob“-artigen Projektionsräumen. Die Bibliothek für Neuerwerbungen im 5. Obergeschoss zeigt sich als Intersection, d.h. als Durchdringung zweier Raumvolumina, eines horizontalen Balkens für die Bücher und einer geneigten Röhre als Auditorium für audiovisuelle Medien. Die Referenzbibliothek ist eine mehrgeschossige Spirale, die im 9. Obergeschoss beginnt und sich in drei Windungen bis ins 13. Obergeschoss erstreckt. Die Forschungsbibliothek ist als Loop ausgeformt, der vom 17. bis zum 20.Obergeschoss reicht. Hinzu kommt der Katalograum, der auch der bibliographischen Recherche dient, und der mit der Form eines Rotationsparaboloids auf Höhe des 15. und 16. Obergeschosses liegt. Die Lesesäle werden dort natürlich belichtet, wo sie an die Fassade grenzen; überwiegend werden sie jedoch künstlich belichtet. Die Bibliotheken werden von der Verteilerhalle aus über 9 Aufzugskerne –jeweils zwei bis vier Aufzüge sind zu einem Kern gebündelt- in einem Abstand von 23–25m erschlossen. Zusätzlich werden die einzelnen Bibliotheken durch Rolltreppen verbunden, sodass eine mechanisierte ‚Promenade‘ durch das ganze Gebäudevolumen möglich ist. Die Einzelbibliotheken –so wird argumentiert- können dank der gewählten Organisation entsprechend ihrer eigenen Logik räumlich ausformuliert werden, unabhängig voneinander, von der Hülle und von den klassischen Hindernissen der Architektur, ja selbst –zumindest teilweise- der Schwerkraft. Das Potential des Aufzugs, bestehend in seiner Fähigkeit, Beziehungen eher mechanisch als architektonisch zu etablieren, wird voll ausgenutzt. Bei seinen Bibliotheksprojekten argumentiert Koolhaas immer ähnlich: dass es sich zwar um einen alten Bautypus handelt, der jedoch unter den Bedingungen des Informationszeitalters neu legitimiert werden muss, und insofern keine formalen Parallelen mit historischen Bibliotheksbauten aufweisen kann. Koolhaas vermutet, dass die Motivation hinter den Bibliotheksbauten eher politische Vorgaben sind, die auf ein repräsentatives ‚Monument‘ hinauslaufen sollen, als dass sie einen wirklichen gesellschaftlichen Bedarf decken. Daher betont er den Aspekt der Öffentlichkeit, das Gebäude als Treffpunkt. OMA / Rem Koolhaas; Ing.: Cecil Balmond, Ove Arup& Partners Wettbewerbsentwurf Bibliothèque de France, Paris 1989 1 Modell 1 Level 20 Level 11 Level 5 Level 14 Level 0 Level -4 185 deep plan seit 1990 Tragwerkskonzeption: Da es sich um einen Wettbewerbsbeitrag handelt, ist das Tragwerk nur prinzipiell angedeutet; vermutungshalber lassen sich einzelne Aspekte ergänzen: Die Tragstruktur der Bibliothek sind fünf parallele Wandschotten aus Stahlbeton, die als Brandwände ausgebildet sind. Diese Wandschotten fungieren oberhalb der Einschnitte durch die Volumina der Lesesäle als mehrgeschossige Träger. In ihren Hohlräumen werden Zu- und Abluft und Versorgungsleitungen geführt. Da die große Verteilerhalle der hochgelegenen ‚Nullebene‘ frei von störenden Wänden sein soll, enden die Schotten darüber und werden über die X- Stützen der Fassade abgetragen. Das zweite Aufl ager liegt an der Grenze zwischen Bürospange und Magazinen. Hier wird die Kapazität der Schotten, als mehrere Geschosse hohe Träger zu fungieren, in Anspruch genommen; sie spannen über 75 Meter. Die Massivität der X- oder besser: verschränkten A-Stützen erklärt sich also daraus, dass hier Deckenlasten eines Einfl ußfeldes von 12,50 x 37,50m aus bis zu zwanzig Geschossen Magazinfl äche auf den Scheitel einer A-Stütze ablasten! Die Aufzugskerne scheinen –obwohl dies nahe läge- zum Lastabtrag nicht herangezogen zu werden. So deutet auch das Modell an, in dem alle Voids –sozusagen invers- als Körper gebaut sind, während die umgebenden Geschossdecken weggelassen sind. Da dieses Modell die Aufzüge zeigt, müßte man sie sich logischerweise als offene Schächte oder als Glasaufzüge vorstellen. Es irritiert, dass die Schotten im Grundriss bei den Aufzügen unterbrochen gezeichnet sind, was ihre statische Funktion unterminieren würde. In den Schnitten der einzelnen Wandschotten sind diese beruhigenderweise als durchgängig gezeigt.- Es bleiben jedoch einige Fragen offen: So ist auch das zusätzlich notwendige Tragwerk, das in den beiden Seitenfassaden liegen müßte, nicht dargestellt. Hier wäre denkbar, dass die Deckenränder von Auslegern im obersten Geschoss abgehängt werden. So könnte man die fünf massiven Schotten zu insgesamt sieben parallelen Tragwerksachsen vervollständigen, zwischen denen die sechs ‚Schiffe‘ der Magazinebenen liegen. Die Bibliothèque de France von OMA bleibt ein faszinierendes Projekt durch die Art, wie die Volumina der Sonderbereiche (Lesesäle) durch Einbetten in die Masse scheinbar zum Schweben gebracht werden. Parallele, gebäudehohe Wandschotten fungieren als Träger und ermöglichen –statt eines ‚freien Grundrisses‘ einen ‚freien Schnitt‘. Die Fassade spielt dabei nicht mehr als die Rolle einer von unendlich vielen möglichen Schnittfl ächen. Literatur: El Croquis 53: OMA/Rem Koolhaas 1987-1993, Madrid 1993, S. 68-79 Rem Koolhaas: Stategy of the Void (S.602-661) und: Last Apples (S.662-685); in: S,M,L,XL. Monacelli Press, New York 1995 Greg Lynn: Wahrscheinlichkeitsgeometrien; in: ARCH+117: Rem Koolhaas. Die Entfaltung der Architektur, Juni 1993 S. 74-78 OMA / Rem Koolhaas; Ing.: Cecil Balmond, Ove Arup& Partners Wettbewerbsentwurf Bibliothèque de France, Paris 1989 1 Schnitt 1 Japanisches Kulturzentrum, Paris 1990 Das (nicht prämierte) Wettbewerbsprojekt von Toyo Ito für das Japanische Kulturzentrum in Paris ist für ein Grundstück an der Seine, nicht weit entfernt vom Eifelturm, konzipiert. Ito stellt seinen Beitrag unter das Bild: Media Ships fl oating on the Seine. Die Grundstückskontur des Dreiecks mit einer gekrümmten Seite führt zu einer geschwungenen Fassade, die in Zuschnitt und horizontaler Gliederung eventuell Reminiszenzen an die, gleichfalls zur Seine hin orientierte (Rück-)fassade des Institut du Monde Arabe (1981-87) aufnimmt. Itos Fassade wird allerdings durch eingebettete Flüssigkristalle und Projektionen medial stärker bespielt und fungiert so als großer Bildschirm, der das Innere nach Außen überträgt, wobei die Transparenz der Fassade gesteuert werden kann. Die drei dahinter „schwebenden Blasen“ sollen Raumschiffe symbolisieren, die Informationen über verschiedene Medien emittieren. Sie beinhalten Sonderfunktionen; eine ist ein „Kontrollraum“ innerhalb der Bibliothek, die beiden anderen auf dem Dach sind VIP-Lounge und Restaurant. Das Gros des Gebäudes besteht jedoch nach wie vor aus Wänden, Decken und Stützen. Über einer Tiefgarage liegt im 2. Untergeschoss ein großer Theaterraum, dessen Höhe mit seinem Zuschauerraum bis ins Erdgeschoss reicht, mit dem Bühnenraum sogar bis ins 1. Obergeschoss. Dieses wird ansonsten durch einen Ausstellungsraum eingenommen. Das 2. bis 4. Obergeschoss enthält Bibliothek und Verwaltung. Die Körper auf dem Dach schließen entweder an den Erschließungskern an, oder werden über eine Wendeltreppe aus dem darunterliegenden Geschoss erreicht. Das Japanische Kulturzentrum ist Itos erster Versuch, frei geformte Räume mit einem Geschossbau zu verbinden. Was in Schnitten und Grundrissen vielleicht noch etwas zaghaft erscheint, wird seiner Absicht nach durch eine Schnittskizze verdeutlicht: Es geht um eine Architektur der medialen Interferenz, wo multiple Schall-, Bild- und sonstige Informationsquellen auf den Besucher einströmen; eine Architektur, in der die Ambitionen von Corbusiers Philips- Pavillon und das urbane Spektakel des Centre Pompidou mit den neuen technischen Möglichkeiten der Informationsgesellschaft konvergieren. Damit ist das Thema bestimmt, an dem Toyo Ito in den 1990er Jahren arbeitet. Der erste Anlauf, den immateriellen Raum der Kommunikation und den realen Raum der Architektur zu vereinen, bedient sich der Überlagerung (layering) als formalen Stilmittels. Ebenso wie sich die aus verschiedenen Richtungen herrührenden Wellen überlagern, so überlagern sich auch die freigeformten Blasen mit dem Stockwerksgefüge. Dabei werden die räumlichen Anforderungen der modernen Kommunikation zunächst überschätzt -das Medienzeitalter greift mit Kapseln und Blasen, die für bestimmte Arten der Diffusion und Rezeption von Information bestimmt sind, zunächst noch auf die Insignien des space age zurück. Gleichzeitig wird die Notwendigkeit, ein adäquates konstruktives Gefüge für die neuen Inhalte zu fi nden, unterschätzt. Später fi ndet Ito subtilere Arten, technische Infrastruktur und die Symbolik frei fl utender Information zu vereinen. Literatur: Andrea Maffei (Hg.): Toyo Ito. Works Projects Writings. Electa, Milano 2001, S. 94-99 Yukio Futagawa (Hg.): GA Architect 17. Toyo Ito 1970-2001. ADA Edita, Tokio 2001, S. 56-57 1 2 187 deep plan seit 1990 Toyo Ito Wettbewerbsentwurf Maison de la Culture du Japon, Paris 1990 1 Modell 2 Querschnitt 3 Längsschnitt 4 Schnittskizze 3 4 5. OG 3. OG4.OG 2. OG EG1.OG Galeries Lafayette, Berlin 1991-96 Die Galeries Lafayette besetzen den größeren Teil eines Blocks in der Berliner Friedrichstraße mit einer Breite von 77 Metern entlang der Friedrichstraße und einer Tiefe von 70 Metern entlang der Französischen Straße. Unterirdisch sind sie in einer Passage mit den zwei angrenzenden Blöcken verbunden. Die Gebäudehöhe beträgt 31 Meter, wobei die Fassade ab einer ‚Traufkante‘ in 22 Meter Höhe wie ein steiles Dach zurückgeneigt ist. Die Nutzfl äche gliedert sich in Warenhaus (ca.60%), Büros (ca.30%) und Wohnungen (ca.10%). Das Erdgeschoss bietet eine innere ‚Plaza‘, die direkt an die Straße grenzt. Diese Plaza von 49 x 41 Metern Fläche wird an den drei Straßenseiten durch einen 14,5 Meter tiefen Perimeter gesäumt, in dem einzelne Shops mit den z.T. raumgreifenden Erschließungs-und Servicekernen sowie den Verbindungskorridoren abwechseln. Rückwärtig hingegen ist eine 9 bis 14 Meter tiefe Servicezone abgegrenzt. Im Zentrum der Plaza angekommen, blickt man aufwärts in das Innere eines großen Kegels, der alle sechs bzw. sieben Obergeschosse durchschneidet und über die Dachfl äche hinausragt. Dieses konische „Pantheon“ empfängt über die Kegelspitze Licht, läßt aber nicht –wie sein Vorbild- Wind und Wetter ins Innere. Es ist auch um ein Drittel kleiner: Der Kegeldurchmesser beträgt an der Decke über dem Erdgeschoss 27 Meter, seine Höhe 31 Meter; die lichte Öffnung im Dach hat drei Meter Durchmesser. Diesem aufwärts gerichteten Kegel setzt Nouvel einen kleineren, erdwärts gerichteten entgegen, der bis in eine Tiefe von 13 Meter hinunterstößt und dabei die Passage im Untergeschoss noch ein klein wenig an dem räumlichen Spektakel der Oberwelt teilnehmen läßt. Zur Belichtung der Bürofl ächen wird die Baumasse von zehn weiteren Kegeln oder Zylindern ausgehöhlt, die alle vom Dach her eingeschnitten sind: Der zentrale Kegel ist in den vier Himmelsrichtungen von vier Zylindern umgeben, die mit einer Höhe von 12 Metern drei Bürogeschosse durchstoßen. In den 45° dazu versetzten Achsen werden, weiter vom Zentrum entfernt, vier Kegel eingeschnitten, die mit einer Höhe von 25 Metern alle 7 Obergeschosse durchdringen. Hinzu kommen zwei kleine Kegel in Fassadennähe, die,wie die Zylinder,nur die drei obersten Geschosse tangieren. Diese Hohlkörper sind, klimatisch gesehen, Zwischenzonen, da sie oberseitig verglast sind; es gibt in ihrer Wandung auch keine öffenbaren Fenster. Die Bürogeschosse sind klimatisiert. Da die Geschosshöhen im Warenhaus größer sind, als in den Büros, stoßen im Schnitt vier Bürogeschosse auf drei Warenhausgeschosse, was aber nicht wahrnehmbar wird, da die Nutzungen ohnehin durch Brandwände separiert sind. Die verschiedenen Geschosshöhen könnten nur in dem Einschnitt an der Friedrichstraße erkennbar werden, wo das Warenhaus bis an die Straße vorstößt; hier kommt jedoch ein ‚Screen‘ zum Einsatz, der die Höhendifferenz kaschiert. Der Geschossversatz wird gestalterisch nicht verwertet. Überhaupt betont die Fassade das horizontale Gleiten der Geschossbänder sehr, vielleicht in einer Reminiszenz an Mendelsohns Kaufhausarchitektur. Den Architekten liegt daran, die kegelförmigen Einschnitte des Inneren an der Fassade sichtbar werden zu lassen. Ein wirksames Mittel dazu ist es, die geneigte Dachfl äche in mehreren aneinanderstoßenden Kreissegmenten verlaufen zu lassen, als ob es jeweils radiale Streifen von Geschossdecke um die Kegel herum gäbe, die zu einer durchgehenden Decke zusammenschmelzen. Hierdurch wird –unter geringstmöglichem Verlust an Geschossfl äche- die Baumasse in ihrer Kontur belebt und die mögliche Dumpfheit des umlaufenden Mansarddaches vermieden. Ein weiteres Mittel ist die Projektion der Kegel auf die Glasfassade durch eine Bedruckung mit wechselndem Transparenzgrad, die leider aber nicht effektiv ist. Eine weitere Maßnahme, bestehend in einem schmalen, tortenstückförmigen Einschnitt über die ganze Gebäudehöhe, der diagonal über die Ecke bis ins Zentrum vorstößt, wird als unrealistisch verworfen. So bieten sich die Galeries Lafayette eher als einheitliches Volumen dar, dessen interessante Innenraumbildung mit den Kegeln nach außen hin kaum wahrnehmbar ist. Jean Nouvel, Ing.: ARUP (Wettbewerb), Polonyi & Fink (Ausführung) Galeries Lafayette, Berlin 1991-96 1 Modellfoto 2 Innenraum Bürogeschoss 3 Schnitt N-S 4 Schnitt N-S in Gebäudemitte 1 2 189 deep plan seit 1990 2.OGEG 5. OG (Büros)6. OG (Büros) 3 4 Im Gegensatz zur Bibliothèque de France von OMA ist bei Nouvel die Fassade nicht als Schnittfl äche durch das Gebäudevolumen aufgefaßt, sondern als eine in sich gestaltbare Hülle, die medial bespielt werden muss. Das Gebot der kommerziellen Plausibilität, nach dem kein Abschnitt des kostbaren, besser belichteten Perimeters verschenkt werden darf, verbietet, dass etwa die Kegel von der Fassade geschnitten würden. Auch im Inneren wird durch die Aufteilung der Bürofl äche in Einheiten bzw. in Einzelbüros keine zusammenhängende Geschossfl äche mit mehreren Kegeln überschaubar. In den drei obersten Geschossen schließen sogar Trennwände der Einzelbüros an die Kegel an. Der Anteil an horizontaler Erschließungsfl äche ist –durch die vielen Kerne und die relativ kleinen Mieteinheiten- in diesen Geschossen recht gering. Erschließung: Bedingt durch die verschiedenen Nutzungen und die Tiefe des Baukörpers ergibt sich bei den Galeries Lafayette eine Vielzahl an separaten Erschließungen, Fluchtwegen, Anlieferungen und Zufahrten, die dazu führt, dass fast 50% des Erdgeschossperimeters durch solche Funktionen belegt sind- den Haupteingang des Warenhauses nicht mitgerechnet.- Die fünf Warenhausgeschosse (1. UG - 3. OG) werden über Rolltreppen und zwei Aufzüge erschlossen. In jedem Geschoss gibt es drei Fluchtwege aus dem Warenhaus, über die man jeweils an der Französischen und der Jägerstraße ins Freie gelangt. Diese Austritte kommen im Erdgeschoss als massive ‚Kerne‘ zu den fünf vertikal durchlaufenden Kernen hinzu, wobei die Fluchtwege der Untergeschosse separat von denen der Obergeschosse an der Straße münden. Von den fünf Hauptkernen liegen vier an der Straße und ermöglichen den Zugang zu Büros, Wohnungen und Tiefgarage. Sie enthalten insgesamt sieben Treppenhäuser und 18 Aufzüge: 15 davon für Personen, drei für Lasten, wobei ‚nur‘ acht Personenaufzüge in die Bürogeschosse hinaufreichen; fünf Aufzüge erschließen allein die Untergeschosse. Das Erschließungssystem beruht also auf der Trennung der verschiedenen Nutzungen, nicht ihrer Verknüpfung. Tragwerk: Die Stahlbetonkonstruktion der Galeries Lafayette hat ein durchgehendes Stützenraster von 8,10 Metern in beiden Richtungen, in das auch die Kerne eingebunden sind. Nur an den Straßenfassaden wird ein halbes Rastermaß von 4,05 Metern hinzugesetzt, das dem Mansarddach und der runden Ecke Rechnung trägt. In einzelnen Bereichen sind Stützen durch Wände auf den Stützenachsen oder direkt daneben ersetzt, wie in den Bürofl ächen um den Mittelkegel im 5.-7. OG, oder in den Wohnungen (1.-5. OG) an der Jägerstraße. Auch die Kegel- und Zylinderlufträume liegen mit ihrem Zentrum jeweils auf einem Kreuzungspunkt des Rasters. Entlang der mittelgroßen Kegel kragen die Geschossdecke jeweils von rautenförmig um die Kegel herum gelegenen Plattenbalken aus. In den unteren Geschossen, bei kleinem Kegelradius, handelt es sich dabei eher um einen kreisförmigen Durchbruch durch eine vierseitig gelagerte Platte. Aufwendiger ist das Tragwerk um den großen Kegel des Warenhauses herum. Die verschiedenen Deckenzuschnitte können nicht mehr über Auskragungen allein abgetragen werden. Über senkrechten Stützen des Erdgeschosses (im Normraster) stehen deshalb acht schräge Stützen radial um den Luftraum. Die daraus resultierende Horizontalkomponente (Zug) in der Deckenebene der Obergeschosse wird durch Plattenbalken aufgefangen, die sie in Kerne oder Umfassungswände einleiten. Diese radial geführten Plattenbalken werden um den Luftraum herum in einem polygonalen Druckringbalken gekoppelt. An der Decke über dem Erdgeschoss treffen die schrägen Stützen auf die Köpfe senkrechter Stützen; auch hier leiten die Plattenbalken die Horizontalkomponente, jetzt als Druck, in die Kernwände. Dabei gibt es eine Winkelabweichung zwischen der radialen Stütze und den orthogonalen Balken, weshalb die äußeren Balkenenden durch weitere kreisabschnittsweise geführte Balken zusammengeschlossen werden. 1 191 deep plan seit 1990 Die Deckenuntersichten sind abgehängt; eine Ablesbarkeit der Konstruktion ist nicht erwünscht. Die Hohlkörper der Kegel haben bei Nouvel auch keine Tragfunktion, wie etwa in Itos Sendai- Mediathek. Dafür sind die Perspektiven durch die Kegel vielleicht eindrucksvoller als bei Ito, da sie nicht mit Erschließung zugesetzt sind, und außerdem durch den Einsatz von gebogenem Glas und massiven Kegelspitzen geometrisch sehr präzise sind. Primär geht es Nouvel darum, sensationelle Raumeindrücke herzustellen; die Konstruktion ist dazu lediglich Mittel, nicht integraler Bestandteil der Raumkonzeption. Die Galeries Lafayette sind das erste realisierte Beispiel für einen tiefen Grundriss, in dem durch Einschnitte der Geschossdecke einerseits die vertikale Dimension der Stapelung erfahrbar wird, andererseits der Einschnitt durch die Verglasung selbst wieder zur Kante eines Raumkörpers wird. Eine Verwandschaft mit den künstlich belichteten, nach oben sich verengenden Atrien von John Portman ist im Luftraum des Kaufhauses noch zu spüren. Aber dies ist kein isolierter Moment; auch die umgebende Baumasse wird durch eine skalierte Version des Kegels umgestaltet. Die Galeries Lafayette sind der Auftakt zu einem Jahrzehnt der ‚solids and voids‘ in der Architektur. Literatur: Iwona Blazwick u.a. (Hg.): Nouvel: Jean Nouvel, Emmanuel Cattani et Associés. Artemis, Zürich 1992, S. 108-111 El Croquis 65/66: Jean Nouvel, Madrid 1994 S. 254-261 Olivier Boissière: After the Rain; in: architecture + urbanism 01/97, Tokio 1997, S. 92-107 Jean Nouvel, Ing.: ARUP (Wettbewerb), Polonyi & Fink (Ausführung) Galeries Lafayette, Berlin 1991-96 1 Querschnitt 2 Axonometrie des Tragwerks vom Erdgeschoß aufwärts, von unten her gesehen 2 Niederländische Botschaft, Berlin 1998-2004 Die Niederländische Botschaft ist ein exakter Kubus von 27m Kantenlänge, der an zwei Seiten von einer Mantelbebauung gerahmt ist. Über die 27m Höhe hat die Mantelbebauung 9, der Kubus 7 bzw. 8 Geschosse über Straßenniveau. Die Mantelbebauung enthält Wohnungen und Fluchtwege für den Kubus. Innerhalb des Kubus sind die beiden obersten Geschosse die einzigen durchgehenden Ebenen. Darunter versetzen sich alle Geschosse einschließlich des Erdgeschosses. Innerhalb des Kubus liegen an der Nordost-Ecke die Geschosse mit geringeren Höhen (deshalb hier ein Geschoss mehr), während über die Südwestecke meist L-förmige Ebenen mit größerer Höhe liegen. Aufzüge (‚Durchlader‘) und Treppe stehen an der Kante dieses Versatzes, der in jedem Geschoss etwas anders geführt ist. Dazu kommt das ‚Trajekt‘ als innere Straße, die an diese verschiedenen Höhen anbindet, aber entlang deren Räume mit einem weiteren, eigenen Höhenniveau liegen, wie der größere Besprechungsraum. Der Kubus enthält unter anderem: Konsulat (EG), Eingangshalle und Versammlungssaal (1.OG), Internetnutzung (2.OG), Besprechungsräume (3.OG), Räume des Botschafters (2.- 5.OG), Fitnessbereich (6.OG), Wohnung des stellvertretenden Botschafters und Café (7.OG). -Die Botschaft beschäftigt 70 Mitarbeiter. Das ‚Trajekt‘ durchdringt -als Fortsetzung der äußeren Erschließung ins Innere- über Rampen und Treppen die Geschosse. Es beginnt in der Eingangshalle, stößt an die Klosterstraße vor, steigt als Rampe an der Außenseite des Kubus in Richtung Spree an, wo es sich, zurück in den Kubus, um 180° wendet und über zwei Treppenläufe Richtung Norden das 4. Obergeschoss erreicht. Hier bietet sich der Ausblick Richtung Fernsehturm durch ein ‚Fenster‘ in der Mantelbebauung. Das Trajekt macht hier erneut eine Kehrtwende und steigt als Rampe nach Süden an. Wieder an der Spreeseite angelangt, windet es sich in Form einer Schlepptreppe um den gegenüber der Fassade zurückgesetzten Fitnessbereich zuerst nach Osten, dann nach Norden und erreicht so das 6. Obergeschoss; von hier aus führt es als Treppe ins 7.Obergeschoss und von dort über eine verfahrbare Öffnung im Dach auf die Dachterrasse. Zusätzlich gibt es drei Aufzüge und ein Treppenhaus. Das Konzept der Bibliotheken von Jussieu ist hier mit einer stärkeren Trennung zwischen Erschließung und Nutzung Wirklichkeit geworden: Die verschiedenen Funktionen liegen entlang des Trajekts tatsächlich wie Einzelbauten an einer Straße. Die Besprechungsräume öffnen sich dahin wie Läden mit ihren Schaufenstern. Es sind allerdings eher die öffentlichen Funktionen, die am Trajekt liegen, während andere Bereiche (der des Botschafters) ‚in zweiter Reihe‘ liegen, d.h. eher durch die Aufzüge erschlossen werden. Tragwerk: Die holländische Botschaft stellt einen Sonderfall dar: Während fast alle tiefen Grundrisse bis jetzt freie Grundrisse, d.h. im Skelettbau realisiert waren, ist das Botschaftsgebäude ein maßgeschneiderter ‚Raumplan‘ in einem hybriden Tragwerk aus Schotten und Stützen, die im räumlichen Verbund mit den Ebenen tragen. Das komplexe, sich nirgendwo wiederholende Tragwerk kann nur vereinfachend dargestellt werden. Es ordnet sich dem räumlichen Konzept unter und richtet sich an bestimmten gestalterischen Vorgaben aus: Nicht gewünscht waren offenkundig: Stützen hinter der Fassade, Stützen im Trajekt, Unterzüge. Die Decken sollen nicht mehr –wie in Jussieu- wie auf die Stützen aufgefädelt wirken. Stattdessen sind die Boden-, Wand- und Deckenfl ächen von Einzelvolumina innerhalb des Gebäudevolumens zusammengeschlossen und werden statisch herangezogen. Die Decken sind 34 Zentimeter starke Flachdecken mit Betonuntersicht und 18 Zentimetern Hohlraumboden. OMA / Rem Koolhaas, Ing.: ARUP, Berlin: Niederländische Botschaft, Berlin 1998-2004 1 Ansicht von der Spree (Süden) 2 Schnitt N-S Dachaufsicht 10. OG 9. OG 8. OG 1 2 193 deep plan seit 1990 Die zunächst einzigen, als vertikal durchlaufend zu erkennenden Elemente sind die leicht außermittig gesetzten zwei Aufzugskerne, die sich –da in einer Achse liegend- in manchen Geschossen mit Toiletten zu einem einzigen Kern zusammenschließen. Diesem Kern ist das zentrale Fluchttreppenhaus zugeordnet, das sich jedoch über dem 2. Obergeschoss von der Ostseite an die Südseite des Kerns verlagert. Sein sich von hier aus nach oben erstreckender Teil muss in den drei unteren Geschossen folglich über zwei Stützen abgefangen werden, deren prominentere als schräg in den großen Saal vorstoßender, kräftiger Pfeiler ausgebildet ist. Diese Stützen nehmen auch, zusammen mit einer massigen Stütze dreieckigen Zuschnitts hinter der Südfassade die Lasten aus zwei zur Südfront gerichteten, mehrgeschossigen Schotten auf, die mit einer Querschotte gekoppelt sind. Diese Querschotte liegt auf der Dreiecksstütze an der Südseite auf und setzt sich einem Knick nach Osten fort, wo sie nach unten geführt wird. Sie hat eine Parallele, knappe 4 Meter weiter südlich. Zwei weitere geschosshohe Träger sind mit den Seitenwänden des kleineren Besprechungsraums gegeben. Sie lagern auf dem Stumpf des unteren Treppenkernes und –über eine Schotte und eine schräge Stütze- ebenfalls auf der kräftigen, mit Pfeilervorlagen versehenen Ostwand des 1. Obergeschosses auf. Auch sie sind durch eine dazwischengespannte Querschotte gekoppelt. Auf den beschriebenen geschosshohen Trägern stehen in den beiden obersten Geschossen wieder Stützen oder Wände, jedoch in einem orthogonalen System. Demgegenüber ist das Tragwerk an Nord-und Westseite vergleichsweise überschaubar, da hier die Decken ‚nur‘ an die Fassade auskragen; an der Nordeite gibt es noch zwei geschosshohe Kragschotten. Der Wunsch, keine Stützen hinter der Fassade zu haben, führt zu relativ großen Auskragungen der Geschossdecken, auch über die Gebäudeecken. Zur Begrenzung der Differenzverformung der auskragenden Decken sind am Deckenrand Stahl-Rechteck-Hohlprofi le angeordnet. Sie führen zu einem engen Raster in der Fassade. Überall dort, wo diese enge Stellung der Profi le nicht gewünscht ist (EG Nord/Ost-, 1.OG Westseite) müssen stattdessen am Rand Stahlbetonstützen in größerem Abstand gestellt werden. Die Elemente des Tragwerks sind also neben den Kernen vor allem geschosshohe Wände, die auf Stützen der unteren Geschosse ruhen, und ihrerseits wieder Lasten aus Stützen der oberen Geschosse aufnehmen. Diese Wände ruhen zum Teil auch auf darunterliegenden, quer zu ihnen verlaufenden Wänden, sodass sich vergleichsweise geringe Querschnitte für die Lasteinleitung ergeben, die wiederum einen hohen Bewehrungsgrad zur Folge haben. Die einzige Grundregel scheint zu sein, dass Stützen, die auf Wänden stehen, mit ihrem Zentrum immer auf der Längsachse der darunterliegenden Wand stehen müssen, sodass sich zumindest keine exzentrische Lasteinleitung bzw. eine eventuelle Belastung der Geschossdecke ergibt. Durch das Zusammenwirken von –im Verhältnis zum Kern gesehen- radialen (Krag-) Schotten und tangentialen Querschotten entsteht im Verbund mit den Decken ein gegen Horizontallasten im Gesamtbauwerk und Torsion in den einzelnen Schotten steifes Gebilde. Hinzu kommen in Stahl ausgeführte Sonderbereiche wie der aus der Gebäudekubatur heraustretende Teil des Trajekts, dessen Boden von der auskragenden Geschossdecke abgehängt ist, die Deckenuntersicht des Trajekts an der Südseite mit ihrer stählernen Unterkonstruktion, oder der auskragende Konferenzraum an der Westseite mit seinen Diagonalen. 7.OG 6. OG 5.OG 4. OG 3 4 3 Schnitt W-O 4 Schnitt N-S Die Tragwerkskonzeption verzichtet auf jedwedes durchgreifende formale Schema. So wäre ja vielleicht ebenso eine ‚Hängehaus‘-Variante möglich gewesen: Ein geschosshoher Vierendeelrost im obersten Geschoss, von dem die verschieden zugeschnittenen Ebenen abgehängt wären. Es war jedoch die Absicht, auf solche, letztlich immer noch modernistischen und vielleicht etwas brachialen Tragkonstruktionen zu verzichten (wie sie das ZKM, wenn auch in ‚informeller‘ Ausprägung noch gekennzeichnet hatten), und stattdessen –dem kleineren Maßstab angemessen- das ‚Wohnliche‘ an diesem Botschaftsbau zu betonen. Eine ‚Hängehaus‘-Variante hätte auch nicht der Dramaturgie in der vertikalen Abfolge der Räume im Würfel entsprochen. Jetzt braut sich –an der bewegten Deckenuntersicht und dem schrägen Pfeiler zu ahnen- über dem großen Saal des 1.Obergeschosses ein räumlich-konstruktives Drama zusammen, das sich in den drei bzw. vier darüberliegenden Geschossen entlädt, während die beiden obersten Ebenen demgegenüber wieder stärker beruhigt wirken. Die Seitenwände des Trajekts haben z.T. tragende Funktion. Das Trajekt fungiert jedoch auch als Zuluftschacht: Frischluft wird mit Überdruck ins Trajekt eingeblasen und strömt von dort in die angrenzenden Räume; die Kastenfenster der Fassade dienen hingegen als Abluftschächte, in denen die Abluft, von Ventilatoren unterstützt, nach oben hin abgeführt wird. Schmale Öffnungsfl ügel in den zurückgesetzten ‚Nuten‘ der Fassade ermöglichen direkte Belüftung. Die Niederländische Botschaft ist ein Amalgam aus verschiedensten Traditionssträngen. Die Rampenerschließung mag an das Visual Arts Center in Harvard erinnern – den anderen großen Bau eines „Visionärs“ auf gewissermaßen „feindlichem Terrain“. Die „Nadelstreifenoptik“ der Botschaftsfassade als Reverenz an Mies zu interpretieren, führt auf eine falsche Fährte. Mit dem Rückgriff auf den Loos‘schen Raumplan knüpft die Botschaft innenräumlich an eine dritte Grundkonzeption der europäischen Moderne an. Literatur: Kristin Feireiss (Hg.): Die Niederländische Botschaft in Berlin. OMA/Rem Koolhaas. Aedes, Berlin 1998 Niederländische Botschaft Berlin (Die Neuen Architekturführer Nr. 50). Stadtwandel-Verlag, Berlin 2004 Francois Chaslin: Dutch Embassy Berlin. NAi Publications, Rotterdam 2004 Rem Koolhaas: Dutch Embassy; in: Content. Taschen, Köln 2004, S. 360-371 DETAIL 10/2004, S.1138-1142 Ciro Naile: Post-Corbusieranism (sic!) in the Netherlands Embassy in Berlin by Rem Koolhaas; in: Quaderns 241, 2004, S. 90-92 3.OG 2. OG 1.OG EG 1 2 195 deep plan seit 1990 Niederländische Botschaft 1 Saal im 1.OG 2 Trajekt 3 Schotenstruktur, ohne Geschoßdecken und Fassadenstützen 4 Schottenstruktur mit Fassade überlagert 5 Rohbau. rosa=Beton, orange=Stahl 3 4 5 Centro de las Artes, A Coruña, 2001-07 Der ‚generische Kubus‘ (38 x 38m Grundfl äche, 28m hoch) des Kunstzentrums in A Coruña erhält seine Besonderheit dadurch, dass in ihm zwei separate Nutzungen wie siamesische Zwillinge zusammengespannt sind: Tanzakademie (Conservatorio de Danza) und Museum (Museo de la Diputación) haben nach Meinung der Architekten Acebo und Alonso in Funktion, interner Organisation und Ausdruck nicht viel gemeinsam. Deshalb gibt es keine interne Verbindung zwischen diesen Nutzungen. Sie bewohnen zusammen einen Würfel, ohne voneinander zu wissen: Ein Betongehäuse beherbergt die Tanzakademie, während das Museum die Oberfl ächen dieses Gehäuses belegt, das in eine kubische Glashülle eingelassen ist. Während die Tanzakademie folglich aus einzelnen, voneinander abgeschotteten Räumen besteht, ist das Museum eine Art Raumplan: Ein großer, zusammenhängender Raum auf sechs verschiedenen Höhenniveaus. Haupteingang des Museums ist im Norden, der der Tanzakademie im Westen. Beide benutzen denelben Erschließungskern, aber auf gegenläufi gen Treppen und mit Aufzügen, die sich als Durchlader geschossweise in einander entgegengesetzte Richtungen öffnen. Ein kleiner Schönheitsfehler im Konzept ist dadurch bedingt, dass die Programmfl äche der Tanzakademie wesentlich kleiner als die des Museums ist, sodass die Betonskulptur auch Museumsnutzungen enthält (Büros im 4.OG). Auch der Veranstaltungssaal ist –obwohl der Betonskulptur zugehörig- dem Museum zugeordnet. Die Tragstruktur besteht aus den Wänden des geräumigen Kerns (14 x 12m), an die die Wände der Röhren als geschosshohe Träger anschließen. An der Peripherie lagern diese auf den stählernen Vierendeelstützen der Fassade, die so Primär-und Fassadenkonstruktion in eine Schicht integrieren. Durch Verkleidung des Fassadentragwerks mit Gläsern verschiedenen Transparenzgrades entsteht eine Doppelfassade von 80 Zentimeter Tiefe, die die Tragstruktur nur unscharf durchschimmern läßt. Die Materialien sollen das Thema der Dualität weiterspinnen, indem der massive Beton des ‚Baums‘ und die aufgelöste Stahlkonstruktion des Perimeters kontrastiert werden. Die horizontale Brettschalung soll an der Außenseite der Betonskulptur die verschiedene Orientierung der Seitenfl ächen im Raum lesbar unterstreichen, während das Innere der Röhren mit einer Vorsatzschale zur Installationsführung und Schallabsorption versehen wird. Die Architekten arbeiten die einzelnen Röhren der Betonskulptur mit viel Aufwand als eigenständige Körper heraus, indem die Oberkante des Fertigfußbodens an der Oberseite einer Röhre auf derselben Höhe liegt, wie die Unterkante der, ein Geschoss höher liegenden, unmittelbar benachbarten Röhre. Das bedeutet, dass sich die Rohbaudecke innerhalb eines Geschosses höhenmäßig versetzen muss, je nachdem, ob es sich um Ober-oder Unterseite eines Körpers handelt. Das Centro de las Artes ist eine Rekapitulation mehrerer bereits bekannter Themen, wie der Dichten Packung, der räumlichen Verschränkung verschiedener Nutzungen, der Körper in einer Hülle und eines Raumplan-Konzepts. Literatur: El Croquis 119: Sistemas de trabajo [I], Madrid 2004, S. 41-51 Kaye Geipel: Zwei Funktionen, ein Bau; in: Bauwelt 40-41/2006, S. 26-29 El Croquis 136/137: Sistemas de trabajo [II], Madrid 2007, S. 366-389 1 2 197 deep plan seit 1990 Victoria Acebo y Angel Alonso Alejandro Bernabeu (TW): Centro de las Artes, A Coruña, 2001-2007 1 Ansicht 2 Innenraum 3 Modell 4,5 Schnitte 3 4 5.OG 3.OG 4.OG 2.OG 1.OG EG 5 13 5 9 7 12 2 8 6 11 4 10 199 deep plan seit 1990 Poröse Strukturen / Räumliche Matrizen Handelte es sich bei den Lufträumen der Solid and Void- Architekturen noch um Leerräume, die mit der Tragstruktur des Gebäudes nichts zu tun hatten, so sollen hier Beispiele untersucht werden, bei denen die vertikalen und horizontalen Lufträume nicht nur die Funktion haben, Tageslicht ins Innere einzulassen, sondern auch Trag- und Erschließungsfunktion übernehmen. Die „Poren“ sind in der Mediathek Sendai in die Tragstruktur eingearbeitet; sie sind keine Leerräume, sondern dienen der Medienführung, wie Kapillaren in einem porösen Material. Es liegt nahe, Itos Konzeption für Sendai auf die Architektur der japanischen „Metabolisten“ zurückzuführen; Kenzo Tanges Gebäude in Kofu kann in Dimension und Binnenstruktur mit der Mediathek Sendai in Zusammenhang gebracht werden. Das Konzept für die Mediathek überdenkt die Zuordnung von Programm zu Raum, von dienenden zu bedienten Räumen mit einer Radikalität, wie vorher nur das Centre Pompidou von Piano und Rogers. Gänzlich neu ist, wie diese hochtechnisierte Baukonstruktion mit einer informellen Geometrie konfrontiert wird, die die Naturanalogien besonders deutlich werden läßt. In den zeitlich nachfolgenden Projekten versucht Toyo Ito, die Konzeption aus Sendai weiterzuentwickeln. Das wesentlich größere Projekt für Vestbanen, Oslo 2002, operiert dabei mit größeren Lufträumen, aber auch größeren Deckenspannweiten. Die Anordnung von Voids am Rand des Blocks öffnet dabei das Volumen stärker, als dies in Sendai der Fall ist. Entsprechend den polygonalen „Crystal Voids“ wird auch die Geschossfl äche in eine Vielzahl polygonaler Zellen unterteilt. Diese zellenartige Aufteilung ersetzt endgültig das Raster als geometrische Basis des Grundrisses durch ein Netz. Die Größe des Projekts und die Freistellung der Voids in den oberen Geschossen lassen das Projekt für Vestbanen als –falls es so etwas gibt- eine Art „informeller Megastruktur“ erscheinen. In eine andere Richtung gehen Itos Minimalfl ächenprojekte. Dass die Auskleidung einer Matrix polyedrischer Zellen mit periodischen Minimalfl ächen räumliche Gebilde ergibt, bei denen zwei Raumgruppen jeweils dual einander umfassen, haben vor Ito schon die australischen Architekten Minfi e Nixon (Corner Study, Melbourne 2001) und die holländische Archiprix-Preisträgerin Marion Regitko (Curved Building, 2001) „entdeckt“. Diese Matrizen sind normalerweise durch die Gleichartigkeit ihrer Raumgrößen nicht sehr vielfältig einsetzbar. Ito schlägt solche Systeme zuerst für die Oper in Gent, 2002 zusammen mit Andrea Branzi, und später für das Taichung Opera House, 2005 vor. Der zweite Wettbewerbsbeitrag ist erfolgreich, sodass die Umsetzung des Schemas in die Wirklichkeit zu erwarten ist. Für das Raumprogramm eines Opernhauses müssen die verschiedenen Zellen naturgemäß sehr stark skaliert werden. Durch die Anwendung einer einzigen Oberfl äche, die Boden, Wand und Decke nahtlos ineinander übergehen läßt, kann man diese Projekte auch wieder unter der Rubrik „Glatter Raum“ verbuchen. Schon bei der Voltaschule Basel, 1997-2000 entstanden Innen- und Außenräume aus ein und derselben Struktur, hier in einer Annäherung an strukturalistische Prinzipien der 1960er Jahre. Aber gegenüber den locker verketteten Einheiten des strukturalistischen Bauens sind bei der Voltaschule die Elemente Decke und Wand konstruktiv miteinander verzahnt und in ihrer Tragfunktion voneinander abhängig: Die Decken werden nur dank der Schotten an ihrer Stelle gehalten, aber die Schotten sind dort, wo sie ausgeschnitten sind, um Kommunikation in Querrichtung zuzulassen, auf die statische Mitwirkung der Decken angewiesen, um ihre Tragfunktion im Überspannen der zuunterst liegenden Sporthalle zu erfüllen. Durch die Lochfassaden teilt sich die Komplexität der Tragstruktur und des Gebäudeschnitts nicht nach außen mit; sie kann nur im Inneren erfahren werden. Beim Projekt für das Diözesanmuseum Köln von van Berkel und Bos ist die Konzeption des Hängehauses –ein in den 1970er Jahren beliebtes Tragwerksschema des Hochhausbaus- durch die Besonderheit des Grundstücks nahegelegt. Das Konzept erfordert einen geschosshohen Trägerrost im obersten Stockwerk, der von drei Kernen gestützt wird, und von dem die darunterliegenden Etagen abgehängt sind. Van Berkel und Bos bereichern das Schema des Hängehauses um vertikale Vitrinen, die sich in ihren Grundrissdimensionen an den Zugstäben orientieren. Insofern sind hier Lichtführung und Tragwerk verbindlicher miteinander verknüpft, als z.B. in den Galeries Lafayette. Als Fassade sehen die Architekten eine schwarze, weitgehend geschlossene und in ihrer Oberfl äche leicht gekrümmte Hülle vor, die die porösen Struktur nach außen als massiven Körper erscheinen läßt. 1 Kenzo Tange: Sende-und Zeitungshaus Yamanashi in Kofu, 1961- 66 Poröse Strukturen: 2, 3, 4 Toyo Ito: Mediathek Sendai, 1996-2001 5 Van Berkel & Bos: Diözesanmuseum Köln, Wettbewerbsprojekt 1997 6, 7 Miller & Maranta: Voltaschule Basel 8, 9, 10 Toyo Ito,: Vestbanen, Oslo; Wettbewerb 2002 11, 12 Toyo Ito: Taichung Opera House Poröse Strukturen / Räumliche Matrizen Mediathek, Sendai 1995-2001 Der Bau der Mediathek Sendai ist Ergebnis eines 1995 entschiedenen offenen Wettbewerbs. Anlaß ist durch den Raumbedarf für vier unterschiedlicher Institutionen gegeben: So soll in dem neuen Gebäude die Sendai Civic Gallery ebenso Platz fi nden, wie eine Filiale der Sendai Public Library; erwartet werden auch Verbesserungen für das Sendai Audiovisual Learning Center und zusätzlich soll ein Informationszentrum für Seh-und Hörgeschädigte eingerichtet werden. Diese Anforderungen werden in das Programm einer ‚Mediathek‘ als eines neuen Bautyps integriert, unter Bezugnahme auf das ZKM in Karlsruhe und das Carré d‘ Art in Nîmes. Itos Intention ist es, ein prototypisches Gebäude zu schaffen144: Ein System, das fähig ist, alle programmatischen Bedingungen zu erfüllen, die aufkommen könnten. Die Mediathek Sendai besteht aus drei grundlegenden Architekturelementen: Decken (Ebenen), Röhren (Stützen) und Haut (Fassade, Außenwand). Ito kontrastiert Mies‘ universellen Raum mit Le Corbusiers Domino. Unter dem universellen Raum bei Mies versteht er ein dreidimensionales Raster aus Stützen und Trägern in Stahl, unter Domino Stützen und Flachdecken in Beton. Seine Mediathek sieht er als eine Fortentwicklung des Domino-Prinzips: Durch die Flachdecke in Stahl kann die Spannweite erhöht werden; durch die Querschnittsvergrößerung der Stützen sind diese fähig, Erschließung, Installation, Belichtung und Belüftung zu übernehmen. Durch die informelle, fast zufallsmäßige Plazierung der Röhren im Grundriss und die Deformation über ihre Länge wird dem Entstehen eines uniformen Raums vorgebeugt und stattdessen die Einzigartigkeit der verschiedenen räumlichen Situationen betont. Die Raumerfahrung ähnelt einem Gang durch den Wald. Die freie Stellung von Bäumen im Wald erzeugt Räume, in denen Menschen zwanglos agieren können... Itos Hoffnung ist, in Sendai differenzierte Räumlichkeiten zu schaffen, Orte statt (abgeschlossener) Räume. Die einzelnen Grundrisse werden als Spielfelder verstanden: These fi ve years, as each fl oor has continued to evolve, we’ve drawn an incred ible number of fl oor plans. All of them are quite abstract, square- framed diagrams an which the activities for each fl oor are indicated only in brief symbolic notation. They almost look like gameboards where the markings show a game in play. Unlike the typical fl oor plan completely constrained by established prac tices, these Sendai fl oor plans seem to function a bit more freely. Whether or not the game will continue past the completion of the building is anyone’s guess. Die Mediathek Sendai stapelt auf einer Grundfl äche von 50 x 50 Metern sechs oberirdische Geschosse über zwei Untergeschossen, zuzüglich eines Mezzanins über dem 2. Obergeschoss und eines Technikgeschosses auf dem Dach. Bei einer Gesamthöhe von 35,50 Metern über Straßenniveau variieren die Geschosshöhen zwischen 3,90 und 7,40 Metern.- Das Erdgeschoss hat den Charakter eines öffentlichen Platzes inklusive einer Bühne und wird ergänzt durch Café, Shop und Informationstheke; rückwärtig wird angeliefert. Im 1. Obergeschoss befi ndet sich das ‘Informationszentrum’ mit Zeitungen, Internet; außerdem Kinderbücherei und Büros. Im 2. Obergeschoss und seinem Mezzanin (3. OG) liegt die Bibliothek. Das 4. und 5. Obergeschoss werden als Kunstgalerie genutzt, wobei das 4.OG drei vermietbare Galerien kleineren Zuschnitts hat, während das 5.OG ein zusammenhängender Großraum ist. Das 6.OG steht den audiovisuellen Medien zur Verfügung; hier ist neben einem Kino auch die Verwaltung angesiedelt. Auf dem Dachgeschoss schließlich sind die Technikräume für die Klimaanlage untergebracht. Die tragenden Röhren sind fast alle bis hier hochgezogen und tragen eine pergola-artige Struktur, sodass dieses Geschoss als Freiluftgeschoss wirkt. Das 1. Untergeschoss wird durch die Tiefgarage belegt, während das 2. UG Technikräume aufnimmt; ein Büchermagazin erstreckt sich über beide Untergeschosse. Von den 13 Röhren enthalten zwei Röhren Treppenhäuser, eine einen Lastenaufzug; in vier Röhren fahren Personenaufzüge; zwei Röhren führen Installationen und die vier Röhren mit dem kleinsten Durchmesser sind Lichtschächte. Entlang der Westseite des Gebäudes verlaufen Fluchttreppen über alle Geschosse vor der Fassade. 1 2 3 6. OG 4. OG 1. OG Toyo Ito, M. Sasaki (TW): Mediathek Sendai, 1996-2001 1: Ansicht 2: Innenraum Erdgeschoss 201 deep plan seit 1990 Tragwerk: Die Ebenen werden durch 13, in Stahlfachwerke aufgelöste Röhren (Tubes) mit Durchmessern zwischen 2,70 und 9,00 Metern getragen. Diese Röhren sind locker zu drei Reihen gruppiert und stehen so entlang der Südfront, der Nordseite und in der Mitte der Ebenen. Die vier Röhren mit großem Durchmesser an den Gebäudeecken sind auf die Aufnahme von Horizontallasten hin ausgelegt, d.h. Wind, vor allem aber seismische Belastungen. Sie sind als Stahlfachwerke von dreieckigen Feldern mit 24 Zentimeter starken Rundhohlprofi len ausgebildet. Die restlichen Röhren tragen lediglich Vertikallasten ab. Die einzelnen Profi le bilden hier kein Fachwerk, sondern es gibt zwischen den vertikalen Profi len je nach Geschosshöhe ein bis zwei, sich zum Ring schließende Querverbindungen zwischen den Einzelprofi le, die deren Knicklänge reduzieren. Die runden Hohlprofi le haben Wanddicken zwischen 9 und 40 Millimetern. Im 1. Untergeschoss materialisieren sich die Tubes als im Ring aufgestellte, 40 Zentimeter dicke Hohlprofi le, die bei den vier Eckstützen mit Horizontalen zu einer Art Vierendeelsystem verbunden sind. Diese Horizontalen sollen im Fall eines Erdbebens nachgeben können, wodurch die plastischen Verformungen auf das 1. Untergeschoss konzentriert würden – eine von mehreren Maßnahmen zur Erdbebensicherheit. -Im 2. Untergeschoss sind die Röhren massiv aus Stahlbeton. Die Geschossdecken spannen zwischen den Röhren bis zu 20 Meter mit einer statischen Höhe von nur 40 Zentimetern. Sie bestehen aus einer Wabenstruktur von Stahlrippen, die mit Stahlblechen an Ober-und Unterseite verschweißt ist. Diese Bleche sind im Feld 6 bis 12 Millimeter, am Aufl ager 16 bis 25 Millimeter stark. Die Wabenstruktur hat unterschiedliche Dichtezonen: Im Feld zwischen den Röhren sind die einzelnen Zellen 1 x 4 Meter, bzw. 1 x 3 Meter groß; in Stützennähe messen die Zellen 1 x 1 Meter; um die Stützen herum schließlich stellt ein Dreiecksnetz aus 6 Millimeter starken Rippen den Übergang zwischen den rechtwinkligen Zellen und den kreisförmigen Randträgern der Lufträume her. Auf diese 40 Zentimeter starke Stahlkonstruktion wird eine 7 Zentimeter starke Schicht Beton aufgebracht, wobei der Verbund mit dem Stahl über Scherverbindungen hergestellt wird, die auf die Stahlplatte geschweißt sind. Darüber liegt ein aufgeständerter Boden von 18,5 Zentimetern, an der Unterseite hingegen eine abgehängte Decke von 25 Zentimetern, sodass das gesamte Deckenpaket 90,5 Zentimeter stark wird. Nachdem die Wabenstruktur der Decken im fertiggestellten Gebäude nicht mehr sichtbar ist, kann man einen Eindruck davon im Anblick der auf dem Dach gelegenen Pergola gewinnen, die dieselbe Maschenweite wie die Geschossdecken hat. Die Röhrensegmente werden in Abschnitten von der Höhe eines Geschosses in der Fabrik vorgefertigt. Beim Bauprozess werden über einer fertiggestellten Geschossdecke die Röhren immer zunächst über zwei Geschosse hochgezogen, bevor die Decke an den nächsten Randträger angeschlossen wird. Der Bereich der Wabenstruktur um die Röhren herum ist –in acht Segmente aufgeteilt- ebenfalls in der Fabrik vorgefertigt. Die Geschossdecken schließen mit der oberen Deckplatte der Wabenstruktur an die ringförmigen Randträger der Röhren an. Brandschutz: Die Stützen sind aus feuerbeständigem Stahl hergestellt; ebenso die Unterseite der Geschossdecken dort, wo sie sichtbar ist (EG, 1., 5.+6. OG). Die Oberseite der stählernen Geschossdecken hingegen ist durch den Aufbeton brandgeschützt. Neun der 13 Röhren sind abschnittsweise oder über ihre gesamte Höhe aus Brandschutzgründen verglast (oder weil sie als Luftschächte dienen). Die Verglasung der Röhren besteht aus insgesamt über 1.500 verschieden zugeschnittenen Glastafeln in drei verschiedenen Glastypen, je nach Brandschutzaufl agen in dem entsprechenden Geschoss. Natürliche und künstliche Belichtung: Durch die Tiefe des 50 x 50 Meter- Grundrisses wäre –ohne korrigierende Maßnahmen- die Leuchtdichte am Tag in Fassadennähe 100mal größer als im Zentrum. Die Lichtplanung kompensiert diesen Unterschied, indem die mittleren Röhren als Quelle natürlicher Belichtung herangezogen werden und der Lichteintrag durch die Fassade reduziert wird. An der Oberseite der lichtleitenden Röhren sind Felder von lichtlenkenden Prismen angebracht, 4 5 5. OG 2. OG EG 3: Schnitt Mittelachse 4: Schnitt Straßenachse 5: Innenraum Erdgeschoss die dem Sonnenstand automatisch nachgeführt werden, und über die Sonnenlicht ins Innere der Röhren einfällt. Die künstliche Belichtung unterstützt nach außen hin das Gebäudekonzept der gestapelten Ebenen: Bei Nacht zeigt sich, dass jedes Geschoss der Sendai Mediathek in einer verschiedenen Lichtfarbe beleuchtet ist. Dabei werden die Farben nach oben hin wärmer, während die Röhren von innen in einem kalten Blau angestrahlt werden. Technologisch stößt die Sendai-Mediathek in einen Bereich vor, der mehr mit Schiffsbau als mit konventionellem Geschossbau zu tun hat- Teile der Tragstruktur wurden in der Tat von Schiffsbauern hergestellt. Die Annahme des Tragwerksplaners, dass die Tragstruktur 50% der Baukosten ausmachen würde, ist zwar nicht ganz erfüllt worden; trotzdem ist das Gebäude konstruktiv nach Materialeinsatz und Arbeitsaufwand eine tour de force. Vom Konzept her als Prototyp angelegt, ist es in der Materialisierung ein Unikat.- Programmatisch knüpft Itos Gebäude an Institutionen wie das Centre Pompidou an, die sich von einem statischen, elitären Kulturverständnis verabschieden und stattdessen einen schwellenlosen Zugang zu Kultur und Information ermöglichen wollen.145 Itos Schlagwort vom ‚convenience store of media‘146 erinnert stark an den ‚kulturellen Supermarkt‘ von Piano und Rogers. Auch die Abneigung gegen innenäumliche Grenzen teilen die beiden Projekte. Auch Ito will statt eines Gebäudes eine Erweiterung der Straße in die Vertikale. Der Unterschied liegt in der Gebäudestruktur, die beim Centre Pompidou zwar sehr sophisticated, aber eben doch repetitiv ist, während Ito sich nicht scheut, über die Primärkonstruktion stärker in der Nutzung der Ebenen zu interferieren. In beiden Fällen wollen die Architekten zwanglose, spontane Aktion auf der Geschossfl äche ermöglichen, aber während die Geschosse des Centre Pompidou in der Anfangsphase vollkommen leergeräumt sind, bietet die Sendai-Mediathek Nischen und räumliche Differenzierungen an, die nicht nur dem Kollektiv, sondern auch dem Individuum gerecht werden können. Literatur: Vollständige Bibliographie in: Tomoko Sakamoto, Albert Ferré: Toyo Ito: Sendai Mediatheque. Actar, Barcelona 2003 El Croquis: Mundos III. Madrid, 1998, S. 194-211 Toyo Ito: Under Construction; in: Andrea Maffei: Toyo Ito. Works Projects Writings. Electa, Milano 2001, S. 351-355 Andrea Maffei: Toyo Ito. Works Projects Writings. Electa, Milano 2001, S. 232-259 Toyo Ito: Blurring Architecture. Charta, Milano 1999 JA Japan Architect: Toyo Ito. Tokio 2001 Ron Witte, Hrg.: CASE: Sendai Mediatheque. Prestel, Munich 2002 Dana Buntrock: Japanese Architecture as a Collaborative Process. Spon, London 2002 Yukio Futagawa (Hg.): Toyo Ito: Sendai Mediatheque. GA (Global Architecture) DETAIL. ADA Edita Tokio, 2002 Anette Le Cuyer: Stahl und Co. Birkhäuser, Basel Boston Berlin 2003, S. 74-79 El Croquis 123: Toyo Ito. beyond modernsim. Madrid, 2004, S. 46-101 Toyo Ito, M. Sasaki (TW): Mediathek Sendai, 1996-2001 1 Tubes & Plates 1 203 deep plan seit 1990 Diözesanmuseum Köln; Wettbewerbsprojekt 1997 Der Beitrag von Ben van Berkel und Caroline Bos erhält 1997 im Wettbewerb um den Neubau des Diözesanmuseums in Köln den fünften Preis. Die Konzeption des Museums als ‚Hängehaus‘ leitet sich daraus her, dass der Neubau über den Ruinen der Kirche St. Kolumba errichtet werden soll. Um mit diesem archäologisch wertvollen Terrain möglichst wenig zu interferieren, wird die Anzahl der Aufl ager für den neuen Baukörper reduziert: Vier Kerne stützen einen begehbaren Trägerrost aus sich kreuzenden Wandschotten im obersten Geschoss, von dem drei Geschosse abgehängt sind. Vertikale Lufträume, die vom Dach her in den Baukörper eingeschnitten sind, lassen auch in die unteren Etagen Licht gelangen, obwohl die Außenfassaden überwiegend geschlossen sind. Ebenso sind von der untersten Ebene her Lufträume nach oben hin hochgestülpt, sodass sich über der Ausgrabungsebene verschiedenste Raumhöhen einstellen. Diese zweite Gruppe von Lufträumen, als Vitrinen bezeichnet, stellt einen ausstellungsthematisch motivierten Blickbezug von den Ausstellungsgeschossen hinunter in die Ausgrabung her. Die vier Kerne enthalten zwei Personenaufzüge, einen Lastenaufzug, ein Fluchttreppenhaus und Toiletten. Eine weitere Treppe ist als ‚freie‘, einläufi ge Treppe entlang einer Schotte dargestellt. Intention der Autoren ist es, ein poröses Volumen herzustellen, das differenziert, aber homogen erscheint. Die tiefen Grundrisse dieses Museumsprojekts entstehen als Geschossfl ächen innerhalb der tiefen Kubatur, die nach dem Abzug der Lufträume verbleiben. Infolge der vielen Durchblicke von den Ebenen auf darunter-oder darüberliegende Ebenen würde das Gebäudevolumen innenräumlich vermutlich als Kontinuum erfahrbar werden, während durch die Schottenstruktur der Eindruck durchgehender Geschossebenen aufgehoben werden würde. Das poröse Volumen könnte tatsächlich entstehen. Genau diese räumliche Mehrdeutigkeit führt aber auch dazu, dass sich das Preisgericht nicht für diesen Entwurf entscheidet. Literatur: Kolumba. Ein Architekturwettbewerb in Köln 1997. Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln 1997, S.156-161 Ben van Berkel, Caroline Bos: move 1: Imagination, S.266-285 UN studio van Berkel & Bos: Diözesanmuseum, Wettbewerbsprojekt, 1997 1,2: Schnitte 3: Modell 3. OG 2. OG 1. OG EG 1 2 3 Voltaschule Basel, 1997-2000 Die Voltaschule steht im Norden Basels in einem städtebaulich dispersen, atmosphärisch eher rauen Umfeld. Das Grundstück war zuvor von einem Tanklager besetzt, an dessen Rest die Schule nun mit einer Brandwand grenzt. Der 34 Meter breite und 39 Meter tiefe Baukörper steht in der Baugrube des abgerissenen Öltanks. Der Eingang liegt an der Ostseite, wo die Schule von einem vom Vorplatz her, der gleichzeitig als Schulhof dient, betreten wird. Von hier aus erreicht man einen über die Gebäudebreite reichenden, aber wenig tiefen Geschossstreifen, von dem die Treppen nach unten in die Sporthalle und nach oben zu den Schulräumen abgehen. Über der Decke der Sporthalle sind ab dem 1. OG vier Obergeschosse gestapelt, die zwölf Schulräume, Mehrzweck-und Gruppenräume für insgesamt 300 Schüler, sowie die Verwaltung aufnehmen. Vier Lichthöfe von ungefähr 6 auf 9 Metern Grundfl äche reichen über die vier Obergeschosse und belichten die Gruppenräume der Klassenzimmer, ebenso Nebenräume und die Flurzonen. In Längsrichtung der Lichthöfe sind auf jedem Obergeschoss die vier Längsfl ure durch drei relativ großzügige Aufenthaltszonen gekoppelt; diese wirken wie breite Querfl ure, an denen Treppen und Aufzug liegen. Zwischen Eingangsniveau und Sporthalle gibt es keinen Blickbezug; auch die Möglichkeit, etwa durch verglaste Öffnungen im Boden der nicht betretbaren Lichthöfe die Sporthalle zusätzlich von oben zu belichten, wird ausgeschlagen. Ansonsten ermöglicht das räumliche Gefüge vielerlei Aus- und Durchblicke in der Horizontalen wie in der Vertikalen. Alle Räume sind einsehbar; die Nutzer ließen sich dazu bewegen, auf Vorhänge zu verzichten.- Die Voltaschule ist eine typologische Innovation insofern, als sie die ersten tiefen Grundrisse über mehrere Geschosse im Schulbau realisiert, und so mit den Konventionen dieser Nutzungstypologie radikal bricht. Sie eröffnet eine Reihe von Schweizer Experimenten zur vertikalen Verdichtung im Schulbau (s.a. Leutschenbach). Tragwerk: Die Sporthalle, die mit ihrer Längsseite die ganze Gebäudebreite von 34 Metern und mit 27 Metern Breite zwei Drittel der Gebäudetiefe einnimmt, wird durch drei viergeschossige Schotten, parallel zu den weitgehend geschlossenen Süd- und Nordfassaden überspannt. Diese Schotten liegen auf den Längsseitenwänden der Sporthalle auf, überspannen 27 Meter und kragen zum Vorplatz hin 12 Meter aus. Sie sind im Bereich der Lichthöfe von Fenstern perforiert, im Bereich der Querfl ure vollständig unterbrochen. Nicht einmal Unterzüge laufen an dieser Stelle durch. Das heißt, es handelt sich bei den Schotten um jeweils zwei, in derselben vertikalen Ebene liegende Wandscheiben, die beide nur auf einem Punkt aufl agern, der zudem nicht mittig unterhalb des Massenschwerpunkts liegt. Vorspannungen müssen folglich die entstehenden Momente aufnehmen, während die im statischen Verbund mit den Schotten wirkenden Deckenplatten als Scheiben zum horizontalen Lastabtrag herangezogen werden. Diese Geschossebenen sind mit 25 Zentimetern so dünn wie möglich, um ihre Eigenlast möglichst gering zu halten. Sie sind in ihrer Ebene annähernd parabelförmig vorgespannt, wobei die Richtung der Vorspannkabel wechselt. Am größten ist die Exzentrizität bei Schotte 2; hier greifen die Vorspannkabel am weitesten aus. In der obersten Platte weist die Horizontalkraft der Schotte jeweils in Ostrichtung, muss folglich durch eine Vorspannung in Westrichtung kompensiert werden; in der untersten Platte ist es umgekehrt. Aber auch die Schotten selbst sind vorgespannt; in ihnen verlaufen Spannkabel, die einer Zugdiagonalen entsprechen. Die Vorgabe von Fenstereinschnitten bedingt, dass der diagonale Verlauf in einen eher parabelförmigen umgelenkt wird. An den Aufl agerpunkten der Schotten auf der Querwand im Erdgeschoss entstehen punktuell sehr hohe Belastungen, die von einem Betonquerschnitt nur unter Erhöhung der Wandstärke aufgenommen werden könnten; hier sind massive Stahlteile in den jeweiligen Wänden einbetoniert, von denen aus sich die Bewehrung wie die Zinken einer Gabel verteilt. Die statische Wirkung des Verbundes von Wand und Decke illustriert Jürg Conzett mit der Analogie eines Doppel-T-Trägers, bei dem die jeweils mitwirkenden Deckenbreiten die Flansche sind, während die Schotte dem Steg des Trägers entspricht. Die Ost-und Westfassade hingegen sind nur punktuell mit den Schotten verbunden; sie sind nicht am Miller + Maranta Ing.: Conzett, Bronzini, Gartmann (Wettbewerb) Affentranger & Partner (Ausführung): Volta Schulhaus, Basel 1997-2000 1 Ansicht 2 Flurzone innen 3, 4 Schnitt längs 5 Schnitt quer 1 2 3 5 1. OG 1. UG 205 deep plan seit 1990 vertikalen Lastabtrag beteiligt, sondern nur an der Aussteifung. Sie sind als Sichtbetonfassaden hergestellt. Dass sie keine vertikalen Lasten tragen, erweist sich nur am Versatz der Fenster auf der Westfassade. Der tragende Beton der Schotten zeigt sich nur in den Erschließungszonen des Inneren. Die Wände zu den Lichthöfen sind hinterlüftete Holzkonstruktionen; Wände und Decke der Schulräume haben wiederum eine Innenschale aus MDF. Die Voltaschule weist -sieht man von den unterschiedlichen Dimensionen der beiden Projekte ab- im Tragwerkskonzept Parallelen zur Bibliothèque de France von OMA auf. In beiden Fällen fungieren nahezu gebäudehohe Schotten als Träger über weitgehend stützenfreien Untergeschossen. Beide Projekte zeigen eine Reihung paralleler Raumschichten -’Schiffe’ -, die sich über Löcher in den Schotten gegeneinander öffnen. Bei der Bibliothèque de France von OMA noch nicht explizit erwähnt ist der statische Verbund von Schotten und Decken, wie er in der Voltaschule zum Tragen Miller + Maranta Ing.: Conzett, Bronzini, Gartmann (Wettbewerb) Affentranger & Partner (Ausführung): Volta Schulhaus, Basel 1997-2000 6 Vorspannung der Platten und Scheiben 7 Decke über 4.OG 8 Decke über Sporthalle 9 Ansichten der Schotten 4 2. OG EG 2. UG 6 7 9 8 kommt. Ganz gegensätzlich ist jedoch der architektonische Ausdruck: Miller und Maranta sind nicht daran interessiert, die Komplexität der inneren Organisation an der Fassade auszudrücken. Diese wird ins Korsett einer hermetischen Lochfassade gepreßt. Der statische Kraftakt wird weder außen noch innen spürbar. Bei OMA hingegen soll die Fassade als Schnittfl äche durch das Volumen erscheinen; auch sie kann die ganze räumliche Komplexität des Inneren nicht mitteilen, aber sie verspricht es zumindest. Während die Schwerkraft bei OMA durch das scheinbare Schweben der Körper in Masse überwunden werden soll, bleibt in der Voltaschule das Verhältnis gegenüber der Gravitation eigenartig leidenschaftslos. Die Schwerkraft ist für Miller und Maranta ein Fakt, das weder negativ noch positiv konnotiert ist –was ja auch nur im Vergleich mit ‚moderner‘ Architektur eine Provokation ist. Literatur: Jürg Conzett: Volta Schulhaus Basel; und: Scheiben im Hochbau; in: werk, bauen+wohnen 9/97 zit. nach: Andrea Deplazes: Architektur konstruieren, S. 147-155 André Bideau: Urbane Nachbarschaften einfüllen; in: werk, bauen + wohnen 03/2001, S. 18-25 Susanne Schindler: Volta-Schulhaus in Basel; in: Bauwelt 5/2002, S.10-15 Jürg Conzett: Structure as Space. AA Publications, London 2006, , S. 48-57 1-4 Marion Regitko: Curved Building 2001 1 2 3 4 207 deep plan seit 1990 Curved Building, 2001 Curved Building ist eine Studie der niederländischen Architektin Marion Regitko, die beim Prix de Rome 2001 ausgezeichnet wurde. Es handelt sich um ein Indoor-Sportzentrum für Extremsportarten wie Kajakfahren, Eisklettern, Höhlentauchen. Das Curved Building baut auf einem gekappten Oktaeder auf, der sich zu einer raumfüllenden Struktur addieren läßt. In die Struktur läßt sich eine periodische Minimalfl äche (Schwartzsche Fläche) einbeschreiben, deren Grundmodul auch als „Sattelpolygon“ bezeichnet wird. So entstehen zwei in sich kontinuierliche, aber gegeneinander abgeschlossene Tunnelsysteme. Faßt man diese als Geschosse auf, so ist ein Tunnelsystem immer im rechten Winkel zu dem des darunter-oder darüberliegenden Geschosses orientiert. Die Bodenfl ächen sind gekrümmt; es entstehen höhlenartige Innenräume, die für die vorgeschlagenen Nutzungen gut geeignet sind. Plane Geschossdecken lassen sich nach Bedarf in die Matrix einfügen. Jeweils ein Tunnelsystem bildet Dry World und Wet World. Manche der Sattelfl ächen sind transparent, sodass der Einblick von einem Tunnelsystem in das andere möglich wird. Bezüglich der Fassadenausbildung wurden mehrere Varianten getestet, wie sich eine potentiell endlos addierbare Raumstruktur nach außen hin abschließen läßt. Der klare Schnitt wird als die konsequenteste Lösung ausgewählt. Literatur: ARCH+ 159/160: Formfi ndungen. Aachen 2002, S. 56-63 Corner Study, Melbourne 2001 Die Studie der australischen Architekten Minfi e Nixon erkundet die architektonische Verwendbarkeit einer anderen periodischen Minimalfl äche, der sogenannten pseudo-batwing-surface. Diese läßt sich einen Kubus einbeschreiben. Der Kubus ist neben dem gekappten Oktaeder mit gleichlangen Kanten der andere Polyeder, der sich zu einer raumfüllenden Struktur addieren läßt. Durch die vertikale Skalierung des Kubus zu einem Quader nähern sich die Architekten stärker horizontalen Raumproportionen an. Auch hier entstehen zwei diskrete (d.h. voneinander abgetrennte) räumliche Kontinua. Eines davon ist Innenraum, das andere Außenraum, d.h. Loggien- und Terrassenfl ächen. Literatur: Marie-Ange Brayer, Beatrice Simonot: Archilab Orleans 2001, S. 150-151 1-2 Minfi e Nixon: Corner Study, Melbourne 2001 1 2 Vestbanen, Oslo; Wettbewerbsprojekt 2002 Das Projekt Vestbanen erstreckt sich über einen großen Block von 170 x 140 Metern in unmittelbarer Nähe des Osloer Hafenbeckens. An der östlichen Ecke liegt das Gebäude der Friedensnobelprei sstiftung, der Rest des Grundstücks ist –nach Abriß eines Bahnhofs- derzeit noch Parkplatz. Toyo Ito entscheidet sich in seinem nicht prämierten Wettbewerbsbeitrag dafür, das Grundstück fl ächig zu überbauen, ebenso wie das im Westen angrenzende, ebenfalls verfügbare Dreiecksgrundstück. Dies bedeutet, das Gebäude der Stiftung ebenso zu überbauen wie eine Schnellstraßenabfahrt an der Nordwestseite. Durch ein leicht hängiges Gelände bedingt, fällt die öffentlich zugängliche Plaza im Erdgeschoss des großen Blocks nach Süden mit 5% Steigung um 7 Meter Höhendifferenz ab. Eingänge von drei Seiten machen sie zu einem Knotenpunkt im urbanen Gefüge. Läden, Showrooms, ein Café und eine rund um die Uhr geöffnete Bücherei säumen den Perimeter. Daneben gibt es ein durch verschiebbare Trennwände abteilbares temporäres Theater, das die schräge Geschossdecke ausnutzt. Die Plaza wird durch die sogenannten Crystal Voids belichtet: verglaste, polygonale Lichthöfe, an deren Rand die Stützen liegen, und die begrünt sind. Hier befi ndet sich auch die Erschließung für die darüberliegenden Bürogeschosse. Die Geschosshöhe der Plaza variiert durch die Neigung der Grundebene zwischen 4 und 11 Metern. Im 1. Obergeschoss (5,50 m hoch) liegen Bibliothek und Museum, jeweils über Rolltreppen aus der Plaza erschlossen. Begrünte Lese- Lounges an den Voids sollen die Bibliothek zu einem Garten des Wissens machen Darüber folgen zwei Bürogeschosse (4 m Geschosshöhe), in denen Einzelbüros innerhalb von Großräumen an einer oder zwei Seiten der Voids liegen. Das viergeschossige Hotel ab dem 4. Obergeschoss ist über zwei Gebäudeecken hin als Randbebauung um einen innenliegenden Garten ausgebildet. Die dritte Ecke belegt das Kongreßzentrum, dessen großer Saal in den Garten weit hineinragt. Es wird separat von der Plaza erschlossen und ist durch eine Wasserfl äche vom Hotel getrennt. Die Crystal Voids sind ab dieser Ebene nicht mehr Negativräume, sondern verglaste Türme, die das Glasdach, das in 13 Meter Höhe über dem (Winter)garten liegt, tragen. Unterhalb der Plaza liegt ein Multiplexkino, dessen 19 Säle frei im Raum verteilt sind. Auch hierhin soll noch Tageslicht über die Schächte der Crystal Voids gelangen. -Das dreieckige Nachbargrundstück ist niedriger bebaut, mit einem Lebensmittelmarkt im UG, drei Bürogeschossen und drei Wohngeschossen. Die insgesamt 26 Crystal Voids, die die Geschossdecken zu durchdringen scheinen, vereinen Lichtführung, Erschließung, Installationsführung und Tragkonstruktion. Stahlrohre mit Querschnitten zwischen 20 und 50 Zentimetern, die durch gegenläufi ge Zugestreben verspannt sind und entlang der facettierten Kanten dieser Körper verlaufen, tragen die Beton-Kassettendecken der Geschosse. Diese 80 Zentimeter hohen Rohbaudecken haben einen Ringbalken um die Lufträume herum und spannen bis zu 20m; zusammen mit aufgeständertem Boden und abgehängter Decke wird das Deckenpaket 1,30m stark. Ein System von Spiegeln soll die Strahlen der fl achstehenden Sonne in die Schächte umlenken. Manche Schächte dienen als Abluftkanäle; andere sind im Sommer bei geöffneten Klappen im Dach zur Frischluftzufuhr bestimmt, im Winter hingegen als Zuluftschächte der Klimaanlage ausgelegt. Das Projekt ist eine interessante Weiterentwicklung der Ideen aus der Sendai-Mediathek. In ihrer Anwendung auf ein fl ächenmäßig zehnmal so großes Grundstück können und müssen die Lufträume dabei ungleich großzügiger ausfallen. Das Dach mit seinem Netz aus sich kreuzenden Linien und den geschlossenen oder verglasten Feldern hingegen erinnert stark an den Serpentine- Pavillon von Toyo Ito aus demselben Jahr 2002, nur linear um den Faktor 10 skaliert (d.h. fl ächenmäßig um den Faktor 100). Allerdings wirkt manches noch unglaubhaft, wie der riesige Wintergarten auf dem 4.OG oder die 7,20 Meter tiefen Einzelbüros auf den Bürogeschossen. Der Versuch, die ganze Programmfl äche in einem monolithischen Volumen unterzubringen, wirft, wenn nicht städtebauliche, so doch zumindest innenräumlich-organisatorische Fragen auf. Man fragt sich, Toyo Ito, Ing.: ARUP/Cecil Balmond: Vestbanen, Oslo; Wettbewerb 2002 1 Ansicht vom Wasser aus 2 Plaza 3 Schnitt 4 Grundriss 3.OG: Büros 1 2 209 deep plan seit 1990 wieso auf den unteren Geschossen so viel Fläche angeboten wird, wenn die oberen vier Geschosse nur locker gefüllt sind. Sicher ist es plausibel, z.B. die Bibliothek auf einem einzigen Geschoss unterzubringen. Es führt aber dazu, dass das Projekt wie ein relativ fl acher Viergeschosser erscheint, der durch voluminöse Aufbauten künstlich in die Höhe getrieben wurde. Die ‚poetischen‘ Crystal Voids könnten trotz ihrer variierenden Form etwas repetitiv, das ganze Projekt etwas megaloman wirken –obwohl die Perspektive der Plaza vielversprechend aussieht. Es ergeben sich Parallelen zum Edifi cio Forum 2004 von Herzog & de Meuron in Barcelona (2000-2004). Das Kongreß-und Ausstellungsgebäude ist zwar wesentlich fl acher, hat aber auch eine große Anzahl an Lufträumen, die ähnlich polygonal geknickt sind, wobei die Geometrie auf einfachen 3 4 Antiprismen beruht. Diese sind auch Teil der Tragstruktur: Die Decke über dem Erdgeschoss ist von einem hohen Trägergeschoss über dem 1.OG abgehängt; die Abhängungen verlaufen entlang der Kanten der Lufträume. Hier haben die Antiprismen gegenüber dem normalen Prisma den Vorteil, dass die Wandung durch die Dreiecke ausgesteift ist. Es handelt sich nämlich um Prismen auf Quadratgrundriss, deren Oberseite um 45° verdreht wurde, wodurch die vier Seitenfl ächen unter der Maßgabe, die Flächen planar zu halten, in acht Dreiecksfl ächen aufgespalten werden. Ito kommt bei dem Projekt für Vestbanen zu Lufträumen, die ebenfalls dreieckige Seitenfl ächen haben, jedoch größere als die triangulierten Röhren seiner Mediathek in Sendai. Seine Erwartung scheint zu sein, dass durch eine stärkere Konzentration der Last auf wenige Rundrohre die Lufträume transparenter werden, als in Sendai. Im Gegensatz zu Herzog & de Meuron arbeitet er auch mit Druckstützen an den Luftraumkanten. Literatur: El Croquis 123: Toyo Ito. beyond modernsim. Madrid, 2004, S.206-215 Center for Music, Dance and Visual Culture, Gent 2003-04; Taichung Opera House, 2006 Es erscheint bestimmt einigermaßen kühn, wenn nicht gar inkonsequent, die neuen Opernhausentwürfe von Toyo Ito als Geschossbauen zu behandeln. Da diese aber interessante Aufschlüsse über die Fortenwicklung der Themen geben, die an den bereits referierten Bauten und Projekten von Toyo Ito besprochen wurden, spricht einiges dafür. Die beiden Projekte in Gent bzw. Taichung arbeiten wie die beiden vorgenannten Projekte von Regitko und Minfi e Nixon mit räumlichen Tunnelsystemen (Double Lattices). Ausgangspunkt ist bei Ito jedoch nicht die Addition eines Polyeders zu einer raumfüllenden Struktur, sondern die Aufteilung von Geschossdecken in eine unregelmäßige Zellmatrix. Die Geschossdecken werden über torische Schalen entlang ovaler Einschnitte verbunden. So entstehen zwei diskrete Tunnelsysteme, die nicht nur in der Horizontalen, sondern auch in der Vertikalen kontinuierlich sind. Während die beiden vorigen Projekte strikt repetitiv angelegt waren, werden bei Ito die einzelnen „Zellen“ vergrößert und verkleinert. Da es sich um Konzerthäuser handelt, muss eine Zelle jeweils den großen Saal umfassen, während andere gerade einmal ein Treppenhaus aufnehmen. Dadurch ergibt sich in der Balance der beiden diskreten Tunnelsysteme eine deutliche Gewichtsverschiebung, die besonders bei dem Projekt in Taichung ins Auge fällt: Das eine Tunnelsystem wird in seinen Querschnitten so verschlankt, dass es den Charakter einer Stützen – Balken –Matrix bekommt, während sich das andere so erweitert, dass die Konzertsäle darin Platz fi nden. Die Lufträume werden großenteils über eingehängte Plattformen geschlossen. Daraus folgt: Wo die Mediathek Sendai das Prinzip der raumhaltigen Struktur in Bezug auf die Stütze erkundete, können die Tunnelsysteme in Gent und Taichung als konsequente Fortsetzungen dieser Suche betrachtet werden, indem dort das Prinzip der raumhaltigen Struktur gewissermaßen auf Stütze und Balken übertragen wird. Das megastrukturelle Prinzip, das als Erbteil in Sendai auch noch spürbar ist, erfährt somit eine weitere Aktualisierung. Dass man die Schwammstruktur, ähnlich wie die Röhren in Sendai als eine Art Armatur betrachten kann, in die Geschossdecken und transparente Wände eingefügt werden können, wird aus einer Betrachtung der Schnitte und Grundrisse deutlich. In der ersten, oberfl ächlichen Betrachtung scheinen die Geschossdecken in ihrer Planarität „konzeptfremde“ Elemente, die eine schwer nutzbare Grundstruktur funktional ergänzen. Richtig daran ist, dass die Geschossdecken deutlich hinzugefügt sind. Nur ist es falsch, die Schwammstruktur als allein legitime Formation zu betrachten. Toyo Ito akzeptiert nicht die Tyrannei der single surface-Konzepte. Deshalb ist auch die Einordnung dieser Projekte unter porösen Strukturen richtiger als die unter den single surface Projekten des Glatten Raums, wenn 1 211 deep plan seit 1990 auch die Eigenschaft des Glatten Raums bei den Opernhäusern sehr gestaltbestimmend ist. Der vertikale Versatz der Tragstruktur bedingt allerdings, dass die –gerade bei der Nutzung Konzerthaus- naheliegende Zuordnung der Tunnelsysteme im Sinne einer Unterscheidung zwischen „dienenden und bedienten Räumen“ nicht ohne weiteres möglich ist. Aufzüge und Fluchttreppenhäuser liegen z.B. nicht in vertikal durchlaufenden Schächten, sondern bedürfen dort, wo sie innerhalb des Geschosses freigestellt sind, einer möglichst unauffälligen räumlichen Abtrennung. Andererseits stützt die offene Zonierung des Grundrisses das Anliegen der jeweiligen Auftraggeber, die herkömmliche Konzertnutzung um andere Programme zu ergänzen. Vergleicht man die Projekte für Taichung und Gent mit Itos bisherigen Bauten, so fällt auf, dass die Fassade–wie in OMA‘s Bibliothèque de France- als vertikaler Schnitt durch das Gefüge erscheint. In Gent sind die Anschnitte, durch den polygonalen Grundstückszuschnitt bedingt, besonders vielfältig, während in Taichung die Orientierung der Tunnelsysteme nahezu parallel zu den Außenkanten zu einem sich stärker wiederholenden Bild an der Fassade führt. Schaut man von Itos Projekt für Taichung 2006 zurück zum Japanischen Kulturinstitut für Paris 1990 und betrachtet dabei insbesondere die jeweiligen Schnitte, dann fällt auf, wie Ito sich über anderthalb Jahrzehnte hinweg sich die Integration von Programm, Raumbildung und Tragstruktur konsequent erarbeitet hat. Literatur: El Croquis 123: Toyo Ito. beyond modernism. Madrid, 2004, S. 322-335 Toyo Ito: Beyond the Image. a+u 417. Tokio, Mai 2005 S. 68-115 Florian Busch: Klangraum und Höhlensystem; in: Bauwelt 37/2006, S. 34-37 Toyo Ito,Architecs, Sasaki Associates (TW): Taichung Opera House, Taiwan 2006 1 Perspektive von außen 2 Längsschnitt 3 Grundriss 3. OG 2 3 36 9 13 12 1 2 5 8 11 4 7 10 213 deep plan seit 1990 Kontinuierliche Innenräume Faltung –neben Solid/Void eine weitere formale Obsession der 90er Jahre-Architektur- etabliert das Thema der Oberfl ächenkontinuität in der Architektur. Der von Deleuze / Guattari147 entlehnte Begriff des Glatten Raums (smooth space) ist in Bezug auf Geschossbau vielleicht besonders attraktiv, ist doch Geschossbau traditionell durch Schichtung und Stapelung bedingt Gekerbter Raum (striated space), steht also im Gegensatz zum Glattem Raum.148 Folgt man Deleuze / Guattari, so sind im Glatten Raum soziale Hierarchien und Abgrenzungen verwischt; der glatte Raum spannt eine Topographie auf, die sich dauerhafter Inanspruchnahme durch eine bestimmte soziale Gruppe oder Schicht entzieht. Traditioneller Geschossbau weist hingegen unterschiedlichen sozialen Schichten jeweils verschiedene Geschosse zu und unterstützt so bestehende Ungleichheiten –in der Geschichte des Wohnbaus wie des Bürobaus läßt sich diese „Stratifi zierung“ immer wieder feststellen. Die architektonische Relevanz des Glatten Raums wird denn auch zuerst an dem Element Geschossdecke erprobt, als dem Element, das das räumliche Kontinuum in der Vertikalen zerteilt. Momente von Glatten Raum tauchen erstmals im Spätwerk von Corbusier auf: Die Rampe, wichtigstes Vehikel der architektonischen Promenade -da sie die Bewegung verlangsamt und die Vertikale allmählich überwindet- ist Ausgangspunkt. Beim Carpenter Center, Harvard 1961-64 ist die Rampe als Extrusionskörper entlang einer Kurve noch ein dynamisches Element, das in den Geschossbau einbricht und von den Geschossfl ächen über Toleranzzonen Abstand hält. Beim Kongreßpalast Strasbourg 1964 hingegen ist sie geneigte Geschossfl äche. Durch ihre Einhausung wird sie dem Gebäudevolumen einverleibt und bildet einen „Henkel“ daran aus. Damit sind zwei topologische Operationen in einem Schritt vollzogen: Die Identifi zierung zweier Geschosskanten durch den Rampenboden (zwei Geschossebenen werden zu einer zusammenhängenden Fläche) und die Änderung des topologischen Genus der Gebäudeoberfl äche. Damit sind zwei mögliche topologische Operationen an Geschossbauten durchgeführt, die sich auf die Elemente Geschossdecke, Hüllfl äche und Perimeter beziehen können. Diese betreffen das topologische Genus von Oberfl ächen, das ‚Identifi zieren‘ von Rändern und das ‚Umstülpen‘ von geschlossenen Kurven oder Flächen (das die ‚Orientierbarkeit‘ verändert). Im Projekt für die Bibliotheken von Jussieu von OMA wird die Oberfl ächenkontinuität der Geschossdecken so weit getrieben, dass ein 2 km langer Boulevard entsteht. Die kontinuierliche Geschossfl äche kann man sich als durch Aufschneiden, Verbiegen und Aneinanderkleben einzelner Geschossplatten entstanden denken. Bei Villa VPRO von MvRdV wird –bedingt durch die weitaus geringeren Geschosshöhen (2,70 m im Lichten) und die bezüglich Tageslichtanforderungen sensiblere Büronutzung- der Perimeter verlängert, um mehr Nutzer an natürlicher Belichtung und Ausblick teilhaben zu lassen. Diese Perimeterzunahme wird aber nicht durch simple Einstülpungen der Fassade auf der Geschossebene erreicht, sondern durch vier mehrgeschossige Einschnitte ins Gebäudevolumen. Von diesen vier Einschnitten durchdringen drei sowohl die Dach-, wie die Fassadenebene; zwei Einschnitte durchdringen sogar neben der Dachfl äche je zwei Fassaden über Eck. Nur einer der vier Lufträume ist wie ein traditioneller Patio ausschließlich vom Dach her eingeschnitten. Das bedeutet den Übergang von einer topologischen Manipulation der Geschossfl äche in Jussieu zu einer topologischen Transformation der Hüllfl äche bei VPRO. Während die Hüllfl äche von Jussieu topologisches Genus 0 hat (‚kein Loch‘), hat die von VPRO Genus 4 (‚vier Löcher‘). Die senkrechten oder gebogenen Verbindungen zwischen Geschossdecken bei MVRDV sind weniger topologisch interessant, sondern eher pragmatische Kombinationen von Schottenbau und Skelettbau: Dort, wo man ohnehin eine massive Wand zur Abgrenzung der Funktionen braucht, wird diese auch im Anschnitt an der Fassade gezeigt. Die topologische Manipulation der Hüllfl äche hingegen erzeugt mit simplen planaren Geometrien räumlich und funktionell komplexe Zusammenhänge: So gibt es einen Besprechungsraum auf Level 3 an der Nordwestecke, der an Kontinuierlicher Innenraum 1,2 Le Corbusier: Eglise de Firminy, 1964 3 Le Corbusier: Kongreßzentrum Strasbourg 1964 4, 5, 6 OMA / Rem Koolhaas: Bibliotheken von Jussieu, Paris 1992 7, 8, 9 MvRdV (Maas, van Rijs, de Vries): Villa VPRO, Hilversum 1993-94 10, 11, 12 UN Studio (van Berkel, Bos, Wallisser): Mercedes Museum Stuttgart, 2002-06 13 Foreign Offi ce Architects: Asadi Cineplex Teheran, 1997 Kontinuierliche Innenräume vier Seiten von Außenraum umgeben ist und nur über Terrassen erreicht werden kann (die im Grundriss gezeigte Treppe ist nicht realisiert). Nach der topologischen Manipulation der Decke in Jussieu (2d) und der Hüllfl äche bei Villa VPRO (2d mit 3d- Volumen) trifft man beim Mercedes-Museum Stuttgart von UN Studio mit der Manipulation des (1d-) Perimeters die dritte mögliche Variante an. Ein Blick auf den Grundriss legt nahe, dass die Außenkanten der Geschossdecke ins Innere und wieder hinaus verlaufen. Das Museum ist eine Fortsetzung von UN Studios Experimenten mit nicht-orientierbaren Oberfl ächen wie dem Möbius-Band oder der Kleinschen Flasche (Möbius-Haus, Bahnhof Arnhem, Musiktheater Graz). Durch zweifaches Umstülpen des geschlossenen Perimeters wird eine Kurve generiert, die sich dreimal mit sich selber kreuzt: eine Kleeblattschlinge, bzw. ein Dreipaß. Über die Ränder werden Flächen gespannt, mit Ausnahme des mittleren Feldes. Noch ist Innenecke gleich Außenecke, was geometrisch schwierig ist. Außerdem soll ja ein vertikales Kontinuum hergestellt werden. Die einzelnen Abschnitte des Dreipasses werden folglich entlang der z-Achse unterschiedlich verschoben. Die Peripherie eines Kleeblatts ist lang genug, um entlang ihrer eine Rampe zu führen, die das nächsthöhere Kleeblatt erschließt. Gesucht wird eine weitere Art der Verbindung zwischen den versetzten Kleeblättern. Diese wird durch die sogenannten Twist-Flächen hergestellt. Diese stellen eine kontinuierliche Oberfl äche zwischen zwei benachbarten Kleeblättern her. Es handelt sich –gegenüber der zweifachen Umstülpung des Perimeters- um eine sekundäre topologische Operation, bei der zwei Ränder miteinander ‚verklebt‘ werden. Der Dreipaß wird im Grundriss um eine ‚Hüllkurve‘ ergänzt, die die Kreisabschnitte der Kleeblätter in einem großen Radius mit tangentengleichen Übergängen verbindet. Mit den topologischen Transformationen steht ein entwurfl iches Instrument zur Verfügung, das ein großes Potential für die räumliche Reorganisation verschiedener Funktionsbereiche aufweist. Traditionell ließen Wand und Geschossdecke zwischen Vernetzung (Großraum) und Separation (Zellengrundriss) immer nur Entweder-Oder Lösungen zu – eines der Dilemmata der Bürolandschaft. Mit der stärker differenzierten Geschossigkeit und dem Überblenden von Wand, Decke und Boden, das die Faltung kennzeichnet, wird eine stärkere Artikulation räumlicher Kontinuität bei gleichzeitiger funktioneller Separierung ermöglicht. Kontinuierliche Innenräume: Abwicklungen 1 OMA / Rem Koolhaas: Bibliotheken von Jussieu, Paris 1992 2 UN Studio (van Berkel, Bos, Wallisser): Mercedes Museum Stuttgart, 2002-06 3 MvRdV (Maas, van Rijs, de Vries): Villa VPRO, Hilversum 1993-94 1 2 3 215 deep plan seit 1990Geometrische und topologische Transformationen des klassischen Loft-Typs Geometrische Transformationen Topologische Transformationen -Hülle (Bibliothek Cottbus) -Geschossdecken (Bibliothek Cottbus) -Raster (Selfridges Glasgow) -Perimeter Beispiel: Mercedes-Museum: Umstülpen des Perimeters -Geschossdecke Beispiel: Jussieu: Identifi zieren von Deckenrändern -Hüllfl äche Beispiel: VPRO: Einschnitte ins Gebäudevolumen sind topologisch betrachtet Löcher in der Hüllfl äche. topologisch äquivalent: Fläche mit Genus 4 Bibliotheken von Jussieu, Paris; Projekt, 1992 Die Bibliotheken von Jussieu sollen den seit 1968 unvollendet gebliebenen Campus Jussieu der Pariser Universität Sorbonne mit zwei Bibliotheken und einigen sozialen Einrichtungen ergänzen. Das Projekt von OMA, Sieger des Wettbewerbs 1992, bleibt jedoch unrealisiert. Koolhaas knüpft konzeptionell an das Podium des bestehenden Campus des Architekten Edouard Albert an, dessen Oberfl äche erweitert und in die Vertikale gefaltet wird. Das Gebäude wird als eine Art Skelett für die Verdichtung und Übereinander-schichtung des städtischen Raums aufgefaßt. Die Geschosshöhe variiert zwischen 4 und 12 Metern; im Durchschnitt beträgt sie 7 Meter. Die naturwissenschaftliche Bibliothek hat einen relativ großen Anteil an geschlossenen Magazinen und ist deshalb teilweise in den Boden eingelassen, während die geisteswissenschaftliche Bibliothek, die aus-schließlich aus Freihandbereichen besteht, darüberliegt. Zwischen beide Bibliotheken schiebt sich der Eingangs- und Empfangsbereich. Dieser setzt sich als breite Rampe mit sozialen Einrichtungen in die untere Bibliothek fort, wo er zusammen mit deren Rampe eine Doppelhelix ausbildet. Die folgenden Textabschnitte zitieren aus Koolhaas‘ Projektbeschreibung: Die einzeln übereinandergelagerten Geschossebenen des Gebäudes werden so eingeschnitten und verformt, dass sie sich mit den jeweils darunter- und darüberliegenden verbinden und ein fortlaufendes Band bilden. So durchzieht ein durchgehendes Band - wie ein gewundener Boulevard - das gesamte Gebäude. An diesem Boulevard liegen alle Elemente der Bibliothek wie Einzelbauten an einer Straße. Der Boulevard ist 1,5 km lang und überaus abwechslungsreich. Der Besucher wird zum Flaneur, der verführt wird von einer Bücher- und Informationswelt, von städtischen Situationen wie Plätzen, Parks, Monumentaltreppen, Cafes, Boutiquen etc., um die das Programm der zwei Biblio-theken erweitert wurde.... Durch den im Verlauf des Boulevards sich kontinuierlich transformierenden Raum werden einzelne Zonen artikuliert, ohne dass Abtrennungen vorgenommen werden. Durch Aufzüge und Rolltreppen ergibt sich die Möglichkeit, die Rampenerschließung kurzzuschließen.- Auf dem künstlichen Terrain der geneigten Ebenen breitet sich die sekundäre Schicht der Nutzungen aus. Das Gebäude ist wie eine Folge von Landschaften, die kultiviert werden von einer (maximal 2 m hohen) Schicht von Bibliotheken. Die Trennung zwischen Architektur als städtischem Skelett einerseits und sekundärer Nutzung andererseits war die wichtigste Idee des Projekts. Die Elemente der sekundären Nutzung... können sie eine geringere Lebensdauer haben als die übergeordnete Struktur: die Wege und Verkehrsströme entsprechen der Beständigkeit einer Stadt, die Einbauten der Bibliotheken hingegen den einzelnen Gebäuden...Der architektonische Raum defi niert keine Nutzungen. Der Raum ist in der Vertikalen differenziert und in der Horizontalen- auf der Ebene des Plans - weitgehend neutral. Alle Bereiche des Gebäudes stehen somit fast sämtlichen Funktionen offen. Die Fassaden sind vollkommen verglast, sodass sich das Innenleben des Gebäudes ... unmittelbar nach außen zeigt, fast wie bei einer Röntgenaufnahme. Es entsteht eine Dialektik zwischen den gleichmäßigen Nadelstützen und den unregelmäßig verformten Geschossebenen. Zwar sind Teile der Argumentation bekannt: So gibt es den Eingang auf mittlerer Höhe schon bei Le Corbusiers Visual Arts Center in Harvard. Auch der Gedanke einer Trennung zwischen langlebiger Struktur und kurzzeitigem Ausbau ist von den Megastrukturen der 1960er Jahre her bekannt und geht bis auf Le Corbusiers Plan Obus für Algier zurück. Auch OMAs Vision für die Außenansicht des Gebäudes als Röntgenbild ist seit Mendelsohns Amerika fester Bestandteil moderner Architektur. Neu ist die Transparenz jedoch in der Arbeit von OMA; läuft sie dem aus New York abgeschauten Prinzip der Trennung von innen und außen (lobotomy) doch zuwider. - Trotzdem stellen die Bibliotheken von Jussieu eine eigene Synthese dar. Sie sind das erste Beispiel einer Architektur der Gradienten, der allmählichen Übergänge zwischen 1 2 4. OG 2. OG Mezzanin über EG 217 deep plan seit 1990 OMA / Rem Koolhaas, Ing.: ARUP / Cecil Balmond: Bibliotheken von Jussieu, Paris 1992 1 Modell 2, 3 Schnitte 4 Innenraum 4. OG Modell Ebenen und Bereichen, in der die traditionelle Schichtung des Geschossbaus noch wirksamer überwunden wird, als in Wrights Guggenheim-Museum. Tragwerk: 40 Zentimeter starke Stahlbeton-Flachdecken werden im 10 Meter -Raster von Stahlstützen getragen. Am Rand reduziert sich der Stützabstand quer zur Fassade auf 7 Meter; die Decke kragt hier 3 Meter aus. Die Randzone muss –nach Cecil Balmond- relativ intakt bleiben, wohingegen im Inneren der Geschossdecke größere Teile ausgeschnitten werden können. Während die Geschossdecken der geisteswissenschaftlichen Bibliotheken mit großer Geschosshöhe über die Tiefe des Gebäudes durchlaufen, sind die der Naturwissenschaften bei geringerer Höhe auch weniger tief, d.h. haben größere Einschnitte. Als größtes statisches Problem erweist sich in diesem Bau die Aussteifung. Dem Gebäudekonzept entsprechend, verfügen die Bibliotheken über nur wenige, schlanke Kerne mit Fluchttreppen, die auch nicht immer über die ganze Gebäudehöhe durchlaufen, sodass eine Lösung der Aussteifung über die Kerne allein nicht möglich ist. Auch die Aufzüge laufen –separat für die beiden Bibliotheken- nur über 4-5 Geschosse durch und sind als runde Glasaufzüge gedacht. Das bedeutet, dass zusätzliche Diagonalen eingeführt werden müssen. Nachdem diese Diagonalen anfänglich überall dort plaziert werden, wo sie rechnerisch notwendig werden, verlaufen sie im letzten Entwurfsstand nur in einer Richtung. In der anderen Richtung sind entweder sind die Anschlüsse der Decken an die Stützen biegesteif ausgeführt, oder es werden doch Kernwände zur Aussteifung herangezogen. Literatur: Campus Universitaire de Jussieu. Naissance d’une grande bibliothèque. Sens & Tonka Editeurs, Paris 1993, S. 118-143 El Croquis 79: OMA / Rem Koolhaas 1992-1996, Madrid 1996 S. 116-141 Rem Koolhaas: P.S.; in: S,M,L,XL. Monacelli Press, New York 1995, S.1303-1344 Rem Koolhaas: Die Bibliotheken von Jussieu; in: ARCH+ 117, Juni 1993, S.34-45 Cecil Balmond: Informelles Konstruieren; in: ARCH+ 117, Juni 1993, S.59-63 Christophe Cornubert: Ein offenes Fenster; in: deutsche bauzeitung 6/1994, S.152-157 3 4 3. OG 1. OG EG Villa VPRO, Hilversum 1993-97 Das Gebäude beherbergt die Redaktion des niederländischen TV-und Radiosenders VPRO. Die Bezeichnung als Villa leitet sich daraus her, dass die Redaktion vor dem Umzug in ihr neues Gebäude über 13 Villen in Hilversum verteilt war. Die Architekten wollen den Villencharakter in den Neubau hinüberretten. Als wesentliches Kennzeichen dafür werten sie die Kompaktheit der Villa, die zusammen mit städtebaulichen Vorgaben beim Neubau zum tiefsten Bürogebäude der Niederlande geführt hat. Dieses tiefe Bauvolumen haben sie mittels ‚Precision bombing‘ aufgelockert, um über patio- artige Einschnitte Licht und Ausblicke zuzulassen. Ergebnis ist ein open-plan offi ce, bei dem der Unterschied zwischen Innen und Außen verwischt ist. Über Verbindungen zwischen den Geschossebenen über Rampen, Stufen, Freitreppen und kleine Verbindungstreppen entsteht ein kontinuierlicher Innenraum. Es werden verschiedenste räumliche Situationen angeboten, um diversen Büroorganisationen zu entsprechen. Raumcharaktere wie Lounge, Dachgeschoss, Halle, Patio und Terrasse sollen an die alten Villen erinnern. Die Einschnitte bieten interessante Aus-und Einblicke; die vielfältigen Unterschneidungen, Rücksprünge, Innen- wie Außenecken -mit der Problematik von Wärmedämmung und Flachdachaufbauten -sind dank der Entscheidung für ein etwas stärkeres Deckenpaket geometrisch sauber gelöst. Ebenso wie bei den Innenräumen erzeugen MVRDV auch bei den Außenräumen mittels volumetrisch-topologischer Prozeduren zunächst abstrakte räumliche Gebilde, die allein durch ‚Rohdaten‘ wie Dimension, Ausrichtung (Boden, Wand, Dach) und Belichtungssituation gekennzeichnet sind. Durch wenige Maßnahmen bezüglich Material und Möblierung werden die enstandenen Räume kodiert, sodass die Erinnerung an traditionelle Außenraumcharaktere wie Loggia, (römisches) Atrium, Patio, Terrasse, oder –etwas industrieller: Schacht und Tunnel wachgerufen wird. Diese traditionellen Raumcharaktere sind allerdings zu einem neuen Konglomerat verschmolzen, in dem Gartenmöbel und Kronleuchter nur noch als Zitate wirken. Erschließung, Bereiche, Fluchtwege: An das Gebäude dockt auf Höhe von Level 1 eine PKW– Zufahrt an, die ein ins Gebäudevolumen eingestülptes Parkdeck erschließt. Die sich aufwölbende Geschossdecke an der Nordostecke wirkt dabei schon von weitem als Empfangsgeste. Hier liegt auch der Besuchereingang, der als Glaskasten ins Parkdeck eingestellt ist. Ein weiterer Zugang ist etwas zurückversetzt; beiden Zugängen sind Aufzüge zugeordnet. Das Parkdeck nimmt mehr als die Hälfte von Level 1 ein. Es gliedert die Funktionsverteilung im Schnitt nach: Archiven (unterhalb des Parkdecks), Studios (ebenfalls auf Level 0), Programmredaktion Radio auf Level 1, Programmredaktion TV auf Level 2 und 3, Restaurant und gemeinschaftliche Bereiche auf Level 4. Die Geschossebenen laufen prinzipiell durch, wobei es zwei breite treppenartige Abschnitte zwischen den Geschossdecken gibt: Der eine davon, 14 Meter breit, führt in jeweils 3,60 Meter tiefen Stufungen von einem Drittel der Geschosshöhe entlang der Südseite von Level 2 auf 4; der andere, quer zur Nordfassade und 10m breit, als Restaurant von Level 4 auf 5. Zusammen mit den beiden, über 45° gelegenen Freitreppen von Level 0 bis 2 und der aufgewölbten Geschossdecke zwischen Level 2 und 3 ergibt sich so eine Promenade über breite Treppen und Rampen durch das Gebäude. Diese kann über Aufzüge und Fluchttreppen kurzgeschlossen werden. Durch Treppungen und Aufwölbung der Geschossdecke, und durch Einschnitte in darüberliegenden Decken ergibt sich auch eine Vielzahl von unterschiedlichen Raumhöhen.- In den Obergeschossen werden vier separate Fluchtwege angeboten. Drei davon sind eingehauste Fluchttreppen, die zum Parkdeck hinunterlaufen, wo auch eine aus dem Level 0 kommende Fluchttreppe mündet. Ein vierter Fluchtweg führt über Stahltreppen in einem der Einschnitte nach draußen. Tragwerk, Haustechnik: Villa VPRO wird durch ein Raster von 8 x 8 Stahlbetonstützen im Abstand von 7,20 Metern getragen. Die Aussteifung ist über stählerne runde Hohlprofi le hergestellt, MvRdV (Maas, van Rijs, de Vries), Ing.: Pieters Bouwtechniek, Haarlem; Ove Arup & Partners: Villa VPRO, Hilversum 1993-94 1 Ansicht Süd 2 Innenraum 3 Schnitt O-W 4 Schnitt N-S 1 2 219 deep plan seit 1990 die als Diagonalen an je einen Stützenfuß und –kopf anschließen. Die dabei entstehenden voluminösen Knoten sind am Fußpunkt im Hohlraumboden verborgen, am Kopfpunkt hingegen gut sichtbar. Pro Obergeschoss gibt es zwischen neun und 16 solcher Diagonalen, die vorwiegend, aber nicht durchgängig, über die Geschosse hinweg in denselben Achsen liegen. Bevorzugt sind die Diagonalen an Fassaden der Patios angeordnet. Das Stützenraster ist durchgängig, mit der Ausnahme, dass an der Westseite des Gebäudes zwei Träger auf dem Dach das doppelte Rastermaß 3 4 5. OG Dach 3. OG 1. OG 4. OG 2. OG EG überspannen. Anstelle von zwei Stützen gibt es hier im obersten Geschoss zwei Zugstäbe, damit der darunterliegende Luftraum stützenfrei bleibt. Das innen wie außen gleichhohe, 72 Zentimeter starke Deckenpaket mit ebener Untersicht besteht aus einer zwischen 26 und 38 Zentimeter starken Stahlbetondecke und einem darauf aufgeständerten Hohlraumboden, in den Heiz- und Lüftungsleitungen integriert sind. In der Bodenfl äche und an freien Geschosskanten sind Luftauslässe sichtbar; an den Fassaden Abdeckungen für die Unterfl urkonvektoren. Außer den abgehängten Leuchten ist nur die Sprinkleranlage sichtbar unter der Decke geführt. Da es keine Brand- oder Rauchabschnitte gibt, sind zusätzlich freistehende Hydranten mit aufgerollten Schläuchen über die Räume verteilt. Öffenbare Schiebefenster und –türen ermöglichen natürliche Belüftung. Das Restaurant in Level 4 und 5 ist raumlufttechnisch separat behandelt. Literatur: Bart Lootsma: Kontinuierlicher Innenraum; in: ARCH+ 136, April 1997: Your Offi ce is where you are. S.47, 72-79 El Croquis 86: mvrdv: Maas vanRijs deVries 1991-1997. artifi cial ecologies. Madrid 1998, S. 88- 109 Winy Maas u.a..: FARMAX. Excursions on Density. 010 Publishers, Rotterdam 1998, S.680 ff. Jaime Salazar, Hrg.: MVRDV at VPRO. Actar, Barcelona 1999 a+u: MVRDV Files, Tokio 2002 Asadi Cineplex, Teheran; Projekt 1997 Die Studie für ein Multiplexkino in Teheran ist bemerkenswert durch die Konzentration auf eine einzige formale Operation: Das Aufschlitzen und ‚Verbiegen‘ einer einzigen Oberfl äche über die gesamte Gebäudehöhe, das ein Kontinuum von Boden, Wand und Decke entstehen läßt. Also den Versuch, das Stützenraster zu eliminieren und durch Anwenden einer einzigen, neuen Logik der modernistischen Trennung von Konstruktion und Raumbildung zu entkommen. Der Nutzung enstprechend, benutzen die Architekten das Bild eines Filmstreifens, um ihren Plot zu vermitteln. Die sieben Kinosäle mit einer Kapazität von 150 bis zu 700 Sitzen werden auf dem 43 x 45 Meter messenden Eckgrundstück übereinander und nebeneinander zu drei hohen Obergeschossen gruppiert, wobei sich für die Säle halbgeschossige Vorzonen ergeben. Durch die Größenzunahme der Säle nach oben läuft der vertikale Luftraum, der innerhalb des kubischen Gebäudevolumens verbleibt, nach oben zusammen. Es ergibt sich ein dramatisch wirkender Überhang über dem Foyer. Bedingt durch unterschiedliche Terrainhöhen ergibt sich die Lage von Ein- und Ausgang auf verschiedenen Geschossen. Konsequent werden auch innerhalb des Gebäudes der Weg nach oben und der nach unten im Sinne eines Einbahnsystems entfl ochten. An den von der Straßenecke abgewandten Seiten liegen die Fluchttreppen. Tragwerkskonzept: Decken und Wände sollen als eine einzige Oberfl äche erscheinen und nicht von Stützen durchdrungen werden. Dieses Konzept führt dazu, auch Stützen als Aufwölbungen der Geschossdecke auszuformen. Es enstehen fl ächige V-Stützen und Hohlkastenträger quer zur Faltrichtung, die einem Faltwerk ähnlich sehen. Allerdings ist die Tragwirkung ungünstiger, da die Radien im Winkel die Faltwirkung schwächen. Das entstandene Gebilde wäre statisch noch zu ‚weich‘. Zwischen den Außenkanten der Betonfl äche müßten in Ebene der Seitenwände der Säle wahrscheinlich stählerne Druck-und Zugstreben eingefügt werden, die diese Seiten –in einem Verbund von Beton und Stahl- statisch zu Scheiben umwandeln. Über diese wäre auch erst die Aussteifung in der Richtung der Faltung hergestellt, die jetzt noch fehlt. Die Deckenspannrichtung der Säle (beim großen Saal 30 m) könnte sich so um 90° drehen, sodass die Decken dann über die kürzere Spannweite quer zur Faltrichtung spannen würden. Foreign Offi ce Architects: Asadi Cineplex, Teheran 1997. Projekt 1 Modell 2, 3 Schnitte 4 Erschließungsdiagramm 1 2 3 221 deep plan seit 1990 Spinnt man diesen Gedanken weiter, dann wäre es auch vorstellbar, entlang der beiden bislang offenen Gebäudeseiten jeweils eine massive Stahlbetonschotte über die ganze Gebäudehöhe zu stellen, sodass die Schlaufen wie zwischen zwei Wände gespannt wären. Da Kinosäle ohnehin dunkel sein müssen, würde dies keine Schwierigkeit bedeuten, zumal die Wände im Bereich der Vorzonen / Korridore ja perforiert sein könnten. In den vertikalen Abschnitte der Schlaufe würden sich die Vertikallasten nicht über die Geschosse hin aufaddieren, sondern die Wandabschnitte, die über die ganze Gebäudebreite durchlaufen, wären geschosshohe Träger. Der Nachteil dieser Lösung wäre, dass der spannende Gebäudeschnitt in der Seitenansicht nicht mehr erkennbar wäre. Man könnte allerdings die Schotte so zurückschneiden, dass der Luftraum des Foyers auch von der Seite sichtbar wird. Die vor der Westwand verlaufende Rolltreppenkaskade wäre jedoch weiterhin von außen sichtbar. Literatur: 2G N.16, 2000/IV: Foreign Offi ce Architects. Editorial Gustavo Gili, Barcelona 2000, S.44-49 El Croquis 115/116 (I): Foreign Offi ce Architects, Madrid 2003 Foreign Offi ce Architects: Phylogenesis. FOA’s Ark. Actar, Barcelona 2003 4. OG 3. OG 2. OG 1. OG EG UG 4 Mercedes-Museum, Stuttgart 2002-06 Das Stuttgarter Mercedes-Museum von UN studio ist eine umfassende Synthese aus räumlichen und organisatorischen Themen, die in vielen Gebäudereferenzen dieser Arbeit anklingen.- Der tiefe Grundriss ist normalerweise durch den Kontrast zwischen dunklem Zentrum und heller Peripherie gekennzeichnet. In konventionellen Atriumschemata überwiegt hingegen die Sogwirkung des Zentrums. Beim Mercedes-Museum hingegen laden die kleeblattförmigen Geschosse so weit aus, dass die Sogwirkung des Atriums nachläßt, zumal sich jedes zweite Geschoss vom Atrium geradezu abwendet. Das Museum ist somit ein Hybrid aus Atrium und tiefem Grundriss. Plane, horizontale Geschossdecken sind beim Mercedes Museum in einer doppelhelixartigen Anordnung zu zwei vertikalen Sequenzen montiert, die nur punktuell über Rampen bzw. Treppen verbunden sind. Hierbei alternieren über die Höhe hinweg die Sammlungs-Ebenen mit den sogenannten Mythos-Ebenen. Während erstere sich nach außen orientieren und eine geringere Höhe aufweisen, sind die Mythos-Ebenen zum Atrium hin offen und gegeneinander einsehbar. In der Abfolge des Besucherrundgangs benutzt man einen der drei Panoramaaufzüge, die an den drei Kernen über die ganze Höhe des Atriums nach oben fahren, um auf das oberste Niveau zu gelangen. Von hier aus ergibt sich eine Abwärtsbewegung auf Rampen durch die Mythos-Ebenen. In einem zweiten Durchlauf kann man die über Treppen aneinandergekoppelten Sammlungsbereiche wahrnehmen, die aber immer auch über eine fl ache Rampe von den Mythos-Räumen aus erschlossen werden können, wie auch umgekehrt. Eine Dreipaßkurve fungiert als geometrische Basis des Mercedes Museums; diese wird über verschiedene Abschnitte mit unterschiedlicher z-Koordinate eingesetzt. Die Rampenerschließung verläuft entlang des Geschossdeckenrands auf einem torsionssteifen Hohlkasten. Dieser wird durch geneigte V-Stützen getragen. Am Hohlkasten schließen die im Abstand von zwei Metern verlegten, einen Meter hohen und bis zu 30 Meter spannenden Träger der Geschossdecke an, die an ihrem gegenüberliegenden Ende an die Twistfl ächen bzw. an Hohlkastenunterzüge, die zwischen den Kernen spannen, anschließen. Die Absicht, trotz hoher Verkehrslasten und großer Spannweiten die Dimension des Deckenpakets möglichst zu reduzieren, führt zu einem hohen Materialeinsatz und folglich großen Gewicht der Baukonstruktion. Etwas schematisch ließe sich sagen, dass diese aufwendige, aber leistungsfähige Konstruktion die großen Spannweiten des Centre Pompidou mit den glatten Untersichten des New Yorker Guggenheims verbindet.- Konstruktiv gesehen muss die Decke Abtriebskräfte, die durch die geneigten Stützen entstehen, in die Kerne einleiten. Bezüglich der Fassade könnte man erwarten, dass die Manipulation des Perimeters (Umstülpung) die der Hüllfl äche (Selbstdurchdringung) nach sich zieht –ist der Perimeter doch bei den meisten Geschossbauten grob identisch mit einem horizontalen Schnitt durch die Hüllfl äche. Dem ist aber nicht so: Um eine Selbstdurchdingung der Hüllfl äche darzustellen, müßte das Atrium Außenraum sein, oder zumindest Fassaden haben. Das Atrium als Außenraum wäre vermutlich einem Bauherrn schwer zu vermitteln, und Fassaden entlang der Geschosskanten zum Atrium sind –wenn es Teil des Innenraum ist- natürlich nicht erwünscht. Außerdem gibt es die Twist-Flächen, deren Außenränder die Topologie der Perimeterkurve zusätzlich komplizieren. Die Fassade wird unter diesen Bedingungen eher zu einer straff sitzenden Hülle um eine Raumskulptur. Literatur: UN Studio: Buy Me A Mercedes Benz. Das Buch zum Museum. Actar, Barcelona 2006 Tobias Wallisser: Mercedes Museum. Design Evolution. av-edition, Ludwigsburg 2006 UN Studio: Designmodelle. Niggli, Sulgen 2006 a+u 405, S. 68-75 1 2 5 UN Studio: Van Berkel, Bos, Wallisser, Ing.: Werner Sobek Ingenieure: Mercedes Museum Stuttgart, 2002-06 1: Ansicht 2: Sammlungsgeschoss 3, 4: Schnitte 5: Erschließungssequenz 223 deep plan seit 1990 3 4 8. OG 5. OG 1. OG EG 1 2 Stahl-Beton-Verbund Beton Stützen Stahl Decken Beton Stützen Stahl Decken Stahl-Beton-Verbund Galeries Lafayette Berlin Villa VPRO, Hilversum Kunsthaus Bregenz Voltaschule Basel Schaulager Basel* Niederländ. Botschaft Berlin* Bibliotheken von Jussieu Bibliothek Cotbus Zollverein School Essen Centro de las Artes La Coruna Schule Leutschenbach Mercedes Museum Stuttgart Niederländ. Pavillon EXPO 2000 Mediathek Sendai Seattle Public Library Trutec Building Seoul *)Tragende Stahlprofile in Fassadenabschnitten Überblick: Material der Primärkonstruktion „Stahlbauten“ 225 deep plan seit 1990 Tragstruktur Modifi kationen des isotropen Skeletts Geneigte Geschossdecken, mehrgeschossige Lufträume Dem klassischen Loft-Typus am nächsten ist das Skelett des Schaulagers Basel von Herzog & de Meuron (1998-2002). Die größeren Deckenspannweiten von 18 auf 8 Metern sind durch den Einsatz spezieller wannenförmiger Fertigteile erreicht. Dabei handelt es sich um ein gerichtetes Deckentragwerk. Die Außenwände sind am Lastabtrag wie an der Aussteifung beteiligt. Bei den nicht realisierten Bibliotheken von Jussieu (OMA, 1992) hingegen trifft man auf das isotrope Skelett von Stahlbeton-Flachdecken auf Stahlstützen im quadratischen 10 Meter-Raster. Hier ergeben sich allerdings durch die geneigten Geschoßdecken und Lufträume verschiedene Knicklängen der Stützen über die Gebäudehöhe. Die Aussteifung ist über ein „informell“ wirkendes Muster von stählernen Diagonalen hergestellt. Villa VPRO von MvRdV (Hilversum, 1994-97) als die Umsetzung dieses Schemas in die Wirklichkeit arbeitet mit einem Quadratraster von Stahlbeton- Rundstützen im 7,20 m-Abstand. Bei unregelmäßigen oder kurvierten Grundrisszuschnitten ergibt sich die Notwendigkeit vom Raster abweichender Randstützen. So bei den Galeries Lafayette von Nouvel (Berlin, 1991-94) oder der Bibliothek Cottbus von Herzog & de Meuron (1998-2004). Während jedoch z.B. bei Fosters Willis Faber Dumas die Kerne zwischen die Stützenachsen gesetzt waren, stehen bei Nouvel die Kernwände im Austausch zu Stützenachsen. Die Decken sind Flachdecken, die an der Fassade nach unten abgekantet sind. Durch die zahlreichen Lufträume werden lokal Plattenbalken zur Aufnahme der Deckenlasten erforderlich. Der zentrale Bereich des Grundrisses, um den großen Kegel herum, ist im Bereich des ersten bis dritten Obergeschosses ohnehin einer radialen Geometrie unterworfen. Darunter und darüber herrscht allerdings wieder das orthogonale Raster. In der Bibliothek Cottbus ist das zugrundeliegende Stützenraster durch die Stellung der beiden zylindrischen Kerne ohnehin nur in einer Längsachse erkennbar. Bei Foster, Nouvel und Herzog & de Meuron verdeckt jeweils die Abhangdecke die primäre Deckenkonstruktion.- Ein ähnliches Raster wie in Cottbus, das zwar orthogonal ist, jedoch variierende Zellengrößen hat, fi ndet man übrigens im Inneren der Seattle Public Library von OMA (2000-2004). Bei der Design School Zollverein, Essen (SANAA, 2003-06) hingegen ist das Raster nicht für die Primärkonstruktion maßgeblich, sondern für Ausbauelemente, wie Glastrennwände. Da die Stützen von den Trennwänden abgerückt sein sollen (Reminiszenz an den „freien“ Grundriss), können sie nicht auf den Rasterpunkten des 5 x 5 Meter- Rasters stehen, sondern versetzen sich gegenüber diesem um einen bestimmten Abstand. Damit ist das alte Dilemma - ist das Raster vorwiegend eine konstruktive Struktur, oder ein räumliches Ordnungsprinzip? - das Schinkel, Corbusier, Terragni und Mies gleichermaßen beschäftigte und zu konträren Lösungen anspornte, neu aufgerollt. Das Raster in der Design School hält eine mögliche Kerbung des Raums (in quadratische Zellen) vor, ohne das Prinzip des freien Grundrisses einzuschränken. Es ist somit primär ein räumliches Ordnungsprinzip, weil die höhere Leistungsfähigkeit der Konstruktionen im Stahlbeton-Geschossbau kein uniformes Stützenraster mehr erfordert. Tragstruktur Tiefe Skelettbauten seit 1990 Stahlbeton 1 OMA/Rem Koolhaas, Ove Arup & Partners, C.Balmond (TW): Bibliotheken von Jussieu, Paris 1992 2 MVRDV, Pieters Bouwtechniek (TW): Villa VPRO, Hilversum 1993-97 3 Jean Nouvel Associés, ARUP / Polonyi & Fink (TW): Galeries Lafayette, Berlin 1992-96 4 Herzog & de Meuron, Pahn Ingenieure (TW): Bibliothek Cottbus, 1998-2002 5 Herzog & de Meuron, Zachmann+Pauli (TW): Schaula- ger Basel, 1998-2002 3 4 5 Schräge Stützen, deformierte Raster Unter den Abwandlungen des Skeletts mit geneigten Stützen sind drei Varianten denkbar: (a) Das Gebäude unterliegt prinzipiell einem regelmäßigen geometrischen Raster; die Konstruktion greift aber nicht alle Rasterpunkte ab, bzw. steuert in verschiedenen Geschossen verschiedene Positionen im Raster an, anstatt die Lasten in regelmäßig gestellten vertikal durchlaufenden Stützen zum Boden zu führen. Hierfür sind die Galeries Lafayette von Nouvel und der Niederländische Pavillon der EXPO Hannover von MvRdV Beispiele. Der Eindruck des Informellen entsteht im letzteren Fall durch Spreizung und Bündelung der Lastpfade, die aber auf einem Raster basieren (wobei ab der Decke über dem 3. Obergeschoss nur noch vier von zwölf Innenstützen auf dem Raster stehen). (b) Innerhalb der Gebäudestruktur kommen in übereinanderliegenden Abschnitten verschiedene Raster zur Anwendung. Folglich gibt es ein Geschoss, in dem die Stützen zwischen den beiden Rastern vermitteln müssen: Der Fußpunkt der Stütze richtet sich nach dem unteren Raster, der Kopfpunkt nach dem oberen Raster aus, damit der Lastpfad kontinuierlich bleibt. So z.B. in der Seattle Public Library, wo die Stützen des Erdgeschosses zwischen dem Tiefgaragenraster und dem Raster der darüberliegenden Geschosse vermitteln. (c) Das Raster wird als Ganzes deformiert. Beispiel einer regelbasierten Deformation ist das Projekt für Selfridges Glasgow von Toyo Ito. Um die Fußpunkte der Stützen wird ein magisches Quadrat angeordnet; ein Algorithmus ergibt, welche Position der Kopfpunkt in Relation zum Fußpunkt einnehmen soll. D.h. die Stütze kann drei mögliche Neigungswinkel einnehmen; der Algorithmus sorgt dafür, dass die Spannweiten nicht zu groß werden oder alle Stützen in eine Richtung geneigt sind. So wird das Raster, ausgehend vom regelmäßigen Raster der Tiefgarage, über die Geschosse hinweg deformiert. Während die Schrägstellung der Stützen bei (a) auch zur Aussteifung dient, sind die Lösungen (b) und (c) wegen der geringen Schrägstellung der Stütze auf zusätzliche Aussteifungen angewiesen, die in beiden Fällen aber durch Erschließungskerne aus Beton gegeben sind. Gegenüberstellen lassen sich diejenigen Gebäudestrukturen, bei denen Raster und Außenkontur nicht kongruent verlaufen, woraus sich eine Art Reibung ergibt, gegenüber jenen, wo die Fassade unmittelbar dem Raster folgt, wie bei der Endversion des Philadelphia City Tower oder bei Itos Selfridge. Scheibentragwerke Aus der Perspektive des Skelettbaus kann eine tragende Scheibe eine Stützenachse ersetzen. Das wesentliche Kennzeichen jeder Scheibe ist die Integration von vertikalem Lastabtrag und horizontaler Aussteifung. Scheiben können aber dank ihrer statischen Höhe auch genutzt werden, um größere Spannweiten herzustellen. Baukonstruktiv liegt eine Unterscheidung zwischen massiven Scheiben aus Stahlbeton und aufgelösten Scheiben aus Stahl oder Stahlbeton nahe. Von der Tragwerkskonzeption her sind Konzepte, bei denen mehrere einander parallele Wandschotten das herkömmliche Stützenraster gänzlich ersetzen, gegenüber Konzepten abzugrenzen, bei denen Scheiben an der Grundrissperipherie nur die Randstützen ersetzen. Bei dieser Option sind an den vier Seiten eines Rechteckgrundrisses ein- oder mehrgeschossige Scheiben angeordnet; dabei bleibt das Raster der Innenstützen entweder erhalten, oder wird ebenfalls durch Schotten ersetzt. Massive Scheiben, die vom Boden her aufsteigen, entsprechen einer herkömmlichen tragenden Außenwandkonstruktion. Aufgelöste Scheiben, die vom Boden her aufsteigen, erfüllen meistens Aussteifungsfunktion gegen Wind oder seismische Lasten. Scheiben, die auf wenigen Aufl agern lastend oder hängend oberhalb der Grundebene angeordnet sind, heißen bei Heino Engel auch Geschossbrücken (oder Mehrgeschossbrücken, im Gegensatz zu den Trägerbrücken der single spans, die nicht geschosshoch sind, oder ober- bzw. unterhalb der Geschossebenen angeordnet sind). Geneigte Stützen 1 MVRDV (Maas, van Rijs, de Vries), ABT (adviesbureau voor bouwtechniek, TW): Niederländischer Pavillon, EXPO Hannover 1997- 2000 2 OMA / Rem Koolhaas mit LMN, ARUP / Magnusson Klemencic Associates (TW): Seattle Public Library, 2000-2004 3 Toyo Ito & Associates, ARUP (TW): Selfridges Glasgow 2002 1 2 3 227 deep plan seit 1990 Bei den Scheiben an der Grundrissperipherie läßt sich eine Kategorisierung aufgrund der Lage der Fassade in Relation zum Scheibentragwerk erstellen: Liegen in Stäbe aufgelöste Scheibentragwerke vor der Fassade, handelt es sich um eine mögliche Variante eines Exoskeletts. Liegen Fassade und Scheibe in einer Ebene, handelt es sich entweder um eine tragende Außenwand (massive Scheibe) oder, wenn die Scheibe aufgelöst ist, um einen Fassadenrahmen. Kann beim Fassadenrahmen auf weitere Unterteilung der verglasten Abschnitte verzichtet werden, dann handelt es sich um eine structural skin. Der Ausdruck structural skin hat die Funktionstrennung zwischen Tragwerk und Fassade, die zur Vorhangfassade führte, als Voraussetzung. Die Fachwerkscheiben können aber auch hinter der Fassadenebene liegen. Hierfür gibt es keinen speziellen Begriff. structural skins –Tragende Außenwände und Fassadenrahmen Die geschlossenen Außenwände in den Skelettbauten von Le Corbusier steigen meistens vom Geländeniveau aus auf. In innerstädtischen Situationen bestehen aber in Bezug auf das Erdgeschoss andere Anforderungen bezüglich des Öffnungsgrades: Hier, wo die Normalkräfte in der Außenwand am höchsten sind, werden die weitesten Öffnungen verlangt. Demgegenüber muss die Fassade in den Obergeschossen, z.B. bei einem Bürohaus eine gewisse Regelmäßigkeit der Öffnungen haben; Trennwände von Büros müssen angeschlossen werden können, etc. -Mies‘ Lösung bei den ersten Türmen am Lakeshore Drive ist es, das Stützenraster mit der Glasfassade zu füllen, wobei das Fassadenraster ein Viertel des Stützrasters ist. Die verglasten Fassaden haben innenliegenden Sonnenschutz. Später trennt Mies Primärkonstruktion und Vorhangfassade voneinander.- Sollen die Fassaden hingegen etwas substantieller sein, was z.B. mit der Wahl von Stahlbeton statt Stahl schon gegeben ist, oder soll der Glasanteil geringer sein, dann stellt sich die Frage nach der strukturellen Kontinuität zwischen Erd-und Obergeschossen neu. Die Außenwand wird dann fast zwangsläufi g zu einer Wandscheibe, die im Erdgeschoss abgefangen wird und auf wenigen Aufl agern liegt. In einem 1964 erschienenen Artikel proklamiert der amerikanische Ingenieur William Le Messurier die Rückkehr der tragenden Wand149. Die tragenden Außenwände, die Le Messurier beschreibt, sind über die ganze Gebäudehöhe –unter Ausnahme des Erdgeschosses- reichende, in Stabwerke aufgelöste Scheiben; es handelt sich um zum Haupttragwerk gehörende Skelettkonstruktionen von einer feineren Maschenweite, als bei der innenliegenden Primärkonstruktion. Im Gegensatz zu dem, was Curt Siegel in seinen Strukturformen150 unter der Rubrik des engen Rasters registrierte, sind die structural oderstressed skins allerdings meistens fl ächige Tragwerke, die nicht nur Vertikal-, sondern auch Horizontallasten aufnehmen. Wenn sie nur Tragglieder in Vertikale und Horizontale aufweisen (dann auch als grid walls bezeichnet), wie im Falle der New Yorker Twin Towers, dann sind diese über biegesteife Ecken zu Vierendeelsystemen zusammengeschlossen. Insgesamt dominiert aber bei den structural skins der 1960er Jahre die Diagonale. In den US-amerikanischen Beispielen dieser Zeit sind die stressed skins meistens mit einem zentralen Kern zu einem typischen Hochhaus-Tragwerk kombiniert. Die Wände werden aus einzelnen vorgefertigten Elementen aufgebaut, die vor Ort miteinander verschweißt bzw. im Falle einer Betonkonstruktion mit Ortbeton vergossen werden. Für die größere Spannweite im Erdgeschoss werden drei Lösungen angeboten: 1. Mehrere enge Maschen werden auf jeweils eine Stütze gebündelt (Blue Cross-Blue Shield HQ, Boston; Paul Rudolph; World Trade Center; Minoru Yamasaki). 2. Lastsammelnde Träger oberhalb des Erdgeschosses konzentrieren die Last der Fassade auf wenige Stützen (Brunswick Bldg., Chicago; SOM; American Cement Bldg., LA; Daniel, Mann, Johnson & Mendenhall). 3. Die Stützen des Erdgeschosses werden als aufgelöste Stützen im selben System wie die Maschen des Obergeschosses ausgeführt; aber zwischen ihnen sind größere Öffnungen gelassen. Hierbei verteilen sich die Spannungen über die ganze Fassade (IBM Bürogebäude, Pittsburgh; Architekten Curtis and Davids). Dies ist wohl die überzeugendste der drei structural skins 1 Ito: M-Project, Tokio 2002 2 SANAA(Sejima & Nishizawa), Bollinger + Grohmann (TW): Zollverein School, Essen 2002-06 1 2 Lösungsvarianten. Das Social Sciences Building von SOM in Cornell zeigt eine ähnliche Lösung: Durch die Reduzierung einer Fassade von fünf Achsen auf zwei Aufl ager bedingt, werden Pfosten und Riegel der drei Obergeschosse zu Gliedern eines Vierendeels (Fassadenrahmen). Alle diese Lösungen versuchen, das uralte Konstruktionsprinzip der tragenden Wand mit dem modernen (von Le Corbusier erstmals formulierten Dogma) des aufgeständerten Erdgeschosses zu verbinden. In den letzten Jahren erlebt das Konzept der strukturellen Hülle eine Renaissance151. Dabei wird meistens auf die Aufständerung im Erdgeschoss verzichtet; man nähert sich somit dem ursprünglichen Megaron-Format wieder stärker an. So z.B. bei der Design School Zollverein. Auch die aufgelösten Wände von Prada Tokio (Herzog & de Meuron, 2000-2003) laufen bis zum Boden durch, wobei die größere Öffnung für den Zugang durch die Eliminierung einzelner Maschen hergestellt wird. Toyo Itos M-Projekt versucht über das abstrahierte Baummotiv die Gabelung der Stützen oberhalb des Erdgeschosses (wie bei Blue Cross oder WTC) neu zu formulieren. Der Aspekt der Vorfertigung ist bei den jüngeren Beispielen in Stahl nach wie vor aktuell, während die Stahlbeton-Beispiele aufgrund ihres geringen Repetitionsgrads, und dem Wunsch nach Fugenlosigkeit folgend, in Ortbeton ausgeführt sind. Schon Le Ricolais („the art of structure depends on knowing how and where to locate the voids“152) verweist auf die Äquivalenz massiver mit aufgelösten Strukturen. Die Fachwerkanalogie eines Betonbalkens ist ein bekanntes Beispiel dafür. Diese Austauschbarkeit von Fachwerken gegen massive Scheiben und umgekehrt bietet der Architektur neue Ausdrucksmöglichkeiten und eine neue Flexibilität in der Abwägung funktionaler (z.B. Tageslicht) gegenüber strukturellen Überlegungen (Wand zum Lastabtrag), die in der Natur des Stahlbetons als Verbundmaterials begründet liegen. Im Vergleich zu offenen Stahlprofi len ist die Belastung in einem Betonbauteil, wenn dies nicht explizit gewünscht ist, oft schwerer abzulesen, da über den Bewehrungsgrad die „wahre“ Leistungsfähigkeit eines Betonquerschnitt ganz verschieden eingestellt werden kann. Das erste Beispiel eines solch ambivalenten Einsatzes von Stahlbeton bietet das Haus am Michaelerplatz von Adolf Loos, Wien 1909-11. Hinter der Lochfassade der Platzfront verbirgt sich eine Stahlbetonkonstruktion, die als Rahmen geschossweise über die Breite der Fassade spannt, um die Marmorsäulen des Erdgeschosses, die den andernfalls auftretenden Normalkräften nicht gewachsen wären, zu entlasten. Der Rahmenriegel ist jeweils ein Stahlbetonträger im Brüstungsbereich. Dieser Träger verfügt noch über die in der Frühzeit des Stahlbetons anzutreffenden diagonalen Bewehrungen, die die Fachwerkanalogie besonders deutlich werden lassen. Die statische Funktionsweise ist also in zweifacher Weise verhüllt: Einmal über den Stahlbeton, der die Bewehrung umhüllt; dann durch die Aufmauerung von Mauerpfeilern über den Brüstungsträgern und den Verputz der Fassade. Während die Leistungsfähigkeit der neuen Bautechnik bei Loos eingesetzt wird, um ein nach außen hin konventionelles Ergebnis zu erreichen, wird die Austauschbarkeit massiver mit aufgelösten Strukturen in der jüngeren Architektur gerade zur Erzielung eines „ungewohnten“ Erscheinungsbildes eingesetzt. So ist die Fassade der Design School Zollverein von 134 Öffnungen durchlöchert, deren Größe variiert, deren Abstand aber teilweise so eng ist, dass die verbleibende Betonmasse eher an ein Vierendeelsystem erinnert, denn an eine Wand. Durch die Anordnung der Fenster in Häufungen entsteht ein allmählicher Übergang von der vollkommen geschlossenen Wand zu einem ausgezehrten Gitterwerk. Früher als sich einander ausschließend gedacht, werden massive Wand, Lochfassade und Fachwerk zu Enden eines kontinuierlichen Spektrums von Möglichkeiten. Der sich einstellende Effekt ist der der Unschärfe bzw. der Ambivalenz. Fachwerkscheiben an der Grundrissperipherie Fachwerkscheiben an der Grundrissperipherie werden entweder zur Herstellung größerer Spannweiten in Scheibenebene, und/oder zur Herstellung weiterer Ausladungen des Baukörpers quer zur Scheibenebene eingesetzt. 1 2 3 229 deep plan seit 1990 Damit verbunden ist die Frage nach der Aufl agerung der Scheiben. Damit der Effekt einer „schwebenden Box“ entstehen kann, kommen vier Varianten der Lagerung infrage: (a) Social Sciences Building, Cornell (SOM, 1972): Die Scheiben sind in ein Vierendeelsystem über drei Geschosse aufgelöst; sie liegen symmetrisch auf zwei Aufl agern in Scheibenebene, wobei das Gelenk des Aufl agers besonders herausgearbeitet ist. Durch den Materialwechsel vom Stahltragwerk der aufgelösten Scheibe zur massigen, skulptural geformten, eingespannten Stütze aus Stahlbeton „trennen“ sich optisch Scheibe und Stütze. Dadurch, und durch die Auskragung über die Ecke bedingt, beginnt die „Box“ gleichsam zu schweben. Durch die Symmetrie von Box und Lagerung und durch die dunkle Farbigkeit des Fassadenrahmens und der getönten Gläser behält die „Box“ aber ein beträchtliches optisches Gewicht. Die Proportionierung des breit gelagerten, gedrückt wirkenden Erdgeschosses zu den Obergeschossen spielt hierbei eine Rolle. Ein Eindruck von Instabilität kann und soll nicht aufkommen. (b) Niederländischer Pavillon, EXPO 2000 in Hannover (MvRdV, 1997-2000): Die „Box“ des obersten Geschosses kragt gegenüber den schräggestellten Baumstützen des darunterliegenden Geschosses aus. Die „Fachwerkscheiben“ sind eigentlich Reihen von V-Stützen, die am Rand der auskragenden Decke über dem „Wald“-Geschoss stehen; sie tragen –wie auch an der schlanken Dimensionierung der Profi le ersichtlich- nur den Randbereich des Flachdachs. Das Fachwerk vereint Stütze und Aussteifung und trägt dazu bei, Boden und Decke des obersten Geschosses durch seine Zickzack-Bewegung optisch zusammenzubinden. Die transluzenten Folien lassen das Geschoss zum Volumen werden, ohne die Lesbarkeit der Struktur zu beeinträchtigen. Die Innenstützen hingegen sind durch ihren Einbau in doppelte (nichttragende) Wände nicht erkennbar. So entsteht beim Betrachter ein Moment der Verblüffung, weil die einzig sichtbare Tragstruktur des Geschosses einerseits so schlank dimensioniert ist und andererseits nicht erkennbar nach unten weitergeführt ist. (c) Seattle Public Library (OMA 2000-04): Die Fachwerkscheiben an der Peripherie der „Boxen“ werden durch Stützen gehalten, deren Fußpunkte weit vor oder hinter der Scheibenebene liegen. Diese Stützen sind im Aufriß und teilweise auch im Grundriss stark geneigt. Sie greifen die Last an Unter- bzw. Oberkante der Fachwerkscheiben ab. Stehen die Stützen hinter der Scheibenebene, dann sind die Scheiben an ihren Obergurtknoten abgehängt, liegen die Stützen vor der Scheibenebene, dann lagern die Fachwerke an ihren Untergurtknoten auf den Stützenköpfen. Wenn die Rautenfassade der großen Lufträume in unmittelbarer Nähe der Stützen –mit gleichem Neigungswinkel- verläuft, wird die Stütze als Objekt im Luftraum nicht so wahrnehmbar, als wenn sie freistünde. So wird der Nachvollzug des Lastabtrags erschwert. Es entsteht der Eindruck einer prekären Balance. Zur Aussteifung bedarf es allerdings zweier Stahlbetonkerne. (d) Schulhaus Leutschenbach, Zürich (Christian Kerez, 2002-07): Von den vier peripheren Fachwerkscheiben sind jeweils die der Längsseite von zwei innenliegenden Querschotten abgehängt, bzw. lagern auf diesen auf. Die Scheiben der Querseiten sind zwischen die der Längsseiten gehängt und dienen im wesentlichen der Aussteifung. Die Längsscheiben hingegen tragen die Geschossdecken und tragen zur Längsaussteifung bei. Die zwei innenliegenden Querschotten lagern auf Parallelen der Längsscheiben, die ihrerseits wieder auf „Dreibeinen“ der Erdgeschosszone ruhen. In Bezug auf das „gedrückte“ Erdgeschoss, die eingespannten Stützen und die (fast) übergreifende Symmetrie des Tragsystems ergeben sich Ähnlichkeiten zu (a). Aber die Ausladungen sind in beiden Richtungen weitaus größer. Das interne Stützenraster ist vollkommen entfallen. Im Gegensatz zu den Parallelschotten-Systemen, zu denen Ähnlichkeit besteht, ist das Tragverhalten der vier parallelen Wandscheiben in der Leutschenbach-Schule aber untereinander sehr verschieden. Periphere Wandscheiben und Geschoßbrücken: 1 OMA/Rem Koolhaas, ARUP: ZKM Karlsruhe, 1989-92 2 Peter Zumthor, Robert Manahl (TW): Kunsthaus Bregen 1993-97 3 Hitoshi Abe u.a.: Megafl oor, Tokio 2001 4 MvRdV, ABT (adviesbureau voor bouwtechniek) (TW): Niederleändischer Pavillon, Expo Hanno- ver 1997-2000 5 OMA / Rem Koolhaas mit LMR, ARUP / Magnus- son Klemencic Associates (TW): Seattle Public Library, 2000-2004 4 5 Massive Wandscheiben im Inneren Daneben gibt es aber auch Beispiele, wo tragende Innenwände die Stützen ersetzen. Voraussetzung ist, dass räumliche Flexibilität im Sinne eines Großraums nicht verlangt ist, bzw. dass die Raumgrößen genau festgelegt sind. So werden Gefüge paralleler Schotten wie beim Entwurf für die Bibliothèque de France von OMA oder bei der Voltaschule Basel funktionell plausibel. Eigenartigerweise ist in beiden Fällen das Überspannen des Erd- bzw. Untergeschosses über die ganze Gebäudetiefe ein treibendes Motiv. Was bei den im Erdgeschoss abgefangenen Außenwänden der 1960er Jahre oft nur eine Geste an der Fassade war (man vergleiche die großspurige Aufständerung beim Social Sciences Building in Cornell von SOM), wird jetzt auf die ganze Grundrisstiefe ausgedehnt. Dabei zeigt sich das Schweizer Beispiel nach außen hin besonders verschlossen. Bei der Voltaschule zeigt sich aber auch, wie Wandschotten und Geschossdecken im Sinne eines räumlichen Verbunds strukturell zusammenwirken: Damit das kompakte Raumgefüge bei den Nutzern keine Klaustrophobie auslöst, müssen die Wandschotten großzügig geöffnet werden. Dies schwächt zunächst ihre Tragwirkung. An dieser Stelle werden die Geschossdecken aktiviert. Ergebnis ist eine räumliche Struktur, in der kein Bauteil nur passiv ist, und wo die Trennung zwischen Tragwerk und Füllung aufgehoben ist. Jürg Conzett verweist in seinem Artikel Scheiben im Hochbau153 darauf, dass die bei der Voltaschule angewandte Kombination von Scheiben und Platten im Brückenbau schon seit langem eingesetzt wird. Die Geschossdecken in der Voltaschule werden durch die Kombination von Platten-und Scheibenwirkung nach Conzett zu interaktiven, synthetischen Tragelementen. Als solche sind sie der Fahrbahnplatte einer Hohlkastenbrücke vergleichbar. Die Beanspruchung der Geschossdecken aus der Scheibenwirkung ist im Hochbau normalerweise gering und muss nur in der Bewehrung berücksichtigt werden. Die stärkere Heranziehung der Decke als Scheibe „aktiviert“ gewissermaßen ein bislang ungenutztes Potential dieses Bauelements. Arbeitet die Voltaschule mit massiven, opaken Wandscheiben aus Stahlbeton, um die im Untergeschoss liegende Sporthalle zu überbrücken, so drehen sich bei der Schule Leutschenbach die Verhältnisse geradezu um: Hier tragen in Stahlfachwerke aufgelöste Wandscheiben die Geschossdecken einschließlich des Dachs über der zuoberst gelegenen Sporthalle. Während bei der Voltaschule die Schotten oberhalb der Sporthalle über die Geschosse vertikal durchliefen, wechseln die Fachwerkscheiben in Leutschenbach mehrfach ihre Orientierung. In Leutschenbach ist der strukturelle Balanceakt im Rohbau dadurch deutlicher erkennbar. Vermutlich wird der Ausbau aber auch hier die Lesbarkeit des statischen Konzepts verringern. Spannungsspitzen entstehen dort, wo eine mehrgeschossige Schotte ihre Last auf eine im 90°-Winkel angeordnete Schotte abgibt, weil hier als Lastübertragungsfl äche lediglich das Quadrat der Wandstärke zur Verfügung steht. Im Betonbau sind solche Punkte nicht mit konventioneller Bewehrung zu bewältigen. Der Wettbewerbsentwurf von Herzog & de Meuron für das Centre Pompidou Metz spinnt das Grundschema der Leutschenbach-Schule in Richtung einer Sandwich-Anordnung von freien Grundrissen und Zellengrundrissen fort. Die Sammlungsgeschosse sind in sich steife Gefüge aus tragenden Wänden und Geschossdecken, die in der Lage sind, relativ weit auszukragen, und die über drei Kerne abgetragen werden. Die Kerne verfügen über interne senkrechte Wände, die auch in den Sammlungsgeschossen durchlaufen, während ihre äußeren Wände geneigt sind. Das Arbeiten mit Wandscheiben als geschosshohen Trägern und im Verbund mit den Geschossdecken gilt als ein Schwerpunkt der neuen Schweizer Architektur. Auch hier gibt es Vorläufer in den 1960er Jahren. Eine Veröffentlichung in Architectural Record weist auf die Arbeit der sonst nicht bekannten ungarischen Architekten Olgyay and Olgyay in Zusammenarbeit mit 1 2 3 231 deep plan seit 1990 dem Ingenieur Bela Kiss hin (Partition function as columns154). Das Prinzip der tragenden Schotten wird hier auf den Wohnungsbau angewendet (ursprünglich für den Wiederaufbau von Budapest entwickelt). Die Grundrissdimensionen sind mit 23 x 23 m inklusive Balkon allerdings nicht im Bereich der tiefen Grundrisse. Auch laufen die Schotten über die ganze Gebäudehöhe durch. Bemerkenswert wird das System durch die Schlankheit der U- und L-förmigen Betonelemente, die die Stützen ersetzen und gleichzeitig als Möbel dienen, und durch ihre unregelmäßige Plazierung unter der Geschossdecke –zur damaligen Zeit komplex zu analysieren. Aufgelöste Wandscheiben innen wie außen Wie man an den Gebäudereferenzen des Katalogteils erkennen kann, spielen in den 1990er Jahren Exoskelette in der Architektur keine Rolle. Die bauphysikalische Problematik der Durchdringungspunkte an der Fassade, vor allem aber die stilistische Abneigung gegen „expressive“ Tragstrukturen lassen Exoskelette für eine Weile „altmodisch“ erscheinen. Richtet man dagegen den Blick auf die Leutschenbach-Schule von Christian Kerez (Zürich 2002-07), dann erstaunt zunächst, hier wieder ein Exoskelett zu fi nden. Renderings aus der Planungsphase, die noch ein innenliegendes Tragwerk zeigen, belegen, dass sich der Architekt hierzu offenkundig erst später entschlossen hat –eine Entscheidung, die angesichts des stupenden Strukturmodells sicher konzeptadäquat ist. Die Leutschenbach-Schule vereinigt die Strukturmerkmale Exoskelett, Hängehausprinzip und single span in einem tiefen Grundriss. Schon in dieser Fusion zeigt sich, dass die Schule einer anderen Entwicklungsphase zuzurechnen ist, als die Exoskelette der 1970er und 1980er Jahre, die verschiedene Anforderungen bezüglich der Spannweite im Sinne einer vereinheitlichenden und über den Gebäudeschnitt hinweg repetierbaren Lösung bündelten. Die Struktur der Leutschenbach- Schule wirkt zwar kristallklar und ist auch nicht schwer zu „lesen“, nimmt sich aber einige Freiheiten. So z.B. die leichte Asymmetrie des 4.Obergeschoss, die es fast so erscheinen läßt, als wolle der Architekt beweisen, dass er Funktionalität und Raumprogramm nicht unter eine „perfekte“ Konstruktion zwingen will. Vor allem aber wird durch die Gleichbehandlung der Außendimensionen aller Fachwerkgurte die Struktur letztlich doch wieder abstrahiert. Wo die Hängehäuser unter einer ästhetischen Diskrepanz zwischen wuchtigen Kernen oder massigen Raumfachwerken und den relativ schmächtigen Zugstäben litten, ist das Spiel der Kräfte in Leutschenbach nur bis zu einem gewissen Grad ablesbar. Die Diagonalen der Fachwerke werden mit einen ähnlichen Abstraktionsgrad versehen, wie bei Terragni, Ungers, Ando oder Vacchini der orthogonale Rahmenbau. So unterscheiden sich von den vier parallelen Scheiben des 1.-4. OG‘s die Fachwerkdiagonalen und –gurte der viel stärker belasteten mittleren Scheiben gegenüber denen der äußeren Scheiben, zumindest von außen her betrachtet, nicht. Auch ist in der Längsansicht die hängende Scheibe zwischen erstem und viertem Obergeschoss genauso behandelt, wie die lagernde Scheibe der Sporthallenlängswand im fünften Obergeschoss. Soviel zum Austausch des „Lastens“ gegen das „Hängen“ im modernen Geschossbau- ein Wechsel, der bei Goldsmith innerhalb einer Struktur stattfand, und der später von Eiermann in seinen Strukturvarianten für Olivetti durch die (leider nicht realisierte) Aufspaltung auf zwei Gebäude so augenfällig wurde. Eine Parallele, wenn man will, zur Hongkong Bank, bildet die sinnfällige Tatsache, dass die Geschosse, in denen die Kräfte umgelenkt werden (in Hongkong die Geschosse mit den „coat hangers“, in Leutschenbach das Erdgeschoss und das 4. OG), auch eine besondere soziale Funktion haben, nämlich den einer Lobby in den Bank, bzw. den einer Pausenhalle in der Schule. Damit heben sich diese Beispiele positiv von einer älteren Traditionslinie ab, bei der die strukturell besonders interessanten Geschosse als Technikgeschosse gerade nicht zugänglich waren. Dazu Innere Wandscheiben: 1 Miller & Maranta, TW: Conzett, Bronzini, Gartmann (Wettbewerb) / Affentranger & Partner (Ausführung): Voltaschule Basel 1996-2000 2 OMA/Rem Koolhaas, ARUP/Cecil Balmond (TW): Bibliothéque de France, Wettbewerbsprojekt 1989 3 OMA/ Rem Koolhaas, ARUP (TW): Niederländische Botschaft Berlin 1997-2004 4 Christian Kerez, Joseph Schwarz (TW): Leutschenbachschule, Zürich 2002-07 5 Herzog & de Meuron, RFR (TW): Centre Pompidou Metz, Wettbewerbsprojekt 2002 4 5 fl ießt die amerikanische Tradition des „bewohnbaren Trägers“ (inhabitable truss) ein, wie sie sich vom Auditorium Building bis zum ZKM nachzeichnen läßt, und die im Gegensatz zum Träger als einer „Armatur“ steht -wie beim Centre Pompidou, aber auch bei manchen Hängehäusern, wo der Träger nur Strukturaufgaben erfüllt, aber nicht raumbildend ist. Dadurch, dass Leutschenbach die Raumbegrenzungen unmittelbar in Nähe der Träger verlaufen, ist überall im Gebäude die Tragstruktur präsent, jedoch ohne dass ein struktureller Exzess zu konstatieren wäre. Denkt man noch einmal für einen Moment an das herkömmliche Hängehaus-Schema zurück, so war dieses gekennzeichnet durch den Kontrast von massivem Betonkern, diagonalem stählernen Ausleger und schmächtiger Zugstange. Das heißt, hier war die Tragstruktur je nach Belastung differenziert –was zunächst nur korrekt ist. Es fi el aber auf, dass mit Ausnahme des freigehaltenen Erdgeschosses die räumlichen Ansprüche bezüglich der Ausbildung der einzelnen Geschosse pauschalisiert waren. Geschosshöhe und Spannweite, um nur die wesentlichen Parameter zu nennen, sind beim herkömmlichen Hängehaus überall gleich. So ergibt sich der Eindruck, Gebäude und Nutzung seien in einer Weise konzipiert worden, die ohne weiteres mit einem „mechanischen“ Paradigma assoziiert werden kann. Dem gegenüber verhalten sich die neueren Architekturen geradezu invers: Hier werden strukturelle Differenzen verschliffen, während programmatische Unterschiede akzentuiert werden. Ein Beispiel sind die Fachwerkscheiben der Leutschenbach-Schule, die Kern(-wand), Ausleger und „Hänger“ in einem Element synthetisieren. Wo im herkömmlichen Hängehaus der Kern wie ein Pfahl fest im Boden verankert ist und durch die Geschossdecken hindurchzustoßen scheint, entsteht so etwas wie ein „Kern“ in Leutschenbach nur als eine räumliche Zonierung, die durch in der Vertikalen rechtwinklig zueinander geordnete, aufgelöste Scheiben formuliert ist, und die folglich eine ganz andere Durchlässigkeit aufweist. D.h. es handelt sich um die Umdeutung eines modernistischen Strukturtyps in einer Weise, die die modernen Ideen der Transparenz und das Potential weitgespannter Konstruktionen aktualisiert. Kerne und hohle Stützen als räumliche Elemente des Lastabtrags Tragende Erschließungs-und Installationskerne als einzige Elemente des vertikalen Lastabtrags auf der Grundebene des Gebäudes waren ein Charakteristikum der megastrukturellen Architektur. Sie wurden entweder als Raster von Kernen angetroffen, wie in Kenzo Tanges Yamanashi-Gebäude in Kofu, oder im Zusammenhang mit Hängehaus-Konzeptionen wie im Juridicum Wien oder der Hongkong Bank. Wie werden diese Optionen in den 1990er Jahren aufgegriffen und interpretiert? Hier trifft man auf die Tendenz, auf die Stützen zu verzichten und sie entweder durch Wände zu ersetzen, oder durch Faltungen aus Decke und Boden. Das von Jürg Conzett geprägte Schlagwort der „Struktur als Raum“ meint die statische Aktivierung räumlicher Begrenzungsfl ächen, die ohnehin funktional gebraucht werden (Wände, Decken, Lichtschächte oder –höfe); man kann es aber auch auf die räumliche Aufweitung statisch notwendiger Bauteile zur Aufnahme von Funktionen beziehen (die röhrenförmige, hohle Stütze wird zum Lichtschacht (je nachdem, was man als primär setzt). Raster oder Matrix von Kernen Gegenüber den massiven Kernstützen des Yamanashi-Sendegebäudes in Kofu arbeitet die Mediathek in Sendai von Toyo Ito mit aufgelösten Kernstützen. Diese sind auch linear im Grundriss platziert, versetzen sich jedoch leicht gegeneinander; außerdem weisen sie verschiedene Durchmesser auf. In der Vertikalen versetzen sich auch Boden- und Deckenkontur der Kernstützen. Die Stützen variieren in ihrer statischen Funktion ebenso wie in ihrem Inhalt: Die Eckstützen übernehmen neben vertikalen auch seismische Lasten, die Stützen der Mittelzone sind sämtlich geringer dimensioniert und haben keine Dreiecksverbände. Die Stützen ragen ein Geschoss über die Dachebene, die als „Freiluftgeschoss“ zur Aufnahme 1 2 233 deep plan seit 1990 von Klimageräten gestaltet ist, und enden auf Höhe der pergolaartigen Deckenstruktur, die diese überdeckt. Im Gegensatz zu Tange sind die hohlen Stützen oberseitig verglast und lassen somit Licht ins Gebäudeinnere fallen. Im Kontrast zu den massiven, opaken Stützen beim Yamanashi –Gebäude sind die Stützen in Sendai vergleichsweise fi ligrane Strukturen entlang gebäudehoher Lufträume. Itos Projekt für Vestbanen, Oslo 2002, ist eine Weiterentwicklung des Schemas von Sendai im Hinblick auf ein wesentlich größeres Gebäude. Die Konstruktion der crystal voids hat hier eine viel größere Maschenweite; erst durch die Verglasung werden diese Leerräume im Inneren als Körper wahrnehmbar. Die horizontale Aussteifung wird über die Triangulation der Körper hergestellt. Ebenso wie in Sendai müssen die Decken als Flächentragwerk ausgebildet sein; im Fall von Vestbanen als Stahlbeton-Kassettendecke. Kerne in Kombination mit Scheibenrastern Eine interessante Variante des Hängehausprinzips bietet das Wettbewerbsprojekt aus dem Büro van Berkel & Bos für das Diözesanmuseum Köln. Die vier relativ schlanken Kerne stehen nicht, wie in früheren Beispielen, in einer rechtwinkligen Anordnung, die sich aus einzelnen, linear überspannenden Trägern herleitete. Sondern der als fl ächiges Tragwerk wirkende Rost aus Wandscheiben, der die ganze Höhe des obersten Geschosses einnimmt, ermöglicht, dass die tragenden Kerne mit größerer Freiheit innerhalb der Grundfl äche positioniert werden können. So kann auf die archäologischen Grabungen in der Grundebene Rücksicht genommen werden. Auch ist die statische Höhe des Rostes nutzbar, während die Kerne, wie üblich, die Vertikalerschließung und Installationen aufnehmen. Durch eine variierende Rasterung des Trägerrosts unterstützt, bietet sich die Gelegenheit, einzelne Vitrinen und Lichtschächte von oben her abzuhängen. Es ergibt sich eine komplexe Innenräumlichkeit, geradezu ein „freier Schnitt“. Damit ist das Potential des Hängehausprinzips für eine neue Raumkonzeption, wie in Paul Nelsons „Suspended House“ (1936- 38) angedeutet, ausgenützt. Beim Wettbewerbsentwurf von Herzog & de Meuron für das Centre Pompidou Metz spielen ebenfalls vier, jedoch sehr viel voluminösere Kerne, eine tragende Rolle. Allerdings wird hier nicht mit Abhängungen gearbeitet. Stattdessen treten die geschosshohen Schottenraster über die Gebäudehöhe zweimal auf und kragen weiter über die Kerne aus. So kann die Gebäudekontur in den Zwischengeschossen –wie konzeptuell erwünscht- zurückspringen. Im Arts Centre La Coruna mit seiner geringeren Grundfl äche gibt es nur einen Kern, der außermittig positioniert ist. Die Raumbildung in diesem Gebäude geschieht mittels rechteckiger Röhren, die am Kern anschließen. Würden diese Röhren allein vom Kern auskragen, so würde die Exzentrizität zu groß; deshalb werden die stählernen Vierendeelstützen im Fassadenzwischenraum zum Lastabtrag mit herangezogen. Diese Konstruktion ist der des Prada-Shops in Tokio von Herzog & de Meuron vergleichbar. Ausblick: Schalentragwerke im Geschossbau Die Tubes in Sendai und die Crystal Voids in Oslo waren von der Geschossdecke diskrete, in Stahlfachwerke aufgelöste Hohlstützen. Die Halbtorus-(bzw. Katenoid)schalen von Toyo Itos Projekten für Gent und Taichung hingegen sind massiv aus Stahlbeton und scheinen sich kontinuierlich aus der Geschossdecke zu entwickeln. Stütze und Geschossdecke sind in einem Kontinuum verschmolzen. Der Lastpfad verläuft in einer S-Kurve. Im Grunde markiert die Tragstruktur die Grenze zweier ineinandergesteckter räumlicher Tunnelsysteme, die entlang ihrer Kanten ausgerundet sind. Wenn man möchte, kann man das megastrukturelle „Erbe“ der hohlen Stützen und benutzbaren Träger wiedererkennen. Bautechnisch handelt es sich um aufeinandergestapelte Schalen. Kerne und hohle Stützen: 1 Toyo Ito & Associates, Sasaki Structural Consultants (TW): Mediathek Sendai, 1995-2001, 2 Toyo Ito & Associates: Projekt Vestbanen, oslo Wettbewerb 2002 3 Van Berkel & Bos: Diözesanmuseum Köln, Wettbewerb 1997 4 Herzog & de Meuron, RFR (TW): Centre Pompidou Metz, Wettbewerb 2003 5 Toyo Ito & Associates, Sasaki Structural Consultants (TW): Taichung Opera House, 2006 3 4 5 Integration der technischen Gebäudeausrüstung in die Tragstruktur Die Betonuntersicht Wie im Kapitel über Corporate Modernism dargestellt, war die Erhöhung der Gebäudetiefe der Bürobauten in der Nachkriegszeit auch im Zusammenhang mit Neonröhre und Klimatisierung zu sehen, also technischen Innovationen, die in dem neuen Bauteil der Abhangdecke ihren Ort fanden. Der Raumeindruck der Bauten aus dieser Zeit wird unter anderem durch die gerasterten Deckenuntersichten geprägt. In den 1990er Jahren läßt sich hingegen deutlich die Abkehr von der abgehängten Decke feststellen: Im Erdgeschoss des Kunsthauses Bregenz ebenso wie in der Voltaschule oder im Schaulager, in Villa VPRO ebenso wie in der Niederländischen Botschaft Berlin oder den beiden unteren Geschossen der Seattle Library, in der Design School Zollverein ebenso wie im Arts Center La Coruna: Überall hier bleiben die Stahlbeton-Flachdecken an der Unterseite sichtbar. Schon daraus läßt sich erkennen, dass die Versorgung der Geschossfl ächen vom Hohlraumboden her erfolgen muss. Damit markieren die 1990er Jahre ein weiteres Stadium in der Integration der technischen Gebäudeausrüstung in die Geschossdecke. Am Anfang steht die Versorgung über die Abhangdecke (1946-), die den Bürobau der 1950er und 60er Jahre kennzeichnet. Die Stromversorgung und Datenverkabelung im Boden erfolgt in dieser Zeit lediglich über einzelne Kanäle, die im Estrich eingebaut sind (so auch noch bei Fosters Willis, Faber, Dumas Building in Ipswich). Die High- Tech-Architektur der 1970er und 80er Jahre markiert dann ein Übergangsstadium: Die Versorgung geschieht sowohl über die Abhangdecke wie den Hohlraumboden (Beispiele: Hongkong Bank und Lloyd‘s of London; schon vorher: Mies‘ Mansion House Square, London (1967-69)). Solche Beispiele sind in den 1990ern auch noch zu fi nden. Neu sind jedoch die Referenzen, wo die Versorgung allein über den Hohlraumboden erfolgt. Solche Beispiele sind jedoch immer Stahlbetonbauten; im Stahlbau kommt meistens aus Brandschutzgründen eine Kombination von aufgeständertem Boden und abgehängter Decke zum Einsatz. So erscheinen bei Villa VPRO die Ortbeton-Decken von unten her als durchlaufende plane Flächen; die Pilzköpfe sind über die Platte verlegt, aber aufgrund des Hohlraumbodens nicht wahrnehmbar – ähnlich also, wie bei Le Corbusier in Harvard, aber mit größeren Spannweiten. Der Hohlraumboden nimmt neben Heizung und Lüftung auch die Sprinklerleitungen für das darunterliegende Geschoss auf. Die Leuchten sind aus dem Deckenpaket ausgegliedert und hängen als schlichte lineare Pendelleuchten unterhalb der Decke. Aber dieser Deckenaufbau kann lokal adaptiert werden: Durch das Konzept der Faltung in diesem Gebäude bedingt, wechselt bereichsweise der Deckenzwischenraum von der Oberseite (Hohlraumboden) an die Unterseite und wird dort zur Abhangdecke, und demonstriert so die plastische Kontinuität der Decke. Im Sinne des Raumplankonzepts wird das Deckenpaket in seiner Gesamtheit als Amalgam aus Rohbaudecke und aufgedoppeltem Boden oder Decke, als formbarer geometrischer „Rohling“ begriffen. Und wo bei Lloyd‘s am Luftraum der ganze komplizierte Aufbau des Deckenpakets in der seitlichen Ansicht gut abzulesen ist, wird bei Villa VPRO der Beton an den Rändern der Ebenen zu Lufträumen so aufgekantet, dass der Deckenaufbau gerade nicht sichtbar wird, sondern die Decke als Ganzes möglichst abstrakt und geometrisch reduziert erscheint. Im Schaulager kommt der Aspekt der Vorfertigung hinzu: Die Fugen der wannenförmigen Betonelemente, aus denen sich die weitspannenden Decken zusammensetzen, können dabei die Beleuchtung aufnehmen; außerdem kann hier die Abluft an der Deckenunterseite abgesaugt werden. Die horizontalen Lüftungsleitungen verlaufen im Inneren der „Wannen“; die Zuluft steigt über Auslässe von hier nach oben. In den Deckenaufbauten der Design School Zollverein sind Rohbau und technischer Ausbau wieder stärker entfl ochten: Die 50 Zentimeter starken Ortbetondecken mit ihren Kunststoffkörpern zur Gewichtsreduzierung bilden ein effi zientes Tragwerk; in den Beton der Decke sind zur Unterseite hin Kühlschläuche eingelassen, um die Masse thermisch zu aktivieren; Lüftungs-, Elektro- und Datenleitungen hingegen fi nden im aufgeständerten Boden 1 2 3 Integration der technischen Gebäudeausrüstung 235 deep plan seit 1990 Die Betonuntersicht Deckenaufbauten M 1:50 1, 7 MvRdV (Maas, van Rijs, de Vries), Ing.: Pieters Bouwtechniek, Haarlem; Ove Arup & Partners: Villa VPRO, Hilversum 1993-94 2 Miller + Maranta Ing.: Conzett, Bronzini, Gartmann (Wettbewerb) Affentranger & Partner (Ausführung): Volta Schulhaus, Basel 1997-2000 3, 8 Herzog & de Meuron, Ing.: Zachmann & Pauli, Basel: Schaulager Laurenz Foundation, Münchenstein/ Basel 1998-2003 4 OMA / Rem Koolhaas, Ing.: ARUP, Berlin: Niederländische Botschaft, Berlin 1998-2004 5, 9 SANAA: Kazuyo Sejima, Ryue Nishizawa Ing.: Bollinger+Grohmann Zollverein School of Management and Design, Essen 2003-06 6,10 Victoria Acebo y Angel Alonso Alejandro Bernabeu (TW): Centro de las Artes, A Coruña, 2001-2007 11 Heizschlangen in der einschaligen Außenwand der Zollverein School, o.M. 4 5 6 7 8 9 10 11 Platz. Diese Lösung entspricht dem Wunsch nach einem ungerichteten Deckentragwerk über dem Quadratgrundriss des Gebäudes am besten. Die Betonuntersichten in den tiefen Gebäuden der 1990er stellen aber nicht nur eine konstruktive Herausforderung dar, sondern auch eine akustische. So erfordert das Großraumkonzept des Arts Center in La Coruna zum Beispiel, dass die schallharten Oberfl ächen und –untersichten der Betonskulptur in den unteren Geschossen durch akustische Maßnahmen unterhalb der obersten Decke, die als Stahlfachwerk ausgeführt ist, kompensiert werden. Im Vortragssaal der Niederländischen Botschft übernehmen gelochte hölzerne Wandpaneele die Verkleidung vor dem schalldämmenden Material. Deckenuntersichten im Stahlbau Die Deckenaufbauten in der Sendai Mediathek von Toyo Ito zeigen sowohl Hohlraumböden, als auch bereichsweise Abhangdecken. Am Deckenrand ist immer die aus Stahlplatten zusammengeschweißte Rohbau-Deckenuntersicht erkennbar. Im Erdgeschoss bleiben davon größere Bereiche sichtbar. Die Abhangdecken zeigen sich als addierte Elemente, die –ebenso wie die Beleuchtungskörper und –farbe- von Geschoss zu Geschoss wechseln.- Trotz der relativ großen Spannweiten von 15 bis 20 Metern ist die Primärkonstruktion nur 47 Zentimeter hoch. Sie wirkt im Verbund aus einer 40 Zentimeter hohen Stahlträgerlage (teilweise als Rost, von Ito als honeycomb structure bezeichnet) und einer 7 Zentimeter starken Deckschicht aus Stahlbeton. Dazu kommt ein Hohlraumboden von 18,5 Zentimetern Höhe; Abhangdecken sind mit einem Abstand von 25 Zentimetern unter der Deckenkonstruktion befestigt. Die Zuluftleitungen in der Sendai Mediathek werden vertikal über vier der insgesamt 13 Röhren geführt und von dort horizontal in den Hohlraumböden verteilt. Quelluftauslässe sind in einem Raster von ca. 2 x 2 Metern über die Geschossfl ächen verteilt. Entlang der Fassaden sind die Auslässe linear und enger angeordnet. Hier verläuft an allen vier Seiten des Gebäudes in jedem Geschoss ein tieferer Kanal mit einem Querschnitt von ca. 60 x 40 Zentimetern; die Betondecke wechselt hier von der Oberseite der Stahlstruktur an deren Unterseite. Dieser periphere Installationskanal, der vertikal ebenfalls von den Röhren aus erreicht wird, ergänzt die ansonsten von den Röhren radial ausgehende horizontale Versorgung durch ein lineares Element entlang der Fassade. In der Seattle Public Library ist in vielen Bereichen die Stahlkonstruktion der Geschossdecken sichtbar gelassen. Träger und Trapezbleche der Deckenkonstruktion sind mit einer Brandschutzbeschichtung versehen und schwarz gestrichen. Durch den Kontrast in der Helligkeit ist die Deckenstruktur so schwer lesbar; abgehängte Pendelleuchten verstärken diesen Effekt, während die sichtbaren Sprinklerleitungen den ruppigen Charme der Konstruktion unterstreichen. Aus Gründen besserer Akustik sind im Bereich des zuoberst gelegenen Lesesaals die Deckenunterseiten mit einem textilen, wie gepolstert wirkenden Material verkleidet. Beim Mercedes-Museum Stuttgart als einer Mischkonstruktion aus Stahlbeton und Stahl fungieren die Hohlkastenträger am Rand der Geschossdecken als integrierende Elemente, bei denen strukturelle (Torsionssteifi gkeit) und haustechnische Funktionen (Führung von Lüftungsleitungen) zusammenfi nden. Die 1m hohe Stahlkonstruktion der weitgespannten Decken schließt an die Hohlkästen an. Sie bedarf einer Abhangdecke zum Brandschutz, zur Integration der Beleuchtung; und nicht zuletzt aus ästhetischen Gründen, um nämlich eine fl ächige Deckenuntersicht herzustellen. Dabei schließen Abschnitte mit abgehängten Decken immer ebenbündig an rahmende Sichtbetonbauteile an, sodass ein plastisches Kontinuum entsteht. 1 Peter Zumthor, R. Manahl (TW): Kunsthaus Bregenz, 1993-97 2, 6 Christian Kerez, Joseph Schwartz (TW): Schulhaus Leutschenbach, Zürich 2002-07 Schnitt Decke M 1:50 3, 7 Toyo Ito, Ing.: M. Sasaki: Mediathek Sendai, 1996-2001, Schnitt 1:50 4 OMA / Rem Koolhaas mit LMN, Ing.: ARUP / Magnusson Klemencic Associates: Seattle Public Library, 2000-2004 5,8,9 UN Studio, W. Sobek /Boll & Partner (TW): Mercedes-Museum Stuttgart 2002-06; Abb. o.M. 1 2 237 deep plan seit 1990 6 3 4 5 7 8 9 Klassifi kation der Tragwerke 1990-2006 Heino Engel schlägt in seinem Buch Tragsysteme (1967, wieder aufgelegt 1997) im Kapitel über Höhenaktive Tragsysteme eine Gliederung der Geschossbauten, von ihme als Hochwerke bezeichnet, in vier Gruppen vor: So unterscheidet er zwischen Raster-, Mantel-, Kern- und Brücken-Hochwerken. Die Benennung des Kapitels und die Beispiele zeigen, dass bei Heino Engel Hochhäuser den Schwerpunkt der Geschossbauten bilden; die Bezeichnung der Tragwerke als höhenaktiv ist nur dann sinnvoll, wenn man die Windaussteifung als neben dem vertikalen Lastabtrag zumindest gleichberechtigt annimmt. Ansonsten wäre es -wie der Autor selber zugesteht- sinnvoller, die Geschossbauten unter die vier ersten Kapitel einzuordnen, die da heißen: Formaktive, Vektoraktive, Schnittaktive und Flächenaktive Tragwerke. Die Kategorie höhenaktiv ist insofern auch merkwürdig, als sie als einzige nicht die Tragwirkung beschreibt, sondern die Gebäudedimension. So wird das Feld der Gebäudebeispiele in eingeschossige Hallen und Pavillons auf der einen Seite und Hochhäuser auf der anderen Seite aufgespalten - eine Gliederung, die der Vielfalt der Beispiele nicht gerecht wird. Neuere Gebäudebeispiele widersetzen sich aber auch Engels zweiter Gliederungsebene, nämlich der in Raster-, Mantel-, Kern- und Brücken-Hochwerke. So könnte man argumentieren, dass das Schulhaus Leutschenbach von Christian Kerez alle vier Tragwerkskategorien in sich einschließt. Die vier parallelen Fachwerkschotten des 1.-3.OGs entsprechen in Bezug auf ihre gleichen Außendimensionen und gleichen Abstand dem Scheibenraster bei Heino Engel. Die Scheiben am Rand der Sporthalle im 5.OG entsprechen einem Mantel-Hochwerk. Durch die aufeinandergestapelten Scheiben bildet sich in Grundrissmitte eine Kernzone aus, von der aus vier geschosshohe Kragarme ausgehen; insofern hat die Schule auch Charakteristika eines Kern-Hochwerks. Und schließlich entsprechen die äußeren Scheiben den Geschoss- und Mehrgeschossbrücken bei Engel. Im Übrigen bilden schon die Querfassaden des Centre Pompidou ein Beispiel für die Überlagerung mehrerer Strukturen: Durch die Einfügung von 4 x 3 umgekehrten V-Elementen werden die weitgespannten Fachwerkträger zusammen mit den Stützen zu Fachwerkrahmen; durch die Stapelung der Fachwerkrahmen wiederum wird die ganze Tragwerksachse zur Scheibe.- Das Problem mit der Systematik von Engel besteht mithin in ihrer Anwendung auf größere bauliche Zusammenhänge. Solche haben meist komposite Tragwerke, die viele Bauteile mit unterschiedlicher Tragwirkung in einem System zusammenfassen. Ein wichtiges Element der Systematik von Heino Engel ist auch die Unterscheidung zwischen massiven und aufgelösten Strukturen. Schnittaktive und fl ächenaktive Tragwerke sind bei ihm an massive Bauteile geknüpft, während vektoraktive und formaktive mit fi ligranen Bauteilen funktionieren. Verfolgt man allerdings den Gedanken von Le Ricolais weiter, dass massive und aufgelöste Strukturen einander äquivalent sind -und die Realität zeigt, dass die Übergänge dazwischen in der Tat fl ießend sind- dann erscheint eine Systematik, die auf der Unterschiedlichkeit zwischen massiven und aufgelösten Strukturen insistiert, problematisch. Hinzu kommt, dass seit 1967, dem Erscheinungsdatum der Tragsysteme, die rechnerische Analyse von Tragwerken Fortschritte gemacht hat.- Außerdem vermißt man bei Engel eine historische Einordnung der verschiedenen Tragsysteme. Die Tragwerke werden von ihm -wie Ideen- absolut gesetzt, während sie in Wirklichkeit natürlich Moden unterworfen sind. Die Anerkennung eines zeitlichen Faktors, d.h. der geschichtlichen Dynamik würde die Kategorisierung bereichern. Ein weiteres Defi zit ist die geringe Berücksichtigung des Maßstabes. Im Rahmen dieser Untersuchung spielen Größenordnungen wie Spannweiten sehr wohl eine Rolle. 1 239 deep plan seit 1990 Was aber wäre eine alternative Gliederung der Tragwerkskonzepte für tiefe Gebäude mittlerer Höhe? Eine solche Gliederung würde von den Elementen des vertikalen Lastabtrags ausgehen: Sind diese linear (Stützen), fl ächig (massive und aufgelöste Scheiben), oder räumlich (Kerne, hohle Kernstützen)? Die linearen Systeme bedürfen zusätzlicher Aussteifung, die fl ächigen bzw. räumlichen bündeln vertikalen Lastabtrag und Aussteifung in je einer bzw. zwei Richtungen. Diese zunächst etwas simpel wirkende Gliederung hat den Vorteil, dass sie von herkömmlichen Vorstellungen wie Kern oder Brücke abstrahiert und auf der nächsten Ebene verfeinert verden kann. So lassen sich die drei Kategorien (linear, fl ächig, räumlich) nach Lage und Richtung der Tragelemente aufgliedern; vor allem jedoch lassen sie sich untereinander kombinieren, wodurch sich die morphologische Mannigfaltigkeit besser abbilden lässt. 1 Heino Engel: Gliederung der „Hochwerke“ in Raster-, Mantel-, Kern- und Brücken-Hochwerke 2 Die Leutschenbachschule enthät Elemente von Raster, Mantel, Kern und Brücke 3 Zusammenhang zwischen der Terminologie bei Engel und der hier verwendeten Systematik Raster Mantel Kern Brücke linear (Stützen) fl ächig (Wände) räumlich (Kerne) ‚Scheibenraster‘ Stützenraster bei Heino Engel: hier: jeweils entweder massiv oder aufgelöst: 2 3 1. Vertikaler Lastabtrag über lineare Elemente (Stützen) 1.1 ausschließlich über Stützen 1.3 in Kombination mit Kernen 2.1 Wandscheiben... ...a 2.1.1 über die ganze Gebäudehöhe 1.2 in Kombination mit Außenwänden 2.1.1.1 in Kombination mit Innenstützen 2.1.1.2 in Kombination mit inneren Wandscheiben 1.4 in Kombination mit Außenwänden und Kernen Systematik der Tragwerke: Tiefe Geschoßbauten seit 1990 gebaute Referenzen: schwarz, (noch) nicht realisierte: grau 1: Bibliotheken von Jussieu, Paris 2: Villa VPRO, Hilversum 3: Selfridges, Glasgow 4: Schaulager, Basel 5: Galeries Lafayette, Berlin 6: Bibliothek (IKMZ) Cottbus 7: Mercedes Museum Stuttgart 8: ZKM Karlsruhe 9: Kunsthaus Bregenz 10: Zollverein School, Essen 11: Megafl oor, Tokio 12: M-Project, Tokio 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 241 deep plan seit 1990 2. Vertikaler Lastabtrag über fl ächige Ele- mente (massive und aufgelöste Scheiben) 3. Vertikaler Lastabtrag über räumliche Elemente (Kerne, hohle Stützen, Schalen) 2.2.1 Parallelschotten („Scheibenraster“) 2.2 Innenliegende Wandscheiben 2.2.2 Kreuzende Schotten („Kartenhaus“) 2.1.2 als Geschoß-und Mehrgeschoßbrücken 2.2.2.1 in Kombination mit Fassadenstützen 3.1 ausschließlich über Kernstützen 3.2 in Kombination mit Geschoßbrücken 3.2 in Kombination mit Röhren ...an der Grundrißperipherie 1: Niederländischer Pavillon, EXPO Hannover 2: Seattle Public Library 3: Leutschenbach-Schule 4: Bibliothèque de France (OMA) 5: Voltaschule 6: Niederländische Botschaft Berlin 7: Centro de las Artes, A Coruna 8: Mediathek, Sendai 9: Vestbanen, Oslo (Ito) 10: Diözesanmuseum (UN studio) 11: Centre Pompidou Metz (HdM) 12: Taichung Opera House 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 Erschließung Erschließung Im Folgenden geht es darum, einige Optionen und Parameter bezüglich der Erschließung, vor allem der Vertikalerschließung, festzuhalten. Am ehesten nähert man sich diesen über das Aufwerfen von Gegensatzpaaren an, wie den Fragen: Ist die Erschließung fußläufi g oder mechanisch? Liegt sie am Rand oder in der Mitte der Geschossfl äche? Ist sie im Sinne einer kontinuierlichen Sequenz oder als Baumstruktur entwickelt? Ist sie von der Nutzfl äche abgegrenzt oder verschwimmt sie mit dieser? Der Schwerpunkt liegt dabei auf den Erschließungssequenzen mittels Rampen, Treppen, Rolltreppen oder fl ach geneigter Geschossdecken, da diese für tiefe Gebäude besonders charakteristisch sind. 1 Überblick Erschließungssysteme (gebaute Referenzen in schwarz, nicht realisierte Projekte in grau): nur vertikal (in Geschossen übereinander liegend) diagonal (Erschließungskaskade oder –sequenz) Schnittfigur u.Grad der Integration von Erschließung u. Nutzung Lage im Grundriss Kern(e) offene Erschließung Nutzung und Erschließung separiert Nutzung und Erschließung integriert Randlage Galeries Lafayette Schaulager Megafloor Trutec Seoul Kunsthaus Bregenz ZKM NL-Expo 2000 Asadi Cineplex Mercedes Museum Mittellage Sendai Mediathek Diözesanmuseum (un studio) La Coruna Arts Ctr. Zollverein School Voltaschule IKMZ Cottbus Schule Leutschenbach Centre Pompidou Metz (HdM) Bibl .de France (OMA) Sydney Museum (Sejima) NL-Botschaft Berlin Seattle Library Jussieu Villa VPRO 243 deep plan seit 1990 1 Peter Zumthor: Kunsthaus Bregenz, 1993-97. Treppe UG-EG 2 OMA / Rem Koolhaas: ZKM Karlsruhe, Projekt 1989-92 Blick in den Erschließungsraum an der Nord- (Bahnhofs)seite des Gebäudes 3, 4 OMA / Rem Koolhaas: Niederländische Botschaft, Berlin 1997-2004. Trajekt 2 3 4 Mechanisierte Vertikalerschließung und ihr architektonisches Potential Le Corbusiers Projekt für den Straßburger Kongreßpalast (1964) ist einer der ersten Belege für den Einsatz von Rolltreppen in einem institutionellen Gebäude. Die Rolltreppe ist durch ihre Leistungsfähigkeit–mehr noch als der Aufzug- die ideale Vertikalerschließung für tiefe Gebäude. Seit ihrer Erfi ndung kurz vor 1900 war sie über sechs Jahrzehnte der Handelsnutzung vorbehalten. In der High-Tech-Architektur der 1970er und 80er Jahre wird die Rolltreppe dann zur bevorzugten Vertikalerschließung, auch für Bürogebäude oder Museen: Die Rolltreppen-Kaskaden in Willis Faber Dumas und beim Centre Pompidou inszenieren den mühelosen Aufstieg über die Diagonale des Gebäudes; dabei ermöglicht die mechanisierte Erschließung vielfältige Sichtbeziehungen. Die Rolltreppenanlangen in der Hongkong Bank dienen der raschen Verbindung von Geschoss zu Geschoss und unterstützen so die Gliederung des Gebäudes in mehrgeschossige Einheiten. Im aufgeständerten Erdgeschoss der Hongkong Bank wird der Moment des „Auffahrens“ besonders inszeniert, indem die Rolltreppe die verglaste Gebäudeunterseite durchdringt. Die Inszenierung der mechanischen Vertikalerschließung in der britischen High-Tech-Architektur ebenso wie in Paul Andreus Terminal 1 in Roissy wird zu einer starken –wenn auch nicht anerkannten- Anregung für die Architektur des OMA: So fi ndet man einen ähnlichen Moment wie bei der Eintrittssequenz der Hongkong Bank im Projekt für das ZKM Karlsruhe. Die sehr lange Rolltreppe, die im niedrigen Eingangsfl ügel an der Bahnhofsseite beginnt, wird absichtlich so konfl iktträchtig geführt, dass sie von außen in den Würfel eindringt und im Zwickel zwischen den beiden Baukörpern die Anlage eines separaten Glasdachs erfordert. Im Unterschied zur High-Tech- Architektur wird bei OMA die Rolltreppe jedoch eher wie ein Expreßaufzug behandelt: Sie erschließt nicht alle Geschosse, sondern stellt effi ziente Verbindungen zwischen den Hauptgeschossen her. So werden die großen öffentlichen Räume im Inneren von OMAs Bibliothèque de France durch lange Rolltreppen miteinander verbunden. Die Vertikalerschließung wird hier zu einem schrägen Tunnel durch die Masse der Büchermagazine. Während die extrem lange Rolltreppe des ZKM in ihrer Führung über den Abgrund des Luftraums ein Moment des Schwindels hervorrief, kann man die Erschließungsröhren der Bibliothèque de France als räumliche Inversion der verglasten Röhren des Centre Pompidou ansehen. Bei der Seattle Library wiederum legt die Flucht von Rolltreppen, die durch die Bücherspirale führt, einen diagonalen Schnitt durch das Gebäude. Die parallele Anordnung von Rampe und Rolltreppe im Grundriss, die jedoch durch eine Glasschicht voneinander getrennt sind, schafft ein typisch „metropolitanes“ Raumerlebnis, das fl üchtige Blickkontakte ermöglicht, wie sie zwischen den Passagieren zweier nebeneinander fahrender Bahnen getauscht werden. Mittels eines bewußten Einsatzes der verschiedenen Bewegungsgeschwindigkeiten und –richtungen von Rampe, Treppe, Rolltreppe und Aufzug instrumentieren die Architekten von OMA –wie auch schon in der Parallelführung von interner und externer Erschließung in der Kunsthalle Rotterdam- die jeweiligen Grade an Öffentlichkeit im Gebäude. Während die Rolltreppe den gleitenden Übergang zwischen den horizontalen Ebenen der Geschosse ermöglicht, besteht das Potential des Aufzugs, wie es Koolhaas anläßlich des Downtown Athletic Club beschreibt, in einer vertikalen Montage verschiedenster Programme. Die verglasten Aufzüge der Seattle Library ermöglichen es, den Schnitt des Gebäudes nachzuvollziehen. Stärker noch erscheint das Potential des Aufzugs jedoch in der Sendai Mediathek von Toyo Ito ausgenutzt. Zum einen gibt es hier nicht die Konkurrenz der Rolltreppen (außer zwischen EG und 1.OG). Die in den aufgelösten Röhren des Primärtragwerks frei stehenden Aufzüge bieten außerdem die Möglichkeit des 360°-Panoramas, wobei durch die Stellung der Aufzüge zum Rand der Geschossfl äche hin sich ebenso Sichtbeziehungen ins Innere wie nach außen ergeben. Die Fahrt mit dem Aufzug macht die variierenden Geschosshöhen ebenso erlebbar, wie die geschossweise wechselnden Nutzungen, Belegungsmuster und Lichtstimmungen. Erschließungssequenz Die Absicht, ein institutionelles Gebäude bis ins oberste Geschoss hinein zu einem öffentlichen Ort zu machen, führt in der Arbeit von OMA, aber auch bei MvRdV oder UNstudio, zum Konzept der Erschließungssequenz als einer in sich geschlossenen räumlichen Kurve, die –am Eingang beginnend und dorthin zurückkehrend- den kontinuierlichen Weg des Besuchers durch die wesentlichen Programmbereiche beschreibt. Le Corbusiers Straßburger Kongreßpalast ist die erste Manifestation einer solchen Sequenz, die hier aus dem Maßstab einer privaten Villa auf ein großes Gebäude übertragen ist. Doch während die Rampen bei Corbusier als Wucherungen aus dem Gebäudekörper heraustreten, sind sie in den tiefen Gebäuden der 1990er in den Baukörper integriert. Dies wird möglich, indem entweder der Gebäudeperimeter für die Rampenanlagen verfügbar wird –und eine entsprechende Länge aufweist, wie beim Mercedes Museum, oder indem Rampen mit Treppen abwechseln, wie in der Niederländischen Botschaft Berlin. Zum Charakter der Erschließungssequenz gehört es, dass möglichst kein Punkt im Gebäude (außer dem Eingang) zweimal passiert wird. Beim Mercedes Museum ist es durch die Doppelhelix-Struktur sogar möglich, zwei verschiedene Zyklen zu durchlaufen. Das unterscheidet die Sequenz von der Erschließungs- Kaskade, wie der des Centre Pompidou, die auf jedem Geschoss nur ein Treppenpodest aufweist und dadurch eher einer Baumstruktur (Stamm mit Abzweigen) ähnelt.- Innerhalb der Erschließungssequenz kann entweder der Hin- oder Rückweg mittels Aufzug zurückgelegt werden; ebenso bieten Aufzüge oder Rolltreppen die Möglichkeit eines Kurzschlusses. Für die Erschließungssequenz zählt jedoch nicht nur die Kontinuität, sondern auch die Richtungswechsel, die Variation der Dimensionen, des Querschnitts, der Ausblicke, der Atmosphäre, die durch Licht, Material und Farbe vermittelt wird. Damit unterscheiden sich die neuen Erschließungssequenzen von Bauten wie dem Guggenheim New York, über dessen Höhe „nur“ ein einziger geometrischer Parameter variiert wird, nämlich der Radius des Luftraums. Das Trajekt in der Niederländischen Botschaft zeigt hingegen das Bemühen, den 200 Meter langen Parcours möglichst abwechslungsreich zu gestalten. Beim Mercedes Museum alternieren die Sichtbezüge zwischen Außenbezug in den Sammlungsebenen und Innenbezug in den „Mythos“-Ebenen. Raumhöhe, Neigungswinkel und Lichtstimmung verändern sich dabei kontinuierlich entlang des Weges durch das Gebäude. Während die Erschließung bei der Niederländischen Botschaft gelegentlich durch den Baukörper diagonal hindurchschneidet und so bestimmte Perspektiven auf den Kontext eröffnet, vollzieht man als Besucher im Mercedes Museum mit dem Ablaufen der Rampen die spiraligen Raumkurven nach, die den Baukörper auch von außen her bestimmen. Die Dynamik des Erschließungssystems zeigt sich so auf ganz verschiedene Weise im Äußeren an. 1 Toyo Ito: Mediathek Sendai, 1995-2001. Blick in eine Treppenhaus-Röhre 2, 3, 5 OMA / Rem Koolhaas: Public Library, Seattle 2000- 2004. 2 Treppe im Konferenzbereich, 3 Rolltreppe zur Mixing Chamber 5 Bücherspirale 4, 6 UN Studio: Mercedes Museum Stuttgart, 2002-06. 4 Treppen zwischen den Sammlungsräumen 6 Rampen in „Mythos“-Räumen 1 2 3 245 deep plan seit 1990 4 5 6 Integrationsgrad von Erschließung und Nutzung Ein für die Erschließung als bauliches Subsystem entscheidender Parameter ist der Grad an räumlicher Integration von Verkehrs- und Nutzfl äche. Dieser ist selbstverständlich nicht rein konzeptabhängig, sondern wird ebenso von der Art der Nutzung beeinfl ußt. Das Trajekt in der Niederländischen Botschaft zum Beispiel verläuft als baurechtlich „nicht notwendige“ Vertikalerschließung über die gesamte Höhe des Gebäudes. Die daran angrenzenden Räume sind mit verschiedenem Öffnungsgrad davon separiert: Über rahmenlose Verglasungen und verglaste Türen bis hin zu Pfeilerstellungen und geschlossenen Wandfl ächen. Damit ist das Trajekt eindeutig Verkehrsfl äche, wenn auch die vielfältigen Aus- und Einblicke den Ablauf der Erschließungssequenz interessant genug machen. Die mögliche Lesart im Sinne eines Wechselspiels von Masse und Volumen oder Positiv und Negativ verdankt sich der klaren Artikulation der räumlichen Grenze zwischen Erschließung und Nutzung. Darin besteht auch die konzeptionelle Vergleichbarkeit mit dem Wettbewerbsentwurf für die Bibliothèque de France von OMA. Dort werden allerdings die großen öffentlichen Raumvolumina zu einem Teil des Erschließungssystems. In ähnlicher Weise übernehmen die Großräume im Kunsthaus Bregenz natürlich auch Erschließungsfunktion; die Abgrenzung von Verkehrsfl äche zu Nutzfl äche ist im Museumsbau ohnehin problematisch. Einen weiteren, großen Sprung in Richtung Integration von Erschließung und Nutzung bedeuten demgegenüber die geneigten Geschossdecken der Bibliotheken von Jussieu, auf denen Wegeführung und Belegung vollkommen miteinander verschlungen sind. Beim Bürobau von Villa VPRO ist der Integrationsgrad etwas geringer; hier gibt es auch Einzelräume und Zonierungen der Erschließung. Besonders geschickt ist die Integration von Erschließung und Nutzung beim Mercedes Museum gewählt. Die Rampen am Rand der „Mythos“-Geschosse sorgen für eine eindeutige Wegeführung über die Vertikale des Gebäudes, werden aber auch über ihre Länge hin genutzt. Sie erlauben dem von oben her kommenden Besucher den Überblick über das jeweilige Geschoss und dienen gleichzeitig als Galerie, da die seitliche Wand über eingelassene Vitrinen, Displays etc. als Präsentationsfl äche genutzt wird. Damit sind die Rampen nicht nur eine räumlich interessante Vertikalerschließung, sondern erfüllen auch eine Funktion im museologischen Konzept. Fassade Materialien Der Überblick über die Referenzen seit 1990 zeigt, dass Glas das bevorzugte Fassadenmaterial dieser Zeit ist; gelegentlich wird es mit Aluminium (als Sandwichpaneel, Brüstungspaneel oder vorgehängte Fassade) kombiniert. Nur ein Viertel aller Referenzen hat opake Außenwände; diese sind dann wiederum als Sichtbeton-Fassaden ausgeführt. Die weitgehende Präferenz für Glas als Fassadenmaterial hängt unmittelbar mit dem Bedarf an Tageslicht zusammen, der sich in einem tiefen Gebäude ergibt. In der Glasverwendung kommt eine Reihe von Innovationen zum Tragen, die den Schichtenaufbau oder die Halterung betreffen (Dreifach-Isolierverglasung, Kryptonfüllung, Beschichtungen, Folien und Streckmetalle im Scheibenzwischenraum; Punkthalterung, structural glazing etc.). Aber auch die Sichtbeton-Fassaden nutzen neue technische Möglichkeiten, wie z.B. die Fassade ohne Betonierfugen herzustellen, die Oberfl ächenstruktur zu verändern, oder eine Bauteilaktivierung der Außenwand. Schlüsselt man die prinzipiellen Optionen für die Fassadenausbildung nach Material, Schichtenaufbau und Funktion (tragend oder nichttragend) auf, dann erkennt man, daß die Referenzen das Spektrum der Möglichkeiten weitgehend vollständig abdecken. Diese Übersicht wird auf den folgenden Seiten vertieft. Erscheinungsbild Bezüglich der Fassade im Geschossbau ließen sich zwei konträre Einstellungen antreffen: Zum einen die von Hilberseimer formulierte Erwartung, daß sich die innere Struktur des Gebäudes an der Fassade abbildet; zum anderen das von Koolhaas betonte Schisma zwischen innen und außen. Ordnet man diese gegensätzlichen Thesen möglichen Erscheinungsbildern von Fassaden zu, dann ließe sich sagen, daß die „ehrliche“ Fassade Hilberseimers sich notwendig differenziert ausdrückt, zum Beispiel durch den Wechsel von verglasten und geschlossenen Abschnitten. Die „lobotomische“ Fassade von Koolhaas würde demgegenüber stärker als vereinheitlichende Hülle wahrgenommen. Über die jeweilige Funktion der Fassaden hinaus geht es bei dieser Unterscheidung um Aspekte der Lesbarkeit und der Maßstäblichkeit. Da der Fassade die Aufgabe zufällt, das Volumen des Gebäudes nach außen zu artikulieren, stehen die beiden Positionen für gegensätzliche Optionen, die Einheit des Gebäudes auszudrücken, mithin also für unterschiedliche Lesarten des kompakten Prismas. Für diese Unterschiede ist nicht so sehr die Materialwahl (Glas, Beton, Aluminium) oder die Schichtigkeit (einschichtige Fassade vs. Doppelfassade) entscheidend, sondern das Verhältnis zwischen Fassade und Rohbau bzw. die Artikulation der Fassade in sich selbst. Glas Doppelfassade Kastenfenster einschichtige Verglasung Beton tragend (Primärkonstruktion in der Fassadenzone) La Coruna NL-Botschaft [Prada Tokyo] Zollverein nicht tragend (selbsttragende oder abgehängte Fassadenkonstruktion) Bregenz Cottbus Sendai (Südfassade) Galeries Lafayette Seattle, Mercedes, Trutec, Villa VPRO, Leutschenbach, Sendai (O-/N-Fassade) Voltaschule (W-/O-Fassade, aussteifend) Schaulager Fassade 1, 2 vereinheitlichende Hülle: Herzog & de Meuron: IKMZ Cottbus, 1998-2004 Rohbau und fertiggestelltes Gebäude 3,4 differenzierte Fassade: UN studiio: Mercedes Museum Stuttgart, 2002-2006 Rohbau und fertiggestelltes Gebäude 1 2 247 deep plan seit 1990 vereinheitlichende Hülle Die vereinheitlichende Hüllle wird dadurch gekennzeichnet, dass die Geschossdecken sich nicht an der Fassade abzeichnen. Dies kann entweder der Fall sein, weil die Außenwände tragend sind (Zollverein School, oder die hintere Schicht beim Kunsthaus Bregenz), oder weil es sich um eine Vorhangfassade handelt (wie etwa bei der Bibliothek in Seattle oder beim Trutec Building in Seoul), oder weil eine zweite Fassadenschicht vor der inneren Verglasung liegt (Bibliothek Cottbus). Ein durchgängiges Scheibenformat als einziges Fassadenelement unterstützt dabei die Einheitlichkeit der Fassade (Bregenz, Cottbus, Seattle). Bei den verglasten und Doppelfassaden ist tagsüber der Unterschied zwischen opaken und transparenten Wandabschnitten in der hinteren Schicht nur schemenhaft erkennbar; erst bei Nacht, wenn das Gebäude von innen heraus leuchtet, entsteht ein Kontrast (Bregenz, Cottbus). Das Unterdrücken der Information aus dem Gebäudeinneren wird kompensiert durch die Musterbildung auf der Fassade, die entweder über eine Bedruckung (Cottbus) oder eine Variation der Fassadengeometrie (Spiegeln oder Rotieren der Elemente beim Trutec Building) hergestellt werden kann. Der Effekt der vereinheitlichenden Hüllle ist jedenfalls der eines abstrakten, scheinbar maßstabslosen, auf jeden Fall rätselhaften Objekts. Es entsteht der Anschein eines monolithischen Baukörpers. differenzierte Fassade Bei der differenzierten Fassade hingegen wird der Wechsel zwischen opaken und transparenten Wandabschnitten herausgearbeitet (Mercedes Museum Stuttgart, Centro de las Artes La Coruna). Sonderräume zeigen sich durch Wechsel der Fassade nach außen hin an (La Coruna, NL- Botschaft Berlin), wobei diese Variante eine Vereinheitlichung der restlichen Hülle voraussetzt. Von einer differenzierten Fassade läßt sich auch reden, wenn die Geschossdecke in der Fassade gezeigt wird (z.B. bei den Seitenfassaden der Mediathek Sendai); damit sind auch Höhenversätze der Geschossdecken in der Fassade ablesbar (Galeries Lafayette, Villa VPRO). Deutlich zeigt sich die Differenzierung, wenn verschiedene Fassaden je nach Himmelsrichtung (Sendai) oder städtebaulicher Ausrichtung (Schaulager) ausgebildet werden. Die differenzierte Fassade darf auch Vor- und Rücksprünge aufweisen (Villa VPRO), wobei sie dann am ehesten der freien Fassade Le Corbusiers entspricht. Sie kann aber auch hinter der Tragstruktur liegen (Schulhaus Leutschenbach). Bei der differenzierten Fassade wird die innere Struktur deutlicher ablesbar, oder es entsteht eine Dialektik zwischen Hülle und innerer Struktur (La Coruna). Unter Umständen ergibt sich auch ein stärkerer Außenraumbezug, bzw. eine Durchdringung von Innen- und Außenraum (Villa VPRO). Auf jeden Fall wird die programmatische Diversität betont. Der Kontrast zwischen der vereinheitlichenden Hülle und der differenzierten Fassade wird noch einmal deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, zu welch unterschiedlichen Erscheinungsbildern die beiden Optionen führen können: Die Bibliothek in Cottbus und das Mercedes Museum Stuttgart wiesen im Rohbau vage Ähnlichkeiten auf, nämlich den Wechsel zwischen geschosshohen opaken Wandabschnitten und freien Geschosskanten auf kurviertem Grundriss. In Cottbus wird dieser Rohbau jedoch so eingekleidet, dass ein monolithisches Volumen ensteht, während beim Mercedes Museum zwei verschiedene Materialien, Glas und Aluminium, jeweils für transparente und für opake Wandabschnitte eingesetzt werden. 3 4 vertikale Stapelung horizontale Vernetzung Repetition, Neutralität „Ausnutzung“ Maximierung von Geschoßfl äche Abwandlung, Differenzierung Individualisierung der Geschosse Entwurfl iche Freiheiten Generic Loft (Venturi) Typical Plan (Koolhaas) plan libre (Le Corbusier) Großraum auf dem Geschoß Bürolandschaft open plan U S A E u ro p a 249 Teil III: Schlussfolgerungen Nachdem in Teil I und II die Gebäudereferenzen einmal unter chronologischem, ein andermal unter morphologischem Gesichtspunkt geordnet wurden, bleiben für den dritten Teil mehrere Aufgaben resumierenden Charakters: Zunächst gilt es, die Frage danach zu beantworten, welche architektonische Kategorie sich für die Gruppierung der tiefen Geschossbauten anbietet. Da die Typologie traditionell diejenige Disziplin ist, die Gebäude in Gruppen und Entwicklungsstränge einordnet, geht es darum, die Frage zu beantworten, ob tiefe Geschossbauten einen architektonischen Typus darstellen. Bezüglich der Chronologie wird die Aufgabe sein, herauszustellen, welche Gemeinsamkeiten und welche Besonderheiten sich bezüglich der Ausbildung der tiefen Geschossbauten über die verschiedenen Zeithorizonte hinweg festhalten lassen. Besonders interessant ist die Frage, wie sich die Referenzen des im Teil II gründlicher betrachteten Zeitabschnitts von 1990 bis 2006 zu denen des davorliegenden Zeitabschnitts verhalten. Tiefe Geschossbauten- ein Format und seine Charakteristika Bautypologie vs. Nutzungstypologie In der typologischen Diskussion fi ndet man zwei verschiedene, meist nicht deutlich voneinander abgegrenzte Auffassungen von Gebäudetypologien, die verschiedene Schwerpunkte setzen: Die ältere Auffassung der Typologie geht bis in die Aufklärung zurück (Milizia, Durand) und fi ndet sich in neuerer Zeit z.B. bei Aldo Rossi (Architettura della città). Das Entstehen des Begriffs kann mit dem Beginn der Industrialisierung, die neue Bauaufgaben bringt, und mit zunehmender gesellschaftlicher Arbeitsteilung in Zusammenhang gebracht werden. Ausgehend von Quatremère de Quincy unterscheidet Rossi zwischen Typus und Modell, wobei der Typus eher eine Regel ist, während das Modell ein genaues Vorbild ist. Nach Rossi ist Typus also nicht identisch mit Form, wenn er aber auch in der Praxis schwer davon zu unterscheiden ist. Eine Gliederung städtebaulicher Phänomene nach Typen ist sinnvoll. Typen können Funktionen beinhalten, müssen dies aber nicht; eine Kategorisierung von Gebäuden nach ihrer Funktion bzw. Organisationsformen ist nur eine von vielen möglichen; als andere Beispiele nennt er eine Gliederung nach Konstruktionen oder der Art der Bodennutzung. Das traditionelle Verständnis von Typologie umfaßt aber auch die noch ältere Vorstellung des decorums, d.h. der Angemessenheit des Ausdrucks, als einer typischen Denkfi gur der Repräsentation. Von Louis Kahn ist bekannt, daß sein architektonisches Denken sich stark mit dem Begriff der Institution auseinandersetzt. Typologie ist für Kahn und Rossi –über alle Verschiedenheiten hinweg- nicht nur eine Frage räumlicher Organisation, sondern immer auch eine des decorums, d.h. der Art, wie das Gebäude seinen Inhalt nach außen kommuniziert. Architektur hat für Kahn wie für Rossi auch die Aufgabe, die Institutionen (der Stadt) baulich zu stabilisieren, durchaus im Sinne eines sich der Öffentlichkeit einprägenden Bildes. „Archteypen“ solcher öffentlicher Wirkung sind das Guggenheim-Museum New York von Wright und die Philips Exeter Library von Kahn: Freistellung, Kompaktheit, (teilweise) Symmetrie und Abgeschlossenheit des Baukörpers lassen in beiden Fällen das Bild der Institution und ihren Inhalt in eins zusammenfallen. Die jüngere, ‚moderne‘ Auffassung der Typologie ist die von Gebäudetypen als Funktionstypen, unabhängig von einer Bauform, wie sie sich bei Nicolaus Pevsner (A History of Building Types) fi ndet. Während Rossi die Permanenz des Typs betont, belegt Pevsner, wie sich, in Konsequenz zu einer funktionalistischen Auffassung der Architektur, Gebäudetypen entlang veränderter funktionaler Anforderungen wandeln können. In dieser pragmatisch-britischen Argumentationslinie steht auch Reyner Banham, wenn er aus der Geschichte der Megastrukturen folgert::One of the lessons of architecture of the mid-twentieth century is that building types come and go chiefl y at the behest of the architectural consensus155. In dieser Auffassung können also auch Gebäudetypen Moden unterworfen sein. Teil III: Schlussfolgerungen Begriffsassoziationen, schematisch verkürzt dargestellt Anhand von Chicago und New York um 1900 konnte gezeigt werden, wie einzelnen Projekte durch jeweils ähnliche –“typische“- städtebauliche, ökonomische und bautechnische Vorgaben determiniert sind. Im Vergleich dazu läßt sich feststellen, dass das Vermögen der Architekten, neue Typen zu prägen, im Verlauf des 20. Jahrhunderts immer größer wird, wie es auch Banhams oben zitierte Äußerung nahelegt. Typenbildung als Ergebnis einer Konsensbildung innerhalb der Profession ersetzt den sozialen Konsens, der im vernakulären Bauen die Formierung von Typen bedingte. Typus als Angelegenheit eines städtischen Kollektivs –was noch Rossi vorschwebte- wird ersetzt durch Typus als eine Sache der Fachöffentlichkeit. Das Entstehen der Disziplin Städtebau und das Hin-und Herverschieben der disziplinären Grenze zwischen Architektur und Städtebau begünstigt diesen Emanzipationsprozess, der in der Loslösung der tiefen Geschossbauten von ihrer Bindung an ein städtisches Blockraster konkret wird. Ein weiterer Faktor in der Aufl ösung des traditionellen Typologiebegriffs ist die zunehmende Verwissenschaftlichung des Entwerfens in der Moderne, in der das traditionelle Zusammenwirken von Erfahrung und Intuition in der Architekturpraxis abgelöst wird durch Forschung auf rationaler Basis. Die Erhebung empirischer Fakten und das Formulieren normativer Vorgaben bezüglich der baulichen Organisation werden eigene Tätigkeitsfelder für Architekten, die dem Entwerfen als Projektieren eines spezifi schen Gebäudes idealerweise vorgeordnet sind. Auch der Architekturwettbewerb als vermittelnder Zwischenschritt in der Konstituierung des Verhältnisses von Auftraggeber und Architekt spielt in der Ausbildung des professionellen Konsens‘ eine Rolle, indem mehrheitlich eine Fachjury die Entwürfe für größere, institutionelle und öffentliche Bauten beurteilt. Typus v. Format Nimmt man die oben ausgeführte Unterscheidung zwischen Bautyp und Nutzungstyp als Ausgangspunkt, dann könnten die tiefen Geschoßbauten durchaus als Bautyp bezeichnet werden, der in verschiedenen Funktionstypen auftritt. Aber eine solche Aufgliederung scheint zu grob zu sein, um der Mannigfaltigkeit der Gebäudereferenzen gerecht zu werden. Die Frage, ob die tiefen Geschossbauten einen eigenständigen Typus ausmachen, lässt sich also– hierin Koolhaas folgend (s.o) dahingehend beantworten, dass der Begriff des Typus als Oberbegriff ungeeignet erscheint. Typus steht für eine Fixierung, die der dynamischen Entwicklung dieser Strukturen nicht gerecht wird. Vergegenwärtigt man sich die die eingangs getroffene Defi nition für tiefe Geschossbauten, dann erscheint es plausibel, diese als ein eigenes Format der Architektur zu betrachten. Der Begriff Format impliziert noch keine Inhalte; vielmehr setzt er über die Dimensionsvorgabe einen Rahmen. Trotzdem ist das Format keine leere Hülle; es ist auch fähig, die Inhalte zu einem gewissen Grad zu konditionieren; man denke an die Nähe des Formats zum Genre. Insofern bedeutet auch die Festlegung auf ein Format eine bestimmte Einschränkung des architektonischen Lösungsraums. Wo Typus jedoch als Prinzip phänotypischer Varianz bei genotypischer Identität die ganze Bürde der westlichen Denktradition auf sich versammelt, eröffnet Format im Gegensatz dazu größere Freiheit dadurch, dass die Einschränkung „von außen“ her erfolgt. Das Format kann allerdings unter sich eine Reihe von Typen enthalten. Viele der neueren Gebäudereferenzen haben durch ihre Klarheit und Abstraktheit den Charakter von Prototypen. Der Begriff des Prototyps impliziert einerseits eine Verallgemeinerbarkeit des Lösungsansatzes; andererseits läßt er offen, ob dem Prototypen wirklich eine Serie, d.h. ein Typus folgt. 1 251 Schlussfolgerungen Kompaktheit Versucht man, Gemeinsamkeiten der Gebäudereferenzen über die Jahrzehnte hinweg festzuhalten, dann ist an erster Stelle die Kompaktheit der tiefen Geschossbauten zu nennen. Auf das physische Ausgreifen des Baukörpers, die traditionelle Version der Außenraumbildung, wird verzichtet. An seine Stelle tritt das Ausstrahlen des solitären Baukörpers. Giedion beschreibt, wie in der modernen Architektur der Baukörper Raum um sich herum erzeugt156. Letztlich entspricht dem das neuere Konzept des Gebäudes als Attraktor bei Koolhaas oder Zaera-Polo157. Der „tiefe Grundriss“ steht für das expansive Moment, die neu gewonnene Freiheit und Komplexität der Innenraumbildung. Diese Innenraumbildung ist nicht mehr der Hierarchie von Zentrum und Peripherie unterworfen, sondern folgt anderen, polyzentrischen oder feldartigen Ordnungsmustern. Die Idealität dieses architektonischen Problems zeigt sich darin, dass es in seiner „reinsten“ Formulierung von der gewohnten Funktionalität am weitesten abstrahiert; vorausgesetzt, man interpretiert Abstraktion in architektonischer Hinsicht als eine Lockerung des Form-Funktion- Zusammenhangs, mithin als funktionelle Indetermination. Ein „abstrakteres“ Schema als das der Sendai-Mediathek läßt sich wohl kaum denken; auch Koolhaas‘ Charakterisierung des Centre Pompidou als Platonic Loft158 weist in diese Richtung. Je stärker Räume, Raumgruppen oder der ganze Baukörper funktionell spezifi sch werden, umso weiter scheint man sich von diesem idealen Typus zu entfernen. Das konzeptuelle Schisma zwischen reinem Prisma in der Außengestalt und komplexer interner Organisation, das die Moderne nicht erfunden, wohl aber kultiviert hat, erlaubt es, das äußere Prisma zu wahren und gleichzeitig im Inneren ungewöhnlich freie Raumbildungen und –folgen zu konzipieren. Stapelung und Vernetzung In Bezug auf die Baukörperformation ist für die tiefen Geschossbauten der Ausgleich zwischen zwei gegenläufi gen Tendenzen kennzeichnend: Zwischen Stapelung als städtebaulicher Verdichtung in der Vertikalen und Vernetzung als organisatorischer Optimierung in der Horizontalen. Dominiert die Tendenz zur Stapelung, gelangt man zum Hochhaus; dominiert das Motiv der Vernetzung, gelangt man zum Teppich. Nur, wenn beide Tendenzen einigermaßen ausbalanciert sind, entsteht ein kompaktes Gebäude, ein tiefer Geschossbau. Betrachtet man Stapelung primär als städtebaulich motiviert, dann kann man sagen, dass die Tendenz zur Stapelung Ergebnis eines Drucks von außen auf das Gebäude ist. Vernetzung hingegen, als innenräumliches Thema, fordert die Maximierung von zusammenhängender Geschossfl äche, erzeugt also einen imaginären Innendruck auf die Gebäudehülle. Die Kubatur des Gebäudes läßt in ihren Proportionen dieses Verhältnis von Innen- und Außendruck unmittelbar erkennbar werden. Im Kubus mit seinen gleichen Seitenlängen sind diese Tendenzen offensichtlich zu weitestgehendem Ausgleich gelangt. Der Kubus ist logischerweise nicht dort anzutreffen, wo der städtebauliche Verwertungsdruck am höchsten ist. Oft wird er sogar dort angetroffen, wo die Dichte besonders gering ist. Dieser scheinbare Widerspruch kann durch das Konzept des tiefen Gebäudes als eines städtebaulichen Attraktors erklärt werden. Bezüglich konkreter Baukörperdimensionen fällt beim Betrachten der versammelten Gebäudereferenzen auf, dass Kuben jenseits von 60 Metern Kantenlänge nicht vorkommen. Die beiden Ausnahmen, Bibliothèque de France von OMA und Megafl oor, mit 75 bzw. 100 Metern Kantenlänge, sind lediglich Projekte, die unrealisiert geblieben sind. Mit 60 Metern Kantenlänge ist für einen freistehenden tiefen Geschossbau bislang eine Grenze erreicht. Soll die Geschossfl äche größer als 60 Meter im Quadrat werden, dann erhält der Grundriss automatisch längliche Proportionen. Beispiele wie das Starrett-LeHigh Building, das Centre Pompidou oder das Pacifi c 1 Ottomar Gottschalk:Organisatorische Forderun- gen an die Umrisslinie einer Bürolandschaft aus: Flexible Verwaltungsbauten (1. Aufl age1961, 2. Aufl age,1968, 3. neubearbei- tete Aufl age 1979) 2 MvRdV: Optionen für den Grundrisszuschnitt von Villa VPRO, 1993 2 Design Center zeigen diese länglichen Proportionen bei Tiefen zwischen 55 und 62 Metern. Allein der Merchandise Mart in Chicago hat 100 Meter Tiefe bei 200 Metern Länge. Eine Ausnahme bilden auch tiefe Gebäude, die einen Stadtblock füllen, wie die Galeries Lafayette in Berlin mit 78 x 69 Metern. Aber bei diesem Beispiel ist wiederum die vertikale Dimension auf 30 Meter reduziert. Die Kubatur der tiefen Gebäude ist meistens konvex. Aus Überlegungen zur Tageslichtnutzung heraus kann die Hüllfl äche jedoch eingestülpt sein, wodurch sich der Perimeter der Geschossfl äche verlängert. Eine Verlängerung des Perimeters wird auch durch eine im Grundriss abwechselnd konvex-konkave Führung der Außenhülle erreicht, wobei ein tiefer Gebäudekern verbleibt. Ein tiefer Grundriss kann auch als Aggregat aus einzelnen Units entstehen. Im Gegensatz zu den subtraktiv entstandenen Gebäudekörpern mit seitlichen oder oberseitigen Einschnitten ist hier die Vorgehensweise additiv. Bezüglich der volumetrischen Kompaktheit als eines organisatorischen Vorteils gleichen sich die Argumentationen des Quickborner Teams zur Propagierung der Bürolandschaft und die von MvRdV für Villa VPRO erstaunlich; und das trotz eines dazwischenliegenden Zeitraums von drei Jahrzehnten. Die Kompaktheit der tiefen Geschossbauten ist aber auch ein Vorteil in Bezug auf den Energieverbrauch der Gebäude. Da keine empirischen Werte zum Energieverbrauch tiefer Gebäude in Relation zu Atriumtypen oder schmalen Grundrissen vorliegen, ist es allerdings schwer zu entscheiden, ob der Mehraufwand für mechanische Belüftung oder gar Klimatisierung die positiven Effekte der Kompaktheit übersteigt, oder nicht.- Weiterhin sind für die tiefen Grundrisse die Lage der Vertikalerschließungen an der Grundrissperipherie in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle ebenso kennzeichnend wie eine feldartige Organisation auf der Geschossfl äche, die eine Vernetzung verschiedener Bereiche fördert. Bezüglich der Nutzung der erhöhten Grundrisstiefe gibt es prinzipiell drei Optionen: Entweder werden die unbelichteten Flächen für Servicefunktionen genutzt, oder sie werden für Hauptnutzfl ächen genutzt, die ohnehin künstlich beleuchtet und belüftet sind. Es kann aber auch sein, dass für Tageslichtnutzungen die Bedingung des Außenkontaktes aufgrund gewandelter Vorstellungen oder kultureller Unterschiede entfällt. Z.B. ist die Einstellung zu tiefen Gebäudegrundrissen in Japan gänzlich anders als in Europa. Oder es werden die organisatorischen Vorteile der erhöhten Gebäudetiefe höher bewertet, als die Notwendigkeit von Außenkontakt, wie im Konzept der Bürolandschaft. In der dritten Option wird versucht, auch in den ‚problematischen‘ Bereichen des Grundrisses einen Anteil an natürlicher Belichtung und Belüftung sicherzustellen, über Schächte, Patios, Einstülpungen der Fassade etc., d.h. die Gebäudetiefe wird, lokal unterschiedlich, reduziert. Hierbei geht es um ein Spektrum architektonischer Lösungen, die das scheinbare Paradox des ‚tiefen‘ Grundrisses aufl ösen. Von loose fi t zur kritischen Masse Für eine Geschichte der tiefen Geschossbauten ist eine gedankliche Linie relevant, die sich für die adäquate Übersetzung programmatischer Unbestimmmtheit, Nutzungsneutralität oder Instabilität interessiert, bzw. die das Paradox lösen will, für einen unbestimmten Inhalt einen klaren architektonischen Ausdruck zu fi nden. Verschiedene Autoren haben auf die Rolle hingewiesen, die die neuen Bautechniken des Skelettbaus in Stahl und Beton nach 1900 für die Kristallisierung neuer Gebäudetypen spielen. So ist an Mies‘ Bürohaus in Eisenbeton (1922) die Behandlung des Stahlbetonskeletts ebenso wichtig wie die Tatsache, dass das Bürohaus einen eigenständigen städtischen Bautyp darstellt. Schon vorher kann Le Corbusiers Dom-ino (1914) als Beleg dafür gelesen werden, wie das Stahlbetonskelett in Bezug auf den Wohnbau traditionelle Typen ablöst und das Entstehen neuer Wohnformen katalysiert. Der moderne Skelettbau fördert die funktionelle Umwidmung von Geschossfl ächen schon 1 2 3 253 Schlussfolgerungen dadurch, dass die Konstruktion mit eventuellen Raumtrennungen möglichst wenig interferiert; andererseits ergibt sich die Anforderung funktioneller Flexibilität aus verschiedenen „externen“ Faktoren (Immobilienmarkt, technischer Fortschritt, Demographie, etc.). Während jedoch Le Corbusier eine Vielzahl von Vorrichtungen erfi ndet, die das Skelett ergänzen (freier Grundriss, Brises-soleil etc.), verknüpft sich die Vorstellung einer modernen Großstadtarchitektur stärker mit dem Mies des Bürohauses in Eisenbeton. Die Vorstellung einer lockeren Kopplung zwischen Funktion und Raum(zuschnitt), von Mies nie explizit artikuliert, aber aus seinen Bauten und Projekten, zumal der amerikanischen Zeit, herauszulesen, ist für die Architektur der Nachkriegszeit weniger maßgebend geworden, als sich erwarten ließe. Walter Henns Bürolandschafts-Kubus für Osram zeigt Spuren miesianischer Auffassung, allerdings ohne ganz an die Verfeinerung eines „echten“ Mies heranzureichen. Die Raumprogramme der Smithsons sind meistens institutionell zu sehr fi xiert, um in den Bereich „anonymer“ Architekturen vorzustoßen. Bei Venturi gibt es ein Interesse am generischen loft159 als einem amerikanischen Typus, der aber offfenkundig eher als dekorierbarer Rohling begriffen wird. Alejandro de la Sota ist einer derjenigen Architekten, bei denen des Mies‘sche Erbteil vorurteilslos aktualisiert wird. Von de la Sotas Kubus -‘a cube that works‘160- führt eine relativ direkte Linie zu einer jüngeren Generation spanischer Architekten, vor allem Inaki Abalos und Juan Herreros, die sich - parallel zu OMA- für das Dilemma programmatischer Unbestimmtheit bei räumlicher Bestimmtheit 161(Koolhaas) interessiert. Was Koolhaas von Mies übernimmt, ist das Interesse am ‚Normativen‘, am Typischen, Generischen (Typical Plan, Generic City). Aber bei Koolhaas gibt es –im Gegensatz zu Mies- auch die andere Seite: Sehnsucht nach Exzess, Transgression, Delirium. Delirious New York handelt auch davon, wie diese Aspekte mit architektonisch möglichst simplen, effektiven Mitteln realisiert werden können. Das problemlose Ineinander-Aufgehen von Programm und Raum, das Mies vorschwebt, wird bei Koolhaas durch das Theorem der kritischen Masse162 ersetzt, wo die Zusammenballung von Aktivitäten auf engstem Raum eine unvorhersehbare Dynamik entfachen soll. “Interiorisierung“ öffentlicher Funktionen Wie oben angedeutet, handelt die Geschichte der Architektur im 20. Jahrhundert auch von einem Verschieben der disziplinären Grenze zwischen Städtebau und Architektur. Diese Entwicklung fi ndet ihren Höhepunkt in den Megastrukturen, bei denen diese Unterscheidung vollkommen aufgehoben ist. Aber auch deep plan hat Anteil an dieser Entwicklung, wobei deep plan einerseits älter ist als das megastrukturelle Denken, dieses jedoch überlebt. Die Geschichte der Grenzverschiebung zwischen Architektur und Städtebau ist jedoch keine reine akademische Frage, sondern spiegelt eine Grundtendenz in der Entwicklung der Innenstädte: die zunehmende Tendenz, infolge derer bestimmte Nutzungen aus dem öffentlichen Raum ins Private verlagert werden, oder Nutzungen, die unter freiem Himmel stattfanden, in geschlossene Räume überwechseln. Dies bedeutet, dass das Gebäudeinnere Funktionen des öffentlichen Raums übernimmt. Dieser programmatische Aspekt fi ndet wiederum seinen formalen Refl ex in der Übernahme von Mustern und Lesarten öffentlicher Außenräume ins Innere, wie sich an Themen wie Städtebau auf dem Geschoss, Künstliche Landschaft, Solid /Void, Boxen und Platformen zeigen lässt. In Bezug auf Le Corbusier ist beobachtet worden, wie im Spätwerk die städtebaulichen Ambitionen zurückgenommen werden, während Organisationsprinzipien des Städtebaus in den Gebäudeentwurf übernommen werden163. Le Corbusiers Stadtplanung in Chandigarh arbeitet mit der Ausweisung von Sektoren und nicht mehr mit megastrukturellen Elementen, wie der frühere Plan Obus für Algier. In Analogie hierzu konstatieren Abalos und Herreros in Tower and Offi ce strukturelle Ähnlichkeiten zwischen den Trennwandsystemen des Open Offi ce und Städtebauideen der Smithson. Die Aufgabe einer Anordnung von Elementen in einem gegebenen Raum führt über 1 OMA / Rem Koolhaas: Wettbewerbsprojekt Bibliothèque de France, Ausstellungsaufbau Stedelik Museum Amsterdam 1990 2 SANAA (Kazuyo Sejima, Ryue Nishizawa): Zollverein School of Management and Design, 2003-06 3 Christian Kerez: Leutschenbachschule, Zürich 2002-07 4 Foreign Offi ce Architects: Cartuja Island Rede- velopment, Sevilla 1995 5 Toyo Ito: Mediathek, 1996-2001 im Kontext von Sendai 54 verschiedene Maßstäbe hinweg zu ähnlichen Konfi gurationen.Just as the workstations in the open- plan offi ce had not been precisely aligned but regularly spaced, replicating numerous urban schemes typically associated with American architecture of that period - Mies’s Illinois Institute of Technology Campus, Saarinen’s buildings for General Motors, or the Lake Meadows plan by Skidmore, Owings & Merrill- so in the office land scape the apparently arbitrary confi guration of fur nishings reproduced the nongeometric model found in European urban proposals of the late 1950s centered around the work of Team Ten. Alison and Peter Smithson’s Berlin Plan, along with their diagrams for Cluster City, and the work of Candilis and Woods are examples of an analogous trend within the intel lectual milieu of the early 1960s and justifi ed the ap peal of the offi ce landscape in and of itself.164 In einer wenig späteren Phase der Nachkriegsmoderne zeigen sich Ähnlichkeiten zwischen den “Haufenbildungen” der Group Form und den informellen Verteilungen von Arbeitsplätzen in der Bürolandschaft. Letzlich kann man diese Analogien natürlich unter der zeitgebundenen Bevorzugung jeweils anderer Ordnungsstrukturen verbuchen, die eben im Städtebau ebenso zu fi nden sind, wie in der Grundrissstruktur. Auch das Konzept der internen Straße (Rue interne, Trajekt) gehört hierhin, an das später die Entwurfspraxis von OMA anknüpft. Das Trajekt der Niederländischen Botschaft ist der Versuch, das Kontinuum von äußerer und innerer Erschließung auf engstem Raum über mehrere Geschosse zu ziehen. Voraussetzung einer Inneren Straße ist im Grunde ein Gefälle von verschieden Graden an Öffentlichkeit zwischen Erschließung und angrenzender Nutzung. Ist die „Straße“ eigentlich auch schon privat, so handelt es sich eher um einen räumlich interessant gestalteten Flur (wie in der Niederländischen Botschaft); sind hingegen die angrenzenden Nutzungen auch öffentlich (wie im Falle des „Boulevards“ von Gae Aulenti im Centre Pompidou), so entsteht der Straßencharakter eigentlich nur durch die Art der räumlichen Fassung. Trotzdem gehört natürlich das Konzept der Inneren Straße zum Konzept des Geschossbaus als einer Stapelung künstlicher Terrains hinzu, indem es die urbanistische Metapher auf die Erschließung ausdehnt.- Auch die Zunahme an Nutzungsmischung innerhalb eines Gebäudes ist letztlich ein städtisches Element, das bei seiner Einführung in den Gebäudemaßstab die traditionellen funktionalen und typologischen Festlegungen obsolet macht. Künstliche Landschaft Eine in der Geschichte der tiefen Geschossbauten immer wiederkehrende Thematik ist die Betrachtung der Geschossdecke als einer Art künstlichen Terrains, das nicht nur für urbane Besiedlungsmuster zur Verfügung steht, sondern auch –wörtlich oder abstrahiert- mit landschaftlichen Formationen belegt werden kann. Der Golfclub im 6. Stock des Downtown Athletic Club165 ist das erste Beispiel einer solchen künstlichen Landschaft auf dem Geschoss. Das Leitbild der Landschaft des Golfplatzes ist hier noch das Arkadien der Hudson River School - wenig später werden auf Initiative von Robert Moses die ersten Parkways gebaut. Ähnlich wie in einem Bühnenbild setzt sich die dreidimensionale Szene in einer gemalten Landschaftskulisse auf der Wand fort. War die Künstlichkeit der gebäudeinternen Landschaft beim Downtown Athletic Club noch ambivalent -Überraschung und Desillusionierung hielten sich die Waage, so wirken die Aussichten der urbanen Nomaden in Archizooms No-Stop City eher düster. Verfügte der Golfplatz des New Yorker Clubs zumindest noch über natürliches Seitenlicht, so gibt es hier nur Kunstlicht, das aus der gerasterten Decke herabfällt. Der Wechsel von Tag und Nacht, wesentlich für das Naturerlebnis, ist hier nicht möglich. Das Freizeiterlebnis wird nur über Requisiten wie Zelt und Grill vermittelt. Die Flucht aus der Zivilisation erweist sich–ähnlich wie in Godards Film Week-end- als unmöglich. Bei der gleichzeitigen Bürolandschaft erscheint das Landschaftliche hingegen lediglich als Metapher. ‚Landschaft‘ ist hier Umschreibung für eine lockere, ‚spontane‘, informelle Ordnung der sekundären Elemente wie Möblierung und bewegliche Raumteiler, die sich in 1 2 3 255 Schlussfolgerungen einer nicht-orthogonalen Geometrie in der Anordnung dieser Elemente manifestiert. Da für die meisten Menschen das Landschaftserlebnis sich mit Freiheit verbindet, nimmt der Terminus Bürolandschaft auch beschönigenden Charakter an, bedeutet das Arbeiten in einer Bürolandschaft für die Angestellten doch tendenziell Deprivation von visuellem Außenkontakt und individuellen Rückzugsmöglichkeiten. Eine wörtliche Interpretation der künstlichen Landschaft zeigte der EXPO- Pavillon der Niederlande in Hannover (2000): Die zwölf Baumstämme des künstlichen Walds auf halber Höhe des Pavillons sind nicht nur Staffage, sondern sind am Lastabtrag der darüberliegenden Geschosse beteiligt. Die großzügige Geschosshöhe läßt ein klaustrophobisches Gefühl im Gegensatz zu den vorgenannten Beispielen nicht aufkommen. Das grelle Neonlicht der Deckenuntersicht mischt sich mit dem natürlichen Seitenlicht. So ist es möglich, dass auch in der Mitte der Geschossplatte ‚echte‘ Büsche wachsen. Das Landschaftliche ist hier nicht mehr Objekt eines wehmütigen Blicks in einen arkadischen, vorzivilisierten Zustand. Die Einsicht, dass alle Landschaft von Menschen gemacht ist, macht es lediglich zu einer Frage erfolgreichen engineerings, ob man Landschaften auch stapeln kann. Eine ähnliche Herangehensweise im Sinne einer wörtlich genommenen künstlichen Landschaft kennzeichnete die Installation von Olafur Eliasson im Kunsthaus Bregenz (2001), wo die Ebenen des Museums für eine Zeit in künstliche Landschaften bzw. Ökosysteme verwandelt wurden. Wenn sich die Moderne, vor allem in Bezug auf den Wohnungs-und Einzelhausbau das Ziel gesetzt hatte, den Bezug aus dem Gebäudeinneren nach außen zu intensivieren, so verkörpern die tiefen Geschossbauten die Gegentendenz. Hier wird in Kompensation zur Distanz zwischen innen und außen das Gebäudeinnere ‚verlandschaftlicht‘. Da aber die Weiträumigkeit der echten Landschaft fehlt, wird die Landschaft auf dem Geschoss schnell als künstlich enttarnt. Die sich einstellende Wirkung ist ein typisch moderner ‚Verfremdungseffekt‘; der Naturausschnitt wirkt als displacement. Die Künstlichkeit der nachgeahmten Natur macht die Künstlichkeit des Lebens in der Stadt deutlich. Die Verlagerung von Funktionen aus dem öffentlichen Raum ins Gebäudeinnere, die Behandlung der Ebenen im Sinne städtebaulicher oder landschaftlicher Muster – alles dies scheint darauf zu verweisen, dass die tiefen Geschossbauten den Bezug zwischen Innen und Außen zugunsten eines reinen Innen aufgeben würden. Andererseits lässt das Attraktor-Modell (man denke an das Centre Pompidou mit seinem vorgelagerten Platz) erkennen, dass die tiefen Geschossbauten genauso wie andere Formate der Architektur auf Außenwirkung hin konzipiert sind – nur dass die Art des Innen- Außen-Bezugs jeweils neu und womöglich komplexer ist. 1 Le Corbusier: Plan Obus für Algier, 1931 2 Le Corbusier: Gouverneurspalast Chandigarh, 1951-54 3 Allison Smithson, Peter Smithson: Cluster City, 1952 4 Ottomar Gottschalk: Verkehrswege im Großraum(büro), 1968 5 Fumihiko Maki: Shinjuku District Renovation, 1960 6 Bauabteilung Philips: Großraumbüro Philips, Eindhoven 1969 64 5 Entwicklungsphasen der tiefen Geschossbauten 1890-1900 Tiefe Geschossbauten im Sinne der eingangs getroffenen Defi nition treten erstmalig im Chicago der 1880er Jahre auf. Hier setzen sie eine neue Konstruktion (Gußeisen, bzw. Stahl) und neue Gebäudetechnik (Aufzug, Rolltreppe, elektrische Beleuchtung, Telefon) voraus. Hinzu kommt die neue Nutzungsart Warenhaus, eventuell in Kombination mit Büroetagen. In der amerikanischen Entwicklung nehmen die Baukörperdimensionen innerhalb von zwei Jahrzehnten rasch zu, sodass bereits um 1900 quantitative Spitzen in der Größenordnung der Bauten erreicht werden. Die tiefen Geschossbauten dieser Zeit haben nicht nur typische Grundrisse, sondern sind auch in ihrer Gesamtheit (Außendimension, Rastermaße) dank dem zugrundeliegenden Blockraster typisiert. Die Stapelung gleichartiger Geschosse wirft die Frage nach einer adäquaten Außengestalt auf. Diese wird in Chicago vergleichsweise innovativer behandelt, als in New York. Die tiefen Geschossbauten sind um diese Zeit noch nicht universell anwendbar; Bürogebäude werden nach wie vor über schmalen Grundrissen errichtet. Allerdings sorgt die Sättigung des Markts dafür, daß mehrere der New Yorker Warenhäuser schon anderthalb Jahrzehnte nach ihrer Errichtung zu kleinteiligeren Ladenfl ächen und zu Bürofl ächen umgewidmet werden. um 1930 Die Entwicklung des Stahlbetonbaus, die seit 1900 in Europa und den USA gleichermaßen vorangetrieben wird, schlägt sich, durch die Verzögerung infolge des Ersten Weltkriegs bedingt, im Neubauvolumen erst ab der zweiten Hälfte der 1920er Jahre nieder. Bis dahin ist der Stahlbeton den Typologien von Lagerhaus und Stockwerksfabrik vorbehalten. Die europäische Moderne kultiviert das Stahlbetonskelett als Signum des Progressiven. Organisatorisch gesehen wird sie –zumindest in ihrer kommerziellen Ausprägung- von der US-amerikanischen Entwicklung dieser Zeit beeinfl usst. So wird das traditionelle Element des Lichthofs aus dem Kaufhausbau verdrängt und es entstehen erstmals tiefe Grundrisse in den Warenhäusern der europäischen Innenstädte. Die europäischen Beispiele sind durchweg von bescheidenen Dimensionen; allerdings werden die formalen Möglichkeiten des Betonbaus –Auskragungen, Bandfassade etc.- stärker genutzt, als bei den US-amerikanischen Referenzen. In den USA bedeutet das neue Material Stahlbeton lediglich einen besseren Brandschutz und eine stilistische Alternative zum klassischen Stahlskelett. Die kolossalen Bauten aus der Zeit der Rezession und des New Deal können alternativ in Stahl mit Art-Deco-Verkleidung ausgeführt sein, oder in Stahlbeton mit modernistischen round-edge-Bandfassaden. Bei Le Corbusier läßt sich die konzeptionelle Reformulierung der Zusammenhänge zwischen Tragstruktur und Fassade, wie sie durch die Entwicklung von Stahl und Beton als neuen Konstruktionsmaterialien bedingt sind, konstatieren: Von der Maison Domino über die Fünf Punkte zu den Villenprojekten der 1920er Jahre werden die neuen Strukturen in Bezug auf das prismatische Volumen (Außengestalt) und die Freiheitsgrade, die sich im Inneren durch die Trennung zwischen Primär-und Sekundärstruktur ergeben, durchdacht. Allerdings kann Corbusier dieses Repertoire zu dieser Zeit noch nicht im größeren Maßstab einsetzen. 1945-73 Der unter anderem durch die erzwungene Emigration wichtiger Protagonisten bedingte Transfer der europäischen Moderne in die USA verhilft ihren städtebaulichen und organisatorischen Ideen dort auf breiter Front zum Durchbruch. Infolge der Ausweitung des motorisierten Individualverkehrs und dem zunehmenden Gewicht des tertiären Sektors siedeln sich nach 1945 die Hauptverwaltungen von produzierenden Unternehmen oder Dienstleistungsunternehmen wie Versicherungen 1 2 3 257 Schlussfolgerungen zunehmend außerhalb der Innenstädte an. Damit fällt der städtebauliche Druck als Motivation zur Kompression des Gebäudevolumens fort. Die organisatorischen Vorteile der horizontalen Vernetzung auf möglichst großen Geschossfl ächen und der Stapelung als vertikaler Verdichtung bleiben aber bestehen. Gewandelte Vorstellungen zur Arbeitsorganisation führen im Zusammenspiel mit technischen Innovationen wie Klimatisierung, Neonröhre und Abhangdecke dazu, dass jetzt auch für das Bürogebäude tiefe Grundrisszuschnitte plausibel werden. Ausgehend von den technologisch inspirierten Avantgarden der 1960er Jahre wird das Konzept der räumlichen Flexibilität, das mit der Bürolandschaft aus dem Bereich industrieller Produktion in den der Dienstleistung übergegangen war, für die gesamte Breite des typologischen Spektrums maßgeblich. Die Institutionenkritik der 1968er Jahre tut das ihrige dazu, dass auch Bautypen wie Museen architektonische Konventionen abschütteln. Das Centre Pompidou in Paris ist Höhe-, aber zunächst auch Endpunkt dieser Entwicklung. Die Energiekrise 1973 rückt Fragen nach dem Energieverbrauch ins Bewußtsein. Aber auch das Konzept der ‚totalen‘ Flexibilität wird hinterfragt. 1990 Erst mit dem Ende der architektonischen Postmoderne gewinnen die tiefen Geschossbauten mit ihrem Potential zur Re-organisation der sozialen Welt (Koolhaas166) erneute Aufmerksamkeit. Die Umdeutung des vorher schwerpunktmäßig kommerziell genutzten Formats der tiefen Geschossbauten zu den kubischen liquid solids167 der Informationsgesellschaft wird in den 1990er Jahren vorangetrieben, wobei für die Gebäudetiefe neue Motivationen gefunden werden. Auf der einen Seite werden Funktionsmischung, bzw. funktionelle Hybridisierung als konzeptuelle Anhaltspunkte für städtische Lebendigkeit neu entdeckt. Auf der anderen Seite entsteht unter dem Regime der Komplexität168 ein neues architektonisches Spektrum von räumlichen Ideen und ungewöhnlichen Tragstrukturen. Der Größenmaßstab, der in vorhergehenden Entwicklungsstadien (1930 bzw. 1960) der tiefen Gebäude erreicht wurde, wird dabei, mit wenigen Ausnahmen, nicht mehr angestrebt. Der klassische Loft-Typus ist in der Architektur der 1990er Jahre nur noch eine Art ideelles Substrat, das neu formatiert werden kann. Neue Technologien der Gebäudehülle erlauben dabei eine Überarbeitung von modernen Themen; gleichzeitig eröffnet die Durchsetzung der digitalen Werkzeuge in allen Bereichen der Planung neue Optionen der formalen Komplexität oder Integration. Vergegenwärtigt man sich die Standorte der neueren Gebäudereferenzen, die von Japan bis zur US-Westküste reichen, dann könnte man annehmen, dass die tiefen Geschossbauten ein global gültiges Format der gegenwärtigen Architektur darstellen. Verfolgt man jedoch die Autorenschaft dieser Bauten, dann fällt auf, dass diese fast ausschließlich von Architekturbüros aus drei Ländern stammen: Den Niederlanden, der Schweiz und Japan. Für die niederländische Architekturproduktion ist die Rolle von OMA maßgeblich, zunächst in der Betonung der - für die holländische Architektur traditionell ohnehin wichtigen- funktional- programmatischen Seite der Architektur, im Sinne eines sozialen Experiments, wie es durch das Projekt für Jussieu oder auch durch Villa VPRO von MvRdV illustriert wird. Funktionale Offenheit, das Artikulieren von Differenz über die Anerkennung heterogener Elemente und das Mittel der Collage unterstützen bei OMA und MvRdV eine Architektur, die typologischer Fixierung zu entkommen versucht. Der Charakter des architektonischen Projekts als eines sozialen Experiments erfordert von den Autoren das Eingehen von Risiken, bzw. die Inkaufnahme des Scheiterns. Dieses konzeptuelle Risiko scheint fester Bestandteil des niederländischen Architektur-Ethos zu sein. Die Informalität und scheinbare Instabilität der baulichen Strukturen refl ektiert die konzeptuellen Grundannahmen. UN Studio nimmt innerhalb dieser „Szene“ eine Sonderrolle ein. Das Stilmittel der Collage wird von UN Studio abgelehnt und durch das Leitbild größerer Kohärenz ersetzt. Dabei werden die programmatischen Differenzen stärker verschliffen. Das Mercedes-Museum verdeutlicht, wie das Künstliche Landschaft 1 Starret und van Vleek: Downtown Athletic Club, New York 1931. Golfclub im 6.OG 2 Archizoom: No-Stop-City 1971 3 MVRDV (Maas, van Rijs, de Vries): Niederländischer Pavillon, EXPO Hannover 1997- 2000 4 Olafur Eliasson in Zusammenarbeit mit Günther Vogt (Landschaftsarchitekt): The mediated motion. Ausstellung im Kunsthaus Bregenz von Peter Zumthor, 2001 4 „Image“ der Architektur nach außen hin einer Glättung unterzogen wird, die die zunehmende räumlich-konstruktive Komplexität des Inneren verschleiert. Im Gegensatz zur holländischen Architektur bleiben die tiefen Geschossbauten der Schweizer Architektur institutionell gebunden. Sie überraschen durch die formal stringente Neuinterpretation scheinbar erschöpfter tektonischer Zusammenhänge. Im Kontrast zur niederländischen Position setzen die Schweizer Beispiele auf Purismus und Reduktion. Eine besondere Atmosphäre, die aus einer sorgfältigen Untersuchung der materiell-haptischen Effekte der Oberfl ächen resultiert, soll die Härte der Konzepte kompensieren. Das Interesse an generischen Konditionen, d.h. an der Verallgemeinerbarkeit der Resultate, ist hier weniger stark: Die Bindung an den Ort und an institutionelle Programme läßt die Schweizer Kuben nicht ins Driften kommen. Die japanischen Referenzen bestechen hingegen durch die Direktheit, mit der die konzeptuellen Grundlagen in die Realität umgesetzt werden. Leichtigkeit und scheinbare Immaterialität kennzeichnen die Gebäudebeispiele und sorgen für den Eindruck der Abstraktion. Diese wird allerdings nicht –wie bei den Schweizer Referenzen- über Reduktion erreicht, sondern eher über eine Zunahme an Komplexität. Erleichtert wird die Direktheit des Zugangs dadurch, dass der Ballast des typologischen Repertoires, der auf der europäischen Architektur liegt, entfällt. Die radikale Infragestellung tektonischer Konventionen führt dazu, dass das formale Instrumentarium der Moderne noch einmal neu aufgerollt werden kann. So ist die Mediathek Sendai von Ito, seinen eigenen Worten zufolge, eine Stellungnahme zum freien Grundriss Corbusiers wie zum ‚universellen‘ Raster von Mies. Für Ito ist der Refl ex auf die metabolistische Architektur der 1960er Jahre ein wichtiges Ingrediens, ebenso wie Team 10 (v.a. die Smithsons) und Superstudio wichtige Referenzen für Koolhaas waren. Die Frage nach solchen historischen Einfl üssen ist für die Schweizer Architektur, die in ihrer Geschichte keinen vergleichbaren Aufbruch in den 1960er Jahren zu verzeichnen hat, schwieriger zu beantworten.- Die Vielfalt der möglichen Formulierungen der tiefen Geschossbauten als eines aktuellen architektonischen Problems zeigt jedoch, dass eine globalisierte Architekturpraxis aus Mentalitätsunterschieden und verschiedenen modernen Bautraditionen herrührende Haltungen nicht unbedingt nivelliert. 1990-2006: Paradigmenwechsel Wendepunkt im Bauen Im letzten Abschnitt soll untersucht werden, inwiefern die jüngeren Gebäudereferenzen einem in sich konsistenten Leitbild folgen, und ob dieses Leitbild im Sinne eines „Projekts der Moderne“ auf den Paradigmen der Nachkriegsmoderne aufbaut. Zunächst einmal soll dabei der strukturelle Aspekt thematisiert werden. Konrad Wachsmanns Buch Wendepunkt im Bauen (1959) beschreibt die Entwicklung der modernen Baukonstruktion als einen Prozess, dessen Dynamik man ein wenig später als Paradigmenwechsel169 bezeichnet hätte. Ein Zitat vom Ende des Buches soll als Ausgangspunkt der Diskussion genommen werden: Der Bau als solide, statische Masse wird sich mehr und mehr in Kombinationen von Funktionen und Einzelelementen aufl ösen. Aneinander und aufeinander geschichtete Flächen werden dominieren, als Bewegungsebenen gedacht, die zugleich den porösen Charakter der Baumasse bestimmen, umschrieben durch Funktionen ausübende Elemente, weniger durch den Begriff der soliden Masse der Wand. Der freie Raum wird primär jegliche Planung beein fl ussen. Die großen Spannweiten werden neue Raum begriffe zur Folge haben, wie sie vorher nie konzipiert werden konnten. In diesen weitgespannten Konstruk tionen werden die Stützensysteme im fertigen Werk so sekundär sein, dass sie kaum noch in Erscheinung treten. Sie werden auch statisch strukturell nicht immer als solche erkannt werden können, da Zugstäbe, Platten, räumlich aufgelöste Tragsysteme 1 2 259 Schlussfolgerungen ebenso als tragende Elemente dazu kommen. Achsenbetonungen und andere Gestaltungsmittel werden durch den funktionellen Rhythmus von Öffnungen und Abschirmungen abgelöst. Die tragenden Bauteile werden sich immer mehr in das Innere des Bauvolumens verlagern. Begriffe von Masse, Fassade oder Monumentalität, nichts mehr als nur zu sammenhanglose, visuelle Effekte, werden sich von selbst aufheben. An den glänzenden Außenfl ächen des Baus wird man nicht mehr das strukturelle System des Bauwerks ablesen können im Sinne von „Form folgt der Funktion“. Denn diese Flächen sind keine Fassaden mehr, da sie ganz unabhängig von der Konstruktion nur als abschirmende Funktionen über den Bau gehängt sind, mit dessen Konstruktion sie nichts mehr direkt zu tun haben170. Wachsmanns Prognose extrapoliert die von ihm in seinem Buch beschriebenen und selbst aktiv vorangetriebenen Entwicklungen in die Zukunft. Es liegt nahe, zu vergleichen, was davon ein halbes Jahrhundert später eingetroffen ist. Wie exakt war die Prognose? Beschreibt sie ein Aufgabenfeld, das tatsächlich von Architekten weiter bearbeitet wurde? -In der zweiten Ausgabe (1971) beklagt der Autor, das Arbeitsgebiet einer Industrialisierung des Bauens liege brach171 – eine aus heutiger Sicht erstaunliche Behauptung, die nur aus persönlicher Frustration heraus erklärbar scheint. Oder Wachsmann betrachtet die konstruktiven Experimente seiner Zeit, von Archigram, Piano, Rogers, Foster, Hertzberger und anderen gewissermaßen als Spielerei, die der Dringlichkeit des Themas aus seiner Sicht nicht entsprechen. Wachsmann beschreibt die Weiterentwicklung des neuen konstruktiven Paradigmas nicht, wie man erwarten könnte, in Begriffen gesteigerter Effi zienz oder Optimierung. Er ist vor allem an der Ästhetik einer neuen Räumlichkeit interessiert: Die Architektur wird sich über eine Fortentwicklung ihrer konstruktiven Logik neue Raumbegriffe erschließen. Am Beginn steht die Tendenz zur Aufl ösung: Von der soliden, statischen Masse zum porösen Charakter der Baumasse. Dann die Dynamik: Geschosse und vertikale Zonierungen (aneinander und aufeinander geschichtete Flächen) des Gebäudes sind nur noch als Bewegungsebenen vorstellbar. Dem entsprechen die großen Spannweiten der zukünftigen Konstruktionen: Sie werden gekennzeichnet sein durch den freien Raum unter weitgespannten Konstruktionen, und durch weite Auskragungen: Die tragenden Bauteile werden sich immer mehr in das Innere des Bauvolumens verlagern. Damit einher geht ein Verlust an Lesbarkeit der Konstruktion im Inneren: Stützensysteme werden als sekundär erscheinen und nicht immer als solche erkannt werden, da ein neues konstruktives Repertoire (Zugstäbe, Platten, räumlich aufgelöste Tragsysteme) zum Einsatz kommt. Sekundäre Elemente wie Abschirmungen werden Wachsmann zufolge die Primärkonstruktion optisch überwuchern. Aber auch von außen wird die Konstruktion nicht mehr ablesbar sein, dadurch, dass die Fassade zur Gebäudehülle wird – ein Begriff, den Wachsmann zwar nicht benutzt, aber der Sache nach beschreibt. Die neuen Gebäude werden nach Wachsmann anti-monumental sein; visuelle Effekte um ihrer selbst willen gelten ihm nichts, obwohl er im Grunde eine Zusammenstellung visueller Effekte (Masse, Fassade, Monumentalität) durch eine andere (glänzende Außenfl ächen) ersetzt. In diesem Punkt erinnert Jean Nouvels anläßlich seiner Fondation Cartier (Paris 1991-94) formulierte Polemik über die unnütze Lesbarkeit172 architektonischer Volumina an Wachsmanns Prognose. Wachsmann scheint hier etwas zu beschreiben, das in anderen Worten Anfang der 1990er Jahre als eine Ästhetik des Verschwindens173 bezeichnet wird; Virilio und Nouvel beanspruchen für die Architektur eine Tendenz zur Immaterialität, zur Virtualität, die den Abschied von obsolet gewordenen formalen Gliederungen einschließt. Was bei Wachsmann aus einer inhärenten Entwicklungslogik der Strukturen folgte, ist bei Virilio/Nouvel allerdings eher als Reaktion auf externe Kräfte, auf die Medialisierung der Welt zu verstehen. Wachsmanns Behauptung, die Architektur werde sich von einer soliden, statischen Masse zu einer porösen Struktur entwickeln, fi ndet hingegen ein Echo in den Arbeiten von Toyo Ito seit der Mediathek Sendai (1995-2001). Zeitnäher an Wachsmann liegt das Centre Pompidou von Piano und 3 4 1 William Le Baron Jenney: The Fair, Chicago 1889-91. Zeitgenössische Darstellung der Baustelle 2 Konrad Wachsmann: Großstruktur aus einem Standardelement, 1953 3 Renzo Piano, Richard Rogers mit ARUP / Peter Rice (TW): Centre Pompidou, Paris 1971-77 Strukturmodell 4 Christian Kerez, Joseph Schwartz (TW): Schulhaus Leutschenbach, Zürich, 2002-08 Strukturmodell Rogers, an das man nicht umhin kann, bei den aneinander und aufeinander geschichteten Flächen der Bewegungsebenen zu denken: Sind diese Bewegungsebenen, vor allem die in der Vertikalen, beim Centre Pompidou doch in der platzseitigen Fassadenschicht mit ihrer Roltreppenkaskade exemplarisch realisiert. Die glänzenden Außenfl ächen der Gebäudehüllen allerdings gehören einer späteren Stilstufe der High-Tech- Architektur an. Das konstruktive System des Centre Pompidou ist bekanntlich ein Exoskeleton, d.h. ein außenliegendes Skelett. Die großen Spannweiten führen nämlich dazu, dass die Konstruktion sich gerade nicht ins Innere zurückzieht, sondern von dort nach draußen gedrängt wird. Spätestens hier wird deutlich, dass Wachsmanns Voraussage mehrere evolutionäre Pfade eröffnet, die alle für sich gesehen Neues bringen, sich aber zu verschiedenen Zeitpunkten entfalten. Der architektonisch-konstruktive Fortschritt entfaltet sich in mehreren Stufen, deren Abfolge 1959, zu dem Zeitpunkt von Wachsmanns Text, noch nicht vorhersehbar ist. Insofern beschreibt der Text ein Spektrum an konstruktiven Varianzen innerhalb des neuen Paradigmas, nicht eine konsistenten, in sich abgeschlossene Gruppe von Eigenschaften. Wachsmanns Voraussage weist dabei, wie Teile seines Werks, Widersprüche auf, die nicht aufgelöst werden: Die berühmte Großstruktur von 1953 ist genauso als reines Tragskelett gemeint, wie Le Cobusiers Dom-Ino von 1914. In beiden Fällen ist vorgesehen, die Struktur so zu verkleiden und zu füllen, dass der Reiz, den das reine Skelett hat, im fertigen Gebäude nicht mehr wahrnehmbar wäre. Dem entspricht Wachsmanns Voraussage, dass die Stützensysteme im fertigen Werk... kaum noch in Erscheinung treten werden. Die in Wendepunkt im Bauen doppelseitig abgebildete Perspektive der Großstruktur läßt aber keinen Zweifel daran, dass eigentlich nur das Skelett, also der Rohbau, von ästhetischem Interesse ist. Die Frage ist dann doch, wieso soviel ästhetische Rafi nesse in die Tragstruktur fl ießt, wo ihre spätere Wahrnehmbarkeit gar nicht gesichert ist. – Das Exoskelett könnte übrigens eine mögliche Aufl ösung dieses Widerspruchs sein. Ein anderer Punkt, der von Wachsmann in dem zitierten Text erstaunlich wenig berücksichtigt wird, ist der Aspekt der technischen Gebäudeausrüstung, der vertikalen und horizontalen Leitungsführung, der schon in den frühen 1950er Jahren die Architektur nachhaltig zu prägen beginnt. Die Integration der Gebäudetechnik spielt bei Zeitgenossen wie Ezra Ehrenkrantz in seinen Schulbausystemen oder bei Eero Saarinen eine große Rolle. Im Vergleich dazu kultiviert Wachsmann die „reine Struktur“.- Es ist leicht, den Fortschrittsglauben Wachsmanns als ein Stück Geschichte zu verbuchen, seine Voraussage als eingelöst zu betrachten und zur Tagesordnung überzugehen. In dieser Arbeit jedoch ging es auch darum, den unaufgelösten „Rest“ aufzuspüren, die noch unausgeschöpften Möglichkeiten. Dabei drängt sich der Schluß auf, dass die tiefen Geschossbauten ein neues architektonisches Repertoire nutzen: ein Instrumentarium, das nicht nur die Probleme und Defi zite (z.B. Belichtung) der tiefen Geschossfl äche auffängt, sondern die räumliche Komplexität bewußt inszeniert. Der tiefe Grundriss ist so nicht nur durch äußere Zwänge bedingt, sondern ein selbstgeschaffenes, genuin architektonisches Problem, das ein bestimmtes Spektrum von Lösungen hervorbringt. Dieser Lösungsraum konnte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch nicht eröffnet werden, weil es bestimmte technische Optionen noch nicht gab, und weil es bestimmte architektonische Tabus gab, wie Lichtschächte – herrührend aus der Verknüpfung von Form-und Typologiefragen mit Werturteilen und moralischen Vorstellungen. Andererseits erscheint das volle Potential bestimmter moderner Raumvorstellungen, wie: freier Grundriss, Raumplan, etc. erst in einem tiefen Grundriss richtig entfaltet. Von Chandigarh nach Seattle Die Frage nach den modernen Kontinuitäten kann dazu dienen, das methodische Potential einer Aufgliederung der Gebäude in ihre Subsysteme wie Tragwerk, Erschließung und Fassade mit der sich daraus herleitenden Kombinatorik zu illustrieren und gleichzeitig eine Annäherung an 1 2 261 Schlussfolgerungen eine historische Einordnung der jüngeren Entwicklungen zu liefern. Dazu soll der anläßlich der Boxen-und-Platform-Schemen bereits angeklungene Vergleich zwischen Le Corbusiers Projekt gebliebenem Gouverneurspalast für Chandigarh von 1951-54 und OMA / Rem Koolhaas‘ Seattle Public Library von 2000-2004 noch einmal aufgenommen werden. Die Frage, ob es sich um einen legitimen Vergleich handelt, und ob die Ähnlichkeiten der Seattle Public Library mit dem Gouverneurspalast nicht rein zufällig sind, ist eventuell gar nicht wichtig. Im Übrigen kann daran erinnert werden, daß die Bezüge zwischen dem Spätwerk von Le Corbusier und der Arbeit von OMA bereits seit einer Weile thematisiert werden.174 Es fällt jedenfalls auf, daß die beiden Projekte nicht nur im Schnitt, sondern auch in einem einzelnen Grundriss –zufälligerweise beide Male auf Niveau 4- Ähnlichkeiten aufweisen. Die Abfolge der Boxen und Platformen im Schnitt wurde weiter oben bereits beschrieben, ebenso die Anbindung an verschiedene Niveaus der Umgebung, die in beiden Projekten zu fi nden ist. Die Grundrisse der beiden Niveaux 4 hingegen sind besonders kurvierte Beispiele freier Grundrisse, in denen sich die Erschließung, von Treppenhäusern bzw. dem extern stehenden Aufzugskern ausgehend, zwischen konvex gekrümmten Räumen oder Raumgruppen umherwindet. Während in den freien Grundrissen der Wohnbauten von Le Corbusier Bewegungsräume und Aufenthaltszonen eher lose gegeneinander abgeschirmt waren, ist in diesem Fall die Abtrennung zwischen Nutzfl äche und Verkehrsfl äche eindeutig. Dafür wird das Stützenraster besonders elegant überspielt. Damit sind die Ähnlichkeiten beschrieben; geht man jedoch zurück zur Gesamtkonzeption der beiden Bauten, dann fällt auf, daß der Gouverneurspalast prinzipiell einen in beiden Achsen symmetrischen und pyramidalen Aufbau hat, während die Seattle Public Library eindeutig asymmetrisch ist und den Eindruck einer prekären Balance hervorruft, da große Massen auch zuoberst noch stark auskragen. Die Konstruktion in Seattle bietet also weitaus größere Freiheiten in der Massenverteilung und Konturierung des Baukörpers, als dies beim Gouverneurspalast möglich war. Hinzu kommt natürlich, daß es sich beide Male um ganz verschiedene städtebauliche Situationen handelt: dass der Gouverneurspalast einen Schlußpunkt am Ende einer vage achsialen urbanen Komposition setzt, während die Seattle Public Library inmitten einer US-amerikanischen Innenstadt steht, etc.- Nur soviel ist zu sagen, daß offenkundig die Verwendung des leistungsfähigeren Materials Stahl und die statische Aktivierung der Begrenzungsfl ächen der einzelnen Boxen in Seattle zu einer Steigerung und Dramatisierung des Konzepts, das im Gouverneurspalast angelegt war, führt. Dann fällt aber auch auf, daß das Raster in Seattle, wie man es in Niveau 4 lesen kann, nicht regelmäßig ist, sondern sich in den Abständen offenkundig nach Vorgaben aus anderen Geschossen richtet. Damit wird eine neue Toleranz für gelockerte Ordnungsvorstellungen erkennbar. Andererseits reicht die Dialektik zwischen Raster und freier Form bei Le Corbusier als ästhetischer Reiz nicht mehr aus. Die freien Formen in Seattle beginnen sich um die Treppe herum zu wölben und umzustülpen und die intensive Farbigkeit der Wände macht das Passieren dieses Niveau 4 zu einem besonderen Raumerlebnis. Verfolgt man die gedankliche Linie, die Bibliothek in Seattle als eine OMA-Überarbeitung eines Corbusianischen Konzepts zu lesen, dann ist allerdings die konzeptuell folgenreichste Maßnahme das Einkleiden der Boxen-Platformen-Sequenz mit einer Hülle. Diese vereinheitlichende Hülle, die die Außengestalt in Seattle so stark prägt, sorgt dafür, daß die Platformen des Gouverneurspalasts nicht mehr Terrassen, d.h. Außenräume sind, sondern daß sie zu Innenräumen werden. Man kann den Wechsel von Beton zu Stahl und das Überstülpen der Hülle nun einerseits rational begründen, etwa mit Gepfl ogenheiten der amerikanischen Bauindustrie, dem Klima von Seattle etc. Andererseits kann man –von dem Gesichtpunkt einer Kombinatorik baulicher Subsysteme aus- postulieren, daß allein die topologische Manipulation des Elements Fassade bei gleichzeitiger Invarianz der anderen Subsysteme, schon ausreichen würde, um das Konzept des Gouverneurspalasts vollkommen umzuwerten. 1, 3 Le Corbusier: Projekt: Palais du Gouverneur, Chandigarh 1951-54, Modell; Grundriss 3. OG M 1:750 2, 4 OMA/Rem Koolhaas/LMN: Seattle Public Library, 1999-2004, Modell; Grundriss 3.OG M 1:750 3 4 Von Kofu nach Sendai Um die These zu erhärten, dass die topologische Varianz bezüglich der Gebäudehülle in der Überarbeitung von strukturellen Diagrammen der Nachkriegsmoderne zu neuen Raumkonzepten führen kann, sollen Kenzo Tanges Gebäude für den Radio-und Fernsehsender von Yamanashi in Kofu (1961-66) und Toyo Itos Mediathek in Sendai (1995-2001) miteinander konfrontiert werden. Beide teilen die Konzeption einer Gebäudestruktur als Matrix aus schlanken zylindrischen Kernen, die Tragstruktur, technische Infrastruktur und Erschließung vereint. Angesichts der frappierenden Übereinstimmungen erstaunt es, daß die Parallelität der beiden Bauten in der umfangreichen Literatur über die Mediathek Sendai bislang nicht thematisiert wurde. Die 16 gleich großen Kerne des Yamanashi-Gebäudes stehen in vier Reihen mit regelmäßigen Abständen zueinander. Einzig die beiden mittleren Reihen sind näher zusammengerückt und ergeben eine Zonierung des Grundrisses in eine Mittelachse, entlang der sich Aufzüge und Treppen gegenüberliegen. Hier spürt man noch, dass der Ausgangspunkt der Konzeption eine Überlagerung brückenartiger, jeweils zwischen vertikalen Röhren eingespannter Gebäuderiegel war. Je drei Kerne sind mit Aufzügen, gewendelten Treppen und Sanitärräumen besetzt; die restlichen dienen als Installationsschächte, bzw. werden für zukünftige Erweiterungen vorgehalten. Gegenüber den betonierten Kernstützen in Kofu arbeitet die Mediathek in Sendai von Toyo Ito mit 13 in ein Stahlfachwerk aufgelösten Kernstützen. Diese sind im Prinzip auch linear im Grundriß plaziert. Die Stützen versetzen sich jedoch leicht gegeneinander; außerdem weisen sie verschiedene Durchmesser auf. In der Vertikalen versetzen sich auch Boden- und Deckenkontur der Kernstützen. Die Stützen variieren in ihrer statischen Funktion ebenso wie in ihrem Inhalt: Die Eckstützen übernehmen neben vertikalen auch seismische Lasten, die Stützen der Mittelzone sind sämtlich geringer dimensioniert. Während die Eckstützen sich durch Dreiecksverbände auszeichnen, sind die Zellen der Mittelstützen parallelogrammförmig. Gegenüber den Stützen von Tange gelten für die Stützen bei Ito also fünf neue Freiheitsgrade in Bezug auf ihre Position im Grundriss, ihren Radius, ihre Anzahl pro Reihe, ihre Position im Aufriss und ihre Konstruktionsweise. Die Stützen ragen ein Geschoß über die Dachebene, die als „Freiluftgeschoß“ zur Aufnahme von Klimageräten gestaltet ist, und enden auf Höhe der pergolaartigen Deckenstruktur, die diese überdeckt. Im Gegensatz zu Tange sind die hohlen Stützen oberseitig verglast und lassen somit Licht ins Gebäudeinnere fallen. Bei Toyo Ito ermöglicht die Ausbildung der Geschoßdecke (zumindest bereichsweise) als Flächentragwerk eine Verschiebung der Stützen, die für eine informellere Ordnung als bei Tange steht. Die verschiedene Dimensionierung der Stützen –je nach ihrer statischen oder infrastrukturellen Funktion, so scheint es- verrät eine größere Toleranz gegenüber der gestalterischen Diversität, die sich aus abweichenden Dimensionen und Konstruktionsweisen ergibt. Diese Verschiedenheit wird nicht nur akzeptiert, sondern geradezu begrüßt. Das Informelle zeigt sich im Verzicht auf durchgehende, rigide Ordnungsvorstellungen: Statt Symmetrie Asymmetrie, statt regelmäßiger Anordnung von Tragwerkselementen „statistische“ Häufung, statt statischem Ebenmaß Deformation des Rasters etc. Welche Elemente sorgen demnach für die Einheit des Gebäudes? Denn Itos Gebäude wirkt ja nicht minder einheitlich, als das von Tange – im Gegenteil erscheint Tanges zerklüftete Raumstruktur durch ihre Überhänge und Versätze wesentlich unruhiger, obwohl ihr Grundgerüst soviel starrer ist.- Die „beruhigenden“ Elemente sind bei Ito einerseits die tiefen Geschossplatten in ihrer immer gleichen Dimension, andererseits die Gebäudehülle, die die Struktur zum klaren Prisma schließt. Ähnlich wie bei Koolhaas im Vergleich zu Le Corbusier, ist auch bei Ito im Vergleich zu Tange das „Einhausen“ der Außenräume auf der Etage eine konzeptionell entscheidende Maßnahme. Die ruhige Hülle schafft größere Freiheiten in der inneren Gestaltung. Dort können dann auch die Geschoßhöhen variieren – ein Gedanke, der in Tanges System nur Störungen verursachen würde. 1 2 263 Schlussfolgerungen Auch die Hülle kann an ihren vier Seiten differenziert werden, ja sogar ein gewisses Relief entfalten, ohne daß dadurch die Einheitlichkeit des Baukörpers gefährdet würde. So kommt es, daß Tanges Postulat, die Kommunikation verleihe dem Raum Struktur, von Itos Mediathek viel glaubhafter umgesetzt wird, als in seiner eigenen Architektur. Während sich sein Gebäude in Kofu eher repetitiv, rigide und fi xiert darstellt, kann Tanges Forderung, die Kopplungen zwischen funktionellen Einheiten sollten sich pluralistischer, elastischer und spontaner ausnehmen, geradezu als Programm der Architektur von Toyo Ito gelten. Der Kontrast zwischen Tange und Ito lässt sich auch auf der Ebene der Fügung von Bauteilen fassen: Tange betont und überhöht den Anschluss der Träger an die Stützen durch die Ausführung der Nahtstelle. Durch die expressive Artikulation der Tragstruktur entsteht der Eindruck eines Mißverhältnisses zwischen Aufwand und Wirkung: Das Innere der massigen Stützen ist z.T. gar nicht genutzt; die Anzahl der Stützen ist einerseits durch die vorgesehenen Deckenspannweiten vorgegeben, andererseits ist ihre Größe nicht nach jeweils konkretem Bedarf differenziert. Bei Itos Gebäude in Sendai hingegen wird die Verbindung zwischen den Röhren und der Decke verschleiert; die Röhren wirken außerdem durch den weißen Anstrich optisch leichter. Ito gibt als Motiv für die Detaillierung der Konstruktion in Sendai an: „The desire not to make joints, not to make connections“175. Der Gedanke der Fügung von Bauteilen als eines Zeit, Energie und Wissen konsumierenden Akts, der der tektonischen Tradition so teuer war, und der auch noch in Louis Kahns Absicht, die Spuren der Arbeitsvorgangs am fertigen Gebäude ablesbar zu halten (“to keep the marks of how a thing was done“176) zu spüren ist, spielt bei Ito keine Rolle mehr. Das neue Ideal ist das der Naht- und Fugenlosigkeit. Das Herausarbeiten von Gelenken, von Nahtstellen wird als obsolet empfunden. Statdessen gilt es, die Komponenten miteinander zu verschleifen. Im Falle des Stahlbaus über die Bevorzugung der geschweißten Verbindung (im Fall des Betonbaus über möglichst große Betonierabschnitte). Itos Bau ist ein Beispiel dafür, wie das ganze Arsenal konstruktiver Möglichkeiten, das aus dem „Ingenieur-Hochbau“ bekannt ist, neuerdings auch dem Geschossbau erschlossen wird. Die so verfügbaren Tragsysteme sind in Planung, Berechnung und Ausführung technisch aufwendiger, aber bieten dafür eine höhere Leistungsfähigkeit bezüglich der Vergrößerung von Spannweiten oder der Reduzierung von Bauteildimensionen. Während sich also die Überarbeitung des Gouverneurspalasts zur Seattle Public Library als eine grundlegende Umwertung darstellt, ist die Überarbeitung von Tanges Konzept durch Toyo Ito dessen eigentliche Entfaltung. Als die drei wichtigsten Momente, die es erlauben, die älteren Schemata produktiv zu überarbeiten, lassen sich herausheben: Die Hinzufügung der Hülle, das Informelle, die raumbildende Struktur. 1, 3 Kenzo Tange: Yamanashi Building, Kofu 1961-66, Ansicht; Grundriss 2,4 Toyo Ito & Associates, Sasaki Structural Consultants (TW): Mediathek Sendai, 1995-2001, Ansicht; Grundriss 3 4 Ausblick In der vorliegenden Arbeit wurde das Spektrum der Lösungen einmal unter dem räumlichen, und andererseits unter dem strukturellen Gesichtspunkt klassifi ziert. Dabei erweist sich, wie die Architektur aus jüngerer Zeit, durchaus im Sinne eines ‚modernen Projekts‘, auf den Avantgarden der 1950er und 60er Jahre aufbaut. Es zeigt sich aber auch, wie vieles, was damals nur Versprechen war, Skizze oder baulicher Torso blieb, in einem jüngeren Entwicklungsstadium transformiert wiederkehrt. In der Verfolgung der historischen Entwicklung über den Verlauf des letzten Jahrhunderts drängt sich die Erkenntnis auf, dass deep plan ein periodisches Phänomen ist, das immer dort auftaucht, wo Architektur im Rahmen eines Modernisierungschubes auftritt. Krisenphänomene, wie die Postmoderne (als Krise der Modernität verstanden) erweisen sich in diesem Zusammenhang als sinnvolle Durchgangsstadien. Nach dem Durchlauf dieser Krisen erscheinen Ideen aus der davorliegenden Entwicklungsphase in einem neuen Licht. Kommen dann technische Innovationen hinzu, wie die Fortschritte der digitalen Informationsverarbeitung in den letzten zwei Jahrzehnten, die für die Architektur Möglichkeiten zur Konzeption, Berechnung und Umsetzung von ‚informellen‘, ‚komplexen‘ oder ‚hybriden‘ Strukturen eröffnet haben, dann ergeben sich qualitative Sprünge. Mehrere Indizien deuten darauf hin, dass die Entwicklungsphase in der Architektur der tiefen Geschossbauten, die um 1990 begann, an ein Ende gekommen ist. Aber weiterhin belegen Bauten wie die Bibliothek in Seattle oder die Mediathek in Sendai eindrucksvoll, wie es in einer späteren Zeit möglich wird, Konzepte aus früheren Phasen der Moderne zu aktualisieren und dabei neue, komplexe Synthesen zu bilden. ... it becomes surprisingly evident that the canonical works display a profound impersonality; they are, in fact, the most comprehensive confrontations with a problematic that only later acquire an authorial stamp. Reiser Umemoto: Atlas of Novel Tectonics, S. 27 1, 2 Naka, T.; Kato, B; Tada, H: Turm im Hafen von Kobe, 1963 Montage; Ansicht o. M. 3, 4 Mediathek Sendai, 1995-2001 Röhre im Bau; Schnitt 1 2 3 4 Anhang: Anmerkungen Übersichten Bibliographie Abbildungsnachweis (Endnotes) 1. Ludwig Hilberseimer: Großstadtarchitektur. Julius Hoffmann Verlag, Stuttgart 1927, S. 99 2. Rem Koolhaas: S,M,L,XL.. Monacelli Press, New York 1995, S. 663 3. John Welborn Root, Zitat von 1890, nach: Steven Holl: The Alphabetical City . Pamphlet Architecture Nr. 5, New York, San Francisco März 1980, S.6 4. Es wäre eine Untersuchung wert, inwiefern die Gebäudetiefe der Unités vom Lingotto inspiriert ist -> Besuch Le Corbusiers dort im Juni 1934. Elf Jahre zuvor hat Corbusier im Esprit Nouveau bereits über den Lingotto geschrieben. Siehe Marida Talamona: Italie; in: Le Corbusier. Une encyclopédie. Éditions du Centre Pompidou, Paris 1987, S. 206-209, bes. S. 208 5. Ottomar Gottschalk: Flexible Verwaltungsbauten. Schnelle, Quickborn 1968 (2. Aufl age) S. 97 6. Der Begriff mat building stammt von Alison Smithson; s.a.: Hashim Sarkis: CASE: Le Corbusier‘s Venice Hospital. Prestel, Munich 2005 7. Gottschalk: Flexible Verwaltungsbauten, s. Anm. 5 8. Manfredo Tafuri: Kapitalismus und Architektur. Von Corbusiers „Utopia“ zur Trabantenstadt. VSA, Hamburg/ Berlin 1977, S. 13-17 9. Posener, Julius: Schinkel als Städtebauer; in: Was Architektur sein kann. Neuere Aufsätze. Birkhäuser, Basel Boston Berlin 1995, S. 85-99 10 . Wobei es auch viele historische Deckentragwerke im Geschossbau gibt, die zweiachsig spannen, wie Kreuzgewölbe, z.B. in gotischen Kapitel- oder Rittersälen oder Muldengewölbe, wie das von Jules-Hardouin Mansart im Hôtel de Ville, Arles oder das über dem Treppenhaus der Würzburger Residenz von Balthasar Neumann. 11. Skempton, A.W.; Johnson, H.R. The fi rst iron frames. Architectural Review März 1962, S. 175-186 12. Bezeichnete Giedion noch das Bürohaus als Ausgangspunkt der Chicago School (Giedion, Siegfried: Raum, Zeit, Architektur. Otto Maier Verlag, Ravensburg 1965, S. 248) , so scheint man neuerdings dem Kaufhaus die Vorreiterrolle in der Entwicklung des Eisenskeletts zuzubilligen (s.Gerald R. Larson: Der Eisenskelettbau: Entwicklungen in Europa und den Vereinigten Staaten; in: Zukowsky, John: Chicago-Architektur 1872-1922. Prestel-Verlag, München 1988, S. 50). 13. Giedion: Raum, Zeit, Architektur, 1965, S. 169-170 14. Giedion sagt: In Amerika folgte, wie wir gesehen haben, der Warenhaustyp dem Lagerhaustyp; eine durchgehende Bodenfl äche wird über der anderen angeordnet (Sigfried Giedion: Raum, Zeit, Architektur, 1965, S. 174). Es gibt allerdings auch Beispiele für amerikanische Warenhäuser mit Lichthöfen, zum Beispiel: -A.T.Stewart Store, New York 1864 (Architekt John Kellum) -Shillito‘s Department Store, Cincinnati 1878 (Architekt James McLaughlin) -The Fair, Chicago 1891 (Architekt William LeBaron Jenney) -Marshall Field‘s, Chicago 1901-07 (Architekt Daniel Burnham) -John Wanamaker Department Store, Philadelphia 1903-09 (Architekt Daniel Burnham) Eine Kuriosität ist die Einrichtung einer Orgel, sowohl im New Yorker A.T.Stewart Store als auch bei Wanamaker in Philadelphia. Die sakrale Atmosphäre des Atriums wird hierdurch noch unterstrichen. Anmerkungen 15. Chicago Dry Goods Reporter 28 (Okt. 1898), S. 59, zit. nach: Joseph Siry: Carson Pirie Scott. The University of Chicago Press, Chicago and London, 1988, S. 192 16. Haughwout Store (1856) von John P. Gaynor mit Daniel Badger in New York, Broadway, Ecke Broome Street. Das Gebäude steht heute noch; allerdings ist der ursprüngliche Aufzug nicht mehr vorhanden. 17. s. Gerald R. Larson: Der Eisenskelettbau: Entwicklungen in Europa und den Vereinigten Staaten; in: Zukowsky, John: Chicago-Architektur 1872-1922. Prestel-Verlag, München 1988, S. 38-57, hier besonders S. 51 und Anm. 48 18. abgebildet in: Joseph Siry: Carson Pirie Scott. The University of Chicago Press, Chicago and London, 1988, S.193, Abb. III-44. 19. Falls man den Glaspalast von Frits Peuts in Heerlen (1934-36) als die Erfüllung dieses Traums ansehen mag. 20. John Welborn Root, Zitat von 1890, nach: Holl: The Alphabetical City, S.6 21. Zu den Organisationsformen der Bürobauten in Chicago und New York siehe Carol Willis: Form follows Finance. Princeton Architectural Press, New York 1995 22. Z.B. bei Giedion: Raum, Zeit, Architektur, 1965, S. 244-257; Ludwig Hilberseimer: Contemporary Architecture. Its Roots and Trends. Paul Theobald & Company, Chicago 1964, S. 95-103; Konrad Wachsmann: Wendepunkt im Bauen. DVA Stuttgart 1988 (1.Aufl .1959), S. 40-43; Gerald R. Larson: Der Eisenskelettbau: Entwicklungen in Europa und den Vereinigten Staaten; in: John Zukowsky (Hg.): Chicago-Architektur 1872-1922. Prestel-Verlag, München 1988, S. 38-57; Ulrich Pfammatter: In die Zukunft gebaut. Prestel, München Berlin London New York 2005, S.168-171 23. Vgl. Carl Condit: The Chicago School of Architecture .The University of Chicago Press, Chicago and London 1964, S. 86: total absence of windbracing. Erst das Manhattan Building (1890), ein Hochhaus von Jenney und dem Ingenieur Louis Ritter, hat eine Aussteifung über Diagonalen und Portalrahmen. Auch Holabird & Roche arbeiten beim Old Colony Building (1894) mit übereinanderstehenden Portalrahmen in einer Achse (s. Inaki Abalos, Juan Herreros: Tower and Offi ce. The MIT Press, Cambridge Massachusetts/ London, England 2003, S. 43-45) 24. Zur Frage der Fassadengliederung: Heinrich Klotz: Das Chicagoer Hochhaus als Entwurfsproblem; in: Zukowsky: Chicago-Architektur 1872- 1922, S. 58-77 25. Joseph Fenton: Hybrid Buildings. Pamphlet Architecture No.11, New York, San Francisco 1985; Inaki Abalos, Juan Herreros: Tower and Offi ce. The MIT Press, Cambridge Massachusetts/ London, England 2003; Kapitel 6: Evolution of topological planning in the high-rise building, S. 217-259 26. Das besondere Entwurfsproblem des Architekten besteht also darin, kaum noch Möglichkeiten einer variablen Lageplanung zu haben, sondern die tradierte Mannigfaltigkeit der Bautypen insgesamt aufgehen zu lassen in einem vom Grundstücksraster des Stadtplans bestimmten stereometrischen Primärkörpers. Heinrich Klotz: Das Chicagoer Hochhaus als Entwurfsproblem; in: Zukowsky, John: Chicago-Architektur 1872-1922. Prestel-Verlag, München 1988, S. 58-77 267 Anmerkungen 27. Rem Koolhaas: Bigness; in: S,M,L,XL, S. 494-516 28. Joseph Siry: The Auditorium Building. The University of Chicago Press, Chicago and London, 2002; außerdem: Carl Condit: The Chicago School of Architecture. The University of Chicago Press, Chicago and London 1964, S. 69-78; Joseph Fenton: Hybrid Buildings, S. 12; Abalos Herreros: Tower and Offi ce, S. 222 29. Carl Condit: Chicago 1910-29. University of Chicago Press, 1973, S. 125-129, Abb. S.107 30. Dazu gibt es zwar in Chicago auch Ansätze, z.B. in Burnhams Marshall Field‘s, aber dort handelt es sich um eine Parallelerschließung zur State Street. Die Möglichkeit, die Blöcke zu queren, kommt in Chicago nicht in Betracht. 31. Manfredo Tafuri: Kapitalismus und Architektur, S. 36 32. Rem Koolhaas: Delirious New York. 010 Publishers, Rotterdam 1994, S. 267, S. 294-296 33. Steven Holl: The alphabetical City. Pamphlet Architecture #5, S. 60 34. Koolhaas: Delirious New York, S. 83 35. s. Srdjan Jovanovic Weiss, Sze Tsung Leong.: Escalator.; in: Chuihua Judy Chung, Jeffrey Inaba, Rem Koolhaas, Sze Tsung Leong (Hg.): Harvard Guide to Shopping. Taschen, Cologne 2001, S. 336-359 36. Colin Rowe: Chicago Frame; in: Die Mathematik der idealen Villa. Birkhäuser, Basel Boston Berlin 1998 (Orig. 1976) S. 93-117 37. Mit überraschender Kühnheit bemühte sich die Schule von Chicago zu reinen Formen durchzubrechen, zu Formen, die Konstruktion und Architektur in einem einheitlichen Ausdruck vereinten. Sigfried Giedion: Raum, Zeit, Architektur 1965, S. 251 38. Der Ausdruck generic loft stammt von Robert Venturi und Denise Scott-Brown. s. hierzu: Hans Ulrich Obrist, Rem Koolhaas: An Interview with Denise Scott-Brown and Robert Venturi; in: Chung u.a. (Hg.): Harvard Guide to Shopping, S. 593-617, bes. S. 613 39. Sigfried Giedion: Raum, Zeit, Architektur, 1965, S. 255. Auch Hilberseimer kritisiert die runde Ecke. s. Ludwig Hilberseimer: Contemporary Architecture. Its Roots and Trends, 1964, S.100 40. Nach einem Umbau in den 1930er Jahren, der die Loggia beseitigt und das Kranzgesims durch eine hohe Attika ersetzt, nicht mehr von außen erkennbar. 41. - eine Eigenschaft, die z.B. Hilberseimer in Großstadtarchitektur besonders hervorhebt, s. Anm. 50 42. Robert A. M. Stern u.a.: New York 1900. Rizzoli, New York 1987 (2. Aufl .) S.192 43. Reyner Banham: A Concrete Atlantis. DVA Stuttgart 1988, S. 22 44. Das Dom-ino wird nämlich in der Literatur überwiegend als monolithischer Skelettbau mit Flachdecken verstanden, wobei die Aspekte Vorfertigung und Aussteifung außerhalb des Blickfelds bleiben (so z.B. Reto Gadola: Die strukturelle Dimension, in: Arthur Rüegg u.a.: Die Unschuld des Betons, S.62). Damit wäre Dom-ino tatsächlich radikal, denn Flachdecken mit ebenengleichem Pilz sind 1914 technisch noch nicht möglich. Tatsächlich ist die von Le Corbusier vorgeschlagene Deckenkonstruktion mit Betonfertigteilen, die vor Ort zu einer Art Flachdecke vergossen werden, im Gegensatz zu den reinen Ortbeton-Pilzdecken von Maillart, abhängig von zusätzlichen Aussteifungsmaßnahmen. Dazu gibt es zwei Möglichkeiten: 1. Aussteifung über die Fassade, die im Grundriss als Lochfassade kenntlich ist, und die in der Perspektive fehlt. 2. Aussteifung über eine Einspannung der Fertigteilstützen im Fundament. Paul Turner betont in The Education of Le Corbusier, dass die Innovation des Systems Dom-ino im Zurücksetzen der Stütze gegenüber der Geschosskante liegt –wenn auch die vorgeschlagenen Außenwände aus Mauerwerk das Potential dieser Konstruktion nicht ausnutzen. Die übergangslose Verbindung von Flachdecke und Stütze sieht er rein ästhetisch motiviert. (In my opinion, the really signifi cant thing about the Dom-ino design is the fact that its columns and slabs are completely smooth – that is, that its columns have none of the splay or brackets, and its slabs none of the exposed ribs, which virtually all concrete construction had at that time. Even in Maillart’s revolutionary Zurich warehouse of 1910...”) Er ordnet Dom-Ino in die Tendenz Le Corbusiers ein, das Tragwerk zu “idealisieren”; eine Tendenz, die sich einerseits aus dem begrenztem statischem Verständnis Le Corbusiers, andererseits aus einer ‘platonischen’ Grundhaltung heraus erklärt. Mit dem Konzept einer Aufgabenteilung –separation des pouvoirs- der baulichen Elemente ist ein Thema angeschlagen, das in den Fünf Punkten einer neuen Architektur vertieft wird. 45. Frank Lloyd Wright, zit. nach: Reyner Banham: The Architecture of the Well-tempered Environment. 2nd ed. Architectural Press, London 1969, S. 86 46. s. Abalos Herreros: Tower and Offi ce, S.186 47. bezogen auf Pacifi c Coast Borax Company in Bayonne, New Jersey von Ernest Ransome (1903); Banham: Concrete Atlantis, S. XX 48. Le Corbusier; in: Vers une Architecture (1922):... alles führt zur Wiedereinführung von einfachen Baukörpern: die Straßen, die Fabriken, die großen Warenhäuser; alles Aufga ben, die sich morgen in synthetischer Form vorstellen werden, unter Gesichtspunkten, wie sie keine Zeit jemals in so umfassender Weise gekannt hat. Die Außenhaut, die durch die Notwendigkeiten der Zweckbestimmung durchlöchert wird, muss sich die erzeugenden und anzeigenden Elemente dieser einfachen Formen zu eigen ma chen. Solche einfachen formanzeigenden Elemente sind praktisch das Schachbrett oder das Gitter - amerikanische Fabriken. Aber diese Art Geometrie ist unheimlich! 49. Le Corbusier: Oeuvre Complète 1910-65, S. 45 50. Hilberseimer: Großstadtarchitektur, 1927, S. 99 51. Louis Parnes: Bauten des Einzelhandels und ihre Verkehrs- und Organisationsprobleme. Orell Füssli Verlag, Zürich - Leipzig 1935, S.34-37 52. abgebildet bei: Morris Ketchum: Shops and Stores. Reinhold, New York 1948; s.a. Chuihua Judy Chung (Hg.): Harvard Guide to Shopping, S. 354-355 53. Koolhaas: Delirious New York, S.156 ff. 54. Deborah Fulton Rau: The Merchandise Mart; in: Zukowski: Chicago Architektur 1922-1970, S. 109 55. zitiert nach: http://www.globest.com/news/561_561/more/146033- 1.html 56. aus dem New York City Landmarks Preservation Commission Report, 1986 zitiert nach: http://www.globest.com/news/561_561/more/146033- 1.html 57. Lewis Mumford in seiner Kolumne Skyline der Zeitschrift New Yorker, Ende 1931; zitiert nach: New York Times: Streetscapes: Starrett-Lehigh Building; Time of Change for a Modern Industrial Landmark, May 31, 1998 58. Baubeschreibung Erich Mendelsohns, erschienen in Volksstimme Chemnitz, 16.05.1930; zit. nach: Tilo Richter: Erich Mendelsohns Kaufhaus Schocken. Jüdische Kulturgeschichte in Chemnitz. Passage-Verlag, Leipzig 1998 59. Zitate aus: Ludger Fischer: Gestapelter Marktplatz; in: Bauwelt 03/2004, S. 8 60. Giuseppe Terragni: The Construction of the Casa del Fascio in Como; transl. Debra Dolinski; zit. nach: Thomas Schumacher: Giuseppe Terragni. Surface and Symbol. Princeton 1991, S. 142-159 61. Thomas Schumacher: Giuseppe Terragni. Surface and Symbol, S. 66- 68 62. Robert A. M. Stern u.a.: New York 1930, Rizzoli, New York 1987, S. 144 63. William Curtis nennt das Carpenter Center: a mature extension of the premises of his [Le Corbusiers] earlier “fi ve points of a new architecture”; s. Eduard Sekler, William Curtis: Le Corbusier at Work. The Genesis of the Carpenter Center. Harvard University Press, Cambridge Massachusetts, London England 1978, S. 223; dort heißt es auch: At the Carpenter Center we have the detailed prescriptions of a man who invented his own vocabulary, employed it over a lifetime, and extended it into various tasks and modes of aesthetic expression to refi ne it towards the end. 64. Le plan est le génerateur. Le Corbusier: Vers une architecture, 1922, S. XX 65. Eduard Sekler, William Curtis: Le Corbusier at Work. The Genesis of the Carpenter Center, S.64: Usually, Le Corbusier worked directly on plan and preferred to leave sections to collaborators. 66. Eduard Sekler, William Curtis: Le Corbusier at Work. The Genesis of the Carpenter Center, S. 76 67. Eduard Sekler, William Curtis: Le Corbusier at Work. The Genesis of the Carpenter Center, S. 80: A mural at 35 rue de Sèvres [dem Atelier Le Corbusiers] was raided for curves (Interview von Curtis mit Jullian de la Fuente) 68. Willy Boesiger: Le Corbusier 1965-69. Les dernières oeuvres, S. 130-131 69. Der abstrakte Expressionismus hat sicher nichts mit Le Corbusier zu tun. Trotzdem ist es interessant, dass Jackson Pollock um die gleiche Zeit als erster Maler seine Bilder nicht an der Wand oder auf der Staffelei, sondern auf dem Fußboden bearbeitet. 70. Beispiele dafür im Werk von Le Corbusier: Museum Tokio bzw. Museum Unbegrenzten Wachstums. Oeuvre Complète Bd. 6, S. 172; Carpenter- Center: Bd. 7 S. 56; Kongreßpalast Strasbourg: Bd. 7 S. 154. Beispiele im Werk von OMA: Jussieu, Agadir, Educatorium. 71. Le Corbusier: Les cinq points d’ une architecture nouvelle . Willy Boesiger, Hans Girsberger: Le Corbusier 1910-65. Birkhäuser, Basel Boston Berlin 1999 (1. Aufl . 1967), S. 44. 72. Vgl. die ineinandergreifenden Formen der Damen- und Herrentoiletten im Millowners‘ Building in der Beobachtung von Frampton; in: Le Corbusier and the dialectical imagination. in: In the footsteps of Le Corbusier. Rizzoli, New York, 1991, S. 242-246 73. Colin Rowe: La Tourette; in: Die Mathematik der idealen Villa, S.204. Das Megaron war in Vincent Scullys Modern Architecture zum ersten Mal erwähnt worden (Vincent Scully: Modern Architecture. The architecture of democracy. Braziller, New York 1974, S.42) 74. Giedion: Raum Zeit Architektur, 1965, S.329 75. Colin Rowe hat auf die Rolle der fl achen Deckenuntersicht für das Konzept des freien Grundrisses hingewiesen; in: Neoklassizismus und moderne Architektur II, S. 140 in: Die Mathematik der idealen Villa 76. Edward Ford behauptet, im Bereich der weiten Auskragungen sei die Platte an der Unterseite angeordnet. Ford: The Details of Modern Architecture, Vol. I, S.199 77. Alan Colquhoun in: Le Corbusier. Une encyclopédie S. 384: ...la tendance qu’ avait Le Corbusier à traiter chaque projet non pas seulement comme une solution à un problème particulier, mais comme un élément prototype d’ un nouvel ensemble urbain. 78. Le Corbusier: Sur les 4 routes. nrf / Gallimard, Paris 3. Aufl . 1941, S. 67 79. Eduard Sekler, William Curtis: Le Corbusier at Work. The Genesis of the Carpenter Center. Harvard University Press, Cambridge Massachusetts, London England 1978, S. 224 80. Le Corbusier: Sur les 4 routes. 81. Klaus-Peter Gast: Paris-Chandigarh. Birkhäuser Basel Berlin Boston 2000, S.146 82. Giedion: Raum Zeit Architektur, 1965, S. 384 83. Sekler, Curtis: Le Corbusier at Work, ...because certain dimensions might be hostile to the project. 84. Le Corbusier: Oeuvre Complète 1957-65, S. 54 85. Giedion: Raum Zeit Architektur, 1965, S. 384 86. Sekler, Curtis: Le Corbusier at Work, S. 77 87. Curtis: Nickols believes Le Corbusier was unaware of the spanning capacity of a smooth slab. [...] The question of Le Corbusier´s precise notions of building technology is a tract of as yet unwritten history. Sekler, Curtis: Le Corbusier at Work, S. 102 88. Sekler, Curtis: Le Corbusier at Work, S. 114 89. Sekler, Curtis: Le Corbusier at Work, S. 164-165 90. Sekler, Curtis: Le Corbusier at Work, S. 166 91. Arthur Drexler: Einleitung zu Architektur von Skidmore, Owings & Merrill, 1963-1973. Verlag Gerd Hatje, Stuttgart 1974, S. 34 92. Neuere Autoren wie Carol Willis arbeiten die typologische Austauschbarkeit von nutzerspezifi schem und spekulativem Bürobau in New York und Chicago heraus. Willis zeigt aber auch, wie im Bürobau dieser Städte bis zur Mitte des 20. Jhts. die schmalen Grundrisse dominieren. (Carol Willis: Form follows fi nance. Princeton Architectural Press, New York 1995) In Bezug auf die tiefen Grundrissorganisationen stellt sich die Situation etwas anders dar. 93. Abalos Herreros: Tower and Offi ce, S. 173-215 94. Weitere Beispiele von SOM sind: -Verwaltungs-und Forschungsgebäude der Emhart Manufacturing Company, ebenfalls in Bloomfi eld -Verwaltungsgebäude der Upjohn Company, Kalamazoo, Michigan 1959-61 -Verwaltungsgebäude United Air Lines, Des Plaines, Illinois 95. Reyner Banham: Architecture of the well-tempered environment. Architectural Press, London 1969, 2. Aufl .1984, S. 182 96. Eberhard Schnelle im Vorwort zu Ottomar Gottschalk: Flexible Verwaltungsbauten, S.14 97. Die folgenden Zitate stammen sämtlich aus: Gottschalk: Flexible Verwaltungsbauten, 2. Aufl . 1968 98. Gottschalk: Flexible Verwaltungsbauten, S.109 99. Gottschalk, Flexible Verwaltungsbauten, S. 46 100. Gottschalk, Flexible Verwaltungsbauten, S. 210 101. Reinhold Martin: The Organisational Complex. MIT Press, Cambridge, Mass. [u.a.], 2005 102. Colin Rowe: Neoklassizismus und moderne Architektur II, in: Die Mathematik der idealen Villa, S.137-154 103. Zum Unterschied zwischen dem freien Grundriss bei Le Corbusier und Mies s. Soriano, F.: towards the defi nition of deep plan, the anamorphic plan and the fl uctuating plan. S 4-13 in: El Croquis 81/82, Madrid 1996 104. Colin Rowe: Neoklassizismus und moderne Architektur II, S.145, Frampton, Studies in Tectonic Culture, S. 197: aporia of the suspended ceiling 105. Abalos Herreros: Tower and Offi ce, S. 106-110 106. Das Bundesverfassungsgericht Karlsruhe von Paul Baumgarten und das Abgeordnetenhochhaus in Bonn von Egon Eiermann zeigen ähnliche Konstruktionen. 107. Big Banking and Modern Architecture Finally Connect; in: Architectural Forum 99, September 1953, S. 134-137, zitiert nach: Robert A. M. Stern, Thomas Mellins, David Fishman: New York 1960, S. 372, Anm. S. 1250 108. Das 1930 erbaute Kaufhaus von Dudok wurde 1940 bei der Bombardierung Rotterdams durch die deutsche Luftwaffe zerstört, die Reste später abgerissen. 109. Kenneth Frampton: Building for Megalopolis; in: Yukio Futagawa (Hg.): Cesar Pelli/ Gruen Associates. Pacifi c Design Center, Los Angeles, California. 1972 – 76. ADA Edita Tokio 1981 110. Ralph Wilcoxon, zit. n. Banham: Megastructure. Urban Futures of the Recent Past.Thames and Hudson Ltd., London 1976, S. 8 111. Kenzo Tange: Funktion, Struktur, Symbol (1966), zit. nach: Udo Kultermann (Hg.): Kenzo Tange 1946-1969. Architektur und Städtebau. Verlag für Architektur Artemis Zürich 112. Hier wieder der Bezug zum Lingotto. 113. Colin Rowe: Chicago Frame, in: Die Mathematik der idealen Villa, S.115 114. Kenzo Tange: Funktion, Struktur, Symbol (1966), zit. nach: Kultermann: Kenzo Tange 115. Jorge Silvetti (Hg.): Amancio Williams, S.22-25; Abalos Herreros: Tower and Offi ce, 2003, S. 49-54 116. abgebildet bei Colin Rowe: Neoklassizismus und moderne Architektur II; in: Die Mathematik der idealen Villa, S. 146 117. aus: Morris Ketchum: Shops and Stores, s.a. Chuihua Judy Chung (Hg.): Harvard Guide to Shopping, S. 354-355 118. Louis Kahn: Towards a Plan for Midtown Philadelphia. Perspecta: The Yale Architecture Journal 2 (1953) S. 10-27 119. Abalos Herreros: Tower and Offi ce, S. 140 120. Brief von Louis Kahn an Anne Tyng, 5. April 1954; in: Alexandra Tyng: Beginnings. Louis I. Kahn’s Philosophy of Architecture. Wiley & Sons, New York 1984, S. 65-66 121. Karin Dana: Beaubourg. Transformation a tous les niveaux. Moniteur d’Architecture No. 105, März 2000 122. Anne Tyng macht Louis Kahn in den Jahren 1951-52 auf das 1948 erschienene Buch aufmerksam, das übrigens in der gleichen Zeit auch von Mies van der Rohe rezipiert wird. 123. vgl. Kahns nach dem ausgeführten Bau angefertigte Skizze zu einer Stütze für die Yale Art Gallery, und sein Entwurf für die Adath Jeshurun Synagoge, Elkins Park Pennsylvania 1954 124. Louis I. Kahn: Plan for Midtown Philadelphia; in: Perspecta No. 2, Aug. 1953, S. 27 125. Hart, Henn, Sonntag: Stahlbauatlas Geschoßbauten. Verlag Architektur und Baudetail, 2. Aufl . 1982, S. 102-103 126. Archizoom Associati: No-Stop-City / Residential Parkings / Climatic Universal Sistem (sic!) (Domus 496, März 1971 S. 49-55; s.a. Andrea Branzi: Luoghi. Complete Works. Ernst & Sohn, Berlin 1992, S. 50-65 127. Banham: Megastructure, Kapitel...Megastructure in Academe 269 Anmerkungen 128. Alejandro Zaera Polo und Farshid Moussavi: Phylogenesis. FOA‘s Ark. London 2003 129. Beatriz Colomina: Rem Koolhaas A-Y [A Dictionary]; S. 379 in: El Croquis 134/135, Madrid 2007 130. Rem Koolhaas: Delirious New York, S.100 131. Koolhaas: Typical Plan; in: S,M,L,XL, S.334-350 132. Zitat von Raymond Hood nach Koolhaas, S,M,L,XL, S. 337 + Anm. S. 1294 133. Koolhaas: Bigness or the problem of the Large 1994; in: S,M,L,XL, S.494-516 134. Zaera-Polo: Kapitalfl üsse, Datenströme, Drive-Thru und andere Strömungen; Arch+ 53, 1993, S. 56-58 135. Übersetzung eines Interviews aus El Croquis 53, Madrid 1992 in: ARCH+ 117, Juni 1993, S.29 136. ARCH + 117, S. 28 137. Der Begriff stammt von Sigfried Giedion; siehe: Raum, Zeit, Architektur. Otto Maier Verlag Ravensburg 1965, S. 172 138. Tony Garnier: Aus dem Vorwort zu: La Citè Industrielle, zit. nach: Sigfried Giedion: Eisenbeton 1928 139. Cecil Balmond: structure as episode, in: Informal. Prestel, Munich 2002 140. Vgl. Koolhaas Polemik gegen das Centre Pompidou; in: Bigness, S,M,L,XL, S. 495-516, bes. S. 504 und Last Apples, S,M,L,XL, S. 663-675, bes. S. 671 141. Interviews mit Peter Zumthor, Gründungsdirektor Edelbert Köb und Landesrat a.D. Guntram Lins in der Zeitung 10 Jahre Kunsthaus Bregenz, Bregenz 2007 142. Ursprünglich fünf Finalisten: Norman Foster, Steven Holl, Rem Koolhaas, Cesar Pelli und Zimmer Gunsul Frasca (ZGF). Foster und Pelli ziehen ihre Bewerbung aus Kritik am Verfahren zurück 143. Sanford Kwinter: The Sendai Solid; in: Ron Witte (Hg.): CASE. The Sendai Mediatheque. Vgl. auch: Sanford Kwinter: Emergenz oder das künstliche Leben des Raums; in: ARCH+ 124/125, Dez. 1994, S. 90-97 144. Toyo Ito: Under construction; in: Sakamoto/Ferré: Toyo Ito: Sendai Mediatheque. Actar, Barcelona 2003, S. 7-17. Ein weiterer Artikel von Ito: Dividing versus Making Continuous; in: Yukio Futagawa: Toyo Ito: Sendai Mediatheque. GA (Global Architecture) DETAIL. ADA Edita Tokio, 2002, S. 4-7 145. s.a. Taira Nishizawa: A Second Creation; in: Japan Architect: Toyo Ito, 2001, S. 12-13 146. Toyo Ito: The Lessons of the Sendai Mediatheque; in: Japan Architect: Toyo Ito, 2001, S. 6-8 147. Gilles Deleuze, Félix Guattari: Mille Plateaux. Les Editions de Minuit, Paris 1980, Kap. 12 148. Der Bezug zu Deleuze und Guattari wird von Koolhaas hergestellt: ARCH+ 117, Juni 1993, S.24 149. William Le Messurier: Return of the Bearing Wall; in: Architectural Engineering – New Structures S.130-133 150. Curt Siegel: Strukturformen der modernen Architektur. Callwey, München 1960, 2. Aufl .1965 151. Lit.: „Wozu Stahl“ in A.Desplazes. Domus 03/2005; Ruby: Images 152. Abalos Herreros: Tower and Offi ce, S. 48, das Zitat stammt aus: Robert Le Ricolais: Trente Ans de la recherche sur les structures. Architecture d’ aujourd’hui 108 (Juni/Juli 1963) 153. Jürg Conzett: Scheiben im Hochbau; in: Deplazes, Andrea: Architektur konstruieren. Birkhäuser, Basel Berlin Boston 2005, S.XX; zit. aus: Werk Bauen + Wohnen 9/1997 154. Fischer, Robert E. (ed.): Architectural Engineering. New Structures. Mc Graw-Hill, New York u.a. 1964 155. Banham: Megastructure, S. 215-216 156. Sigfried Giedion in: Raum, Zeit, Architektur, S.33: Die dritte Raumkonzeption setzt mit der optischen Revolution am Beginn unseres Jahrhunderts ein, die den einen festgelegten Blickpunkt der Perspektive aufhob. Daraus ergaben sich grundlegende Konsequenzen für Architektur und Städtebau. Die raumausstrahlende Kraft frei in den Raum gestellter Volumen wurde wiedererkannt. 157. s. Zaera-Polo: Kapitalfl üsse, Datenströme, Drive-Thru und andere Strömungen; Arch+ 53, 1993, S. 56-58 158. Koolhaas: Bigness; in: S,M,L,XL, S. 504 159. s. Anm. 38 160. Mohsen Mostafahvi: Alejandro de la Sota and the architecture of imperfection. AA Publications, 2000 161. Koolhaas in: ARCH+ 117, Juni 1993, S.28 162. Koolhaas: Delirious New York; Automonument, S. 100 163. Eduard Sekler, William Curtis: Le Corbusier at Work. The Genesis of the Carpenter Center 164. Abalos Herreros: Tower and Offi ce, S. 202 165. Koolhaas: Delirious New York, S.156 166. Koolhaas: Bigness; in: S,M,L,XL, S. 487 167. Zitat aus Sanford Kwinter: The Sendai Solid; in: Ron Witte (Hg.): CASE. The Sendai Mediatheque. 168. Koolhaas: Bigness; in: S,M,L,XL, S. 498-499 169. Thomas Kuhn: The structure of scientifi c revolutions erschien erstmalig 1961 170. Konrad Wachsmann: Wendepunkt im Bauen, DVA Stuttgart 1988, S. 231 171. Konrad Wachsmann: Wendepunkt im Bauen, S. VI 172. s. Iwona Blazwick u.a. (Hg.): Nouvel. Jean Nouvel Emmanuel Cattani et Associés. Artemis Verlag, Zürich 1992, S.114 ...empecher la lecture inutile d’ un volume solide. 173. s. ARCH+ 108 Fassaden, August 1991, S. 32-40, Interview zwischen Jean Nouvel und Paul Virilio, dort zit. nach Patrice Goulet: Jean Nouvel, Paris 1987 174. vgl. ARCH+ 136, April 1997, S.47, wo der Kongreßpalast Strasbourg von Le Corbusier mit einer Beschreibung von Villa VPRO von MvRdV konfrontiert wird. Oder den Artikel von Greg Lynn: Wahrscheinlichkeitsgeo metrien; in ARCH+ 117. Rem Koolhaas: Die Entfaltung der Architektur, Juni 1993, S. 74-78 175. Toyo Ito: Dividing versus Making Continuous; in: Yukio Futagawa: Global Architecture DETAIL: Toyo Ito, Sendai Mediatheque. ADA Edita Tokio, 2002, S. 5 176. Louis Kahn: Towards a Plan for Midtown Philadelphia. Perspecta: The Yale Architectureal Journal 2 (1953): S. 10-27 271 Übersichten Übersicht 1: Nutzungen 1.1 Warenhäuser 1 2 7 10 11 5 8 14 13 15 16 17 18 3 4 6 9 12 273 Übersichten << Warenhäuser M 1:2000 1: William LeBaron Jenney: Leiter Building, Chicago 1879 2: Louis Sullivan: Carson, Pirie Scott, Chicago 1899-1906 3: De Lemos & Cordes: Siegel, Cooper. New York, 1896 4: Buchman & Fox: Saks Broadway, New York, ca. 1900 5: DeLemos und Cordes: Macy‘s Fifth Avenue, New York 1901 6: Gimbel Store, New York 1907 7: Saks Fifth Avenue, New York 1927 8: Graham, Anderson, Probst & White: Merchandise Mart, Chicago 1928-31 9: J.E. Schaudt: Warenhaus Tietz, Chausseestraße Berlin 1929 10: Emil Fahrenkamp und Georg Schäfer: Kaufhaus Michel, Wuppertal 1930 11: Erich Mendelsohn: Kaufhaus Schocken, Chemnitz 1930 12: Frits Peuts: Glaspaleis, Heerlen 1934-35 13: Marcel Breuer: Bienkorf, Rotterdam 1953-57 14: Skidmore, Owings & Merrill: Macy‘s Rego Park, Queens, New York, 1965 15: Cesar Pelli: Pacifi c Design Center, Los Angeles, 1972-76 16: Jean Nouvel: Galeries Lafayette, Berlin, 1991-96 17: Toyo Ito: Projekt für Selfridges, Glasgow 2002 18: OMA: Bejing Books Building, 2003- >> Stockwerksfabriken, Lagerhäuser, Parkhäuser M 1:2000 1: Spreespeicher, Berlin, um 1900 2: G. Russell, Walter M. Cory, Y. Matsui: Starrett LeHigh-Building, New York 1931-32 3: Roland Rohn: Lagerhalle B 41, Hoffmann- La Roche, Basel 1950-54 4: Kurt Ackermann: Hopfenhalle Mainburg 1957-58 5: Werner Kallmorgen: Kaispeicher, Hamburg 1962 6: Georg Heinrichs, Hans C. Müller: Briefordner-Fabrik Leitz, Stuttgart-Feuerbach 1966-69 7: Planungsgruppe H3: Zentrale Verpackung und Versorgung Schering, Berlin 1974-75 8: Herzog & de Meuron, Schaulager Basel, 1998-2002 9: Paul Schneider-v. Esleben: Großgarage Haniel, Düsseldorf 1950-52 10: Cesar Ortiz-Echague, Rafael Echide: SEAT Verkaufshaus, Barcelona 1958 11: S Tschanz: Parkhaus, Schweizerhalle, 1975-76 12:Toyo Ito: Parkhaus, Ibaragi 1991-94 1.3 Großgaragen 1.2 Stockwerksfabriken und Lagerhäuser 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 1.4 Büro- und Verwaltungsgebäude 1 2 9 13 14 5 11 18 16 3 4 12 15 17 19 20 7 6 8 5 10 275 Übersichten << Büro- u. Verwaltungsgebäude M 1:2000 1: Louis Kahn, Anne Tyng: Philadelphia City Tower, 1952-53 (Projekt) 2: Eero Saarinen & Associates: Deere & Company, Moline (Illinois) 1957-63 3: Paul Rudolph: Blue Cross-Blue Shield, Boston 1958-61 4: Skidmore, Owings & Merrill (G. Bunshaft): American Republic Insurance Company, Des Moines / Iowa, ca. 1965 5: Skidmore, Owings & Merrill: Weyerhaeuser Company, Tacoma (Washington) 1968-71 6: Werner Zobel: Nino, Nordhorn, 1960-63 7: Walter Henn: Osram, München 1962-66 8: Kevin Roche, John Dinkeloo: College Life Insurance Company Headquarters, Indianapolis (Indiana) 1967 9: Kevin Roche, John Dinkeloo: Aetna Life Insurance Company Building, Hartford (Connecticut) 1966 10: Herman Hertzberger: Central Beheer, Apeldoorn 1971-75 11: Foster Associates: Willis, Faber, Dumas, Ipswich 1971-75 12: Foster Associates: Hongkong & Shanghai Banking Corporation, Hongkong 1978-85 13: Richard Rogers and Partners: Reuters Data Center, London 1987-88 14: Jean Nouvel : Galeries Lafayette, Berlin, 1991-96, Büroebenen 15: MvRdV: Villa VPRO, Hilversum 1993-97 16: OMA: Morgan Bank, Amsterdam 1985 (Projekt) 17: OMA: Niederländische Botschaft, Berlin 1997-2004 18: Barkow Leibinger: TRUTEC, Seoul 2005-06 19: Hiroshi Hara u.a..: Megafl oor, Tokio 2001 (Projekt) 20: Toyo Ito: Projekt Vestbanen, Oslo 2002 (Projekt) >> Laborgebäude, Krankenhäuser M 1:2000 1 Eero Saarinen & Associates: Bell Laboratories, Holmdell (New Jersey) , 1957-62 (1. Phase) 2 Eero Saarinen & Associates: IBM Thomas J. Watson Research Laboratory, Yorktown Heights (New York), 1957-61 3 Zeidler Partnership: Krankenhaus in Fredericton, Kanada, 1972-75 1.5 Laborgebäude, Krankenhäuser 1 2 3 Bibliotheken M 1:2000 1 Woodie, Garber & Associates: Public Library, Cincin- nati 1953-54 2 Louis Kahn: Projekt für eine Universitätsbibliothek in Washington, 1956 3 SOM: Regenstein Library, University of Chicago, ca. 1965 4 Mies van der Rohe: Martin Luther King Jr. Memorial Library, Washington D.C. 1965-72 5 Ferdinand Kramer Staats-und Universitätsbibliothek Frankfurt, ca. 1965 6 Piano & Rogers: Centre Pompidou, 1971-77 Biblio- theksgeschoß 7,8,9 OMA / Rem Koolhaas: -Projekt für die Bibliothèque de France 1989 -Projekt für die Universitätsbibliotheken von Jussieu 1992 -Seattle Public Library 2000-2004 10 Toyo Ito: Sendai Mediatheque 1995-2001 11 Herzog & de Meuron: IKMZ der Universität Cottbus 1998-2004 12 Foster & Partners: Bibliothek der Philologischen Fakultät der FU Berlin 1998-2004 13 Gwathmey Siegel (Umbau): Graduate Center City University of New York, 1995-99, Bibliothek 14 Will Bruder: Central Library, Phoenix, Arizona 1996 15 Abalos & Herreros: Bibliothek in Usera (23x23m) 16 Wiel Arets: Universitätsbibliothek Utrecht 2001-04 1.6 Bibliotheken 1 2 7 10 11 5 8 1413 3 4 6 9 12 16 15 277 Übersichten Schulen, Hochschulen M 1:2000: 14 Le Corbusier: Carpenter Center, Harvard University, Boston (Massachusetts) 1961-64 15 Paul Rudolph: Yale Arts and Architecture Building, New Haven (Connecticut) 1958-62 16 Skidmore, Owings & Merrill: Social Sciences Building, Cornell / Ithaca (New York) 1969-72 17 Venturi, Rauch & Scott-Brown: Institute for Scientifi c Information, Philadelphia 1978 18 Dirk Lohan (Offi ce of Mies van der Rohe): High School Chicago 1971 19 Gwathmey Siegel (Umbau): Graduate Center, City University of New York, 1995-99 20 Bruno und Fritz Haller: Kantonsschule Baden 21 Miller & Maranta: Voltaschule Basel, 1997-2000 22 Ernst Hiesmayr: Juristische Fakultät der Universität Wien, 1974-82 23 Christian Kerez: Schulhaus Leutschenbach, Zürich 2002-07 24 Giuliani Hönger: Hochschule Sihlhof, Zürich 2001-03 25 SANAA: Zollverein School, Essen 2003-06 Museen M 1:2000 1 Philip Goodwin, Edward D. Stone: Museum of Modern Art, New York 1937-39 2 Marcel Breuer and Associates: Whitney Museum of American Art, New York 1963-66 3 Louis Kahn: Yale Art Gallery 1951-54 4 Piano & Rogers: Centre Pompidou, 1971-77 5 OMA: ZKM Karlsruhe, 1989-92 (Projekt) 6 Van Berkel & Bos: Diözesanmuseum Köln, Wett- bewerb 1997 7 Peter Cook, Colin Fournier: Kunsthaus Graz, 1998-2002 8 Acebo Alonso: Arts Centre La Coruna, 2001-07 9 Peter Zumthor: Kunsthaus Bregenz, 1993-97 10 Hascher Jehle Architektur: Kunstmuseum Stuttgart, 2000-04 11 Herzog & de Meuron: Caixa Forum, Madrid 2001, 2006-08 12 Herzog & de Meuron: Centre Pompidou Metz, Wettbewerb 2002 13 UN Studio: Mercedes Museum Stuttgart 2002-06 1.7 Museen 1.8 Schulen, Hochschulen, Forschungsinstitute 1 2 7 10 11 5 8 13 4 3 6 9 12 14 15 20 23 24 18 21 16 17 22 19 25 Übersicht 2: bauliche Subsysteme Referenzen 1990-2007 279 Übersichten2.1 Kubatur 1. Grundriß-Extrusionen kubisch konvex konvex-konkav additiv (Agglomeration von Zellen) subtraktiv (mit Einschnitten) 2. Veränderliches Schnittprofi l Einschnitte als Außenräume Lufträume=Zwischenklima reduzierte Hüllfl äche verlängerter Perimeter 2.2 Vertikale Abfolge der Geschosse reine Stapelung (gleiche Geschoßhöhen) Alternierende Geschoßhöhen versetzte Geschosse (freie Kanten zu peripheren Lufträumen) Pockets Schaulager Megafl oor Selfridges Trutec Seoul Kunsthaus Bregenz Mercedes-Museum Bibliothek Cottbus Japanisches Kulturzentrum Variierende Geschoßhöhen Raumplan / split level innenliegende Lufträume kontinuierliche Geschoßdecke ZKM NL-Expo Museum Sydney M-Project Seattle Public Library Leutschenbachschule Zollverein School Centre Pompidou Metz Villa VPRO NL-Botschaft Bibliothèque de France (OMA) Galeries Lafayette Mediathek Sendai Voltaschule Diözesanmuseum Vestbanen (Ito) Taichung Opera Bibliotheken von Jussieu Asadi Cineplex Museum Sydney Bibliothek Cottbus Schaulager Selfridges Trutec Seoul Kunsthaus Bregenz Megafl oor ZKM Japanisches Kulturzentrum Bibliothèque de France (OMA) NL-Expo Leutschenbachschule Bibliotheken von Jussieu Asadi Cineplex __________ 14 Zollverein School M-Project (Ito) Galeries Lafayette Berlin NL-Botschaft Berlin* Centre Pompidou Metz (HdM) Seattle Public Library Mediathek Sendai Voltaschule Diözesanmuseum (UN studio) Arts Centre La Coruna Vestbanen (Ito) Taichung Opera Villa VPRO* Mercedes Museum __________ 14 Position der baurechtlich notwendigen Vertikalerschließung innerhalb der Geschoßebenen 1. In Randlage 2. Innerhalb der Geschoßfl äche Bibliothèque de France (OMA) Bibliotheken von Jussieu Seattle Public Library Asadi Cineplex Centre Pompidou Metz Selfridges (Ito) Bibliotheken von Jussieu Villa VPRO Seattle Public Library Museum Sydney NL-Botschaft Berlin ZKM Kunsthaus Bregenz NL-Expo Mercedes Museum Voltaschule Bibliothek Cottbus Leutschenbachschule Taichung Opera* Schaulager Megafl oor Trutec Seoul Galeries Lafayette Berlin* Mediathek Sendai* Diözesanmuseum (UN studio) Arts Centre La Coruna Vestbanen (Ito)* Zollverein School Zusätzliche Vertikalerschließungen Gleichzeitig als Haupterschließung in Kombination mit Aufzügen Treppen, Rolltreppen und Rampen an der Peripherie offene Treppen im Inneren Rolltreppen im Inneren Innere Straße, Trajekt Gestufte, geneigte und gewölbte Geschoßdecken *) zus. Rolltreppen in einzelnen Geschosen 2.3 Vertikalerschließung *) versetzte Fluchttreppen 281 Übersichten2.4 Tragwerk Stützen im Raster oder in freier Anordnung Matrix von Kernen oder Hohlstützen single span Tragende Außenwand / structural skin (auch in Kombination mit Innenstützen) Innere Wandscheiben (parallel oder kreuzweise) Geschoßbrücken (auch in Kombination mit Innenstützen) Galeries Lafayette Bibliotheken von Jussieu Villa VPRO Museum Sydney Schaulager Bibliothek Cottbus Megafl oor Selfridges Trutec Seoul Zollverein School M-Project Mediathek Sendai Vestbanen (Ito) Centre Pompidou Metz (HdM) Taichung Opera ZKM Kunsthaus Bregenz Mercedes-Museum Bibliothèque de France (OMA) Voltaschule NL-Botschaft Centro de las Artes A Coruna NL-Expo Seattle Public Library Leutschenbachschule Hängehaus Diözesanmuseum Tragende Außenwand, Lochfassade 2.5 Fassade Fassade als Füllung in Stützen-Balken-Matrix Freie Fassade (zwischen Geschoßdecken) Vorhangfassade (vor Geschoßdecken) selbsttragende Hülle (gr. Spannw., Horizontallasten) Fassadenstützen (Vertikallasten) Hülle (Doppelfassade) Fassade hinter Exoskelett Schaulager Zollverein Bibliothèque de France (OMA) -> Querwände M-Project (Ito) Morgan Bank Voltaschule Bibliotheken von Jussieu Villa VPRO Asadi Cineplex Centre Pompidou Metz (HdM) -> Platformgeschosse ZKM Jap. Kulturzentrum Paris Galeries Lafayette Mediathek Sendai -> auch Hülle Diözesanmuseum (UN studio) Megafl oor Trutec Seoul Seattle Public Library NL-Botschaft Berlin Selfridges Arts Centre La Coruna -> auch Hülle + Aussteifung Kunsthaus Bregenz Bibliothek Cottbus Arts Centre La Coruna Leutschenbachschule 2.6 Systematik der Gebäudediagramme als Kombination der fünf Gestaltmerkmale aus 2.1-2.5 283 Übersichten << Schnitte M 1:1000 1: Starret und van Vleek: Downtown Athletic Club, New York 1931. (Längsschnitt!) 2: Ladislav Rado, Antonin Raymond: Konzept für ein Warenhaus, 1948 3: Louis Parnes: Konzept für ein Warenhaus, 1948 4: Skidmore Owings & Merrill (G.Bunshaft): American Republic Insurance Company, Des Moines / Iowa 5: Louis Kahn, Ing.: August Komendant: Salk Institute, La Jolla Kalifornien 1959-65, 6: Renzo Piano, Richard Rogers mit ARUP, Peter Rice: Centre Pompidou, Paris 1971-77. 7: OMA / Rem Koolhaas mit Cecil Balmond, Ove Arup& Partners: Zentrum für Kunst und Medientechnologie, Karlsruhe 1989, Projekt 8: Peter Zumthor, Ing.: Robert Manahl Kunsthaus, Bregenz 1994-97 9: UN Studio, W. Sobek Ingenieure (TW): Mercedes Museum Stuttgart, 2002-06 32 m 21 m 19 m 48 m 30 m 15 m < 30 m >> Grundrisse M 1:1000 1: Frank Lloyd Wright: Verwaltungsgebäude Larkin Company, Buffalo NY 1905 2: Louis I. Kahn, Ing.: August Komendant: Richards Laboratories, University of Pennsylvania 1957-61 3: Paul Rudolph: Yale Art and Architecture Buil- ding, Yale NJ 1958-62 4: Richard Rogers Partnership, Ing.: Ove Arup & Partners(?): Reuters Data Centre, London 1987-88 5: Renzo Piano, Richard Rogers, Ing.: Ove Arup & Partners: Centre Pompidou, Paris 1971-77 Grundrißausschnitt 6: Norman Foster Associates, Ing.: Ove Arup & Partners: Hongkong and Shanghai Banking Corporation, Hongkong 1979-86 7: Kenzo Tange, Ing.: Yoshikatsu Tsuboi: Yamanashi Kommunikationszentrum, Kofu 1961- 66 8: Toyo Ito, Ing.: Matsuo Sasaki: Mediathek Sendai 1996-2001 Zu 2.4: single span 1 2 7 11 5 8 3 4 6 9 12 285 ÜbersichtenSchächte, Kerne, Infrastrukturzonen 1 2 7 5 8 13 3 4 6 9 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 287 deep plan seit 1990Zu 2.5: Fassaden Referenz Material statische Funktionsweise Geometrie Tiefe der Fassade klimatische Funktion tragend/ nichttragend (Teil der Primär- konstruktion?) Unterkonstruktion einschichtig/ zweischichtig öffenbare Elemente Sonnenschutz 1: Kunsthaus Bregenz Glas, satiniert, vor Stahlbeton-Wand- abschnitten mit ver- glasten Oberlichtern nichttragend selbsttragende Stahl- konstruktion, begeh- barer Zwischenraum, Scheiben 1,45 x 2,85 planar, Scheiben geschuppt ange- ordnet 150 cm Doppelfassade keine Blendschutz durch Jalousien in der hinteren Schicht 2: Bibliothek (IKMZ), Cottbus Glas, äußere Schicht VSG, bedruckt, innere Schicht Isolierver- glasung nichttragend außen: punktgehal- tene Verglasung, an Geschoßdecken abgehängt planar, gebogene Abschnitte poly- gonal gebrochen 64 cm Doppelfassade Öffnungs- fl ügel in der hinteren Schicht Bedruckung in der vorderen Schicht, Entlüftung Fas- sadenzwischen- raum 3: Centro de las Artes, A Coruna Glas: äußere u. in- nere Schicht jeweils Einfachverglasung, geklebte Scheiben tragende Stahl- konstruktion: Vierendeel-Mas- ten im Abstand von 2,40 m als Randstützen Pfosten im Abstand von 80 cm, über Rie- gel an der Primärkon- struktion befestigt, begehbarer Zwischenraum planar, Wechsel mit einschichti- gen Fassadenab- schnitten 85 cm Doppelfas- sade, bereichsweise einschichtig Öffnungs- fl ügel in den einschichtig verglasten Abschnitten Bedruckung, Entlüftung Fas- sadenzwischen- raum 4: TRUTEC Building, Seoul Glas: Wärme- schutzglas mit low- e-Beschichtung nichttragend Pfosten-Riegel-Ele- mente Aluminium 2,70 x 4,20 m, structural glazing plastisch vortre- tende Elemente aus planaren Scheiben 42 cm einschichtig pro Geschoß 2 große Öff- nungsfl ügel zur Anliefe- rung Sonnenschutzver- glasung 5: Seattle Public Library Glas: Zweischeiben- Isolierverglasung aus VSG, ESG, im Überkopfbereich 2x VSG nichttragend, jedoch in sich ausgesteift (ge- gen seismische Beanspruchung) Preßleistenvergla- sung über Stahl- Unterkonstruktion als „Diagrid“ 1,22 x 1,22 m planar, füllt z.T. trapezförmige Fassadenfl ächen 12-40 cm einschichtig keine Sonnenschutzver- glasung, + über 50% der Fläche Streckmetallbleche in äußerer VSG- Scheibe 6: Nieder- ländische Botschaft, Berlin Glas, äußere Schicht Isolierver- glasung (2-3 x ESG) mit Kryptonfüllung, innere Scheibe VSG 12 mm Stahl-Hohl- profi le am Lastabtrag der Geschoßdecken beteiligt Elementfassade (1,50 m-Raster), geschoßweise abge- hängt planar, Schlitze zwischen Ele- menten, Rück- sprünge vor dem Trajekt 50 cm Kastenfenster (zweischichtig, geschoßweise entlüftet) RWA-Klap- pen in jeder 2. Achse als Lüftungsfl ü- gel benutz- bar Südfassade: Streckmetallbleche in der äußeren VSG-Scheibe 7: Mediathek, Sendai Südfassade Glas, äußere Schicht VSG 19mm, innere Schicht ESG 10 mm nichttragend außen: punktgehal- tene Verglasung, innen: Einfachvergla- sung mit Silikonfugen an Glasschwertern planar, seitlich über den Baukör- per ausladend 104 cm Doppelfassade Fluchttüren Bedruckung in der vorderen Schicht, Entlüftung Fas- saden-zwischen- raum 8: Galeries Lafayette, Berlin Glas, äußere Schicht VSG, innere Schicht Zwei- scheiben-Isolierver- glasung nichttragend Elementfassade (1,35 m-Raster) geschoßweise abge- hängt, äußere Schicht punktgehalten planar, bereichs- weise gebogene Scheiben 22 cm Kastenfenster (zweischichtig, geschoßweise entlüftet) Kippfl ügel in der hinteren Schicht Aluminiumjalousien im Zwischenraum, partielle Bedruck- ung der äußeren Schicht 9: Mercedes Museum, Stuttgart, Glasfassaden Glas: Isoliervergla- sung vor Stahlbe- ton-Verbundstützen nichttragend Pfosten-Riegel-Kon- struktion aus Flach- stählen, geschweißt gekrümmte Fas- sadenabschnitte trianguliert (plane Scheiben) 20 cm einschichtig Öffnungsfl ü- gel nur vor den Büros Wärme-/Son- nenschutzglas, Bedruckung mit Verlaufsmuster 9: Mercedes Museum, Stuttgart, Wandabschn. Aluminiumblech vor gedämmter Beton- Außenwand tragende Außen- wand übliche Unterkon- struktion überwiegend einfach ge- krümmte Paneele - zweifach ge- krümmte im Werk vorgefertigt 75 cm mehrschich- tiger Wand- aufbau mit Hinterlüftung keine opak 10: Mediathek Sendai Ost-/West-/ Nordfassaden Glas, Aluminiumpa- neele, Profi lglas als geschoßhohe Verk- leidung; Stahlele- mente vor den Geschoßdecken nichttragend geschoßweise abge- tragen planar 12-30 cm einschichtig Fluchttüren Westfassade opak, Ost-/Nordfassade: kein außenliegen- der Sonnenschutz 11: Villa VPRO Hilversum Glas (>80%), vorgefertigte Be- tonelemente vor den Geschoßdecken (<20%) nichttragend Pfosten-Riegel-Kon- struktion, teils auf Geschoßdecke, teils vorgehängt (Holz, Stahl) planar mit Vor- und Rücksprün- gen ca.20 cm einschichtig Terrassen- türen; Dreh- /Kippfl ügel verfahrbare Falt- elemente vor der Glasebene, getönte Gläser 12: Nieder- ländischer Expo-Pavillon verschiedene nichttragend geschoßweise abge- tragen planar var. einschichtig kein klima- tischer- Raumab- schluß kein 13: Zollverein School, Essen Ortbeton in Sicht- betonqualität, Glas (Öffnungsanteil ca. 15%) tragende ein- schichtige Aussenwand keine planar, Vergla- sung innenbün- dig, Rahmen außen verdeckt 30 cm einschichtig, mit “aktiver Wärmedäm- mung” keine kein außenliegen- der Sonnenschutz, Blendschutz durch Vorhänge 14: Voltaschule Basel, O/W-Fassade Ortbeton in Sicht- betonqualität, Glas (Öffnungsanteil ca. 40%) keine Vertikallas- ten, nur Horizon- tallasten als monolith. Bauteil punktuell an tragen- den inneren Wand- schotten angehängt planar 37 cm Innendäm- mung Öffnungs- fl ügel verfahrbare außen- liegende Markisen 15: Schaulager, Basel Ortbeton, eingefärbt und gewaschen tragende Stahl- profi le in der in- neren Schicht einbetonierte Stahl- Rundstützen in der äußeren Wandschicht planar, Vergla- sung innenbündig 77 cm Kerndämmung opake Öff- nungsfl ügel Markisen vor Ver- glasung 289 AnmerkungenBibliographieBibliographie Baukonstruktion: Baechlin, M.: Bauen in Stahl. Verlag Schweizer Stahlbauverband Zürich 1956, 1962 (2 Bände) Birkmire, William H.: Skeleton Construction in Buildings. John Wiley & Sons, New York 1894 (2. Aufl age) Bogardus, James: Cast Iron buildings. Their construction and advantages. J.W. Harrison, New York 1856 Davies, R. M. (Hrg.): Space Structure. A study of methods and developments... International Conference on Space Structures. University of Surrey 1966. Blackwell, Oxford 1967 Deplazes, Andrea: Architektur konstruieren. 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Works, Projects, Writings: 180 (5-6), 186-187 Maretto, Paolo: La Casa veneziana nella storia della città dalle origini all’ ottocento: 15 (3, 4) Martin, Reinhold: The Organisational Complex: 80, 94, 95 (2, 3) Le Moniteur d’ Architecture: 122 (1, 3-5), 276 (5) Moos, Stanislaus v.: Venturi, Scott-Brown: 102 (2-3), 277 (17) Nagel, S. /DBZ: Verwaltungsbauten: 2 (14), 76 (5), 85 (EG, OG), 274 (7) Parnes, Louis: Bauten des Einzelhandels und ihre Verkehrs-und Organisationsprobleme: 2 (8), 37 (EG, OG), 40 (3), 46-47, 48 (2), 54-55, 272 (5-7, 9-11) Picon, Antoine: Du Plateau Beaubourg au Centre Pompidou: 123 (7), 259 (3) Powell, Kenneth: Richard Rogers. Buildings and Projects: 3 (4), 130, 274 (13), 285 (4) Riani, Paolo: Kenzo Tange: 111 (5), 119 (7, 9), 263 (3) Ronner, Heinz, Jhavery, Sharad: Louis Kahn. 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Das Buch zum Museum: 212 (10-11), 214 (3), 222 (5), 223, 237 (8, 9), 247 (3), 277 (13), 284 (9) van Berkel, Ben / Bos, Caroline UNstudio: move: 142 (5), 198 (5), 203, 233 (3) Viollet-le Duc, Eugène-Emmanuel: Entretiens sur l’ architecture: 15 (2) Wachsmann, Konrad: Wendepunkt im Bauen: 116, 258 (2) Wiener, Alfred: Das Warenhaus: 35 (EG, 1.OG), 272 (3) Willis, Carol: Form follows fi nance: 75 (8) Zevi, Bruno: Giuseppe Terragni: 45 Zukowsky, John (Hrg.): Chicago Architecture and Design 1923- 93: 51 (4-6), 272 (8) Abbildungen aus dem Internet: New York Public Library Digital Gallery: 26 (2, 3), 27 (1, 2), 35 (2), 36 (1) Courtesy of The New York Public Library. en.wikipedia.org: 30 (2) american-architecture.info: 31 (4) brynmawr.edu: 32 (1) nyc-architecture.com: 34 (1), 35 (3), 52 (2) departmentstoremuseum.blogspot.com: 40 (1) fashionencyclopedia.com: 48 (1) starrett-lehighbuilding.com: 53 (3, 4) fl ickr.com/photos/rob_goodspeed: 86, 87 (3-5) Abbildungen des Verfassers: 3 (7, 15), 140, 144 (6, 8), 154 (4), 159 (5), 171 (4), 175, 191, 195, 198 (2, 6, 8), 202, 205 (6), 212 (8, 12), 215, 222 (1-2), 224-225, 226 (1), 227-232, 233 (4), 236 (2), 237 (5), 239, 240 (1-6, 8-12), 241 (1-6, 8-11), 242, 245 (4, 6), 247 (4), 279-283, 286 (1, 9) Summary The architecture of deep-plan, multi-storey buildings This study, thematically located at the intersection of building typology, architectural history and design theory, examines a specifi c format of modern architecture: Deep-plan buildings, defi ned here as compact multi-storey buildings of more than 25 meters length in both horizontal dimensions without a central core or atrium. The study focuses on building depth instead of function as the primary parameter in building typology. The illustrations, with their common scale of 1:1000 for all plans and sections, allow the reader to draw comparisons between reference buildings, opening up a parallel reading of text and image. The study is structured in three parts: Part I follows the chronology from 1890 to 1990. Part II, focusing on deep-plan buildings since 1990, is organized according to the morphology of different building sub-systems. The change of perspective suggests, as Part III tries to elaborate, that the more recent reference buildings can be understood in terms of a development of themes and potentials established in earlier phases of modern architecture. The historical part (I) organises the reference buildings according to the historical stages of modern urbanism, as well as the development of different building technologies. Beginning in Chicago and New York around 1880, it examines the conjunction between the city grids, the development of the steel frame and the emergence of the fi rst deep plans. The second chapter deals with deep- plan buildings during the Modernism of the 1920s and ‘30s, comparing American with European references, focusing on the emerging techniques of reinforced concrete construction and on the imagery of Großstadtarchitektur. The chapter on the plan libre and deep plan in Le Corbusier’s work provides a link from the Modernism of the 1920s to post-war architecture. While deep-plan buildings are only to be found in Le Corbusier’s late work, they are explored in relation to his earlier domestic schemes, as well as his unrealized urban designs of the 1920’s. The development since 1945 is structured along two threads: The chapter on Corporate Modernism focuses on new forms of organization in offi ce work and their technological repercussions as recorded by the deep-plan offi ce building. The chapter on Megastructure and High-Tech deals with (mega-)structural alternatives to the orthogonal steel and concrete frame, which lead up to the large- span high-tech architecture of the 1970’s and 80’s. Part II starts from an examination of deep plan in the work of OMA by clarifying the theoretical assumptions in Rem Koolhaas’ texts. The term format as a central category of this study is actually borrowed from Koolhaas. However, while in Koolhaas’ thinking format replaces type, this study argues for format as the overarching category that may comprise several types in itself. These ‘sub-types’ are characterized by common morphological traits rather than by function or historical precedent. Part II tries to establish a morphology that allows the recent reference buildings (30 in total) to be ordered in six groups: 1: the reworked loft, 2: the stacked large-span open-plan, 3: prisms with inclusions, 4: boxes and platforms, 5: porous structures, 6: the continuous interior. While this section focuses on the diagrammatic and spatial properties of the reference buildings, a further section examines the buildings’ subsystems (primary structure, hvac and façade systems as well as circulation) in a comparative mode. An overview concerning the morphology of primary structures summarizes the fi ndings. Part III elaborates on common characteristics of deep-plan multi-storey buildings: They are compact, striving towards a critical mass; they are artifi cial, even if they feature elements of landscape; they operate on the dialectics of outside/inside by absorbing programs that were hitherto part of the public realm; they combine the high density of the multi-storey building with the organisational advantages of maximized fl oor plates. However, besides these constants of the format, the survey of deep-plan buildings across the history of modern architecture up until now discloses a development towards growing spatial and structural complexity and towards the informal in the most recent references. This development is further exemplifi ed in two confrontations of high-modern with recent architectures: A comparison between OMA’s Seattle Library and Le Corbusier’s Governor’s Palace for Chandigarh and another between Toyo Ito’s Sendai Mediatheque and Kenzo Tange’s Yamanashi Building. Looking at the striking visual analogies, the recent projects can almost be seen as reworkings of the earlier buildings’ diagrams. However, it seems as if the true potential of the earlier schemes was revealed for the fi rst time in their contemporary analogues. Certainly, advances of digital technologies in design and building contribute to this effect. Following this reading, deep-plan might be understood as a symptom of Modernity’s successive phases of development in architecture, pointing towards growing morphological variance. 297 Zusammenfassung deep plan. Die Architektur der tiefen Geschossbauten Die Arbeit untersucht ein Format der modernen Architektur: Tiefe Geschossbauten. Diese werden defi niert als kompakte Gebäude mit mindestens vier Geschossebenen von mindestens 25 Metern Seitenlänge in beiden Richtungen (“tiefe Grundrisse”, “deep plans”) ohne zentralen Kern oder zentrales Atrium. Anstelle der Nutzung wird die Gebäudetiefe als entscheidender typologischer Parameter herausgearbeitet. Der einheitlich durchgehende Abbildungsmaßstab von 1:1000 für Grundrisse und Schnitte erlaubt den unmittelbaren visuellen Vergleich innerhalb der vorgestellten Gebäudereferenzen. Von den drei Teilen der Arbeit betrachtet Teil I die Referenzen der Zeit zwischen 1890 und 1990. Teil II untersucht die Referenzen seit 1990. Während für den ersten Teil eine chronologische Gliederung gewählt wurde, werden die Referenzen des zweiten Teils unter morphologischem Blickwinkel gruppiert. Dieser Wechsel der Perspektive signalisiert, wie in Teil III weiter ausgeführt wird, dass die neueren Referenzen als Entfaltung von Möglichkeiten, die in früheren Phasen der architektonischen Moderne angelegt waren, interpretiert werden können. Die Arbeit liegt somit in der Schnittmenge von Architekturgeschichte, Gebäudekunde und Entwurfstheorie. Der historische Teil (I) stellt in fünf Kapiteln die (insgesamt fünfzig) Referenzen der Zeit zwischen 1890 und 1990 in den jeweiligen städtebaulichen, bautechnischen und architekturtheoretischen Kontext. Es wird der Zusammenhang zwischen Skelettbau und tiefem Grundriss in Chicago und New York gegen Ende des 19. und Beginn des 20. Jahrhunderts untersucht. Im Kapitel Eisenbeton und Großstadtarchitektur werden tiefe Geschossbauten der amerikanischen wie europäischen Moderne um 1930 vorgestellt. Das Kapitel über Plan libre und tiefen Grundriss bei Le Corbusier bildet mit dem Zeitraum zwischen 1926 und 1965 die Brücke zur Zeit nach dem 2. Weltkrieg. Die Entwicklung der tiefen Geschossbauten in dieser Zeit wird in zwei Traditionslinien verfolgt; einmal mit Schwerpunkt auf neuen Formen der Arbeitsorganisation; einmal unter dem strukturellen Aspekt (Corporate Modernism 1945-73, und fl exible frameworks: Von Megastruktur zu High-Tech 1953-85). Teil II untersucht zunächst die programmatischen Grundlagen für tiefe Geschossbauten (“big buildings”) in der Arbeit Rem Koolhaas’ und seines Büros OMA. Von Koolhaas wird der Begriff des Formats als zentrale Kategorie der Arbeit entlehnt. Während bei Koolhaas Format den traditionellen Begriff des Typus ersetzt, ließe sich argumentieren, dass Format in Bezug auf Typus jedenfalls die übergeordnete Kategorie ist. Im weiteren Verlauf werden die dreißig Gebäudereferenzen der Zeit seit 1990 vorgestellt, und zwar in sechs Gruppen, die sich durch jeweils ähnliche Gebäudediagramme oder einen spezifi schen Charakter der Raumbildung eingrenzen lassen (Modifi zierte Lofts, Gestapelte Großräume, Prismen mit Einschlüssen, Boxen und Platformen, Poröse Strukturen, Kontinuierliche Innenräume). Im Anschluss werden die baulichen Subsysteme Tragwerk, technische Gebäudeausrüstung, Erschließung und Fassade untersucht, wobei ein Schwerpunkt auf dem Tragwerk liegt. Aus den untersuchten Gebäudereferenzen wird eine Systematik der Tragstrukturen für tiefe Geschossbauten hergeleitet und in einer Übersicht zusammengefasst. Teil III zieht die Schlussfolgerungen: Es werden übergreifende Charakteristika des Formats der tiefen Geschossbauten festgehalten (Kompaktheit, Ausgleich zwischen Stapelung in der Vertikalen und Vernetzung in der Horizontalen, Theorem der kritischen Masse, Interiorisierung öffentlicher Funktionen, Künstliche Landschaft). Im Anschluss werden die vier Entwicklungsphasen (“1880-90”, “um 1930”, “1945-73”, “seit 1990”) charakterisiert. Die jüngste Phase wird dabei vertieft betrachtet. In der Gegenüberstellung zu einem Zitat aus Konrad Wachsmanns “Wendepunkt im Bauen” (1959) werden Kennzeichen der neueren Entwicklung wie innere Komplexität bei äußerer Einfachheit und Informalität in Raumbildung und Tragstruktur herausgearbeitet. Die Auseinandersetzung zwischen Nachkriegsmoderne und Gegenwartsarchitektur wird an zwei Gegenüberstellungen konkretisiert. Die Bibliothek in Seattle von OMA wird mit dem Entwurf für den Gouverneurspalast Chandigarh von Corbusier und die Mediathek Sendai von Toyo Ito mit dem Yamanashi-Gebäude in Kofu konfrontiert. Die neueren Gebäude lassen sich dabei auch als die Aktualisierung von Diagrammen der Nachkriegsmoderne lesen. Die tiefen Geschossbauten erweisen sich so als eine architektonische Erscheinungsform periodisch auftretender Modernisierungsschübe, wobei die Entwicklung in Richtung einer zunehmenden morphologischen Varianz verläuft.