Bei dieser Arbeit handelt es sich um eine Wissenschaftliche Hausarbeit, die an der Universität Kassel angefertigt wurde. Die hier veröffentlichte Version kann von der als Prüfungsleistung eingereichten Version geringfügig abweichen. Weitere Wissenschaftliche Hausarbeiten finden Sie hier: https://kobra.bibliothek.uni-kassel.de/handle/urn:nbn:de:hebis:34-2011040837235 Diese Arbeit wurde mit organisatorischer Unterstützung des Zentrums für Lehrerbildung der Universität Kassel veröffentlicht. Informationen zum ZLB finden Sie unter folgendem Link: www.uni-kassel.de/zlb Wissenschaftliche Hausarbeit im Rahmen der Ersten Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien im Fach Politik und Wirtschaft, eingereicht dem Amt für Lehrerbildung - Prüfungsstelle Kassel – Thema: Schwedens Schulsystem als Modell für Deutschland?- Möglichkeiten und Grenzen der Vergleichbarkeit Verfasserin: Franziska Peters Gutachter: Prof. Dr. Bernd Overwien Datum: Kassel, den 28.5.2010 2 Eidesstattliche Erklärung Ich versichere hiermit, dass ich die Arbeit selbstständig verfasst, keine anderen, als die angegebenen Hilfsmittel verwandt und die Stellen, die anderen benutzten Druck- und digitalisierten Werken im Wortlaut oder dem Sinn nach entnommen sind, mit Quellenangaben kenntlich gemacht habe. (In die Versicherung sind gegebenenfalls auch Zeichnungen, Skizzen sowie bildliche und sonstige Darstellungen sowie Ton- und Datenträger einzuschließen.) (Unterschrift des Verfassers) 3 Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis Tabellenverzeichnis Abkürzungsverzeichnis 1.Einleitung…………...…………………………….……………..………..…8 2.Grundzüge der Bildungspolitik….………………………….………..….10 3.PISA und die Bildungsdiskussion…….…………………………………..12 3.1 Schulleistungsstudien im Überblick…...…………...…………………12 3.2 PISA- Aufbau, Struktur und Rahmenbedingungen...………...……….15 3.3 Ergebnisse PISA - Ein Vergleich der Lesekompetenz zwischen Deutschland und Schweden der PISA-Studien 2000 und 2006….…..…18 3.4 Auswirkungen PISA´s auf die Bildungspolitik Deutschlands………..25 4.Geschichtliche Entwicklung des Bildungswesens in Deutschland und Schweden……………………………..…………..31 4.1 Geschichtliche Entwicklung in Deutschland…………………………..31 4.2 Geschichtliche Entwicklung in Schweden……………….…………. 37 5.Aufbau und Struktur des Bildungswesens……………...……………..…45 5.1 Aufbau des Bildungssystems der Bundesrepublik Deutschland.……..45 5.1.1 Die vorschulische Bildung in der Bundesrepublik Deutschland....47 5.1.2 Die schulische Bildung in der Bundesrepublik Deutschland……..51 4 5.2 Aufbau des Bildungssystems in Schweden…………………………...53 5.2.1 Die vorschulische Bildung in Schweden………………..………..56 5.2.2 Die schulische Bildung in Schweden…………...………………..58 5.3 Zusammenfassender Vergleich der Bildungssysteme in Deutschland und Schweden……………………………...……….61 6.Chancengleichheit oder Chancenungleichheit im Bildungswesen?.........66 6.1 Definition Chancengleichheit………...…………………..…………..66 6.2 Individuelle Förderung der Schüler unter dem Gesichtspunkt der Einwanderungspolitik…….……………………………………….……67 6.2.1 Chancengleichheit in Schweden?...................................................72 6.2.2 Chancenungleichheit in Deutschland?............................................77 7.Perspektiven und Herausforderungen.…………………………………..84 8.Literaturverzeichnis……….……………………………...…………….....88 9.Anhang……...……………………………………………………………...97 5 Abbildungsverzeichnis Abbildung Seite Abbildung 1 Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland an den Schulleistungsstudien der IEA 13 Abbildung 2 Lesekompetenz PISA 2000 20 Abbildung 3 Lesekompetenz PISA 2006 22 Abbildung 4 Das Bildungssystem in der Bundesrepublik Deutschland nach 1945 34 Abbildung 5 Das Bildungssystem in der SBZ/DDR 1946 bis 1959 35 Abbildung 6 Ausgaben für Bildung in Prozent des BIP 2006 64 Abbildung 7 Anteil ausländischer Schüler an den Schülern der allgemeinbildenden Schulen in den verschiedenen Bundesländern im Schuljahr 2006/07 68 Abbildung 8 Schulische prozentuale Verteilung von Schülern mit verschiedenem sozio-kulturellen Hintergrund 1985- 2006 69 Abbildung 9 15-jährige nach Sozialschichtzugehörigkeit und Bildungsgang 70 6 Tabellenverzeichnis Tabelle Seite Tabelle 1 Soziale Ungleichheit, Sozialgardient, Leseleistung in der Sek. I 23 Tabelle 2 Migrationshintergund der an der PISA-Studie beteiligten Schüler und Schülerinnen (in Prozent) 28 Tabelle 3 Zeitliche Entwicklung des Angebots von Kinderbetreuungsplätzen in West- und Ostdeutschland 49 Tabelle 4 Müttererwerbstätigkeit in ausgewählten Ländern (in Prozent) 58 7 Abkürzungsverzeichnis AfL Amt für Lehrerbildung BIP Bruttoinlandsproduktes BRD Bundesrepublik Deutschland DDR Deutschen Demokratischen Republik EU Europäische Union FIMS First international Mathematics Study IEA International Association for the Evaluation of Educational Achievement IGLU Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung KMK Ständige Konferenz der Kulturministerien der Länder in der Bundesrepublik Deutschland LAU Aspekte der Lernausgangslage und der Lernentwicklung OECD Organisation for Economic Co-operation and Development PIRLS Progress in International Reading Literacy Study PISA Programme for International Student Assessment PISA-E Nationale Ergänzungsstudie zu PISA SIA skolans inre arbeite (Die innere Arbeit der Schule) SSK Utredningen om skolan,staten och kommunerna (Untersuchungskommission zur Schule, dem Staat und den Kommunen) TIMSS Third International Mathematics and Science Study 8 1. Einleitung „Wer seine Schüler das Abc gelehrt hat, hat eine größere Tat vollbracht als der Feldherr, der eine Schlacht geschlagen hat.“1 Gottfried Wilhelm Leibniz Schon im 17.Jh. wusste Leibniz wie wichtig das Lesen und Schreiben für einen jungen Menschen ist und noch heute zählt die Bildung zu den wichtigsten Aufgaben eines jeden Landes. Bildung ist zu einem Gut geworden, das den weiteren Lebensweg für alles öffnen oder auch versperren kann. Thomas Rauschenbach2 bezeichnet die Bildung als „eine wesentliche Überlebensressource des modernen Menschen im 21. Jahrhundert“3. Die Bildungspolitik muss sich mehr denn je mit den sozialen und gesellschaftlichen Fragen auseinandersetzten. Dabei ist die Bildung schon lange nicht mehr nur eine Sache der Schulen, auch die Frühkindliche Förderung rückt immer mehr in den Vordergrund. Nicht mehr nur eine Ansammlung von Abschlüssen, sondern Fähigkeiten und Fertigkeiten werden im Mittelpunkt gerückt. Bildung soll den Menschen ermöglichen selbst zu bestimmen und sein eigenes Leben in Beruf, Familien und anderen Bereichen zu führen.4 Deutschland hat im Bereich der Bildungspolitik besonders mit den Folgen der schlechten PISA-Ergebnisse von 2000 zu kämpfen. Die Kritik an dem längst überholten System und der mangelnden Chancenungleichheit, besonders bei Schülern5 mit Migrationshintergrund, werden von Seiten der Eltern, Lehrer und Bildungsforscher immer lauter. Hinzu kommt die wiederauflebende Diskussion zur Einführung der Gesamtschule. Besonders in Hessen sorgt die 1 Quelle: Seiderer, Georg: Und es ward Licht! -Die Aufklärung; in: Die Zeit, Welt- und Kulturgeschichte: Epochen, Fakten, Hintergründe in 20 Bänden; mit dem Besten aus der Zeit (Projektleitung Hildegard Hogen); Band 10.- Zeitalter der Revolutionen, Hamburg 2006, S.132. 2 studierter Dipl. Erziehungswissenschaftler, Vorstand und Direktor des Deutschen Jugendinstituts e.V: 3 Rauschenbach, Thomas: Zukunftschance Bildung : Familie, Jugendhilfe und Schule in neuer Allianz, Weinheim/München 2009, S.13/14. 4 Rauschenbach 2009, S.14, 15, 23, 34. 5 Das Wort Schüler steht hier und im Folgenden für Schüler und Schülerinnen. 9 Bildungspolitik immer wieder für Diskussionen. In kaum einem anderen Bundesland ist die Gruppe der Risikoschüler so hoch wie in Hessen. Die Regierung hat mit Schulabgängern ohne Schulabschluss und schlechten PISA- Ergebnissen zu kämpfen. Die Integrationsfähigkeit von Schülern mit Migrationshintergrund wird immer wieder angezweifelt. Der Blick auf den Rest der Welt und dessen Bildungssysteme werden dabei immer wichtiger. Schweden hingegen gilt schon seit Jahrzehnten als Vorzeigeland in Sachen Bildung. Schweden hat als Einwanderland ein Leistungsniveau der einheimischen Schüler und der Schüler mit Migrationshintergrund, welches weit über dem von Deutschland liegt. Die schwedischen Schüler schneiden bei PISA unter anderem bei der Lesekompetenz deutlich besser ab als die deutschen Schüler. Besonders auffällig ist dabei, dass die Leistungsspanne der Schüler in Schweden nicht so weit auseinander geht wie in Deutschland. In dieser Arbeit soll der Frage nachgegangen werden, wie Schweden es schafft eine hohe Chancengleichheit in der Bildung durchzusetzen und was Deutschland von diesem Land lernen kann. Besonders die aktuelle PISA- Diskussion steht dabei im Mittelpunkt. Dafür werden die PISA-Ergebnisse im Bezug auf die Lesekompetenz von Schweden und Deutschland verglichen. Es wird kurz auf die geschichtliche Entwicklung der Bildung beider Länder eingegangen und die Besonderheiten in Aufbau und Struktur der Schulsystem erläutert. Anschließend wird die Chancengleichheit in Schweden und Deutschland untersucht. Infolge dessen wird besonders auf die Chancengleichheit im Bezug auf die Migrationspolitik eingegangen. Welche Maßnahmen Schweden und Deutschland unternehmen, um Chancengleichheit zu garantieren wird erläutert, um abschließend einen Blick in die Zukunft zu werfen und aufzuzeigen, wie es mit dem deutschen Bildungssystem weiter gehen kann und welche Herausforderungen es gegenüber steht. 10 2. Grundzüge der Bildungspolitik „Bildungspolitik ist die Gesamtheit der Entscheidungen, Handlungen, Handlungsprogramme und Regelungen, die von öffentlichen oder privaten Organisationen getroffen werden, um die Bedingungen für das Gelingen von Lernprozessen inhaltlich, organisatorisch und ressourcenmäßig zu gestalten.“6 Unter Bildungspolitik versteht man die politischen Aktivitäten, welche dazu dienen, das Bildungssystem innerhalb des Landes zu regeln. Dabei liegen die Zuständigkeiten innerhalb Deutschlands auf mehreren Regierungsebenen - dem Bund und den einzelnen Ländern. Während der Bund die Aufsicht über das Schulwesen trägt, sind die Länder für die Ausgestaltung dessen verantwortlich. Sie besitzen Zuständigkeiten für Bildung, Wissenschaft und Kultur - die sogenannte Kulturhoheit.7 Jedoch ergibt sich daraus das Problem, dass aufgrund der Kulturhoheit der verschiedenen Länder zumindest theoretisch eine große Anzahl verschiedener Bildungssysteme möglich ist. Da die einzelnen Länder zudem verpflichtet sind, sich um ein staatliches Ganzes zu kümmern, kommen die Kultusminister der einzelnen Bundesländer seit 1948 regelmäßig im Rahmen einer Kultusministerkonferenz zusammen um das deutsche Bildungssystem zumindest teilweise einheitlich zu gestalten. Hierbei wird beispielsweise versucht, den Schülern und Studenten den Wechsel bei einem Umzug vom einen Bundesland in das andere Bundesland zu erleichtern.8 Die Bildungspolitik muss dabei verschiedene Aufgaben erfüllen. Sie soll „einerseits das Recht des Einzelnen, auf eine seinen individuellen Fähigkeiten entsprechende Bildung gewährleisten und andererseits der 6Bildungspolitik;in:http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/bildungspolitik.html(eingeseh en am 20.05.2010, 15:44 Uhr) 7Eurodice, Exekutivagentur Bildung, Audiovisuelle und Kultur: Organisation des Bildungssystems in der Bundesrepublik Deutschland 2007/08; in: http://eacea.ec.europa.eu/education/eurydice/documents/eurybase/eurybase_full_reports/DE_ DE.pdf, S.17. (eingesehen am 24.04.2010, 16:14 Uhr) 8 Ebd. S. 17. 11 wirtschaftspolitischen Bedeutung für eine moderne Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft gerecht werden.“9 Neben der für alle gewährten Chancengleichheit muss die Bildungspolitik eines Landes garantieren, dass auf dem Arbeitsmarkt genügend Fachkräfte zur Verfügung stehen. Aus wirtschaftspolitischer Sicht, spielt dabei besonders das Bildungsniveau eine große Rolle.10 Die Schulen innerhalb Deutschlands sind dabei stark an der Bildungspolitik der Bundesländer orientiert - von Autonomie kann somit nicht gesprochen werden. Während Deutschland seinen Schwerpunkt innerhalb der Bildungspolitik darauf legt, jeden Schüler nach seinen individuellen Fähigkeiten zu bilden, ist dieser in Schweden darauf gerichtet, allen Schülern den „gleichen Zugang zur Bildung, unabhängig von ihrem Geschlecht, ihrem Wohnort oder von sozialen und wirtschaftlichen Faktoren“ zu garantieren.11 Schweden sieht die Chancengleichheit als einen der wichtigsten Punkte der Bildungspolitik an. Zuständig für die Bildungspolitik ist in Schweden das Ministerium für Bildung und Forschung („Utbildningsdepartementet“). Die Aufsicht über das Bildungswesen hat die „Skolverket“ (Nationales Zentralamt für Schule und Erwachsenenbildung). Sie überwacht die Schulen und macht Vorschläge für Verbesserungen.12 Die Zuständigkeiten für das Bildungssystem fallen, im Gegensatz zu Deutschland, zu einem sehr großen Teil auf die lokale Ebene, da Schweden en stark dezentralisiertes System hat. Während der Staat lediglich Richtlinien und grobe Ziele für das Schulwesen angibt, sind die Kommunen für die Ausgestaltung des Schulwesens einschließlich der Einstellung von Personal verantwortlich.13 9 Bildungspolitik; in: Duden Wirtschaft von A bis Z. Grundlagenwissen für Beruf, Ausbildung und tägliches Leben. / [Autoren: Achim Pollert, Bernd Kirchner, Javier Morato Polzin]; 2. Aufl., Mannheim/ Leipzig/ Wien/ Zürich, 2004, S.130. 10 Ebd. 2004, S. 131. 11Zentrale Auslands- und Fachvermittlung: Bildungssystem; in: http://www.ba- auslandsvermittlung.de/lang_de/nn_2848/DE/LaenderEU/Schweden/Bildungssystem/Bildun gssystem-knoten.html__nnn=true(eingesehen am 20.05.2010, 15:44 Uhr) 12Ebd. 13Swedish Government Offices, Information Department: Das demokratische System in Schweden, 29. November 2007, in: http://www.sweden.gov.se/sb/d/9873/a/93247; Svenska Institutet: Bildungssystem, Stockholm; in: http://www.sverige.de/lexi/lexi_bild.htm (eingesehen am 13.05.2010, 10:30 Uhr) 12 3. PISA und die Bildungsdiskussion Die Bildungsdiskussion in Deutschland kam nach einer intensiven Diskussion Anfang der siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts vor einigen Jahren erneut auf. Besonders die schlechten Ergebnisse der Schulleistungsstudie PISA14 (Programme for International Student Assessment) beeinflussten diese Diskussion. Nun wurde der Ruf nach einer Reform des Schulsystems immer lauter. Kritik erntete insbesondere die Selektivität und frühe Differenzierung auf die verschiedenen Schultypen innerhalb des deutschen Schulwesens.15 Doch gab es Schulleistungsstudien schon vor PISA. Im Folgenden werden die verschiedenen Schulleistungsstudien kurz dargestellt und ein besonderer Schwerpunkt auf PISA gelegt. Es werden die Ergebnisse von PISA in Deutschland mit denen in Schweden verglichen und Schlussfolgerungen für die Bildungspolitik gezogen. 3.1 Schulleistungsstudien im Überblick PISA war nicht die erste Schulleistungsstudie, die in Deutschland durchgeführt wurde. Schon 1970 führte die OECD (Organisation for Economic Co-operation and Development) ein Länderexamen durch, welches das deutsche Schulsystem als überholt und reformbedürftig beurteilte. Durch die mittlerweile vierzigjährige kontinuierliche Arbeit an Bildungsindikatoren konnten schließlich Schulleistungsstudien wie PISA entstehen.16 Die ersten wichtigen Schulleistungsvergleichsstudien wurden durch die IEA (International Association for the Evaluation of Educational Achievement) durchgeführt. Die IEA geht zurück auf eine Gruppe von Forschern, welche 1958 in einer „pilot-study“ die Ermessung von Leistung erprobte und in den darauf folgenden Jahren diese Studie immer wieder durchführte und verbesserte. So entstand die erste große internationale Vergleichsstudie FIMS (First international Mathematics Study), welche in 12 14 Deutsche Übersetzung: PISA= Programm zur internationalen Schülerbewertung 15Kopp, Johannes: Bildungssoziologie : Eine Einführung anhand empirischer Studien ; Lehrbuch, 1. Aufl., Wiesbaden 2009, S.90. 16Schweizerische Bildungsserver SBS: Die Examen der OECD im Bildungsbereich; in: http://www.educa.ch/DYN/86144.asp(eingesehen am 14.04.2010, 14:50 Uhr) 13 Ländern durchgeführt wurde. In Deutschland beteiligten sich lediglich Hessen und Schleswig-Holstein.17 Die Studien der IEA haben die Arbeit von PISA geprägt. Wie in der Überblickstabelle in der Abbildung 1 erkennbar, haben sich einige Bundesländer in Deutschland schon 1964 an Schulleistungsstudien beteiligt, was jedoch für die gesamte Bundesrepublik nicht als repräsentativ angesehen wurde. Abbildung 1: Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland an den Schulleistungsstudien der IEA Quelle: Peek, Rainer/Neumann, Astrid : Schulische und unterrichtliche Prozessvariablen in internationalen Schulleistungsstudien, in: Auernheimer, Georg/ Jansen, Dorothea (Hrsg.): Schieflagen im Bildungssystem: die Benachteiligung der Migrantenkinder; 2. Ausgabe, überarb. und erw. Aufl., Wiesbaden 2006, S.129. 17Peek, Rainer/Neumann, Astrid : Schulische und unterrichtliche Prozessvariablen in internationalen Schulleistungsstudien, in: Auernheimer, Georg/ Jansen, Dorothea (Hrsg.): Schieflagen im Bildungssystem: die Benachteiligung der Migrantenkinder; 2. Ausgabe, überarb. und erw. Aufl., Wiesbaden 2006, S.126. 14 Während einzelne ehemals westdeutsche Bundesländer schon in den 60er- Jahren an Studien teilnahmen, haben sich die ehemals ostdeutschen Bundesländer erstmals in den 80er-Jahren an einer Schulleistungsstudie beteiligt, wobei die Teilnahme komplett und somit repräsentativ war. Die erste Studie, an der sich die gesamte Bundesrepublik beteiligte, war die 1990/1991 durchgeführte Reading Literacy18, welche das Leseverständnis von neun- und vierzehnjährigen Schülern untersuchte. Eine der bekanntesten Schulleistungsstudien der IEA ist TIMSS (Third International Mathematics and Science Study), wobei es sich um eine Studie handelt, welche auf den Schwerpunkt Mathematik und Naturwissenschaften ausgelegt ist. Mit der Teilnahme an dieser Studie in den Jahren 1994 bis 1996 wurden in Deutschland erstmalig repräsentative Daten zum Bildungsstand von Schülern in den mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern erhoben. Die Studie erfolgte simultan in drei Klassenstufen: der Grundschule, am Ende der Sekundarstufe I und am Ende der Sekundarstufe II. Einschließlich Deutschland und Schweden haben 40 verschiedene Länder an dieser Studie teilgenommen.19 2001 führte die IEA eine Lesestudie unter der internationalen Bezeichnung PIRLS (Progress in International Reading Literacy Study) durch. In Deutschland ist diese unter dem Namen IGLU (Internationale Grundschul- Lese-Untersuchung) bekannt geworden, welche sich aus der Reading Literacy Studie entwickelt hat. IGLU, welche erstmals 2001 international auch unter der Teilnahme von Schweden und Deutschland durchgeführt wurde, untersucht die Lesekompetenz von Grundschülern am Ende der Grundschulzeit. Die Studie 18Der Begriff Reading Literacy wird mitunter auch von PISA genutzt. Er beschreibt den Prozess des Lesens als: „ geschriebene Texte zu verstehen, zu nutzen und über sie zu reflektieren, um eigene Ziele zu erreichen, das eigene Wissen und Potenzial weiterzuentwickeln und am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen“ (Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung: Reading Literacy und Lesekompetenz: Die kognitive Dimension des Lesens und die innere Beteiligung des Lesers, 23.11.2007; in: http://www.lesen-in-deutschland.de/html/content.php?object=journal&lid=778; eingesehen am 11.5.2010, 14:32 Uhr) 19Klieme, Eckhard: Die TIMSS-Studie: Anlage und ausgewählte Ergebnisse; Max-Planck- Institut für Bildungsforschung; in: http://www.mpib-berlin.mpg.de/TIMSS- Video/TIMSS_homepage/html/intro.htm; (eingesehen am 13.04.2010, 14:10 Uhr) Peek/Neumann 2006, S.127. 15 wird alle fünf Jahre wiederholt und findet demnach das nächste Mal 2011 statt.20 Neben der IEA führt auch die OECD Schulleistungsvergleichsstudien durch. Die OECD wurde 1961 gegründet und hat mittlerweile 31 Mitglieder. Sie setzt sich unter anderem zum Ziel, Lebensstandards zu sichern und Länder in ihrer Entwicklung zu unterstützen. Um dies’ zu erreichen, ist die OECD in vielen Bereichen wie zum Beispiel Umwelt oder insbesondere Bildung tätig. Im Bereich der Bildung versucht die OECD mit Hilfe verschiedener Studien die Bildungssysteme leistungsstärker zu machen.21 Die bekannteste dieser Studien ist PISA, welche im Folgenden genauer erläutert wird. 3.2 PISA- Aufbau, Struktur und Rahmenbedingungen Die erste von der OECD durchgeführte PISA-Studie gab es im Jahr 2000, seitdem wird sie alle drei Jahre wiederholt. Die letzte PISA-Studie fand 2009 statt, da es dazu aber noch keine Statistiken und Befunde gibt, werde ich mich in meiner Ausführung auf die PISA-Studien der Jahre 2000 und 2006 stützen. PISA testet die Kompetenzbereiche Lesen, Naturwissenschaften und Mathematik anhand einer repräsentativen Stichprobe der fünfzehnjährigen Schüler. Die Schüler werden stichprobenhaft aus allen Schularten ermittelt. Insgesamt wurden 2006 in Deutschland 4891 Schüler aus 225 Schulen befragt. Neben der internationalen PISA Studie gibt es noch die PISA-E-Studie, welche einen nationalen Vergleich zwischen den Bundesländern in Deutschland aufstellt. Des Weiteren werden die Eltern, die Schulleitungen und die Lehrer stichprobenhaft befragt. Dabei soll die Größe der Elternstichprobe der der Schüler entsprechen. Die Aufgaben für die Hauptstudie werden durch vorhergehende Tests erprobt und bestehen zum Teil aus den Testfragen und 20Bundesministerium für Bildung und Forschung: IGLU/ PIRLS; in: http://www.bmbf.de/de/6626.php (eingesehen am 20.05.2010, 13:08 Uhr) Peek/Neumann 2006, S.127. 21Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Die OECD; in: http://www.oecd.org/document/25/0,3343,de_34968570_39907066_39019353_1_1_1_1,00.h tml(eingesehen am 20.05.2010, 13:08 Uhr) Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: OECD-Themen: Bildung; in: http://www.oecd.org/pages/0,3417,de_34968570_35009030_1_1_1_1_1,00.html(eingesehen am 20.05.2010, 13:08 Uhr) 16 zum Teil auch aus den Fragen der vorhergehenden Studie. Die Testaufgaben sind in allen Ländern gleich, werden nur in die jeweilige Landessprache übersetzt. Die Aufgabe bei der Durchführung der Probetests ist es, festzustellen, ob sie eine Vergleichbarkeit zwischen den teilnehmenden Staaten gewährleisten.22 Das PISA Konsortium23 beschreibt die PISA-Studie als „ein hervorragendes exploratives Instrument, das sehr wohl geeignet ist, unsere Wissensbasis in dem komplexen Anwendungsfeld Schule, Unterricht und Lernen erheblich zu erweitern und damit die Voraussetzung rationaler Diskurse zu verbessern“.24 PISA wurde im Jahre 2000 in 28 Mitgliedstaaten der OECD und vier Nicht- OECD-Mitgliedsstaaten durchgeführt. 2006 waren es 30 OECD- Mitgliedstaaten und 27 Nicht-OECD-Mitgliedsstaaten. PISA vermittelt mit Hilfe von Indikatoren den Staaten einen Überblick über den Zustand des jeweiligen Bildungswesens. Um dies’ zu gewährleisten, wurde in jeder PISA- Studie der Schwerpunkt auf einen Kompetenzbereich gelegt. 2000 waren es die Lesekompetenzen (die Fähigkeit zum Umgang mit komplexen Texten), 2003 die mathematischen Kompetenzen und 2006 die naturwissenschaftlichen Kompetenzen. Die mathematischen und naturwissenschaftlichen Kompetenzen fordern von den Schülern die Fähigkeit, die Aufgaben begrifflich zu verstehen, das Auswendiglernen von Regeln und Sätzen ist dabei unwichtig. Neben den fachlichen Kompetenzen liegt ein weiterer Schwerpunkt der Studie auf den Fähigkeiten und Kenntnissen, die man im Erwachsenenleben benötigt. Dabei wird vor allem dem Beherrschen der Sprache eine hohe Bedeutung zugemessen, da man ohne sie nicht in der Lage ist, die im Test gestellten Aufgaben zu erfassen, zu verstehen und zu beantworten. Zudem werden auch die Aufgaben, bei denen das mathematische Rechnen im Vordergrund steht, in schriftlicher Form gestellt, so dass auch hier die Lesekompetenz der Schüler bedeutend ist. Die Schüler können verschiedene Kompetenzniveaus erreichen. 22Frey, Andreas(Hrsg.): PISA-2006-Skalenhandbuch : Dokumentation der Erhebungsinstrumente, Münster/ New York/ München/Berlin 2009, S.7/8. 23Eine Gruppe von Experten, Didaktiker und Bildungsforschern die die Durchführung, Bearbeitung und Auswertung der PISA-Test betreuen. 24Gogolin, Ingrid: Chancen und Risiken nach PISA- über Bildungsbeteiligung von Migrantenkinder und Reformvorschläge; in: Auernheimer, Georg/ Jansen, Dorothea (Hrsg.): Schieflagen im Bildungssystem: die Benachteiligung der Migrantenkinder; 2. Ausgabe, überarb. und erw. Aufl., Wiesbaden 2006, S.36. 17 Die Einteilung erfolgt in unterschiedlich viele verschiedene Kompetenzniveaus, wobei die Niveaus nach Schwierigkeitsgrad gestaffelt sind. Die Einteilung in den Kompetenzniveaus erfolgt im Bereich der Lesekompetenz in fünf Stufen. 25 Neben den Leistungsergebnissen wird besonders der Zusammenhang von schulischem Erfolg mit sozialer und kultureller Herkunft untersucht. PISA geht davon aus, dass die Bildungschancen in einem demokratischen Staat unabhängig von dem vererbten oder erworbenen Besitz der Familie sein müssen und somit auch unabhängig davon, ob es sich dabei um kognitives oder materielles Eigentum handelt. Somit wird die Frage untersucht, in welcher Weise das kulturelle und soziale Eigentum der Schüler die eigenen Bildungschancen beeinflusst. 26 Entscheiden ist allerdings, dass PISA nicht versucht, das komplette Wissen der Schüler und auch nicht den kompletten erlernten Schulstoff zu erfassen und zu untersuchen. Im PISA-Bericht wird dazu folgendermaßen Stellung genommen: "Man kann gar nicht nachdrücklich genug betonen, dass PISA keineswegs beabsichtigt, den Horizont moderner Allgemeinbildung zu vermessen, oder auch nur die Umrisse eines internationalen Kerncurriculums nachzuzeichnen. Es ist gerade die Stärke von PISA, sich solchen Allmachtsfantasien zu verweigern und sich statt dessen mit der Lesekompetenz und mathematischen Modellierungsfähigkeit auf Basiskompetenzen zu konzentrieren, die nicht die einzigen, aber wichtige Voraussetzungen für die (…) Teilhabe an Kommunikation und damit auch für Lernfähigkeit darstellen."27 25Artelt, Cordula/ Baumert, Jürgen/ Klieme, Eckhard/ Neubrand, Michael/ Prenzel, Manfred/ Schiefele, Ulrich/ Schneider, Wolfgang/ Schümer, Gundel/ Stanat, Petra/ Tillmann, Klaus- Jürgen/ Weiß, Manfred (Hrsg.): PISA 2000- Zusammenfassung zentraler Befunde, Schülerleistungen im internationalen Vergleich; Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, Berlin 2001; in: http://www.mpib-berlin.mpg.de/pisa/ergebnisse.pdf (eingesehen am 12.05.2010, 16:37 Uhr) Prenzel, Manfred/ Artelt, Cordula/ Baumert, Jürgen/ Blum, Werner/ Hammann, Marcus/ Klieme, Eckhard/ Pekrun, Reinhard (Hrsg.): PISA 2006 - Die Ergebnisse der dritten internationalen Vergleichsstudie, Zusammenfassung ;PISA-Konsortium Deutschland; in: http://www.ipn.uni-kiel.de/pisa/zusammenfassung_PISA2006.pdf(eingesehen am: 12.05.2010, 16:45 Uhr) Gogolin 2006, S.36/37. 26Gogolin 2006, S.35. 27Gogolin 2006, S.34. 18 3.3 Ergebnisse PISA - Ein Vergleich der Lesekompetenz zwischen Deutschland und Schweden der PISA-Studien 2000 und 2006 Ein entscheidender Punkt innerhalb der Bildungsdiskussion ist die Lesekompetenz der Schüler in Deutschland. Besonders Schüler mit Migrationshintergrund weisen im Bereich des Lesens erhebliche Mängel auf. PISA hat seine Studie im Jahr 2000 auf den Schwerpunkt Lesen ausgerichtet. Obwohl der Schwerpunkt in der Studie von 2006 auf den naturwissenschaftlichen Kompetenzen lag, wurde auch hier die Lesekompetenz erneut untersucht. Ich werde im Folgenden die Ergebnisse der PISA Studien 2000 und 2006 im Bereich der Lesekompetenz zwischen Deutschland und Schweden vergleichen. Ich werde mich nur auf die Ergebnisse der Lesekompetenz stützen, da diese einen guten Anhaltspunkt für die starken Leistungsunterschiede zwischen den Schülern in Deutschland liefern. Zudem gilt eine gute Lesekompetenz als Voraussetzung für das Verstehen und Bearbeiten der anderen gestellten Aufgaben innerhalb der PISA-Studien. Die Abbildung 2 auf Seite 20 verdeutlicht die Leistungen der Schüler aller Teilnehmerstaaten im Bereich des Lesens der PISA-Studie 2000. Die Leistungen der Schüler werden mittels einer Punkteskala aufgezeigt. Die Punkte werden dann in einem Mittelwert (M) zusammengefasst. Der OECD- Durchschnittsmittelwert liegt bei 500 Punkten. Die Standardabweichung (SD) beschreibt die Streuung der Punktzahlen. Die Standardabweichung liegt beim OECD-Durchschnitt bei 100, d.h. dass die schlechtesten Schüler hundert Punkte unter dem OECD-Durchschnittsmittelwert liegen und die besten Schüler hundert Punkte darüber. Der Standardschätzfehler (SE) gibt Auskunft über die Unsicherheit der Genauigkeit der angegebenen Populationskennwerte Je geringer der Standardschätzfehler, desto genauer sind die Populationskennwerte einzuschätzen. Um die Leistungen grafisch darzustellen, werden Perzentilbänder genutzt. In der Abbildung I im Anhang auf Seite 100 sieht man ein Perzentilband zusammen mit einer Normalverteilungskurve, um so die Arbeitsweise der Perzentile zu verdeutlichen. Das Perzentilband 19 beschreibt die prozentuale Verteilung der Ergebnisse der Schülerschaft und wird grafisch in die Kompetenzbereiche eingebettet. 28 Anhand der Abbildung 2 auf Seite 20 kann man die Werte für die Lesekompetenz der an PISA 2000 teilnehmenden Staaten ablesen. Schweden hat einen Mittelwert von 516 Punkten, was signifikant über dem OECD- Durchschnitt von 500 Punkten liegt. Deutschland hat einen Mittelwert von 484, was signifikant unter dem OECD-Durchschnittswert liegt. Neben dem auffällig schlechten Abschneiden von Deutschland innerhalb der Lesekompetenz im Jahre 2000 fällt noch auf, dass Deutschland eine besonders hohe Standardabweichung hat. Mit 111 Punkten Abweichung hat Deutschland die höchste Leistungsstreuung innerhalb der teilnehmenden Staaten und liegt deutlich über dem OECD-Wert von 100 Punkten. Je höher die Standardabweichung ist, desto größer ist die Leistungsstreuung innerhalb der Schülerschaft. Erkennbar ist anhand der Perzentilbänder auch, dass es besonders viele deutschen Schüler gibt, die nicht die erste Kompetenzstufe erreichen oder über diese nicht hinaus kommen. 28Prenzel, Manfred u.a.(Hrsg.): PISA 2006 : die Ergebnisse der dritten internationalen Vergleichsstudie; PISA-Konsortium Deutschland, Münster/ New York /München/ Berlin 2007, S.52/53. 20 Abbildung 2: Lesekompetenz PISA 2000 Quelle: Prenzel, Manfred/ Artelt, Cordula/ Baumert, Jürgen/ Klieme, Eckhard/ Neubrand, Michael/ Schiefele, Ulrich/ Schneider, Wolfgang/ Schümer, Gundel/ Stanat, Petra/ Tillmann, Klaus-Jürgen/ Weiß, Manfred (Hrsg.): PISA 2000- Zusammenfassung zentraler Befunde, Schülerleistungen im internationalen Vergleich; Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, Berlin 2001; in: http://www.mpib-berlin.mpg.de/pisa/ergebnisse.pdf (eingesehen am 12.05.2010, 16:37 Uhr) 21 Die Abbildung 3 auf Seite 22 stellt die Lesekompetenz der Schüler innerhalb der PISA-Studie 2006 dar. Während Schweden mit einem Mittelwert von 507 Punkten immer noch signifikant über dem OECD-Durchschnitt liegt, konnte sich Deutschland auf 495 Punkte verbessern und liegt somit im Durchschnittsbereich aller Teilnehmerstaaten und knapp über dem OECD- Durchschnitt von 492 Punkten. Der Unterschied des OECD- Durchschnittsmittelwertes lässt sich damit erklären, dass in der PISA-Studie 2006 wesentlich mehr Staaten teilnahmen als in der Studie von 2000. Die Standardabweichung ist in dieser Grafik nicht beschrieben, liegt aber mit 112 Punkten29 immer noch sehr hoch. Anhand der Perzentile lässt sich ablesen, dass Deutschland immer noch zu den Staaten mit der meisten Leistungsstreuung der Schülerschaft gehört. Nur die OECD- Partnerstaaten können vereinzelt eine noch höher Leistungsstreuung aufweisen, wie man im Anhang anhand der Tabelle I auf Seite 98 sehen kann.30 Ein weiterer wichtiger Untersuchungsgegenstand bei PISA ist der Zusammenhang von sozialer Herkunft und der Leistungsergebnissen. Anhand der ersten Untersuchungsperiode im Jahre 2000 wurde schnell deutlich, dass Deutschland einen hohen Zusammenhang zwischen Schulerfolg und Herkunft des Schülers besitzt. Deutschland schaffte es trauriger weise mit dem Sozialgradienten von 45,3 an die Spitze der Tabelle. Der Sozialgradient drückt aus, wie stark die soziale Herkunft eines Schülers mit seinen Leistungen in der Schule zusammenhängen. Je größer dieser Gradient ist, desto größer ist auch der Zusammenhang. Deutschland liegt mit einem sozialen Gradienten von 45,3 weit über dem OECD Durchschnitt von 30.31 29Prenzel, Manfred u.a.(Hrsg.): PISA 2006 : die Ergebnisse der dritten internationalen Vergleichsstudie; PISA-Konsortium Deutschland, Münster/ New York /München/ Berlin 2007, S.229. 30 Vgl. Tabelle I: „Ausschnitt Ergebnisse PISA“ 2006 im Anhang auf Seite 98. 31Prenzel, Manfred/ Artelt, Cordula/ Baumert, Jürgen/ Blum, Werner/ Hammann, Marcus/ Klieme, Eckhard/ Pekrun, Reinhard (Hrsg.): PISA 2006 - Die Ergebnisse der dritten internationalen Vergleichsstudie, Zusammenfassung ;PISA-Konsortium Deutschland; in: http://www.ipn.uni-kiel.de/pisa/zusammenfassung_PISA2006.pdf(eingesehen am: 12.05.2010, 16:45 Uhr) 22 Abbildung 3: Lesekompetenz PISA 2006 Quelle: Prenzel, Manfred/ Artelt, Cordula/ Baumert, Jürgen/ Blum, Werner/ Hammann, Marcus/ Klieme, Eckhard/ Pekrun, Reinhard (Hrsg.): PISA 2006 - Die Ergebnisse der dritten internationalen Vergleichsstudie, Zusammenfassung ;PISA-Konsortium Deutschland; in: http://www.ipn.uni-kiel.de/pisa/zusammenfassung_PISA2006.pdf(eingesehen am: 12.05.2010, 16:45 Uhr) 23 Tabelle 1 zeigt den Grad der sozialen Ungleichheit, den Sozialgradienten und die Leseleistung in ausgewählten Staaten. Erkennbar ist dabei, dass Deutschland zusätzlich zu den hohen sozialen Gradienten auch eine allgemeine schlechte Leseleistung aufweist, wogegen Schweden mit einem wesentlich geringeren sozialen Gradienten von 27,1 auch eine deutlich bessere Leseleistung hat. Auch die soziale Ungleichheit ist in Schweden mit 25,0 deutlich geringer als in Deutschland mit 30,0. Die soziale Ungleichheit orientiert sich dabei am Gini-Index32, welcher die Ungleichheitsverteilung oder auch Gleichheitsverteilung eines Landes angibt. Je näher der Wert an die Null herankommt um so größer ist die Gleichverteilung in dem Land, je näher der Wert an der 100 liegt, umso größer ist die Ungleichheit des Landes. Tabelle 1: Soziale Ungleichheit, Sozialgardient, Leseleistung in der Sek. I Quelle: Bundesministerium für Bildung und Forschung(Hrsg.): Vertiefender Vergleich der Schulsysteme ausgewählter PISA-Teilnehmerstaaten: Kanada, England, Finnland, Frankreich ,Niederlande, Schweden; Arbeitsgruppe Internationale Vergleichsstudie, 3. unveränderte Auflage, Bonn/ Berlin 2007; in: http://www.bmbf.de/pub/pisa- vergleichsstudie.pdf (eingesehen am 7.05.2010, 13:33 Uhr) Deutlich erkennbar anhand der Tabelle 1 ist, dass vor allem in Deutschland und Schweden ein großer Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Lesekompetenz liegt. 2006 wurde wieder der Zusammenhang von sozialer Herkunft und Schulleistungen untersucht. Auch hier stellte man einen großen 32Der Gini-Index ist ein Maß um die statistische Ungleichheitsverteilung in einem Land zu bemessen und wurde nach dem italienischen Statistiker Corrado Gini benannt, welcher diesen Index auch entwickelt hat. 24 Zusammenhang fest, obwohl der Sozialgradient von 45, 3 auf immerhin 35 gesunken ist und wir somit nicht mehr das einzige Land innerhalb der OECD Mitgliedsstaaten mit einem so hohen sozialen Gradienten sind.33 Zusammenfassend ist erkennbar, dass die Lesekompetenz deutscher Schüler von 2000 bis 2006 um einige Punkte gestiegen ist, während Schweden geringe Verluste zu verzeichnen hat. Die geringen Verluste Schwedens sind statistisch nicht relevant. Die Steigerung der Testergebnisse bei Deutschland von PISA 2000 zu 2006 könnte unter anderem mit der Zunahme der teilnehmenden Staaten in Zusammenhang bringen. Möglich ist auch, dass die deutschen Schulen in der PISA-Studie 2006 besser abgeschnitten haben, weil die Erhebungsinstrumente seit 2000 kontinuierlich verbessert wurden und so genauer auf die Bedürfnisse der Testpersonen zugeschnitten waren. Eindeutige Erkenntnisse lassen sich wohl erst mit den Ergebnissen der aktuellen PISA- Studie von 2009 erkennen, da diese Studie erneut den Schwerpunkt auf den Kompetenzbereich Lesen gelegt hat und man somit einen genauen Vergleich zwischen PISA 2000 und PISA 2009 machen kann. Die Verbesserung der Schüler auf eine Steigerung der Leistungen zurückzuführen wäre zum momentan Zeitpunkt noch zu früh und statistisch nicht belegbar. Manfred Prenzel, der Leiter der deutschen PISA-Studie, hat zu den Verbesserungen im Bereich der Lesekompetenz eine ähnlich Stellung eingenommen: „Hier können wir zwar auch eine positive Tendenz feststellen, die uns im internationalen Vergleich aus der unteren Gruppe in die mittlere verholfen hat. Aber die Leistungszuwächse sind statistisch nicht signifikant.“34 33Pisa 2006: „Wir haben dazugelernt“, Interview zwischen Manfred Prenzel und Thomas Kerstan; in: http://www.zeit.de/2007/50/Pisa-Interview (eingesehen am 10.05.2010, 14:33 Uhr) 34Ebd. 25 3.4 Auswirkungen PISA´s auf die Bildungspolitik Deutschlands Die Ergebnisse der ersten PISA-Studie führten zu einer neuen bildungspolitischen Diskussion wie es sie seit den siebziger Jahren nicht mehr gegeben hatte. 1971 führte die OECD ein „bildungspolitisches Examen“ durch, welches schon damals einige Probleme am deutschen Bildungswesen feststellte. So erntete es damals die Kritik an einem unzulänglichen Ausbau des Vorschulwesens, Dreigliedrigkeit der Sekundarstufe, geringe Bildungsausgaben, kaum Modernität, starre formale Bildungsabschlüsse, Bildungsungleichheit, Zentralismus und Bürokratismus. Diesem Examen wurde allerdings kaum Beachtung geschenkt und nur wenige Reformen wurden durchgeführt, was allerdings auch an dem Problem der Nicht-Einigkeit zwischen den Bundesländern lag. Deutschland ruhte sich auf seinem Ruf der gut ausgebildeten Fachkräfte aus.35 Mit der PISA-Studie sollte sich dies’ allerdings ändern. Es kam zu einem Umdenken in der Bildungspolitik und besonders die bildungspolitischen Konzepte der skandinavischen Länder rückten in den Vordergrund und galten als die Besten überhaupt. Schweden erreichte mit seinem Konzept einer Gesamtschule, welche weitestgehend dezentral organisiert ist, einen Platz im obersten Drittel der PISA-Rangliste. Deutschland hingegen schaffte es im Jahre 2000 nicht einmal ins Mittelfeld der Rangliste. Das deutsche System erntete viel Kritik, vor allem im Bezug auf die Chancengleichheit von Migrantenkinder und die große Leistungsstreuung bei deutschen Schülern. Die Probleme im deutschen System wurden von vielen erst durch die PISA-Studie im Jahre 2000 wahrgenommen, so sah man jetzt die Probleme im Bildungswesen. Besonders deutlich wurde dies’ im Bereich der Lesekompetenz, denn circa 10% der Schüler in Deutschland verfügen nicht über die erste Stufe der Lesekompetenz und weitere 13% kommen nicht über diese hinaus. Die Ergebnisse fielen bei Migrantenkinder noch schlechter aus: 20% verfügten nicht über die erste Lesekompetenzstufe und rund 50% 35Reuter, Lutz R.: Folgerungen aus den PISA-Befunden: Anmerkungen aus bildungsrechtlicher Sicht in: Döbert, Hans: Bildung vor neuen Herausforderungen: historische Bezüge, rechtliche Aspekte, Steuerungsfragen, internationale Perspektiven; Hermann Avenarius zum 65. Geburtstag gewidmet, Beitr. teilw. dt., teilw. engl., Neuwied / Kriftel 2003, S.35. 26 kommen nicht über diese hinaus. In keinem anderen Land ist die Abhängigkeit des Schulerfolgs von der sozialen Herkunft so groß wie in Deutschland. Deutlich wurde zudem, dass die Migrantenkinder mit circa 50% überdurchschnittlich stark an den Hauptschulen vertreten sind.36 Nach der PISA-Studie 2006 hat sich dieses Bild kaum gewandelt. Zwar ist die Leistungsstreuung gesunken, doch das Problem der Chancenungleichheit bleibt weiter bestehen.37 Erste Anhaltspunkte für die Ursache der großen Leistungsunterschiede hat die seit 1996 regelmäßig stattfindende Untersuchung „Aspekte der Lernausgangslage und der Lernentwicklung“, kurz LAU-Studie, geliefert. LAU untersuchte 1996/97 die Lernausgangslage der fünften Klassen in Hamburg und fand seitdem alle zwei Jahre statt. Die weiterführenden Untersuchungen fanden allerdings nicht wie bei PISA immer wieder in derselben Klassenstufe statt, sondern der untersuchte Jahrgang von 1996/97 wurde bis zum Ende der Schulzeit begleitet, so dass man einen Längsschnitt der damaligen Fünftklässler fast aller Hamburger Schulen hatte.38 Diese Studie stellte fest, dass das Problem des deutschen Bildungswesens die frühe und starke Selektion in verschiedenen Schultypen ist. Obwohl die Aufteilung in verschiedene Schultypen dazu dienen soll, dass die Schüler besser nach ihren Fähigkeiten entsprechend lernen sollen, führt es dennoch in den meisten Fällen zu einer Verschlechterung der Lernleistungen. 39 Neben LAU hat auch die TIMSS-Studie auf die großen Probleme der deutschen Schulsystems hingewiesen: So war auch hier Deutschland unter den schlechtesten, während Schweden unter den besten Rängen vertreten war.40 Rainer Peek und Astrid Neumann kommen daher zu einem Schluss, der vielen schon bewusst war, jedoch nie wirklich ausgesprochen wurde: „Es besteht also 36Ratzi, Anne: Skandinavische Bildungssysteme - Schule Deutschland. Ein provokanter Vergleich; in: Auernheimer, Georg/ Jansen, Dorothea (Hrsg.): Schieflagen im Bildungssystem: die Benachteiligung der Migrantenkinder; 2. Ausgabe, überarb. und erw. Aufl., Wiesbaden 2006, S.23/24. 37Vgl. Tabelle II: „Sozialer Gradient in PISA 2006 im internationalen Vergleich“ im Anhang auf Seite 99. 38Peek, Rainer /Lehmann, Rainer H.: Aspekte der Lernausgangslage und der Lernentwicklung von Schülerinnen und Schülern, die im Schuljahr 1996/97 eine fünfte Klasse an Hamburger Schulen besuchten, Bericht über die Erhebung im September 1996 (LAU 5) ; in: http://hamburger-bildungsserver.de/index.phtml?site=schule.qualitaet(eingesehen am 10.05.2010, 14:33 Uhr) 39Ratzi 2006, S.24. 40Rudvall, Göte/ Stimpel, Hans-Martin: Bildungspolitik, Schulen und Hochschulen in Schweden; 1. Aufl., Göttingen 1998, S.2/3. 27 wenig Grund, von einem PISA-Schock zu sprechen, da die Ergebnisse in der Folge der Reading Literacy Study und von TIMSS mehr oder weniger erwartbar waren.“41 All diese Ergebnisse führten dazu, dass man einen besonderen Blick auf die skandinavischen Länder warf, welche durch ihre herausragenden PISA- Ergebnisse auf den Spitzenrängen lagen. Das schwedische Bildungswesen beeindruckt mit seiner starken Zentrierung auf das individuelle Lernen und dem Verzicht auf Selektion in einer neunjährigen Gesamtschule. Es gibt kein „Sitzenblieben“ und keine Sonderschulen. Die behinderten Schüler werden so weitestgehend in die normale Schule integriert. Während Deutschland versucht, die Schülerschaft zu homogenisieren, ist in Schweden eine heterogene Schülerschaft Normalität. Hinzu kommt, dass durch die starke Dezentralisierung kaum institutionelle Hürden zu überwinden sind. Der Lehrer, der Schüler und die Eltern können zusammen einen individuellen Lernplan nach den Bedürfnissen des Schülers aufstellen.42 Beeindruckend ist zudem, dass Schweden trotz des hohen Anteils an Migrantenkinder im Gegensatz zu Deutschland eine sehr geringe Leistungsstreuung aufweist. An Tabelle 2 auf Seite 28 kann man erkennen, das Schweden ähnlich wie Deutschland ein Einwanderland ist und einen hohen Anteil an Migrantenkinder aufweist. Schweden hat mit 89,5% eine besonders hohe Gruppe der Schüler, bei denen ein Elternteil im Ausland geboren wurde. Deutschland hingegen hat mit 10,9% fast doppelt so viele Migrantenkinder, bei denen beide Eltern im Ausland geboren wurden. Insgesamt kann man aber sagen, das Schweden einem ähnlichen Problem gegenübersteht wie Deutschland, es aber dennoch schafft, die Schüler besser zu integrieren. 41Peek, Rainer/Neumann, Astrid : Schulische und unterrichtliche Prozessvariablen in internationalen Schulleistungsstudien, in: Auernheimer, Georg/ Jansen, Dorothea (Hrsg.): Schieflagen im Bildungssystem: die Benachteiligung der Migrantenkinder; 2. Ausgabe, überarb. und erw. Aufl., Wiesbaden 2006, S.128. 42Ratzi 2006, S.24. 28 Tabelle 2: Migrationshintergund der an der PISA-Studie beteiligten Schüler und Schülerinnen (in Prozent) Quelle: Bundesministerium für Bildung und Forschung(Hrsg.): Vertiefender Vergleich der Schulsysteme ausgewählter PISA-Teilnehmerstaaten: Kanada, England, Finnland, Frankreich ,Niederlande, Schweden; Arbeitsgruppe Internationale Vergleichsstudie, 3. unveränderte Auflage, Bonn/ Berlin 2007; in: http://www.bmbf.de/pub/pisa- vergleichsstudie.pdf (eingesehen am 7.05.2010, 13:33 Uhr) Möglich ist diese gute Integration dadurch, dass Schweden einen besonderen Wert auf das Erlernen der Sprache legt. So gibt es schon in der Vorschule Sprachunterricht für Migrantenkinder. Dieser Unterricht erfolgt unentgeltlich und wird fortgesetzt, bis die Schüler einen Sprachtest bestanden haben. Jedoch werden die Schüler nicht zurückgestellt, wenn ihre Sprachkenntnisse unzureichend sind, sondern sie nehmen dieselbe Schullaufbahn wie ihre einheimischen Altersgenossen. Der Sprachunterricht wird gefördert durch einen zweiten Lehrer in der Klasse und Unterricht parallel zum normalen Unterricht oder auch außerhalb der Unterrichtszeiten. 43 Schweden hat ein System geschaffen, in dem die Chancengleichheit wesentlich höher ist als in Deutschland. Es existiert keine Aussonderung oder Abwertung der Schüler, es wird auf die Stärken und nicht auf die Schwächen der Schüler geschaut, Heterogenität ist alltäglich und normal, Noten spielen nur eine 43Ratzi 2006, S.25. 29 geringe Rolle und der Lehrer übernimmt die Verantwortung für den Schüler gleichermaßen wie der Schüler für sich selbst.44 Angesichts der schweren Kritik an dem deutschen System hat die „Ständige Konferenz der Kulturministerien“(KMK) die Konsequenzen gezogen und einige Reformvorschläge gemacht, welche die Qualität und Zukunftsfähigkeit des deutschen Bildungswesens sicherstellen sollen. 45 Zunächst einmal sieht das KMK es als wichtig an, den Vorschulbereich zu reformieren. Dabei soll die frühkindliche Entwicklung gezielt gefördert werden. Es sollen die Förderung der Muttersprache, aber auch der deutschen Sprache verbessert werden. Um dies’ zu erreichen, ist eine Reform des Aus- und Weiterbildungssystems der Erzieher notwendig und die Ausgaben für den Bereich müssen erhöht werden, so wie man es in Schweden schon seit Jahrzehnten macht.46 Im schulischen Bereich soll die individuelle Förderung im Mittelpunkt stehen. Nach Johannes Kopp sieht die aktuelle Entwicklung so aus, „dass begabte Kinder aus Arbeiterkreisen eher in der Hauptschule bleiben und weniger begabte Schüler aus der Oberschicht in Realschulen und Gymnasien geschleust werden, sodass viele Schüler nicht das ihren individuellen Begabungen entsprechende Lernangebot erhalten“. Dies soll sich dadurch ändern, dass Kinder mit einer Lernschwierigkeit oder Behinderung mehr in den normalen Unterricht integriert werden. Sozial benachteiligte Familien und Familien mit begabten Kindern sollen desweiteren gefördert werden. Hierzu ist auch eine Reform der Ausbildung von Erziehern und Lehrern notwendig.47 Als zentrale Aufgabe in allen Bildungsbereichen wird die Förderung von Kindern mit Migrationshintergrund erachtet. Als Schlüssel für die weitere Laufbahn gilt das erlernen der deutschen Sprache. Um dies zu erreichen soll vor allem eine bessere Zusammenarbeit mit den Elternhäusern stattfinden und Lehrer mit einem Migrationshintergrund vermehrt eingestellt werden. Zudem soll der Muttersprachenunterricht und Deutsch als Zweitsprache, ebenso wie 44Ratzi 2006, S.29/30. 45Reuter 2003, S.36. 46Reuter 2003, S.37. 47Kopp, Johannes: Bildungssoziologie : eine Einführung anhand empirischer Studien ; Lehrbuch,1. Aufl., Wiesbaden 2009, S.98; Reuter 2003, S. 38/39. 30 Förderunterricht für Deutsch an den Schulen angeboten werden. Die Schüler sollen die Förderung nicht mehr außerhalb der Schule, sondern vermehrt innerhalb des schulischen Bereichs erhalten. Erreicht werden soll dies alles unter anderem durch regelmäßige Evaluationen.48 Als Möglichkeit um diese Ziel zu erreichen sieht die KMK die Einführung von Gesamtschulen, welche ähnlich wie in Schweden das Schulsystem auf eine neue Art Schule vorbereiten könnten. Zudem sollte auch ein Umdenken in der Verwaltungsebene erfolgen, so dass den Schulen mehr Eigenverantwortlichkeit verliehen wird. Thomas Rauschenbach hat dazu Stellung genommen und sagt: „Obgleich Bildung, wie man vor allem am Beispiel Migration und Schule sehen kann, gegenwärtig eher als faktischer Produzent, oder vorsichtiger: als ein Verstärker von sozialen Ungleichheit fungiert, kann sie als tragfähige Zukunftsressource nur dann wirksam werden, wenn es gelingt, sie stärker als bisher zu einem Motor von Gerechtigkeit, Teilhabe und Befähigung werden zu lassen“. Er erkennt, dass die Schule von heute nicht die Schule der Zukunft sein kann. Ein möglicher erster Schritt in die richtige Richtung wurde durch die Reformvorschläge der KMK gemacht, aber die Umsetzung dieser Vorschläge wird sich noch über viele Jahre erstrecken. 49 48Ebd. 2003, S.40 49Rauschenbach 2009, S.66 Reuter 2003, S.44 31 4. Geschichtliche Entwicklung des Bildungswesens in Deutschland und Schweden Bis zum heutigen Bildungssystem und der dazu gehörenden Bildungspolitik war es ein langer Weg. Schon in der Antike findet man in Platons „Politeia“ Ansätze für die Befürwortung der Bildung der Menschen. Wie sich der Begriff Bildung in seinen ersten Ansätzen zum heutigen Bildungswesen entwickelt hat, soll in diesem Kapitel in prägnanter Form geschildert werden. Dabei werde ich nicht nur die Bildungsgeschichte Deutschlands, sondern auch die Schwedens erläutern. 4.1 Geschichtliche Entwicklung in Deutschland Die Schulen der Antike sollten noch bis ins deutsche Mittelalter hinein von großer Bedeutung sein. Vor allem die Mönche orientierten sich an den Lehren der antiken Philosophen. Im achten Jahrhundert gab es Klöster und Stifte, welche man als Institutionen schulischer Bildung betrachten konnte. Jedoch blieben das Lesen und Schreiben dem Klerus beziehungsweise dem Adel vorbehalten. Ziel der Ausbildung war einzig und allein das Erlernen der lateinischen Sprache und Schrift. Da infolge dessen nur eine kleine Gruppe der Bevölkerung an diesem Unterricht teilnehmen konnte, handelte es sich hierbei um reine Elitenbildung.50 Im Hochmittelalter unterschied man schon zwischen zwei Schulformen. Zum einen handelte es sich hierbei um eine Elementarstufe mit Unterricht ab sieben Jahren und zum anderen um eine höhere Schule, welche schließlich mit 15 Jahren endete. Während man die Klosterschulen als Vorgänger der späteren Gymnasien ansieht, kann man die im 13. bis 18. 50Kiper, Hanna/ Meyer,Hilbert/ Topsch, Wilhelm: Einführung in die Schulpädagogik;1. Aufl. (Studium kompakt: Unterricht, Schule), Berlin 2002, S.24.; Kopp, Johannes: Bildungssoziologie : eine Einführung anhand empirischer Studien ; Lehrbuch,1. Aufl., Wiesbaden 2009,S. 26. 32 Jahrhundert vorherrschenden deutschen Schreib- und Rechenschulen als Vorgänger der Volksschulen betrachten.51 Im 15./16. Jahrhundert entwickelten sich immer mehr Institutionen, welche besonders die Männer im Lesen und Schreiben unterrichteten. Allen voran waren dies immer noch kirchliche Institutionen, jedoch entwickelten sich zunehmend auch erste nicht-kirchliche Schulen. Den Frauen blieb die Bildung größtenteils verwehrt. Nur am Kloster konnten Frauen zu der damaligen Zeit Lesen und Schreiben lernen. Diese Entwicklung vollzog sich vor allem durch den Einfluss des Humanismus und der Reformation.52 Während im Mittelalter besonderer Wert auf das Studium der Bibel gelegt wurde, beschäftigte man sich in der Neuzeit auch mit weltlichen Dingen. Die Schulen entwickelten ein allgemeines Repertoire an Unterrichtsstoff.53 Im 18. Jahrhundert wurden verschiedene Gesetze, welche sich mit der Thematik Schule beschäftigten, eingeführt. Schon 1717 existierten in einigen Teilen Preußens erste Ansätze einer Art Schulpflicht, jedoch ihre Durchsetzung war größtenteils nicht möglich.54 1794 wurde durch das Preußische Landrecht55 geregelt, dass Schulen und Universitäten zum Eigentum des Staates gehörten und nur mit staatlicher Genehmigung errichtet werden durften. Es wurde eine Schulpflicht bis zum 14. Lebensjahr eingeführt. Diese konnte jedoch erst im 19. Jahrhundert für die Mehrheit der Bürger verbindlich realisiert werden Darüber hinaus wurden auch die Unterrichtsinhalte und die Bezahlung der Lehrer geregelte 56 Ende des 18. Jahrhunderts entstanden mit dem Aufkommen des Bürgertums die ersten Realschulen. 1807 wurde im Zuge der preußischen Reformen eine Bildungsreform durchgeführt. Die Schulen, welche bis dato hauptsächlich unter kirchlicher Trägerschaft waren, wurden nun verstaatlicht. Anfang des 19. Jahrhunderts wurde das dreigliedrige Schulsystem eingeführt, um so eine Drei- 51Döbert, Hans: Deutschland ;in: Döbert, Hans(Hrsg): Die Schulsysteme Europas : Albanien, Andorra, Armenien, Belgien, Bosnien-Herzegowina, Bulgarien, Dänemark, Deutschland ... ; Grundlagen der Schulpädagogik , Bd. 46, Baltmannsweiler, 2004, S. 92. ; Kopp 2009, S.26 52Kiper, Hanna/ Meyer,Hilbert/ Topsch, Wilhelm 2002, S.24. 53Ebd. 2002, S.24. 54Döbert 2004, S.92. 55Das „Allgemeine Landrecht für die preußischen Staaten“ wurde 1794 durch Friedrich dem Großen und Friedrich Wilhelm II. eingeführt. Es regelte unter anderem das Zivilrecht, Familien- und Erbrecht für alle preußischen Staaten. 56Kiper, Hanna/ Meyer, Hilbert/ Topsch, Wilhelm 2002, S.25. 33 Klassen-Gesellschaft zu bilden und zu stabilisieren. Das Schulsystem wurde in Volksschule, Gymnasium und Universität gegliedert. Das Gymnasium als weiterführende Schule führte schon in den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts das Abitur als Abschluss ein.57 Auch die Schulpflicht wurde nun streng überwacht. Ausschlaggebend hierfür war die in dieser Zeit vorherrschende Ansicht, dass nur ein gebildeter Bürger auch ein guter Bürger sei. Die Ansätze für diese Reform kamen vor allem aus der Aufklärung und wurden von Wilhelm von Humboldt initiiert.58 Bis zu den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts gab es keine einheitliche Reglung für das Schul- und Hochschulsystem. Mit der Weimarer Republik entstand ein Schulsystem, welches den Bürger vor allem politisch bilden sollte. 1920 wurde schließlich die verpflichtende vierjährige Grundschulzeit eingeführte.59Darüber hinaus waren nicht mehr die Stellung und gesellschaftliche Anerkennung der Familie für den Bildungsweg der Kinder ausschlaggebend, sondern die Fähigkeiten des einzelnen Kindes entschieden, auf welchen Schulzweig es gehen sollte. Die Schulpflicht wurde bis zum 18. Lebensjahr eingeführt, wobei die Volkschule als Pflichtschule galt. Das Schulsystem wurde weitestgehend während des Nationalsozialismus beibehalten, während die Unterrichtsinhalte natürlich der Ideologie angepasst waren.60 In der Nachkriegszeit änderte sich das Schulsystem noch einmal entscheidend, wie man an der Abbildung 4 auf Seite 34 erkennen kann. Die Bundesrepublik Deutschland (BRD) knüpfte in seinem allgemeinen Gerüst an das Schulsystem der Weimarer Republik an. 1955 wurde die Dreigliedrigkeit des Bildungswesens in der BRD mit dem Düsseldorfer Abkommen manifestiert.61 57 Döbert 2004, S.92. 58 Kiper, Hanna/ Meyer, Hilbert/ Topsch, Wilhelm 2002, S.25. 59 Döbert 2004, S.92. 60 Kiper, Hanna/ Meyer, Hilbert/ Topsch, Wilhelm 2002, S.26. 61 Kopp 2009, S.85. 34 Abbildung 4: Das Bildungssystem in der Bundesrepublik Deutschland nach 1945 Quelle: Anweiler, Oskar/ Fuchs, Hans-Jürgen/ Dorner,Martina/ Petermann, Eberhard (Hrgs.): Bildungspolitik in Deutschland 1945-1990- Ein historisch- vergleichender Quellenband; Opladen 1992, S. 526. Während in der BRD weiterhin ein dreigliedriges Schulsystem beibehalten wurde, wurde in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) eine Einheitsschule, welche allerdings nicht föderal zersplittert war, eingeführt. Diese beinhaltete eine achtjährige kollektive Schulbildung für alle Kinder und eine daran anknüpfende vierjährige Oberstufe. In Abbildung 5 auf Seite 35 ist das System der DDR übersichtlich dargestellt. 35 Abbildung 5: Das Bildungssystem in der SBZ/DDR 1946 bis 1959 Quelle: Anweiler, Oskar/ Fuchs, Hans-Jürgen/ Dorner,Martina/ Petermann, Eberhard (Hrgs.): Bildungspolitik in Deutschland 1945-1990- Ein historisch- vergleichender Quellenband; Opladen 1992, S. 527. Später wurde das Bildungssystem der DDR nochmals überarbeitet. Ende der fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts wurde die allgemeinbildende Polytechnische Oberschule als zehnjährige Einheitsschule eingeführt. Diese sollte Theorie und Praxis besser miteinander verbinden. Als Ersatz für die vierjährige Oberschule wurde die Erweiterte Oberschule, welche mit dem Abitur abschloss, ab der Klasse Neun eingeführt. Alternativ bestand die Möglichkeit, nach der Polytechnischen Oberschule durch eine 36 Berufsausbildung zum Abitur zu gelangen und somit die Hochschulreife zu erwerben.62 Wichtig für die Unterstützung der berufstätigen Mütter war das sehr breit ausgebaute Kindergarten- und Vorschulangebot. Vorschulische Angebote waren immer als Ganztagseinrichtungen ausgelegt. Um die Schüler auch nach der Schule zu beschäftigen, wurden Horte geschaffen, welche die Schüler beaufsichtigten und beschäftigten. 1970 besuchte die Hälfte aller Schüler der DDR einen Hort. Um eine Überzahl ausgebildeter Akademiker zu vermeiden waren vor allem zwei Kriterien zur Auswahl entscheidend. Im Gegensatz zu vorhergehenden Zeiten wurde nicht nach dem Geschlecht oder der Herkunft selektiert, sondern nach der politischen Ausrichtung der Eltern und / oder dessen Schichtzugehörigkeit. 1965 wurde das Bildungssystem gesetzlich verankert und bestand bis zur Wiedervereinigung.63 Mitte der 1960er Jahre begannen Reformen in allen Schulformen des Bildungswesens in der BRD. Es entstanden neue Schulformen, wie zum Beispiel die Gesamtschule, die Fachoberschule, die Fachhochschule und verschiedene neue Universitäten. Andere Schulformen wiederum wurden aufgegeben. Hierzu zählt unter anderem die 1964 abgeschaffte Volksschule. Danach existierten das dreigliedrige System aus Hauptschule, Realschule und Gymnasium. Somit bestand eine föderalistische Ordnung des Bildungswesens im Westen und eine zentralistische Bildungsordnung im Osten.64 Im Herbst 1989 endete die vierzehnjährige Entwicklung beider Bildungswesen. Auf den Abbildungen II und III im Anhang auf den Seiten 101 und 102 ist zu erkennen, wie sich bis dato in der BRD ein sehr stark gegliedertes und recht unübersichtliches Bildungswesen herausgebildet hat, während das Bildungswesen der DDR bedingt durch das Einheitsschulsystem, verhältnismäßig einfach und übersichtlich aufgebaut war.65 62Kopp 2009, S.26, 83; Döbert 2004, S.93. 63Anweiler, Oskar: Bildungspolitik/Bildungswesen (Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik, in:http://www.bpb.de/wissen/08248942695602626125480483349578,2,0,BildungspolitikBild ungswesen.html#art2 (eingesehen am: 05.04.10, 17:56 Uhr); Kopp 2009, S.83-85. 64Döbert 2004, S.93 65Vgl. Abbildung II „Bildungssystem in der BRD 1989“ und Abbildung III „ Bildungssystem in der DDR 1989“ im Anhang auf den Seiten 101 und 102 37 Eine weitere Veränderung in der Bildungslandschaft brachte 1990 die Widervereinigung beider Staaten und der damit verbundenen Beitritt der neuen Bundesländer in die „Ständige Konferenz der Kultusminister“. Ziel dieser Konferenz war die Neuorganisation und Neuordnung des Schulsystems und der Hochschulbildungen in den neuen Bundesländern. Trotz aller Bemühungen, eine Möglichkeit zur Zusammenführung beider Systeme zu finden, wurde 1992/93 das westdeutsche System in den Schulen in der ehemaligen DDR eingeführt.66 Dennoch blieb jedem Bundesland aufgrund der föderalen und demokratischen Struktur Deutschlands die Möglichkeit offen, das Bildungswesen selbst zu regeln und ihm eine Struktur zu geben.67 1994 gab es in einigen Bundesländern Deutschlands erneute strukturelle Veränderungen. So entschied man sich dazu, in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg- Vorpommern eine verbindliche Förder- bzw. Orientierungsstufe einzuführen.68 Das Thema Bildung kam erst wieder nach den ersten PISA-Ergebnissen zur Sprache, wodurch man erkannte, dass sich innerhalb der deutschen Bildungslandschaft etwas ändern musste. 4.2 Geschichtliche Entwicklung in Schweden Die schwedische Bildungsgeschichte hat ihre entscheidende Epoche erst im 20. Jahrhundert. Jedoch bereits 1686 wurde existierte ein Kirchengesetz, das festgelegte, dass Kinder von Pfarrern und Küstern religiös erzogen werden sollten. Die eigentliche Unterrichtspflicht trat allerdings erst 1723 in Kraft. 66Ebd. 2004, S 94. 67Döbert 2004, S.94. 68Andersen, Uwe/Wichard Woyke (Hg.): Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland; Bundeszentrale für politische Bildung 2003, 5., aktual. Aufl. Opladen 2003, in: http://www.bpb.de/wissen/08248942695602626125480483349578,1,0,BildungspolitikBildun gswesen.html#art1(eingesehen am: 20.04.2010, 14:30 Uhr) 38 Dabei bestand die Aufgabe der Eltern darin, dafür zu sorgen, dass ihre Kinder unterrichtet wurden.69 1842 wurde schließlich für alle Kinder eine sechsjährige Schulpflicht eingeführt. Anfangs waren die Bürger des Landes noch sehr unsicher, ob die schulische Bildung den Kindern etwas nützten würde. Doch mit Ende des 19. Jahrhunderts und mit Beginn des 20. Jahrhunderts änderten sich die Sichtweisen.70 Zu Beginn des 20. Jahrhunderts existierten noch viele verschiedene Schultypen, die entscheidend dazu betrugen, dass die Qualität der Bildung geschwächt wurde. Die Eltern konnten unter anderem ihre Kinder zu Hause oder gemeinschaftlich mit Kindern anderer Altersstufen unterrichten lassen. Dies war besonders auf dem Land üblich, da dort zum einen nicht viele Schulen existierten und zum anderen die Lehrer rar waren. Durch die Einführung eines einheitlichen Unterrichtstoffes wurde dies’ abgeschafft. Fortan konnten die Kinder nur noch mit Ausnahmen in Sondertypen der Schule unterrichten werden.71 Seit 1918 gab es den verpflichtenden Besuch der einjährigen „fortsättningsskola“(Fortsetzungsschule), welche auf der folkskola (Volksschule) aufgebaut war und in das Berufsleben einführen sollte. Die Umsetzung dieser Schulform war allerdings aufgrund der flächendeckenden ländlichen Gemeinden nicht im gesamten Land möglich. Jedoch konnte durch die gute wirtschaftliche Lage im den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts das folkhem (Volksheim) entstehen, welche den auch den Kindern in den ländlichen Gebieten den Schulbesuch ermöglichten.72 69Schaack, Ernst: Bemerkungen zur Bildungsdiskussion in Schweden; in: http://www.erzwiss.uni-hamburg.de/ewi-Report/EWI14/26-schaa.htm (eingesehen am: 10.04.10, 14:00Uhr) 70Ekholm ,Mats: Bildung und Lernen in Schweden (Bildungsland NRW: Von der Vision zur Wirklichkeit - die Selbstständige Schule); Stockholm 2003; in: http://www.ggg- nrw.de/Struktur/Ekholm.2003-10-10.Herne.pdf (eingesehen am 10.04.10, 14:30Uhr) 71Lundahl, Lisbeth: Zeitpolitik im schwedischen Bildungswesen (Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ 23/2008));in:http://www.bpb.de/publikationen/WUWW2R,2,0,Zeitpolitik_im_schwedischen _Bildungswesen.html#art2 (eingesehen am: 12.04.10, 13:45 Uhr) 72 Waldow, Florian: Ökonomische Strukturzyklen und internationale Diskurskonjunkturen : zur Entwicklung der schwedischen Bildungsprogrammatik 1930 – 2000; Komparatistische Bibliothek, Bd. 15, Frankfurt, M., Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2007, S.59. 39 1927 gab es eine erste größere Reform im Bereich des Bildungswesens. Aufgrund einer anhaltenden Debatte zwischen den Verfechtern der Einheitsschule und den Verfechtern des frühen Selektierens auf verschiedene Schultypen musste ein Kompromiss geschaffen werden. Dieser führte dazu, dass es fortan eine sechsjährige und eine siebenjährige „folkskola“ (Volksschule) gab. Desweiteren wurde der Übergang von der Primar- auf die Sekundarschule durch die „dubbel anknytning“ (doppelte Anknüpfung) geregelt. Dies bedeutete, dass die Schüler die Wahl hatten, nach der vierten Klasse auf eine fünfjährige oder nach der sechsten Klasse auf eine vierjährige „realskola“ (Realschule) zu gehen.73 Darüber hinaus wurde der Zugang zur „realskola“ für die Mädchen erleichtert. Bis 1927 war ihnen vorbehalten, lediglich eine „flickskolor“ (Mädchenschule) zu besuchen. Durch die Öffnung war es nun sowohl Jungen als auch Mädchen möglich nach der „realskola“ das Gymnasium zu besuchen. Dennoch gab es beim Unterrichten noch gravierende Unterschiede. Besonders bei den Mädchen wurde der Schwerpunkt auf die hauswirtschaftlichen Fächer gelegt, was verdeutlicht, dass die traditionelle Rollenverteilung noch nicht aufgehoben war.74 Die „realskola“ wurde mit einem „realexamen“(Examen) abgeschlossen und das Gymnasium mit einem „studentenexamen“, welches den Zugang zu einer Hochschule ermöglichte. 1931 gingen ca. 3,8% der Schüler auf ein Gymnasium, 1936 waren es schon 5,5%75 Schon in den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts führte Schweden die Qualitätssicherung an den Grundschulen ein. Eine entscheidende Wende in der Politik Schwedens trat 1932 mit dem Sieg der sozialdemokratischen Partei unter der Regierung des Ministerpräsidenten Per Albin Hansson ein. Unterdessen gab es aufgrund der Nachwirkungen der Weltwirtschaftskrise tiefgreifende Reformen in der Sozial- und Wirtschaftspolitik - das reformbedürftige Bildungswesen blieb hiervon jedoch zunächst unberührt.76 Während 1930 noch über Reformen im Bildungswesen diskutiert wurde, wurden diese in den vierziger Jahren durchgesetzt. 1937 wurde die 73Ebd. 2007, S.59. 74Ebd. 2007, S.60&83. 75Ebd. 2007, S.60. 76Waldow 2007, S.55-58. 40 Grundschuldauer endgültig auf sieben Jahre erhöht, so dass im ganzen Land eine einheitliche Schulpflicht für die Schüler existierte. Der Teilzeitunterricht wurde ganz abgeschafft. Man beschloss die kostenlose Speisung der Schüler und förderte den Ganztagsunterricht, damit auch die Frauen berufstätig sein können.77 Ab 1946 wurde der Sozialdemokrat Tage Erlander Premierminister von Schweden (bis 1969). Er begann wieder mit dem Aufbau des Wohlfahrtstaates, wobei die Bildung stark in den Mittelpunkt seiner Politik rückte.781940 wurde eine Schulkommission mit der Überprüfung des Schulsystems beauftragt. Das Ziel der Kommission war eine „Schule im Dienst der Gesellschaft“ zu schaffen, aber auch das Individuum selbst stand stark im Mittelpunkt. Gunnar Richardson79 spricht hier von einer „Bereitschaftspädagogik“, welche dazu dienen sollte, eine Bildung zur Mobilisierung der nationalen Ressourcen zu erschaffen. Eine Bildung welche im Zweiten Weltkrieg von Nöten war.80 Das Schulsystem der vierziger Jahre sollte auf die Bedürfnisse der Menschen zugeschnitten werden. Die damalige Politik ging davon aus, dass man dies nur durch eine zentrale Planung und Steuerung des Bildungssystems erreichen konnte. Der Lehrstoff in den Schulen richtet sich nach den Wünschen der Welt außerhalb der Schule. Vor allem die Wünsche für gut ausgebildete Facharbeiter in der Industrie wurden berücksichtigt. Die Arbeitgeber stellten fest, dass eine gute Schulausbildung die Effizienz der Arbeiter steigerte. Dennoch war nicht das Auswendiglernen wichtig, sondern dem Erlernen von Lernstrategien wurde eine größere Bedeutung zugemessen.81 1945 wurde die Forderung nach einem besser ausgebauten Fremdsprachenunterricht für die Schulen laut. Auch diesmal spielte die Wirtschaft eine entscheidende Rolle. Die Betriebe agierten nicht mehr nur 77Lundahl, Lisbeth: Zeitpolitik im schwedischen Bildungswesen (Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ 23/2008));in:http://www.bpb.de/publikationen/WUWW2R,2,0,Zeitpolitik_im_schwedischen _Bildungswesen.html#art2 (eingesehen am: 12.04.10, 13:45 Uhr) 78Waldow 2007, S.93. 79 *1924 in Stavnös in Schweden, Schwedischer Historiker und Politiker 80 Waldow 2007, S.99. 81 Ebd. 2007, S.107-108. 41 innerhalb des Landes, sondern der Handel mit anderen Ländern nahm immer mehr zu, so dass das Erlernen einer Fremdsprache unabdingbar wurde. 82 Das entscheidende Thema in der Bildungsdiskussion von 1940 war die Differenzierung, also die Verteilung der Schüler auf verschiedene Schultypen, und damit einhergehend die Fragestellungen: Wie soll differenziert werden - also welche Schultypen sollen existieren?- und wann soll differenziert werden?83 1940 zählte die Demokratisierung in der Schule zu einem Bereich, dem wenig Bedeutung zugemessen wurde. Schwerpunkt der Schulpolitik blieb die, richtige Differenzierung und nicht die Chancengleichheit. Innerhalb der Bildungsdiskussion der damaligen Zeit taucht immer wieder ein Name auf: Torsten Husén84. Er vertrat die Ansicht, dass der Schwerpunkt der Bildungsdebatte alleinig aus dem Grund auf der Differenzierung liegt, weil dies ein oberflächliches Problem darstellte und somit keinen Zweifel an dem Unterricht selbst zuließe, während das Demokratisierungsproblem viel tiefer in die Schulmaterie einginge und folglich auch Fehler im Unterricht aufzeigen würde.85 Nach dem Zweiten Weltkrieg bestand die Aufgabe der Regierung darin, allen Kindern die gleiche Chance auf Bildung zu gewähren. Die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg ist eine Epoche der großen Umbrüche im schwedischen Bildungssystem. 1950 wurde zunächst versuchsweise das Gesamtschulsystem eingeführt, um dessen Vor- und Nachteile untersuchen zu können. Nachdem sich viele schwedische Schulen an dem Projekt beteiligt hatten, wurde 1962 das Gesamtschulsystem im ganzen Land eingeführt und bildete das Gerüst des Bildungssystems in Schweden. Durch die Einführung der Gesamtschule kam es zum Zusammenführen von: „folkskola“, „fortsättningsskola“ (weiterführende Schule), „högre folkskola“ 82 Waldow 2007, S. 119. 83 Ebd. 2007, S.124 84 *1916 in Lund in Schweden, schwedischer Bildungsforscher 85Ebd, 2007, S.139 42 (höhere Volksschule), „kommunala mellanskola“ (kommunale Mittelschule) und „realskola“ (Realschule) in einer Schule.86 Das Gesamtschulsystem beinhaltet, dass alle Schüler gemeinsam bis zur neunten Klasse in der „grundskola“ (Grundschule) unterrichtet werden.87 Bildungsziele sollen weiterhin durch zentralstaatliche Planung aufgestellt werden. Es gab landesweite Unterrichtspläne, welche die Schulstunden für jedes Fach und jede Klasse festlegten.88 1964/65 wurde der gymnasiale Zweig reformiert. Aus drei bis vier voneinander getrennten gymnasialen Zweigen (klassischer Zweig, Realzweig, allgemeiner Zweig, kaufmännisch bzw. technischer Zweig) wurde ein gemeinsames Gymnasium mit fünf verschiedenen Ausrichtungen (humanistischer, gesellschaftswissenschaftlicher, wirtschaftlicher, naturwissenschaftlicher, technischer). 1968 wurde das reformierte Gymnasium nochmals überarbeitet und die „gymnasieskola“ (Gymnasium) eingeführt, welche „gymnasium“, „fackskola“ (Fachschule) und die berufliche Schule integriert. In den siebziger Jahren wurden zwei Kommissionen gebildet – die SIA89und SSK90 - welche die Aufgaben hatten, die Schulreform aus den Sechzigern zu überprüfen und gegeben falls zu ergänzen.91 Durch die Arbeit der Kommissionen hatte man nun ein neues Bild von Schule: „(…)die Schule müsse Teil der Gesellschaft sein, und nicht ein isoliertes und geschlossenes System, das neben den anderen Teilen der Gesellschaft steht (…) Die Schule soll nicht nur bewahren, sondern auch an der Veränderung der Gesellschaft mitwirken.“92 86Werler, Tobias: Schweden; in: Döbert, Hans (Hrsg.): Die Schulsysteme Europas : Albanien, Andorra, Armenien, Belgien, Bosnien-Herzegowina, Bulgarien, Dänemark, Deutschland…; Grundlagen der Schulpädagogik ; Bd. 46, Baltmannsweiler 2004, S.461. 87Waldow 2007, S.150. 88Lundahl, Lisbeth: Zeitpolitik im schwedischen Bildungswesen (Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ,23/2008)); in:http://www.bpb.de/publikationen/WUWW2R,2,0,Zeitpolitik_im_schwedischen_Bildungs wesen.html#art2 (eingesehen am: 12.04.10, 13:45 Uhr) 89SIA= skolans inre arbeite (die innere Arbeit der Schule) 90SSK=Utredningen om skolan,staten och kommunerna (Untersuchungskommission zur Schule, dem Staat und den Kommunen) 91Waldow 2007, S. 203f. 92Ebd.2007, S.213. 43 In den Vordergrund rückten nun die Frage nach Demokratisierung und Chancengleichheit aller Schüler. Die Beziehung zur Wirtschaft hatte keine entscheidende Rolle mehr.93 1976 wurde der Kandidat der Zentrumspartei, Thorbjörn Fälldin, schwedischer Ministerpräsident. Mit ihm begann ein Zeitraum der ständig wechselnden Regierungen. Trotz der politischen Instabilität hatte dies’ kaum Auswirkungen auf die bildungspolitischen Angelegenheiten. 94 Erstmals kaum nun der Wunsch nach einer Dezentralisierung des Bildungswesens auf. Der Staat sollte von einer Input-Steuerung (Kontrolle der Bedingungen für Schule) zu einer Output-Steuerung (Kontrolle der Ergebnisse des Unterrichts und Garantie für gute Ergebnisse) übergehen. Es sollte folglich eine eingeschränkte Dezentralisierung stattfinden, wobei die Verantwortlichkeiten dezentral bei den Kommunen sind und die Rahmenbedingungen weiterhin von zentraler staatlicher Stelle gestellt werden.95 Gründe für diesen Wandel lagen vor allem darin, dass nun der Schüler mehr denn je im Vordergrund stand und die Demokratisierung der Schule nur dadurch umsetzbar war, dass die Schüler, Eltern und Lehrer und andere die Möglichkeiten haben ihre Schule selbst zu gestalten96 Die Umsetzung der Dezentralisierung fand allerdings erst in den 1980/90 Jahren statt. Diese erfolgte sehr radikal, da man von einem extrem zentralen Bildungswesen sofort auf ein stark dezentrales System umschwenkte.97 1989 wurden den Schulen und Gemeinden mehr Mitentscheidungsmöglichkeiten zugestanden, was dazu führte, dass die Schulen und Gemeinden mehr Autonomie erlangten und ein großes Mitspracherecht bei der Verteilung der Stunden hatten, wobei die Anzahl, der Beginn und das Ende der Schulstunden von der kommunalen Schulbehörde geregelt wurden.98 93Ebd. 2007, S.206. 94Waldow 2007, S.201. 95Ebd. 2007, S.216. 96Ebd. 2007, S.218. 97Ebd. 2007, S.227. 98Lundahl, Lisbeth: Zeitpolitik im schwedischen Bildungswesen (Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ 44 Die Finanziellen Zuständigkeiten für „grundskola“ und „gymnasium“ wurden 1990 an die Kommunen übergeben. Die Bildungsstandards wurden weiterhin von der Regierung gestellt. Die Evaluationsbehörden wurden an das neue System angepasst. So wurde die „Skolöverstyrelsen“ (zentrale Schulaufsichtsbehörde) durch die „Skolverket“99 (zentrale Schulaufsichtsbehörde, welche an das neue Steuerungssystem angepasst ist) ersetzt. Sie geben jährlich Berichte an die Regierung und den „Riksdag“ (Reichstag) ab.100 Weitere Reformen beinhalteten: neue Curriculum und Benotung für „grundskola“ und „gymnasieskola“, Erweiterung der Schulwahlmöglichkeiten, Verlängerung der berufsvorbereitenden Programme und Einführung einer freiwilligen „förskoleklasser“ (Vorschulklasse). Die frühkindliche Förderung soll zudem die arbeitenden Mütter unterstützen. 1992 wurde das System der „gymnasieskola“ nochmals überarbeitet und in den Grundzügen ein wenig verändert. Zudem wurde ein „Förskoleklass“ (Vorschulklasse) eingeführt, welche für die Schüler der „förskola“ ist. Diese Schulform ist in jeder Kommune vorhanden, aber der Besuch ist freiwillig. Bis heute existiert dieses Schulsystem in Schweden. Ende der neunziger Jahre gingen rund 95% aller „grundskola“ Schüler auf eine „gymnasieskola“.101 23/2008));in:http://www.bpb.de/publikationen/WUWW2R,2,0,Zeitpolitik_im_schwedischen _Bildungswesen.html#art2 (eingesehen am: 12.04.10, 13:45 Uhr) 99skolverket= nationales Zentralamt für Schule und Erwachsenenbildung 100Waldow 2007, S.229.; Werler, Tobias: Schweden; in: Döbert, Hans(Hrsg): Die Schulsysteme Europas : Albanien, Andorra, Armenien, Belgien, Bosnien-Herzegowina, Bulgarien, Dänemark, Deutschland ... ; Grundlagen der Schulpädagogik , Bd. 46, Baltmannsweiler, 2004, S.459. 101Waldow 2007, S.230., Werler 2004, S.462 45 5. Aufbau und Struktur des Bildungswesens In diesem Kapitel werden zunächst die zwei Bildungssysteme in ihrem Aufbau und bezüglich strukturbedingter Eigenheiten erläutert, wobei explizit auf die schulische und vorschulische Bildung eingegangen wird. Im Anschluss daran werden die Unterschiede und Gemeinsamkeiten verdeutlicht. 5.1 Aufbau des Bildungssystems der Bundesrepublik Deutschland Das deutsche Bildungssystem ist ein föderales System. Die Eigenheit liegt hier darin, dass jedes Bundesland sein eigenes System aufbaut, die Aufsicht über das gesamte Schulwesen allerdings bei der Bundesregierung liegt. Die Gesetzesgrundlage der Bildungspolitik wird von den verschiedenen Parteien auf Bundes- sowie Landesebene geschaffen. Hinzu kommt, dass Lehrerverbände, Elternverbände und Gewerkschaften ein Mitbestimmungsrecht besitzen.102 Die Abbildung V im Anhang auf Seite 104 verdeutlicht anschaulich das Bildungswesen der Bundesrepublik Deutschland und zeigt die klassischen Schultypen. Man sieht, dass das Schulsystem in fünf Bereiche aufgeteilt ist: den Vorschulbereich, den Primarbereich, den Sekundarbereich I, den Sekundarbereich II und den Tertiärbereich. Die Grafik beinhaltet nicht den Quartiärbereich, welcher die Erwachsenenbildung in Form von beruflichen Fort- und Weiterbildungen einschließt. Die Schulpflicht beginnt in Deutschland mit dem sechsten Lebensjahr, kann aber aufgrund verschiedener Umstände auch erst mit dem siebten Lebensjahr beginnen. Die Schulpflicht endet mit dem 15. Lebensjahr. Der Schulpflicht unterliegen alle in Deutschland lebenden Kinder, auch die mit geistiger Behinderung oder diejenigen, die illegal in Deutschland leben. Die Schüler beginnen ihre Schullaufbahn mit dem Eintritt in die Grundschule; dem Primarschulbereich. Die reguläre Dauer der 102Döbert, Hans: Deutschland; in: Döbert, Hans (Hrsg.): Die Schulsysteme Europas : Albanien, Andorra, Armenien, Belgien, Bosnien-Herzegowina, Bulgarien, Dänemark, Deutschland ... ; Grundlagen der Schulpädagogik , Bd. 46, Baltmannsweiler, 2004, S.95.; Óhidy, Andrea: Lebendlanges Lernen und die europäische Bildungspolitik- Adaption des Lifelong Learning- Konzepts der Europäischen Union in Deutschland und Ungarn; 1. Auflage, Wiesbaden 2009, S.121. 46 Grundschulzeit beträgt vier Jahre, wobei die Bundesländer Berlin und Brandenburg als Einzige einen sechsjährigen Grundschulbesuch vorschreiben. Nach dieser Grundschulzeit beginnt der Übergang in den Sekundarschulbereich I. Hierbei dienen die Klassen fünf und sechs als Orientierungsstufe, welche den Schülern den institutionellen Übergang vereinfachen soll und der besonderer Förderung und Beobachtung dient.103 Innerhalb der deutschen Bildungslandschaft gibt es für die Schüler verschiedene klassische Schulstufen in der Sekundarstufe I. Die Schüler können grundsätzlich zwischen der Hauptschule, Realschule, Gesamtschule und dem Gymnasium wählen. Des Weiteren gibt es in Sachsen die Möglichkeit, in eine Mittelschule und in Sachsen-Anhalt in eine Sekundarschule zu wechseln. Des Weiteren hat Thüringen anstatt einer Haupt – und Realschule eine Regelschule, welche diese zwei Schularten miteinander verbindet. Neben diesen Schultypen gibt es bundesweit noch die Möglichkeit, eine Sonderschule zu besuchen, welche besonders für Kinder mit bestimmten Bedürfnissen oder Behinderungen vorgesehen ist.104 Die am Ende der Sekundarstufe I erworbenen Abschlüsse eröffnen die Möglichkeiten einer Berufsausbildung im dualen System, den Übertritt in eine berufliche Vollzeitschule oder den Übergang in die Sekundarstufe II eines Gymnasiums oder einer Gesamtschule.105 Neben den klassischen Schulen besteht die Option, auf einer Privatschule unterrichtet zu werden, welche sich unter einer freien Trägerschaft befinden. Werden diese Schulen staatlich anerkannt, gilt dieses auch für die dort möglichen Abschlüsse. Ansonsten müssen die Schüler ihren Schulabschluss durch eine externe Prüfung an einer staatlichen Schule erwerben. Zuständig für das Bildungssystem der Bundesrepublik ist größtenteils das „Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie“.106 103 Vgl. Abbildung V: Das Bildungssystem der Bundesrepublik Deutschland im Überblick im Anhang auf Seite 104. Döbert 2004, S.96. 104 Döbert 2004, S.96. 105 Ebd. 2004, S. 96. 106 Ebd. 2004, S. 96. 47 Um zwischen den Ländern eine grundlegende Einigkeit im Bildungswesen zu gewährleisten, gibt es die KMK. Auf diese Weise hat man sich innerhalb des Bundes unter anderem auf eine einheitliche Dauer der Pflichtschulzeit, des Schuljahres und der Schulferien geeinigt. Ebenfalls wurden die Festlegungen für Fremdsprachenunterricht, Anerkennung der Abschlüsse und die Notenskala vereinheitlicht.107 Die Hauptverantwortung bei der Verwaltung des Bildungswesens und der Schulgesetzgebung liegt in Deutschland bei den Bundesländern. Die Schulverwaltung ist vierstufig aufgebaut, wobei auf höchster Ebene der Bund steht, welcher durch die Kultusministerien repräsentiert wird, danach folgen die Landesebene, die kommunale Ebene und die Ebene der Bildungsinstitutionen. Somit gehören alle inneren Angelegenheiten, welche sich auf das Leben und Arbeiten in der Schule beziehen (z.B. Unterricht, Erziehung, Lehrplan, Methoden, Prüfungen, Zeugnisse) in den Zuständigkeitsbereich der Bundesländer. 108 Die Kosten für das Lehrpersonal übernimmt das jeweilige Land, während die Sachkosten sowie die Ausgaben für Schulsachbearbeiter und Hausmeister von den Kommunen getragen werden. Dabei erfolgt die Finanzierung zu etwa 90% von Geldern des jeweiligen Landes und der Kommunen. Nur circa 10% der notwendigen Gelder werden von der Bundesrepublik bereitgestellt. Aufgrund dieser Tatsache erfolgt die Finanzierung des Bildungswesens in Deutschland größtenteils durch öffentliche Behörden, Zuschüsse aus dem öffentlichen Haushalt oder Schul- bzw. Studiengebühren.109 5.1.1 Die vorschulische Bildung in der Bundesrepublik Deutschland Der Vorschulbereich ist im Vergleich zu anderen europäischen Ländern, insbesondere Schweden, ein sehr vernachlässigter und unterschätzter Bereich 107 Ebd. 2004, S. 97. 108 Óhidy 2009, S.121; Haßen, Klaus-Detlef: Über die Aufgabenverteilung im deutschen Bildungswesen; in: Döbert, Hans: Bildung vor neuen Herausforderungen: historische Bezüge, rechtliche Aspekte, Steuerungsfragen, internationale Perspektiven; Hermann Avenarius zum 65. Geburtstag gewidmet, Beitr. teilw. dt., teilw. engl., Neuwied / Kriftel 2003, S.47-48. 109 Döbert 2004, S. 97-98; Haßen 2003, S.47. 48 im deutschen Bildungssystem, obwohl Kindertageseinrichtungen zu den ersten organisierten Bildungsorten in der Bildungslaufbahn der Kinder gehören. Die Zuständigkeit hierfür liegt auf Bundesebene. Die hier erlassenen Rahmengesetze werden von den jeweiligen Ländern konkretisiert. 110 Die vorschulischen Einrichtungen sind größtenteils kommunale Einrichtungen oder Einrichtungen unter freien Trägern. Da die zur Verfügung stehenden Ressourcen immer noch hauptsächlich für die höheren Bildungszweige ausgegeben werden, sind die vorschulischen Einrichtungen in der Regel kostenpflichtig. Rund 5% der Kosten müssen die Eltern tragen, die restlichen Kosten werden auf das Bundesland und die jeweilige Kommune verteilt. In einigen Bundesländern wurde allerdings eingeführt, dass das erste Kindergartenjahr kostenlos angeboten wird. 111 Die am häufigsten verbreitete Vorschuleinrichtung in Deutschland ist der Kindergarten, welcher für Kinder von drei bis sechs Jahren zur Verfügung steht. Daneben existieren für Kinder bis drei Jahre außerdem die Kindertagesstätten oder die Möglichkeit, die Kinder innerhalb einer privaten Einrichtung, zum Beispiel einer Tagesmutter, unterzubringen. Des Weiteren steht es den Eltern frei, ihre Kinder im Rahmen des Vorschulbereiches betreuen zu lassen.112 Geschichtlich gesehen entwickelte sich die sogenannte vorschulische Betreuung innerhalb des geteilten Deutschlands sehr unterschiedlich und wirkt sich bis in die Gegenwart aus. Ende 1980 wurden in der BRD rund 99% aller Kinder, deren Mütter nicht berufstätig waren, sowie 75-88% der Kinder, deren Mütter arbeiteten, im privaten Umfeld betreut. In der DDR hatte die vorschulische Betreuung einen anderen Stellenwert. Die Kinderbetreuung wurde seit den 1960er Jahren in der DDR kontinuierlich ausgebaut, sodass schon 1970 für rund 65% der drei- bis sechsjährigen Kinder ein Kindergartenplatz zur Verfügung stand. Auch die Betreuung für die Kinder bis drei Jahren war zu dieser Zeit breit ausgebaut. So hatten 1989 rund 80% aller 110 Döbert, S. 95/99; Rauschenbach ,Thomas: Zukunftschance Bildung : Familie, Jugendhilfe und Schule in neuer Allianz ; unter Mitarb. von Stefan Borrmann und Ivo Züchner, Weinheim/ München : 2009.S.138 111 Döbert S. 98-102; Rauschenbach 2009.S.139 112 Döbert 2004, S.102. 49 Kinder von null bis drei Jahren einen Krippenplatz und rund 98% aller Kinder von drei bis sechs Jahren besuchten einen Kindergarten.113 Während die Betreuung der Kinder in einer Institution in der DDR als selbstverständlich angesehen wurde, war die Betreuung in der BRD eine Privatsache. Erkennbar ist dies’ an Tabelle 3, welche die Entwicklung von Betreuungsangeboten zwischen 1990 und 1998 darstellt. Deutlich erkennbar ist, dass die Kinderbetreuung innerhalb Ostdeutschlands wesentlich breiter ausgebaut war, als in Westdeutschland. Tabelle 3: Zeitliche Entwicklung des Angebots von Kinderbetreuungsplätzen in West- und Ostdeutschland Quelle: Hank, Karsten/ Kreyenfeld, Michaela/ Spieß, C. Katharina: Kinderbetreuung und Fertilität in Deutschland, Max-Planck-Institut für demografische Forschung MPIDR WORKING PAPER, WP 2003-002 JANUARY 2003 ; in: http://www.demogr.mpg.de/papers/working/wp-2003-002.pdf 113 Rauschenbach 2009, S. 140.; Kleinkinderziehung in der DDR und heute; in: Magazin für Soziales, Familie und Bildung - Die Bundesregierung informiert; Nr. 080, 10/2009, S.5; in: http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Magazine/MagazinSozialesFamilieBildung/080/ s-d-kleinkinderziehung-in-der-ddr-und-heute.html(eingesehen am 13,04.2010, 14:07 Uhr) 50 Im Westen Deutschlands wurde im Vergleich zu den neuen Bundesländern bis 2008 nicht einmal annähernd die Hälfte des Platzangebots erreicht. Dennoch kann gesagt werden, dass sich die Kinderbetreuung in Westdeutschland in den vergangenen Jahrzehnten enorm entwickelt hat und dies’ voraussichtlich auch weiterhin tun wird.114 Während im Westen im Jahre 2007 lediglich für 9,9% der Kinder ein Platz in einer Kindertagesstätte verfügbar war, gab es im Osten Deutschlands Plätze für 41% der Kinder. Ein erstes Anzeichen dafür, dass die Regierung erkannt hat, wie wichtig die vorschulische Bildung ist, liefert die aktuelle Debatte. Die ehemalige Familienministerin Ursula von der Leyen, die dieses Amt von 2005 bis 2009 bekleidete, hat es geschafft, auf Grundlage des von der rot-grünen Koalition 2004 beschlossene Tagesbetreuungsgesetzes115, den Ausbau der Kindergartenbetreuung voranschreiten zu lassen. So wurde, in dem Anfang 2009 in Kraft getretenen Kinderförderungsgesetz116, beschlossen, dass bis 2013 rund 30% mehr Kindertagesplätze geschaffen werden sollen. 117 Neben der Debatte zu mehr Plätzen für die Kinder gibt es erste grundlegende Gedanken dazu, ob man nicht eine Kindergartenpflicht einführen solle - ähnlich der Schulpflicht. Dies’ würde dazu führen, dass jedes Kind vor der Einschulung verpflichtet ist, für einen gewissen Zeitraum den Kindergarten oder eine ähnliche Einrichtung zu besuchen. Jedoch wurde dies’ noch nicht genauer ausgearbeitet.118 Obwohl von der Leyen viel Kritik für ihr politisches Programm geerntet hat, ist es eindeutig, wie wichtig die vorschulische Bildung für die Entwicklung der 114 Rauschenbach 2009, S.140-141. 115Vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Das Tagesbetreuungsgesetz; in: http://www.bmfsfj.de/RedaktionBMFSFJ/Broschuerenstelle/Pdf- Anlagen/Tagesbetreuungsausbaugesetz- TAG,property=pdf,bereich=bmfsfj,sprache=de,rwb=true.pdf (eingesehen am 20.05.2010, 13:08 Uhr) 116Vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Das Kinderförderungsgesetz(KiföG); in: http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/kinder-und- jugend,did=133282.html (eingesehen am 14.05.2010, 11:22 Uhr) 117 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Ursula von der Leyen: "Der Ausbau der Kinderbetreuung zeigt, dass gemeinsam große Schritte für Familien möglich sind", Berlin, 26.09.2008; in: http://bildungsklick.de/pm/63338/ursula-von-der-leyen-der- ausbau-der-kinderbetreuung-zeigt-dass-gemeinsam-grosse-schritte-fuer-familien-moeglich- sind/(eingesehen am 14.05.2010, 11:22 Uhr); Rauschenbach 2009, S.150. 118 Rauschenbach 2009, S.145. 51 Kinder ist. Vor allem die Schulleistungsstudien TIMSS und IGLU verweisen auf die kompensatorische Wirkung des Kindergartenbesuchs bei Kindern mit Migrationshintergrund. Sie zeigen auf, dass Kinder, die einen Kindergarten besuchten, besser abschnitten, als Kinder die den Kindergarten nicht besuchten. Besonders lässt sich der Fortschritt anhand der Lesekompetenz erkennen. Dennoch darf man nicht alle Fortschritte innerhalb der Lesekompetenz auf den Kindergarten zurückführen. Kinder mit Migrationshintergrund schneiden auch dann wesentlich besser ab, wenn ihre Eltern zu Hause mit ihnen Deutsch sprechen. Man kann sagen, dass vor allem Kinder mit einem Migrationshintergrund von dem längerfristigen Besuch einer Kindertagesstätte profitieren können. Vor allem, weil die Kindertagestätten nur gering selektieren. Es existiert eine kontinuierliche Individualisierung des Lernens ohne Leistungsdruck oder Prüfungen. PISA geht noch einen Schritt weiter und zeigt auf, dass es zudem eine längerfristige Wirkung gibt. Fünfzehnjährige Schüler, welche einen Kindergarten besuchten, schnitten wesentlich besser ab, als die Kinder, welche keine vorschulische Einrichtung besuchten. Anhand der Studien lässt sich deutlich erkennen, dass die Kindertagesstätten dazu verhelfen, mehr Chancengleichheit zu schaffen.119 5.1.2 Die schulische Bildung in der Bundesrepublik Deutschland Die Schule in Deutschland soll den Menschen aufklären und zu einem selbstständig denkenden und handelnden Individuum erziehen. Mit der Einführung der Schulpflicht hatten alle Menschen den Zugang zur Bildung und sollten somit aus ihrer „selbstverschuldeten Unmündigkeit“120 aussteigen können. Im Gegensatz zu der vorschulischen Bildung ist die schulische Bildung an öffentlichen Schulen in Deutschland kostenlos. Mit dem Eintritt in den Primarschulbereich beginnt die Pflichtschulzeit, welche bis zum 15. Lebensjahr andauert. Der Primarbereich ist dadurch gekennzeichnet, dass er in 119 Rauschenbach 2009, S.150-153. 120 Rauschenbach 2009, S.166. 52 Deutschland größtenteils einheitlich ist. Es gibt in allen Bundesländern eine Grundschule, welche vier oder sechs Jahre lang besucht wird. Innerhalb der ersten drei Jahre erfolgen in den meisten Bundesländern noch keine Benotungen. Die Schüler erhalten hier nur eine schriftliche Beurteilung ihrer Leistungen. Erst ab der dritten Klasse werden Noten eingeführt. Mit Beendigung der vierten bzw. sechsten Klasse beginnt der Übertritt an eine andere Schulform. Dabei wird von den Lehrern eine sogenannte „Grundschulempfehlung“ verfasst, welche eine Empfehlung für eine der weiterführenden Schularten darstellt.121 Zur Einführung in die neue Schulform und zur intensiven Beobachtung gilt das erste Schuljahr als Probezeit. Die Kritik an diesem frühen Selektieren der Schüler auf unterschiedliche Schultypen wird von Seiten der Presse, Bildungsforscher, aber auch Lehrer und Eltern immer lauter. Zudem wird die Auslese durch das ständige Prüfen von Leistungen geschürt. Die Kinder werden zu einer Art Einzelkämpfer erzogen. Viele Kritiker sind der Meinung, dass man bei einem zehnjährigen Kind noch nicht in der Lage sei, zu prognostizieren, inwiefern sich der Bildungsverlauf in den nächsten Jahren entwickeln wird. Aber auch das spätere Wechseln in eine andere Schulform, wie es zum Beispiel in Brandenburg geschieht, ist oftmals noch zu früh, da niemand den weiteren schulische Weg eines zwölfjährigen Kindes vorhersehen kann. Ebenso sind die Grundlagen für den Übergang von Bundesland zu Bundesland sehr verschieden und problembehaftet. Während in Hessen ein anderer Übergang als der Empfohlene nur mit Antrag möglich ist, zählt in Hamburg und Nordrhein-Westfalen der Elternwille mehr als die Empfehlung. Obwohl es die „Grundschulempfehlungen“ gibt, halten sich viele Eltern nicht daran. Dies’ führt oftmals dazu, dass die Schüler auf eine Schulform geschickt werden, die ihren Anforderungen nicht entspricht. Schüler sind oftmals unterfordert oder aufgrund des Ehrgeizes der Eltern auch überfordert. 122 Zu den am häufigsten verbreiteten Schulen der Sekundarstufe I in Deutschland zählen die Hauptschule, die Realschule und das Gymnasium. Die Hauptschule ist aus der Volksschule entstanden und war bis in die siebziger Jahre hinein eine der Schulen mit den größten Schüleranteilen. Heute 121 Döbert 2004, S. 98., Rauschenbach 2009, S.166. 122 Döbert 2004, S.103. 53 bildet sie allerdings nur noch eine „Restschule“, welche vor allem die sogenannten „Problemkinder“- also Kinder mit geringer Lernmotivation bzw. schwer zu unterrichtende Kinder- aufnimmt. Die Hauptschule endet mit der neunten Klasse und ermöglicht den Übergang in eine berufsbildende Schule, welcher ein Berufsgrundschuljahr vorangestellt ist, oder in die Realschule.123 Die Realschule ist die Schule mit der größten Schülerschaft. Man schließt sie mit der Mittleren Reife ab und erhält zudem die Möglichkeit, die Fachhochschulreife zu erlangen, indem man auf eine Fachoberschule wechselt. Das Gymnasium ist die Form der Sekundarstufe I mit dem größten Ansehen innerhalb der Gesellschaft. Es geht in die Sekundarstufe II über und endet mit der zwölften bzw. dreizehnten Klasse. Das Gymnasium hat verschiedene Ausrichtungen: klassisch, altsprachlich humanistisch, neusprachlich, mathematisch-naturwissenschaftlich, musisch, wirtschaftswissenschaftlich, u.a. Mit einem erfolgreichen Abschluss wird die Hochschulreife erreicht, welche zu einem Studium an Universitäten berechtigt. 124 Neben den grundlegenden Formen der schulischen Bildungseinrichtungen gibt es noch einige, die von Bundesland zu Bundesland variieren. Die Gesamtschule, welche seit den sechziger Jahren existiert, gehört dabei zu den bundesweit vertretenen Schulen und stellt zudem den Kompromiss der damaligen Bildungsdebatte dar. Die Einführung der Gesamtschule führte zu einem Wandel innerhalb der Schullandschaft. Besonders auf Durchlässigkeit wurde mehr Wert gelegt. Zudem wurden einige Organisationsformen der Gesamtschule auch in anderen Schulen übernommen. 125 5.2 Aufbau des Bildungssystems in Schweden Schwedens Schulwesen ist ein eingliedriges dezentrales Bildungssystem. Das System ist auf einem Einheitsschulsystem aufgebaut und besteht aus einer „grundskola“ und eine weiterführende „gymnasieskola“. 123 Döbert 2004, S.105. 124 Ebd. 2004, S.105. 125 Ebd. 2004, S.106 54 Die „grundskola“ bildet, da sie alle Schüler von der ersten bis zur neunten Klasse umfasst, die größte Einheit. Man kann davon ausgehen, das rund 99% aller Kinder in Schweden die „grundskola“ besuchen – das sind rund eine Million Schüler. Nach Beendigung der „grundskola“ gehen rund zwei Drittel der Schülerschaft auf die „gymnasieskola“.126 Abbildung IV im Anhang auf Seite 103 zeigt das schwedische Bildungssystem in einer schematischen Darstellung.127 Die Verantwortungen für das Bildungswesen in Schweden liegen beim „Riksdag“ und der jeweiligen Regierung. Sie bestimmen Bildungsstandards und geben Richtlinien für die Schulen heraus. Das Bildungswesen ist sehr stark dezentralisiert, wodurch den Kommunen die Gestaltung und Organisation der Schulen und des Unterricht frei überlassen ist. Die Aufsicht über die Schulen liegt beim „Utbildningsdepartments“ (Ministerium für Bildung und Wissenschaft). Des Weiteren gibt es die zentrale Verwaltungsbehörde „skolverket“, welche beobachtet und bewertet. Sie ist neben den Schulen auch für die vorschulischen Einrichtungen verantwortlich. Sie erhebt Statistiken zu Schülerzahlen, Lehrer-Schüler-Verhältnissen, Unterrichtsausfällen, nicht beendeten Schulgängen, Budget und Kosten und übt Einfluss auf Schulentwicklung und Lehreraus- und Weiterbildung aus. Ihre Aufgabe ist es, alle Ergebnisse der Untersuchungen dem „Riksdag“ und der Regierung vorzulegen.128 Schweden besteht aus 289 Kommunen, welche die Verantwortung über bildungspolitische Angelegenheiten übernehmen. Die Grundlage für die Bildung in den Schulen bildet dabei das „skollag“ (Bildungsgesetz) und der „läroplanen för det obligatoriska skloväsendet, förskoleklassen och fritidshemmet“ (Lehrplan für die Pflichtschule, Vorschulklasse und Schulfreizeitzentrum). Der „kommunfullmäktige“ (Gemeinderat) übernimmt 126 Werler, Tobias: Schweden; in: Döbert, Hans(Hrsg): Die Schulsysteme Europas : Albanien, Andorra, Armenien, Belgien, Bosnien-Herzegowina, Bulgarien, Dänemark, Deutschland ... ; Grundlagen der Schulpädagogik , Bd. 46, Baltmannsweiler, 2004, S.460. 127 Vgl. Abbildung IV: Das Bildungssystem Schwedens im Überblick im Anhang auf Seite 103 128 Werler 2004, S.462; Armbuster, Ursula: Frühkindliche Förderung in Schweden – ein Praxisbericht; Bildungsdirektion Kanton Zürich, Konferenz Frühe Förderung, 26.9.2009, Universität Irchel, Zürich; in: http://www.bildungsdirektion.zh.ch/internet/bi/de/projekte/PrFrueheFoe/Dr__Elschenb.Sub ContainerList.SubContainer1.ContentContainerList.0002.DownloadFile.pdf (eingesehen am 13.05.2010, 12:23 Uhr) 55 dabei die Ausformung des Schulplans, welche die Gestaltung des Schulsystems auf Grundlage des Lehrplans beinhaltet. Des Weiteren sind die Kommunen dazu verpflichtet, sich an die nationalen, vom „Riksdag“ aufgestellten Ziele zu halten und diese zu erreichen. Die Kommunen sind für die Einstellung des Schulpersonals verantwortlich und tragen zu deren Weiterbildung bei. Neben dem Lehrplan und dem kommunalen Schulplan muss auch jede Schule einen eigenen Arbeitsplan aufstellen. Dieser beinhaltet vor allem die Organisation und Gestaltung der Schule. Die Unterrichtsziele werden gemeinsam von Lehrern und Schülern erarbeitet, um so auf die individuellen Bedürfnisse des Schülers eingehen zu können.129 Die Finanzierung findet gemeinschaftlich durch Staat und Kommunen statt. Der Staat gibt einen Zuschuss zur kommunalen Selbstverwaltung, aus dem die Kommunen die allgemeinen schulischen Grundleistung finanzieren (Gebäude, Lehrergehälter, Lernmittel usw.). Daneben gibt es extra Zuschüsse für die Fortbildung der Lehrer und die Förderung von Schülern. Privatschulen, welche staatlich anerkannt sind, müssen ebenso von der Kommune finanziert werden. Nur so kann gewährleistet werden, dass die „grundskola“ und die „gymnasieskola“, sowie die Lehrmittel, Mahlzeiten, Schülertransport, Schwedischunterricht für Einwanderer und medizinische Versorgung kostenfrei bleiben.130 Neben der „grundskola“ existieren in Schweden noch die „sameskola“ (eine Basisschule für Samen131 und die „specialskola“ (Förderschule für Hörgeschädigte).132 Es wird allerdings immer versucht, die Schüler, soweit es möglich ist, in die „grundskola“ zu integrieren. So ist es nicht selten, dass Kinder mit Behinderung zusammen mit nicht behinderten Kindern unterrichtet werden. Schulpflicht in Schweden bedeutet das Recht auf Bildung und die Pflicht zur Bildung. Dabei bildet die Gleichstellung ein wichtiges Prinzip innerhalb der Schule. Die Chancengleichheit steht an oberster Stelle. So werden die 129 Werler 2004, S.463. 130 Ebd. 2004, S.463. 131 Samen = Schwedische Bevölkerungsgruppe 132 Ebd. 2004, S.464. 56 unterschiedlichen Voraussetzungen bei Mädchen und Jungen im Unterricht berücksichtigt.133 Der Schulbeginn in Schweden kann flexibel gestaltet werden. Je nach Wunsch der Eltern beginnt er für die Kinder mit sechs oder auch erst mit sieben Jahren. Der Unterricht erfolgt in der „grundskola“ bis zur neunten Klasse immer in derselben Schule. Zudem hat jede Klasse einen Klassenlehrer, welcher sie bis zum Abschluss der „grundskola“ begleitet und die meisten Fächer in seiner Klasse unterrichtet. So können die Schüler eine Beziehung zum Lehrer aufbauen. Der Unterricht selbst kann unterschiedlich ausgestaltet sein. Zum einen gibt es Klassen mit gemischten Altersstufen oder auch Interessengruppen, zum anderen wird oft in Projektgruppen unterrichtet oder fächerübergreifend. Die inhaltliche Planung ist dem Lehrer dabei fast allein überlassen. Nur an die Lernziele für die fünfte und neunte Klasse muss er sich halten. Den Unterricht plant er meist zusammen mit Eltern und Schülern, um besser auf individuelle Bedürfnisse eingehen zu können.134 5.2.1 Die vorschulische Bildung in Schweden Die vorschulische Bildung ist in Schweden ein wichtiger Punkt innerhalb der Bildungspolitik. Schon seit dem 19. Jahrhundert gibt es in Schweden Kindergärten. Jedoch wurden diese erst in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts gesellschaftlich anerkannt, als auch zunehmend Frauen mit Kindern berufstätig wurden. In den achtziger Jahren wurde der Ausbau von vorschulischen Einrichtungen als notwendig erkannt. 1975 wurde jedem Kind in Schweden gesetzlich ein Platz in einer Vorschuleinrichtung zugestanden. Ab 1991 gab es gesetzliche Regelungen zur Kinderfürsorge ab 18 Monaten.135 Jede Kommune ist verpflichtet, eine „förskola“ (Vorschule) einzurichten. Ein wichtiges Prinzip beim Besuch einer „förskola“ ist die Nähe zum Zuhause. Die Kinder sollen nach Möglichkeit keinen weiten Weg zurücklegen müssen. Der Besuch der Vorschule und der Vorschulklasse ist allerdings freiwillig, dennoch 133 Ebd. 2004, S.465-466. 134 Ebd. 2004, S.465-466. 135 Ebd. 2004, S.464. Rudvall, Göte/ Stimpel, Hans-Martin: Bildungspolitik, Schulen und Hochschulen in Schweden; 1. Aufl., Göttingen 1998, S.4. 57 besuchen rund 96% aller Kinder im Alter von sechs Jahren eine Vorschulklasse. Die „förskola“ beginnt mit dem dritten Lebensjahr und endet mit dem sechsten Lebensjahr. Nach der Vorschule gibt es die Möglichkeit, ein Jahr in die „förskoleklass“ (Vorschulklasse) zu gehen. Die „förskoleklass“ stützt sich wie die „grundskola“ auch auf einen Lehrplan und auf die Bildungsgesetze. Innerhalb des Lehrplans sind Ziele und Richtlinien festgehalten, an die sich die „förskola“ halten muss. Wie die „förskola“ diese Ziele erreicht, ist ihnen dabei selbst überlassen. Ähnlich wie bei den Schulen ist auch die „förskola“ stark dezentralisiert worden. Die vorschulische Bildung wird finanziell unter anderem von der Kommune unterstützt, sodass rund 525 Stunden in der „förskoleklass“ für die Kinder kostenfrei sind.136 Dennoch haben die Gemeinden das Recht darauf, Gebühren einzufordern, wenn sie angemessen sind und die Eigenkosten der Gemeinde nicht übersteigen. Des Weiteren sind die Kommunen verpflichtet, eine „skolbarnsomsorg“ (außerschulische Betreuung) für Kinder neben der Vorschule anzubieten. Die Öffnungszeiten vorschulischen Einrichtungen werden nach Möglichkeit an die Arbeitszeiten der Eltern angepasst. Übliche Öffnungszeiten sind von 6:30 Uhr bis 18:30 Uhr. 2008 wurden von manchen Gemeinden auch Abend-, Nacht- und Wochenendbetreuung angeboten. Die Kommunen sind verpflichtet, bis zum zwölften. Lebensjahr der Kinder einen Platz in einer vorschulischen und außerschulischen Betreuungseinrichtung sicherzustellen. Den Eltern wird so die Möglichkeit zu Erwerbstätigkeit geboten. Anhand der Tabelle 4 auf der folgenden Seite wird deutlich, wie stark die vorschulischen Einrichtungen in Schweden genutzt werden. Prozentual liegt die Quote bei erwerbstätigen Müttern – unabhängig vom Alter des Kindes - immer über 70%, während in Deutschland die Quote nicht über 65% hinaus kommt.137 Neben den Bildungszielen und Richtlinien innerhalb der Gesetzte und des Lehrplans werden darin auch verschiedene qualitative Vorgaben gemacht. So soll die Vorschule den Bedürfnissen der Kinder entsprechen. Das Personal soll dementsprechend ausgebildet sein und die Kindergruppengröße angemessen. Die Vorschule soll den Kindern eine gute Fürsorge und pädagogische 136 Rudvall/ Stimpel, 1998, S.5. 137 Werler 2004, S.462-465; Armbuster 2009. 58 Betreuung liefern. Um diese Ziele zu erreichen, werden auch die vorschulischen Aktivitäten von den „skolverket“ überwacht. 2008 besuchten rund 81% aller Kinder die Vorschule und rund 4 % besuchten andere Betreuungseinrichtungen.138 Tabelle 4: Müttererwerbstätigkeit in ausgewählten Ländern (in Prozent) Quelle: Oberhuemer, Pamela: Frühpädagogische Ausbildungskonzepte in drei nordischen Ländern- Orientierung für die Weiterentwicklung des Professionsprofils in Deutschland? (Teacher education for the early years in three Nordic countries: impetus for reconceptualising professional profiles in Germany?); in: Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, Volume 12, Number 4 / Dezember 2009, S.4-5; in: http://www.springerlink.com/content/101x301531t6475q/fulltext.pdf (eingesehen am 15.05.2010, 12:34 Uhr) 5.2.2 Die schulische Bildung in Schweden Die schulische Bildung beginnt in Schweden mit dem sechsten bzw. siebten Lebensjahr durch den Eintritt in die „grundskola“. Die „grundskola“ in Schweden ist horizontal gegliedert. Die Schüler gehen bis zur neunten Klasse gemeinsam in die „grundskola“, danach besteht die Möglichkeit zum Übergang auf die „gymnasieskola“. Durch den Aufbau in Form einer Einheitsschule 138 Ebd.2009; Oberhuemer, Pamela: Frühpädagogische Ausbildungskonzepte in drei nordischen Ländern- Orientierung für die Weiterentwicklung des Professionsprofils in Deutschland? (Teacher education for the early years in three Nordic countries: impetus for reconceptualising professional profiles in Germany?); in: Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, Volume 12, Number 4 / Dezember 2009, S.4-5; in: http://www.springerlink.com/content/101x301531t6475q/fulltext.pdf (eingesehen am 15.05.2010, 12:34 Uhr) 59 besteht für die Schüler eine große Wahlfreiheit zwischen den verschieden Stunden. Zudem können die Lehrer ihren Unterricht frei planen, da sie sich nur an staatlichen Richtlinien und Zielen orientieren müssen, ihren Unterricht aber ansonsten frei gestalten können.139 Um dennoch für eine gute Qualität der Schule zu sorgen, gibt es in der fünften und neunten Klasse einen Leistungstest, wobei allerdings nur der Test in der neunten Klasse obligatorisch ist. Im Zuge der aktuellen bildungspolitischen Diskussionen wird überlegt, den Leistungstest der fünften Klasse verbindlich einzuführen. Noten werden in der „grundskola“ erst ab der achten Klasse in einer dreigliedrigen Skala (Sehr gut, gut, befriedigend) erteilt. Dadurch soll der Noten- und Selektionsdruck vermieden werden und die Einschränkung der Lernmotivation wird gemindert.140 Erreicht ein Schüler die Note „befriedigend“, bekommt er eine schriftliche Beurteilung, kann aber normal in die nächste Klasse wechseln. Schüler mit Lernschwierigkeiten erhalten bis in die „gymnasieskola“ hinein Hilfe und Unterstützung. Die Maßnahmen sind vom Staat nicht explizit festgelegt, sodass die Hilfe in Form von technischen Hilfen, Sonderunterricht oder speziell ausgebildetem Personal erfolgen kann. Ist es den Schülern trotz Unterstützung nicht möglich, dem Unterricht auf der „grundskola“ zu folgen, gibt es die Möglichkeit, auf eine „särskola“ (sonderschule) oder „specialskola“ (Spezialschule) zu wechseln. Diese Schulen orientieren sich an denselben Zielen wie die „grundskola“ und vermitteln dieselben Fähigkeiten und Fertigkeiten. Es gibt auch die Möglichkeit, die Sonderschulen organisatorisch in die „grundskola“ zu integrieren, dabei sind die Schüler Teil des Pflichtschuljahrgangs, aber haben einen eigenen Stundenplan. Ebenso wie in der „grundskola“ besteht dann nach der neunten Klasse die Möglichkeit, in die „gymnasieskola“ überzutreten. Die „specialskola“ richtet sich an Kinder mit einer Sprach-, Seh- oder Hörbehinderung. Taube und hörgeschädigte Kinder sollen nach der Schule Gebärdensprache beherrschen und in Schwedisch und Englisch lesen und schreiben können 141 Neben der „grundskola“ und den Sonderschulen gibt es in Schweden noch die Möglichkeit, auf eine alternative Schule zu wechseln. Alternative Schulen sind 139 Rudvall / Stimpel 1998, S.12. 140 Ebd. 1998, S.8. 141 Werler 2004, S.462-463/467,469,472. 60 unabhängige, nicht staatliche Schulen wie zum Beispiel die sameskola (Schule für die Samen), Montessori-Schulen oder Waldorfschulen. Die unabhängigen Schulen müssen vom „Riksdag“ anerkannt werden und sich ebenso wie die „grundskola“ an den „skollag“ und den Lehrplan halten. 142 Besonderer Wert innerhalb der „grundskola“ wird auf die Fächer Mathematik, Englisch und Schwedisch gelegt. Englisch gibt es in der schwedischen „grundskola“ schon ab der zweiten Klasse – in einigen Kommunen auch ab der ersten Klasse. Neben den klassischen Sprachen wie Englisch, Französisch, Deutsch oder Spanisch kann man auch Sami oder Zeichensprache lernen. Sprachen haben in der schwedischen Gesellschaft einen hohen Stellenwert, da Schweden eine Nation mit vielen verschiedenen Sprachen ist. Auch auf die Sprachen der eingewanderten Kinder wird viel Wert gelegt. So hat jedes Kind die Möglichkeit, einen Muttersprachenunterricht zu besuchen, welcher dazu helfen soll, dass die Kinder ihre kulturellen Wurzeln nicht vergessen. 143 Die schwedische Schule fühlt sich neben der Bildung für die Kinder auch für den Erhalt derer Gesundheit verantwortlich. So existiert laut Gesetz kostenlose Gesundheitspflege für alle Schüler. Diese beinhaltet einen ständig anwesenden Schularzt und eine Krankenschwester in der Schule. Ziel der kostenlosen Gesundheitspflege ist es, die gesunde physische und psychische Entwicklung zu unterstützen, die gesunde Lebensweise zu vermitteln und den Schülern ein Gefühl der Sicherheit in der Schule zu geben. Neben der kostenlosen Gesundheitspflege gibt es in allen Schulen kostenloses Mittagessen und Schultransport.144 Ziel der „grundskola“ ist es, die Werte der Gesellschaft den Schülern zu vermitteln. Sie sollen unter anderem Begriffe wie Unantastbarkeit, Freiheit Integrität, Gleichheit und Solidarität verstehen und ausleben. Es soll eine Schule sein, in der die individuellen Bedürfnisse im Vordergrund stehen.145 Mit Beendigung der neunten Klasse erhält jeder Schüler ein Abschlusszeugnis, welches zum Übergang in die „gymnasieskola“ berechtigt. Die „gymnasieskola“ ist eine weiterführende dreijährige Schule, um die Berechtigung zum Hochschulzugang zu erwerben. 142 Ebd. 2004, S.469. 143 Ebd. 2004, S.467. 144 Ebd. 2004, S.468; Rudvall / Stimpel 1998, S.2/3. 145 Werler 2004, S.467; Rudvall / Stimpel 1998, S.7. 61 Seit 2001 besteht die „gymnasieskola“ aus 17 Bildungsprogrammen, welche sich auf verschiedene Ausbildungsberufe beziehen oder auf das bevorstehende Studium hinarbeiten. Innerhalb des gewählten Programms der „gymnasieskola“ können die Schüler circa 12% der Kurse frei nach ihren Interessen wählen. Schüler, welche sie für einen berufsvorbereitenden Zweig entschieden haben, entwickeln gemeinsam mit der Schule ein Ausbildungsprogramm für den Ausbildungsverlauf. Innerhalb der Bildungsprogramme gibt es für alle verbindliche Kernfächer: Schwedisch, Englisch, Gesellschaftskunde, Religionskunde, Mathematik, Naturwissenschaften, Sport und Kunsterziehung. 146 Das Notensystem in der „gymnasieskola“ unterscheidet vier Niveaus: nicht bestanden, befriedigend, gut und sehr gut. Um ein Abschlusszeugnis zu erhalten, muss man alle Kurse bestanden und die individuellen Ziele erreicht haben. Zudem hat jeder Schüler eine Projektarbeit anzufertigen, welche für den Abschluss vorgelegt werden muss. Eine Abschlussprüfung findet nicht statt. Das in den meisten Ländern übliche Abitur wurde in Schweden schon 1970 abgeschafft. Das Zeugnis soll eine kontinuierliche Entwicklung der Schüler widerspiegeln. Daher gibt es mit Abschluss des Kurses auch keine Noten für einzelne Halbjahre, sondern nur Noten für das komplette Fach.147 Ebenso wie die „grundskola“ und der vorschulische Bereich, sind auch für die „gymnasieskola“ verschiedene Ziele im Lehrplan verankert. Dazu gehören unter anderem: Vermittlung von Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten, die für den Beruf und das Leben notwendig sind, wissenschaftliches Arbeiten und die Weitergabe des kulturellen Erbes.148 5.3 Zusammenfassender Vergleich der Bildungssysteme in Deutschland und Schweden Schon 1971 hat die OECD im internationalen Länderexamen das Bildungswesen der BRD begutachtet und bewertet. In Ihrem Bericht stand über das Bildungswesen: „Dem Geiste und der Struktur nach bleibt das Schulsystem 146 Werler 2004, S.470. Rudvall / Stimpel 1998, S.15/16. 147 Werler 2004, S.471. Rudvall / Stimpel 1998, S.2/3/19. 148 Werler 2004, S.471. 62 in Deutschland wie auch in mehreren anderen europäischen Ländern überholt.“149 Seit dieser Beurteilung haben jedoch nur wenige Änderungen stattgefunden: noch immer ist das deutsche Schulwesen unselbstständig und reformbedürftig. Die Bildungsfrage im 21. Jahrhundert in Deutschland ist eine andere Frage als im 20. Jahrhundert. Immer mehr vermischt sich die Bildungspolitik mit der Sozialpolitik und wird somit eine soziale und gesellschaftspolitische Frage, wobei das Problem der Chancengleichheit immer weiter in dem Vordergrund rückt. Immer stärker werden die Schattenseiten der Bildung deutlich. War Bildung früher noch eine Sache der Jugend und der Schule, rücken heute immer mehr die vorschulischen Einrichtungen in den Blickpunkt. 150 Die Bildung soll den jungen Menschen eine „Ausstattung mit Kompetenzen, mit Fertigkeiten und Fähigkeiten sowie einer moralischen Urteilskraft, die Menschen befähigt, sich in einer offenen, Pluralen, ungewissen und globalisierten Weltgesellschaft kompetent zu bewegen“151 verschaffen. Vergleicht man Schwedens und Deutschlands Aufbau des Schulwesens kann man gravierende Unterschiede feststellen. Während Deutschland auf ein föderales und vor allem mehrgliedriges Schulwesen setzt, herrscht in Schweden schon seit Jahrzehnten die Einheitsschulstruktur. Besonders beeindruckend ist die Dezentralisierung innerhalb Schwedens, welche die meisten Entscheidungen auf die Kommunen übertragen hat - ein in Deutschland kaum denkbares System. Die Geschwindigkeit, mit der die Dezentralisierung durchgeführt wurde, ist bemerkenswert. So wurde Schweden innerhalb von zehn Jahren von einem stark zentralen System mit vielen bürokratischen Hürden zu dem dezentralen System, welches noch heute die Struktur des Schulwesens bestimmt.152 149Haßen, Klaus-Detlef: Über die Aufgabenverteilung im deutschen Bildungswesen; in: Döbert, Hans: Bildung vor neuen Herausforderungen: historische Bezüge, rechtliche Aspekte, Steuerungsfragen, internationale Perspektiven; Hermann Avenarius zum 65. Geburtstag gewidmet, Beitr. teilw. dt., teilw. engl., Neuwied / Kriftel 2003, S.46. 150 Rauschenbach, 2009, S.12/14. 151 Rauschenbach, 2009, S.23. 152 Engel, Heinz: Schulverwaltungsreform in Schweden- Ein Modell für Deutschland? , in: Hans Döbert(Hrgs): Bildung vor neuen Herausforderungen: historische Bezüge, rechtliche Aspekte, Steuerungsfragen, internationale Perspektiven; Hermann Avenarius zum 65. Geburtstag gewidmet, Beitr. teilw. dt., teilw. engl., Neuwied/Kriftel 2003, S.332. 63 Ein entscheidender Grund für die Dezentralisierung bildet der Wunsch danach, Probleme direkt, schnell und den Bedürfnissen in der Umgebung angepasst zu lösen. Man wollte weg von: „School managed by command“153 hin zu „School managed by objektives and results“.154 Während das schulische System in Schweden annähernd die gleichen Ziele verfolgt wie das deutsche System, gibt es in der vorschulischen Betreuung die meisten Unterschiede. Obwohl es einige gleiche Merkmale gibt, wie zum Beispiel der Trend hin zu einer immer früheren Einschulung und somit auch der Bedarf an immer mehr vorschulischen Einrichtungen, hat die vorschulischen Erziehung bei den beiden Ländern einen sehr unterschiedlichen Stellenwert. Deutlich erkennbar wird dies’ an den Ausgaben des Staates. Während Deutschland rund 0,45% des Bruttoinlandsproduktes (BIP) für die vorschulische Bildung ausgibt, sind die Ausgaben für diesen Bereich in Schweden mit 1,7% des BIP fast vierfach höher.155 Anhang der Abbildung 6 auf Seite 64 kann man erkennen, dass Deutschland insgesamt nur sehr wenig für die Bildung ausgibt. Während Schweden mit 6.3% des BIP deutlich über dem OECD Durchschnitt von 5,7% liegt, gibt Deutschland gerade einmal 4,8 % des BIP für die Bildung aus und landet somit auf den hinteren Plätzen im Vergleich der OECD Länder. Neben den unterschiedlichen Ausgaben für den vorschulischen Bereich ist auch innerhalb der Struktur einiges unterschiedlich. Während in Deutschland die Kindertagesstätten immer noch als ein „notwendiges Übel“ angesehen werden, wird in Schweden der Vorteil dieser Einrichtungen in der Gesellschaft immer mehr anerkannt. In Deutschland sind die vorschulischen Einrichtungen immer noch Halbtagseinrichtungen. Schweden hingegen hat alle Bildungseinrichtungen zu Ganztagseinrichtungen gemacht. 153 Ebd. 2003, S.333 154 Ebd. 2003, S.333 155Oberhuemer, Pamela: Frühpädagogische Ausbildungskonzepte in drei nordischen Ländern- Orientierung für die Weiterentwicklung des Professionsprofils in Deutschland? (Teacher education for the early years in three Nordic countries: impetus for reconceptualising professional profiles in Germany?); in: Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, Volume 12, Number 4 / Dezember 2009, S.4-5; in: http://www.springerlink.com/content/101x301531t6475q/fulltext.pdf(eingesehen am 15.05.2010, 12:34 Uhr) 64 Abbildung 6: Ausgaben für Bildung in Prozent des BIP 2006 Quelle: Auswertung der September 2009 Ausgabe der OECD von "Bildung auf einen Blick" und anderen Materials; in: http://www.jjahnke.net/bildung.html (eingesehen am 15.05.2010, 12:36 Uhr) Das traditionelle System der Mehrgliedrigkeit des Bildungswesens ist in Deutschland kaum wegzudenken. Durch die föderalen Gesetzgebungskompetenzen gibt es in Deutschland keine einheitliche Regelung des Bildungswesens.156 Geschichtlich betrachtet hat sich das föderale System über Jahrhunderte herausgebildet und prägt die Politik noch heute. Schweden hingegen hat eine andere geschichtliche Entwicklung hinter sich. Besonders dadurch, dass jahrzehntelang die gleiche Partei an der Regierungsspitze war, konnte man ein neues Bildungswesen entwickeln und langsam aufbauen. Einzig die Dezentralisierung ist sehr abrupt geschehen. Deutschland hatte nie Zeit, um ein neues Bildungswesen zu entwickeln. Zu viele historische Ereignisse haben diesen Prozess gebremst. Jedoch war bei der Widervereinigung des getrennten Deutschland die Chance für ein neues und auch besseres System gegeben. Man versuchte damals, sich auf einen Mittelweg zwischen dem Bildungswesen der neuen Länder und dem der alten Länder zu einigen, so dass die Möglichkeit zu einem komplett neuen System 156 Óhidy 2009, S.120. 65 wieder in den Hintergrund rückte. Zudem hat das damals beschlossene System den Anschein erweckt, das es gut funktionierte. Doch seit die Europäische Union (EU) die Bildung und Erziehung aller Mitgliedsstaaten besser koordinieren will und somit die Richtung der bildungspolitischen Entscheidungen innerhalb Deutschlands mitbestimmt, gerät das deutsche System immer mehr unter Druck.157 Besonders deutlich hat Andrea Óhidy158 die Probleme innerhalb der deutschen Bildungspolitik beschrieben, mit dem „ (…) fehlen einer stabilen Balance zwischen Dezentralisierungsbestrebungen einerseits und der Wahrnehmung der staatlichen Verantwortung auf der Ebene der Bundesländer und des kooperativen Föderalismus andererseits.“159 Ein Problem der deutschen Schulen ist, dass sie sich komplett von der normalen Welt der Kinder abkoppeln. Man kann sich den Schulalltag wie ein „Second Life“ vorstellen.160 Schweden bietet durch die Umsetzung der Ganztagsschulen Schulen, die in den Alltag eingebunden sind. Die Schüler haben genug Freiraum in Form von Freistunden, welche sie zum Entspannen und Sammeln von neuen Kräften nutzen können. Die Struktur des Unterrichts richtet sich nach den Fähigkeiten und Bedürfnissen der Schüler. Unterrichtsstunden sind flexibel gestaltbar. In Deutschland bedeutet das Lernen für die Schüler, Leistung zu erbringen. Weniger die Fähigkeiten und Fertigkeiten sind entscheidend. Hauptsächlich kommt es darauf an, gute Noten zu bekommen. Schweden hingegen hat eine neue Art von Bildungspolitik entwickelt, in der nicht mehr die Abschlüsse und die darin enthaltenden Noten wichtig sind, sondern die Fähigkeiten und Fertigkeiten immer mehr in den Vordergrund rücken. Die Bildung soll den Menschen ermöglichen, sein Leben selbst zu bestimmen und sein eigenes Leben in Beruf, Familie und anderen Bereichen zu führen. 161 157 Óhidy 2009, S.118. 158 Andrea Óhidy wurde 1973 geboren und ist Dipl. Pädagogin, Lehrerin für Primarstufe und Sekundarstufe I und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Bielefeld für Pädagogik. 159 Ebd. 2009, S.122. 160 Rauschenbach 2009, S.171. 161 Rauschenbach 2009, S.14. 66 6. Chancengleichheit oder Chancenungleichheit im Bildungswesen? Seit PISA wird die Forderung nach Reformen immer lauter. Die Kritik richtet sich vor allem an die unzureichende Chancengleichheit im deutschen Bildungswesen. Schweden wird im gleichen Atemzug in diesem Punkt als ein Vorbild (im Bezug auf Chancengleichheit) genannt. Im Folgenden wird untersucht, inwiefern Chancengleichheit im Bezug auf die Integration von Kindern mit Migrationshintergrund in Deutschland und Schweden vorhanden ist. Dabei wird bezüglich Deutschlands auf die Integrationsfähigkeit und die damit verbundene Chancengleichheit in Hessen eingegangen. 6.1 Definition Chancengleichheit Einher mit der aktuellen bildungspolitischen Diskussion geht immer wieder der Ruf nach mehr Chancengleichheit: Doch was bedeutet eigentlich dieser Begriff? Schaut man in ein Lexikon, so findet man dort: „Chancengleichheit: gesellschafts- und kulturpolitische Forderung, die neben der Gleichstellung vor dem Gesetz für alle Mitglieder der Gesellschaft gleiche Bildungs- und Lebensmöglichkeiten umfasst.“162 Robert K. von Weizsäcker163 benutzte Definition von Paul Taubman beschreibt die Chancengleichheit so: „Equality of opportunity eliminates all the barriers that prevent individuals from obtaining the training necessary to convert the potential talents implicit in their genetic endowments into capabilities.“164 162 Chancengleichheit; in: Meyers Lexikonredaktion(Hrsg.): Meyers großes Taschenlexikon in 26 Bänden, Band 4 Buru-Den, 9. neu bearbeitete und erweiterte Aufl., Mannheim 2003, S.1077. 163 *1954, Professor für Volkswirtschaftslehre, Finance and Industrial Organization an der Technischen Universität München 164Robert K. von Weizsäcker: Chancengleichheit, Statusmobilität und öffentliche Bildungsinvestitionen, No. 557-97, Institut für Volkswirtschaftslehre und Statistik, Beiträge zur angewandten Wirtschaftsforschung, Universität Mannheim, Dez.1997; in: http://bibserv7.bib.uni-mannheim.de/madoc/volltexte/2005/1049/pdf/557.pdf (eingesehen am 20.05.2010, 15:44 Uhr) 67 Während das Lexikon die Chancengleichheit als eine Forderung der Gleichstellung sieht, definiert Taubman die Chancengleichheit als eine Möglichkeit zum Überwinden von Barrieren und Ausschöpfen der eigenen Potentiale. Beide Definitionen liegen nahe beieinander, bedeuten aber dennoch nicht dasselbe und spiegeln so die Unklarheit in der Definition von Chancengleichheit wieder. Chancengleichheit gibt es in vielen Bereichen: in der Gesellschaft, der Politik oder gerade in der Bildung. Doch besonders innerhalb der Bildungspolitik ist man sich oft nicht einig, was Chancengleichheit zu bedeuten hat und vor allem, wie diese umgesetzt werden kann. Deutlich wird dies’ im Bereich der Integration von Kindern mit Migrationshintergrund in das deutsche Bildungswesen. 6.2. Individuelle Förderung der Schüler unter dem Gesichtspunkt der Einwanderungspolitik Durch die PISA-Ergebnisse hat die Chancengleichheit in Deutschland eine neue Qualität erreicht. Die Schattenseiten der Schule werden immer deutlicher, vor allem in Bezug auf Kinder mit Migrationshintergrund, da diese Schülergruppe laut PISA im deutschen Bildungssystem untergeht. Die Chancengleichheit in Beziehung zu ihren gleichaltrigen einheimischen Mitschülern ist so gering wie in keinem anderen Land. Jedoch sind diese Befunde nicht erst seit PISA bekannt. Schon in den achtziger und Anfang der neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts hat man Studien durchgeführt die die Ergebnisse von PISA belegten. Da diese Studien aber nur Teildarstellungen waren, welche nicht als statistisch relevant angesehen wurden, hat man ihnen wenig Beachtung geschenkt.165 Jedes dritte Kind in Deutschland unter sechs Jahren hat einen Migrationshintergrund und wächst in einem von Zuwanderung geprägten Milieu auf. Der Migrationsanteil bei unter Sechsjährigen liegt damit im Westen zwischen 20% und 55%, während er im Osten gerade einmal 10% beträgt. Abbildung 7 veranschaulicht deutlich die starken Unterschiede zwischen dem 165Diefenbach, Heike: Kinder und Jugendliche aus Migrantenfamilien im deutschen Bildungssystem- Erklärungen und empirische Befunde; 2.aktualisierte Auflage, Wiesbaden 2008, S.11. 68 Osten und dem Westen Deutschlands. Während Bundesländer wie Berlin einen Migrantenanteil von 16,1% an der Schülerschaft haben, haben die ostdeutschen Bundesländer, wie zum Beispiel Thüringen, gerademal einen Migrantenanteil von 1,2% der Schülerschaft. Abbildung 7: Anteil ausländischer Schüler an den Schülern der allgemeinbildenden Schulen in den verschiedenen Bundesländern im Schuljahr 2006/07 Quelle: Diefenbach, Heike: Kinder und Jugendliche aus Migrantenfamilien im deutschen Bildungssystem- Erklärungen und empirische Befunde; 2.aktualisierte Auflage, Wiesbaden 2008, S.41. Erkennbar ist, dass die Schülerschaft mit Migrationshintergrund größtenteils ein westdeutsches Phänomen ist. Hinzu kommt, dass fast jeder dritte Schüler mit Migrationshintergrund sich mit 15 Jahren auf der Hauptschule befindet, dagegen ist lediglich jeder sechste deutsche Schüler auf der Hauptschule. In den letzten 30 Jahren wurde die 69 Hauptschule zu einer Restschule für Kinder mit Migrationshintergrund.166 Abbildung 8 verdeutlicht die ungleichmäßige Verteilung von Schülern mit und ohne Migrationshintergrund auf die verschiedenen Schultypen. Abbildung 8: Schulische Prozentuale Verteilung von Schülern mit verschiedenem sozio-kulturellen Hintergrund 1985 bis 2006 Quelle: Diefenbach, Heike: Kinder und Jugendliche aus Migrantenfamilien im deutschen Bildungssystem- Erklärungen und empirische Befunde; 2.aktualisierte Auflage, Wiesbaden 2008, S.55. Von den türkischstämmigen Schülern besuchen rund 72,8% die Hauptschule, während gerade einmal 5,7% von ihnen auf ein Gymnasium gehen. Die zweitstärkste Tendenz zur Hauptschule ist bei Kindern mit italienischer Herkunft zu beobachten, gefolgt von Kindern mit (ex-)jugoslawischen Wurzeln. Einzig die Kinder mit griechischem Hintergrund sind prozentual ähnlich gleich den deutschen Kindern an den Schultypen vertreten. Anhand der Grafik lässt sich jedoch deutlich erkennen, dass viele Schüler mit 166Rauschenbach, Thomas: Zukunftschance Bildung : Familie, Jugendhilfe und Schule in neuer Allianz, Weinheim/München 2009, S.63-64. 70 Migrationshintergrund, mit Ausnahme der griechischen Schülerschaft, Nachteile gegenüber ihren einheimischen Mitschülern haben. Besonders stark scheinen die Schüler mit türkischer Abstammung benachteiligt zu sein. Mehr als jeder zweite Schüler mit türkischer Herkunft hat keinen Berufsabschluss, während deutschlandweit nur rund 9% aller Kinder mit Migrationshintergrund über keinen Berufsabschluss verfügen.167 Oftmals gehören die Eltern der Kinder mit Migrationshintergrund einer Schicht an, welche gesellschaftlich weniger angesehen ist. Abbildung 9 zeigt, dass es zudem ein Zusammenhang zwischen schulischem Erfolg und Schichtzugehörigkeit der Kinder gibt. Besonders stark sind die ungelernten und angelernten Arbeiterfamilien benachteiligt. Rund 41% der Kinder aus diesen Familien gehen auf eine Haupt- oder Berufsschule, während nur etwas mehr als 10% der Kinder aus der oberen Dienstklasse auf diese Schultypen gehen. Die Kinder ungelernter oder angelernter Arbeiter gehen hingegen nur zu 10% auf ein Gymnasium, während mehr als 50% der Kinder der oberen Dienstklasse auf ein Gymnasium gehen. Abbildung 9: 15-jährige nach Sozialschichtzugehörigkeit und Bildungsgang Quelle: Baumert, Artelt, Klieme, Neubrand, Prenzel, Schiefele, Schneider, Schümer, Stanat,Tillmann, Weiß (Hrsg.): PISA 2000 - Die Länder der Bundesrepublik Deutschland im Vergleich, Zusammenfassung zentraler Befunde; Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, Berlin, 2002; in: http://www.mpib-berlin.mpg.de/pisa/PISA_E_Zusammenfassung2.pdf (eingesehen am 22.05.2010, 18:31) 167 Rauschenbach, Thomas: Zukunftschance Bildung : Familie, Jugendhilfe und Schule in neuer Allianz, Weinheim/München 2009, S.65. 71 Somit ist die Chance von einem Kind aus der oberen Dienstklasse, auf ein Gymnasium zu wechseln, fünfmal größer als bei einem Kind aus der Schichtzugehörigkeit der ungelernten und angelernten Arbeiter. Diese starken Unterschiede lassen sich oft auch auf verschiedene Arten von institutioneller Diskriminierung zurückführen. So unterscheidet Mechthild Gomolla168 die direkte und indirekte institutionelle Diskriminierung169. Besonders Kinder mit Migrationshintergrund sind von der indirekten institutionellen Diskriminierung betroffen. Schüler werden aufgrund fehlender Sprachkenntnisse als nicht schulfähig eingestuft bzw. ihre fehlenden Sprachkenntnisse werden auf das Nichtbesuchen des Kindergartens zurückgeführt und damit gehen angeblich die vielfältigsten Probleme einher. Oft werden mangelndes Sozialverhalten, Arbeitsverhalten oder fehlende Fähigkeiten für den Unterricht auf das Fehlen im Kindergarten zurückgeführt. Unzureichende Unterstützung durch die Eltern oder mangelnde Bereitschaft zur Integration sind auch ein Folge für ein Fehlen im Kindergarten und damit oft Grund, die Kinder zurückzustellen.170 Beim Übergang in die Sekundarstufe I findet oftmals eine direkte Diskriminierung statt. Bei schlechten Sprachkenntnissen wird den Schülern eine Empfehlung für die Haupt- oder Realschule ausgesprochen, unabhängig davon, ob die Schüler gute Noten vorweisen oder nicht. Nach Gomolla liegt die Ursache für diese Entscheidungen darin, dass die Kinder mit schlechten Sprachkenntnissen nicht die Homogenität in der Klasse gefährden sollen. Dieses Argument macht Sinn, denn das deutsche Schulsystem ist so selektiv ausgelegt, um homogene Klassen zu erhalten. Hierbei dient die Sprachkompetenz als Kriterium für die soziale Integration.171 168Diplom Psychologin und Professorin für Erziehungswissenschaft, insbesondere interkulturelle und vergleichende Bildungsforschung an der Helmut Schmidt-Universität und der Universität der Bundeswehr Hamburg. 169 institutioneller Diskriminierung = Rassismus oder Sexismus als Ergebnis sozialer Prozesse, wobei die Ursachen in gesellschaftlichen Institutionen (z.B. Bildungssektor, Polizei oder Gesundheitswesen) liegen 170 Gomolla, Mechtild: Fördern und Fordern allein genügt nicht! Mechanismen institutioneller Diskriminierung von Migrantenkinder und –jugendlichen im deutschen Schulsystem; in: Auernheimer, Georg/ Jansen, Dorothea (Hrsg.): Schieflagen im Bildungssystem: die Benachteiligung der Migrantenkinder; 2. Ausgabe, überarb. und erw. Aufl., Wiesbaden 2006, S.92. 171 Gomolla 2006, S.94-96. 72 Geschichtlich betrachtet, versucht das Schulwesen die Heterogenität schon immer zu vermeiden oder wenigsten zu reduzieren. Früher war es nur bestimmten Schichten vorbehalten an schulischer Bildung teilzuhaben, somit ergab sich von selbst eine gewisse Homogenität. Während in den meisten europäischen Ländern das gegliederte Schulwesen abgeschafft wurde, um eine Schule für alle zu schaffen und sich somit mit der Heterogenität auseinanderzusetzen, wurde in Deutschland das gegliederte System immer weiter ausgebaut. In keinem anderen Land gibt es ein so gut ausgebautes Netzwerk an Förderschulen wie in Deutschland. Während in Schweden Schüler mit Behinderung soweit wie möglich auf eine normale Schule gehen, werden diese Schüler in Deutschland nach Förderbedürfnissen und Fähigkeiten einer bestimmten darauf ausgelegten Schule zugeordnet.172 Die Schule und die Lehrer stehen vor der Herausforderung, mit Schülern umzugehen, welche in einer sozialen und kulturellen Heterogenität aufwachsen. Es gibt keine homogenen Gruppen mehr im Kindergarten oder der Schule, keinen einheitlichen Sprachraum oder ein Milieu und keine gemeinsame Kultur in einer Klasse.173 Im Folgenden wird gezeigt, wie Schweden und Deutschland mit dieser Heterogenität umgehen und was sie tun, um die Chancengleichheit herzustellen oder zu mindestens die Ungleichheit zu reduzieren. 6.2.1 Chancengleichheit in Schweden? Schweden gehört zu den Ländern, welches sich schon früh mit der Problematik der Einwanderung auseinandersetzen musste. Schon in den frühen vierziger Jahren des 20. Jahrhundert gab es Vereinbarungen mit Ländern, wie zum Beispiel Österreich, Norwegen, Dänemark oder Italien, um Gastarbeiter aufzunehmen. Schweden sah die Notwendigkeit der ausländischen Arbeitskräfte gegeben, da man den Agrarstaat in einen Industriestaat wandeln 172Becker, Klaus Bert: Unerledigte Aufgabe: kurzer historischer Abriss des Umgangs mit Heterogenität im System gesellschaftlicher Erziehung und Ausbildung, in: Höhmann, Katrin/ Kopp, Rainer/ Schäfers, Heidemarie/ Demmer, Marianne (Hrgs.): Lernen über Grenzen- Auf dem Weg zu einer Lernkultur, die vom Individuum ausgeht; Opladen/Farmington Hills 2009, S.37/38. 173 Rauschenbach 2009, S.67 73 wollte. Möglich war dies’, da Schweden im zweiten Weltkrieg eine neutrale Stellung einnahm und nur vereinzelt Zerstörungen aufwies. Neben den Gastarbeitern kamen besonders im Zweiten Weltkrieg viele Flüchtlinge als Einwanderer nach Schweden.174 Dabei beharrt Schweden allerdings darauf, dass nie eine Gastarbeiterpolitik betrieben wurde wie unter anderem in Deutschland, sondern eine Einwanderungspolitik und Politik der Flüchtlingseinwanderung. Begriffe wie Gastarbeiterpolitik oder auch Duldungspolitik sollten vermieden werden, da diese immer einen negativen Beigeschmack haben. Um Fremdenhass und Rassismus entgegenzuwirken, welcher in jedem Land vorhanden ist, hat die Regierung drei wichtige Grundzüge in ihrer Einwanderungspolitik festgelegt: Gleichheit; Wahlfreiheit, Partnerschaftlichkeit. Unter der Gleichheit werden vor allem die gleichen Chancen, Rechte und Pflichten für die Einwanderer wie für die Einheimischen verstanden. Hinzu kommt, dass man in Schweden unter Gleichheit auch versteht, dass die Einwanderer eine Chance bekommen, ihre Muttersprache und Kultur beizubehalten. Wahlfreiheit bedeutet, die Freiheit, zu wählen, inwieweit sie die schwedische Identität annehmen wollen und ihre eigene Kultur beibehalten. Dies’ dient vor allem als Erleichterung für die Einwanderer, welche wieder in ihr Herkunftsland zukehren wollen. Die Partnerschaftlichkeit vertritt die Grundsätze der gegenseitige Toleranz und Solidarität zwischen den Einwanderern und Einheimischen.175 Förderung ist in Schweden eingebettet in ein System, welches das Kind als Schüler achtet und ihm gibt, was es benötigt. Niemand verlangt, dass alle dieselben Dinge zur gleichen Zeit beherrschen. Jeder Schüler hat ein Recht auf eigenen Lernrhythmus und lebenslanges Lernen. Integration findet auch deshalb statt, weil es kein Sitzenbleiben, keine Sonderschulen und keine Leistungsdifferenzierungen gibt. Einwanderkinder haben die kompletten neun Jahre grundskola Zeit, um die schwedische Sprache zu lernen und somit auf den Stand ihrer Klassenkameraden zu kommen. Ziel ist es nicht, die Migrantenkinder auszugrenzen, sondern sie in die Gesellschaft einzubeziehen. Die Kultur der Einwanderer wird stets geachtet und den Kindern im Unterricht 174Reich, Hans H.: Hemspra ̊ksundervisning : Herkunftssprachenunterricht in Schweden; Migrantenkinder in den Schulen Europas, Bd. 6, Münster/New York 1996, S.3. 175 Reich 1996, S.6/19. 74 vermittelt (z.B. wird im Unterricht auf die technischen oder wissenschaftlichen Errungenschaften der verschiedenen Ländern aufmerksam gemacht). Die Einwandereltern werden ebenso gefördert wie ihre Kinder. Mit Hilfe von Kursen für Erwachsene sollen sie ihre fachliche Ausbildung aus dem Einwanderland auch in Schweden weiter ausüben können. Lehrer aus anderen Ländern arbeiten auch in Schweden weiter als Lehrer. Deutlich erkennbar ist diese Mentalität an der Bezeichnung für Migrantenkinder: sie heißen in Schweden „Neuschweden“.176 Schweden versucht vor allem für die benachteiligten Gruppen mehr Gleichheit, soziale Integration und die Vermeidung von Diskriminierung durch mehr Chancengleichheit in der Schule zu schaffen. Ein wichtiges Ziel ist dabei, zu verhindern, dass soziale Randgruppen entstehen und gegebenenfalls schon bestehende zu integrieren. Um dies’ zu verwirklichen, hat Schweden verschiedene Maßnahmen unternommen, unter anderem: der Ausbau der Dolmetscherdienste, die bessere Versorgung von Bibliotheken mit Büchern in der Sprache der Einwanderer und mehr Subventionen für Einwanderorganisationen. 177 Ab 1966 begann Schweden mit einer Einwanderpolitik, die außergewöhnlich ist. Es wurde ein Stützunterricht für Schüler mit Migrationshintergrund bzw. für schwedische Schüler von ausländischen Schulen von bis zu sechs Wochenstunden Unterricht pro Gruppe eingeführt. Die Schüler sollten mit Hilfe des Stützunterrichts in die schwedische Sprache eingeführt werden und durch das Unterrichten in der schwedischen sowie der Herkunftssprache sollte das Lernen des Unterrichtsstoffes und der schwedischen Sprache vereinfacht werden. Die Schüler hatten die Möglichkeit, vier Wochenstunden schwedisch als Zweitsprache und zwei Wochenstunden fachliche Lernhilfe zu bekommen. Gedacht war dieser Unterricht für Schüler, welche „aufgrund ihrer Herkunft 176Ratzki, Anne: Integration ist mehr als Sprachunterricht: Wie die nordischen Länder und England Einwanderkinder fördern und integrieren; in: Höhmann, Katrin/ Kopp, Rainer/ Schäfers, Heidemarie/ Demmer, Marianne (Hrgs.): Lernen über Grenzen- Auf dem Weg zu einer Lernkultur, die vom Individuum ausgeht; Opladen/Farmington Hills 2009, S.177-184. 177Staatliche Maßnahmen zur Realisierung des Rechts auf Bildung in Schule und Hochschule : zur Situation in England, Frankreich, Italien, Schweden und den USA; die Unters. wurde im Auftrag des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft angefertigt, Marburger Beiträge zur vergleichenden Erziehungswissenschaft und Bildungsforschung, Bd. 13, München 1981, S. 279/280/385. Reich 1996, S.20. 75 unzureichende Kenntnisse in der schwedischen Sprache haben oder denen aufgrund des Umfangs oder Inhalts ihrer vorangegangen Schulbildung die Voraussetzungen dafür fehlen, dem Unterricht der schwedischen Schule in zufriedenstellender Weise zu folgen.“178 Neben dem Stützunterricht für die Migrantenkinder wurde aber zudem der Ruf nach segregativen Maßnahmen laut. So dachte man darüber nach, für Kinder von Einwanderern extra Schulen in Form von Minderheitenschulen einzurichten. Diese Forderung wurde aber 1968 mit einem Beschluss des „Riksdags“ mit der Begründung, keine getrennten Schulen für Einwanderkinder, um Segregation zu vermeiden, abgelehnt. Aufgabe der Schule soll es sein, die benachteiligten Kinder, sei es durch Behinderung oder unzureichende Sprachkenntnisse, soweit wie möglich in eine normale Klasse zu integrieren. Dafür muss die Schule die Bedingungen schaffen und nötige Förderungen durchführen.179 Um den Einwanderkindern das Schwedisch einfacher und effizienter näher zu bringen, entschloss die Regierung 1970 Vorbereitungsklassen für die Einwanderkinder einzuführen, in welchen mehrere Wochen lang Schwedisch unterrichtet wurde.180 Doch eine der wichtigsten und auch innovativsten Maßnahme zur besseren Integration von Migranten und zur Herstellung der Chancengleichheit ist der 1977/78 verpflichtend für alle Schulen eingeführte Herkunftssprachenunterricht für Migrantenkinder. Schon in den frühen siebziger Jahren gab es den Herkunftssprachenunterricht. Ab 1972 war es an vereinzelten Schulen möglich, den Unterricht in der Muttersprache anstelle einer Fremdsprache in der Sekundarstufe II zu belegen. 1974/75 nahmen 178Reich 1996, S.29. 179Staatliche Maßnahmen zur Realisierung des Rechts auf Bildung in Schule und Hochschule : zur Situation in England, Frankreich, Italien, Schweden und den USA; die Unters. wurde im Auftrag des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft angefertigt, Marburger Beiträge zur vergleichenden Erziehungswissenschaft und Bildungsforschung, Bd. 13, München 1981, S. 385. Reich 1996, S.28/29. Ratzki, Anne: Integration ist mehr als Sprachunterricht: Wie die nordischen Länder und England Einwanderkinder fördern und integrieren; in: Höhmann, Katrin/ Kopp, Rainer/ Schäfers, Heidemarie/ Demmer, Marianne (Hrgs.): Lernen über Grenzen- Auf dem Weg zu einer Lernkultur, die vom Individuum ausgeht; Opladen/Farmington Hills 2009, S.178. 180Reich 1996, S.32. 76 insgesamt etwa 18 500 Migrantenkinder an dem Unterricht teil und die Zahl stieg stetig weiter.181 1975/76 wurde die Zweisprachigkeit als pädagogisches Ziel aufgenommen und der Herkunftssprachenunterricht im Land ausgeweitet. Die Förderung der Muttersprache ist besonders wichtig, da diese als Vorrausetzung für das Erlernen der schwedischen Sprache gilt. Gleichwohl die Muttersprache als sehr wichtig eingestuft wurde, war das Erlernen der schwedischen Sprache nicht weniger wichtig. Nur mit dem Beherrschen der schwedischen Sprache kann es den Migrantenkindern möglich sein, sich zu integrieren.182 Viele Schüler wissen den Unterricht zu schätzen, vor allem, da viele Eltern ihre Muttersprache noch perfekt beherrschen und die Kinder sie mit dieser Sprache auch besser verstehen können. Zudem haben sie das Gefühl, dass ihre Nationalität in Schweden anerkannt wird.183 Insgesamt gibt es vier Möglichkeiten, die Kinder zweisprachig zu bilden. Weit verbreitet sind die Regelklassen, welche aus einheimischen Schülern und Einwanderkinder bestehen. Diese Klassen werden von den Einwanderkindern nur für den Herkunftssprachenunterricht verlassen. Bei den zugammengesetzten Klassen handelt es sich um eine Klasse, welche aus einheimischen und Einwanderkinder besteht und ein Teil des Unterrichts in der Herkunftssprache erfolgt und der andere Teil in Schwedisch. Die „hemspråksklasser“ (Herkunftssprachenklassen) bekommen den Fachunterricht in der Muttersprache und Schwedisch wird als Fremdsprache unterrichtet. Eine andere Möglichkeit zum bilingualen Lernen sind die Vorbereitungsklassen, welche den Schülern den Einstieg in die schwedische Sprache erleichtern, aber auch die Möglichkeit bieten, an einem Herkunftssprachenunterricht teilzunehmen. Den Schülern werden in den Vorbereitungsklassen neben der Sprache auch das Gesellschaftssystem und Informationen über die Schulen beigebracht.184 181Reich 1996, S.20/31. 182Reich 1996, S.33/35. 183Morehouse , Christal: Der schwedische Weg: ein nationaler Plan für Vielfalt, in: Bertelsmann Stiftung (Hrsg.) Integration braucht faire Bildungschancen Gütersloh 2008,;in: http://www.bertelsmann-stiftung.de/bst/de/media/xcms_bst_dms_25439_25440_2.pdf (eingesehen am. 8.04.10., 15:30 Uhr) 184Reich 1996, S.41. 77 Der Herkunftssprachenunterricht muss von allen Kommunen verpflichtend angeboten werden, dazu gehört auch die Bereitstellung von Lehrern, Räumen und Unterrichtmaterialien. Diese Verpflichtung gilt gegenüber der gesamten Schulpflicht und auch für alle Sprachen. Ausnahmen gibt es allerdings, wenn keine geeignete Lehrkraft für die Sprache vorhanden ist oder die Gruppe der Schüler, die sich an dem Unterricht beteiligen möchte, weniger als fünf Schüler beträgt. Der Herkunftssprachenunterricht ist freiwillig für die jeweiligen Schüler. Jedoch muss der Schüler, welcher ein Interesse am Lernen der Muttersprache hat, auch Grundkenntnisse an dieser Sprache besitzen. Zudem muss mindestens eine Person im Haushalt der Familie eine andere Sprache als Schwedisch als Muttersprache haben und diese Sprache auch zu Hause nutzen.185 Die 1977/87 durchgeführt „hemspråksreform“ (Reform zum Herkunftssprachenunterricht) bildet bis heute die Grundlage für die Migrantenbildungspolitik und ist im Lehrplan verankert. Schwedisch als Zweitsprache hat sich von einem Stützunterricht hin zu einer Pflicht für die ganze Schule entwickelt. 186 6.2.2 Chancenungleichheit in Deutschland? Ähnlich wie in Schweden versteht sich das deutsche Bildungswesen, als ein System der Chancengleichheit, dass dies’ in der Realität oft nicht so ist, zeigt sich besonders an den Ergebnissen der PISA-Studien. Auffällig ist, dass eine besonders hohe Gruppe von „Risikoschüler“187 in Deutschland existiert. Die Staatliche Maßnahmen zur Realisierung des Rechts auf Bildung in Schule und Hochschule : zur Situation in England, Frankreich, Italien, Schweden und den USA; die Unters. wurde im Auftrag des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft angefertigt, Marburger Beiträge zur vergleichenden Erziehungswissenschaft und Bildungsforschung, Bd. 13, München 1981, S. 404 /05. 185Staatliche Maßnahmen zur Realisierung des Rechts auf Bildung in Schule und Hochschule : zur Situation in England, Frankreich, Italien, Schweden und den USA; die Unters. wurde im Auftrag des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft angefertigt, Marburger Beiträge zur vergleichenden Erziehungswissenschaft und Bildungsforschung, Bd. 13, München 1981, S. 402. Reich 1996, S.53. 186 Reich 1996, S.38 187 Mit dem Begriff „Risikoschüler“ bezeichnet das deutsche PISA-Konsortium die Gruppe der Schüler und Schülerinnen, deren Lesekompetenz auf oder unter der Kompetenzstufe I liegen. 78 Gründe für die schlechten Leistungsergebnisse dieser Schüler liegen meist in der schlechten Lesekompetenz und den damit verbundenen schlechten Sprachkenntnissen. Die Regierung hat die Aufgabe, den Schülern die Sprache näher zu bringen und damit die Integration in die deutsche Gesellschaft zu verbessern. Zudem sollten die Lehrer mehr Fortbildungen für den Umgang mit der Heterogenität in der Klasse bekommen, um so dafür sensibilisiert zu werden. Jedoch gibt es in Deutschland meistens nur segregative Maßnahmen zur Einführung in die deutsche Sprache. Obwohl Deutschland ein Land ist, das die Klassen sehr stark homogenisiert, gibt es immer noch viele Beschwerden von Seiten der Lehrerschaft zu diesem Thema. Dementsprechend können auch viele Lehrer nicht mit einer heterogenen Klasse umgehen.188 Die Migration189 und damit verbunden die Einwanderungspolitik hat in Deutschland schon in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts begonnen und dauert bis heute an. Damals wurden Verträge mit Ländern wie zum Beispiel Italien, Spanien, der Türkei oder Jugoslawien geschlossen, um Gastarbeiter für Deutschland anzuwerben. Oft sind diese Gastarbeiter geblieben, so dass ihre ganze Familie nach Deutschland kam und die Kinder die deutschen Schulen besuchten. Neben den Nachkommen der Gastarbeiter gehören zu den Migrantenkinder in Deutschland Kinder von Aussiedlern oder auch Flüchtlinge jeglicher Art. Deutschland ist ein Einwanderungsland, wodurch das Schulwesen sich mit vielen verschiedenen Kulturen und sehr heterogenen Klassen auseinandersetzen muss.190 Die Politik in Deutschland versucht, allen Schülern eine Chancengleichheit zu gewähren. Die Eltern und Lehrer erkennen die Chance der Bildung und geben ihre Schüler meist in eine Schulform, die den Schülern nicht gerecht wird. Ihnen ist bewusst, dass den Kindern mit einem höheren Abschluss mehr Wege im Berufsleben offen stehen. So sind heutzutage viele Schüler, die früher auf die Hauptschule gegangen wären, auf der Realschule und die Schüler die auf 188 Reich 1996, S.28/29 189 Kommt aus dem lateinischen und bedeutet „Wanderung“ 190Diefenbach, Heike: Kinder und Jugendliche aus Migrantenfamilien im deutschen Bildungssystem- Erklärungen und empirische Befunde; 2.aktualisierte Auflage, Wiesbaden 2008, S.19/20. 79 die Realschule gegangen wären auf dem Gymnasium.191 Dies’ führt jedoch auch dazu; dass innerhalb der Klasse eine sehr starke Heterogenität innerhalb des Leistungsniveaus vorhanden ist. Forschungen haben ergeben, dass besonders die Kinder aus Familien mit geringer Bildung kaum eine Chance in unserem Bildungssystem haben. Oft haben die Eltern zu wenig Geld, um ihre Kinder zu fördern. Die Kinder befinden sich in einer Spirale, aus der sie nur schwer wieder herauskommen. Laut einer Studie verlassen die Migrantenkinder doppelt so häufig die Schule ohne Abschluss; als die Kinder deutscher Familien. 192 Besonders in Hessen sorgt die Bildungspolitik im Bezug auf die Integration von Migranten immer wieder für Diskussionen. In kaum einem anderen Bundesland ist die Gruppe der Risikoschüler so hoch wie in Hessen. Dies’ betraf im Jahre 2002 32,7% aller 15-jährigen Schüler und Schülerinnen in Hessen.193 Die Regierung hat mit Schulabgängern ohne Schulabschluss und schlechten PISA-Ergebnissen zu kämpfen. Die Integrationsfähigkeit von Schülern mit Migrationshintergrund wird immer wieder angezweifelt. Die Leistungsstreuung ist in Hessen sehr hoch, wie man anhand der Abbildung VI im Anhang auf Seite 105 erkennen kann. Chancengleichheit ist demzufolge für Kinder mit Migrationshintergrund kaum gegeben.194 Wie schon erwähnt, wurde in Deutschland nach dem PISA-Test mit Erschrecken festgestellt, dass die Kinder der Familien mit Migrationshintergrund besonders benachteiligt sind. Anhand der PISA- Ergebnisse lässt sich feststellen, dass vor allem Kinder mit einem hohen sozialen Gradienten, d.h. einem besonderen kulturellen- sozio-ökonomischen Hintergrund innerhalb der Lesekompetenz schlecht abschneiden. Die Abbildung VII auf Seite 106 im Anhang verdeutlicht die Situation. Hessen 191 Overesch, Anne: Wie die Schulpolitik ihr Probleme (nicht) löst: Deutschland und Finnland im Vergleich (Internationale Hochschulschriften; Bd. 492); Münster / New York/ München/ Berlin 2007, S.62. 192Grundsätze moderner Bildungspolitik, Berlin, 14.06.2004;in: http://www.hayek- kreis.de/pdf/statements/Statements%2014.06.04.pdf (eingesehen am 10.08.09, 14:50 Uhr) 193 Overesch, Anne: Wie die Schulpolitik ihr Probleme (nicht) löst: Deutschland und Finnland im Vergleich (Internationale Hochschulschriften; Bd. 492); Münster / New York/ München/ Berlin 2007, S. 154. 194 Vgl. Abbildung VI: „Leistungsstreuung der Bundesländer Deutschlands und ausgewählte OECD-Statten“ im Anhang auf Seite 105. 80 liegt dabei in einem Feld, in dem der soziale Gradient besonders hoch ist und die Leistungen sehr schlecht.195 Als Maßnahme gegen diese prekäre Situation hat Hessen als eines unter wenigen Bundesländern ein Integrationsprogramm gestartet. Schüler mit Migrationshintergrund und zu wenig Deutschkenntnissen bekommen vor der Einschulung einen neunmonatigen Sprachkurs. Am Ende dieses Sprachkurses findet für alle Schüler ein Test statt. Wenn sie den Test nicht bestehen, werden sie nicht eingeschult und müssen den Kurs wiederholen. So soll garantiert werden, dass nur Schüler mit guten Deutschkenntnissen in die Schule kommen.196 Allerdings können die Kinder den Test nur einmal wiederholen, sind dann die Kenntnisse immer noch nicht ausreichend für das Bestehen des Testes, werden sie dennoch eingeschult. Weitere Maßnahmen liegen dann in den Händen der Eltern und eine weitere Förderung könnte nur außerhalb der Schule entstehen, wofür die Eltern meist kein Geld aufbringen können. Auf die Muttersprache wird dabei keine Rücksicht genommen. Die Schüler werden nicht gezielt gefördert, sondern alle in einem Kurs. Auffällig ist dabei, dass die Schüler zwar die Grundschule auf fast dem gleichen Leistungsniveau durchlaufen wie ihre einheimischen Mitschüler, aber ihre Leistungen sich ab der fünften Klasse erheblich verschlechtern.197 Die Idee des Deutschtestes vor der Einschulung ist eine Möglichkeit um die Integration und damit Chancengleichheit von Kindern mit Migrationshintergrund zu verbessern, wenn sie sich nicht so schnell im Sand verlaufen würde. Die Schüler lernen als Kleinkinder die deutschen Wörter, die sie für die Einschulung benötigen, aber danach sind sie oft auf sich alleine gestellt. Besonders in ihren Familien wird selten Deutsch gesprochen, was auch dazu führt, dass ihre Spracherfolge schnell wieder nachlassen. Des Weiteren haben diese Schüler oft Freunde aus demselben sozio-kulturellen Kreis, weshalb auch innerhalb der eigenen Clique wenig Deutsch gesprochen wird. Für die Lehrer ist der Kontakt mit den Eltern problematisch. Die Eltern 195 Vgl. Abbildung VII: „Zusammenhang zwischen sozialen Gardienten und Lesekompetenz innerhalb der Bundesländer in Deutschland“ im Anhang auf Seite 106. 196Erst Deutsch, dann Schule - Wie Integration in Hessen gelingt; in: http://www.roland- koch.de/druckansicht-artikel-1144414958.html (eingesehen am 10.04.2010, 17:00 Uhr) 197Erst Deutsch, dann Schule - Wie Integration in Hessen gelingt; in: http://www.roland- koch.de/druckansicht-artikel-1144414958.html (eingesehen am 10.04.2010, 17:00 Uhr) 81 verstehen oft nur wenig Deutsch, was dazu führt, dass nur ein sehr geringer Kontakt entsteht. Eine gezielte kostengünstigere bundesstaatliche Förderung im Bereich Spracherwerb in der Erwachsenenbildung gibt es in Hessen nicht. Aufgrund ihrer schlechten Deutschkenntnisse, fällt es diesen Schülern besonders schwer, deutsche Texte zu lesen. Anhand der PISA-Studie konnte ermittelt werden, dass 27% aller Schüler und Schülerinnen in Hessen Texte nicht sinnerfassend lesen können.198 Das hessische Kulturministerium hat sich mit der Problematik beschäftigt und vier prägnante Ziele199 verfasst, wovon ich hier nur das zweite Ziel vorstellen werde, da dieses sich auf die Integration von sogenannten Risikogruppen bezieht. Das Hessische Kultusministerium will einen Stand in den Schulen erreichen, welcher das Leseverhalten der Schüler verbessern soll. Dabei werden schon in den Grundschulen Reformen eingeführt. Innerhalb der Sekundarstufe I sollen regelmäßig die Lernstände der Schüler kontrolliert werden. Hinzu kommt, dass jede Schule ein Leseförderungskonzept aus den Ergebnissen ableiten soll.200 Zudem will der Staat in Absprache mit den Schulen mehr Lehrkräfte einsetzen, umso die Schulen mit Risikoschülern zu unterstützen. Die Lehrer tragen eine größere Verantwortung für den Schulerfolg dieser Schüler. Sie sollen ihnen mehr denn je helfen, dass verstehende Lesen und Schreiben zu erlernen, um ihnen so die Integration in die Gesellschaft so leicht wie möglich zu machen. Des Weiteren werden die Schüler auch mit außerschulischen Förderzentren in Verbindung gesetzt.201 Um diese Punkte zu erfüllen, setzt sich das Amt für Lehrerbildung (AfL) für mehr Fortbildungen im Gebiet der Lese- und Schreibförderung ein. Zur Überprüfung sollen am Ende des neunten Jahrgangs Lesetests durchgeführt und ausgewertet werden.202 198Hessisches Kultusministerium: strategische Ziele zur hessischen Schulpolitik, in: http://www.hkm.hessen.de/irj/HKM_Internet?cid=71e7e5aa258fb8c6ceba5a0d9732e28 (eingesehen am 20.05.2010, 17:18 Uhr) 199Ebd. 200Hessisches Kultusministerium: strategische Ziele zur hessischen Schulpolitik, in: http://www.hkm.hessen.de/irj/HKM_Internet?cid=71e7e5aa258fb8c6ceba5a0d9732e28 (eingesehen am 20.05.2010, 17:18 Uhr) 201 Ebd. 202 Ebd. 82 PISA-E (nationale Ergänzungsstudie zu PISA) belegt, dass die Kinder mit Migrationshintergrund im Osten Deutschlands wesentlich besser abschneiden, als die im Westen. Kann man deswegen sagen, dass Integration und Chancengleichheit auch in Deutschland funktionieren kann? Obwohl PISA die Gruppe von Schülern mit Migrationshintergrund aus den neuen Bundesländern kontinuierlich ausklammert, da es angeblich zu wenige wären und sie somit nicht ins Gewicht fallen würden, sind es dennoch circa 20.000 Schüler mit einem Migrationshintergrund im Osten. In Brandenburg hatten 2003/04 circa 43,8 % der Schüler mit einem Migrationshintergrund einen Abiturabschluss. Jedoch sollte man die Hintergründe dessen genauer betrachten. Karin Weiss stellt einige Hypothesen auf, die mit dem guten Abschneiden der Migrantenkinder im Osten Deutschland zusammenhängen können. Zunächst einmal ist der Anteil von Schülern mit Migrationshintergrund mit rund 2% im Osten Deutschlands sehr gering. Dadurch gibt es auch kaum Städte mit Wohnbezirken, in denen ausschließlich Schüler mit Migrationshintergrund eines Landes leben. Die Schüler sind somit im regelmäßigen Kontakt zu den einheimischen Mitschülern. Hinzu kommt, dass auch mehr als Dreiviertel der Zuwanderer einen hohen Bildungsabschluss besitzen. Die meisten Einwanderer gab es zu Zeiten der DDR. Häufig waren diese Einwanderer aus dem osteuropäischen oder asiatischen Raum, hatten einen hohen Bildungshintergrund und waren gewillt, ihre Kinder in Sachen Bildung stark zu unterstützen. Des Weiteren war das gut ausgebaute Vorschulsystem der DDR ausschlaggebend dafür, dass die Kinder schon früh mit der deutschen Sprache in Verbindung kamen und sie so einfacher erlernen konnten. Aufgrund der geringen Anzahl an Schülern mit Migrationshintergrund war es möglich, mehr individuelle Förderung für die Schüler mit Migrationshintergrund und deren Familien zu leisten.203 Die Chancengleichheit und Integration von Schülern mit Migrationshintergrund im Osten Deutschlands ist an viele Bedingungen geknüpft, welche im Westen Deutschlands nicht gegeben sind. Die Qualität des 203Weiss, Karin: Ausländische Schüler in den neuen Bundesländern- eine Erfolgsstory Auernheimer, Georg/ Jansen, Dorothea (Hrsg.): Schieflagen im Bildungssystem: die Benachteiligung der Migrantenkinder; 2. Ausgabe, überarb. und erw. Aufl., Wiesbaden 2006, S.180/184/185/188/189. 83 Unterrichtens unterscheidet sich kaum von der Qualität des Unterrichtens im Westen. Hessen und ganz Deutschland müssen sich mit den schlechten PISA- Ergebnissen und immer mehr Heterogenität in den Klassen auseinandersetzten. Dabei sollte vor allem dem Spracherwerb mehr Bedeutung beigemessen werden. Abschließend möchte ich mich der Aussage von Rauschenbach anschließen: „Obgleich Bildung, wie man vor allem am Beispiel Migration und Schule sehen kann, gegenwärtig eher als faktischer Produzent, oder vorsichtiger: als ein Verstärker von sozialen Ungleichheit fungiert, kann sie als tragfähige Zukunftsressource nur dann wirksam werden, wenn es gelingt, sie stärker als bisher zu einem Motor von Gerechtigkeit, Teilhabe und Befähigung werden zu lassen“204 204 Rauschenbach, Thomas: Zukunftschance Bildung : Familie, Jugendhilfe und Schule in neuer Allianz, Weinheim/München 2009, S.66 84 7. Perspektiven und Herausforderungen Durch die schlechten PISA-Ergebnisse wird der Druck auf Reformen immer größer. Infolge dessen sollen die Reformen ein selbstbestimmendes und selbstverantwortliches Leben ermöglichen, die Zuständigkeiten für innere Schulangelegenheit auf Akteure vor Ort legen, die Qualität- und Leistungsstandards verbessern und mehr Transparenz schaffen. Sybille Volkholz205 sieht das Problem der deutschen Schulen im Artikel Sieben des Grundgesetztes. Dieser erklärt den Staat als Träger und Verantwortlichen für die Schulen. Problematisch ist dabei, dass sich die Qualität und Arbeit der Schulen zunehmend verschlechtert. Nichtsdestoweniger fordert sie kein dezentrales Schulsystem, wie es in Schweden seit Jahrzehnten existiert, sondern ein Schulsystem, aus dem sich der Staat etwas zurückzieht, indem er nur die Rahmenbedingungen für die Bildung stellt und die Finanzierung dessen sichert. Die Kommunen und Gemeinden sollen die Gestalter der Schulen sein, während der Staat als Beobachter ihre Rechte schützt.206 Doch das deutsche Schulsystem hat mit weiteren Problemen zu kämpfen. Immer wieder in der Kritik steht die frühe Aufteilung der Kinder auf die verschiedenen Schultypen. Oft kann man nach der vierten Klasse noch nicht wissen, wie sich das Kind in der weiteren Schullaufbahn entwickeln wird. Eine mögliche Lösung aus der Misere Bildung können Ganztagsschulen nach dem schwedischen Modell, welches scheinbar die Fehler der Halbtagschule vermeidet und für die deutschen Schulen neue Hoffnung bringt, sein.207 Nun stellt sich mehr denn je die Frage, ob die Gesamtschule in der Lage ist, Chancengleichheit oder zumindest eine Verringerung der Ungleichheit herbeizuführen? Sicherlich bietet die Gesamtschule viele Vorteile, vor allem durch die geringe Selektivität des Systems ist mehr Chancengleichheit geben. Während besonders Kinder mit Migrationshintergrund und Kinder von Arbeiterfamilien im dreigliedrigen Schulsystem benachteiligt werden, gibt es 205 Diplom Soziologin und Mitglied im Beirat Bildung und Erziehung der Stiftung Brandenburger Tor. 206 Volkholz, Sybille: Autonomie von Schulen- Verantwortung für die nächste Generation; in: Döbert, Hans: Bildung vor neuen Herausforderungen: historische Bezüge, rechtliche Aspekte, Steuerungsfragen, internationale Perspektiven; Hermann Avenarius zum 65. Geburtstag gewidmet, Beitr. teilw. dt., teilw. engl., Neuwied / Kriftel 2003, S.141-147. 207 Rauschenbach 2009, S.51. 85 in der Gesamtschule keine Selektivität nach sozialer Herkunft. Dennoch steht das System oft in der Kritik die Begabungen einzelner Schüler nicht fördern zu können und somit eine breite Masse Schulabgänger zu haben, die zu wenig Fachwissen besitzen. Während die starke Chancengleichheit in Schweden in der Kritik ist, steht die deutsche Bildungspolitik vor der Herausforderung die Chancengleichheit zu erhöhen, oder wenigstens die Ungleichheit zu reduzieren. Möglich Faktoren um die Ungleichheit zu reduzieren können allein schon institutionelle Veränderungen, wie zum Beispiel der gemeinsamen Schulzeit oder die bessere Durchlässigkeit zwischen den Schultypen sein.208 Dabei ist die Debatte um Einheitsschule keine neue, schon in den siebziger Jahren gab es intensive Diskussionen dazu. Die Ausgangslage hat sich allerdings geändert. PISA hat gezeigt, dass in den deutschen Schulen eine besonders starke soziale Selektivität existiert. Sehr stark sind Kinder mit Migrationshintergrund benachteiligt. Jedoch nehmen die Familien mit Migrationshintergrund in den nächsten Jahren nicht ab, sondern eher zu. Es werden immer mehr Schüler mit Migrationshintergrund in ein Schulsystem geschickt, was nicht auf ihre Bedürfnisse abgestimmt ist. War es in den siebziger Jahren noch das „katholische Arbeitermädchen vom Lande“, welches deutlich benachteiligt war, sind es heute die Kinder mit Migrationshintergrund. Denn der Erfolg einer guten Bildung ist heute mehr denn je abhängig von Demografie, Armut, soziale Ungleichheit und vor allem Migration. Im Gegenteil dazu verzeichnet Schweden ein vielleicht sinnvolleres, aber auf jeden Fall effektiveres System. Die Schüler werden in der „grundskola“ für neun Jahre unterrichtet, bevor man sie in verschiedenen Schultypen aufteilt. Kinder mit Migrationshintergrund werden gefördert um die Integration in die Gesellschaft zu erleichtern. Während das deutsche System mehr Chancenungleichheit fördert, schafft das schwedische System eine Grundlage, auf der die Chancengleichheit gedeihen kann. Einmal im halben Jahr gibt es in der Schule ein sogenanntes Planungs- und Entwicklungsgespräch zwischen Eltern, Lehrer und Schüler. Dessen Ziel es ist, die Stärken des Schüler in den Vordergrund zu rücken und nicht die Schwächen. Es gibt es keinen 208 Kopp 2009,S.90 -112. 86 Notendruck, da Zeugnisse erst ab der achten Klasse verteilt werden. Die Schüler haben kaum Möglichkeiten sich untereinander zu messen. Niemand wird aufgrund schlechter Leistung diskriminiert. Die Eltern haben durch die halbjährlichen Gespräche immer eine Kontrolle über die Ergebnisse der Kinder. Entscheiden für den Erfolg Schwedens Bildungswesens ist die Art zu Lernen. Es geht nicht um Leistungen, sondern um den Schüler selbst. Er steht im Mittelpunkt des Unterrichts und niemand verlangt von ihm im Akkord zu lernen. Das was man in Deutschland als „Bulimie-lernen“ bezeichnet, ist in Schweden gänzlich unbekannt. Hinzu kommt eine Teamarbeit, zwischen dem Lehrpersonal, den Schülern und den Eltern, die Vorbildcharakter hat. Die Schule ruht sich nicht auf der guten Ausbildung des Lehrpersonals aus, sondern auch Hilfslehrer, Sonderpädagogen, Dolmetscher, Sozialpädagogen oder Krankenschwester spielen im Schulalltag eine entscheidende Rolle und tragen zum Erfolg dessen bei.209 Sollte sich Deutschland nun an diesem Bildungssystem ein Vorbild nehmen? Die Bildungspolitik Deutschlands hat noch einige schwierige Aufgaben vor sich. Die Bevölkerung in Deutschland wird in den nächsten Jahren weniger, älter und bunter. Angesichts dessen, scheinen die aktuellen Reformen des Kultusministeriums in Hessen, erste positive Ansätze zu sein, um das Leistungsniveau der Schüler mit Migrationshintergrund zu verbessern. Ähnlich wie in Schweden versucht man nun die Schüler mit gezielter Förderung zu besseren Leistungsbeständen zu verhelfen. Problematisch ist aber, dass diese Förderung zu kurz geschieht. Inwieweit dieses System dennoch Erfolg bringt, wird sich allerdings erst in den nächsten Jahren zeigen. Doch auch das schwedische Bildungssystem scheint zu bröckeln. Schweden hat sich in den letzten Jahren auf den guten Ergebnissen der Schulleistungsstudien ausgeruht, so dass die letzten PISA-Ergebnisse wesentlich schlechter waren. Kritik bekommt das Schulsystem besonders an der großen Wahlfreiheit in der „gymnasieskola“ und den Schulabgängern mit zu wenig Fachwissen. Angesichts dessen hat die Regierung die Konsequenzen gezogen. Die Schulinspektionen sollen daher öfter stattfinden und auch die 209 Schäfers, Heidemarie: Das lernende Idividuum oder wie wird eingentlich gelernt? ; in: Höhmann, Katrin/ Kopp, Rainer/ Schäfers, Heidemarie/ Demmer, Marianne (Hrgs.): Lernen über Grenzen- Auf dem Weg zu einer Lernkultur, die vom Individuum ausgeht; Opladen/Farmington Hills 2009,S. 50. 87 Notengebung erfolgt nun schon ab der sechsten Klasse. Schweden hat das Problem einer breiten gut ausgebildeten Bevölkerung, aber keiner ausgezeichneten Fachwissenschaftlern.210 Dennoch kann man sagen, dass Deutschland einiges von Schweden lernen kann. Vorteilhaft wäre mehr Autonomie für die einzelnen Schulen, jedoch ohne ein so stark dezentrales System wie in Schweden einzuführen. Ein besonderes Augenmerk sollte Deutschland auf die vorschulische Förderung in Schweden werfen. Schweden besitzt schon seit den achtziger Jahren ein sehr breit und durch strukturiertes Vorschulangebot. Auch Deutschland hat die Chance in der frühkindlichen Förderung erkannt und begonnen das vorschulische Angebot auszuweiten. Wichtig für die Zukunft des deutschen Bildungswesens ist das ganzheitlich Denken des schwedischen Schulwesens zu übernehmen. Denn das Denken in Schubladen muss aufhören, man darf nicht mehr versuchen das Kind in ein Muster einzuordnen, sondern man soll es als ein Individuum wahrnehmen. Nur so kann man Chancengleichheit erreichen. Deutschland hat noch einige Hürden auf dem Weg zur Chancengleichheit zu überwinden, aber die Ergebnisse der PISA-Studie 2006211 lassen auf einen Fortschritt hoffen. Abschließen möchte ich mit einem Zitat von Hanna Ahrendt, welche die Verantwortung, die Bildung mit sich bringt passend erfasst hat: „Wer die Verantwortung für die Welt nicht mit übernehmen will, soll keine Kinder zeugen und darf nicht mithelfen, Kinder zu erziehen“212 (Hanna Ahrendt) 210 Ratzi 2009, S.177. 211 Vgl. Prenzel, Manfred u.a.(Hrsg.): PISA 2006 : die Ergebnisse der dritten internationalen Vergleichsstudie; PISA-Konsortium Deutschland, Münster/ New York /München/ Berlin 2007. 212 Volkholz 2003, S.150. 88 8. Literaturverzeichnis Andersen, Uwe/Wichard Woyke (Hrsg.): Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland; Bundeszentrale für politische Bildung 2003, 5., aktual. Aufl. 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Anhang Tabelle I: Ausschnitt Ergebnisse PISA 2006 Quelle: Prenzel, Manfred u.a.(Hrsg.): PISA 2006 : die Ergebnisse der dritten internationalen Vergleichsstudie; PISA-Konsortium Deutschland, Münster/ New York /München/ Berlin 2007, S.229. 98 Tabelle II: Sozialer Gradient in PISA 2006 im internationalen Vergleich Quelle: Prenzel, Manfred/ Artelt, Cordula/ Baumert, Jürgen/ Blum, Werner/ Hammann, Marcus/ Klieme, Eckhard/ Pekrun, Reinhard (Hrsg.): PISA 2006 - Die Ergebnisse der dritten internationalen Vergleichsstudie, Zusammenfassung ;PISA-Konsortium Deutschland; in: http://www.ipn.uni-kiel.de/pisa/zusammenfassung_PISA2006.pdf(eingesehen am: 12.05.2010, 16:45 Uhr) 99 Abbildung I: Perzentile Quelle: Prenzel, Manfred u.a.(Hrsg.): PISA 2006 : die Ergebnisse der dritten internationalen Vergleichsstudie; PISA-Konsortium Deutschland, Münster/ New York /München/ Berlin 2007, S.53. 100 Abbildung II: Das Bildungssystem in der Bundesrepublik Deutschland 1989 Quelle: Anweiler, Oskar/ Fuchs, Hans-Jürgen/ Dorner,Martina/ Petermann, Eberhard (Hrgs.): Bildungspolitik in Deutschland 1945-1990- Ein historisch- vergleichender Quellenband; Opladen 1992, S. 530. 101 Abbildung III: Das Bildungssystem in der DDR 1989 Quelle: Anweiler, Oskar/ Fuchs, Hans-Jürgen/ Dorner, Martina/ Petermann, Eberhard (Hrgs.): Bildungspolitik in Deutschland 1945-1990- Ein historisch- vergleichender Quellenband; Opladen 1992, S. 531. 102 Abbildung IV: Das Bildungssystem Schwedens im Überblick Quelle: Döbert, Hans: Deutschland; in: Döbert, Hans(Hg.): Die Schulsysteme Europas : Albanien, Andorra, Armenien, Belgien, Bosnien-Herzegowina, Bulgarien, Dänemark, Deutschland ... ; Grundlagen der Schulpädagogik , Bd. 46, Baltmannsweiler, 2004,S.112. Abbildung V: Das Bildungssystem der Bundesrepublik Deutschland im Überblick Quelle: Bildungssystem Deutschland; in: :http://www.hanse 103 -parlament.eu/mediabig/386A.pdf (eingesehen am 104 Abbildung VI: Leistungsstreuung der Bundesländer Deutschlands und ausgewählte OECD-Statten Quelle: Baumert, Artelt, Klieme, Neubrand, Prenzel, Schiefele, Schneider, Schümer, Stanat,Tillmann, Weiß (Hrsg.): PISA 2000 - Die Länder der Bundesrepublik Deutschland im Vergleich, Zusammenfassung zentraler Befunde; Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, Berlin, 2002; in: http://www.mpib-berlin.mpg.de/pisa/PISA_E_Zusammenfassung2.pdf (eingesehen am 22.05.2010, 18:31) 105 Abbildung VII: Zusammenhang zwischen sozialen Gardienten und Lesekompetenz innerhalb der Bundesländer in Deutschland Quelle: Overesch, Anne: Wie die Schulpolitik ihr Probleme (nicht) löst: Deutschland und Finnland im Vergleich (Internationale Hochschulschriften; Bd. 492); Münster / New York/ München/ Berlin 2007, S.121.