Dagmar Bussiek, Simona Göbel (Hrsg.) Kultur, Politik und Öffentlichkeit Festschrift für Jens Flemming kassel. university press Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar ISBN print: 978-3-89958-688-6 ISBN online: 978-3-89958-689-3 URN um:nbn:de:0002-6893 2009, kassel university press GmbH, Kassel www.upress.uni-kassel.de Umschlaggestaltung: Jörg Batschi Grafik Design, Kassel Umschlagbild: Titelblatt der Zeitschrift ,,Das Karusell" 1. Jg. Folge 1 (1946) von Arnold Bode, Kassel Druck und Verarbeitung: Digital Print Group, Erlangen Printed in Germany Inhalt 5 Vorwort Teil 1: Öffentlichkeit in der Vormoderne 13 Alkibiades und die athenische Öffentlichkeit DOROTHEA ROHDE 35 Die Standeserhebung des Rechtsprofessors Bartolomeo Cipolla. Venedig auf dem Reichstag von Regensburg 1471 INGRID BAUMGÄRTNER 68 Paraguay als Argument. Die europäische Debatte über Freiheit und Gehorsam im 18. Jahrhundert RENATEDüRR 84 Rechtsgeschichte - Mediengeschichte. Zur Bedeutung der juristischen Fachzeitschrift als Steuerungs- und Orientierungsmedium für Rechtsverständnis und Rechtspraxis im 18. Jahrhundert WERNER FAULSTICH 97 Was geschah mit den Schädeln Jastrams und Schnitgers? Anmerkungen zur Vergangenheitspolitik des Hamburger Rats im 18. Jahrhundert aus aktuellem Anlass MANFRED ASENDORF 114 Dorothea Friderika Baldinger (1743-1786). Eine "Intellektuelle" der Aufklärung? HEIDE WUNDER Teil 2: Der Siegeszug der Öffentlichkeit im "langen" 19. Jahrhundert 134 "Option gegen den Westen". Anfänge eines politischen Schlüsselworts zwischen Revolution und "Neuer Ära" in Preußen BARBARA VOGEL 156 Die Zaunkönige des Verfassungssystems. Kleinstaaten im Föderalismus des frühen Deutschen Kaiserreichs MARKusBERNHARDT 170 Kaiser-Wilhelm-Denkmal kontra Säuglingsheim. Wohlfahrtseinrichtungen in Heinrich Manns Kaiserreich- Trilogie CHRISTINA VANJA 185 Ehe, "Freie Liebe", Prostitution. Sexualethische Debatten und Kontroversen in der bürgerlichen Frauenbewegung um 1910 KERSTIN WOLFF 201 "Erziehung zu geschichtlichem Denken" bei Gerhard Ritter. Aus der Frühzeit eines .Nationalpädagogen" als Geschichtsdidaktiker in Kassel ULRICH MAYER 215 Die athenische Demokratie in Schulbüchern des kaiserlichen Deutschlands unter Wilhelm 11. BJÖRNONKEN 230 Kolonialismus im völkischen Diskurs UWE PUSCHNER Teil 3: Öffentlichkeit in Krise und Umbruch: Vom Ersten Weltkrieg bis zur doppelten deutschen Staatsgründung 244 Face ä I '«Allemagne eternelle», Maurras et r Allemagne de la naissance de r Action francaise ä la Premiere Guerre mondiale (mit deutscher Zusammenfassung) MICHEL GRUNEWALD 266 Die "Deutsche Zeitung" 1917-1918. Präfaschistische Öffentlichkeit am Ende des Kaiserreiches DIRK STEGMANN 289 Medienkritik und Kulturprotestantismus. Buch- und Filmkritik in der "Christlichen Welt" der Weimarer Republik HANS MANFRED BOCK 323 .Zedakah", Ein Spiegel der jüdischen Wohlfahrt in der Weimarer Republik SIMONA GöBEL 339 "Das Ethos reiner Fraulichkeit". Die "Frankfurter Zeitung" und die Rolle der Frau im Nationalsozialismus DAGMAR BUSSIEK 2 355 "Die Tochter des Samurai". Deutsch-japanische Filmproduktionen in der NS-Zeit HANS-JOACHIM BIEBER 378 ,,Das Karussell". Eine literarische Zeitschrift der Nachkriegszeit DIETFRID KRAUSE-VILMAR 391 Erinnerungen an eine untergegangene Welt: Eva Ehrenberg HELMUTH SCHNEIDER Teil 4: Zwei deutsche "ÖtTentlichkeiten"? Bundesrepublik und DDR 1949-1989 410 "Schicksalsfragen der Gegenwart" (1957-1961). Ein Sammelwerk der Inneren Führung der Bundeswehr als Schlüsseldokument einer Sozialgeschichte der Ideen in der Bundesrepublik AXEL SCHILDT 428 Fußball, Politik und Identität an der Saar nach dem Zweiten Weltkrieg. - Was heißt und zu welchem Ende studiert man Sportgeschichte? DIETMAR HÜSER 446 ,,Mit Hut, Charme und Diplomatie." Zum Verhältnis von Weiblichkeit und Öffentlichkeit, Integration und Partizipation in der direkten Nachkriegszeit: Die Regierungspräsidentin Theanolte Bähnisch (1899-1973) NADINE FREUND 465 Um gleiche Chancen für Schiene und Straße. Die Öffentlichkeitsarbeit der Bundesbahn in den 1950er Jahren FLORIAN CEBULLA 482 Der Journalist als Politiker. Die Polen-Berichterstattung von Hansjakob Stehle und die Anfänge der "Neuen Ostpolitik" der Bundesrepublik Deutschland GUIDO THIEMEYER 497 Die SPD-Frauenzeitschrift "Die Gleichheit". Ihre Beurteilung durch die deutsche(n) Geschichtswissenschaft(en) MIRJAM SACHSE 513 Hermann Henselmann. Architektur und Öffentlichkeit im sozialistischen Deutschland MARTIN BOBER 3 TeilS: Geschichte und Gesellschaft im öffentlichen Diskurs 527 Der Nachbau des Berliner Schlosses. Ein Lehrstück über den öffentlichen Umgang mit Geschichte GERHARD HENKE-BOCKSCHATZ 542 Alte Geschichte und "neue" Historiker in Israel MOSHE ZIMMERMANN 556 Antisemitismus: links, rechts und in der Mitte EIKEHENNIG 575 Der öffentliche Umgang mit der NS-Vergangenheit am Beispiel des Konzentrations- und Arbeitserziehungslagers Breitenau GUNNAR RICHTER 592 Anti-Soziologie JOHANNES WEIß 603 Europas mühsame Suche nach einer Verfassung. Hilfe aus Australien? HORST DIPPEL 620 Making History. Überlieferungsbildung und Geschichtsschreibung PAULINE PUPPEL 635 Bibliographie von Jens Flemming 647 Über die Autorinnen und Autoren 658 Tabula gratulatoria 4 Ingrid Baumgärtner Die Standeserhebung des Rechtsprofessors Bartolomeo Cipolla Venedig auf dem Reichstag von Regensburg 1471 und die Türkengefahr Am Mittag des 16. Juni 1471, einem Sonntag, näherten sich etwa 2.800 Reiter der Reichsstadt Regensburg.' Ein knappes Drittel der Gruppe stellte der aus Graz kom- mende Kaiser Friedrich 111. mit seinem Gefolge von rund 860 Berittenen. Auf dem letzten Wegstück gaben ihm wichtige Fürsten mit ihren Gefolgsmännern das Geleit, der mächtige Erzherzog Sigmund von Tirol mit fast 450 Reitern, der politisch ambitionierte Herzog Albrecht IV. von Oberbayern mit knapp 500 Reitern und der einflussreiche Herzog Ludwig IX. von Bayern-Landshut, der mit 1.000 Mann zu Pferd alle übertraf und seinem Beinamen ,der Reiche' alle Ehre machte. Mehr als 1.200 Be- rittene sollen dem Zug zudem aus der Stadt entgegengekommen sein, nicht nur die Vertreter der Regensburger Bürger, sondern auch zahlreiche Fürsten, die sich bereits zum Reichstag versammelt hatten und seit Wochen ungeduldig auf das Eintreffen des Königs warteten. Es muss ein eindrucksvoller Zug gewesen sein, In dessen Gedränge auch drei venezianische Gesandte in die Reichsstadt an der Donau einzogen, der Diplomat Giovanni Aymo, der erfahrene Sondergesandte Paolo Morosini und der Paduaner Universitätsprofessor Bartolomeo Cipolla. Laut einer Instruktion des venezianischen Senats2 hatten sie ihr gemeinsames Gefolge auf dreißig Reiter zu beschränken und be- scheiden aufzutreten; mit insgesamt sechzig Pferden überschritten sie deutlich diese Vorgaben. Den drei Delegierten war wohl die Erleichterung darüber anzumerken, nach I Deutsche Reichstagsakten, hrsg. durch die Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Ältere Reihe: Bd. 22,2, bearb. von Helmut Wolff, Göttingen 1999, Nr. Gb (I-HI) M2 f.2b, Würzburger Relation f. 6b, Patrizi f. 37b-38a, vgl. Beilage A, S. XX u. S. 472f. Vgl. auch Johannes Janssen: Frankfurts Reichscorrespondenz nebst anderen verwandten Actenstücken von 1376-1519,2 Bde., Freiburg i. Br. 1863-1872, Bd. 2, Nr. 431. Der vorliegende Beitrag ist eine überarbeitete und deutlich erweiterte Version eines Vortrags, der auf Italienisch anIässlich der Tagung ,,Bartolomeo Cipolla, giurista veronese dei quattrocento, tra cattedra, foro ed attivitä politica" in Verona vom 14. bis 16. Oktober 2004 gehalten wurde; vgl. Ingrid Baumgärtner: Bartolomeo Cipolla, Venezia e il potere imperiale: politica e diritto nel contesto della Dieta di Ratisbona (1471), in: Giovanni Rossi (Hrsg.): Bartolomeo Cipolla: un giurista veronese dei Quattrocento tra cattedra, foro e luoghi dei potere, Atti dei convegno, intemazionale di studi (Verona, 14-16 ottobre 2004), Padua 2009, S. 277-316. 2 Deutsche Reichstagsakten, Bd. 22,2 (wie Anm. 1), Nr. 104 b 1 vom 15. April 1471, S. 389: ,,reducite familias vestras ad numerum triginta equorum ad sumrnum inter vos tres omnibus computatis." 35 massiven Verzögerungen endlich zusammen mit dem Herrscher, der viel zu spät zu dem für den Johannistag am 23. April einberufenen Reichstag aufgebrochen war, in den Tagungsort einzureiten. Die Serenissima hatte ihnen in den letzten Wochen immer wieder drängende Depeschen geschickt: Sie sollten das Zustandekommen des Großen Christentages mit allen Kräften unterstützen, um ein gemeinsames Handeln der europäischen Mächte und der Reichsstände gegen die Türken zu ermöglichen. Kurz nach dem freudigen Einzug in die Reichstagsstadt dürfte die Schreckensmeldung des Senats vom 10. Juni angekommen sein, dass die Osmanen erneut bis Laibach im Herzogtum Krain vorge- drungen seien. Die Gesandten sollten die drohenden Gefahren von Blutrünstigkeit, Grausamkeit und Perversion auf dem Reichstag wortreich schildern, um den lang er- strebten allgemeinen Kreuzzug gegen die Türken zu erwirken.' Bartolomeo Cipolla war nicht der einzige Rechtsgelehrte in dieser Ansammlung ehrenwerter Entscheidungsträger, zumal sich die Juristen in Friedrichs Regierungszeit gleichsam als eine reichsübergreifende gesellschaftliche Gruppe etablieren konnten." Ihre Präsenz unterstrich die politische und kulturelle Bedeutung solcher Reichstage und untermauerte die dort getroffenen Entscheidungen. Fürsten und Städte waren deshalb gezwungen, juristisch ausgebildete Räte zu den Verhandlungen zu senden. Ohnehin beschäftigten sich die meisten bekannten Juristen der Zeit nicht nur mit Ge- setzgebung, Rechtsunterricht und Rechtsgutachten, sondern auch mit diplomatischen Missionen und Politik. 3 Deutsche Reichstagsakten, Bd. 22,2 (wie Anm. 1), Nr. 104 b 4 vom 10. Juni 1471, S. 390: .vobls tarnen mittimus presentibus introclusa exempla complurium litterarum nuntiantium descensum Turchorum in Lubianam et miserabilem factam christianorum trucidationem, villarum incendium et provinciarum, quas discurrere, depopulationern". Zum Bild der Türken in Venedig vgl. Paolo Preto: Venezia e i turchi (Pubblicazioni della facoltä di magistero dell'Universitä di Padova 20), Florenz 1975, S. 23-66; allgemein zum Türkenbild im damaligen Europa vgl. Peter Thorau: "Turci ante portas". Der osmanische Angriff auf Unteritalien 1480/81, in: Sabine Penth u.a. (Hrsg.): Europas Grenzen (Limites 1), St.lngbert 2006, S. 93-118. 4 Paul-Joachim Heinig: Friedrich 1Il. (1440-1493), in: Bemd Schneidmüller / Stefan Weinfurter (Hrsg.): Die deutschen Herrscher des Mittelalters. Historische Portraits von Heinrich I. bis Maximilian I. (919-1519), München 2003, S. 495-517, hier S. 496; Paul-Joachim Heinig: Gelehrte Juristen im Dienst der römisch- deutschen Könige des 15. Jahrhunderts, in: Hartrnut Boockmann u.a. (Hrsg.): Recht und Verfassung im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit, 1. Teil: Bericht über Kolloquien der Historischen Kommission zur Erforschung der Kultur des Spätmittelalters 1994 bis 1995, Göttingen 1998, S. 167-184. 36 Die Forschungen zu Bartolomeo Cipolla konzentrierten sich bisher weitgehend auf seine Aktivitäten als Universitätslehrer, Gutachter' und Statutenreforrner in Norditalien; sein Auftrag als venezianischer Gesandter auf dem Reichstag von Regensburg wurde allenfalls kurz erwähnt, obwohl er dort in das kaiserliche System der Verpflichtung durch Rangerhöhung eingebunden wurde. Überdies war gerade dieser so genannte "Große Regensburger Christentag" von Juni bis August 1471 nicht nur eine der wichtigsten Reichsversammlungen des 15. Jahrhunderts, sondern durch die Teilnahme verschiedener Delegationen aus Italien (Venedig, Mailand, Neapel), den Königreichen Ungarn, Polen und Böhmen (eingeladen auch Dänemark) sowie der päpstlichen Kurie auch ein europäisches Ereignis, das noch dadurch an Gewicht ge- wann, dass Kaiser Friedrich IH. nach 27 Jahren erstmals wieder persönlich an einer Reichsversammlung außerhalb seiner Erblande teilnahm." Aufgrund der breiten Beteiligung und einer anwachsenden Schriftlichkeit in diesen Jahrzehnten ist die Überlieferungslage recht günstig. Zum äußerst gut besuchten Regensburger Türkentag (etwa 7.000 Gäste mit über 8.000 Pferden) liegt erstmals eine so detaillierte Protokollführung vor, dass die meisten Vorgänge gut nachvollziehbar und viele der Teilnehmer namentlich zu fassen sind. Drei Berufsschreiber schildern zudem Ablauf und Organisation der Veranstaltung aus ihrer Perspektive, nämlich Agostino Patrizi, Sekretär des päpstlichen Legaten, Kardinals und Erzbischofs von Siena Francesco Todeschini-Piccolomini, der Regensburger Stadtschreiber Konrad Platterberger (in drei Versionen) und der Sekretär der fürstbischöflichen Gesandtschaft aus Würzburg.' Erhalten sind ferner Teile der Korrespondenz, darunter die Instruktionen Venedigs, und einige Rechenschaftsberichte verschiedener Gesandt- 5 Ingrid Baumgärtner: Rechtsnorm und Rechtsanwendung in der venezianischen Terraferma des 15. Jahrhunderts: Die Consilia von Bartolomeo Cipolla, in: Ingrid Baumgärtner (Hrsg): Consilia im späten Mittelalter. Zum historischen Aussagewert einer QueUengattung,Sigmaringen 1995, S. 79-111. Vgl. auch Ingrid Baumgärtner: Stadtgeschichte und Consilia im italienischen Spätmittelalter. Eine Quellengattung und ihre Möglichkeiten, in: Zeitschrift für Historische Forschung 17,2 (1990), S. 129-154, besonders S. 140-148 und S. 152f.; Ingrid Baumgärtner: Consilia - Quellen zur Familie in Krise und Kontinuität, in: Peter-Johannes Schuler (Hrsg.): Die Familie als sozialer und historischer Verband. Untersuchungen zum Spätmittelalter und der frühen Neuzeit, Sigmaringen 1987, S. 43-66, hier S. 60. 6 Heinig: Friedrich 111. (wie Anm. 4), S. 503. 7 Deutsche Reichstagsakten, Bd. 22,2 (wie Anm. 1), Nr. Gb (1-111) S. 567ff., 572ff. und 576ff.; vgl. Ebenda, Beilage A, S. XIX-XXIX zur chronologischen Abfolge der Ereignisse nach den fünf Berichten der drei Schreiber. Zum Bericht von Agostino Patrizi vgJ. Hans Kramer: Agostino Patrizzis Beschreibung der Reise des Kardinallegaten Francesco Piccolomini zum Christentag in Regensburg 1471, in: Leo Santifaller (Hrsg.): Festschrift zur Feier des zweihundertjährigen Bestandes des Haus-, Hof- und Staatsarchivs, Bd. 1 (Mitteilungen des österreichischen Staatsarehivs Erg.-Bd. 11/1), Wien 1949, S. 549-565. 37 schaften. Insgesamt lässt sich somit ein recht anschauliches Bild von den Aktivitäten der drei venezianischen Teilnehmer rekonstruieren, auch wenn deren vor dem maggior consiglio geforderter schriftlicher Endbericht" nicht überliefert ist. Auf dieser Quellenbasis zu analysieren sind im Folgenden vor allem die organisatori- schen Rahmen- und Kommunikationsbedingungen, die Wirkungsmöglichkeiten und Handlungsspielräume, der zeremonielle Rang und die Ehrungen der drei veneziani- schen Botschafter im Umfeld des Reichstags. Diese Komplexe sind mit Blick auf den Rechtsprofessor Bartolomeo Cipolla und seine verschiedenen Standeserhebungen durch Kaiser Friedrich 111. in vier Schritten zu erörtern: erstens die Vorgeschichte einschließlich der venezianischen Teilnehmer des Regensburger Reichstags, zweitens die organisatorischen und kommunikativen Tücken der Anreise, drittens das Vorgehen und politische Scheitern der venezianischen Gesandten auf dem Reichstag sowie viertens die Bedeutung von Rang und Rangerhöhungen im Gefolge des Kaisers. 1. Vorgeschichte und venezianische Protagonisten des Reichstags Der glanzvolle .Friedensreichstag'" vom Sommer 1471 eröffnete für Kaiser Friedrich 111. nach einer ersten Phase der Rührigkeit mit neuen Programmen (von 1440 an) und einer zweiten Phase der Krisen im Reich (1453-1470) gleichsam einen dritten Herr- schaftsabschnitt, in dem er sich "gegen innere wie äußere Herausforderungen behaup- tete und das Reich gleichsam wider Willen mcdernisiertev.!" Verbunden war dies mit energischen Versuchen, ausstehende Kriegsleistungen einzutreiben und die Ver- 8 Zur Verpflichtung der Gesandten, zumindest seit 1425 einen schriftlichen Endbericht innerhalb von zwei Wochen nach ihrer Rückkehr in die Heimat vorzulegen, vgl. Donald E. Queller: Early Venetian Legislation in Ambassadors (Travaux d'humanisme et renaissance 88), Genf 1966, Nr. 49, S. 86; Christina Lutter: Politische Kommunikation an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit. Die diplomatischen Beziehungen zwischen der Republik Venedig und Maximilian I. (1495-1508), Wien / München 1998, S. 21f.; Christina Lutter: Bedingungen und Formen politischer Kommunikation zwischen der Republik Venedig und Maximilian 1., in: Rainer C[hristoph] Schwinges / Klaus Wriedt (Hrsg.): Gesandtschafts- und Botenwesen im spätmittelalterlichen Europa (Vorträge und Forschungen 60), Ostfildem 2003, S. 191-223, hier S. 195f.; Donald E. Queller: The development of Ambassadorial Re1azioni, in: John Rigby Hale (Hrsg.): Renaissance Venice, London 1973, S. 174-196, besonders 184ff. 9 Zum Begriff Reichstag vgl. Peter Moraw: Hoftag und Reichstag von den Anfängen im Mittelalter bis 1806, in: Hans-Peter Schneider / Wolfgang Zeh (Hrsg.): Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland. Ein Handbuch, New York 1989, S. 3-47; Peter Moraw (Hrsg.): Deutscher Königshof, Hoftag und Reichstag im späteren Mittelalter (Vorträge und Forschungen 48), Stuttgart 2002; Gabriele Annas: Hoftag - Gemeiner Tag - Reichstag. Studien zur strukturellen Entwicklung deutscher Reichsversammlungen des späten Mittelalters (1349-1471) (Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 68), 2 Bde. und CD-Rom, Göttingen 2004, Bd. 1, S. 61-72 und S. 123-136. 10 Heinig: Friedrich 111. (wie Anm. 4), S. 496. 38 pflichtungen aller Reichsangehörigen zu aktivieren. Bereits auf der recht erfolglosen Reichsversammlung von Regensburg 1454 hatte der abwesende Friedrich III. nach dem Fall von Konstantinopel 1453 zusammen mit dem Papst einen Türkenkreuzzug unter Errichtung eines Landfriedens fordern lassen, den die Reichsfürsten nicht unter- stützten. Für den Reichstag von 1471 hatte der Kaiser seine Präsenz zugesagt, um sich persönlich für ein gemeinsames Unternehmen zu engagieren." Welche Rolle spielte dabei Venedig? Und warum wurde der gebürtige Veroneser Bartolomeo Cipolla für eine solche Delegation ausgewählt? Der Kaiser hatte die Lagunenstadt zuletzt auf seiner im Spätherbst 1468 angetretenen Romwallfahrt besucht, um die Türkenabwehr und die Hussitenbekämpfung zu erörtern. Venedig dürfte zu diesem Zeitpunkt in der italienischen Diplomatie recht isoliert gewesen sein, da es nicht nur mit dem neuen Papst Paul 11., einem gebürtigen Venezianer, sondern auch mit Mailand und Florenz in offener Feindschaft lebte. Deshalb konnte es seine Kreuzzugspläne gegen die seit kurzem Spalato und Zara in der dalmatischen Adria bedrohenden Osmanen nicht realisieren. Bereits am 3. Dezember hatte Friedrich 111. auf dem Weg nach Roml2 zwölf namentlich leider nicht bekannte venezianische Gesandte zu ersten Gesprächen in Padua empfangen.l ' In Venedig bewohnte er dann von seiner Ankunft am 7. Februar 1469 an für zwölf Tage den Palast von Borso d'Este, damals Marchese von Ferrara und Herzog von Modena und Reggio Emilia.14 Er besichtigte Sehenswürdigkeiten (wie den Fondaco dei 11 Paul-Joachim Heinig: Kaiser Friedrich 111. (1440-1493). Hof, Regierung und Politik (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters 17), Köln / Weimar / Wien 1997, S. 1374. Zum Ablauf des Reichstags vgl. die alte Beschreibung von Jakob Reissermayer: Der große Christentag zu Regensburg 1471, Teil 1-2, Regensburg 1887-1888. 12 In Rom weilte er vom 24. Dezember bis 9. Januar 1469. Ausführlich beschrieben ist die Reise bei Johann Rainer: Die zweite Romfahrt Kaiser Friedrichs 111., in: Reinhard Härtel (Hrsg.): Geschichte und ihre Quellen. Festschrift für Friedrich Hausmann zum 70. Geburtstag, Graz 1987, S. 183-190; vgl. auch Johann Rainer: L'imperatore Federico 111 e i suoi viaggi aRoma, in: Clio. Rivista trimestrale di studi storici 24 (1988), S. 455- 468, hier S. 463-467. 13 Ludwig von Pastor: Geschichte der Päpste seit dem Ausgang des Mittelalters, Bd. 2, 13. unveränderte Auflage Freiburg i. Br. / Rom 1955, S. 401f. Zum Aufenthalt von 1452 und Anhang 90, S. 771; Rainer: Die zweite Romfahrt (wie Anm. 12), S. 183; Rainer: L'imperatore (wie Anm. 12), S. 464. 14 Zur Beschreibung des Wilwolt von Schaumburg vgl. Adalbert von Keller (Bearb.): Die Geschichten und Taten Wilwolts von Schaumburg (Bibliothek des Literarischen Vereins in Stuttgart 50), Stuttgart 1859, S. IOf.; vgl. Heinrich Ulmann: Der unbekannte Verfasser der Geschichten und Thaten Wilwolt's von Schaumburg, in: Historische Zeitschrift 39 (1878), S. 193-229; Sven Rabeler: Niederadlige Lebensformen im späten Mittelalter. Wilwolt von Schaumberg (um 1450-1510) und Ludwig von Eyb d.J. (1450-1521) (Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte. Reihe IX, 53), Würzburg 2006, S. 105f. u. passim; Zu Venedig vgl. P. Ghinzoni: Federico 111. imperatore a Venezia (7 al 19 Febbrajo 1469), in: Archivio Veneto 37, fase. 73 (1889), S. 133-144 mit dem Bericht der zwei Mailänder Gesandten über Borso d'Este, der von Papst Paul 11. 1471 auch zum Herzog von Ferrara ernannt wurde, hier S. 135: .alogiarä nela caxa delo illustrissimo duca de Modena, la 39 Tedeschi, Kirchen, Klöster und das Arsenal) und kaufte Reliquien. Am Faschings- sonntag besuchte er den großen Maskenball im Dogen-Palast, wo er in Gegenwart der blutjungen Königin von Zypern Caterina Cornaro zu Rechten des wenig beliebten Dogen Cristoforo Moro saß.15 Trotz der repräsentativen Verpflichtungen ruhten die politischen Aufgaben nicht: Der Kaiser belehnte seinen langjährigen Gelehrten Rat Johannes Hinderbach, bereits seit zwei Jahren Bischof von Trient, endlich mit den Temporalien'", erhob den Maler Gentile Bellini zusammen mit anderen lokalen Größen zum Ritter und Pfalzgrafen'" und führte vor allem Gespräche über die Türken- abwehr, die nur im Zusammenwirken aller europäischen Territorien erfolgreich sein konnte. Hatte der allseits geachtete Bartolomeo Cipolla bereits in Padua oder Venedig den Kaiser gesehen oder sogar an Verhandlungen und Sitzungen teilnehmen dürfen? Wurde er vielleicht sogar gemeinsam mit dem Maler Gentile Bellini zum Ritter und Pfalzgrafen erhoben? Hinweise in diese Richtung liefern zwei kurze, aber höchst auf- schlussreiche Berichte von Augenzeugen in einer Veroneser Handschrift. Ein gewisser Nicolaus und ein Neffe des Juristen beschreiben dort erstaunlich genau die Feierlich- keiten, die sich im Februar des Jahres 1469 in Venedig abgespielt haben sollen.l" Der erste Akt fand, Nicolaus zufolge, am 6. Februar 1469, einem Montag, zur dritten Nachtstunde im Kloster Santo Spirito in Isola bei Venedig statt. Es war der Abend vor dem offiziellen Einzug Friedrichs III. in die Lagunenstadt. Bei dieser Gelegenheit soll Bartolomeo Cipolla, zusammen mit seinen drei Brüdern und seinen Söhnen, zum quale etanto bene aparata, quanto dire si possa" und S. 137: .poi aconze li strate insino a la cassa deI duca de Modena, et la cassa benissimo hornata a roba asaj"; Rainer: Die zweite Romfahrt (wie Anrn. 12), S. 186f.; Rainer: L'imperatore (wie Anm. 12), S. 466f. 15 Vgl. Heinrich Kretschmayr: Geschichte von Venedig, Bd. 2, Gotha 1920, S. 366f. zu diesem Dogen, der bis November 1471 seines Amtes waltete. Vgl. Ghinzoni (wie Anm. 14), S. 140; Rainer: Die zweite Romfahrt (wie Anm. 12), S. 187; Rainer: L'imperatore (wie Anm. 12), S. 467. 16 Vgl. Ghinzoni (wie Anm. 14), S. 141 mit dem Bericht des Mailänder Gesandten; Rainer: Die zweite Romfahrt (wie Anm. 12), S. 183ff.; Danie1a Rando: Dai margini 1a memoria. Johannes Hinderbach (1418-1486) (Annali dell'Istituto storico italo-germanico in Trento. Monografie 37), Bologna 2003, S. 127-250. 17 Zu Bellini vgl. Kretschmayr (wie Anm. 15), S. 522; Jürg Meyer zur CapelIen: Gentile Bellini, Stuttgart 1985, S. 14, 107 und 116f. mit der Dokumentation der Erhebung zum Pfalzgrafen und eques am 13. Februar 1469, die in einer Notariatsurkunde des Jahres 1501 erwähnt wird. 18 Verona, Biblioteea Comunale, Ms. 1393, f. 166v-167r: .Nicolaus notavit". Die zweite, nachfolgende Anmerkung verdanken wir einem Neffen des Bartolomeo Cipolla (,,ipse dominus Bartholomeus mihi avunculus"). Vgl. Gian Maria Varanini: Bartolomeo Cipolla e I'ambiente veronese: tra status sociale e istituzioni municipali, in: Giovanni Rossi (Hrsg.): Bartolomeo Cipolla: un giurista veronese del Quattrocento tra cattedra, foro e luoghi deI potere. Atti deI convegno, intemazionale di studi (Verona, 14-16 ottobre 2004), Padua 2009, S. 105-147. Ich danke Gian Maria Varanini für seinen Hinweis auf die beiden unedierten Quellen, deren Transkription er mir zur Verfügung stellte. 40 Pfalzgrafen geschlagen worden sein.19 Gemäß dem Bericht war auch Paolo Morosini zugegen, der den Paduaner Zivilrechtsprofessor und angeblichen Konsistorialanwalt dem Kaiser präsentierte; die Namen der zahlreichen Zuschauer wusste der Augen- zeuge nicht zu benennen. Der Neffe des Veroneser Juristen beschreibt in der zweiten Passage eine Zeremonie, die anscheinend genau eine Woche später am Montag, den 13. Februar, im Palast von Borso d'Este stattfand/" Zwei Stunden vor Sonnenuntergang soll der auf einem er- höhten Thron sitzende Friedrich III. nicht nur den Trienter Bischof Johannes Hindebach mit den Temporalien investiert, sondern, wie der Neffe ausführt, auch Bartolomeo zum Ritter, genauer mi/es oder eques auratus, geschlagen haben.i' Mehrere angesehene venezianische Patrizier, vor allem die Ritter Zaccaria Barbaro, Paolo Morosini und Giovanni Memmo, sollen den Juristen in Gegenwart des venezianischen Adels präsentiert haben. Es überrascht allerdings, dass der Augen- zeuge diese Szene vor dem feierlichen Einzug des Kaisers nach Venedig erzählt, bei dem ihm der von 200 Patriziern begleitete Doge am 7. Februar bis Santo Spirito ent- gegenkam. Unabhängig davon, ob es sich nun um dieselbe oder um zwei verschiedene Episoden handelt, ob Bartolomeo gemäß Nicolaus nur zum Pfalzgrafen oder dem Neffen zufolge zum Ritter erhoben wurde, hätte man sich keinen größeren Erfolg des Juristen vor- stellen können. Freilich war bekannt, dass Friedrich III. auf jeder Etappe seiner Reisen 19 Verona, Biblioteca Comunale, Ms. 1393, f. 166v-167r: .Nicolaus notavit" und ,,Nota quod Federicus tertius imperator die sexta mensis februarii et die lune 1469 ingressus est monasterium Sancti Spiritus prope Venetias. Nota quod eodem die hora 3a noctis dominus Bartholomeus Cepolla de Verona iuris utriusque doctor et advocatus cosistorialis iuris civilis ordinariam publice legens in florentissimo Gymnasio paduano creatus fuit comes palatinus cum tribus fratribus et filüs ipsius, tantum a maiestate eiusdem imperatoris Venetiis in monasterio predicto, presente et ipsum presentante domino Paulo Mauroceno et aliis quampluribus quorum nomina me latent et me etiam in eodem monasterio esistente". 20 Varanini (wie Anm. 18) beschreibt in seinem Artikel die Kontakte zwischen dem Marchese und Bartolomeo schon in den 60er Jahren, als Borso d'Este ihm am 17. Novembre 1463 ein Haus in Padua verkaufte. Vgl. Archivio di Stato di Venezia, Consiglio dei Dieci, Misti, reg. 16, f. l04r. 21 Verona, Biblioteca Comunale, Ms. 1393, f. 166v-167r: ,,Nota preterea quod die 13a eiusdem mensis et millesimi 1469 ipse dominus Bartholomeus mihi avunculus creatus fuit miles idest eques auratus a maiestate predicti imperatoris in Venetiis in domo marchionis Ferarie ubi imperator tune habitabat super tribunali existente hora 22a, postquarn episcopus Tridentinus habuit ab eodem imperatore merum et mixtum imperium in temporalibus et spiritualibus imperatorique presentatus fuit ipse dominus Bartholomeus ut miles crearetur per magnificum militem dominum Zachariam Barbaro et dominum Paulum Mauroceno et dominum Ioannem Memmo militem et per quamplures alios Venetos nobilissimos, presente tota et spectante Venetorum dominatione. Hoc itaque prenotato, quod die 7 -dettura incerta> et die martis intravit Venetias cum maxima pompa triumpho et honore; dux namque et princeps Venetiarum cum ducentis nobilibus Venetis ipsi imperatori obviaverunt usque ad Sanctum Spiritum et cum eo una in navi Venetias intrarunt, mille navibus et toto ut ita dixerunt orbe concomitante, et me iterum presente". 41 durch Italien Grafen und Ritter in großer Anzahl kreierte.22 Vielleicht war dies der Grund, warum die Erhebung des Rechtsprofessors nur in diesem Veroneser Manuskript, das der häufig zitierten Cipolla-Familie zweifellos nahe zu stehen scheint, erwähnt wird. Nur die lokale Chronistik bestätigt noch die Standeserhebung, deren Gunst in anderer Form anlässlich derselben Gelegenheit zwei weiteren Veronesern zuteil wurde.23 Das Diplom selbst scheint nicht auffindbar, sei es verloren oder wegen der zahlreichen Aspiranten nie ausgestellt worden. Letztlich unterrichten uns die Depeschen der in Venedig weilenden Mailänder Gesandten über die Eile, mit der der Kaiser die Lagunenstadt am 19. Februar 1469 verließ.24 Nur wenig später verschlechterte sich die politische Lage. Im Frühjahr 1469 drangen die Osmanen weiter in venezianische und österreichische Gebiete vor und gelangten bis zur Laibacher Pforte, einem wichtigen Alpendurchgang. Sofort kontaktierten die Venezianer die vorrangig betroffenen Mächte, den Kaiser und den ungarischen König Matthias Corvinus, der gerade mit großem Kraftaufwand und unterstützt von der Kurie den böhmischen .Ketzerkönig" Georg Podiebrad bekriegte. Anfang Mai 1469 ent- sandte der Kaiser einen Boten nach Venedig, um die dortige Entscheidung über sein Angebot, eine Liga zu gründen, einzuholen. Als Antwort schickte Venedig Ende Juni den mit genauen Instruktionen ausgestatteten Giovanni Aymo an den kaiserlichen Hof in Wien, um von dort aus zusätzlich die ungarischen Angelegenheiten zu regeln. Nach weiteren Türkeneinfällen in Istrien und der ungarischen Besetzung Triests änderte der Senat seine Beschlüsse: Aymo sollte an den ungarischen Hof überwechseln, während ein gewisser Giovanni zum Kaiser entsandt wurde. Helmut Wolff identifiziert ihn mit Joannes Gonella, einem der 28 Sekretäre von Zehnerrat und Senat, die von etwa 1460 22 Vgl. Achim Thomas Hack: Der Ritterschlag Friedrichs III. auf der Tiberbrücke 1452. Ein Beitrag zum römischen Krönungszeremoniell des späten Mittelalters, in: Nikolaus Staubach (Hrsg.): Rom und das Reich vor der Reformation (Tradition - Reform - Innovation. Studien zur Modernität des Mittelalters 7), Frankfurt a. M. 2004, S. 197-236, hier S. 219f. zu den zahlreichen Rittererhebungen während der Reise nach Rom zur Kaiserkrönung im Jahre 1452. 23 Cronaca di Anonimo Veronese 1446-1488, hrsg. von Giovanni Soranzo, Venezia 1915, S. 259: ,,EI ditto imperatore in Roma fece de molti cavalieri et partendosi da Roma per venire verso Venetia in ogni terra feee divitia de cavalieri e dotori. (...) e poi gionto a Venetia ehe fu adi 8 de febraro MCCCCLXVIIII dove per la Signoria li fo fatto quello honore ehe mai fusse possibile; ne la qual terra stette fino a 1iXVIII dei ditto mexe e in ditta terra anco fece piü cavalieri e dottori e tra li altri de Verona feee miser Bartholomio Cevola cavaliere e conte, miser Thomaso dei Migli e miser Iacomo de Fiorio. E 10 ditto imperatore per la via ehe havea fatto a venire in Italia per quella anco ritornö in Alemagna a di come sopra". Ich danke Gian Maria Varanini für den freundlichen Hinweis. 24 Vgl. Ghinzoni (wie Anm. 14), S. 143 mit einem Schreiben des Gesandten Micheie Colli an den Herzog von Mailand: ,,Dominicha 19 dei presente alle 23 hore in grande fretta questa Sacra Mayestä parti de qua, acompagnata dal principe e tuta la Signoria". 42 an für ständige Gesandtschaften eingesetzt wurden.f Dieser Wechsel der Gesandten entsprach den Neuerungen in der Diplomatie dieser Jahre, als sich die Kontakte zwischen den Mächten intensivierten, ständige Vertretungen aufkamen und man die Taktiken des Verhandelns ausarbeitete.i" Dabei wurden die entscheidenden Verhand- lungen nicht von ständigen Vertretern, sondern von Sondergesandten hohen und höchsten Standes geführt." Noch größeren Schrecken löste die türkische Eroberung Negropontes (Euböa), des venezianischen Handelsmittelpunktes in der Levante, im Juli 1470 aus; Aymo wurde wieder an den Kaiserhof delegiert, um ein großes Türkenaufgebot zu erwirken.f Den venezianischen Reichstagsakten zufolge hatte er einen beachtlichen Anteil an der Ein- berufung des Regensburger Reichstages, den der Kaiser am 22. Dezember 1470 ver- künden ließ. Anfang April konnte sich Venedig für den Auftritt auf der dieta sive conventus christianorum principum rüsten. Zur Unterstützung von Aymo, der dem Kaiser nicht von der Seite weichen sollte, ernannte man zwei weitere Gesandte, die sich direkt zum Tagungsort begeben und dort das Eintreffen der kaiserlichen Fraktion abwarten sollten. 29 Die Wahl fiel auf zwei unterschiedlich qualifizierte Vertreter, auf ein diplomatisch versiertes Mitglied des venezianischen Adels " und auf den führenden Rechtsprofessor der Landesuniversität.31 Der Adlige Paolo Morosini war höchst gebildet und rhetorisch begabt. Er korrespon- dierte mit bedeutenden Persönlichkeiten seiner Zeit (wie mit dem betagten deutschen 25 Deutsche Reichstagsakten, Bd. 22,2 (wie Anm. 1), S. 278-306, besonders S. 281, 298-306. 26 Vgl. Fritz Trautz / Dieter Girgensohn I Francoise Aijtrand / Paolo Margaroli: Art. Gesandte, B. Mittel- und Westeuropa I-IV, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 4, München I Zürich 1989, Sp. 1367-1373; Paul-Joachim Heinig: Rörnisch-deutscher Herrscherhof und Reichstag im europäischen Gesandtschaftssystem an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit, in: Schwinges / Wriedt (wie Anm. 8), S. 225-263; Fritz Ernst: Über Gesandtschaftswesen und Diplomatie an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit, in: Archiv für Kulturgeschichte 33 (1951), S. 64-95, hier S. 65. 27 Ernst (wie Anm. 26), S. 89 unterscheidet drei Grundtypen von Delegationen, erstens zur "Übermittlung einer Mitteilung oder ein(es) Verhandlungsthema(s)", zweitens zu Verhandlungen, deren Dauer nicht nur vom Thema, sondern auch von äußeren Faktoren (wie hier dem Reichstag) abhing, und drittens den in der Mitte des 15. Jahrhunderts allmählich beginnenden Austausch ständiger Gesandtschaften. 28 Deutsche Reichstagsakten, Bd. 22,2 (wie Anm. 1), S. 307-320, S. 359f. und S. 379ff. 29 Deutsche Reichstagsakten, Bd. 22,2 (wie Anm. 1), S. 359f. und S. 386ff.; vgl. Annas (wie Anm. 9), Bd. 2, S. 463 zur Delegation des Dogen. 30 Vgl. Heinig (wie Anm. 11), S. 536, S. 1397 und S. 1416. Zu einigen zu Beginn des 15. Jahrhunderts in der Politik tätigen Familienmitgliedern vgI. Dieter Girgensohn: Kirche, Politik und adelige Regierung in der Republik Venedig zu Beginn des 15. Jahrhunderts (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 118), Teilbd. 2, Göttingen 1996, S. 909-935. 31 O. Ruffino: Cipolla (Caepolla, Cepola, Cepolla, Cevola, Zevola), Bartolomeo (Bartolomeo da Verona, Bartholomaeus Veronensis), in: Dizionario Biografico degli Italiani 25, Roma 1981, S. 710; Annalisa Belloni: Professori giuristi a Padova nel secolo XV. Profili bio-bibliografici e cattedre (Ius comune. Sonderhefte 28), Frankfurt a. M. 1986, S. 153-161; Heinig (wie Anm. 11), S. 522, 536f., 1393 und 1416f. 43 Juristen Gregor Heimburg, einem exkommunizierten Verfechter des Konzialiarismus, und einem Gelehrten Rat Georgs von Podiebrad'f) und kannte die diplomatischen Regeln sehr genau. Um 1468 hatte er als venezianischer Gesandter in Rom angeblich seinen Freund Kardinal Bessarion zur kostbaren Schenkung von 900 lateinischen und griechischen Werken an die venezianische Republik überredet.33 Dem Kaiser dürfte Morosini bereits seit 1454 bekannt gewesen sein, als er ihm den von Francesco Sforza restituierten Besitz des Castel Caorso nahe Cremona bestätigter'? Im Jahre 1461 spielte er eine maßgebliche Rolle bei der Beilegung der Auseinandersetzungen zwischen Venedig und Kaiserin Eleonore um Pordenone; von diesem Zeitpunkt an war er einer der bevorzugten Vermittler des Kaisers in Venedig." Ihm war deshalb im Februar 1469 auch die Aufgabe zugekommen, Bartolomeo Cipolla dem Kaiser für die Standeserhebung zu präsentieren. Sein Reisegenosse Bartolomeo Cipolla war nicht nur der bekannteste Rechtslehrer der venezianischen Universität auf der Terraferma, sondern auch eloquent und ambitioniert. Die Zusammensetzung der Delegation war recht geschickt; sie entsprach den Bedürfnissen einer Zeit, in der die Gelehrten Räte immer mehr an politischem Ein- fluss gewannen und es sich keine ernst zu nehmende Herrschaft mehr leisten konnte, den Reichstagsbesuch ohne einen Juristen anzutreten. Die Rollenaufteilung war vorge- geben: Der venezianische Adelige war der offizielle Redner, der berühmte Doktor 32 Morosini teilte ihm noch kurz vor dessen Tod am 19. März 1472 mit, dass er den Jahresumsatz im Fondaco die Tedeschi auf eine Million Dukaten schätzte; vgl. Kretschmayr, Bd. 2 (wie Anm. 15), S. 651. Zur Bekanntschaft oder sogar Freundschaft zwischen Heimburg und Morosini vom Jahre 1461 an vgl. Paul Joachirnsen: Gregor Heimburg (Historische Abhandlungen aus dem Münchner Seminar 1), Bamberg 1891, S. 107, 241-244, 250 und 275 Anm. 1. Zur Person des Georg Heimburg vgl. A[lfred] Wendehorst: Georg Heimburg, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 4, München I Zürich 1989, Sp. 1682f. 33 So festgehalten im feierlichen Schenkungsbrief; vgl. Kretschmayr, Bd. 2 (wie Anm. 15), S. 490. 34 Vgl. Heinig (wie Anm. 11), S. 536; Regesta chronologico-diplomatica Friderici 111. Romanorum Imperatoris (Regis IV.), bearb. von Joseph Chmel, Wien 1838-1840, ND Hildesheim 1962 (www.regesta-imperii.dejv Nr, 3152 vom 18. Januar 1454. 35 Vgl. Heinig (wie Anm. 11), S. 536; Regesta chronologico-diplomatica (wie Anm. 34), Nr, 3885 und Anhang 113, S. CXXXVI-CXXXVIII vom 1. Juli 1461; Regesten Kaiser Friedrichs 111. (1440-1493) nach Archiven und Bibliotheken geordnet, Heft 18: Die Urkunden und Briefe des Österreichischen Staatsarchivs in Wien, Abt. Haus-, Hof- und Staatsarchiv: Allgemeine Urkundenreihe, Farnilienurkunden und Abschriftensarnmlungen (1458-1463), hrsg. von Sonja Dünnebeil und. Paul Herold (Regesta Irnperii, Abt. XIII, 18), Wien I Weimar I Köln 2004, S. 46 u. 184-187, Nr. 238; vgl. Antonia Zierl: Kaiserin Eleonore und ihr Kreis. Eine Biographie (1436-1467), Diss. phil. (masch.) Wien 1966, S. 236-238. 44 gleichsam sein juristisch versierter Beistand, der für die Klarheit und Deutung der rechtlichen Argumentation verantwortlich zeichnete" Allen drei Gesandten erteilte der Senat sehr eindringliche Instruktionen" Sie sollten auf die Abhaltung des Reichstags und das persönliche Erscheinen des Kaisers drängen. Das erklärte Ziel war eine expeditio generalis im Zusammenwirken der veneziani- schen Land- und Seekräfte mit Ungarn, dem Reich und den übrigen Mächten Italiens gegen die Osmanen; mit allen Mitteln wäre der Beschluss einer expeditio particularis zu verhindern. Auch wenn sich die Gesandten sehr bemühten, diesen Vorgaben zuverlässig nachzukommen, mussten sie in der Folgezeit förmlichen Tadel für unge- schicktes Vorgehen einstecken.f Der venezianische Senat hatte nämlich seit dem 15. April 1471 immer wieder anklingen lassen, dass dem Regensburger Reichstag noch eine weitere Versammlung (dieta) in Italien folgen könnte.i" Die offenherzigen Ge- sandten ließen dieses Geheimwissen vorzeitig bei Gesprächen mit dem Reichsober- haupt einfließen, so dass die Sorge aufkam, der Habsburger könnte sich seiner Auf- gabe durch Abwarten entziehen. 2. Organisation und Tücken der Anreise Blicken wir kurz auf einige Begebenheiten der Anreise, die bereits viel über die Machtkonstellationen im Reich aussagen: Die beiden Venezianer hatten sich mit der ersten Instruktion vom 15. April rasch auf den Weg gemacht, um noch pünktlich zur geplanten Eröffnung des Reichstags am 23. April in Regensburg einzutreffen/" Den Zielort erreichten sie aber erst gemeinsam mit dem Kaiser und Giovanni Aymo am 16. 36 Deutsche Reichstagsakten, Bd. 22,2 (wie Anm. 1), Nr. 104 b 1, S. 387: ,Jn hac re nostrum oratorern te quoque mittere voluimus et una tecum famosum doctorem dominum Bartholomeum Cepolla, per quos noster magis animus, nostra dispositio explicatior fiat". 37 Deutsche Reichstagsakten, Bd. 22,2 (wie Anm. 1), Nr. 104 b 1-6, S. 386-392. 38 Deutsche Reichstagsakten, Bd. 22,2 (wie Anm. 1), Nr. 104 b 5-6 und 117 a-b, S. 39lf. und S.763-765; vgl. Ebenda, S. 593. 39 Deutsche Reichstagsakten, Bd. 22,2 (wie Anm. 1), Nr. 104 bl mit Instruktion vom 15. April 1471, S. 388: "Si forte dieta Ratisponensis non perficeretur aut aliquid in ea restaret perficiendum et propterea aut aliquo alio respectu vel causa iudicaretur necessarius novus quispiam conventus in Italia christianorum principum, sicut tempore felicis recordationis pape Pii Mantue vocatus fuit, et per imperatoriam celsitudinem sive aliter aliqua huius rei propositio aut mentio fieret, vos talern opinionem laudate illique adhereatis et suade~." 40 Deutsche Reichstagsakten, Bd. 22,2 (wie Anm. 1), Nr. 104 b 1, S. 387: ,,statutus autem dies erat ad festum s. Georgii proximum (1471 April 23), sed nobis incertum est, utrum prorogatus fuerit terminus." 45 Juni 1471, also zwei Monate später." Welchen Geschäften waren die Gesandten in der Zwischenzeit nachgegangen? Was war in diesen Wochen passiert? In Innsbruck trafen sie am Hof Herzog Siegmunds von Tirol mit dem päpstlichen Legaten Francesco Todeschini-Piccolomini zusammen, für den ein großes Gastmahl nach deutscher Art vorbereitet war.42 Beim gemeinsamen Essen wurden die neuesten Nachrichten ausgetauscht: In Böhmen stand nach dem Tod des .Ketzerkönigs'' Georg von Podiebrad die Wahl eines Nachfolgers an; ein kaiserliches Schreiben benachrichtigte über absehbare Verzögerungen bei der Anreise zum Reichstag. Trotzdem geleitete Siegmund beide Reisegruppen nach nur zwei Ruhetagen bis nach Hall, wo man sich in den künstlich angelegten Thermen vergnügen konnte. Die Italiener befürchteten im wilden Deutschland eine verschärfte Bedrohung durch Wegelagerer und waren überzeugt, wirksamen Schutz allein durch die Fürsten zu erhalten.f Deshalb bevorzugten die Venezianer, deren Vorurteil binnen kurzem bestätigt werden sollte, den deutlich längeren, aber angeblich weniger gefährlichen Wasserweg auf dem Inn. Der Kardinallegat eilte auf dem Landweg über Schwaz und das bereits im Territorium des Landshuter Herzogs gelegene Rattenberg nach Regensburg, wo er am 1. Mai eintraf. Die Venezianer gelangten hingegen in die landesherrliche Stadt Passau am Zusam- menfluss von Inn und Donau, wo sie zusammen mit anderen Delegationen (wie den Ratsgesandten von Würzburg und anderen südwestdeutschen Reichstädten) mit zu- nehmendem Unwillen die hohen Kosten des untätigen Wartens zu tragen hatten. Be- sonders misslich war, dass man ihre Weiterreise mit allen Mitteln verhinderte, um - so ist zu vermuten - aus dem Aufenthalt finanziellen Gewinn zu ziehen. Auf ihren ver- zweifelten Hilferuf an die Signoria folgte ein eindringlicher Bittbrief des Dogen an den regierenden Landesherrn, Herzog Albrecht von Oberbayem, und seine Brüder, um die Diplomaten aus der Notlage zu bcfreien.l" In vorausgehenden Instruktionen vom 28. 41 Deutsche Reichstagsakten. Bd. 22,2 (wie Anm. 1), S. 20 und Nr, 108, S. 472f. (Patrizi f. 37b-38a). 42 Deutsche Reichstagsakten, Bd. 22,2 (wie Anm. 1), Nr. 108, S. 454 und S. 463 (Patrizi f. 29a): ,,splendidum et fande convivium - Germanorum rnore", 3 Deutsche Reichstagsakten, Bd. 22,2 (wie Anm. 1), Nr. 108, S. 454 und S. 464 (Patrizi f. 30a-31b): ,,latrones, quorum ferax Germania est", Zu den Ängsten und dem Misstrauen, berichtet von dem Bischof von Teramo Giovannantonio Campano und vom früheren päpstlichen Privatsekretär Agostino Patrizzi, vgl. auch Kramer (wie Anm. 7), S. 558f. 44 Deutsche Reichstagsakten, Bd. 22,2 (wie Anm. 1), Nr. 104 c 1 vom 29. Mai 1471, S. 393: ,,Destinavimus oratores nostros ad dietam Ratisponae, ut, quantum et ingenio et viribus possumus, rei christiane adversus communem inimicum Turchum presidio simus. et sicut litteris ipsorum oratorum nostrorum ex Patavia 46 Mai 1471 hatte die Serenissima ihren Gesandten eingeschärft, klug zu handeln, um den Hinterhältigkeiten zu entkommen und auf die Eröffnung des Reichstags zu drängen, denn ohne eine allgemeine Versammlung und gemeinschaftliche Verhandlungen sei das zwingend notwendige vereinte Handeln nicht zu realisieren.f Gleichzeitig hatte Giovanni Aymo noch die gesonderte Anweisung erhalten, sich beim Kaiser für die rasche Befreiung seiner Kollegen einzusetzen.t" Am 7. Juni überstellten die beiden in der Stadt Eingeschlossenen ein weiteres Bittgesuch an die bayerischen Herzöge, um für sich und ihre Reisegefährten, für Pferde, Maultiere, Wagen, Satteltaschen und Saumtierlasten freies und sicheres Geleit bis Regensburg zu erlangen.f Aus den für die Jahre 1470 bis 1488 erhaltenen 23 Kammermeisterrechnungen wissen wir, dass der gastgebende Herzog Ludwig IX. von Bayern-Landshut, genannt der Reiche, nicht nur dem Kardinallegaten, den kaiserlichen Räten, dem Kanzler des Pfalzgrafen Matthias von Speyer und den Botschaftern Arag6ns und Ungarns, sondern auch den venezianischen Gesandten Geleit gewährte. Großzügig übernahm er Verpflegungs- und Unterbringungskosten und löste einige Gäste sogar bei den Wirten aus. Auch die "Venediger" befreite er um den 6. Juni unter Zahlung von 4 Pfund 49 Denaren bei einem Gastwirt namens Osterhoffer." Den Venezianern scheint er so ver- intelleximus, structe et parate sunt eisdem insidie, ut non possint sine periculo ex civitate ipsa ad predictam dietam se conferre; quod nobis multiplici ratione auditu molesturn fuit, presertim quoniam ex huiusmodi impedimento tardari possunt provisiones necessario faciende saltern in ea parte, in qua nos opern et operam nostram prest[are po]ssimus. et quoniam magnificentias vestras rerum christianarum studiosa[s] cognovimus et nobis arnicas, potentes preterea et viribus et auctoritate, et hoc et longe maiora facere in nostram gratificationem, illis scribere deliberavimus, et omni quo possumus studio et efficacia rogare, placeat operari et efficere, quod predicti oratores nostri, presidio suo septi et fide publica muniti, ex Patavia Ratisponam tuto accedere possint et ea agere et procurare, que in rem christianam sint." Vgl. Ebenda, Nr. 107 g 7, S. 445 auch den Bericht der Nördlinger Ratsgesandten vom 27. Mai zur Situation des unberechenbaren Wartens in Passau: "Der Venediger botschaft ligen auch treffenIich und costlich hie zu Passaw, haben gleich die mainung von der kaiserI. Maj., die wir haben". 45 Deutsche Reichstagsakten, Bd. 22,2 (wie Anm. I), Nr. 104 b 2 vom 28. Mai 1471, S. 389. 46 Deutsche Reichstagsakten, Bd. 22,2 (wie Anm. I), Nr. 104 b 3 vom 28. Mai 1471, S. 390. 47 Deutsche Reichstagsakten, Bd. 22,2 (wie Anm. 1), Nr. 104 c 2 vom 7. Juni 1471, S. 393: "et supplicamus, ut dignetur pro collega nostro, qui est apud imperialem maiestatern, et pro nobis et sociis nostris et pro equis, maulis, curribus, valisiis, saumis, bulgiis et arnisiis et omnibus a1iisrebus nostris et sociorum salvum conductum Iiberum et tutum gratiose nobis impartiri, ita ut tute, libere et secure sine a1icuius impedimento ad Ratisponam pro rebus christianis ire et redire per quecunque loca vestrarum serenitatum et amicorum et colligatorum vestrorum possimus." 48 München, Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Herzogtum Bayern Ämterrechnungen bis 1506, Nr. 499-521, hier Nr. 501 mit den Rechnungen vom 31. Mai bis 2. September 1471 zum Regensburger Reichstag, f. 6b zu den Venezianern; ediert in: Deutsche Reichstagsakten, Bd. 22,2 (wie Anm. 1), Nr. 128b, S. 902-910, besonders S. 904 zum Hinweg; vgl. Helmut Wolff: "Gemain ussgab ... zu dem kaisserlichen Tag gen Regenspurg" 1471. Aus Landshuter Kammermeisterrechnungen Herzog Ludwigs des Reichen, in: Winfried Müller I Wolfgang J. Srnolka I Helmut Zedelmaier (Hrsg.): Universität und Bildung. Festschrift für Laetitia Boehm, München 1991, S. 101- 111, besonders l06f. Zur Finanzverwaltung des Herzogs vgl. Beatrix Ettelt-Schönewald: Kanzlei, Rat und 47 bunden gewesen zu sein, dass sie (wie nur noch die Botschafter Aragons und zwei Räte Herzog Sigismunds) weiterhin Herberge und Geleit beanspruchen konnten. Nach Ende des Reichstages ließen sie sich am 24. August mit 14 Pfund 82 Denaren bei Wilhelm Scharschacher auslösen; für ihr Geleit wendete der Herzog nochmals 14 Rheinische Gulden auf.49 Am 8. Juni waren Morosini und Cipolla endlich aus ihrer misslichen Lage befreit. Gemeinsam mit dem Passauer Bischof Ulrich von Nussdorf, der auf kaiserlichen Be- fehl ihre Sicherheit garantierte'", dürften sie in das südlich von Schärding gelegene Obernberg am Inn aufgebrochen sein, um den Kaiser zu empfangen." Das ange- spannte Warten des Rechtsgelehrten fand einen vorerst glücklichen Ausgang, allenfalls gepaart mit der Verblüffung, dass der Habsburger zusammen mit Herzog Ludwig dem Reichen von Bayern-Landshut am späten Nachmittag des 13. Juni wenig ritterlich in einer zweisitzigen Kutsche in Schärding einfuhr. Denn seit Beginn der siebziger Jahre bevorzugte Friedrich III. auf langen Strecken in Begleitung eines Vertrauten zu reisen, um die beim Reiten auftretenden Schmerzen des arteriosklerotisch bedingten Alters- brandes an Füßen und Beinen zu vermeiden. Die beiden Venezianer konnten sich also rechtzeitig mit dem Gefolge des Kaisers ver- einigen und zusammen mit dem bis auf 2.000 Reiter anwachsenden Tross die letzte Wegstrecke in mehreren Tagesritten bewältigen, um prunkvoll in die Reichstagsstadt einzuziehen. Die Unterbringung aller Delegierten war genau geplant; der schriftlich fixierte Einquartierungsplan informiert uns über die Zuweisung der Beherbergungs- plätze an etwa 7.250 Besucher und deren 8.125 Pferde sowie über die Namen der Regensburger Quartiergeber.f Die Venezianer, untergebracht in zwei Abteilungen in Regierung Herzog Ludwigs des Reichen von Bayern-Landshut (1450-1479) (Schriftenreihe zur Bayerischen Landesgeschichte 97,1), Bd. 1, München 1996, S. 332-346. 49 München, Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Herzogtum Bayern Ämterrechnungen bis 1506, Nr. 499-521, hier Nr. 501 mit den Rechnungen vom 31. Mai bis 2. September 1471 zum Regensburger Reichstag, f. 6b; vgl. Deutsche Reichstagsakten, Bd. 22,2 (wie Anm. 1), Nr. 128b, S. 910. 50 Deutsche Reichstagsakten, Bd. 22,2 (wie Anm. 1), Nr. 104 b 6 vom 22. Juni 1471, S. 392. 51 Deutsche Reichstagsakten, Bd. 22,2 (wie Anm. 1), Nr. 107 g 8 vom 11. Juni 1471, S. 445: "u. gn. h. von Passaw ist auch uff den samstag vor datum dis briefs zu Passaw usgeritten dahin gen Obernberg uff dem In gelegen in willen, daselbst der kaiserl. Maj. zu warten". Der Kaiser hatte in mehreren Briefen darum gebeten, sein Eintreffen abzuwarten, vgl. Deutsche Reichstagsakten, Bd. 22,2 (wie Anm. 1), Nr. 107 h 1-3. 52 Als Sonderpublikation der Reichstagsakten vgl. Helmut Wolff: Regensburgs Häuserbestand im späten Mittelalter. Eine topographische Beschreibung der alten Reichsstadt aufgrund der Beherbergungskapazitäten fiir den Reichstag 1471, in: Studien und Quellen zur Geschichte Regensburgs, Bd. 3, Regensburg 1985, S. 91-198, hier S. 102, 180 u. 135 zum Aufenthalt der Venezianer mit 40 Pferden und 40 Personen bei Haimran Schnecken. Zum kaiserlichen Tross vgl. Paul-Joachim Heinig: How large was the Court of Emperor Frederick III?, in: Ronald G. Asch I AdolfH. Birke (Hrsg.): Princes. Patronage, and the Nobility. The Court at the Beginning ofthe 48 Haus und Stadel von Haimran Schnecken und bei Jacob Berndl, waren mit insgesamt sechzig Pferden und wohl knapp ebenso vielen Männern, also der doppelten Anzahl der vom Senat empfohlenen Reittiere, angekommen, davon 36 Pferde in der Gruppe von Cipolla sowie 24 Pferde um Aymo.53 Die dreizehn überlieferten Teilnehmerverzeichnisse belegen die Rangordnung auf einer solchen deutschen Reichsversammlung. Die venezianischen Repräsentanten rangierten zusammen mit den Vertretern Savoyens und Mantuas nach Kaiser, Kardinallegat. geistlichen und weltlichen Fürsten als den stimmberechtigten Gruppen vor den untergeordneten Grafen und den Unterhändlern der siebzig Städte und der eidgenössischen Kantone.54 Nur der päpstliche Sekretär Agostino Patrizi entwarf in seinem Bericht eine eigene klerikal bestimmte Hierarchie, in der zuerst alle geistlichen Würdenträger, dann alle weltlichen Fürsten von den Kurfürsten bis zu den Herren, dann die Gesandten der auswärtigen Mächte, darunter Venedig, und zuletzt die Städte folgten.P 3. Vorgehen und politisches Scheitern der venezianischen Gesandten auf dem Reichstag Einer Senatsdepesche vom 10. Juni an die drei Repräsentanten ist die Erleichterung über den Aufbruch des Kaisers aus Graz anzumerken.i" Zwei weitere Instruktionen zeigen die Freude, den Kaiser auf dem Großen Christentag zu wissen, um endlich die vereinigten Kräfte für den seit Jahren erbittert geführten Kampf Venedigs gegen den wortreich angeklagten türkischen Feind zu mobilisieren.i" Alle vorausgehenden Eil- briefe der Serenissima hatten sich auf eine frühere Ankunft der Gesandten am Modem Age c. 1450-1650 (Studies ofthe German Historical Institute London), Oxford 1991, S. 139-156, hier S. 146f. 53 Deutsche Reichstagsakten, Bd. 22,2 (wie Anrn. 1), Nr. lIDe mit der Liste der Quartiere nach Reichsständen, S. 563: ,,139 Venedig: der herrschafft von Venedig ambasiator in Hairnran Schnecken haus und stadel 36 [Pferde], 36 [?, Männer] und den andem ambasiator den ritter zum Jacob Bemdl24 [Pferde], 24 [Männer)". 54 Deutsche Reichstagsakten, Bd. 22,2 (wie Anm. 1), Nr. 110 mit der Regensburger Quartierliste, S. 544: ,,Der Herrschaft von Venedig ambasiator herr Pauls Morocenus [Morisini] und (F NI mit ihm ainer) noch ein doctor [Bartolomeo Cipolla) mit im 36 pferid und noch ein rittere [Giovanni Emo) mit 24 pferid, ist in des kaisers anzale". 55 Deutsche Reichstagsakten, Bd. 22,2 (wie Anm. 1), S. 583 und S. 691; vgl. Gerrit Jasper Schnek: Zeremoniell und Politik. Herrschereinzug im spätmittelalterlichen Reich, Köln / Weimar / Wien 2003, S. 292-313 zur Einzugsordnung beim Herrscher-Adventus. 56 Deutsche Reichstagsakten, Bd. 22,2 (wie Anm. 1), Nr. 104 b 4 vom 10. Juni 1471, S. 390. 57 Deutsche Reichstagsakten, Bd. 22,2 (wie Anm. 1), Nr. 104 b 5-6, beide vom 22. Juni 1471, S. 39lf. 49 Tagungsort gerichtet." Die mit Kredenzbriefen vorbereitete Aufwartung beim Kardinallegaten war wohl in Innsbruck erfolgt, während der mächtige Kurfürst und Gegenspieler des Kaisers, Markgraf Albrecht Achilles von Brandenburg- Hohenzollern, für den gemeinsamen Feldzug gegen die Ungläubigen noch zu überzeugen war. Voraussetzung für die Realisierung des Unternehmens war ein allge- meiner Landfrieden, der nach vielen Debatten am 3. August besiegelt werden konnte, und eine allgemeine Besteuerung im Reich, um die Kosten zu finanzieren. Drei weitere Themen lenkten auf dem Reichstag von der venezianischen Kernfrage ab: Erstens beschäftigte der Streitfall der Herzöge von Bayern-München die Gemüter; es ging um die Abgrenzung der Kompetenzen und Zuständigkeiten zwischen den Brüdern, unter denen sich Albrecht IV. gegen den nach der Regierungsbeteiligung strebenden Christoph durchgesetzt hatte, während Sigmund bereits 1467 alle Ansprüche aufgegeben hatte. Zweitens tobte ein heftiger Streit zwischen dem Kaiser und dem äußerst expansiven Pfalzgrafen Friedrich dem Siegreichen, dessen nach der Adoption seines Neffen geltend gemachte Ansprüche als Kurfürst auf Lebenszeit der Habsburger nie anerkannt hatte; der neue Konflikt betraf die Reichsabtei Weißenburg im Elsaß, die der Pfalzgraf 1469 gewaltsam eingenommen hatte.59 Und drittens war das Hussitenproblem noch nicht geklärt; der Tod des böhmischen .Ketzerkönigs" Georg von Podiebrad wie die Wabl Wladislaws von Polen zum Nachfolger hatten keine Lösung gebracht, so dass der ungarische König Matthias Corvinus seine Expansionsbestrebungen in Böhmen fortsetzte. Die Gesandten der Markusrepublik setzten in den folgenden Monaten alle Überzeugungskraft für den gemeinsam zu organisierenden Türkenkampf ein. Die Reichstagsakten lassen erkennen, dass die venezianischen Gesandten Morosini und Cipolla bereits in der zweiten Sitzung am Mittwoch, den 26. Juni, also zehn Tage nach dem festlichen Einzug in Regensburg und direkt nach der Eröffnung am 24. Juni, ihr Anliegen offiziell vortragen durften. Mit dieser Gewichtung des Themas verband sich natürlich auch die Referenz an Venedig. Schon bei der Eröffnungsrede hatte der Trienter Bischof Johannes Hinderbach im Auftrag des Kaisers die Gefährdung der 58 Deutsche Reichstagsakten, Bd. 22,2 (wie Anm. 1), Nr. 104 b 1-6, S. 386-392. 59 Zum drei Jahre später geführten Prozess vgl. Karl-Friedrich Krieger: Der Prozess gegen Pfalzgraf Friedrich den Siegreichen auf dem Augsburger Reichstag vom Jahre 1474, in: Zeitschrift für Historische Forschung 12 (1985), S. 257-286. 50 christlichen Länder durch die kriegerischen Türken als das Hauptthema des Reichstages angesprochen/" Hoffnungsvoll gestimmt argumentierte deshalb einer der Ritter, vielleicht der Sondergesandte Morosini, nach intensiver Beratung der Venezianer untereinander, mit der Bedeutung des HandeIns für das Wohl der Christenheit." Ihre Vorschläge konnten die Gesandten zwei Tage später in der dritten Reichstagssitzung am Freitag nochmals öffentlich vortragen.f Redner war der wort- gewandte Morosini, der nach einer Danksagung für Einladung und Geleit in lateinischer Sprache die Haltung Venedigs erörterte: Er versicherte dem Kaiser den Gehorsam seiner Heimatstadt, klagte die Türken zahlreicher Gräueltaten gegen Christen an und lobte die großen Leistungen Venedigs im Türkenkampf der letzten Jahre, ehe er schnelIe Hilfe vom Reich zur Vernichtung der Feinde forderte.f Über die 60 Rando (wie Anm. 16), S. 43lf. Zur Bedrohung durch die Türken vgl. Erich Meuthen: Der Fall von Konstantinopel und der lateinische Westen, in: Historische Zeitschrift 237 (1983), S. 1-35; Dieter Mertens: Europäischer Friede und Türkenkrieg im Spätmittelalter, in: Heinz Duchhardt (Hrsg.): Zwischenstaatliche Friedenswahrung in Mittelalter und Früher Neuzeit, Köln I Wien 1991, S. 45-90, hier 76f. zum Reichstag von 1471. Die Akten der Verhandlungen zum Thema auf dem Reichstag sind gesammelt bei Deutsche Reichstagsakten, Bd. 22,2 (wie Anm. 1), Nr. 118-123 ,,Akten zur Türkensache", S. 770-819. 61 Deutsche Reichstagsakten, Bd. 22,2 (wie Anm. 1), S. XXI und S. 602 (Würzburger Relation, f. 1900): "So reitter der venediger einer, wie sie hivor dohin sich unteinander unterrett und ein ordenunge gemacht hetten in hoffnunge, solchs zu merklichem nutze der cristenheit dienen solt und weren geschickt, das fumemen auch zu vememen, darin zu helfen und zu raten und solchs an iren herzoge und die Venediger furter gelangen zu lassen, zweivelten sie nit, sie wurden sich darinnen auch gehorsamlieh erzeigen etc,", 62 Deutsche Reichstagsakten, Bd. 22,2 (wie Anm. 1), S. XXI und S. 61Of. (Würzburger Relation f. 22b): "So Hessen die Venediger iren gewalt verlesen und verhoren und daruf melden, wie u.h. der keiser sie uf sein zuschrift in dem seinen angenomen versichert und gleitet hett lassen, des sie seiner gn. grossen danke sagte[n}, wie auch ir herzoge seine vorfam und sie etwevil jare untzher zu widerstant den Turcken bei 30 ()()() man den zu widerstant gehabt hetten. darauf were ine merklich coste zerunge und uberwintlich schaden gangen, hetten auch dozwischen des iren veste verloren mit anzeigunge Nigropont und andem, nachdem were ir herzoge und sie darzu gewillet und geneiget, irsteils alles irs vermogens hilf und beistant zu tun zu dem lobliehen furnemen wider die Turcken wie dann u.h. des keisers der curfursten und irer botschaft begere und antwort gewesen were etc., wievil sie auch schiff mit dem konige von Aragon und frieden gemacht hetten etc."; vgl. Reissermayer (wie Anm. 11), Teil 2, S. 3lf. 63 Deutsche Reichstagsakten, Bd. 22,2 (wie Anm. 1), S. 611 (Städtische Relation f. 1000): .Dornach ward der von Venedig botschaft zum ersten ein credenz auf sie lautende verlesen, und tät derselben Venediger einer mit namen Paulus Morisen gen der kaiserl. Maj. ein hubsehe rede in latein vier artikel inhaltdende auf mainung hemach volget: zum ersten ein gutwillig erbieten mit besunder gehorsam und bevelh gegen der kaiserl. Maj. von dem herzog und irer herrschaft zu Venedig. zum andem das gross übel und schaden so der Turck in kurzen zeiten der cristlich nation und der ht. kirchen getun hett und das anders nit geschehe dann von ablesigkait wegen cristenlicher forsten und herrn, die dann den wol widerstand tun möchten. zum dritten erzalte er den widerstand so die Venediger dem Turchen bei 200 jaren als sie möchten beispringen und sunderlich 7 nechstvergangen jare mit grosser irer speis und zerung getun hetten, auch ietzunt wider den Turcken als bei 20 oder 25 ()()() mannen 60 galeen und 8 näven mit merklicher koste und zerung hielten und besorgten, so in nicht bald hilf geschehe, sie möchten den in die leng nit widerstand tun. und zum vierden begerten sie schnell hilf und dass dem lobliehen fumämen der kaiserl. Maj. nachgangen, auch das sollich der kaiserl. Gn. furnämen offenlieh dem Turcken zu erschrecken und merer vorcht berümet und göffnet werde." Vgl. auch Ebenda S. 654f. (Patrizi f. 41b): ,,Post haec assurrexit Venetus, qui concives suos iam annos supra ducentos bellum cum Turcis gessisse affirmavit. non tarnen adhuc esse defessos, acturos animos, si viderint alios arma capessere, et habere nunc in mari validam 51 Wirkung dieser geschickt aufgebauten Rede auf die Zuhörer ist wenig bekannt; die Würzburger Relation überliefert sie ungewöhnlich ausführlich und betont das geordnete Zusammenwirken der Venezianer, die mit düsteren Worten das Grauen heraufbeschworen und auf rasche Abhilfe drängten. Zur Entwicklung von Lösungsstrategien für die Türkenfrage wurde am gleichen Tag ein 25köpfiges Gremium eingesetzt, das aus je fünf Räten seitens des Kaisers, der Kur- fürsten, der anderen geistlichen und weltlichen Fürsten, drei Räten von Grafen und Herren sowie zwei Vertretern der Reichsstädte bestand." Dieses Gremium gab seine Kompetenzen an einen Kernausschuss von nur vier erfahrenen, juristisch gebildeten und äußerst einflussreichen Personen weiter. Dazu gehörten die allesamt promovierten, ihren Titel führenden Juristen Georg Pfeffer, Kanzler des Erzbischofs von Mainz und Vertreter des Kaisers, Peter Knorr'" , Rat des Markgrafen von Brandenburg und Sachverwalter der Kurfürsten, Lorenz Blumenau'", Rat des Erzbischofs von Salzburg und Vertreter der geistlichen Fürsten, sowie Martin Mair67, Rat des Herzogs von Landshut und Beauftragter der übrigen weltlichen Fürsten. Innerhalb von fünf Tagen erarbeiteten sie den vermutlich schon vorher in der kaiserlichen Kanzlei konzipierten "Kaiserlichen Vorschlag zur Vorbereitung und Aus- führung eines Türkenfeldzuges", in dem eine schnelle Hilfe von 10.000 Mann, darunter 7.500 Fußtruppen und 2.500 Reiter, gefordert, die Heeresorganisation und der Finanzierungsplan festgeschrieben, ein stehendes Heeres an des Südostgrenze des classem centum triremium simul cum rege Neapolitano et magna in munitionibus Graeciae atque insulis Aegei pelagi praesidia. auditus est et orator reigs Dacie et Svicensium nuntii, qui nihil ad rem publicam attulerunt." 64 Deutsche Reichstagsakten, Bd. 22,2 (wie Anm. 1), S. 770f.; vgI. Annas (wie Anm. 9), Bd. 1, S. 434f. zum Juristenstand und Bd. 2, S. 446-470 mit einer Auflistung der anwesenden Mächte und deren Räte. 65 Der Markgraf von Ansbach-Kulmbach sandte drei Räte, darunter den bekannten Peter Knorr; vgI. Bettina Koch: Räte auf deutschen Reichsversammlungen. Zur Entwicklung der politischen Funktionseliten im 15. Jahrhundert (Europäische Hochschulschriften. Reihe 1II:Geschichte und Hilfswissenschaften 832), Frankfurt a. M. u. a. 1999, S. 186 und 195f., Nr. 68 und Nr. 92-93 zu seiner Biographie. Johannes Kist: Peter Knorr, in: Gerhard Pfeifer: Fränkische Lebensbilder, Würzburg 1968, S. 159-176 zitiert diese Gesandtschaft nicht. 66 VgI. Koch (wie Anm. 65), S. 192f. Nr. 84-85; zu Laurentius Blumenau vgI. Hartrnut Boockmann: Laurentius Blumenau. Fürstlicher Rat - Jurist - Humanist (ca. 1415-1484) (Göttinger Bausteine zur Geschichtswissenschaft 37), Göttingen u. a. 1965, S. 196-200, der zwar seine Funktion als bischöflicher Rat diskutiert, aber diese Gesandtschaft nicht erwähnt. 67 Koch (wie Anm. 65), S. 189 und S. 196f., Nr. 74 und Nr. 94-95a zur Biographie; zur politischen Tätigkeit von Martin Mair vgI. Morimichi Watanabe: Imperial reform in the mid-fifteenth century: Gregor Heimburg and Martin Mair, in: The Journal of Medieval and Renaissance Studies 9 (1979), S. 209-235; Rainer Hansen: Martin Mair. Ein gelehrter Rat in fürstlichem und städtischem Dienst in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, Diss. phil. (masch.) Kiel, 1992, S. 277-284 zum Reichstag; zu den herzöglichen Räten und ihren Tätigkeiten vgI. im Allgemeinen Ettelt-Schönewald (wie Anm. 48), Bd. I, S. 193-249. 52 Reiches geplant sowie die Zusammenarbeit mit den europäischen Mächten unter Führung von Kaiser und Kardinallegat abgesteckt wurde." Die Venezianer konnten erst am Freitag, den 12. Juli, am Tag vor der fünften Sitzung des Reichstags, wieder aktiv werden. Die Audienz beim Kaiser, die Agostino Patrizi beschreibt, nutzten Morosini und Cipolla offensichtlich, um ihn wortreich zu ermahnen, keine weiteren Verzögerungen zu erdulden und sich die einzigartige Gelegenheit nicht entgleiten zu lassen/" Die versammelten Fürsten müssten bald zu ihren häuslichen Geschäften zurückkehren und wären nicht mehr bereit, die hohen Aufenthaltskosten zu tragen. Der Kaiser betonte, sich der drohenden Gefahr bewusst zu sein und die Notwendigkeit einer schnellen Entscheidung einzusehen, wollte aber vor allem über das Gerücht informiert werden, dass Venedig einen Separatfrieden mit den Türken geschlossen hätte. Die Venezianer mussten eingestehen, vor kurzem aus ihrer Heimatstadt erfahren zu haben, dass ein Legat zu den Türken geschickt und ohne Friedensschluss wieder zurückbeordert worden war. Daraufhin erwiderte Friedrich 111., mit den Venezianern ein Bündnis eingehen zu wollen, das beide Seiten zum Krieg verpflichten sollte. Angesichts dieses klaren Vorschlags mussten die Gesandten erklären, für das kaiserliche Angebot keine Weisungen zu haben. Um die Ernsthaftig- keit seiner Absichten zu untermauern, erbat der Kaiser am nächsten Tag von den in seinem Haus zusammengerufenen Fürsten eine Soforthilfe von 4.000 Soldaten. Fünf Tage später, am Mittwoch, den 17. Juli, wurden die Venezianer gemeinsam mit dem der deutschen Sprache mächtigen Kardinallegaten erneut vorstellig, um dem Kaiser deutliche Vorhaltungen über die schleppenden Verhandlungen zu machen. 68 Deutsche Reichstagsakten, Bd. 22,2 (wie Anm. 1), S. 771-783 zum Vorschlag und den Versuchen seiner Umsetzung sowie Nr. 118, S. 783-795. 69 Deutsche Reichstagsakten, Bd. 22,2 (wie Anm. 1), S. XXIII und S. 660 (Patrizi f. 45b): ,,Postridie (1471 Juli 12) Veneti oratores caesarem adeunt rnultisque verbis illum hortantur, ut moras toJleret eogeretque principes ad statuendum de rebus tarn diu consultatis, non sineret tantam e manibus labi oportunitatern. adesse nune omnes ferme Germaniae principes, non posse eos diutius permanere cum propter domestiea negocia, quae publiea plerurnque solent praevertere, turn propter graves irnpensas. si nune rebus infectis domum discedant, nunquarn amplius faeile conventuros ita frequentes. ad hoc eaesar respondit non se latere irnminens Christianorum periculum et neeessitatem. nihil praetermittere, quod ad rern bene uniendam spectare putel Sed pro rei magnitudine multa esse excogitanda esseque opus diuturniori eonsultatione. se tarnen daturum operam, quantum fieri poterit, ut brevi res absolvantur. eeterum constanti fama se eccepisse Venetos eum Turehis ferisse pacem, cupere rei veritatem conoseere. turn oratores Turchorum principis noveream inquiunt, quae Venetis antiqui hospitii gratia esset amica, saepe postulasse a Venetorum senatu, ut legatum aliquern ad Turehum mitteret de pace facturum verba. velle illi rei ineombere, una eum legato paratum esse, sed nihil deinde de pace actum et in hane sententiam Venetorum principis litteras ostendere. subiunxit deinde caesar bonum sibi videri, si Veneti seeum foedus inirent et belli societatem Turehos ea lege, ut neutri a bello discendere liceret altero non benevolente. susceperunt oratores, se ad dueem senaturnque suum ea perseripturos, quando ipsi nihil super bis in mandatis haberent." 53 Francesco Todeschini-Piccolomini, der dem Habsburger in jedem Fall schon in Rom begegnet war, wo er ihn an Weihnachten 1468 empfangen und in die Stadt geleitet hatte'", appellierte eindringlich an das Reichsoberhaupt, endlich zu handeln, und drohte sogar mit einem bevorstehenden venezianischen Separatfrieden mit den Türken.71 Der Kaiser konnte nicht anders, als den beiden Gesandtschaften erneut das Versprechen zu geben, endlich Initiativen zu ergreifen.f Doch es geschah nach wie vor wenig. Auch die Serenissima konnte in ihrer weiteren Instruktion vom 18. Juli nur den Fleiß ihrer Repräsentanten loben und die anfänglichen Ziele und Empfehlungen zum Vorgehen nochmals zusammenzufassen.r' Alle außer den deutschen Fürsten er- kannten den dringenden Handlungsbedarf; der Doge schrieb häufig an den Habsburger, die Gesandten kooperierten mit dem päpstlichen Legaten, aber dem Kaiser gelangt es nicht, die Reichsfürsten zu mobilisieren. In der sechsten Sitzung am Montag, den 22. Juli, hielt der Kardinallegat erneut eine eindringliche Rede, die zum schnellen Handeln gegen die Türken aufforderte und aus- drücklich Ablass für die Beteiligung am Kreuzzug versprach." Die Botschafter Venedigs stimmen dieser Forderung nachdrücklich zu und ergänzten, die Kosten von 1.000 Gulden jährlich übernehmen zu wollen, um das Unternehmen voranzutreiben.f Anschließend wurden die Venezianer mit der Besitzklage eines Vertreters Veronas 70 Helmut Wolff: Päpstliche Legaten auf den Reichstagen des 15. Jahrhunderts, in: Erich Meuthen (Hrsg.): Reichstage und Kirche. Kolloquium der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, München, 9. März 1990 (Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 42), Göttingen 1991, S. 25-40, hier S. 25, betont, dass Francesco Todeschini- Piccolomini der von kaiserlicher Seite gewünschte Kandidat für diese Aufgabe war. 71 Deutsche Reichstagsakten, Bd. 22,2 (wie Anm. 1), S. XXN und S. 666 (Patrizi f. 50a-51a): ,,Accersitis igitur Venetorum oratoribus, quos sententiae suae astipulaturos non dubitabat, caesarem adiit et: quid, inquit, agimus, gloriosissirne caesar, cum tanta mora. mensis iam elapsus est, quo deputati annotationes cudunt, nihil perficitur, nihil affertur, nihil statuitur. inter ea temporis frigescunt omnium animi et principes iam taedio affecti expensarurnque magnitudine gravati iam veniam discedendi expostulant. nos neque deputatorum consilia exquirere sine te, neque retinere principes possumus. si abeunt proceres re infecta, actum est de re publica. labores tui et nostri frustra cedunt. infarniae, ludibrio et derisui omnes erimus omnesque et caesaris et Germanorum tarditatem atque ignaviam dampnabunt. ( ... ) bellum et pax Venetorum adversus Turchos, mihi crede, caesar, in manu tua est et Germaniae principum. Si bellum decemetis et ipsi totis viribus instabunt, vos terra, ipsi et terra et mari infestabunt hostem. Sin vero agitati privatis seditionibus rem publicam negligetis discedetisque non perfectis rebus, et ipsi consulent saluti suae." 72 Deutsche Reichstagsakten, Bd. 22,2 (wie Anm. 1), S. XXIV und S. 666 (Patrizi f. 50a-51a): .placuerunt caesari legati verba et eius desiderio se satisfacturum promisit." 73 Deutsche Reichstagsakten, Bd. 22,2 (wie Anm. I), Nr. 117c, S. 765f. 74 Deutsche Reichstagsakten, Bd. 22,2 (wie Anm. 1), S. XXV, S. 635f. (Würzburger Relation f. 3900) und S. 669 (Patrizi f. 53ab). Vgl. Reissermayer (wie Anm. 11), Teil 2, S. 77f. 75 Deutsche Reichstagsakten, Bd. 22,2 (wie Anm. 1), S. XXV und S. 636 (Würzburger Relation f. 39b-40a): .Jtem die Venediger sagten auch zu und erbuten sich, dass sie zu diesem lobliehen fumernen in allen iren landen und gebieten orden und bestellen wollten, dass ie von 1 000 gulden jerlicher nutzunge 2 zu rosse oder mere gesant solten werden und nicht einer alleine nach begere des keisers. in zweivelt auch nicht, ir herren der herzoge und alle die seinen hetten in solchem anslag gut gefallen und teten das mit willen gerne etc.", 54 konfrontiert; da sie in der Angelegenheit allerdings keine Weisung erhalten hatten, weigerten sie sich zu antworten.i" Der Rechtskundige Cipolla kam also nicht in die Verlegenheit, in venezianischen Diensten über einen Antrag von Mitbürgern seiner Heimatstadt entscheiden zu müssen, sondern agierte nur in der Türkenfrage. Nach den feierlichen Ritterschlags- und Belehnungszeremonien am 24. Juli77 und der Ankunft weiterer europäischer Gesandtschaften, insbesondere der Vertretungen der Könige von Polen und Neapel, wurden der Kardinallegat und die Venezianer am Sonntag, den 28. Juli, erneut beim Kaiser vorgeladen. Grund war, dem Bericht von Agostino Patrizi zufolge, das anhaltende Gerede um den Abschluss eines Separatfriedens der Venezianer mit den Türken. Die Venezianer waren damit als Ver- räter der Christenheit gebrandmarkt; sie mussten erneut Unterhandlungen eingestehen und betonten, ein Friede sei nicht zustande gekommen." Die offiziellen Sitzungen wandten sich derweilen vor allem der Landfriedensfrage zu, aber auch den Bittgesuchen des Bischofs von Speyer und des Erzbischofs von Köln um Regalien- verleihungen, der Beilegung der pfälzischen und bayerischen Streitigkeiten sowie den Ansprachen der neuen Gesandtschaften. In eine konkrete Phase traten die Verhandlungen in der Türkenfrage erst wieder in der Woche vom 6. bis 9. August, als der Kaiser seine Bitte um Soforthilfe an die Fürsten zuspitzte. Er müsse endlich wissen, was den Legaten von Ungarn, Neapel und Venedig zu antworten sei.79 Da am Mittwoch, den 7. August, der Tod von Papst Paul 11. be- kannt wurde, oblag es dem Kardinallegaten, in seiner Ansprache zu betonen, dass der Türkenkrieg unabhängig vom einzelnen Papst im Interesse des Heiligen Stuhles wäre.80 Dies regte immerhin eine Diskussion über die Soforthilfe und die zu 76 Deutsche Reichstagsakten, Bd. 22,2 (wie Anm. 1), S. XXV und S. 636 (Würzburger Relation f. 4Oa): .Jtem der von Bern beclagt sich von den Venediger, wie sie das sein mit gewalt und an recht inen hetten ete. daruf antworten der Venediger botschaft, sie weren alhie her zu dem cristenlichen zug und fumemen wider den Turcken gesant worden und nicht in den sachen, hetten auch von den dingen ganz kein bevelhe, deshaJbe sie im daruber nicht zu antworten westen etc." 77 Deutsche Reichstagsakten, Bd. 22,2 (wie Anm. 1), S. XXVI, S. 638 (Würzburger Relation f. 41ab) und S. 67lf. (Patrizi f. 54b-55a). Vgl. Reissermayer (wie Anm. 11), Teil 2, S. 101. 78 Deutsche Reichstagsakten, Bd. 22,2 (wie Anm. 1), S. XXVII und S. 675 (Patrizi f. 57b): ,,Discedentibus deinde ceteris legatus et Veneti remanserunt et affermante caesare vulgo ferri Venetos pacem cum Turcis ferisse roganteque, an a1iquid certi de ea re ab eorum principe oratores haberent, responderunt se litteras nuper a principe accepisse, quibus significabatur legatum quidem Venetorum, qui apud Turcum erat, iam ab eo discessisse, sed revocatum ex itinere et substitisse Christopoli. pacem autem cum Turcis Venetis nullam omnino esse." 79 Deutsche Reichstagsakten, Bd. 22,2 (wie Anm. 1), S. XXIX und S. 682 (Patrizi f. 62b-63a). 80 Deutsche Reichstagsakten, Bd. 22,2 (wie Anm. 1), S. XXIX und S. 649 (Würzburger Relation f. 49ab); vgl. Ebenda, S. 683 (Patrizi f. 63b). 55 bestimmenden Heerführer an.81 Am Donnerstag und Freitag wurden deshalb die Ver- handlungen mit den drei Gesandtschaften fortgesetzt'"; aber die päpstlich sanktionierten Hussitenkriege in Böhmen unter ungarischer Leitung behinderten eine allgemeine Finanzierung des Türkenzuges. 83 Der Kardinallegat war innerlich zerrissen; die böhmischen Ketzer waren der Kirche mindestens genauso verhasst wie die ungläubigen Türken.84 Und der schwache Herrscher konnte trotz der argumentativen Unterstützung seitens Venedigs und Arag6ns die erwarteten 10.000 bis 15.000 Mann Hilfstruppen nicht zustcbern." Die Verhandlungen waren blockiert, und immer mehr Gesandtschaften reisten ab, vermutlich auch die Würzburger, deren Bericht hier endet. Eine Beschreibung der folgenden Tage ist nur noch bei Agostino Patrizi überliefert. Man rechnete mit keinen größeren Ergebnissen mehr. In die Aufbruchsstimmung fiel zu allem Übel noch ein Dissens zwischen dem Kardinallegaten und den Venezianern, die heimlich längst für ein Konzil (generale omnium christianorum principum conciliumf" zur Verteidigung des Glaubens und zur Rekrutierung eines vereinten europäischen Aufgebots plädiert hatten. Der Kardinallegat erfuhr davon, wie sein Sekretär Agostino Patrizi behauptet, wohl erst am 12. August; heftig erzürnt interpretierte er ein Konzil als bewusste Feind- seligkeit der Adelsrepublik gegenüber der Kurie, weil es nur dem Papst zustünde, ein Konzil einzuberufen.Y Es war eine missliche Kontroverse um Formalia; aber die venezianischen Legaten sollen, wie Patrizi versichert, weiterhin ein Konzil gefordert 81 Deutsche Reichstagsakten, Bd. 22,2 (wie Anm. 1), S. XXIX und S. 682 (Patrizi f. 63b-64a). 82 Deutsche Reichstagsakten, Bd. 22,2 (wie Anm. 1), S. XXIX und S. 684 (Patrizi f. 64a): .Veneti annos supra ducentos maiores suos cum Turcis pro religione decertasse affirmarunt et in ulteriores octo annos impendisse in id bellum singulis annis sexcenta et aliquando octingenta milia numerum et nunc alere in mari classem simul cum rege Neapolitano octuaginta triremum et quadraginta navium, in Peloponeso, Epyro atque Illirio firmissima praesidia. si Germani exercitum in hostes moveant, aucturos et ipsos copias. de via autem commeatu atque ordine Germanici exercitus adeos non spectare consultationem, sed ad Hungaros, nisi forte mallent mari traicere copias. tune enim et regem et Venetos facile posse et consulere et opern ferre." 83 Deutsche Reichstagsakten, Bd. 22,2 (wie Anm. 1), S. XXIX, S. 649f. (Würzburger Relation f. 50a und f. 50b- 51a) und S. 684f. (Patrizi f. 64ab, f. 6500). Vgl. Reissermayer (wie Anm. 11), Teil 2, S. 108-111. 84 Deutsche Reichstagsakten, Bd. 22,2 (wie Anm. 1), S. XXIX und S. 684f. (Patrizi f. 64b-65a). 85 Deutsche Reichstagsakten, Bd. 22,2 (wie Anm. 1), S. 650 (Würzburger Relation f. 50b-51a): ,,so retten die Arragonischen und Venediger auch als vor mit erbietunge irs teils. dargein der keiser tet antworten auch wie vor und liess melden, wie er in itzo die zale mitnicht ernenen kont, sunder nachdem der auslag und hilf gesazt were, hoft er, es solt sich veste uf eine merkliche zale als bei 10.000 oder 15.000 man ereugen." 86 Deutsche Reichstagsakten, Bd. 22,2 (wie Anm. 1), S. 582 und 687 Z. 21 (Patrizi f. 64b-65a). 87 Deutsche Reichstagsakten, Bd. 22,2 (wie Anm. 1), S. 582f. und S. 687 Z. 21 ,,reges und principes perlosque sponte parituros, romanum vero ponitficern vel invitum ventrurum". 56 haben, auch wenn sie das Wort selbst nun vermieden." Das ursprünglich gemeinsame Ziel war in weite Feme gerückt. Die Mission musste als gescheitert gelten. Für die restlichen neun Tage bis zum Aufbruch des kaiserlichen Trosses am 2 I. August89 waren keine Fortschritte mehr zu erwarten. 4. Bedeutung des Ranges und kaiserliche Ehrungen Zwei Erlebnisse müssen Bartolomeo Cipolla trotz seines diplomatischen Misserfolgs in dauerhafter Erinnerung geblieben sein, weil sie seinen Stand, mit dem er seit 1469 ausgezeichnet war, bestätigten: Es handelt sich erstens um die Standeserhebungen ins Palatinat cum armis, zum kaiserlichen Rat und Familiaren sowie zweitens um die Reise nach Nümberg am 21. August im kaiserlichen Gefolge. Beides waren respekt- volle Gesten Friedrichs III. gegenüber der Markusrepublik und deren geschätzten Sachverwaltem vor Ort. Die vorhandenen Quellen und die Literatur über Cipollas Standeserhebungen sind widersprüchlich und nennen bisher recht unterschiedliche Daten zwischen 1469 und 1471. Im 1981 erschienenen Artikel des Dizionario Biografico degli Italiani wird etwa behauptet, dass Kaiser Friedrich III. den Rechtsgelehrten zusammen mit seinen drei Brüdern Cristoforo, Antonio und Giovanni Francesco im Februar 1470 zum Ritter und Pfalzgrafen geschlagen hätte.90 Zu diesem Zeitpunkt hielt sich der Habsburger aber in Wien aufI , während Bartolomeo in Norditalien weilte. Aus dem Taxregister der an Kurfürst Erzbischof Adolf 11. von Mainz verpachteten kaiserlich-römischen Kanzlei aus den Jahren 1471 bis 1475 geht indessen hervor, dass mehrere Erhebungen Bartolomeo Cipollas gerade auf und nach dem Reichstag zu Regensburg urkundlich bestätigt wurden. Die Ausstellung seiner Palatinatsurkunde mit Wappenbrief am 9. 88 Deutsche Reichstagsakten, Bd. 22,2 (wie Anm. 1), S. 582f. und S. 688 Z. 27: "evitabant autem conciJii nornen tanquam odiosum". 89 Helmut Wolff: "Und er was frolich und wolgemut ...". Zum Aufenthalt Kaiser Friedrichs 111. 1471 in Nürnberg, in: Johannes Helmrath I Heribert Müller (Hrsg.) in Zusammenarbeit mit Helmut Wolff: Studien zum 15. Jahrhundert. Festschrift für Erich Meuthen, Bd. 2, München 1994, S. 805-820, hier S. 806; Deutsche Reichstagsakten, Bd. 22,2 (wie Anm. 1), Nr. 112 (26,1), S. 689. Vgl. Reissermayer (wie Anm. 11), Teil 2, S. l11f. 90 Ruffino (wie Anm. 31), S. 710. 91 Zumindest weilte er dort im Dezember 1469 und im März 1470, vermudich auch zwischen beiden Daten; vgl. Heinig (wie Anm. 11), S. 1373; Regesta chronologico-diplomatica (wie Anm, 34), Nr. 5853-5856, 5954-5957, 5979 und 5988. 57 August 1471 seitens des Kanzlers erfolgte gebührenfrei, das Ritterprivileg wurde erst zwei Monate später registriert.f Man könnte deshalb anzunehmen, dass die Ehrungen während des Reichstags verliehen wurden. Die beiden oben genannten Veroneser Augenzeugen beschreiben jedoch zwei Feierlichkeiten, bei denen Cipolla bereits im Februar 1469 in Venedig zum Pfalzgrafen und zum Ritter erhoben wurde. Was hat sich also wann ereignet? Die historiographische und diplomatische Dokumentation legt nahe, dass Bartolomeo Cipolla seine verschiedenen Titel bei unterschiedlichen Festakten sukzessiv erhielt und die zugehörigen Privilegienbestätigungen nicht alle erhalten sind: Am 6. Februar wurde er vermutlich im Kloster Santo Spirito in Isola zum einfachen Pfalzgrafen er- nannt, vielleicht schon eine Woche später am 13. Februar im Palast von Borso d'Este zum Ritter. Die weiteren Ehrungen müssen in Regensburg stattgefunden haben: die Erhebung ins finanziell einträgliche Palatinat mit der Erlaubnis zur Wappenführung und Doktorerhebung, die für das Prestige förderliche Ernennung zum kaiserlichen Rat ehrenhalber und zum Familiaren. Das Vorgehen in verschiedenen Stufen lässt sich aus einem Diplom vom 26. Juli 147193 und zwei Einträgen im Taxregister vom 9. August und 2. Oktober 1471 ableiten, wobei der Ritterbrief als letztes ausgehändigt worden sein muss: Denn der als Venezianer bezeichnete Bartolomeo erhielt, laut Taxregister, zusammen mit seinen Söhnen und auf persönliche Petition des Kaisers zuerst die Würde eines Pfalzgrafen cum armis et ad creandum doctores und später den offiziellen Brief der Erhebung zum miles." Das ihm bereits zwei Jahre zuvor in Venedig übertragene Palatinat wurde dabei urkundlich auf das Recht auf Wappenführung und auf Ernennung von Doktoren erweitert; die zusätzliche Aus- 92 Das Taxregister der römischen Kanzlei 1471-1475 (Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Hss. "weiss 529" und "weiss 920"), hrsg. von Paul-Joachim Heinig / Ines Grund (Regesten Kaiser Friedrichs III. (1440-1493) nach Archiven und Bibliotheken geordnet, Regesta Imperii, Abt. XIII, Sonderbd. 2, Erster Teil), Wien / Weimar / Köln 2001, Nr. 697 und Nr. 1109. 93 Regesta chronologico-diplomatica (wie Anm. 34), Nr. 6343 mit der Erhebung von Bartolomeo Cipolla, Doktor beider Rechte, kaiserlicher Rat und venezianischer Gesandter (orator), sowie seiner Söhne zu ,,Lateranensischen Pfalzgrafen und kaiserlichen Dienern (familiares)" unter dem 26. Juli 1471; vgl. Register, erarbeitet von Dieter Rübsamen und Paul-Joachim Heinig (Regesten Kaiser Friedrichs III. (1440-1493). Nach Archiven und Bibliotheken geordnet, Regesta Imperii, Abt. XIII, Sonderbd. 1), Wien / Weimar / Köln 1992, p. 62. Eine Abschrift des Diploms liegt in Wien, Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Reichsregister S, f. 112r-113v; ich bedanke mich bei Sonja Dünnebeil für die freundliche Übersendung des Digitalisats. 94 Taxregister, hrsg. von Heinig / Grund (wie Anm. 92), S. 99, Nr. 697 unter dem 9. August 1471: ,,Item palantinus cum armis et ad creandum doctores pro domino Bartholomeo Cipol, Veneto; dominus dedit sibi gratis ad peticionem domini imperatoris etc., quia dedit Boghayn unam peram etc."; Ebenda, S. 159, Nr. 1109 unter dem 2. Oktober 1471: ,,Item literam milicie pro Bartholomeo Zepol, Veneto; dominus dedit sibi gratis in propria persona" (Wien, Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Reichshofrat-Antiquissima, Taxbuch, f. 45v u. f.75r). 58 zeichnung des eques auratus als miles könnte die wachsende Zugehörigkeit zum kaiserlichen Hof untermauert haben. Außerdem scheinen damals mehrmalige Ritter- schläge in zeitlichem Abstand und bei unterschiedlichen Gelegenheiten nicht unge- wöhnlich gewesen zu sein, weil Anlass und Form eine soziale Differenzierung inner- halb des Standes bedingten." Im Laufe des Reichstags muss Bartolomeo auch den Rang eines kaiserlichen Rates erlangt haben, einen Titel, mit dem er, soweit wir wissen, erstmals im Diplom vom 26. 96 ..Juli 1471 angesprochen wird. Uber solche Ratsernennungen wurde die Kanzlei oft nur mündlich oder schriftlich informiert, um die künftige Anrede nicht zu verfehlen, aber offizielle Dekrete wurden selten ausgestellt. Es war ein hervorragendes Instrument, auswärtige Gesandte in die Hofgesellschaft zu integrieren; sie wurden Titularräte ehrenhalber aus politischem Kalkül, aber ohne konkrete Funktion. Im Allgemeinen war es zudem üblich, dass eine Ernennung zum Familiaren nur stattfinden konnte, wenn die Beförderung zum kaiserlichen Rat vorher erfolgt war." Es ist allerdings denkbar, dass im Falle Cipollas beide Auszeichnungen direkt nach- einander und damit praktisch gleichzeitig erfolgten. Die Vergabe dieser Rangerhöhungen passt zur Tatsache, dass in Regensburg auch Aymo und Morosini zu Räten ernannt wurden." Zudem wurden die engen Verbindungen zwischen dem Habsburger und der Gesandtschaft des Dogen noch dadurch bestätigt, dass die Kanzlei auf ausdrücklichen Wunsch des Kaisers die Urkunden für alle Mitglieder der Delegation kostenfrei ausstellte. Es ist sogar wahrscheinlich, dass alle drei Gesandten einen Eid als kaiserlicher Rat leisteten, um ihre Loyalität zu bekunden und in das habsburgische Klientelsystem am Hof faktisch eingebunden zu werden. Aus dem Taxregister wissen wir, dass Erzbischof Adolf 11. von Mainz Paolo Morosini im Herbst 1471 als kaiserlichen Rat bezeichnete, als er ihm den Besitz des Castel Caorso in der venezianischen Terraferma erneut bestätigte." Auch wenn nicht klar ist, 95 Rabeler (wie Anm. 14), S. 149. % Wien, Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Reichsregister S, f. 112r mit der Anrede ,,spectabili et c1arissimo iuris utriusque doctori Bartholomeo Cepole equiti, saeri lateranensis palatino comiti et consiliario nostro". Zu seiner Funktion als kaiserlicher Rat vgl. Heinig (wie Anm. 11), S. 536f.; Ebenda S. 1392-1422 mit Listen aller Räte Friedrichs 111., zu Cipolla S. 1393 und S. 1417. Zur Bedeutung des Titels vgl. Ebenda S. 160 u. 165. 97 Heinig (wie Anm. 11), S. 537 geht davon aus, dass nur diese Reihenfolge vom Rat zum Familiaren, aber nicht der umgekehrte Fall zu belegen ist. 98 Heinig (wie Anm. 11), S. 536. 99 Taxregister, hrsg. von Heinig / Grund (wie Anm. 92), S. 159, Nr. 1108 unter dem 2. Oktober 1471: ,,Itern unum privilegium experte castri Caursi pro Paolo Mauroceno, Veneto et consiliario domini imperatoris; domi-nus meus 59 ob Morosini den Titel nicht bereits vorher besaß, ist nicht zu bestreiten, dass der Kaiser den gebildeten Adligen schon seit geraumer Zeit schätzte. Bei der Verleihung der Würde an Giovanni Aymo1OO dürfte gemäß Heinig auch das Zusammentreffen der venezianischen und kaiserlichen Interessen gegen Ungarn eine Rolle gespielt haben, weil Aymo am ungarischen Hof 1464 mit großem Erfolg eine zeitweilige Allianz zwischen Venedig und Matthias Corvino vorbereitet hatte.101 Alle Ehrungen waren Teil eines übergreifenden Planes, um die gedeihliche Zusammenarbeit zwischen dem Kaiser und Venedig zu festigen. Den festlichen Rahmen für diese Auszeichnungen kann eigentlich nur die am Mittwoch, den 24. Juli 1471, mit großem Pomp betriebene Ritterschlags- und Belehnungszeremonie geboten haben, als der Kaiser den Landgrafen von Hessen ihre Regalien überreichte. Der in vollem Ornat prächtig gewandete Kaiser lO2 thronte mitten auf dem großen Regensburger Rathausplatz, ihn umstanden die geistlichen Kurfürsten von Mainz, Trier und Köln sowie Markgraf Albrecht Achilles von Brandenburg- Hohenzollern und Herzog Ernst von Sachen; die Kurfürsten waren in ihren langen roten, mit weißem Pelzwerk verbrämten Roben erschienen, auf dem Kopf eine passende Bedeckung. Die weltlichen Kurfürsten oder deren Vertreter trugen gemäß der zeremoniellen Ordnung die Reichsinsignien, in der Mitte Herzog Ernst von Sachsen als Reichserzmarschall das aufrecht geführte Reichsschwert, zu seiner Linken der Markgraf von Brandenburg als Reichserzkämmerer das Szepter und zur Rechten Herzog Ludwig der Reiche von Bayern-Landshut, Stellvertreter des umstrittenen Pfalzgrafen bei Rhein Friedrich des Siegreichen, den Reichsapfel des Erztruchseß. Der dedit sibi huiusmodo literam gratis in propria persona" (Wien, Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Reichshofrat- Antiquissima, Taxbuch, f. 75r). Vgl. Regesta chronologico-diplomatica (wie Anm. 34), Nr. 3152 vom 18. Januar 1454; Heinig (wie Anm. 11), S. 536. \00 Taxregister, hrsg. von Heinig / Grund (wie Anm. 92), S. 86, Nr. 608 unter dem 6. August 1471: ,,Itern litera data domino Johanni Aymo, Veneto, in qua recipitur in consiliarium et indulgetur sibi, quod possit portare arma; dominus dedit sibi gratis" (Wien, Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Reichshofrat-Antiquissima, Taxbuch f. 39v). Vrl. Heinig (wie Anm. 11), S. 536. 10 Wilhelm Frakn6i: Mathias Corvinus, König von Ungarn 1458-1490, Freiburg i. Br. 1891, S. 97; vgl. Heinig (wie Anm. 11), S. 536. \02 Deutsche Reichstagsakten, Bd. 22,2 (wie Anm. 1), S. XXVI, S. 638 (Würzburger Relation f. 41ab) und S. 671 (Patrizi f. 54a): .caesar imperialibus omamentis induitur. calceos primum rostratos quidem, unionibus ornatos, pedibus aptant, turn mictam circa collum, quam in sacris amictum appellamus, inde tunicellam et dalmaticam, sacras subdiaconi et diaconi vestes; deinde linostinam stolam transversam ante pectus in morem sacerdotis, postremo pontificale paludamentum auro ostroque contextum. paludamenti limbus et amictus ora claris unionibus et perlucidis gemmis plena erant. principes electores et ipsi suos habitus induerant, illi omnino similes, quo utitur senator nostra aetate Romae, cum ludi Testacei celebrantur: cucullos scilicet et tegmen capitis, vestes autem purpureae erant albis pellibus circumdatae". 60 Kardinallegat, die geistlichen Fürsten und weltlichen Würdenträger umringten die festliche Gruppe, als der Kaiser etwa zwanzig oder mehr Männer zu Rittern schlug und sie mit entsprechenden Insignien ausstattete.P'' Diese Vorführung von Macht, die sowohl die ideelle Bedeutung des Kaisertums als auch die tragende Funktion der Reichsfürsten in Erinnerung rief, muss, so legt es die schwärmerische Schilderung des Agostino Patrizi nahe, die Italiener recht beeindruckt haben. Die Standeserhebung von Bartolomeo Cipolla zum Pfalzgrafen mit Wappenbrief, zum kaiserlichen Rat und Familiaren kann, auch wenn nur drei der Geehrten namentlich genannt werden, bloß in diesem Rahmen stattgefunden haben. War es eine Art Aus- gleich für das zögerliche Handeln des Kaisers in der Türkensache? Jedenfalls deuten die Standeserhebungen darauf hin, dass das Reichsoberhaupt die venezianischen Ge- sandten mit Ehrenerweisungen zu besänftigen suchte.l'" Beurkundet wurde der Vor- gang mit dem großen Majestätssiegel (sub sigillo maiestatiss, das - wie bei der Aus- fertigung aller Privilegien, Lehenbriefe und Gratialvorgänge - einer Gegensiegelung mit dem vom Kaiser persönlich verwahrten und getrennt abgerechneten Sekretsiegel bedufte, für das der Kaiser eine eigene Siegelgebühr erheben konnte. Jede mit dem Sekretsiegel versehene Urkunde hatte also der Kaiser persönlich überprüft, wodurch von etwa 1460 an der Einfluss der Kanzleibeamten zurückgedrängt wurde. Das Taxregister bietet wohl eine nahezu lückenlose Auflistung sämtlicher kaiserlicher Urkunden und Briefe zwischen 1471 und 1474nS mit den anfallenden Gebühren, auch wenn es lediglich die täglichen Gebühren und Einnahmen des Pachtkanzlers verzeich- nen sollte. Als Geschäftsbuch der Finanzverwaltung war das Taxregister in drei Spalten angelegt: In der Mitte befand sich zur Identifizierung des Vorgangs ein Kurz- regest zum Inhalt der ausgestellten Urkunde, rechts daneben wurde im allgemeinen die festgesetzte Gebühr eingetragen, was hier nicht notwendig war, und links wurde die Zahlungsmodalität (dedit, gratis) vermerkt; im vorliegenden Fall bedeutet das Wort 103 Deutsche Reichstagsakten, Bd. 22,2 (wie Anm. 1), S. XXVI und S. 638 (Würzburger Relation f. 4100): ..Item der keiser sluge etwevil zu rittern bei 20 oder mere"; vgl. Ebenda., S. 672 (Patrizi f. 54b-55a): ..percussit aliquos milites ex more caesar, dum expectaret, eosque militaribus signis condonavit". Zu diesen Massenerhebungen, besonders in Rom, durch den Kaiser vgl. Hack (wie Anm. 22), S. 197-236. 104 Zur Bedeutung solcher Erhebungen des Kaisers als politische Handlungen vgl. den gut dokumentierten Fall des zum Ritter geschlagenen französischen Juristen Guillaurne Saignet, dem das Parlament 1416 die Pfründe von Senechaussee wegen seines niedrigen Standes zuerst verweigerte und erst nach der Standeserhebung durch Kaiser Sigismund zugestand; vgl. Martin Kintzinger: Westbindungen im spätrnittelalterlichen Europa. Auswärtige Politik zwischen dem Reich, Frankreich, Burgund und England in der Regierungszeit Kaiser Sigismunds (Mittelalter- Forschungen 2), Stuttgart 2000, S. 277-288. 61 gratis, dass die Gebühr erlassen wurde. Im Allgemeinen differiert der Eintrag im Tax- register nur um wenige Tage vom Ausstellungsdatum der Urkunde. Offensichtlich wurden Cipollas Standeserhebungen nach dem 24. Juli beurkundet und dann hier ein- getragen. Als Vermittler wird Konrad Boghain genannt, der damals als Sollizitator der Herrn von Degenberg in Bayern wirkte. lOS Einfache Urkunden wurden nach der Besiegelung gegen die Bezahlung der festgelegten Taxe schnell ausgehändigt, während die höherwertigen Diplome der Standeserhebung noch der Sekretation durch den Kaiser unterlagen.l'" Friedrich III. muss sich also auch nach dem 9. August noch mit diesem Vorgang beschäftigt haben. Solche Nobilitierungen, die das Verdienst von Gelehrtheit und Loyalität den traditionellen Adelsprivilegien gegenüberstellten, besaßen eine große gesellschaftliche Bedeutung und wurden unter den Zeitgenossen natürlich immer wieder diskutiert, was sich auch darin zeigt, dass sich in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts zahlreiche Juristen mit dem Thema auseinandersetzten.i'" Zu verweisen ist nur auf die gelehrten Traktate von Martinus Garatus Laudensis gegen die Jahrhundertmitte''", später von Ludovoco Bolognini (1488)109, von Tommaso Diplovataccio (nach 1493)110 und Cristofero Lanfranchini (1497)111. Auch Bartolomeo Cipolla hatte um 1453/54, als er noch jünger war, einen Traktat zum Thema entworfen, in dem er eine eher distanzierte, formaljuristische Position bezog; er definierte den Adel über die drei Elemente Geburt, 105 Heinig (wie Anm. 11), S. 537. 106 Taxregister, hrsg. von Heinig / Grund (wie Anm. 92), S. VIII-XI. 107 Vgl. Lorenz Böninger: Die Ritterwürde in Mittelitalien zwischen Mittelalter und Früher Neuzeit. Mit einem Quellenanhang: Päpstliche Ritteremennungen 1417-1464, Berlin 1995, S. 234f. zu Traktaten einiger Juristen der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts zum Rittertum, darunter auch Bartolomeo Cipolla (1453/54). Vgl. Mario Ascheri: La nobiltä dell'universitä medievale: nella Glossa e in Bartolo da Sassoferrato, in: Angela de Benedictis (Hrsg.): Sapere eIe potere. Discipline, dispute e professioni nell'universitä medievale e moderna. Il caso bolognese a confronto. Atti dei 40 convegno, Bologna, 13-15 aprile 1989, Bd. 111: Dalle discipline ai ruoli sociali, Bologna 1990, S. 239-268; Claudio Donati: L'idea di nobiltä in ltalia secoli XIV-XVIII, Roma / Bari 1988, passim. 108 In seinem Traktat Oe milite findet sich eine pragmatische Definition des Rittertums als militärische dignitas, nicht als herausragender privilegierter Stand; vgl. Ingrid Baumgärtner: Martinus Garatus Laudensis. Ein italienischer Rechtsgelehrter des 15. Jahrhunderts (Dissertationen zur Rechtsgeschichte 2), Köln / Wien 1986, S. 193-195. 109 Severino Capioli: Indagini sul Bolognini. Giurisprudenza e filologia nel Quattrocento italiano (Ius nostrum. Studi e testi pubblicati dell'lstituto di storia dei diritto italiano dell'Universitä di Roma 15), Varese 1969, S. 179- 181. 110 Zu seinen Äußerungen zum Thema nach 1493 aus Anlass der Hofordnung von Pesaro, in der die doctores den milites nachgestellt wurden, vgl. Hermann Kantorowicz /. Fritz Schultz (Hrsg.): Thomas Diplovatacius, de claris iuris consultis (Romanistische Beiträge zur Rechtsgeschichte 3), Berlin / Leipzig 1919, S. 28f. 111 Zu seinem 1497 verfasstem Tractatulus seu questio utrum preferendus sit doctor an miles vgl. GiorgioBorelli: Doctor an miles: Aspetti della ideologia nobiliare nell'opera dei giurista Cristofero Lanfranchini, in: Nuova rivista storica 73 (1989), S. 151-168. 62 Ehre und Reichtum, sah im Gehorsam gegenüber dem Fürsten keinen Verlust von Ehre oder Adelsprivilegien und diskutierte in diesem Sinne den mutmaßlichen Verrat des Condottiere Bartolomeo Colleoni. 112 Sein Aufstieg zum führenden Rechtsprofessor der Paduaner Universität und die kaiserlichen Nobilitierungen von 1469 an dürften sein Selbstbewusstsein aber so gestärkt haben, dass einige Paduaner Kollegen ihn letztlich als arrogant kritisierten. Leider ist es nicht möglich, die Beziehungen zwischen Cipolla und den kaiserlichen Gelehrten Räten genauer zu erfassen. Nachweisbar sind nur Verbindungen zu einzelnen deutschen Studenten, die Bartolomeo über Unterricht und Prüfungen in Padua kennengelernt haben muss. Im Jahre 1467 war er etwa an der Promotion des Johann Steinberg aus Duderstadt im weltlichen Recht beteiligt. Steinberg, der nach seiner Rückkehr nach Leipzig in Diensten Erzbischofs Adolfs 11. von Mainz aufstieg und zusammen mit seinen beiden Brüdern ein Familienwappen erhielt, wurde Prokurator des Reichskammergerichts und später kaiserlicher Rat, ehe er schließlich unter anderem mit der Königspfründe der Propstei des Goslarer Stifts S1. Simon und Juda sowie der Kustodie am BaseIer Münster belohnt wurde. l 13 Nach Beendigung des Reichstags und nach einer über zweimonatigen harten Überzeugungsarbeit'" wurde die venezianische Delegation noch eingeladen, das Reichsoberhaupt in die Reichsstadt Nürnberg zu begleiteten.I''' Im kaiserlichen Ge- folge waren rund 1.000 Reiter, darunter der Erzbischof von Mainz, Herzog Ernst von Sachsen und Markgraf Albrecht Achilles, also drei Kurfürsten mit ihren Trossen. Be- eindruckend muss vor allem der außergewöhnlich festliche Empfang gewesen sein, den man dem Habsburger bereitete, weil schon seit Jahrzehnten kein Kaiser mehr die Stadt besucht hatte. Die beiden venezianischen Botschafter, Cipolla und Morosini, 112 Vincenzo Piano Mortari: Sulla nobiltä dei Quattrocento. Bartolomeo Cipolla e Buono de' Cortili, in: Clio. Rivista trimestrale di studi storici 23 (1987), S. 185-229; Marco Cavina: L'albagia deI Colleoni: il 'Oe imperatore militum deligendo' di Bartolomeo Cipolla, in: Giovanni Rossi (Hrsg.): Bartolomeo Cipolla: un giurista veronese dei Quattrocento tra cattedra, foro e luoghi dei potere. Atti dei convegno, internazionale di studi (Verona, 14-16 ottobre 2004), Padua 2009, S. 149-160. 113 Erich Kleineidam: Universitas Studii Erffordensis. Überblick über die Geschichte der Universität Erfurt im Mittelalter 1392-1521, 2 Bde. (Erfurter Theologische Studien 14 u. 22), Leipzig 1964-1969, Bd. 2, S. 320 zum 10. November 1467 als Promotionsdatum; Robert Gramsch: Erfurter Juristen im Spätmittelalter. Die Karrieremuster und Tätigkeitsfelder einer gelehrten Elite des 14. und 15. Jahrhunderts (Education and Society in the Middle Ages and Renaissance, 17), Leiden I Boston 2003, S. 178, 182, 448, 479A, 484, 500 und CD-Rom Nr. 604 im Personenkatalog der Juristen der Universität Erfurt. Kurz erwähnt bei Heinig (wie Anm. 11), S. 521- 523 (mit 1467 als Promotionsjahr) und S. 537 (fälschlich mit 1469 als Promotionsjahr). 114 Heinig (wie Anm. 11), S. 1374. 115 Deutsche Reichstagsakten, Bd. 22,2 (wie Anm. 1), Nr. 129a-f, S. 925-949. 63 ritten mit ihrem Gefolge von etwa fünfzig Pferden bei der großen, von Glockengeläut stimmungsvoll untermalten Einzugsprozession an ehrenvoller Position, nämlich direkt vor den beiden weltlichen Kurfürsten und dem Kaiser. 116 In Nürnberg, wo eine standesgemäße Unterbringung der Reisegruppe in der Kaiserburg gesichert warlI?, waren sie vor allem an Kontakten mit den Ratsherren und reichen Kaufleuten interessiert, von denen sie, bezeichnet als "unsern guten frunden, der Venedig er ratsbotschaft", mit zehn Pfund reich beschenkt und mit Fisch und Wein versorgt wurden.l'" Sie scheinen weder am sechstägigen Ausflug des Kaisers nach Bamberg und Vierzehnheiligen noch am Jagdausflug mit Markgraf Albrecht zur Cadolzburg teilgenommen zu haben, sondern sich dem Austausch politischer und wirtschaftlicher Informationen mit den Nürnberger Führungsgruppen gewidmet zu haben. Nach dem überstürzten Aufbruch des Kaisers am Abend des 9. September aus Nürnberg' '" verließ auch Bartolomeo am nächsten Tag sofort die fränkische Metro- 116 Deutsche Reichstagsakten, Bd. 22,2 (wie Anm. 1), Nr. 129a, S. 929f.: ,,herczog Erenst von Sachsen furt das plos swert vor dem keiser, pei im margraff Albrecht, vor im der Venedig potschafft 2 zentellamen, ein ritter doctor und ein dek[an] Moryssing, hetten pei fufzig pferden. nach dem keiser zu der rechten hant reit der cardinal pebstlicher legat und zu der linken hant der pischoff von Meincz und darnach etlich pischoff grefen ritter und vil adels, aber als zeugs was nicht uber anderhalb tausent pfert." Zu dieser Tucher' sehen Fortsetzung der Nürnberger Jahrbücher vgl. Die Chroniken der fränkischen Städte - Nümberg, Bd. 5, bearb. von Th. von Kern (Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert 11), Leipzig 1874, ND Göttingen 1961, S. 460; vgl. auch die Beilage Ebenda, S. 514: "Und als sich die k. m. auf freytag vor Bartholomey mitsambt dem legaten, bischof von Meintz, herczog Ernsten, marggraf Albrechten und den Venedigern zu der stat nehet"; vgl. dazu Wolff (wie Anm. 89), S. 807-810. Allgemein zum Empfang vgl. Paul-Joachim Heinig: Verhaltens formen und zeremonielle Aspekte des deutschen Herrscherhofes am Ausgang des Mittelalters, in: Werner Paravicini (Hrsg.): Zeremoniell und Raum. 4. Symposium der Residenzen-Kommission der Akademie der Wissenschaften in Göttingen (Residenzenforschung 6), Sigmaringen 1997, S. 63-82, hier S. 78f.; Andrea Löther: Die Inszenierung der stadtbürgerlichen Ordnung. Herrschereinritte in Nümberg im 15. und 16. Jahrhundert als öffentliches Ritual, in: Klaus Tenfelde / Hans-Ulrich Wehler (Hrsg.): Wege zur Geschichte des Bürgertums. Vierzehn Beiträge (Bürgertum. Beiträge zur europäischen Gesellschaftsgeschichte 8), Göttingen 1994, S. 105-124. m Wolff (wie Anm. 89), S. 810; zur Bedeutung von Nürnberg und zum Fundus zeremonieller Aufzeichnungen vgl. Reinhard Seyboth: Reichsstadt und Reichstag. Nürnberg als Schauplatz von Reichsversammlungen im späten Mittelalter, in: Jahrbuch für fränkische Landesforschung 52 (1992) (Festschrift Alfred Wendehorst zum 65. Geburtstag, hrsg. von Jürgen Schneider /Gerhard Rechter, Neustadt 1992) S. 209-221, besonders S. 214. 118 Deutsche Reichstagsakten, Bd, 22,2 (wie Anm. 1), Nr. 129f, S. 948 in der Liste der städtischen Ausgaben für die weilenden Reichstagsbesucher: .Jtem 10 Ib. nlürnberg]. 14 ß aber für visch unsern guten frunden, der Venediger ratsbotschaft, auch zum wein geschankt. [Datum fehlt]". Zur Beziehung zwischen Bartolomeo und dem Nürnberger Stadtrat vgl. Eberhard Isenmann: Gelehrte Juristen und das Prozeßgeschehen in Deutschland im 15. Jahrhundert, in: Franz-Josef Arlinghaus u.a. (Hrsg.): Praxis der Gerichtsbarkeit in europäischen Städten des Spätmittelalters (Rechtsprechung. Materialien und Studien 23), Frankfurt a. M. 2006, S. 305-417, hier S. 321 und S. 392 Anm. 295. 119 Zum erneuten Aufenthalt in Regensburg vom Abend des 11. bis zum Morgen des 13. September 1471 und zur sofortigen Weiterreise nach Wien vgl. Deutsche Reichstagsakten, Bd. 22,2 (wie Anm. 1), Nr. 106, S. 430f.; Wolff (wie Anm. 89), S. 819; Carl Theodor Gemeiner: Regensburgische Chronik. Mit einer Einleitung, einem Quellenverzeichnis und einem Register neu hrsg. von Hans Angermeier, 4 Bde., Regensburg 1821-1824,4 in 2 Bde., 2. unveränderter ND München 1987, Bd. 3, S. 493 zur Ankunft in der Nacht zum 12. August und zur Abreise am 13. September mittags auf dem Landweg. 64 pole.120 Er wurde (ebenso wie Aymo vorher direkt von Regensburg aus) nach Venedig zurückbeordert!", während Paolo Morosini weitere Instruktionen erhielt und sich bis zu seiner Abberufung am 17. Dezember beim Kaiser aufhalten musste.122 Seine Auf- gabe war es, den Plan mit dem Reichstag in Italien weiter zu verfolgen. Venedig er- klärte sogar seine Bereitschaft, dem Kaiser 500 Dukaten pro Monat zu zahlen, wenn dieser Reichstag in Padua oder wenigstens im Ferrara der befreundeten Este stattfände und Venedig den heiß erstrebten Oberbefehl über die geplante Türkenflotte erhalten würde. 5. Zusammenfassung Auch wenn kein venezianischer Gesandtenbericht vor 1492 in schriftlicher Form er- halten ist123, kann ein recht konkretes Bild vom Handeln der Venezianer auf dem Regensburger Reichstag entworfen werden. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Wirkungsmöglichkeiten der Gesandtschaft des Dogen gering waren, auch wenn sie entsprechend den Delegationen der Reichsfürsten und Reichsterritorien zusammensetzt war und mit Kaiser und Kardinallegat zu kooperieren versuchte. Die Entsendung des führenden Rechtsprofessors der Landesuniversität zeigt das Gespür für die zeitbedingte Entwicklung, dass juristisch bewanderte Gelehrte Räte sich als geheime Macht im Reich etablierten und Politik zum Beruf geworden war. So ent- sandten der Kaiser und Kurmainz jeweils sechs Gelehrte Rätel 24, Herzog Ludwig der Reiche von Bayern fünf, darunter den bejahrten Martin Mairl25, aber Kurfürsten wie die Pfalz, Köln und Trier jeweils nur einenl26• Von den zahlreichen Teilnehmern in Regensburg waren viele, wie Bartolomeo Cipolla, zum ersten Mal an einer solchen 120 Deutsche Reichstagsakten. Bd. 22,2 (wie Anm. I), S. XXX. 121 Deutsche Reichstagsakten. Bd. 22,2 (wie Anm. I), S. 593 sowie Nr. 117d mit Instruktionen für Paolo Morosini: "dominus autem Bartholomeus Cepola discedat et veniat ad presentiam oostram. et si ante diseessisset, ipse S. Paulus revertatur ad imperatoriam maiestätem et illic differat et prefatusBartholomeusomnino veniat in ltaliam". 122 Deutsche Reichstagsakten. Bd. 22,2 (wie Anm. 1), S. 593 sowie Nr. 117e-h. 123 Queller: The development (wie Anm. 8), S. 184ff. 124 Johannes Kellner, Hans Heinrich Vogt, Martin Heiden, der erfahrene Hartung Molitoris und Hans Beck arbeiteten für den Kaiser; vgl. Koch (wie Anm. 65), S. 182 u. 19Of. Nr. 56 u. 76-79 zu den Biographien der einzelnen Räte. 125 Zu Martin Mair vgl. Anm. 67. Andere Räte wie Theodor Rijswijck vertraten mehrere Herrren, in diesem Fall den Bischof von Münster und das Bistum Bremen; vgl, Koch (wie Anm. 65), S. 194f. Nr. 89 zur Biographie. 126 Koch (wie Anm. 65), S. 19lf. Nr. 80-83 zu den Biographien einzelner Räte. 65 Reichsversammlung beteiligt; andere Delegierte waren höchst erfahren in der deutschen Reichspolitik.V' In diesem Ambiente hatte die ohne Stimmrecht agierende Gesandtschaft Venedigs, bestehend aus zwei erfahrenen Diplomaten und einem Juristen, auf fremdem Territorium ihre Interessen zu verteidigen. Schon die Tücken der Anreise sind Aus- druck dieser Machtlosigkeit der Adelsrepublik im deutschen Reich, in dem nur die Landesfürsten Abhilfe schaffen konnten. Der Kaiser konnte ohne seine Fürsten weder die Sicherheit von Delegierten gewährleisten noch sein Reich gegen die Ungläubigen verteidigen oder gar den venezianischen Verbündeten beistehen. Die Ernennung von Bartolomeo Cipolla zum Sondergesandten war zweifellos nicht nur dessen Position als Rechtsprofessor, sondern auch dessen anpassungsfähiger sozialer Vernetzung in Venedig geschuldet, der Bekanntschaft mit Morosini, der zwei Jahre vorher erfolgten Nobilitierung und seinem Streben nach der Nähe zur Macht. Die sukzessive Übertragung von Gnadenerweisen an immer dieselben Begünstigten war zudem ein raffiniertes Mittel der kaiserlichen Politik im Umgang mit Alliierten, denen andere Wünsche nicht zu erfüllen waren. Im Fall von Bartolomeo Cipolla erfolgten - wie die neu entdeckten Dokumente belegen - innerhalb kurzer Zeit mehrere Beförderungen, zuerst in Venedig 1469 zum einfachen Pfalzgrafen und vielleicht schon zum Ritter, dann auf dem Reichstag von Regensburg zum Pfalzgrafen mit Wappenbrief und dem Recht, Doktoren kreieren zu dürfen, zum kaiserlichen Rat und zum Familiaren. Auf diese Weise wurden bei öffentlichen Veranstaltungen die ideologischen Bindungen zwischen Friedrich III. und seinen Verbündeten inszeniert. Letztlich konnten die drei venezianischen Gesandten ihr Sozialprestige erhöhen, auch wenn ihr politischer Einfluss auf die Reichsgeschäfte gering war und der venezianische Plan des gemeinsamen Türkenkriegs in weite Feme gerückt war. Denn trotz der Zusammenarbeit mit der kaiserlichen und päpstlichen Partei halfen sprachliche Gewandtheit und Durchhaltevermögen nur bedingt, um die schwierigen Bedingungen im Reich zu meistem und die fest gefügten Strukturen zu verändern. Wo Handeln als freiwillige Selbstverpflichtung verstanden wurde, standen die Ziele der einzelnen Glieder über den Wünschen des kaiserlichen Herrn. Für Bartolomeo Cipolla 127 Koch (wie Anm. 65), S. 157f. mit einer Auflistung der auf dem Reichstag von Regensburg 1471 vertretenen Gelehrten Räte. 66 muss die Mission aber trotz des politischen Scheitems ein persönlicher Erfolg gewesen sein, denn er konnte auf die Bestätigung und materiell vorteilhafte Erweiterung der ersten Standeserhebung von 1469, auf die prestigeträchtige Erhebung zum kaiserlichen Rat und Familiaren ehrenhalber, auf ungewöhnliche Begegnungen und vielschichtige Erlebnisse am kaiserlichen Hof und in der Fremde zurückblicken. 67