Universität Kassel DISSERTATION Lebensmittelqualität zwischen Geschmack und Zeichen – Eine natur- und kulturwissenschaftliche Analyse am Beispiel von Speisequark Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades in den Agrarwissenschaften (Dr. agr.) Fachbereich Ökologische Agrarwissenschaften Edith Kalka Gutachter: 1. Prof. Dr. Angelika Meier-Ploeger 2. Prof. Dr. Dr. habil. Joseph Hossenlopp Witzenhausen, im April 2004 II Danksagung Ich möchte mich bei allen Menschen, die mich in meiner Arbeit unterstützt und motiviert haben, herzlich bedanken. Vor allen Dingen gilt mein Dank Prof. Dr. Angelika Meier-Ploeger, die diese Arbeit als Erstgutachterin durch ihre konstruktive Art wesentlich gefördert hat. Für die vielen theoretischen und praktischen Anregungen insbesondere im Bereich der Sensorik möchte ich meinem französischen Zweitgutachter Prof. Dr. Dr. habil. Joseph Hossenlopp mein Merci! aussprechen. Prof. Dr. Bernd Wirthgen möchte ich vor allem für die Unterstützung im Bereich der Konsumentenforschung und für die gute Betreuung während der Projektphase danken. Für die Erarbei- tung der kulturwissenschaftlichen Aspekte möchte ich mich bei Dr. Uwe Spiekermann insbesondere für die vielen Literaturhinweise und für den inspi- rierenden interdisziplinären Austausch bedanken. Darüber hinaus danke ich den beteiligten Hofkäsereien und den Teilnehmern des Sensorikpanels für das große Engagement während der sensorischen Untersuchungsphase bzw. A. Liebermann (Bildungszentrum Milchwirtschaft, Gelnhausen) für die Unterstützung bei der sensorischen Schulung. Zum Gelingen dieser Arbeit haben darüber hinaus beigetragen: Prof. Dr. Hans-Peter Piepho, Dr. Kurt Hofer, Dr. Sonja Lehner, Michael Heckert, Agnès Alessandrin, Dr. Marianne Altmann, Dr. Roland von Ziehlberg, die Kolleginnen und Kollegen des Fachgebietes Ökologische Lebensmittelquali- tät und Ernährungskultur sowie alle studentischen Hilfskräfte während der Projektphase insbesondere Jutta Osterloh. Vielen Dank für die Unterstüt- zung! Für die finanzielle Förderung der Schweisfurth-Stiftung nach Abschluss des EU-Forschungsprojektes möchte ich mich an dieser Stelle herzlich bedan- ken. Mein besonderer Dank gilt meiner Familie und allen, die während der Entste- hungszeit dieser Arbeit für unser „leibliches Wohl“ gesorgt haben: Mme Kabré, la meilleure cuisinière de Ouagadougou und Mrs. Zewdinesh, having the best kitchen in Addis Abeba. III Zusammenfassung Ziel der vorliegenden Arbeit war es, Lebensmittelqualität am Beispiel von Speisequark aus hofeigener und industrieller Verarbeitung mit natur- und kulturwissenschaftlichen Methoden zu erfassen bzw. zu betrachten. Das Neue dieser interdisziplinären Arbeit lag in der Entwicklung von Verbin- dungen zwischen hedonischen/sensorischen, ökologischen und kulturellen Qualitäten von Speisequark. Im zweiten Teil der Arbeit wurde eine sensori- sche Schulung für die hofeigene Milchverarbeitung entwickelt und erprobt, um die Ergebnisse dieser Arbeit in die Praxis umzusetzen. Zuerst musste ein theoretischer Ansatz entwickelt werden, der die Esshand- lungen der Verbraucher als Integrationsmoment von objektiven, subjektiven und sozial-kulturellen Qualitäten betrachtet. Bei diesem handlungstheoreti- schen Ansatz galt es, die Trennung zwischen „objektiven“ und „subjektiven“ Qualitäten zu überwinden, indem über Esshandlungen der Verbraucher integrierte Verbindungen zwischen hedonischen/sensorischen, ökologischen und kulturellen Qualitäten am Beispiel von Speisequark entwickelt wurden. Als empirische Grundlage wurde erstens die sensorische Qualität mit Profil- prüfungen erfasst. Zweitens wurde die ökologische Qualität mit einer Verbraucherumfrage und Conjoint-Analyse und drittens die kulturelle Qualität mit einer semiotischen Analyse betrachtet. Die diskursiven Begründungen des Esshandelns, die in ermittelnden Gruppendiskussionen qualitativ erhoben wurden, zeigten deutlich, dass diese drei Qualitäten des Hofquarks untrennbar miteinander verbunden sind. Der komplexe Begriff „authentisch“, mit dem die Verbraucher Hofquark charakte- risierten, beinhaltete vor allem den Geschmack, aber auch die damit verbun- dene handwerkliche Herstellungsweise, die Verpackung, die regionale Her- kunft und die ökologische Anbauweise. Hofquark ist aus Verbrauchersicht ein gutes Lebensmittel, das seine besondere Bedeutung (kulturellen Wert) auch dadurch erhält, was es nicht ist, nämlich ein industrielles Molkereiprodukt. Der neue natur- und kulturwissenschaftliche Ansatz dieser Arbeit stellt gleichzeitig ein Plädoyer für eine mehrdimensionale Qualitätsbetrachtung von Lebensmitteln dar. Aus interdisziplinärer Sicht besteht hierzu noch ein großer Forschungsbedarf. IV Abstract Aim of this thesis was to conduct research on the food quality of on-farm and industrial processed quarg with natural as well as cultural scientific methods. The development of links between hedonic/sensory, organic and cultural qualities of quarg was the new aspect of this approach. In the second part of this thesis a sensory training program for on-farm milk processing was devel- oped and tested in order to translate the results of this thesis into practice. First, a theoretical approach was developed, which considers the eating acts of consumer as an integrating factor between objective, subjective and socio- cultural qualities. This actor-theoretical approach aimed at overcoming the forced distinction between objective and subjective qualities by linking hedonic/sensory, organic and cultural qualities by means of the consumer’s eating acts. The empirical basis of this thesis is founded on the following analyses. First, the organic quality was considered in a consumer test and conjoint analysis. Secondly, the sensory quality was determined by a descriptive sensory analysis. Thirdly, the labels and packaging of quarg underwent a semiotic analysis to consider its cultural quality. Discussions in focus groups revealed that these three qualities are insepara- bly linked in the mind of consumers. The Consumers characterised farm- house quarg as “authentic”. This semantically complex term encompassed, especially, the taste (hedonic aspects), the manual processing, the packag- ing, the regional origin and the organic farming methods. According to the consumers’ opinion, farmhouse quarg is “good food”. This special value was also attributed due to the fact that it is not an industrial dairy product. This new approach linking nature and cultural science is a plea for a multi- dimensional food quality model. From an interdisciplinary point of view further research is required. V Schlagwörter: Lebensmittelqualität , Interdisziplinarität , Geschmack , Semiotik , Quark Keywords deutsch: Sensorische Qualität , Kulturelle Qualität , Handlungstheorie , hand- werkliche Milchverarbeitung Keywords englisch: Sensory food quality , cultural food quality , actor-theoretical approach , on-farm milk processing VI Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 1 1.1 Problemstellung und Ziel der Arbeit 1 1.1.1 Problemstellung 1 1.1.2 Zielsetzung der Arbeit 3 1.2 Vorgehensweise 3 2 Theoretische Grundlagen und Begriffsdefinitionen zur Qualität von Lebensmitteln 5 2.1 Lebensmittelqualität – ein natur- und kulturwissenschaftliches Thema 5 2.1.1 Definition des Begriffs „ökologische Qualität“ 8 2.1.2 Definition des Begriffs „sensorische Qualität“ 9 2.1.3 Definition des Begriffs „kulturelle Qualität“ 10 2.2 Theoretische Ansätze und Modelle zur Lebensmittelqualität 12 2.2.1 Qualitätswahrnehmungsansätze zur Lebensmittelqualität 12 2.2.2 Ernährungsökologisches Modell 15 2.2.3 Handlungstheoretisches Modell 17 2.3 Modell zu sensorischen, ökologischen und kulturellen Qualitäten von Speisequark 19 2.4 Anwendung eines interdisziplinären Modells am Beispiel von Speisequark 20 3 Ökologische Qualität 22 3.1 Verbraucherumfrage 24 3.1.1 Erhebungsziele 24 3.1.2 Stichprobe 24 3.1.3 Datenerhebung und -auswertung 25 3.2 Conjoint-Analyse 25 3.2.1 Festlegung der Eigenschaften und Eigenschaftsausprägungen 26 3.2.2 Definition des Erhebungsdesigns 27 3.3 Ergebnisse der Verbraucherumfrage und der Conjoint- Analyse 28 3.3.1 Soziodemographische Struktur der Stichprobe 28 VII 3.3.2 Die wichtigsten Einkaufsgründe für Speisequark aus hofeigener Verarbeitung 29 3.3.3 Ergebnisse der Conjoint-Analyse 32 3.3.3.1 Gesamtstichprobe 32 3.3.3.2 Teilergebnisse der Conjoint-Analyse mit Produktattrappen 33 3.3.3.3 Teilergebnisse der Conjoint-Analyse mit Produktkarten 34 3.4 Kritische Reflexion 35 4 Kulturelle Qualität 37 4.1 Kulturhistorische Aspekte der Milch und zur Speisequarkherstellung und -verwendung 37 4.1.1 Herkunft und regionale Bezeichnungen des Begriffes Quark 37 4.1.2 Kulturhistorische und gegenwärtige Bedeutungen von Milch und Speisequark 39 4.1.3 Zur Herstellung und Verwendung von Speisequark seit 1800 40 4.1.3.1 Zur Quarkherstellung ab 1800 40 4.1.3.2 Zur Quarkherstellung ab 1900 41 4.1.3.3 Regionale Verwendung und Zubereitung von Speisequark 42 4.2 Theoretische Grundlagen der Semiotik 43 4.2.1 Semiotisches Dreieck 44 4.2.2 Semiotische Prinzipien 46 4.2.3 Kulturelle Einheiten und Konnotationen von Zeichen 47 4.2.4 Botschaft von Produkten 48 4.3 Material und Methoden 50 4.3.1 Korpus 50 4.3.2 Semiotische Analysemethode 50 4.4 Auswertung und Ergebnisse der semiotischen Analyse 51 4.4.1 I. Ebene: Analyse von Verpackungen und Etiketten 51 4.4.1.1 Material und Form der Verpackung 51 4.4.1.2 Farbanalyse (Dominante Farben) 52 4.4.1.3 Bildliche Elemente und Wort-Bildzeichen 55 4.4.1.4 Linguistische und typographische Analyse 58 VIII 4.4.2 II. Ebene: Klassifizierung 60 4.4.2.1 Klassifizierung der bildlichen Elemente 60 4.4.2.2 Klassifizierung der Typographie 61 4.4.2.3 Klassifizierung des Vermittlungspotentials „Hofimage" 62 4.4.3 III. Ebene: Bedeutungsanalyse 64 4.4.4 Zusammenfassung 69 4.5 Kritische Reflexion 70 5 Sensorische Qualität 72 5.1 Rechtliche Rahmenbedingungen zur sensorischen Qualität von Speisequark 72 5.2 Herstellung von Quark aus hofeigener Verarbeitung 73 5.3 Herstellung von Quark aus industrieller Verarbeitung 77 5.4 Zusammenfassung der verfahrenstechnischen Unterschiede zwischen Quark aus hofeigener und industrieller Verarbeitung 79 5.5 Herstellungsfehler und ihre sensorischen Auswirkungen 81 5.6 Material und Methoden 87 5.6.1 Herkunft und Herstellungsverfahren der Quarkproben 87 5.6.2 Profilprüfung: Konventionelles Profil (DIN 10967-1, 1999) 88 5.6.2.1 Allgemeine Beschreibung und Anwendung 88 5.6.2.2 Statistische Methoden zur Auswertung der Profilprüfung 89 5.6.2.2.1 Hauptkomponentenanalyse 89 5.6.2.2.2 Wilcoxon Vorzeichenrangtest - Exakter Test 90 5.6.2.2.3 Konkordanzkoeffizient (W) von Kendall 90 5.6.2.2.4 Chi-Quadrat-Anpassungstest 91 5.6.3 Aufbereitung der Quarkproben 91 5.6.4 Definition der Deskriptoren 92 5.6.5 Aufbau und Schulung des Panels 93 5.6.6 Untersuchungsdesign 94 5.7 Auswertung und Ergebnisse der Profilprüfung 94 5.7.1 Ergebnisse der graphischen Darstellungen 95 5.7.1.1 Spinnennetzdarstellungen 95 5.7.1.2 Ergebnisse der Hauptkomponentenanalyse 99 IX 5.7.2 Ergebnisse des Wilcoxon Vorzeichenrangtests – Exakter Test 102 5.7.3 Überprüfung der Arbeitshypothesen 105 5.8 Kritische Reflexion 106 6 Diskursive Begründungen des Handelns der Verbraucher als Verbindungen zwischen ökologischer, sensorischer und kultureller Qualität von Speisequark 111 6.1 Ermittelnde Gruppendiskussionen mit Verbrauchern von hofeigenem Speisequark 111 6.1.1 Methodik der ermittelnden Gruppendiskussion 111 6.1.2 Planung und Durchführung von zwei Gruppendiskussionen 112 6.1.3 Konstituierung der Gruppen und Auswahl der Teilnehmer 112 6.1.4 Diskussionsort und -dauer 113 6.1.5 Verlauf der Diskussion 113 6.1.6 Diskussionsleitung, Art der Gesprächsführung, Aufzeichnungsart und Transkriptionsverfahren 113 6.1.7 Auswertungsverfahren 114 6.2 Ergebnisse der Gruppendiskussionen 115 6.2.1 Geschmack (hedonische Qualität) 115 6.2.2 Ökologische Qualität 117 6.2.3 Kulturelle Qualitäten/Wertungen 118 6.3 Klassifizierung der Ergebnisse 120 6.3.1 Dichotome Beschreibungen von Speisequark 120 6.3.2 Kulturelle Ideale von Lebensmitteln aus hofeigener Verarbeitung 121 6.4 Verbindungen zwischen den drei Qualitäten 122 6.4.1 Verbindungen zwischen kultureller und hedonischer/ sensorischer Qualität 123 6.4.2 Verbindungen zwischen kultureller und ökologischer Qualität 124 6.4.3 Verbindungen zwischen hedonischer/sensorischer und ökologischer Qualität 130 6.4.4 Verbindungen zwischen kultureller, hedonischer/sensorischer und ökologischer Qualität 132 6.5 Kritische Reflexion 135 X 6.6 Ein neuer Ansatz zur Qualitätsbetrachtung von Lebensmitteln 137 7 Entwicklung einer sensorischen Schulung für Hofkäser und Hofkäserinnen 138 7.1 Ziele einer sensorischen Schulung 138 7.2 Planung und Gestaltung der Sensorikschulung 139 7.3 Praktische Durchführung der Schulung 141 7.3.1 Quarkversuche mit gezielten Herstellungsfehlern 142 7.3.2 Probenvorbereitungen 143 7.3.3 Praktische Durchführung der sensorischen Tests 144 7.3.3.1 I. Schulungstag 144 7.3.3.2 II. Schulungstag 146 7.4 Evaluation 148 7.5 Kritische Reflexion 149 8 Diskussion 150 9 Zusammenfassung 154 Anhang 157 Literaturverzeichnis 193 XI Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Die Komponenten der sensorischen Wahrnehmung 10 Abbildung 2: Kategorien der ernährungsökologischen Lebensmittel- qualität 15 Abbildung 3: Esshandlungen als Integrationsmoment von objektiven, subjektiven und sozio-kulturellen Qualitäten von Lebensmitteln 18 Abbildung 4: Verbindung zwischen hedonischer/sensorischer, ökologischer und kultureller Qualität am Beispiel von Speisequark 20 Abbildung 5: Struktur der vorliegenden Arbeit 21 Abbildung 6: Semiotisches Dreieck 44 Abbildung 7: Profile von Speisequark aus hofeigener Verarbeitung 96 Abbildung 8: Profile von Speisequark aus industrieller Verarbeitung 96 Abbildung 9: Schwankungen in der Festigkeit von drei Hofquarkproben 98 Abbildung 10: Schwankungen in der Körnigkeit von drei Hofquarkproben 98 Abbildung 11: PCA-Ladungsplot für Speisequarkproben und 12 Deskriptoren für die 1. und 2. Hauptkomponente 100 Abbildung 12: Verbindungen zwischen kultureller, ökologischer und hedonischer/sensorischer Qualität am Beispiel von Hof- und Molkereiquark 134 XII Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Qualitätsindikatoren und Qualitätsmerkmale in kognitiven Ansätzen 13 Tabelle 2: Auswahl der Eigenschaften und Ausprägungen 27 Tabelle 3: Soziodemographische Struktur der Stichprobe 28 Tabelle 4: Die wichtigsten Einkaufsgründe für Speisequark aus hofeigener Verarbeitung (Gesamtstichprobe) (1998) 29 Tabelle 5: Der wichtigste Einkaufsgrund (1. Nennung) für Speisequark aus hofeigener Verarbeitung (1998) 30 Tabelle 6: Der zweitwichtigste Einkaufsgrund für Speisequark aus hofeigener Verarbeitung (1998) 31 Tabelle 7: Ergebnisse der Gesamtstichprobe der Conjoint-Analyse 32 Tabelle 8: Ergebnisse der Conjoint-Analyse mit Produktattrappen 33 Tabelle 9: Ergebnisse der Conjoint-Analyse mit Karten 34 Tabelle 10: Unterschiedliche kulturelle Einheiten in drei Sprach- systemen 47 Tabelle 11: Semiotische Analyse der Etiketten und Verpackungen – allgemeine Aspekte 57 Tabelle 12: Linguistische und typographische Analyse der Etiketten 59 Tabelle 13: Klassifizierung des Vermittlungspotentials „Hofimage“ von Speisequarketiketten 63 Tabelle 14: Semiotische Analyse der Etiketten: Gestaltungsmittel zur Kommunikation der Hauptbotschaften 69 Tabelle 15: Klassische mesophile Starterkulturen für Speisequark 75 Tabelle 16: Hofeigene und industrielle Quarkherstellung 80 Tabelle 17: Ursachen für Fehler in der Quarkherstellung und ihre sensorischen Merkmale 82 Tabelle 18: Grundprofil von Speisequark 92 Tabelle 19: Faktorladungen für 12 Deskriptoren und 8 Speisequarkproben für die 1. und 2. Hauptkomponente 99 Tabelle 20: Wilcoxon Vorzeichenrangtest für Speisequark aus hofeigener und industrieller Verarbeitung 103 Tabelle 21: Means on latent scale for 4 attributes of quarg data 105 Tabelle 22: Soziodemographische Daten von 2 Verbraucherfokusgruppen zu Speisequark 113 Tabelle 23: Dichotome Beschreibungen von Speisequark 120 Tabelle 24: Herstellung von fünf Speisequarkchargen 142 XIII Tabelle 25: Herstellung von Joghurtproben 143 Tabelle 26: Herstellung von Quarkproben 143 Tabelle 27: Herstellung von Ricottaproben 143 Tabelle 28: Camembertproben 144 1 1 Einleitung 1.1 Problemstellung und Ziel der Arbeit 1.1.1 Problemstellung Die Qualität von Lebensmitteln ist in den Industrieländern mit übersättigten Lebensmittelmärkten ein Thema, das zu einem ständigen Diskurs in der Öffentlichkeit auffordert. Dies ist nicht verwunderlich, da es sich bei Lebens- mitteln im wortwörtlichen Sinne um „Mittel zur Erhaltung des Lebens“ han- delt, die für jeden Menschen von existentieller Bedeutung und alltäglicher Relevanz sind. Obwohl es sich hierbei um ein Natur- und Kulturthema han- delt, das eine Verbindung von Natur- und Kulturwissenschaften geradezu herausfordert, sind interdisziplinäre Forschungsarbeiten bisher selten. In einigen Theorien und Modellen der Qualitätsforschung und zur Wahrneh- mung der Qualität von Lebensmitteln wird gerne auf den interdisziplinären Aspekt dieses komplexen Themas hingewiesen. Obwohl diese Modelle einen sehr umfassenden und teilweise ganzheitlichen Anspruch haben, zeigen sie jedoch bisher kaum Methoden auf, wie die Qualität von Lebensmitteln an konkreten Produktbeispielen sowohl natur- als auch kulturwissenschaftlich erfasst bzw. betrachtet werden kann. Es fehlen in der interdisziplinären For- schung Modellansätze, wie naturwissenschaftliche, meist reduktionistische Analysemethoden mit kulturwissenschaftlichen, eher holistischen Methoden verbunden werden können. Der Qualitätsbegriff gerät immer wieder durch neue Lebensmittelskandale in die Schlagzeilen, wodurch sich den verunsicherten deutschen Verbrauchern – meist temporär – die Frage stellt, „was sie überhaupt noch essen können“. Als eine Reaktion auf die Verunsicherung hinsichtlich der Lebensmittelquali- tät kann das Verbrauchersegment gesehen werden, die Lebensmittel aus hofeigener Verarbeitung und/oder ökologischem Anbau nachfragen. Die hofeigene Lebensmittelverarbeitung aus ausschließlich betriebseigen produ- zierten Rohstoffen stellt für landwirtschaftliche Betriebe in Europa eine interessante Einkommensalternative zur Rohstofferzeugung dar. Seit Beginn der 80er Jahre wuchs die Anzahl von Hofkäsereien nach Schätzungen des Verbandes für Handwerkliche Milchverarbeitung im Ökologischen Landbau in Deutschland auf ca. 800 (Stand: 2004) kontinuierlich an. Dabei ist die hofei- gene Milchverarbeitung in Deutschland immer noch eine Domäne von ökolo- gisch wirtschaftenden Betrieben, die sich aufgrund der früher unbefriedigen- den Verarbeitungs- und Vermarktungsstrukturen von Öko-Milchprodukten entwickelte. Für Konsumenten von Lebensmitteln aus hofeigener Verarbeitung stellt der Geschmack einer der wichtigsten Einkaufsmotive dar, wie in einer Ver- braucherumfrage in 4 EU-Ländern übereinstimmend festgestellt wurde (FRANÇOIS, 1995, 23). Da die hedonische Qualität für Verbraucher von hofeigenen Produkten von so großer Bedeutung zu sein scheint, ergibt sich die Fragestellung, ob sich hofeigen verarbeitete Lebensmittel in ihrer sensori- schen Qualität tatsächlich von industriell hergestellten Lebensmitteln unter- scheiden. Oder ob die Aussage dieser Verbraucher, dass „Lebensmittel vom Bauernhof besser als industriell hergestellte Produkte schmecken“, eher eine Wunschvorstellung ist. 2 Die Bedeutung der Sensorik in der Ernährungswissenschaft spielt in Deutschland im Gegensatz zu Frankreich, Großbritannien und USA in der Ernährungswissenschaft immer noch eine untergeordnete Rolle. Insbeson- dere zu dem sensorischen Prüfverfahren Profilprüfung nach DIN 10967-1 (1999), die sich an die ISO 11035 (1994) anlehnt, gibt es bisher nur wenige Forschungsergebnisse in Deutschland. In zahlreichen Untersuchungen wird der deutschen Bevölkerung ein hohes Umweltbewusstsein attestiert. Durch die so genannte Agrarkrise des Jahres 2001 mit ihren einschneidenden personellen und politischen Veränderungen scheint die wahrgenommene ökologische Qualität von Lebensmitteln für deutsche Verbraucher an Bedeutung zu gewinnen. Doch was verstehen die Verbraucher unter ökologischer Qualität? Und welche ökologische Qualität von Lebensmitteln wollen sie auch bezahlen und/oder suchen sie? Bei der konkreten Kaufentscheidung kann es zu Konflikten kommen, welche der ökologischen Eigenschaften, z. B. „ökologisch erzeugt“ oder „aus der Re- gion“, die höchste Priorität besitzt. Auch die ökologische Qualität ist in der deutschen Konsumentenforschung für hofeigen verarbeitete Lebensmittel bisher nur ansatzweise erforscht. Gleiches gilt für die Betrachtung der kulturellen Qualität von hofeigen verar- beiteten Lebensmitteln. In Anlehnung an den anthropologischen Kulturbegriff von Helmuth Plessner und an die Soziologie des Essens von Eva Barlösius beinhaltet Essen weder nur einen natürlich-biologischen noch ausschließlich einen kulturellen Anteil, sondern beide Prinzipien bestehen gleichzeitig nebeneinander. Nach diesem Forschungsansatz hat Essen für den Men- schen gleichzeitig eine natürliche Dimension – das natürliche Bedürfnis des Menschen sich zu ernähren, um zu überleben – sowie eine kulturelle Dimen- sion, in der der Mensch selbst bestimmen muss, was für ihn Lebensmittel sind, was für ihn gesund/nicht gesund und essbar/nicht essbar ist, was für ihn gute/schlechte Lebensmittel sind. In jeder Kultur besitzen Lebensmittel einen Sprach- und Symbolcharakter, dessen Botschaft, d. h. kulturelle Bedeutung und Sinnsetzung, mittels einer semiotischen Analyse entschlüsselt werden kann. Semiotische Analysen zur kulturellen Bedeutung von Lebensmitteln werden in der Konsum- und Marke- tingforschung zunehmend wichtiger. Das Thema „Lebensmittel aus hofeigener Verarbeitung“ stieß auch bei der Generaldirektion für Landwirtschaft der EU-Kommission in Brüssel auf Inte- resse. Sie förderte dazu das EU-Forschungsprojekt FAIR 1 CT 095-360 unter Beteiligung von sieben Ländern. Ziel des interdisziplinär angelegten Projek- tes war es, charakteristische Eigenschaften von Lebensmitteln aus hofeige- ner Verarbeitung im Vergleich zu industriell hergestellten Lebensmitteln unter Berücksichtigung des Verbraucherverhaltens zu untersuchen. Im Rahmen des Forschungsprojektes war eine Vorgabe der EU-Kommission, die Unter- suchungen u. a. am Beispiel eines Milchproduktes durchzuführen. Als Vor- aussetzung für die sensorische Analyse galt, dass das ausgewählte Produkt bei beiden Herstellungsverfahren (hofeigen und industriell) in seinen sensori- schen Eigenschaften vergleichbar sein müsse und es beispielsweise keine zu starken Unterschiede aufgrund der eingesetzten Rohstoffe geben dürfe. Nach einer Vorbesprechung mit den später beteiligten sechs Hofkäsereien fiel die Wahl auf Speisequark, da dieser einen sensorischen Vergleich mit 3 Molkereiquark erlaubt, bei deutschen Verbrauchern ein beliebtes Milchpro- dukt ist und von vielen landwirtschaftlichen Betrieben mit hofeigener Milch- verarbeitung hergestellt wird. 1.1.2 Zielsetzung der Arbeit Die Arbeit verfolgt sowohl inhaltliche als auch methodische Ziele und ist in zwei Teile gegliedert. Teil I Ziel des ersten Teils dieser Arbeit ist es, die Qualität von Lebensmitteln am Beispiel von Speisequark aus hofeigener Verarbeitung mit Hilfe von natur- bzw. kulturwissenschaftlichen Methoden zu erfassen bzw. zu betrachten. Ziel der Qualitätsbetrachtung ist es einerseits, die Bedeutung der ökologi- schen Qualität aus Verbrauchersicht darzustellen. Andererseits wird die kulturelle Qualität mit Hilfe einer semiotischen Analyse von Speisequark- verpackungen und -etiketten erforscht. Ziel der Qualitätserfassung dieser Arbeit ist es, die sensorische Qualität von Speisequark aus hofeigener und industrieller Verarbeitung mittels Profilprü- fung vergleichend zu untersuchen. Das übergeordnete Ziel dieser interdisziplinären Arbeit ist, einen methodi- schen Ansatz zur Verbindung der ökologischen, sensorischen und kulturellen Qualitäten zu entwickeln und umzusetzen. Aus diesem Grund müssen in der theoretischen Grundlegung die bisherigen theoretischen Modellansätze zur Lebensmittelqualität auf ihre Anwendbarkeit für die Verbindung der drei genannten Qualitäten überprüft werden. Die Arbeit hat nicht das Ziel, die Qualitäten eines Lebensmittels allumfassend zu betrachten bzw. zu erfassen, da dies aus zeitlichen und ökonomischen Gründen im Rahmen einer Disser- tation nicht zu leisten ist. Teil II Da angewandte Forschung für die Praxis relevant sein sollte, wird im zweiten Teil dieser Arbeit ein Konzept zur praktischen Umsetzung der in dieser Arbeit gewonnenen Ergebnisse und Erkenntnisse entwickelt. 1.2 Vorgehensweise Im ersten Teil werden die theoretischen Grundlagen und empirischen Unter- suchungen dargestellt. Die sensorischen und semiotischen Forschungsan- sätze sowie die Ansätze der Verbraucherforschung erfordern eine analyti- sche Trennung der drei zu untersuchenden Qualitäten. Jedoch werden in jedem Kapitel zur Analyse der einzelnen Qualitäten so weit wie möglich Wechselbeziehungen zu den beiden anderen Qualitäten, insbesondere in einer abschließenden kritischen Reflexion, hergestellt. Teil I Zum Einstieg in das Thema werden in Kapitel 2 theoretische Grundlagen und Begriffsdefinitionen zu den hier relevanten Qualitäten erarbeitet. Dabei gilt es, ein theoretisches Modell zur Lebensmittelqualität zu entwickeln, mit dem Verbindungen zwischen sensorischen, kulturellen und ökologischen Qualitä- ten erarbeitet werden können. 4 In Kapitel 3 wird die Bedeutung der ökologischen Qualität von Lebensmitteln betrachtet. Die Sichtweise von Verbrauchern wird am Beispiel einer Umfrage und Conjoint-Analyse mit 260 Verbrauchern von Speisequark aus hofeigener Verarbeitung verdeutlicht. Mit dem Conjoint-Verfahren des Statistikpro- gramms SPSS werden die relativen Bedeutungen und die Nutzenbeiträge der wichtigsten Eigenschaften von Speisequark, die für die ökologische Qua- lität relevant sind, ausgewertet. In Kapitel 4 wird die kulturelle Qualität von Speisequark betrachtet. Nach ei- ner kulturhistorischen Einführung zur Bedeutung von Milch und Speisequark sowie zur Quarkherstellung wird zunächst die Semiotik als Methode vorge- stellt. Dabei werden auch angrenzende sozial- und kulturwissenschaftliche Forschungsansätze, die sich mit der kulturellen Bedeutung von Lebensmit- teln befassen, berücksichtigt. Die kulturellen Botschaften von Speisequark aus hofeigener Verarbeitung werden durch eine semiotische Analyse von zehn Speisequarkverpackungen und -etiketten betrachtet. Die Botschaft je- des einzelnen Produktes wird als Ergebnis zusammenfassend dargestellt. In Kapitel 5 wird zur Einführung in die sensorische Qualität die Herstellungs- weise von Speisequark aus hofeigener und industrieller Verarbeitung verglei- chend skizziert sowie potenzielle Herstellungsfehler und ihre sensorischen Auswirkungen analysiert. Anschließend wird die Entwicklung eines sensori- schen Profils für Speisequark aufgezeigt. Danach werden Material und Methoden zur Durchführung sowie die statistische Auswertung der Profilprüfung vorgestellt. Die Ergebnisse werden graphisch als Spinnennetz- graphiken sowie als PCA-Biplot dargestellt. Signifikante Unterschiede zwischen Speisequark aus hofeigener und industrieller Verarbeitung werden mit Hilfe des Wilcoxon-Vorzeichenrangtests – Exakter Test ermittelt. In Kapitel 6 werden zwei Gruppendiskussionen mit Verbrauchern von Spei- sequark aus hofeigener Verarbeitung mittels qualitativer Inhaltsanalyse aus- gewertet. Dabei gilt es erstens, die Methode vorzustellen. Zweitens werden die hedonischen, ökologischen und kulturellen Qualitäten, die die Verbrau- cher bei diesem hofeigenen Produkt suchen, ermittelt. Drittens fungieren de- ren „Diskursive Begründungen des Ess-Handelns" sowie die empirischen Ergebnisse der Kapitel 3 bis 5 als Basis für das theoretische Modell zu Ver- bindungen zwischen hedonischen/sensorischen, ökologischen und kulturel- len Qualitäten. Diese werden durch Literaturbeispiele in Exkursen ergänzt. Der methodisch neue Ansatz wird abschließend kritisch reflektiert. Teil II In Kapitel 7 wird der Leser zuerst in die Ziele sowie die Planung und Gestal- tung der zu entwickelnden sensorischen Schulungen eingeführt. Danach wird die Durchführung und Evaluation der Schulung ausführlich erörtert und mit einer kritischen Reflexion abgeschlossen. Die wichtigsten Ergebnisse dieser Arbeit werden in Kapitel 8 diskutiert und in Kapitel 9 zusammengefasst. 5 Teil I 2 Theoretische Grundlagen und Begriffsdefinitionen zur Qualität von Lebensmitteln 2.1 Lebensmittelqualität – ein natur- und kulturwissenschaftli- ches Thema Obwohl das Thema Lebensmittelqualität sowohl natur- als auch kulturwis- senschaftliche Aspekte beinhaltet, gibt es bisher nur wenig interdisziplinäre Ansätze und Modelle dazu. Da im Rahmen dieser Arbeit die hedoni- schen/sensorischen, ökologischen und kulturellen Qualitäten von Speise- quark untersucht und miteinander verbunden werden sollen, stellt sich die Frage, welche Definitionen von Qualität bzw. welche theoretischen Ansätze und Modelle für diesen interdisziplinären Untersuchungsansatz geeignet sind. Der Begriff „Lebensmittelqualität“ als solcher ist erst seit den 60er Jahren im allgemeinen Sprachgebrauch üblich, während der Begriff „Qualität von Le- bensmitteln“ bereits verstärkt seit den 20er Jahren verwendet wurde. Histo- risch älter sind gleichbedeutende Begriffe zum „Wert von Lebensmitteln“, die bereits im 19. Jh. Eingang in den wissenschaftlichen Sprachgebrauch fanden und schon damals z. B. nach „Nährwert“, „Ernährungswert“, aber auch „sozi- alen und ökonomischen Wert“ differenziert wurden (SPIEKERMANN, 1998). Der Begriff „Qualität“1 wird in der Umgangssprache wertend benutzt im Sinne von „Vortrefflichkeit, Spitzenqualität, Sorte oder Wertigkeit“ (vgl. Erläuterun- gen in DIN 55350, 1987, 12f.). In wissenschaftlichen Veröffentlichungen wird häufig als Ausgangsbasis die nachfolgende Definition für den Begriff „Quali- tät“ zitiert: Qualität ist „die Gesamtheit von Merkmalen einer Einheit bezüglich ihrer Eignung, festgelegte und vorausgesetzte Erfordernisse zu erfüllen.“ (DIN EN ISO 8402, 1994). Ursprünglich stammt diese allgemeine Definition aus dem Bereich der Qua- litätssicherung, die für alle an dieser Norm interessierten Anwendungsberei- che ausgelegt ist. Wie kann jedoch diese „Gesamtheit von Merkmalen“ me- thodisch erfasst werden? Dahinter scheint ein mathematisch anmutendes Denkmodell zu stehen, in dem sich Qualität aus der Summe von Merkmalen zusammensetzt. In einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Thema “Quality” und der hier zitierten Definition zieht ein Sensoriker u. a. folgende Schlussfolgerung: „Consumers are poor diagnosticians, the language they use is fuzzy, and they tend to treat products as integrated wholes, rather than collections of attributes.” (LAWLESS, 1995, 196). Aus den genannten Grün- den ist diese häufig verwendete Definition für diesen interdisziplinären An- satz wenig geeignet. „Zu allen Zeiten haben Menschen gewußt, daß zwischen dem, was man ißt und wie man sich fühlt, ein Zusammenhang besteht.“ (BARLÖSIUS, 1999, 48). Dieses alltäglich vorhandene Ernährungswissen wurde jedoch in viele, 1 Qualität < lateinisch qualitas ‚Beschaffenheit, Verhältnis, Eigenschaft’. 6 überwiegend naturwissenschaftliche Einzeldisziplinen zergliedert. Aus sozi- alwissenschaftlicher Sicht dominieren die Natur- und Technikwissenschaften sowie die Physiologie seit dem 19. Jh. bis heute das Thema Lebensmittel- qualität und Ernährung (vgl. BARLÖSIUS, 1999, 19, 58). Hingegen werden aus naturwissenschaftlicher Sicht kulturelle Bedeutungen von Lebensmitteln oder Aspekte des Wohlbefindens, z. B. Genuss, als „subjektiv“ bewertet, da sie nicht mit naturwissenschaftlichen Methoden „objektiv“ erfassbar sind. Im wissenschaftlichen Diskurs zur Lebensmittelqualität hat sich deshalb histo- risch bedingt eine Aufteilung in objektive Qualitätskategorien, d. h. naturwis- senschaftlich messbare Eigenschaften und in subjektive, d. h. individuelle Empfindungen, Emotionen und Einstellungen der Verbraucher entwickelt (BARLÖSIUS, 1999, 48; vgl. auch HOFER, 2001, 40). Auch in der Sensorikwissenschaft wird zwischen der sensorischen Qualität eines Lebensmittels, die durch geschulte Prüfpersonen/Experten „objektiv“ bestimmt wird, und der hedonischen Qualität, die „subjektiv“ durch Laien (Verbraucher) bewertet wird, streng unterschieden (vgl. DIN 10950-1, 2, 1999; vgl. HOSSENLOPP, 1995b, 14). Aus lebensmitteltechnologischer Sicht soll hingegen bei der Bewertung der Lebensmittelqualität vor allem zwischen Produkt- und Produktionsqualität differenziert werden, da unterschiedliche Produktionsweisen (z. B. handwerklich und industriell) die Produktqualität beeinflussen „[...] können, aber nicht zwingend müssen.“ (ESCHER, 1999). Diese Sichtweise wird von CARLE (1999) und BERGMANN (1999) unterstützt, die die gesundheitlich-ernährungsphysiologischen Vorteile durch technologische Maßnahmen von industriell gefertigten Lebensmitteln hervor- heben. Auch in den Wirtschaftswissenschaften wird häufig eine Teilung der Qualität von Produkten in einen Grund- und einen Zusatznutzen vorgenommen (VERSHOFEN, 1940, 71; 1950, 274 zitiert nach MEFFERT, 1998, 323), in dem sich das Denken in objektiven und subjektiven Qualitätskategorien widerspiegelt. In Bezug auf Lebensmittel wird der Grundnutzen als ernährungsphysiologische und technologische Qualität angesehen. Der Zusatznutzen beinhaltet in dieser Einteilung alle über den Grundnutzen hinausgehende, für Konsumenten werterhöhende Eigenschaften, z. B. den Prestigewert eines Produktes (vgl. SPILLER, 1996, 318). Die Ökonomin Martina Brockmeier schlägt als Konzept zur Bewertung der Nahrungsmittelqualität ebenso vor, eine Differenzierung zwischen objektiven und subjektiven Qualitäten vorzunehmen, welche an das „Grund- und Zusatznutzen“-Modell angelehnt ist. Sie definiert „objektive Nahrungsmittel- qualität als die Gesamtheit der Produktcharakteristika und der jeweilige Grad ihrer Ausprägung [...].“ (BROCKMEIER, 1993, 25). „Die subjektive Nah- rungsmittelqualität resultiert dagegen aus der Summe der Teilnutzenwerte, die sich aus dem Konsum der im Produkt enthaltenen entscheidungsrele- vanten Eigenschaften sowie der jeweiligen Kombination dieser Charakteris- tika für den einzelnen Verbraucher ergibt.“ (BROCKMEIER, 1993, 27). Sie unterstellt bei dieser Definition, dass durch Messung der hedonischen Bewertung der Verbraucher „ideelle, psychologische oder religiöse Kompo- nenten […]“ erfasst werden können. Wie diese sozio-kulturellen Kompo- nenten in die Bewertung mit einfließen, lässt sie jedoch offen. Eine Verbin- dung zwischen objektiven und subjektiven Kategorien ist bei dieser Einteilung nicht vorgesehen. 7 Sowohl in der Ökonomie als auch in der Konsumforschung stimmt man überein, dass sich die Kaufmotive und -entscheidungen der Verbraucher im- mer mehr von der „sachlich-funktionalen“1, d. h. von der so genannten „objektiven“ Produktqualität, ablösen (vgl. SPILLER, 1996, 318; KROEBER- RIEL und WEINBERG, 1999). Diese Entwicklung hängt aus Sicht der Auto- ren sehr stark mit einer Produktentfremdung und einer Überfrachtung mit Informationen (information overload) sowohl bei Verbrauchern als auch im Handel zusammen, wodurch eine eigenständige Qualitätsbewertung der Beteiligten sich zunehmend schwieriger gestaltet. Durch diese Entwicklung steht im Qualitätswettbewerb von Lebensmitteln im konventionellen Lebens- mittelhandel die Kommunikation von Life-style und Unterhaltung durch eine emotionale Ansprache im Vordergrund und keine komplexe Produktqualität (vgl. SPILLER, 1996, 319). Diese Ansicht wird sowohl von v. ALVENSLEBEN (1999) unterstützt, der in diesem Zusammenhang den Begriff „emotionale Qualität“ von Lebensmitteln geprägt hat, als auch von BIESTER (1999), die von emotionalen Bedürfnissen und Sehnsüchten wie Liebe, Spaß, Anerken- nung, Erholung, Sicherheit und Selbstverwirklichung spricht. Aus Sicht der Marketingforschung bestätigen einige Autoren diese Entwick- lung mit der Aussage, dass eine überlegene „subjektive“ Marketing-Qualität viel bedeutender ist als die naturwissenschaftliche-technische „objektive“ Produktqualität, die in Wissenschaft und Praxis oft überschätzt werden würde (vgl. SPILLER, 1996, 315).2 Zusammenfassend ist festzustellen, dass die vorgestellten Forschungsan- sätze oder Definitionen zur Lebensmittelqualität disziplinär ausgerichtet sind. Die Qualität von Lebensmitteln wird meist in die Kategorien „objektiv“ und „subjektiv“ künstlich getrennt (vgl. HOFER, 2001, 40-44, 206-208). Hingegen stellt die Nahrung ein „gesellschaftliches Totalphänomen“ dar (MAUSS, 1990, 22, zitiert nach BARLÖSIUS, 1999, 46), das eine ganzheitliche Betrachtungsweise erfordert (VOGTMANN und MEIER-PLOEGER, 1991; vgl. TÜRCK, 1990, 18). In den bisher überwiegend naturwissenschaftlichen und ökonomischen Untersuchungen werden jedoch Kriterien der Gesell- schaftswissenschaften – da nicht mit naturwissenschaftlichen oder ökono- mischen Methoden erfassbar – weitgehend vernachlässigt. Kulturelle und soziale Faktoren spielen bei der Wahrnehmung und Bewertung der Verbraucher von Lebensmitteln eine bisher unterschätzte Rolle (vgl. KROE- BER-RIEL und WEINBERG, 1996, 17; BARLÖSIUS, 1999, 20ff., 58ff.; SPIEKERMANN, 1998). 1 In Bezug auf Ernährung ist darunter die ernährungsphysiologische Produktqualität zu verstehen. 2 Auch die 1999 durchgeführte Nestlé-Studie zum Ernährungsverhalten der Deutschen unterstreicht die überlegene Marketingqualität am Beispiel von probiotischen Produkten, die zukünftig – laut Studie – eine „Leitbildfunktion“ übernähmen. Sie sind einfach und bequem zu beschaffen. Sie vermitteln u. a. die Botschaft, dass man mit Hilfe der darin enthaltenen medizinisch erforschten Bakterien etwas besonders Gutes für sich und seine Gesundheit tut. (ANONYM_2, 1999, 154; vgl. KARMASIN, 1999, 262f.). Dieses Beispiel veranschaulicht ebenso wie andere gesundheitsbezogene Qualitätsbezeichnungen (fettarm, kalorienarm, vitaminreich, ballaststoffhaltig), dass Ergebnisse einer Einzelstoff orientierten Ernährungs- wissenschaft die Diskussion um das Wesen der Lebensmittelqualität dominieren (vgl. SPILLER, 1996, 315, 325). 8 Welche Auswirkungen diese künstliche Trennung zwischen „subjektivem“ Verbraucherwissen und „objektiven“ Expertenwissen der Ernährungswissen- schaften haben kann, soll am Beispiel der staatlichen Ernährungsaufklärung und -beratung kurz skizziert werden: Der bisherige Ansatz der Ernährungsaufklärung und -beratung, deren Wis- sen auf ernährungswissenschaftlichen Zusammenhängen basiert, ist sozial nicht neutral.1 Sie wendet sich insbesondere an die Mittelschicht, während der in unteren sozialen Schichten gebräuchliche Ess- und Lebensstil unbe- absichtigt kulturell abgewertet wird, da er von den naturwissenschaftlich be- gründeten Vorgaben des „richtigen Essstils“, den die Ernährungsberatung propagiert, sehr stark abweicht. „Hinter dem geringen Erfolg der Ernährungs- beratung in unteren sozialen Lagen“ vermutet BARLÖSIUS (1999, 225) des- halb einen „sozialen Protest“, um die Wertschätzung der eigenen kulturellen Vorstellungen von einem „guten Ess- und Lebensstil“ zur Herstellung und Sicherung von kultureller Identität zu verteidigen. Da die sozialen und kultu- rellen Aspekte des Essens und damit die Funktion der sozialen Differenzie- rung nicht berücksichtigt werden, entstehen hier Widerstände bei der zu be- ratenden Zielgruppe, die sich volkswirtschaftlich u. a. in extrem hohen Kosten für ernährungsbedingte Krankheiten jedes Jahr auswirken. Durch diese Form der Beratungstätigkeit wird auch noch in diesen sozialen Differenzierungs- prozess verstärkend eingegriffen, so dass als Wirkung der Beratung sogar das Gegenteil erreicht wird, nämlich die „Festigung des unrichtigen“ Essstils bei der Zielgruppe (ebd., 225). Bevor die Frage nach einem geeigneten interdisziplinären Modell zur Verbin- dung der sensorischen, kulturellen und ökologischen Qualitäten von Speise- quark beantwortet werden kann, müssen die drei gewählten Qualitäten defi- niert und voneinander abgegrenzt werden. 2.1.1 Definition des Begriffs „ökologische Qualität“ Nach MEIER-PLOEGER (1997, 6) findet „die Belastung der Umwelt/Mitwelt durch Anbau und Erzeugung des Lebensmittels sowie seine Be- und Verar- beitung sowie Vermarktung [...] Eingang in die Bewertung der ökologischen Qualität eines Lebensmittels“. In der Studie „Nachhaltiges Deutschland“ konstatierte das UMWELTBUNDESAMT (1998, 137), dass „der Ökologische Landbau, wie er in Deutschland nach den Rahmenrichtlinien der AGÖL2 praktiziert wird, [...] dem Leitbild einer nachhaltigen Nahrungsmittelproduktion am ehesten [...]“ entspricht. Gemäß den „Rahmenrichtlinien Verarbeitung für Produkte aus Ökologischem Anbau“ (AGÖL und BNN3, 1995, 47) wird auf die Umweltverträglichkeit bei der Verarbeitung von ökologisch hergestellten Produkten größten Wert gelegt, wie aus dem folgenden Zitat deutlich wird: 1 Eine grundsätzliche Kritik an der Arbeit der Ernährungswissenschaften besteht außerdem an dem Menschenbild: „Es ist nicht der handelnde, strebende und duldende Mensch, der hier als Partner in einem wechselseitig respektvollen Gespräch gesehen wird, sondern es ist der Mensch, der defizitär ist, der zu seinem Glück bekehrt, ja belehrt werden muss.“ (SPIEKERMANN, 2000, 2, Hervorhebung im Original). 2 AGÖL: Arbeitsgemeinschaft Ökologischer Landbau. 3 BNN: Bundesverband Naturkost Naturwarenhersteller e.V. 9 „Ziel der Verarbeitung von ökologisch erzeugten Rohwaren zu Lebensmitteln gemäß dieser Richtlinie ist: • Der Schutz der Lebensmittel vor Belastungen, die möglicherweise gesundheitsschädigend wirken. Es sind Verfahren anzuwenden, bei denen solche Belastungen nicht in den Lebensmitteln entstehen oder in sie eingebracht werden. • Ein schonender Umgang mit der Umwelt und Ressourcen wie Wasser, Luft und Energieträgern. • Der Schutz der Gesundheit der Beschäftigten in der Produktion.“ (AGÖL und BNN, 1995, 47).1 In Anlehnung an MEIER-PLOEGER (1997, 6) und den „Rahmenrichtlinien Verarbeitung für Produkte aus Ökologischem Anbau“ (AGÖL und BNN, 1995, 47) wird ökologische Qualität für Lebensmittel in dieser Arbeit wie folgt defi- niert:2 Die ökologische Qualität von Lebensmitteln umfasst alle umweltrele- vanten Faktoren vom Rohstoff bis zum verarbeiteten fertigen Produkt bei den Verbrauchern. Die ökologische Verträglichkeit fließt in die ökologische Bewertung von Lebensmitteln mit ein, indem alle Aspekte vom Anbau über Transport, Lagerung, Be- und Verarbeitung, Verpa- ckung bis zur Entsorgung berücksichtigt werden. 2.1.2 Definition des Begriffs „sensorische Qualität“ Es gibt in der Wissenschaft keine verbindliche und einheitliche Definition für den Begriff „sensorische Qualität“. Selbst die Begriffsdefinition „Der Teil der Lebensmittelqualität, der mit menschlichen Sinnen erfasst werden kann“ nach DIN 10950 (1999) bringt nicht die erwünschte Klarheit. Für Milchprodukte werden beispielsweise in der Käseverordnung (KäseVO) sensorische Eigenschaften unter der Rubrik „sonstige Eigenschaften“ nur sehr allgemein mit wenigen Merkmalen beschrieben. In der Sinnesphysiologie kann die Wahrnehmung eines Sinnesreizes (Sti- mulus) bei der Nahrungsaufnahme in Qualität und Intensität unterteilt wer- den. Sinnesreize werden mit Hilfe des Gesichts-, Geruchs-, Geschmacks-, Tast- und Gehörsinns wahrgenommen, über Impulse an das Zentralnerven- system weitergeleitet und dort verarbeitet. Derselbe Sinnesreiz löst in einem Zentrum, das sich im lateralen Hypothalamus befindet, einen hedonischen Eindruck aus. Diese „Beliebtheitsdimension“, die mit dem Erinnerungsver- mögen verbunden ist, scheint nach HOSSENLOPP (1995b, 14f.) unabhängig von der Wahrnehmung der Qualität und Intensität eines Sinnesreizes zu 1 Nach dem Austritt der größten Anbauverbände Bioland und Demeter aus der AGÖL wurde im März 2002 der Bund Ökologischer Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) e.V. als neuer Spitzenverband der ökologischen Lebensmittelwirtschaft gegründet. Ihm gehören Verbände und Unternehmen der gesamten Wertschöpfungskette ökologischer Lebensmittel an. Da das hier zitierte grundsätzliche Ziel der Verarbeitung von ökologischen Rohstoffen nach den AGÖL und BNN Rahmenrichtlinien inhaltlich auch weiterhin in den Richtlinien der einzelnen Anbauverbände bestehen bleibt, wurde diese ältere Version den aktuelleren Einzelrichtlinien vorgezogen. 2 SPILLER (1996, 291) kommt inhaltlich zu einer ähnlichen Definition. 10 sein. Die hedonische Qualität beinhaltet den Genusswert und ist in diesem Sinne nicht als „rein sensorisch“ anzusehen. Die sensorische Qualität, die bei einem Lebensmittel wahrgenommen wird, kann in sensorische Eigenschaften (nature de stimulus) und deren Intensitä- ten (intensité de stimulus) eingeteilt werden (vgl. HOSSENLOPP, 1995a, 69). Beispielsweise wird für das Aussehen eines Lebensmittels die Farbe be- stimmt oder die Textur eines Lebensmittels wird mittels Mundgefühl (Tast- sinn) wahrgenommen. Die Grundgeschmacksarten werden mit Hilfe des Ge- schmackssinns bewertet. Jede Eigenschaft kann auch quantitativ durch die Beurteilung der Intensität bewertet werden. So kann ein Lebensmittel z. B. schwach oder stark sauer sein. In Anlehnung an das Wahrnehmungsmodell von HOSSENLOPP (1995a; 1995b) (siehe Abbildung 1), das in die sensorische Norme Francais XP V 09- 501, 9 (2000) übernommen wurde, wird in dieser Arbeit die folgende Defi- nition verwendet: Die sensorische Qualität eines Lebensmittels besteht aus der Ge- samtheit aller mit menschlichen Sinnen wahrnehmbaren Eigenschaf- ten und ihrer Intensität. Diese Eigenschaften können von geschulten Prüfpersonen in ihrer Intensität ohne hedonische Bewertung beschrie- ben werden. Qualité sensorielle Qualité hedonique Nature du stimulus Intensité du stimulus Plaisir associé au stimulus Plan de la perception Abbildung 1: Die Komponenten der sensorischen Wahrnehmung Quelle: Norme Francais (2000) XP V 09-501, 9 2.1.3 Definition des Begriffs „kulturelle Qualität“ Ausgehend von Helmuth Plessners anthropologischer Theorie zur Kultur, wird zuerst der Begriff „Kultur“ unter Berücksichtigung des Verhältnisses von Natur und Kultur beim Essen dargestellt. Nach Plessners philosophischer Anthropologie besitzt das menschliche Dasein einen Doppelaspekt: der Mensch ist in seiner Existenz „naturgebunden und frei, […] ursprünglich und künstlich“ (PLESSNER, 1981, 70). Plessner bezeichnet den anthropologi- schen Status des Menschen als „natürlich-künstlich“ und „natürliche Künst- lichkeit“ (PLESSNER, 1981, 385). Mit diesem rein theoretischen Begriff meint 11 er, dass der Mensch nur mit künstlichen Hilfsmitteln überleben kann, die er selbst gestalten muss, da er von Natur aus nicht mit Mitteln ausgestattet ist, die seine menschliche Existenz sichern. Der Mensch ist gezwungen, sein Überleben selbstbestimmt zu gestalten, da ihm von der Natur keine Richtung vorgegeben ist. „Es gibt nichts in seinem Leben, was der Mensch nicht machen müßte, wofür er nicht zu sorgen, was er nicht zu gestalten hätte. In diesem eigentümlichen Nichtfestsitzen des Menschen gründet seine eigentümliche Geistigkeit, Menschlichkeit, Freiheit.“ (PLESSNER, 1983, 64). Aus Plessners Sicht ist deshalb der Mensch von „biologischer Eindeutigkeit eines Verhaltens, wie es die Tiere zeigen, zu biologischer Mehrdeutigkeit emanzipiert.“ (PLESSNER, 1981, 27). Im Ge- gensatz zur Tierwelt kann der Mensch seiner Umgebung (Ereignissen und Dingen) Sinn geben, er kann sie deuten und stellt sich seine Mitwelt als „eine Ordnung von Sinnbezügen“ – als Kultur – her. Durch die Herstellung von Sinnbezügen kann er aus den natürlich vorkommenden Bedeutungen kultu- relle Bedeutungen gestalten (PLESSNER, 1983, 83). Diese sind Grundlage „[...] für das von ihm geschaffene Wissen, sein Handeln und seine Kreativität [...], und weiterhin sind sie der Fundus der von ihm kulturell geschaffenen Umwelt, bestehend aus Dingen, Werkzeugen, Schöpfungen und Kunstwer- ken“ (BARLÖSIUS, 1999, 34). Kultur ist aber auch eine Möglichkeitsbegrenzung, da sie „gewordene, errun- gene und traditionell bewahrte Einseitigkeit [ist], der die Menschen verfallen, wenn sie sich der Begrenztheit ihrer Werte, Umgangsformen usw. nicht be- wusst sind.“ (PLESSNER, 1983, 186). Nach BARLÖSIUS (1999, 38) besitzt das Essen beim Menschen diese an- thropologische Qualität der „natürlichen Künstlichkeit“. Die natürliche Dimen- sion des Essens beinhaltet, dass der Mensch gezwungen ist, sich zu ernäh- ren, um sein Überleben zu sichern. Die Art und Weise, wie er sein natürli- ches Bedürfnis der Nahrungsaufnahme befriedigt, ist jedoch kulturell und sozial bedingt und nicht biologisch festgelegt. Mit anderen Worten, „Der Mensch bestimmt also über den Akt der kulturellen Bewertung, woraus seine Nahrung besteht, was ihm Lebensmittel sind.“ (BARLÖSIUS, 1999, 38). Neu bei diesem soziologischen Ansatz ist, dass dieser Doppelaspekt „natürliche- Künstlichkeit“ als eine untrennbare Einheit begriffen wird. Essen und damit auch Lebensmittelsqualität können aufgrund dieses Ansatzes nicht nur unter rein natürlichen (d. h. naturwissenschaftlichen) Gesichtpunkten betrachtet werden, sondern kulturelle und soziale Aspekte müssen als wesentlicher Be- standteil dieser Einheit gleichwertig berücksichtigt werden. Aufgrund der „natürlichen Künstlichkeit der Ernährung“ besitzen Lebensmittel kulturelle Bedeutungen, die den meisten Verbrauchern beim alltäglichen Konsum nicht bewusst sind und beispielsweise durch semiotische Analysen erschlossen werden können (vgl. KROEBER-RIEL und WEINBERG, 1996, 542ff.; vgl. KARMASIN, 1993, 189ff.). Durch die Auswahl und Kombination von Lebensmitteln werden Botschaften an die Beteiligten, z. B. Gäste, ver- mittelt. Auch die Zubereitung von Lebensmitteln wird als Kommunikations- und Zeichensystem gezielt eingesetzt, um Botschaften auszutauschen (KARMASIN, 1999, 11). 12 Die von Umberto Eco vertretene Semiotik – die Lehre der Zeichen – hat als Wissenschaft das Ziel, Kultur als Kommunikation zu erforschen (ECO 1994, 17ff.). Darüber hinaus müssen zur Bestimmung der kulturellen Qualität von Lebensmitteln auch historische Aspekte berücksichtigt werden, insbesondere regionale Verzehrsunterschiede, da sie nach SPIEKERMANN (1999, 45) sowohl soziale Verzehrsunterschiede als auch Geschlechterunterschiede überlagern können. Im Rahmen dieser Arbeit wird der Begriff „kulturelle Qualität“ von Lebens- mitteln in Anlehnung an Helmuth Plessner und Eva Barlösius wie folgt definiert: Essen beinhaltet für den Menschen gleichzeitig eine natürliche Dimension – das natürliche Bedürfnis des Menschen, sich zu ernähren um zu überleben – sowie eine kulturelle Dimension, in der der Mensch selbst bestimmen muss, was für ihn Lebensmittel sind, welche Lebensmittelqualität für ihn gut/nicht gut oder gesund/nicht gesund ist. Die kulturelle Qualität von Lebensmitteln besteht aus kulturellen Be- deutungen und historischen Ausprägungen von Sinnsetzungen. Sie kann einer dynamischen Veränderung (im Laufe der Zeit) und einer Begrenztheit der anthropologischen Möglichkeiten (z. B. Ablehnung von fremden Speisen) unterliegen. Lebensmittel besitzen in jeder Kultur einen Sprach- und Symbolcharakter, dessen Botschaft, d. h. kulturelle Bedeutung und Sinnsetzung, mittels semiotischer Analyse entschlüsselt werden kann. 2.2 Theoretische Ansätze und Modelle zur Lebensmittel- qualität 2.2.1 Qualitätswahrnehmungsansätze zur Lebensmittelqualität Im Marketing bzw. in der Konsumentenforschung wurden zahlreiche Quali- tätswahrnehmungsansätze entwickelt, die eine große Rolle im wissenschaft- lichen Diskurs zur Lebensmittelqualität spielen.1 Dabei werden „psychische Vorgänge – wie Wahrnehmung oder Einstellung – sowie das Verhalten [von Konsumenten] als Ergebnis der kognitiven (gedanklichen) Verarbeitung von Information gesehen.“ (KROEBER-RIEL und WEINBERG, 1999, 23). Diese Ansätze haben das Ziel, die Prozesse der Wahrnehmung von Qualität durch den Verbraucher kognitiv zu erklären, deshalb werden sie auch als kognitive Ansätze bezeichnet. Als Voraussetzung für diese Modelle gelten die folgen- den Annahmen: A) Der Verbraucher reduziert bei seiner Kaufentscheidung die Vielzahl der verschiedenen Qualitätseigenschaften eines Produktes auf we- nige Qualitätsindikatoren (quality cues). 1 vgl. DÜRRSCHMID und ZENZ (2000); (OUDE OPHIUS, und van TRIJP, 1995); „Quality Guidance Model“ (POULSEN et al., 1996); „Total Food Quality Model“ (GRUNERT, 1995, 1997). 13 B) Der Konsument entwickelt eine Erwartungshaltung auf der Grund- lage des Anwendungszweckes, der Kaufmotive und -umstände und der bisherigen persönlichen Erfahrungen mit dem Produkt, die zu seiner Kaufentscheidung führen. C) Der Wiederkauf eines Produktes ist abhängig davon, in wie weit die erfahrene Qualität (nach dem Kauf) für den Konsument mit seiner Qualitätserwartung (vor dem Kauf) übereinstimmt und seine Kauf- motive dabei erfüllt werden (DÜRRSCHMID und ZENZ, 2000, 121f.). D) Qualitätsindikatoren werden vor dem Konsum als wahrnehmbare Produktmerkmale bezeichnet, die auf die erfahrbaren und „zu glaubenden“ Qualitätsmerkmale (quality attributes) beim Konsum hinweisen. Sie werden in intrinsische, d. h. physikalische und chemische Produkteigenschaften, die „objektiv“ messbar sind, und extrinsische, d. h. die keinen direkten Einfluss auf die physikalischen und chemischen Produkteigenschaften haben sollen, eingeteilt. Extrinsische Indikatoren werden hauptsächlich durch Marketing- aktivitäten, z. B. Marke und Preis, beeinflusst (JONGEN und MEULENBERG, 1998, 49, 75). E) Qualitätsmerkmale werden in erfahrbare und erwartete (zu glau- bende) Eigenschaften unterschieden. Erfahrbare Qualitätsmerkmale können beim Konsum des Lebensmittels erlebt werden, z. B. Ge- schmack, Convenience, während erwartete Qualitätseigenschaften z. B. Gesundheitsnutzen, ökologische Verträglichkeit nicht von dem Verbraucher beurteilt werden können (JONGEN und MEULEN- BERG, 1998, 49). Die zentralen Begriffe dieser Modelle werden in Tabelle 1 anhand von Bei- spielen einander gegenüber gestellt: Tabelle 1: Qualitätsindikatoren und Qualitätsmerkmale in kognitiven An- sätzen Qualitätsindikatoren Intrinsische Qualitätsindikatoren (Intrinsic Quality Cues) Extrinsische Qualitätsindikatoren (Extrinsic Quality Cues) Beispiele: Sensorische Eigenschaften, z. B. Aussehen, Textur, Flavour, Halt- barkeit, Ernährungswert Beispiele: Verpackung, Image, Marke- ting, Preis, Marke, Kaufort, Herkunfts- land, Händler Qualitätsmerkmale Erfahrbare Qualitätsmerkmale (Experience Quality Attributes) Erwartete (zu glaubende) Qualitäts- merkmale (Credence Quality Attributes) Beispiele: Hedonische Eigenschaften (Geschmack), Convenience Beispiele: Gesundheitsnutzen, ökologi- sche Verträglichkeit, Exklusivität Quelle: DÜRRSCHMID und ZENZ, 2000 Im Fokus dieser kognitiven Ansätze steht die wahrgenommene Qualität des Verbrauchers, die sich nach dieser Theorie nicht im Kauf, sondern beim Konsum des Produktes manifestiert. Diese wahrgenommene Qualität liegt in den Diensten bzw. Leistungen für den Konsumenten begründet und spiegelt sich in den klassischen Kategorien Nährwert, Genusswert und Gesundheits- wert wider. Als vierte Kategorie wird eine kommunikative Funktion in die 14 „Qualitätsliste“ aufgenommen, die Lebensmittel als Kommunikationsmittel sowie Ausdrucksmittel für kulturelle Werte versteht (DÜRRSCHMID und ZENZ, 2000, 122). Das in der Literatur viel zitierte „Total food quality model“, das von GRUNERT et al. (1996) entwickelt wurde, ist ein komplexes kognitives Mo- dell, dass die zwei Dimensionen Qualitätserwartung und Qualitätserlebnis von Lebensmitteln gegenüberstellt. Basis für dieses Modell ist wiederum die Annahme, dass die objektiven Qualitätseigenschaften die intrinsischen Qua- litätsindikatoren bilden, die der Konsument wahrnimmt. Aufgrund dieser Wahrnehmung soll der Konsument eine subjektive Qualitätserwartung vor dem Kauf entwickeln können. Nach dem Kauf werden die sensorischen Ei- genschaften von den Autoren dabei als wichtige Vermittler zwischen objekti- ven Produkteigenschaften, der Zubereitung der Mahlzeit sowie dem Quali- tätserlebnis angesehen (GRUNERT, 1997, 158f.). Bei der Untersuchung der Qualitätserwartung von Verbrauchern in einer cross-cultural-study zu Rindfleisch stellte GRUNERT (1997, 172) jedoch fest, dass Konsumenten sowohl in low als auch in high involvement situations bzw. aufgrund von Habitualisierungen keine explizite Qualitätserwartungen bilden. Die Prozesse der Qualitätswahrnehmung durch den Verbraucher scheinen noch nicht in diesem komplexen kognitiven Wahrnehmungsmodell erklärbar zu sein und lassen sich nicht auf die theoretischen Konstrukte in- trinsische und extrinsische Qualitätsindikatoren reduzieren. Soziale und kul- turelle Aspekte werden von Grunert zwar als besonders bedeutend bei Le- bensmitteln erachtet, jedoch werden sie in dem „Total food quality model“ kaum berücksichtigt (ebenda, 160), da es auf einem Dualismus zwischen objektiven (physikalischen) und subjektiven (zu glaubenden) Eigenschaften eines Lebensmittels basiert. Obwohl die kognitiven Ansätze zur Qualitätswahrnehmung von Lebensmit- teln, die hier nicht erschöpfend vorgestellt werden können, in empirischen Untersuchungen teilweise sensorische Aspekte und häufig Conjoint-Analy- sen beinhalten und damit methodisch für diese Arbeit von Interesse wären, sind sie theoretisch für die Fragestellung nach der Verbindung von sensori- schen, ökologischen und kulturellen Qualitäten nicht geeignet. Erstens beruhen sie auf der strikten Trennung von „objektiven“ und „subjekti- ven“ Produkteigenschaften, die eine Verbindung zwischen sensorischer, ökologischer und kultureller Qualität nicht erlauben. Zweitens unterstellen sie, dass Verbraucher mit ihrem alltäglichen Ernährungswissen die „zu er- wartenden Qualitätsmerkmale“, z. B. die gesundheitliche oder die ökologi- sche Qualität eines Lebensmittels, ohne Experten nicht beurteilen könnten. Drittens werden ausschließlich Methoden eingesetzt, die die kognitiv kontrol- lierten Verhaltensweisen erfassen, jedoch emotionale, soziale und kulturelle Aspekte vernachlässigen.1 1 In der Konsumentenverhaltensforschung stehen die dominanten kognitiven Ansätze und seit den 90er Jahren die verstehenden (interpretierenden) Ansätze, die auch symbolische und kulturelle Bedeutungen von Gütern und von Kommunikation berücksichtigen, in lebendiger Konkurrenz zueinander (vgl. KROEBER-RIEL und WEINBERG, 1999, 15-24). 15 2.2.2 Ernährungsökologisches Modell Die Ernährungsökologie versteht sich als eine interdisziplinäre Wissenschaft, die bei der Bewertung der Lebensmittelqualität die Wechselwirkungen zwischen dem einzelnen Menschen, der Umwelt und der Gesellschaft zu berücksichtigen versucht (v. KOERBER et al., 1999, 26f.).1 Dabei hat die ernährungsökologische Forschung den Anspruch, die „notwendige Verknüp- fung zwischen reduktionistischem und holistischem Denkansatz in der Ernäh- rungswissenschaft“ herzustellen (MERSCH-SUNDERMANN, 1999, 42). Der Forschungsschwerpunkt liegt bisher auf den ökologischen Auswirkungen der Ernährung auf die Umwelt, der sich in den folgenden Themenschwerpunkten widerspiegelt: Lebensmittelqualität unter ganzheitlicher Betrachtung, Ökobi- lanzen und Produktlinienanalysen, Klimarelevanz von Ernährungssystemen und die Bewertung von unterschiedlichen Ernährungssystemen aus ökologi- scher Sicht u. a. (v. KOERBER et al., 2001). Zur Beurteilung der Lebensmit- telqualität werden bei diesem Ansatz die nachfolgenden Kategorien vorge- schlagen, die den Bezugssystemen Einzelner Mensch, Ökologie und Gesell- schaft normativ zugeordnet werden (siehe Abbildung 2). Ernährung des Menschen I. EINZELNER MENSCH Genusswert, Gesundheitswert, Psychologischer Wert, Eignungswert II. GESELLSCHAFT Soziokultureller, ökonomischer und politischer Wert III. UMWELT Ökologischer Wert Abbildung 2: Kategorien der ernährungsökologischen Lebensmittelqualität Quelle: v. KOERBER et al., 54 I. Kategorie: Einzelner Mensch A) Unter dem Genusswert versteht die Ernährungsökologie die hedoni- schen Eigenschaften, die beim Genuss eines Lebensmittels direkt mit den menschlichen Sinnen wahrnehmbar sind (v. KOERBER et al., 1999, 54). 1 Der Qualitätsbegriff der Ernährungsökologie basiert auf Forschungsarbeiten, die im Laufe der Zeit den Lebensmittelqualitätsbegriff erweitert haben, indem weitere qualitätsrelevante Kategorien, z. B. Umweltfreundlichkeit der Produktion, psychologischer Wert und Sozial- und Umweltverträglichkeit, berücksichtigt wurden (LEITZMANN und SICHERT-OEVERMANN, 1991, 46; vgl. SPITZMÜLLER et al., 1993, 171ff.). 16 B) Der Gesundheitswert wird vorrangig „über die Summe der wert- gebenden [z. B. essentielle Nährstoffe, Energiegehalt, usw.] bzw. wertmindernden [z. B. Fremd- bzw. Schadstoffe] Inhaltsstoffe beurteilt.“ (ebd., 54). C) Unter dem Eignungswert verstehen die Autoren den Gebrauchs- und Nutzwert. An Bedeutung gewinnt in den Industrieländern ver- stärkt der Zeitaufwandswert für Einkauf, Zubereitung und Verzehr (ebd., 61). D) Der psychologische Wert beinhaltet z. B. die Freude am Essen, Vor- stellungen, Meinungen, Erwartungen, Belohnung sowie Unterhal- tungswert, Sehnsüchte nach Anerkennung, Sicherheit und Selbst- verwirklichung (ebd., 61f.; vgl. BIESTER, 1999). II. Kategorie: Gesellschaft A) Der soziokulturelle Wert „wird sowohl durch Konsumgewohnheiten einzelner Menschen, als auch durch gesellschaftliche Aspekte ge- prägt.“ (v. KOERBER et al., 1999, 63). Diesem Wert werden As- pekte wie Prestige, Tabus, Vorbildfunktion zugeordnet. B) Der ökonomische Wert verkörpert den Markt- und Handelswert für Erzeuger-, Verbraucher- und Händlergruppen. Während bei der Erzeugung der Ertrag, die Erzeugungskosten und der Verkaufspreis von Bedeutung sind, spielen in der Verarbeitung die Eigenschaften der Weiterverarbeitung (z. B. Normgröße, hygienisch-toxikologische Parameter) neben dem Ein- und Verkaufspreis eine große Rolle. Hingegen stellt der Handel hohe Anforderungen an die äußere Beschaffenheit (Handelsklassen), maximale Haltbarkeit und Transportfähigkeit. Diese Eigenschaften haben den größten Einfluss auf den Ein- und Verkaufspreis (ebd., 63f.).1 C) Der politische Wert bezieht sich auf gesellschaftliche Normen der Lebensmittelherstellung – von der Erzeugung bis zum Konsum der Verbraucher – und beinhaltet beispielsweise ökologische, ethische und/oder humanitäre Aspekte. Beispiel: Von entwicklungspolitisch orientierten Gruppen wird der Import von Futtermitteln aus Entwicklungsländern sowie umgekehrt der Export von billigen Nahrungsmittelüberschüssen in Entwicklungsländer stark kritisiert (ebd., 64f.; v. KOERBER und KRETSCHMER, 1999). III. Kategorie: Umwelt Der ökologische Wert von Lebensmitteln soll den Verbrauch an Primärener- gie, Rohstoffen, Wasser, den Aufwand für die Produktion und für die Entsor- gung der Verpackungsmaterialien sowie umweltschädigende Emissionen des Ernährungssystems berücksichtigen (v. KOERBER et al., 1999, 62). Der ernährungsökologische Forschungsansatz liefert eine dreigliedrige Struktur, in der die in dieser Arbeit zu untersuchenden Qualitäten – senso- risch, kulturell und ökologisch – „ihren“ Platz in jeder der drei Kategorien fin- den würden. Bei diesem Modell werden ebenso wie in vielen anderen Veröf- 1 Aus absatzwirtschaftlicher Sicht wird wirtschaftliche Qualität definiert als „diejenige Qualität, die beim größten Abstand zwischen Erlösen und Kosten herrscht.“ (TÜRCK, 1990, 21). 17 fentlichungen zur Lebensmittelqualität Kategorisierungen von vielen Teilqua- litäten vorgenommen (vgl. HOFER, 2001, Anhang B). Zum einen entsteht dabei teilweise der Eindruck, dass die mathematische Summe der Teilquali- täten die „gesamte Lebensmittelqualität“ ergibt. Zum anderen scheinen die unterschiedlichen Teilwerte bzw. -qualitäten der drei Kategorien auf der glei- chen Ebene für die Bestimmung der Lebensmittelqualität zu stehen. Darüber hinaus überlappen sich die Inhalte der Teilwerte/-qualitäten (z. B. Genuss- wert, psychologischer und sozialkultureller Wert), wodurch sich eine exakte Definition als schwierig erweist. Weiterhin fehlen noch interdisziplinäre An- sätze zur Erforschung der von ihr definierten ganzheitlichen Lebensmittel- qualität. Wie in den naturwissenschaftlich geprägten Ernährungswissen- schaften ist auch bei diesem Ansatz die Qualität von Lebensmitteln „anhand objektiv messbarer Eigenschaften und/oder aufgrund subjektiver Wertschät- zungen zu ermitteln.“ (v. KOERBER, et al., 1999, 53). Auf die weiterführende Frage, welche Verbindungen bzw. Wechselbeziehungen zwischen den ein- zelnen Bezugssystemen bzw. Teilqualitäten existieren, gibt dieser Ansatz bisher noch keine Antwort, weshalb er als theoretisches Modell für diese Ar- beit weniger geeignet erscheint. 2.2.3 Handlungstheoretisches Modell Aus handlungstheoretischer Sicht können die bisherigen Ansätze zur Le- bensmittelqualität dergestalt interpretiert werden, „dass das Verständnis von ‚Qualität‘ in der Lebensmittel- und Ernährungswissenschaft in einem Dualis- mus von Objektivismus und Subjektivismus gefangen ist.“ (HOFER, 2001, 208). Wie bereits in Kapitel 2.1 erläutert, untersuchen die naturwissenschaft- lich geprägten Lebensmittel- und Ernährungswissenschaften „objektiv“ messbare Eigenschaften von Lebensmitteln (z. B. Fett, Eiweiß, Trocken- masse). So beanspruchen z. B. die klassischen Ernährungswissenschaften als einzige Institution „Ernährungswissen zu schaffen, das der wissenschaft- lichen Objektivität genügt.“ (BARLÖSIUS, 1999, 69). Subjektive Eigenschaf- ten dürfen dabei nicht berücksichtigt werden. Aus soziologischer Sicht steht aber hinter allen wissenschaftlichen und „nicht wissenschaftlichen“ Ernäh- rungslehren eine „bestimmte Vorstellung von individuellem Wohlsein und gesellschaftlichem Wohlergehen.“ (BARLÖSIUS, 1999, 69). Steht das Inte- resse der subjektiven Qualität von Lebensmitteln im Vordergrund, wie z. B. in der Konsumforschung, dann „lösen sich vermeintlich objektive Eigenschaften in subjektiven Wertungen auf.“ (HOFER, 2001, 208). Objektive und subjek- tive Qualitäten haben nur bei einer reduktionistischen Herangehensweise ihre Berechtigung, wenn die jeweils andere Qualität bzw. Realitätsebene ausgeblendet wird (HOFER und MEIER-PLOEGER, 2001, 206). Wie jedoch gezeigt werden konnte, bestätigen auch die dargestellten Ansätze zur Le- bensmittelqualität (Kapitel 2.2.1 und 2.2.2), dass es sich hier um ein mehrdi- mensionales Phänomen handelt, welches eine Verknüpfung von reduktio- nistischer und holistischer Sichtweise erfordert (vgl. MERSCH-SUNDER- MANN, 1999, 42). Im Rahmen dieser Arbeit werden unter Lebensmitteln im wörtlichen Sinne biologisch lebendige Systeme verstanden, die spezifische „Wesensqualitä- ten“ besitzen, welche über die Summe ihrer Teilqualitäten hinausgehen. Aus dieser Perspektive ist das Wesen der Qualität weder im Subjekt Mensch be- gründet noch im Objekt Lebensmittel, sondern in der Interaktion zwischen Mensch und Lebensmittel („Food is an interaction, not an object.“ Professor 18 of English Literature at Oxford University, zitiert nach BELTON, 2000, 15). Gelingt es dem Menschen, eine Beziehung zum Lebensmittel herzustellen, „wird das Wesen der Qualität im Sinne einer Einheit von Lebensmittel und Mensch ver-wirklicht.“ (HOFER, 2001, 44). Dieses Verständnis vom Wesen der Qualität scheint in den alltäglichen Ess- handlungen eines Verbrauchers solch eine Selbstverständlichkeit zu sein, „dass die Qualität eines Lebensmittels durch die Interaktion von objektiven, subjektiven und sozio-kulturellen Sachverhalten bestimmt ist.“ (HOFER und MEIER-PLOEGER, 2001, 207). An dem Beispiel „Kaffee trinken“ versuchen die Autoren, diesen Zusammenhang konkret darzustellen: Der Koffeingehalt des Kaffees ist eine „objektive Qualität“, die bei vielen Menschen eine anre- gende Wirkung hat. Diese Wirkung des „Wachmachens“ drückt sich u. a. in der großen Beliebtheit, d. h. der „subjektiven Qualität“ und dem Konsum von Kaffee aus. Im Vergleich mit dem Konsum von anderen Getränken nimmt Kaffee in Deutschland einen Spitzenplatz ein (vgl. v. KOERBER et al., 1999, 236, 241f.). Ohne die sozial- und kulturgeschichtlichen Hintergründe dieses Kolonialproduktes wären die unterschiedlichen Kaffeetrinkkulturen (z. B. Esp- resso, café au lait, usw.) weltweit nicht denkbar. Das nachfolgende Integrationsmodell (Abbildung 3) von Hofer vertritt die These, dass die drei Dimensionen objektive, subjektive und sozio-kulturelle Qualitäten von Lebensmitteln durch Esshandlungen miteinander verbunden sind. soziale Qualitäten Esshandlungen objektive Qualitäten subjektive Qualitäten Abbildung 3: Esshandlungen als Integrationsmoment von objektiven, subjektiven und sozio-kulturellen Qualitäten von Lebensmitteln Quelle: HOFER und MEIER-PLOEGER, 2001, 207 Diese These stützt sich auf die Strukturierungstheorie des britischen Sozio- logen Anthony Giddens. Seine soziologisch begründete Handlungstheorie wird von Kurt Hofer (2001) als Konzeption von Lebensmittelqualität als eine Tat-Sache verwendet. Eines der zentralen Anliegen von Giddens ist es, den traditionellen Dualismus zwischen dem Individuum (dem bewusst handeln- den Menschen) und der Gesellschaft zu überwinden. Nach seiner Theorie erfolgen soziale Handlungen rückbezogen auf gesellschaftliche Strukturen materieller und immaterieller Art. „Ohne Handlungen gäbe es keine Struktu- ren und ohne Strukturen keine Handlungen.“ (HOFER und MEIER- PLOEGER, 2001, 208). Damit unterliegt die Gesellschaft einem ständigen Strukturierungsprozess durch Handlungen und ihren Folgen. 19 Aus Sicht der Strukturierungstheorie enthält Lebensmittelqualität als eine Tat-Sache im Gegensatz zu den bisher vorgestellten Modellen und For- schungsansätzen ein dynamisches Element, da sie – jenseits von objektiven und subjektiven Eigenschaften von Lebensmitteln - als „fortwährender Pro- zess der Strukturierung des Bedürfnisfeldes Essen im Zuge von Esshand- lungen“ verstanden wird (HOFER und MEIER-PLOEGER, 2001, 209). Die- ses handlungstheoretische Modell stellt jenseits von objektiven und subjek- tiven Produkteigenschaften eines Lebensmittels die Esshandlungen der Konsumenten in den Vordergrund. Es liefert für die Verbindung von sensori- schen, ökologischen und kulturellen Eigenschaften eines Lebensmittels eine geeignete Grundlage, die im nachfolgenden Kapitel als theoretisches Modell für diese Arbeit umgesetzt wird. 2.3 Modell zu sensorischen, ökologischen und kulturellen Qualitäten von Speisequark Die sensorischen, ökologischen und kulturellen Qualitäten von Speisequark und ihre Verbindung stehen im Rahmen dieser Arbeit in einem Spannungs- feld zwischen natur- und sozial-/kulturwissenschaftlichem Paradigma bzw. zwischen Objektivität und Subjektivität. Auf der Grundlage des handlungs- theoretisch begründeten Modells zur Lebensmittelqualität als Tat-Sache (Ka- pitel 2.2.3) wird nun ein theoretischer Ansatz zur Verbindung der sensori- schen, ökologischen und kulturellen Qualität von Speisequark entwickelt. Die sensorische Qualität ist aus naturwissenschaftlicher Sicht eine „objektive Qualität“, da sie mit quantifizierbaren und statistischen Methoden Ergebnisse hervorbringt, die reproduzierbar sind. Die ökologische Qualität, die in dieser Arbeit mittels Verbraucherumfrage und Conjoint-Analyse betrachtet wird, ist aus Sicht der Konsumentenforschung eine „subjektive Qualität“, die höchs- tens mittels Ökobilanzierungen objektivierbar ist. Die Botschaft von Speise- quarkverpackungen und -etiketten, die mit einer semiotischen Analyse be- trachtet werden soll, fällt unter die Kategorie „sozio-kulturelle Qualitäten.“ Das verbindende Element zwischen den drei Kategorien bilden in diesem Modell die Esshandlungen der Verbraucher. Sie spiegeln sich im Rahmen dieser Arbeit in den Aussagen und Begründun- gen der Verbraucher von Speisequark aus hofeigener Verarbeitung wider und werden in ermittelnden Gruppendiskussionen erforscht. Nach GIDDENS (1995, 56) entwickeln Akteure (Menschen) stets ein bestimmtes theoreti- sches Verständnis für die Gründe ihres Handelns. Diese können diskursiv zum Ausdruck gebracht werden, wenn danach gefragt wird. Diskursive Be- gründungen des Handelns sind aber ihrerseits wieder Handlungen. Grup- pendiskussionen, wie sie im Rahmen dieser Arbeit initiiert wurden, sind des- halb nicht von anderen Handlungen zu trennen. Dieses handlungstheoretisch begründete Modell liefert eine geeignete theo- retische Grundlage zur Verbindung der drei Qualitäten, da es zum einen die Trennung von objektiver und subjektiver Qualität, in – über Esshandlungen integrierten – Verbindungen zu überwinden versucht. Zum anderen gibt es eine theoretische Struktur vor, die eine interdisziplinäre Verbindung zwischen natur- und kulturwissenschaftlichen Ansätzen überhaupt zulässt. Im Zentrum des Modells stehen deshalb die diskursiven Begründungen des Esshandelns von Konsumenten (siehe Abbildung 4). 20 Wie in Kapitel 2.1 schon gezeigt werden konnte, beeinflussen aus sozialwis- senschaftlicher Sicht die sozio-kulturellen Qualitäten sowohl die objektiven als auch die subjektiven Qualitäten von Lebensmitteln. Aus diesem Grund steht die kulturelle Qualität in diesem Modell nicht auf der gleichen Ebene wie die hedonische/sensorische bzw. ökologische Qualität, sondern ist die- sen beiden Qualitätsbereichen übergeordnet. Die Anwendung des Modells im Rahmen dieser Arbeit wird im nächsten Kapitel dargestellt. Diskursive Begründungen des Handelns (= Esshandlungen) von Verbrauchern zur Qualität von Speisequark Hedonische/ sensorische Qualität Ökologische Qualität Kulturelle Qualität (sozio-kulturelle Wertungen) Abbildung 4: Verbindung zwischen hedonischer/sensorischer, ökologi- scher und kultureller Qualität am Beispiel von Speisequark Quelle: Eigene Darstellung 2.4 Anwendung eines interdisziplinären Modells am Beispiel von Speisequark Die empirischen Analysen zu den sensorischen, ökologischen und kulturellen Qualitäten beinhalten in dieser Arbeit drei methodisch unterschiedliche Wege zur Erfassung und Betrachtung der Lebensmittelqualität. Damit aber diese natur- und kulturwissenschaftlichen Ansätze nicht isoliert nebeneinander ste- hen, wird eine inhaltliche Vernetzung bereits in jedem der drei Kapitel zu den einzelnen Qualitäten angestrebt. Diese Vernetzung widerspricht zwar der klassisch naturwissenschaftlichen Vorgehensweise, jedoch handelt es sich hier um eine inter-disziplinäre Arbeit, die den Versuch wagt, Verbindungen zwischen (lat. inter) den natur- und kulturwissenschaftlichen Analysen und Ergebnissen herzustellen. Die drei Kapitel zu den sensorischen, ökologischen und kulturellen Qualitäten bauen aus diesem Grund nicht aufeinander auf, sondern stehen in dieser Arbeit inhaltlich nebeneinander, wie es in Abbildung 5 als erster Schritt dargestellt ist. Da dieses inhaltliche „Nebeneinander“ layout-technisch nicht machbar und sinnvoll erscheint, werden die drei Qualitäten zu Speisequark in 21 den Kapiteln 3 bis 5 nacheinander erarbeitet. Als verbindendes Element stehen im Zentrum des handlungstheoretischen Modells die Esshandlungen der Verbraucher (siehe Abbildung 4), weshalb diese mit ermittelnden Gruppendiskussionen im zweiten Schritt erforscht werden. Im dritten Schritt werden Verbindungen zwischen den sensorischen, ökologischen und kultu- rellen Qualitäten auf der Grundlage der diskursiven Begründungen des Esshandelns der Konsumenten und der Ergebnisse der empirischen Unter- suchungen erarbeitet und durch Exkurse ergänzt. Auf der Grundlage dieses theoretischen Kapitels wird in Abbildung 5 eine Übersicht über die drei wesentlichen Schritte zur Erarbeitung der Verbindun- gen zwischen kulturellen, sensorischen und ökologischen Qualitäten am Bei- spiel von Speisequark gegeben. Verbraucher- relevante Quali- tätskategorien von Lebensmit- teln: „Geschmack“ „Gute, gesunde Lebensmittel“1 „Umweltfreund- lichkeit“ 1. Schritt: Erfassung von Betrachtung von Betrachtung von sensorischer Qualität kultureller Qualität (Wertungen) ökologischer Qualität Methodik: Naturwissen- schaftlich (Sensorik) („objektiv“) Kulturwissen- schaftlich (Kulturgeschichte und Semiotik) Konsumenten- forschung („subjektiv“) Empirische Analysen: sensorische Analyse semiotische Analyse von Verpackungen/ Etiketten Verbraucherum- frage/Conjoint- Analyse Ziel: Profile und sen- sorische Unter- schiede von Speisequark- proben Botschaften von Speisequark Bedeutung ökologischer Qualitäten am Beispiel von Speisequark 2. Schritt: Ermittelnde Gruppendiskussionen mit Verbrauchern von Speisequark 3. Schritt: Verbindungen zwischen sensorischen/hedonischen, ökologischen und kulturellen Qualitäten von Speisequark mittels Verbraucher-Gruppendiskussionen (siehe Abbildung 4), empirischen Analysen (1. Schritt) und Exkursen Abbildung 5: Struktur der vorliegenden Arbeit Quelle: Eigene Darstellung 1 Diese Äußerung bezieht sich auf die Wertvorstellungen von deutschen Verbrauchern. 22 3 Ökologische Qualität Die ökologische Qualität von Lebensmitteln hat insbesondere im Zusam- menhang mit der durch BSE und MKS1 ausgelösten Agrarkrise des Jahres 2001 in der deutschen Agrarpolitik und Öffentlichkeit an Bedeutung gewon- nen. Durch die große Verunsicherung vieler Verbraucher über die Qualität von Lebensmitteln im Allgemeinen und insbesondere über die Qualität von tierischen Produkten wurden der Verbraucherschutz und der ökologische Landbau in Deutschland politisch aufgewertet.2 In der Diskussion um die Nachhaltigkeit im Ernährungsbereich sind einige Experten der Meinung, dass es zumindest teilweise zu einer (Re-)Regionalisierung des Lebensmittel- marktes kommen sollte (vgl. v. KOERBER und KRETSCHMER, 1999). Diese Positionen werden jedoch von v. ALVENSLEBEN (1998, 2000a) stark kriti- siert, der seinerseits Steigerungen der Öko-Effizienz, d. h. die Erreichung ökologischer Ziele zu den geringsten Kosten, favorisiert. Die Nachfrage nach ökologisch erzeugten Produkten stieg mit dem Bekannt werden von BSE-Fällen in Deutschland stark an. Erwartungsgemäß ging sie jedoch mit dem Abklingen der Schlagzeilen über die BSE-Krise wieder zurück, und ebenso erholte sich der Rindfleischmarkt mit dem Verschwinden dieses Lebensmittelskandal-Themas aus den Medien. Bei diesen teilweise gegensätzlichen Ansichten und schwankenden Verbraucherreaktionen stellt sich die Frage, welche ökologischen Qualitäten von Lebensmitteln für deut- sche Verbraucher am wichtigsten sind. Bisherige Ergebnisse aus der Konsumentenforschung liefern teilweise wider- sprüchliche Aussagen zu ökologischen Lebensmitteln. Einige Studien zeigen beispielsweise, dass viele Konsumenten mit ökologischen Lebensmitteln immer noch nicht die Motive „Genuss“ und „guter Geschmack“ verbinden, weshalb die geschmackliche Qualität, d. h. der Genusswert, ein Hemmnis für den Kauf von Ökoprodukten darstellt (SIMONS et al., 2001; v. ALVENS- LEBEN und BRUHN, 2001). Hingegen stehen vor allem gesundheitliche, also egoistische Motive im Vordergrund, während das altruistische Kaufmotiv „Umweltfreundlichkeit“ eine wesentlich geringere Bedeutung hat (FRICKE, 1996, 164; v. ALVENSLEBEN und BRUHN, 2001, 4). Im Gegensatz dazu hat nach einer anderen repräsentativen Verbraucherumfrage „die höchste Rele- vanz beim Kauf ökologischer Lebensmittel […] der Aspekt des Genusses (natürlicher Geschmack). Erst danach folgen Gesundheitsaspekte und Umweltorientierung als Kaufmotiv.” (ZMP und CMA, 2002, 14). In zahlreichen Untersuchungen wird der deutschen Bevölkerung ein hohes Umweltbewusstsein attestiert, das jedoch nicht konsequent in umweltorien- tierte Verhaltensänderungen umgesetzt wird (vgl. auch SPILLER, 1999). Dieses Phänomen wird als träges Umweltverhalten der Konsumenten be- zeichnet und – aus deutscher Forschersicht – kritisiert (vgl. JUNG, 1998, 11ff.). 1 MKS: Maul- und Klauenseuche. 2 Zum einen wurde eine neue Verbraucherschutzministerin ernannt und das Ministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft mit mehr Kompetenzen ausgestattet. Zum anderen ist es das erklärte Ziel dieser Regierung, den Marktanteil von Produkten aus ökologischem Landbau auf 20 % auszuweiten (KÜNAST, 2001). 23 Auf wissenschaftlicher Ebene gibt es zu dem wichtigsten Kaufmotiv „Ge- sundheit“ für Ökoprodukte bisher nur Einigkeit darüber, dass ein hoher Be- darf an vergleichenden Qualitätsforschungen zu ökologisch und konventio- nell angebauten Produkten besteht und ein Zusammenhang zwischen ökolo- gisch erzeugten Produkten und menschlicher Gesundheit erforscht werden muss. Viele der bisherigen Untersuchungen zu diesem Thema weisen teil- weise methodische Mängel auf oder sind statistisch nicht ausreichend abge- sichert, so dass sie wissenschaftlich nicht anerkannt werden können (van MANSVELT, 2001; ALFÖDI et al., 2001; NEUHOFF, 2001). In umfangrei- chen Literaturstudien von WOESE et al. (1995) und WORTHINGTON (1998) werden ökologische Produkte bei den Nitrat-, Schwermetall- und Vitamin- gehalten günstiger bewertet als konventionell erzeugte Produkte. Hingegen kommen bei einer kritischen Analyse der bisherigen vergleichenden Quali- tätsuntersuchungen die Autoren zu dem Schluss, dass in vielen Untersu- chungen „keine relevanten Unterschiede zwischen den Anbausystemen“ festzustellen sind (ALFÖDI, et al., 2001, 13). Im Rahmen eines Projektes zu ganzheitlichen Methoden, z. B. Kupferchloridkristallisationen, konnten signifi- kante Unterschiede zwischen ökologisch und konventionell angebauten Möh- ren- und Weizenproben nachgewiesen und die Methode validiert werden (MEIER-PLOEGER et al., 2003a). Längere Untersuchungszeiträume sind aber erforderlich, um diese Ergebnisse abzusichern. Die Unterschiede in der Produktqualität zwischen Produkten aus ökologi- schen und konventionellen Anbausystemen sind bisher wissenschaftlich schwierig zu bestimmen. Vertreter des ökologischen Landbaus betonen hin- gegen die Vorteile der Prozessqualität von ökologischen Produkten, u. a. die umweltfreundlichere Produktion durch den Verzicht auf chemisch-syntheti- sche Pflanzenschutzmittel, durch artgerechte Tierhaltung und Förderung der Artenvielfalt (vgl. NEUHOFF, 2001). Wie kann man sich nun der Frage nach der ökologischen Qualität von Lebensmitteln nähern? „Weder der Markt noch die Ökologie können die Frage nach der optimalen bzw. angemessenen ökologischen Qualität beantworten“, sondern „die Ge- sellschaft muss sagen, welche ökologische Qualität sie will, [...] wenn sie mit der ökologischen Qualität nicht zufrieden ist, die das marktwirtschaftlich ge- lenkte Wirtschaftssystem hervorbringt [...].“ (WEINSCHENCK, 1997, 251f.). Mit anderen Worten, die Entscheidung, was „ökologische Qualität“ von Le- bensmitteln ist und welche Bedeutung ihr zukommt, wird maßgeblich vom Handeln aller Verbraucher bestimmt (vgl. WEINSCHENCK, 1997; vgl. KÜNAST, 2001). Zum Untersuchungszeitpunkt standen in Verbraucherum- fragen entweder Fragestellungen zu ökologisch erzeugten Produkten (BAADE, 1988; FRICKE, 1996) oder zur regionalen Herkunft von Lebens- mitteln im Vordergrund (vgl. v. ALVENSLEBEN und GERTKEN, 1993; WIRTHGEN, et al., 1998). Welche der ökologischen Prozess- oder Produkt- eigenschaften eines Lebensmittels bei Verbrauchern die höchste Priorität besitzt, ist bisher wenig erforscht (vgl. v. ZIEHLBERG et al., 1997; vgl. v. ALVENSLEBEN, 2000b). Im Vordergrund dieses Kapitels steht deshalb die Fragestellung, welche ökologische Qualität die Verbraucher bei dem Produktbeispiel Speisequark aus hofeigener Verarbeitung suchen. Dabei liegt der Fokus auf den Prozess- eigenschaften „ökologische Erzeugung“ und „regionale Herkunft“ sowie auf 24 der Produkteigenschaft „Verpackung“. Durch eine Verbraucherumfrage mit einer integrierten Conjoint-Analyse soll diese Frage beantwortet werden. Dazu werden im Folgenden zuerst das methodische Vorgehen zu der Verbraucherumfrage und zur Conjoint-Analyse vorgestellt und anschließend die Ergebnisse dieser Untersuchungen dargestellt. 3.1 Verbraucherumfrage In Kooperation mit einer belgischen Forschergruppe, die an dem EU-Projekt zu Lebensmitteln aus hofeigener Verarbeitung (vgl. Kapitel 1.1.1) beteiligt war, wurde ein Fragebogen (siehe Anhang 1) für eine Umfrage unter Verbrauchern von hofeigenen Produkten konzipiert. Da in dieser Umfrage die Bedeutung der besonderen Eigenschaften von hofeigenen Produkten im Vordergrund stand, wurden ausschließlich regelmäßige Käufer befragt. 3.1.1 Erhebungsziele Ziel der Umfrage war es, Informationen über Einkaufsmotive, Verzehr- und Einkaufgewohnheiten und zum Preisempfinden von Verbrauchern von Spei- sequark aus hofeigener Verarbeitung zu gewinnen. Im Hinblick auf die Fra- gestellung, welche ökologischen Qualitäten Verbraucher von hofeigenem Speisequark suchen, steht in dieser Arbeit erstens die Frage nach den bei- den wichtigsten Einkaufsmotiven im Vordergrund (siehe Anhang 1: Frage 2.1). Zweitens ist von großem Interesse, wie die Verbraucher im Rahmen einer Conjoint-Analyse ökologische Eigenschaften des Speisequarks aus hofeigener Verarbeitung bewerten. 3.1.2 Stichprobe Um Konsumenten mit Produkterfahrungen für ein Interview zu gewinnen, lautete die Filterfrage „Kaufen Sie mindestens ein Mal im Monat Quark aus hofeigener Verarbeitung ein?“ (siehe Anhang 1: Frage 1.1). Insgesamt wurden 457 Verbraucher in Einkaufsstätten mit hofeigenen Produkten angesprochen. Davon wurden 260 Konsumenten interviewt, während bei 197 nach der Eingangsfrage das Interview abgebrochen werden musste. 84 % der Interviews wurden in Öko- und 16 % in konventionellen Einkaufsstätten1 geführt. Zum Untersuchungszeitpunkt lagen wenig gesicherte soziodemo- graphische Daten über die Grundgesamtheit der „Verbraucher von hofei- genen Produkten“ in Deutschland vor, wodurch die Ziehung einer echten Zufallsstichprobe nicht möglich war (vgl. WIRTHGEN, et al., 1996, 87-97; vgl. BORTZ und DÖRING, 1995, 371-373, 452). Die Stichprobe kann u. a. auch deshalb nicht als repräsentativ angesehen werden und erlaubt damit keine statistisch gesicherten Schlussfolgerungen auf die Grundgesamtheit der Verbraucher von Lebensmitteln aus hofeigener Verarbeitung und von Lebensmitteln insgesamt, da die ökologisch orientierten Verbraucher auf- grund der methodischen Vorgehensweise erheblich überrepräsentiert sind. Erfahrungen haben gezeigt, dass Stichprobengrößen mit n > 250 bei Verbraucherumfragen aussagefähige Ergebnisse liefern. 1 Siehe auch Kapitel 1.1.1: Die starke ökologische Orientierung der ausgewählten Einkaufsstätten begründet sich in der Tatsache, dass die hofeigene Milchverarbeitung in Deutschland überwiegend auf ökologisch wirtschaftenden Betrieben stattfindet. 25 3.1.3 Datenerhebung und -auswertung Die Interviews wurden im Mai 1998 innerhalb von 2 Wochen in 11 hessi- schen Einkaufsstätten durchgeführt. Die meisten Interviews wurden in Öko- Hofläden (n = 109) durchgeführt, gefolgt von Naturkostläden (n = 86). An drei aufgesuchten Marktständen auf Wochen- und Bauernmärkten, die konven- tionelle hofeigene Milchprodukte anbieten, wurden 41 Personen interviewt sowie 24 an zwei Öko-Marktständen. Interviewer dieser Erhebung waren insgesamt 10 Studenten der Universität Kassel, Witzenhausen, die intensiv auf diese Aufgabe vorbereitet wurden. Die Daten wurden mit SPSS (Version 6.1) ausgewertet. 3.2 Conjoint-Analyse Die Conjoint-Analyse ist eine beliebte Methode in der Markt- und Konsumfor- schung zur Messung und Analyse von Konsumentenpräferenzen. Die Me- thode reduziert Produkte auf wenige, für Verbraucher relevante Eigenschaf- ten, die von den Konsumenten beurteilt werden. Mit Hilfe der Conjoint-Ana- lyse können die Nutzenbeiträge der einzelnen Komponenten (Eigenschaften) eines Produktes berechnet werden. Voraussetzung für die Conjoint-Analyse ist die Annahme, dass der Gesamtnutzen eines Produktes aus einzelnen Teilnutzenwerten besteht, die addiert den Gesamtnutzen ergeben. Diese Annahme basiert auf der Theorie, dass sich der „Produktnutzen“ aus Grund- und Zusatznutzen für Verbraucher zusammensetzt und diese Nutzenbeiträge voneinander unabhängig sind (VERSHOFEN, 1940, 71; 1950, 274, zitiert nach MEFFERT, 1998, 323). Diese mathematisch geprägte Vorstellung wird zwar in der Marktforschungsliteratur mittlerweile bezweifelt (BEREKOVEN et al., 1996, 288), dennoch hat die Conjoint-Analyse den Vorteil, dass die Be- fragten realitätsnahe Entscheidungen treffen müssen. Dabei können sie die Produkte nicht nur nach ihrer Präferenz bewerten, da sie auch gleichzeitig Abstriche bzw. Kompromisse bei der Erstellung der Rangreihe der fiktiven Produkte machen müssen (BACKHAUS et al., 1996, 497; BEREKOVEN et al., 1996, 287). Vor diesem Hintergrund und mangels besserer Analyse- Methoden ist dieses Verfahren für die Fragestellung dieses Kapitels akzep- tabel. Da diese Methode in der Literatur bereits ausführlich beschrieben und in der Konsumforschung etabliert ist, wird die Conjoint-Analyse in dieser Arbeit nur skizzenhaft dargestellt und darüber hinaus auf die weiterführende Literatur verwiesen. BACKHAUS et al. (1996, 500) schlagen für die Ausfüh- rung und Planung der Conjoint-Analyse die folgenden fünf Ablaufschritte vor: A) Festlegung der Eigenschaften und Eigenschaftsausprägungen B) Definition des Erhebungsdesigns C) Bewertung der Stimuli D) Schätzung der Nutzenwerte E) Aggregation der Nutzenwerte Zu A) Festlegung der Eigenschaften und Eigenschaftsausprägungen Voraussetzung für die Conjoint-Analyse ist die Auswahl von relevanten Pro- dukteigenschaften. Diese können mit Hilfe von Gruppendiskussionen oder Tiefeninterviews mit Verbrauchern, die das zu untersuchende Produkt gut kennen, ermittelt werden. An die auszuwählenden Eigenschaften werden die folgenden Anforderungen gestellt. Sie müssen 26 • für die Gesamtnutzenbewertung bedeutend sein, • durch den Hersteller beeinflussbar und damit realisierbar sein, • unabhängig und • begrenzt sein (BACKHAUS et al., 1996, 501). Zu B) Definition des Erhebungsdesigns Zur Festlegung des Erhebungsdesigns müssen die Stimuli1 und deren An- zahl definiert werden. Da ein möglichst hoher Realitätsbezug im Vordergrund steht, wird in der Regel die so genannte Profilmethode angewendet. Da die Anzahl des theoretisch vollständigen Designs in der Regel zu hoch ist, wird in der Praxis mit einem reduzierten Design gearbeitet, dass das vollständige Design möglichst gut repräsentiert.2 Zu C) Bewertung der Stimuli (Produktattrappen) Die Auskunftspersonen müssen die fiktiven Produkte in eine Rangreihe der persönlichen Präferenzen bringen. Diese Rangreihe der Stimuli spiegelt die Nutzenvorstellungen der befragten Personen wider. Zu D) Schätzung der Nutzenwerte Die Teilnutzenwerte werden mittels monotoner Varianzanalyse geschätzt. Daraus sind zum einen die metrischen Gesamtnutzenwerte für alle Stimuli und die relativen Wichtigkeiten für die einzelnen Eigenschaften ableitbar. Die Teilnutzenwerte weichen positiv oder negativ von Null ab und geben an, wie stark eine Eigenschaftsausprägung bevorzugt oder abgelehnt wird. Zu E) Aggregation der Nutzenwerte Die Aggregation der Nutzenbeiträge ist notwendig, da die Ergebnisse von Gruppen aussagekräftiger sind als die Individualanalysen der einzelnen Aus- kunftspersonen. Im Rahmen dieser Conjoint-Analyse ist insbesondere ein Vergleich zwischen den Ergebnissen zweier Verbrauchergruppen, die diesen Test mit fiktiven Produktattrappen oder mit Produktkarten durchführten (siehe auch Kapitel 3.2.2), von großem Interesse. 3.2.1 Festlegung der Eigenschaften und Eigenschaftsausprägun- gen Im Rahmen von Gruppendiskussionen mit Verbrauchern von Speisequark aus hofeigener Verarbeitung, die in Kapitel 6 noch näher beschrieben wer- den, wurden die fünf wichtigsten Eigenschaften mit jeweils 2 Ausprägungen identifiziert. Die Eigenschaften und Ausprägungen, die für die Conjoint-Ana- lyse verwendet wurden, sind in Tabelle 2 aufgelistet: 1 Stimuli: „Kombinationen von Eigenschaftsausprägungen [...], die den Auskunftspersonen zur Beurteilung vorgelegt werden.“ (BACKHAUS et al., 1996, 503). 2 Beispiel: 6 Eigenschaften mit jeweils 3 Ausprägungen ergeben (36=) 729 Stimuli. 27 Tabelle 2: Auswahl der Eigenschaften und Ausprägungen Eigenschaften Ausprägungen Geschmack • Urgeschmack • einheitlich Herkunft • regional • überregional Verpackung • Pfandglas • Mehrkomponentenbecher Herstellung • handwerklich • industriell Wirtschaftsweise • ökologisch • konventionell Quelle: Eigene Darstellung 3.2.2 Definition des Erhebungsdesigns Durch die Wahl von fünf Eigenschaften mit jeweils zwei Ausprägungen wer- den für das vollständige Design 25 = 32 Stimuli erzeugt. Da diese Anzahl an fiktiven Produkten eine Überforderung für die Testpersonen darstellen würde, wurde mit der SPSS-Prozedur „Orthoplan“ ein reduziertes Design mit insge- samt 8 Stimuli erstellt, welches das vollständige Design ausgewogen reprä- sentiert. Es handelt sich hier um ein symmetrisches Design, da die Anzahl der Ausprägungen (jeweils zwei) von allen fünf Eigenschaften gleich ist (vgl. BACKHAUS et al., 1996, 506). Um eine möglichst realistische Einkaufssituation zu simulieren, wurden neben Produktkarten auch Produktattrappen entwickelt (siehe Anhang 2). Die Interviewer hatten die Anweisung, die Conjoint-Analyse abwechselnd mit acht Produktkarten oder -attrappen mit den Auskunftspersonen durchzufüh- ren. So bewerteten 115 Auskunftspersonen diese acht Stimuli als Produkt- attrappen und 123 Befragte als Produktkarten, wodurch ein Methoden- vergleich möglich wurde. Die Bewertung der fiktiven Produkte durch die Verbraucher geschieht nicht nur rational, sondern auch emotional, spontan, gewohnheitsmäßig und ist kulturell beeinflusst (vgl. BEREKOVEN et al., 1996, 287). Im Gegensatz dazu erfordert die Bewertung der Karten noch ein höheres Maß an Abstraktions- vermögen und vollzieht sich überwiegend auf der rationalen Ebene. Darüber hinaus müssen die Eigenschaften auf den Karten den Testpersonen von den Interviewern erklärt werden, wodurch die Auskunftspersonen beeinflusst werden und folglich nicht unvoreingenommen die Bewertung vornehmen können. Bei den Tests in den Einkaufsstätten war festzustellen, dass insbesondere ältere Verbraucher mit der Bewertung der Karten überfordert waren, während der gleiche Test mit den Produktattrappen keine Schwierigkeiten bereitete. Bei dem Test mit den Produktattrappen fiel positiv auf, dass viele Verbrau- cher den Eindruck hatten, dass es sich um echte Produkte handele, da sie häufig nachfragten, wo man diese kaufen könne. 28 3.3 Ergebnisse der Verbraucherumfrage und der Conjoint- Analyse 3.3.1 Soziodemographische Struktur der Stichprobe Der Anteil der Frauen an dieser Umfrage beträgt fast ¾ und war im Vergleich der drei Einkaufsstätten auf den Märkten am höchsten. Auffällig bei der Ver- teilung der Altersklassen ist, dass die Befragungspersonen in den Naturkost- und Hofläden deutlich jünger sind als jene, die auf Märkten einkaufen. Single-Haushalte sind in der Stichprobe mit 12 % relativ gering vertreten, da es im Bundesdurchschnitt zum Untersuchungszeitraum 35,4 % Single- Haushalte gab (STATISTISCHES BUNDESAMT, 2004). Dementsprechend sind die Mehrpersonenhaushalte überdurchschnittlich vertreten. 46 % von ihnen gaben an, dass Kinder im Haushalt leben. In Tabelle 3 sind die wichtigsten soziodemographischen Angaben der Gesamtstichprobe, sowie aufgeschlüsselt nach den drei Einkaufsstätten Öko-Hofladen, Markt und Naturkostladen, zusammengefasst. Tabelle 3: Soziodemographische Struktur der Stichprobe (in Anzahl und % der Antworten)* Gesamt- stichprobe Öko- Hofladen Markt Naturkost- laden n % n % n % n % Geschlecht Frauen 190 73 77 70,6 53 81,5 60 69,8 Männer 70 27 32 29,4 12 18,5 26 30,2 Insgesamt 260 100 109 42,0 65 25,0 86 33,0 Alter ≤ 35 Jahre 90 35 45 41,3 9 13,8 36 41,9 ≤ 45 Jahre 77 29 32 29,4 18 27,7 27 31,4 ≤ 55 Jahre 46 18 17 15,6 18 27,7 11 12,8 > 55 Jahre 47 18 15 13,8 20 30,8 12 14,0 Personen pro Haus- halt 1 31 12 15 13,8 7 10,8 9 10,5 2 99 38 44 40,4 26 40,0 29 33,7 3 56 22 17 15,6 19 29,2 20 23,3 4 44 14 18 16,5 8 12,3 18 20,9 Mehr als 4 30 14 15 13,7 5 7,7 10 11,6 Haushaltsnettoein- kommen/Monat ≤ 2000 DM 44 17 17 15,6 9 13,8 18 20,9 < 4000 DM 90 35 33 30,3 25 38,5 32 37,2 < 6000 DM 62 24 31 28,5 14 21,5 18 20,9 ≥ 6000 DM 33 13 17 15,6 11 16,9 5 5,8 Keine Antwort 31 12 11 10,1 6 9,2 13 15,1 *durch Aufrundungen ergibt die Addition der Prozentangaben nicht exakt 100 %. Quelle: Eigene Berechnung 29 3.3.2 Die wichtigsten Einkaufsgründe für Speisequark aus hofeigener Verarbeitung Bei der Frage nach den Einkaufsmotiven für Speisequark aus hofeigener Verarbeitung wurde den Verbrauchern eine Liste mit 13 Gründen (siehe Ta- belle 4) vorgelegt. Sie wurden gebeten, die zwei wichtigsten Einkaufsgründe zu nennen. In der Gesamtstichprobe wird die „ökologische Erzeugung“ so- wohl als erster mit 33 % und als zweiter Grund mit 19 % am häufigsten ge- nannt. Am zweithäufigsten wird beim ersten und zweiten Grund der „Ge- schmack“ genannt. Insbesondere beim zweiten Einkaufsgrund ist die Vertei- lung der Nennungen weiter gestreut, wobei die Motive „regionales Produkt“, „gesundes Produkt“ und „Vertrauen in Produkte vom Bauernhof“ am häu- figsten genannt wurden. Eine vergleichende Betrachtung der Nennungen getrennt nach Einkaufsstätten ergibt ein differenziertes Bild über die befrag- ten Verbraucher. Tabelle 4: Die wichtigsten Einkaufsgründe für Speisequark aus hofeigen- er Verarbeitung (Gesamtstichprobe) (1998) Einkaufsgründe 1. Nennung 2. Nennung n = 260 % n = 258 % Entfernung/ich wohne nicht weit weg von hier 9 4 3 1 Gleichzeitiger Einkauf mit anderen Produkten 7 3 14 5 Preis 1 < 1 1 < 1 Produkt aus der Region 35 14 34 13 gesundes Produkt 34 13 33 13 traditionelle/handwerkliche Herstellung 5 2 13 5 ökologisch erzeugt 85 33 49 19 Geschmack 56 22 37 14 Besuch des Bauernhofes 1 < 1 2 < 1 Vertrauen in Produkte vom Bauernhof 12 5 31 12 kurze Transportwege 7 3 13 5 umweltfreundliche Verpackung 0 0 18 7 Frische 2 < 1 9 4 andere Gründe (...........................................) 4 2 1 < 1 Quelle: Eigene Berechnung Die regelmäßigen Öko-Verbraucher von Hof- bzw. Naturkostläden nennen das Motiv „ökologisch erzeugt“ als wichtigsten Grund, noch vor den Motiven „Geschmack“ und „Produkt aus der Region“, das ebenso auf die ökologische Qualität des Produktes hinweist (siehe Tabelle 5). Im Gegensatz dazu nannten die befragten Marktkunden, die überwiegend bei konventionellen Marktständen einkaufen, am häufigsten die Eigenschaft „Geschmack“ und danach den Grund „Produkt aus der Region“. 30 Tabelle 5: Der wichtigste Einkaufsgrund (1. Nennung) für Speisequark aus hofeigener Verarbeitung (1998) Einkaufsgründe Öko-Hofladen Markt Naturkost- laden n = 109 % n = 65 % n = 86 % Entfernung/ich wohne nicht weit weg von hier 7 6,4 2 3,6 0 0,0 gleichzeitiger Einkauf mit anderen Produkten 4 3,7 0 0 3 3,5 Preis 0 0 0 0 1 1,2 Produkt aus der Region 6 5,5 11 19,6 18 20,9 gesundes Produkt 18 16,5 5 8,9 10 11,6 traditionelle/handwerkliche Herstellung 1 0,9 2 3,6 2 2,3 ökologisch erzeugt 42 38,5 8 14,3 30 34,9 Geschmack 22 20,2 20 35,7 13 15,1 Besuch des Bauernhofes 0 0 1 1,8 0 0,0 Vertrauen in Produkte vom Bauernhof 3 2,8 5 8,9 3 3,5 kurze Transportwege 3 2,8 1 1,8 3 3,5 umweltfreundliche Verpackung 0 0 1 1,8 1 1,2 Frische 3 2,8 0 0 1 1,2 andere Gründe (.........................) 0 0 0 0 1 1,2 Quelle: Eigene Berechnung Als zweiter Grund wird in allen drei Einkaufsstätten die „ökologische Erzeu- gung“ am häufigsten genannt (siehe Tabelle 6). Interessant bei den Hofla- den- und Marktkonsumenten ist die häufigere Nennung des Motivs „Ver- trauen in Produkte vom Bauernhof“ als bei den Verbrauchern im Naturkostla- den. Hier scheint sich der stärkere persönliche Bezug zum landwirtschaftli- chen Betrieb auf die Präferenz der Verbraucher auszuwirken. Im Gegensatz dazu waren bei den Kunden in den Naturkostläden die Motive „Regionalität“ und „Geschmack“ als zweiter Grund wesentlich wichtiger. 31 Tabelle 6: Der zweitwichtigste Einkaufsgrund für Speisequark aus hofei- gener Verarbeitung (1998) Einkaufsgründe Öko-Hofladen Markt Naturkost- laden n= 109 % n = 65 % n = 84 % Entfernung/ich wohne nicht weit weg von hier 1 0,9 0 0 2 2,4 gleichzeitiger Einkauf mit anderen Produkten 7 6,4 4 7,0 3 3,6 Preis 0 0 0 0 1 1,2 Produkt aus der Region 11 10,1 8 14,0 14 16,7 gesundes Produkt 14 12,8 7 12,3 11 13,1 traditionelle/handwerkliche Herstellung 5 4,6 3 5,3 5 6,0 ökologisch erzeugt 21 19,3 10 17,5 18 21,4 Geschmack 12 11,0 8 14,0 14 16,7 Besuch des Bauernhofes 2 1,8 0 0 0 0,0 Vertrauen in Produkte vom Bauernhof 18 16,5 9 15,8 4 4,8 kurze Transportwege 4 3,7 3 5,3 4 4,8 umweltfreundliche Verpackung 11 10,1 1 1,8 6 7,1 Frische 2 1,8 4 7,0 2 2,4 andere Gründe (.........................) 1 0,9 0 0 0 0,0 Quelle: Eigene Berechnung Im Gegensatz zu anderen Konsumentenbefragungen zum Einkauf von Le- bensmitteln in Deutschland, spielt in dieser Umfrage der Preis als Einkaufs- motiv eine untergeordnete Rolle. Dies kann zum einen durch Ergebnisse der Gruppendiskussionen mit Verbrauchern (Kapitel 6) bestätigt werden und zum anderen mit einer gleichzeitigen Preisanalyse (siehe Anhang 1, Frage 4), bei der die meisten Kunden den tatsächlichen Preis gar nicht kannten (WIRTHGEN et al., 1999, 66). Dies ist umso erstaunlicher, da der Preisun- terschied zwischen dem günstigsten Molkereiquark und Hofquark1 zwischen 2,20 - 3,20 DM/500 g zum Untersuchungszeitpunkt betrug. Auch hier muss wieder berücksichtigt werden, dass es sich in der Stichprobe um überwie- gend ökologisch orientierte Personen handelt, die Öko-Produkte weniger preissensibel einkaufen als Verbraucher, die konventionelle Produkte bevor- zugen. Für Nicht-Käufer dürfte hingegen der relativ hohe Preis im Vergleich zu Molkereiquark mit großer Wahrscheinlichkeit ein wichtiger Grund sein, Speisequark aus hofeigener Verarbeitung nicht zu konsumieren.2 Überra- schend jedoch ist, dass die „traditionelle/ handwerkliche Herstellung“ bei den Nennungen eine sehr geringe Rolle spielt, obwohl diese den größten Einfluss auf die sensorische/hedonische Qualität hat, wie in Kapitel 5 und 6 noch ausführlich dargestellt wird. 1 Preise zum Untersuchungszeitpunkt: a) Hofquark: 4,00 - 5,00 DM/500g; Molkereiquark: 1,78 - 2,38 DM/500g 2 In den Jahren nach der Untersuchung hat in fast allen Verbraucherschichten in Deutsch- land, insbesondere nach der Einführung des Euros, die Preissensibilität und „Discountmen- talität“ stark zugenommen, so dass die Preis bezogenen Untersuchungen heute vermutlich zu anderen Ergebnissen führen würden. 32 3.3.3 Ergebnisse der Conjoint-Analyse 3.3.3.1 Gesamtstichprobe Die wichtigsten Eigenschaften für den Einkauf von Speisequark aus hofeige- ner Verarbeitung sind in der Gesamtstichprobe die „Wirtschaftsweise“ und die „Verpackung“ (siehe Tabelle 7). Die beiden ökologischen Qualitäten „ökologisch erzeugt“ und „Glasverpackung“ wurden jeweils in knapp 73 % der Fälle bevorzugt. Auffällig ist hierbei sofort die geringe Bedeutung der hedonischen Qualität, hier beschrieben als „Urgeschmack“ und „einheitlicher Geschmack“. Diese Qualität war im Vergleich zur Verpackung in der Erhe- bung nicht sinnlich erfahrbar. Vermutlich hätte diese Eigenschaft bei einer Conjoint-Analyse mit Verkostung einen wesentlich höheren Nutzenbeitrag geliefert. Dieses Ergebnis ist deshalb vorsichtig zu betrachten. Detailliertere Informationen über die Bedeutung der hier relevanten ökologischen Quali- täten liefert die getrennte Auswertung der Daten mit Produktattrappen im Vergleich zu den Karten. Tabelle 7: Ergebnisse der Gesamtstichprobe der Conjoint-Analyse (n = 238) (1998) Eigenschaften/ Eigenschaftsausprägungen Relative Be- deutung in % Nutzenbeitrag Bevorzugt in % der Fälle Geschmack 1 Urgeschmack 2 einheitlich 16,7 + 0,22 - 0,22 58,6 41,4 Herkunft 1 regional 2 überregional 17,9 + 0,35 - 0,35 69,7 30,3 Verpackung 1 Pfandglas 2 Mehrkomponentenbecher 23,0 + 0,54 - 0,54 2,7 27,3 Herstellung 1 handwerklich 2 industriell 17,2 + 0,42 - 0,42 73,4 27,3 Wirtschaftsweise 1 ökologisch 2 konventionell 25,1 + 0,65 - 0,65 72,9 27,1 Quelle: Eigene Berechnung Der „ideale“ Speisequark setzt sich aus den Eigenschaftsausprägungen mit den höchsten Teilnutzenbeiträgen zusammen. Bei dieser Untersuchung be- sitzt das „ideale Produkt“ die folgenden Eigenschaften: • Geschmack: Urgeschmack • Herkunft: regional • Verpackung: Glas • Herstellung: handwerklich • Wirtschaftsweise: ökologisch Dieser „ideale“ Speisequark war als Stimuli in der Analyse vertreten und wurde erwartungsgemäß von den meisten Verbrauchern am häufigsten auf den ersten Rang gesetzt. 33 3.3.3.2 Teilergebnisse der Conjoint-Analyse mit Produktattrappen Bei der Conjoint-Analyse mit den Produktattrappen ist die Bevorzugung der Eigenschaft „Verpackung“ eindeutig (siehe Tabelle 8). Diese Eigenschaft ist mit fast 31 % für die Kunden am wichtigsten, gefolgt von den ökologischen Eigenschaften „Herkunft“ und „Wirtschaftsweise“. Die Glasverpackung hat aufgrund ihrer Mehrwegfunktion ein sehr gutes Umweltimage bei ökologisch bewussten deutschen Verbrauchern. Bei der Bewertung der Produktattrap- pen fällt visuell zuerst der Unterschied zwischen den beiden Verpackungs- arten auf. Für regelmäßige Kunden steht die Glasverpackung und ein mais- gelber Kunststoffdeckel u. a. als Zeichenträger für „hofeigene Verarbeitung“, da es bisher keine deutschen Hofkäsereien gibt, die Speisequark in den glei- chen Kunststoffverpackungen abfüllen wie Molkereien (siehe auch Kapitel 4.4.1.1). Der Multikomponentenbecher wurde zum Untersuchungszeitpunkt ausschließlich von Molkereien als Verpackungsmaterial benutzt und ist damit als Zeichenträger für die industrielle Milchverarbeitung anzusehen. Das Ergebnis liegt vermutlich darin begründet, dass die befragten Verbrau- cher mit der Bevorzugung der Glasverpackung glauben, bereits einen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten. Gleichzeitig treten die Eigenschaften „regionale Herkunft“ und „ökologische Erzeugung“ in den Hintergrund. Dies könnte bedeuten, dass die beiden genannten Ausprägungen für einige Verbraucher durch die Glasverpackung kompensiert werden (vgl. auch die Untersuchungen zu Milchverpackungen von v. ZIEHLBERG, 1996, 47, 49). Auch bei dieser Teilanalyse tritt die Eigenschaft „Geschmack“ stark in den Hintergrund und steht damit völlig im Widerspruch zu den Aussagen in den Gruppendiskussionen (Kapitel 6) und den Ergebnissen zu den wichtigsten Einkaufsmotiven (Kapitel 3.3.2). Die weiteren höchsten Nutzenbeiträge liefern die ökologischen Eigenschaften „Herkunft“ mit knapp 20 % und „Wirt- schaftsweise“ mit knapp 19 %, während „Herstellung“ und „Geschmack“ eine geringere relative Bedeutung besitzen. Tabelle 8: Ergebnisse der Conjoint-Analyse mit Produktattrappen (n= 115) (1998) Eigenschaften/ Eigenschaftsausprägungen Relative Bedeutung in % Nutzenbeitrag Bevorzugt in % der Fälle Geschmack 1 Urgeschmack 2 einheitlich 16,00 + 0,34 - 0,34 48 52 Herkunft 1 regional 2 überregional 19,86 + 0,25 - 0,25 65 35 Verpackung 1 Pfandglas 2 Mehrkomponentenbecher 30,99 + 0,75 - 0,75 73,5 26,5 Herstellung 1 handwerklich 2 industriell 14,44 + 0,30 - 0,30 68 32 Wirtschaftsweise 1 ökologisch 2 konventionell 18,70 + 0,30 - 0,30 63 37 Quelle: Eigene Berechnung 34 3.3.3.3 Teilergebnisse der Conjoint-Analyse mit Produktkarten Die Auswertung der Conjoint-Analyse mit Karten erbringt konträre Ergeb- nisse zur Analyse mit den Produktattrappen. Die Eigenschaft „Verpackung“ besitzt hier die geringste relative Bedeutung, während die „Wirtschaftsweise“ mit 31 % von den Verbrauchern als wichtigste Eigenschaft bevorzugt wurde (siehe Tabelle 9). Insgesamt würden unter sonst gleichen Bedingungen 82 % der Befragten die ökologische Wirtschaftsweise vorziehen und nur 18 % die konventionelle. Im Vergleich mit den anderen Eigenschaftsausprägungen ist dies der höchste Wert. Auch der „Geschmack“ und die „Herstellung“ besitzen eine höhere relative Bedeutung als bei der Analyse mit den Produktattrap- pen. Die Bewertung der Karten erforderte von den teilnehmenden Verbrauchern ein sehr hohes Maß an Abstraktionsvermögen. Die Aufnahme und Verarbei- tung der Informationen brauchte mehr Zeit, und die Bewertung der Stimuli erfolgte sicherlich wesentlich rationaler und weniger spontan und emotional. Insbesondere einige ältere Verbraucher schienen mit dieser Aufgabe über- fordert und lehnten die Teilnahme an dem Kartentest schlichtweg ab. Im Ge- gensatz hierzu bereitete der Alternativtest mit den Produktattrappen allen befragten Personen keine Schwierigkeiten. Die hohe relative Bedeutung der Eigenschaft „Wirtschaftsweise“ lässt sich erstens durch die hohe Anzahl von regelmäßigen Bio-Käufern in der Stich- probe erklären. 92 % der Befragten gaben an, dass sie mindestens ein Mal pro Woche Bioprodukte einkaufen. Zweitens ist bekannt, dass Verbraucher in Umfragen häufig sozial erwünschte Antworten geben und dies durch die ökologische Einkaufsstätte als Befragungsort wahrscheinlich verstärkt wird. Tabelle 9: Ergebnisse der Conjoint-Analyse mit Karten (n = 123) (1998) Eigenschaften/ Eigenschaftsausprägungen Relative Bedeutung in % Nutzenbeitra g Bevorzugt in % der Fälle Geschmack 1 Urgeschmack 2 einheitlich 17,37 + 0,40 - 0,40 69 31 Herkunft 1 regional 2 überregional 16,24 + 0,44 - 0,44 74 26 Verpackung 1 Pfandglas 2 Mehrkomponentenbecher 15,61 + 0,35 - 0,35 72 28 Herstellung 1 handwerklich 2 industriell 19,75 + 0,55 - 0,55 78,5 21,5 Wirtschaftsweise 1 ökologisch 2 konventionell 31,03 + 0,98 - 0,98 82 18 Quelle: Eigene Berechnung 35 3.4 Kritische Reflexion Die Verbraucherumfrage und Conjoint-Analyse als Methoden zur Erfor- schung der „subjektiven Verbrauchermeinungen“ basieren ebenso wie die Sensorik auf einer eher mathematisch geprägten Vorstellung. Die Conjoint- Analyse beinhaltet die Annahme, dass sich die Wertschätzung eines Pro- duktes additiv aus verschiedenen Eigenschaften - hier Teilnutzen genannt – zu dem „Gesamtnutzen“ eines Produktes ergibt. Die Verwendung der Me- thode im Rahmen dieser Arbeit wurde, trotz dieser Schwäche des theoreti- schen Modells, bereits in Kapitel 3.2 begründet. Die drei untersuchten ökologischen Eigenschaften „Glasverpackung“, „regio- nale Herkunft“ und „ökologische Wirtschaftsweise“ sind Qualitäten, die für die befragten Verbraucher bei dem Produktbeispiel Hofquark eine relativ hohe Bedeutung besitzen. Die heterogenen Ergebnisse zwischen den Tests mit Produktattrappen und den Karten zeigen nach Meinung der Verfasserin auch die Schwäche dieser Kartenmethode auf. Sie erfordert von den Verbrauchern bei fünf Eigenschaften ein hohes Abstraktionsvermögen und viel Zeit für die rationale Verarbeitung und Differenzierung der acht Produktkarten, die bei einer Einkaufssituation meist nicht gegeben ist. Wäre die Conjoint-Analyse nur mit Karten durchgeführt worden, würde die relative Bedeutung der Ver- packung (Glas) für dieses Milchfrischprodukt unterschätzt und diejenige der Wirtschaftsweise (ökologisch) überschätzt werden. Überraschenderweise erscheint die „hofeigene Herstellungsweise“ bei die- sem Test für die Verbraucher nicht so bedeutend wie die Eigenschaften „Wirtschaftsweise“ und „Verpackung“. Dies verwundert umso mehr, da ein hoher Anteil der Befragten als Intensivkäufer bezeichnet werden kann. Auf die Frage „Wie häufig haben Sie bei ihren letzten 10 ‚Quarkeinkäufen‘ Quark aus hofeigner Verarbeitung eingekauft?“, gaben knapp 40 % der Verbraucher an, dass sie 10 Mal hofeigenen Quark eingekauft hätten (siehe Anhang 1, Frage 1.5). Anscheinend ist die Verbindung zwischen Herstellungsweise und sensorischer bzw. hedonischer Qualität wenig im Verbraucherwissen veran- kert, worauf insbesondere in Kapitel 6 eingegangen wird. Im Vergleich zu den wichtigsten Eigenschaften von hofeigenen Milchpro- dukten in den anderen sechs beteiligten EU-Ländern des Forschungspro- jektes1 fällt auf, dass die ökologische Qualität bei den befragten deutschen Verbrauchern eine wesentlich wichtigere Rolle spielt. In keinem der beteilig- ten EU-Länder waren die drei genannten Eigenschaften in der Conjoint-Ana- lyse aus ökologischen Gründen vertreten. Dies ist hauptsächlich auf den hohen Anteil von Öko-Konsumenten (92 %) in dieser Verbraucherumfrage zurückzuführen. Darüber hinaus scheint es sich jedoch um eine Qualität zu handeln, die sehr stark kulturell bedingt ist und auf ein ausgeprägteres Umweltbewusstsein deutscher Verbraucher von hofeigenen Milchprodukten schließen lässt.2 In den anderen Ländern waren hingegen der Preis, der Geschmack und die Einkaufsstätten für die Verbraucher von größerer Bedeutung. Die Verpackung war in dieser EU-Studie für französische und 1 Frankreich, Belgien, Großbritannien, Irland, Griechenland, Portugal. 2 Hier muss jedoch getrennt werden zwischen verbal geäußertem Umweltbewusstsein und tatsächlichem Umweltverhalten (vgl. JUNG, 1998). 36 belgische Konsumenten ebenso eine wichtige Produkteigenschaft, die mittels Conjoint-Analyse am Beispiel von Joghurt getestet wurde. Jedoch wurde eine Glasverpackung beispielsweise in Frankreich zum Untersuchungs- zeitpunkt weniger mit Ökologie in Verbindung gebracht als mit einem Premium-Produkt. Darüber hinaus war Glas ein Zeichenträger für Hygiene und traditionelle Rezeptur (FRANÇOIS, 1998). Die Ergebnisse zur Eigenschaft Geschmack sind in der Umfrage und den Gruppendiskussionen im Vergleich zu den Ergebnissen der Conjoint-Analyse sehr widersprüchlich. Die Begriffe „Urgeschmack“ und „einheitlich“ schienen nicht aussagekräftig genug, um den Geschmack für hofeigenen Quark bzw. Molkereiquark zu beschreiben. Wahrscheinlich konnten sich die meisten Verbraucher mit diesen Begriffen den Geschmack nicht so gut vorstellen. Wenn die hedonische Qualität bei einer Conjoint-Analyse getestet werden soll, wird es unumgänglich sein, eine Verkostung in die Analyse zu integrie- ren, auch wenn dies den Aufwand dieser Erhebung enorm erhöht. Dies wurde auch in der Forschergruppe des EU-Projektes diskutiert, jedoch aufgrund des organisatorischen und zeitlichen Aufwandes abgelehnt. Abschließend muss kritisch angemerkt werden, dass fünf Produkteigenschaf- ten bei der durchgeführten Conjoint-Analyse wahrscheinlich für einige Ver- braucher eine Überforderung darstellten. 37 4 Kulturelle Qualität Ernährung „gemäß der eigenen Qualität“ war in der europäischen Medizin- wissenschaft eine der richtungweisenden Ideen, die auf Hippokrates zurück- gehen (MONTANARI, 1993, 104). Diese Vorstellung wurde als physiologi- sche Notwendigkeit angesehen, deren Missachtung zu einer ernsthaften Gefährdung für die eigene Gesundheit führen würde. Diese sehr anspruchs- volle und elitäre medizinische Idee wurde im Laufe der Zeit durch eine ver- stärkt gesellschaftliche Betrachtungsweise transformiert, indem die „Qualität der Person“ immer mehr „mit dem sozialen Status des Individuums, seiner hierarchischen Stellung, seinem Vermögen und vor allem mit seiner Macht“ verbunden wurde (ebd. 103). Im Europa des 14. bis 16. Jahrhunderts wurden strenge Tischsitten und Reglements eingeführt, die genau festlegten, welche Speisen für welche soziale Schicht bestimmt waren, um die hierarchischen Gesellschaftsstrukturen und Unterschiede zu festigen (vgl. ebd., 103-109). Essen und Nahrung dienten damit nicht mehr nur dem natürlichen Bedürfnis sich zu ernähren, sondern ihre kulturelle Bedeutung als „Kommunikations- mittel“ des sozialen und kulturellen Status zur Stabilisierung der gesellschaft- lichen Ordnung schien mindestens von gleichrangiger wenn nicht sogar von größerer Bedeutung zu sein. Auch heute besitzen Lebensmittel eine beachtliche, aber vielleicht subtilere Kommunikationsfunktion als vor einigen Jahrhunderten, die beispielsweise bestimmte Verbraucher als besonders ökologisch orientiert oder als Fein- schmecker auszeichnen. Hier spielt das Wissen um die „ökologisch Qualität“ bzw. um die „hedonische Qualität“ von Lebensmitteln eine große Rolle. Beide Qualitäten transportieren soziale Werte und/oder Normen, die sehr stark kulturell geprägt sind. Dies zeigt die Relevanz der kulturellen Qualität für die Bewertung der Le- bensmittelqualität. Dabei muss der Mensch als schöpferisches Wesen selbst bestimmen, was für ihn gute/schlechte oder gesunde/ungesunde Lebens- mittel sind. Vor diesem Hintergrund wird die kulturelle Qualität von Speise- quark in diesem Kapitel mittels semiotischer Analyse von Etiketten und Ver- packungen betrachtet. Dabei ist eine vorausgehende kulturhistorische Erörte- rung zur Herstellung, Verwendung und Bedeutung von Milch und Speise- quark als Basis für die Analyse der heutigen Bedeutung sehr aufschluss- reich. Der kulturell und sozial geprägte Geschmack einer Gesellschaft und ihrer jeweiligen sozialen Gruppen bzw. Institutionen wird durch die Auswahl oder Ablehnung von bestimmten Lebensmitteln einerseits immer wieder bestätigt, andererseits aber auch modifiziert. Essen gehört als „soziales To- talphänomen“ zu den Alltagspraktiken, deren Sinn nur selten hinterfragt wird und die besonders für Mythenbildungen anfällig sind (vgl. TEUTEBERG, 1993, 119; TANNER, 1996; BARTHES, 1981, 85ff.). 4.1 Kulturhistorische Aspekte der Milch und zur Speisequark- herstellung und -verwendung 4.1.1 Herkunft und regionale Bezeichnungen des Begriffes Quark Im ausgehenden Mittelalter wurde der Begriff Quark sehr wahrscheinlich von den Westslawen übernommen (vgl. SCHÜRMANN, 1996, 24). Quark heißt auf polnisch twar, tschechisch tvaroh und spätmittelalterlich twarc, dann nach dem mitteldeutschen Wandel von tw zu qu quarc (DUDEN, 1989, S. 563). 38 Weitere Synonyme für Speisequark, die in den deutschen Dialekten bekannt waren, sind von den jeweiligen Regionen abhängig. Beispielsweise ist der Begriff „Topfen“ in Süddeutschland und vor allem in Österreich üblich, „Weißkäse“ oder „Weißer Käse“ vor allem in Süddeutschland (BAUM- GÄRTEL, 1933, 265ff.). Daneben gibt es den technologischen Begriff „Käse- matte“, womit früher gepresster Quark bezeichnet wurde (ROEB, 1976, 189). Dieser Begriff wird von einer Hofkäserei, die an den sensorischen Unter- suchungen von Speisequark teilnahm, auch heute noch als Bezeichnung für Speisequark benutzt. Umgangssprachlich wurde der Begriff „Quark" schon sehr früh in der deutschen Sprache im Sinne von „Unsinn, Quatsch, etwas, was sich nicht lohnt“ gebraucht. So gibt es von WIELAND (zitiert nach GRIMM, 1984, Spalte 2316) folgendes Zitat: „Er bekümmert sich den Henker darum, wie wir aus diesem Quark heraus kommen.“ Die bekanntesten Quarkzitate von Johann Wolfgang von Goethe, die teil- weise auch Eingang in die Alltagssprache gefunden haben, befinden sich in den Werken „Faust“ und „Westöstlicher Divan“ und werden nachfolgend zi- tiert. Faust (v. GOETHE, 1986): Prolog im Himmel; Mephistopheles lässt sich über den Menschen aus: „[...] Ich seh nur wie die Menschen sich plagen. [...] Er nennt’s Vernunft und braucht’s allein, Nur tierischer als jedes Tier zu sein. Er scheint mir, mit Verlaub von Euer Gnaden, Wie eine der langbeinigen Zikaden, Die immer fliegt und fliegend springt Und gleich im Gras ihr altes Liedchen singt; Und läg er nur noch immer in dem Grase! In jeden Quark begräbt er seine Nase.“ Westöstlicher Divan (v. GOETHE, 1979): „Getretener Quark Wird breit, nicht stark. Schlägst Du ihn aber mit Gewalt In feste Form, er nimmt Gestalt. Dergleichen Steine wirst Du kennen, Europäer Pisé sie nennen.“ Als Pisé bezeichnete man Lehmziegel. Im Sinne Goethes entspricht die Formgebung bei der Käseherstellung durch die Gestaltung „mit Gewalt“ der Bearbeitung einer selbst ungeformten Masse zu etwas Richtigem, zu einem brauchbaren Stein (MAIR-WALDBURG, 1974, 62). 39 4.1.2 Kulturhistorische und gegenwärtige Bedeutungen von Milch und Speisequark Über die Wertschätzung der Milch und Milchprodukte gibt es unter Histori- kern kontroverse Ansichten. TEUTEBERG (1986, 164) geht davon aus, dass die Wertschätzung der Milch als Lebensmittel in Deutschland und die Weiter- verarbeitung von Milch vor dem Beginn der modernen Milchwirtschaft eher gering war. Die Milch stellte ein natürliches, altes Lebens- und Heilmittel dar, welches unbehandelt konsumiert werden konnte. Auch die häusliche Verar- beitung der Milch durch die Hausfrauen bzw. Bäuerinnen schien ökonomisch nicht sonderlich interessant zu sein und genoss kein großes Ansehen. Ein weiteres Beispiel für die geringe Wertschätzung der Milch stammt von dem deutschen Wissenschaftler Karl Spazier. Er stellte bei seinen „Wande- rungen durch die Schweiz“ Ende des 18. Jahrhunderts bei den Hirtenbauern und Älplern einen kausalen Zusammenhang zwischen hohem Verzehr von Milch und Käse und ihrer schwermütigen, melancholischen Mentalität fest. Nach humoralpathologischen Annahmen hatte die Milch damals die Bedeu- tung von etwas „Weichem“, „Stillem“. Im Gegensatz dazu war nach SCHÜRMANN (1996, 19ff.) seit alters her die Milch ein wichtiges und hochgeschätztes Lebensmittel. Dies spiegelt sich beispielsweise in klassischen Redewendungen wie „Ein Land, darin Milch und Honig fließt“ (siehe 2. Buch MOSE 3,8) wider. In der vorindustriellen Gesellschaft wurde Milch hauptsächlich in weiterverarbeiteter Form (Käse, Butter) verzehrt. In der Erwachsenenküche galt das Trinken von (unverar- beiteter) Milch offensichtlich als Verschwendung – ein weiterer Hinweis für das hohe Ansehen der Milch als wertvolles Lebensmittel. Schon sehr früh war der Rahm der wichtigste Bestandteil der Milch, der gleichzeitig von den Molkereien als Qualitätskriterium (Fettgehalt) eingesetzt wurde (SCHÜR- MANN, 1993, 19). Ein weiterer Beleg für die hohe Wertschätzung der Milch im bäuerlichen Milieu war der so genannte „Milchzauber“. Es bestand im Volksglauben die Vorstellung, dass man sich die kostbare Milch auf magische Art und Weise beschaffen („herbeizaubern“) könnte, in dem sie von den Kühen eines anderen Betriebes gestohlen wurde (vgl. ebd., 29-32). Mit der Industrialisierung und Verstädterung stiegen ab etwa Mitte des 19. Jahrhunderts durch die Hygienebewegung gleichzeitig die bakteriologischen Ansprüche an die Milch und es entstand das Leitbild einer „weißen, sterilen Milch“, welches sich auch gesellschaftlich durchsetzte. Diese Entwicklung kann anhand von milchwirtschaftlichen Lehrbüchern aus den 1930er Jahren veranschaulicht werden, in denen der „guten“ Molkereimilch, die als „pasteu- risierte Milch, modern, sauber, gesund“ galt, die „schlechte“ Rohmilch mit den Eigenschaften „bäuerlich, schmutzig, krankmachend“ gegenübergestellt wurde (vgl. FINK, 1991, 39ff.). Diese historischen Sinngebungen der Milch spiegeln sich teilweise auch in heutigen Diskussionen zur Bedeutung der Milch wider. Milch, die eine wichtige Rolle in der Kinderküche spielt, wird mit „Gesundheit, mit wichtigen Stoffen, die wir unmittelbar aus der Natur aufnehmen, mit dem Thema Mutter und Kind beziehungsweise mit Mütterlichkeit“ verbunden (KARMASIN, 1999, 52-55). Es besteht der Glaube, dass eine gute Mutter ihrem Kind viel gesunde Milch gibt, wodurch mütterliche Liebe und Verant- 40 wortung gleichzeitig vermittelt werden. Milch wird auch als „good food“ klas- sifiziert. Darüber hinaus ist Milch ein Beispiel für etwas „Aufbauendes, ein Symbol der Reinheit, die Unschuld eines Kindes, die natürliche Güte [...]“ (LUPTON, 1996, 27). Andererseits hat Milch in Deutschland und Österreich keinen festen Platz mehr in der Erwachsenenküche, da sie einige entscheidende Nachteile für moderne berufstätige Köche und Köchinnen mit einem knappen Zeitbudget mit sich bringt. Milch kann beim Kochen leicht anbrennen, weshalb vermehrt Zeit und Kontrolle erforderlich sind. Auch die so genannte „Frischmilch“, die pasteurisiert und homogenisiert ist, verdirbt relativ schnell, weshalb auf das Mindesthaltbarkeitsdatum ständig geachtet werden muss. Die Milch stellt also ein ambivalentes Lebensmittel dar, das neben dem gesunden Image auch eine unbequeme und „gefährliche“ Seite beinhaltet (KARMASIN, 1999, 53f.). Die „gefährliche, krankmachende“ Seite der Milch tritt auch aus le- bensmittelhygienischer Sicht bei Rohmilch, Rohmilchquark und -käse auf, die tendenziell in kleineren Betrieben erzeugt und hergestellt werden und ein eher „bäuerliches Image“ besitzen. So sank durch die so genannten EHEC- Milchskandale die Nachfrage nach Rohmilch und Rohmilchprodukten erheb- lich. Dieser Diskurs in den Medien und bei Verbrauchern, der vor allem die Gesundheitsgefahren der Rohmilch/-produkte betont, scheint wiederum sehr stark kulturell bedingt zu sein. In europäischen Nachbarländern, z. B. in Frankreich, gilt Käse – insbesondere Rohmilchkäse – als ein Lebensmittel mit einer tief verwurzelten Tradition und als fester Bestandteil der französi- schen Küche. 4.1.3 Zur Herstellung und Verwendung von Speisequark seit 1800 4.1.3.1 Zur Quarkherstellung ab 1800 Bis zur ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden Speisequark und Sauer- milchkäse in Deutschland fast ausschließlich für den Eigenbedarf hergestellt. Es gibt lediglich Nachweise für den Handel mit Handkäse in Hessen und in der Pfalz sowie mit Harzer Käse und Ölmützer Quargeln (ROEB, 1976, 63). In der bäuerlichen Milchverarbeitung stand die Butterherstellung im Vorder- grund, da sie wesentlich höhere Preise erzielte als das Nebenprodukt Spei- sequark, der zur Verwertung der Magermilch hergestellt wurde. Um eine möglichst hohe Ausbeute des Rahms zu erzielen, ließ man die Milch lange aufrahmen, wodurch gleichzeitig die natürliche Milchsäuerung durch Milch- säurebakterien einsetzte. Nach dem Abrahmen der Milch wurde die gesäu- erte Magermilch zu Speisequark bzw. Sauermilchkäse weiterverarbeitet. Eine Labzugabe bei der Quarkherstellung dürfte sehr unwahrscheinlich ge- wesen sein. Erstens schien die Beschleunigung des Herstellungsvorgangs keinen wirklichen Vorteil zu haben. Zweitens war es kaum denkbar, dass das Lab in einem aufwendigen Verfahren selbst hergestellt wurde, da es nicht zu einer wesentlichen Steigerung der hedonischen Qualität beitrug. Drittens war die Verarbeitungsmenge häufig sehr gering, so dass die Zugabe der exakten Labmenge sich technologisch schwieriger gestaltete als die Herstellung ohne Lab. 41 Die Säuerung als alleiniges Verfahren zur Gerinnung der Milch war nach ROEB (1976, 22) bei der Quark- und Sauermilchkäseherstellung überall in Deutschland bekannt. Darüber hinaus wurden in verschiedenen Regionen weitere Verfahren zur Koagulation der Milch eingesetzt: • Einsatz von heißem Wasser in Nord-, Nordost- und Mitteldeutschland. Zur Förderung des Molkenaustritts wurde in Norddeutschland auch ein Mes- ser zum Schneiden des Quarkbruches verwendet (ROEB, 1976, 23). • Warmstellen der abgerahmten Milch zur Säuerung in einem Backofen in Niederdeutschland (GERMERSHAUSEN und KRÜNITZ, zitiert nach RÄNK, 1966). • Einsatz von Quarkständern aus Ton und Holz in Schleswig-Holstein, Böh- men, Bayern und Franken (ROEB, 1976, 23). Zur Trennung des Quarkbruches und der Molke waren verschiedene Verfah- ren bekannt. Es wurden gelöcherte Käseformen aus Ton, Quarksäcke aus Leinen, Quarkkörbe oder eine Milchbank bzw. spezielle Quarkpressen ver- wendet, in der die Quarkmasse vorsichtig gepresst wurde. Darüber hinaus wurden Siebe oder Durchschläge, die in allen Haushalten Ende des 18. Jahrhunderts vorhanden waren, benutzt. Nach ROEB (1976, 23) dominierte die Verwendung des Leinentuches, das je nach Region auch Quarksack, Quark- oder Käsebeutel oder Leinensack genannt wurde. Sämtliche Gerät- schaften zur Förderung des Molkenablaufs, außer sehr engmaschige Metall- siebe, konnten nur in Kombination mit Leinentüchern verwendet werden, da ansonsten die Quarkverluste viel zu hoch gewesen wären. Erst mit der Einführung der ersten leistungsfähigen Zentrifugen ab den 1870er Jahren ist das „moderne Milchzeitalter“ anzusetzen. Ab diesem Zeit- raum der Industrialisierung und Verstädterung kam es mit der Gründung von Molkereien und Käsereien zu einem schwunghaften Handel mit Sauermilch- käse und Quark, da dies eine optimale Verwertung der aus der Butterher- stellung zurückbleibenden Magermilch darstellte (ebd., 63; SCHÜRMANN, 1996, 35). Diese Entwicklung wurde von staatlicher Seite unterstützt, die Sauermilchkäse als Volksnahrungsmittel rühmte. 4.1.3.2 Zur Quarkherstellung ab 1900 Für die Quarkherstellung wurden neben der bereits erwähnten Magermilch auch Vollmilch, Buttermilch oder „Zentrifugenmilch“ verwendet. Tendenziell wurde vor dem ersten Weltkrieg verstärkt die höherwertige Vollmilch benutzt, wodurch auch soziale Unterschiede zum Ausdruck kamen, da in „guten Bau- ernhäusern“ Vollmilch verwendet wurde. Zur Förderung des Molkenablaufs wurde in bäuerlichen Haushalten für den Eigenbedarf der Durchschlag, die Seihe oder das Sieb verwendet, die das Leinentuch spätestens um 1910 ablösten. In Gebieten, in denen die Quarkherstellung eine größere Rolle spielte, z. B. in Böhmen und Oberschlesien, wurden Quarkpressen verwen- det. Zwischen Mosel und Rhein, südlich von Koblenz bis ins Saarland und im Südschwarzwald wurden irdene Abtropftöpfe „Käsekar“ verwendet. In Rhein- hessen waren Holzkästen bekannt, die vermutlich aus der Backsteinkäse- herstellung übernommen wurden (ebd., 50-53). 42 Nach HARTWIG (1959, 8) genügte die manuelle Bewältigung des Produkti- ons- und Verpackungsvorganges den Ansprüchen nicht mehr. Daher wurde seit Ende der 50er Jahre die Produktion von Speisequark verstärkt mechani- siert. Die bakteriologische Beschaffenheit rückte dabei immer mehr in den Vordergrund. Dies geschah sowohl aus hygienischen Gründen als auch, um eine längere Haltbarkeit zu erreichen und auch aus arbeitswirtschaftlichen Gründen (Einführung der 5-Tage-Woche). Durch die Umstellung von der chargenmäßigen zur kontinuierlichen Milchverarbeitung in den Molkereien seit den 70er Jahren spielt der Faktor „Haltbarkeit“ als Qualitätskriterium für Milch die größte Rolle (FINK, 1991, 175). In der Quarkproduktion wurde die „Handarbeit“ auf ein Minimum reduziert, während insbesondere die verfahrenstechnische Ausrüstung vom Käsekorb oder der Käseform aus Ton über den Quarksack und Quarkfertiger bis zum Separator-Verfahren und der Ultrafiltrationsanlage zunahm (MEISEL et al., 1988, 234). In deutschen Molkereien wird häufig das Thermo-Quark-Verfah- ren in der Speisequarkherstellung verwendet (WESTFALIA, 1999), während Hofkäsereien immer noch wie vor einigen Jahrhunderten handwerkliche Her- stellungsverfahren, bei denen der Quark von Hand geschöpft wird, verwen- den. 4.1.3.3 Regionale Verwendung und Zubereitung von Speisequark Die zahlreichen Weiterverarbeitungsverfahren des Quarks waren vor allem von seiner Verwendung abhängig. Der frische Quark konnte z. B. als Brot- aufstrich mit Vollmilch oder Rahm oder auch mit Salz und Kümmel zubereitet werden. Für die Herstellung von Sauermilchkäse, z. B. Harzer Käse, Mainzer Handkäse, Ölmützer Quargeln, waren weitere Vorgänge, z. B. Kneten und Formen, notwendig (ROEB, 1976, 32f.; vgl. auch FISCHER, 1955, 284). Sehr beliebt und am stärksten verbreitet waren nach 1910 Gerichte mit Kar- toffeln und Quark, die am häufigsten in der Abendmahlzeit verzehrt wurden. Überwiegend wurden Pellkartoffeln mit Quark gegessen (ROEB, 1976, Karte 10 und 14). Die elsässische Variante „Bibbeleskäs“ bestand aus Magerquark, der mit Rahm und Salz zubereitet und zu schlagsahneartiger Konsistenz ge- rührt wurde. Er wurde mit Pellkartoffeln und Salat zum Mittagessen oder an heißen Tagen auch zur Abendmahlzeit mit Salz, Zwiebeln, Schnittlauch und Mairettich gegessen (vgl. FISCHER, 1955, 274f.). Zum Frühstück oder zur Vespermahlzeit wurde Quark in Verbindung mit Brot nur als Brotaufstrich verzehrt. Neben der einfachsten Brotbelag-Variante „Brot und Quark“ waren im Rheinland „Quark und Mus“, südlich von Hanno- ver „Schmalz und Quark“ und in Schlesien „Quark und Butter“ üblich (ROEB, 1976, 178). Darüber hinaus war Quark in Speisezubereitungen als Beilage, Gebäck und Pfannengericht bekannt. Als Beilagenbestandteil kristallisierte sich eine Zone der Nudeln und Spätzle mit Quarkzusatz heraus, wobei Nudeln mehr in den Bayrischen Alpen und im Münchener Raum und Spätzle vor allem in der Schwäbischen Alb verzehrt wurden. Die Quarkknödel- bzw. Klößezone be- fand sich hingegen in Oberschlesien und in den Sudeten, die darüber hinaus auch als „Sauermilchkäsezone“ bekannt waren (ebd., 173f.). 43 Quark war in Gebäck (Kuchen, Torten) überwiegend in Gebieten beliebt, in denen gleichzeitig Quark oder Sauermilchkäse häufig vorkam. Ausgespro- chene „Quarkkuchengebiete“ befanden sich vereinfacht ausgedrückt in den deutschen Mittelgebirgen. Die Zunahme des Quarkkuchenbackens hatte in Deutschland auch soziale Gründe. Während in Thüringen und Sachsen schon gegen Ende des 19. Jahrhunderts Kuchen auch von der einfachen Landbevölkerung selbst an Werktagen verzehrt wurde, nahm in den deut- schen Mittelgebirgen erst nach dem wirtschaftlichen Aufschwung nach dem ersten Weltkrieg der Kuchenkonsum als Zeichen des Wohlstandes in den unteren Schichten zu. Quark in Pfannengerichten in Form von Piroggen und Plinsen war nur sehr lokal auf das ehemalige Ostpreußen beschränkt (ebd., 177). Während des 1. Weltkrieges und vor dem 2. Weltkrieg wurde die Verwen- dung von Speisequark als eiweißreiches Nahrungsmittel propagiert. So wur- den in der Zeitschrift „Die praktische Berlinerin“ (1914/15) die Leser dazu angehalten, „trotz der Milchknappheit“ mit der täglich gelieferten Haushalts- milch sehr sparsam umzugehen und eventuell Restmilch zu Weißkäse zu verarbeiten, der als Brotaufstrich mit Salz, Kümmel oder Schnittlauch, Butter oder Sahne oder als Zutat für Klöße empfohlen wurde. In den 1930er Jahren wurde in der „Zeitschrift für Volksernährung“ der „vulgäre Speisequark, der erfahrungsgemäß geradezu eine ideale Eiweiß- nahrung darstellte“, ausführlich als „Volksnahrungsmittel“ gepriesen (BAUM- GÄRTEL, 1933, 265-267; vgl. ANONYM, 1938). Als Vorteile dieses Milchpro- duktes wurden die hygienisch-diätetischen Vorzüge, die wünschenswerte Magermilchverwertung und das wertvolle, nahrhafte und billige Nahrungsei- weiß als Ersatz für das teure Fleischeiweiß angeführt (BAUMGÄRTEL, 1933, 265-267). Es wurde an die Hausfrauen appelliert, Speisequark möglichst täg- lich auf den Tisch zu bringen, mit dem Hinweis auf zahlreiche Rezepte und Zubereitungsmöglichkeiten, z. B. roh, gebacken, gekocht und als Ersatz für saure Sahne oder Butter und Margarine (APEL, 1938; ZWERG, 1939). Be- mängelt wurde, dass die Wertschätzung des Speisequarks der städtischen Bevölkerung so gering sei, dass es trotz knapper Versorgungslage zu Ab- satzschwierigkeiten von „Quarg“ kam (ANONYM, 1938). Auch heute überwiegt im deutschen konventionellen Lebensmitteleinzelhan- del der Verbrauch von Magerquark. Im Gegensatz dazu steht bei der bäuer- lich-handwerklichen Milchverarbeitung nicht mehr die Butter-, sondern die Käseherstellung im Vordergrund, wodurch weniger Magermilch anfällt und dadurch weniger Magerquark hergestellt wird. Darüber hinaus stellen viele Hofkäsereien Speisequark aus naturbelassener, nicht entrahmter Milch her, da die Verarbeitungsmengen in der Regel relativ gering sind und es sich nicht lohnen würde, Speisequark mit verschiedenen Fettgehalten zu produ- zieren. 4.2 Theoretische Grundlagen der Semiotik Der Begriff „Semiotik“ ist etymologisch mit den griechischen Wörtern „Zei- chen“ und „Signal“ verwandt. Die Verwendung des Begriffs als allgemeine Theorie der Zeichen ist erst seit dem 17. Jh. belegt, wobei gleichzeitig die wichtigste Begriffsalternative „Semiologie“ auftrat. Die Begriffe „Semiotik“ und „Semiologie“ werden in der Literatur teilweise synonym als „Lehre oder Wis- 44 senschaft der Zeichensysteme“ verwendet (ECO, 1994, 17; 1995, 16; vgl. HANKE, 1991, 118). Jedoch kennzeichnet „Semiotik [...] besser die Tradition der Allgemeinen Zeichentheorie vor allem von Peirce, während Semiologie die von Saussure begründete Tradition besser charakterisiert.“ (vgl. SEBEOK, 1976, 55 zitiert nach NÖTH, 2000, 3). Nach NÖTH (2000, 3) wird der Begriff „Semiotik“ international häufiger benutzt, weshalb auch für diese Arbeit die Begriffe „Semiotik“ bzw. „semiotische Analyse“ gewählt wurden. Aufgabe dieses Kapitels ist es, die für diese Analyse relevanten semiotischen Elemente und Prinzipien vorzustellen, die in der nachfolgenden Untersu- chung angewendet werden. In dieser Arbeit können nicht die zahlreichen Forschungsrichtungen zur Semiotik weiter vertieft werden, sondern es muss an dieser Stelle auf die weiterführende Literatur verwiesen werden. 4.2.1 Semiotisches Dreieck Die meisten Semiotiker sind sich in ihren Zeichentheorien einig, dass ein Zeichen aus drei Dimensionen besteht. Dabei hat sich der Begriff semioti- sches Dreieck durchgesetzt (HANKE, 1991, 125-132). Diese drei Dimensio- nen bzw. Zeichenkorrelate eines Zeichens werden von NÖTH (2000, 140f.) in der heutigen Terminologie als Zeichenträger, Bedeutung und Referenzob- jekt bezeichnet und in Abbildung 6 dargestellt. A) Der Zeichenträger: das Repräsentamen (PEIRCE) oder der Signifi- kant (ECO, 1995, 31) bezeichnet ein Referenzobjekt (d. h. einen re- alen oder nicht real existierenden Gegenstand), z. B. ein Wort, einen Laut, ein Ikon, einen Index, ein Symbol. B) Die Bedeutung: das Signifikat ist nach BARTHES (1981, 37) die Be- deutung, die ein Betrachter unter dem Zeichen versteht, das er wahrnimmt. Eco versteht unter der Bedeutung das Interpretans, „das, was die Gültigkeit des Zeichens auch in Abwesenheit des In- terpreten garantiert.“ (ECO, 1994, 77). C) Das Referenzobjekt: der Referent (PEIRCE), das Referens (ECO) ist der Gegenstand in der Realität (BARTHES) bzw. das Referenz- objekt, welches der Zeichenträger bezeichnet. Abbildung 6: Semiotisches Dreieck Quelle: NÖTH, 2000, 140; vgl. ECO, 1995, 30f. A) Zeichenträger Signifikant C) Referenzobjekt Gegenstand in der Realität B) Bedeutung Interpretans, Signifikat (Konnotationen) Bezeichnungsrelation Bedeutungsrelation 45 Nach diesem theoretischen Modell hat ein Zeichen zwei interne Funktionen. Der Zeichenträger vermittelt an den Betrachtenden eine Bedeutung (= Be- deutungsrelation) und er bezeichnet gleichzeitig das Referenzobjekt (= Be- zeichnungsrelation) (vgl. NÖTH, 2000, 138f.). Darüber hinaus werden Zei- chenträger nach der Zeichentheorie von PEIRCE in Ikon, Index und Symbol eingeteilt (PEIRCE, 1991, 350). Sie werden in dieser Analyse näher unter- sucht und nachfolgend begrifflich voneinander abgegrenzt. Ikon: „Unter einem Ikon versteht man einen Zeichenträger, der ‘auf das be- zeichnete Objekt allein auf Grund von ihm eigenen Eigenschaften verweist’.“ (PEIRCE, 2.247 zitiert nach NÖTH, 2000, 66). Abbildungen, Ähnlichkeiten und Grade der Übereinstimmung des Zeichenträgers mit dem Referenzobjekt sind charakteristisch für ein Ikon. Dabei kann sich das Ikon auf real und nicht real existierende Objekte oder auch nur auf bestimmte Eigenschaften des Gegenstands in der Realität beziehen. Beispielsweise handelt es sich bei einem stilisierten Abbild eines Bäckers, der ein Brot in einen Ofen schiebt, auf einem Hinweisschild einer Bäckerei um ein sehr einfach zu verstehendes und sich selbst erklärendes Ikon im deutschen Kulturkreis (vgl. STANKOWSKI und DUSCHEK, 1994, 171; vgl. GALLERT, 1998, 75). Im Vergleich zu Index und Symbol hat das Ikon den höchsten Bezug zum Refe- renzobjekt. Für die Informationsvermittlung besitzt der Einsatz des Ikons gegenüber an- deren Zeichenträgern einige Vorteile. Erstens sind Ikone durch ihre Ähnlich- keit mit dem realen Gegenstand einfach zu verstehen. Zweitens können Ikone, die eine tendenzielle Übereinstimmung visueller Merkmale mit dem Referenzobjekt aufweisen, von einem Betrachter durch seine visuelle Wahr- nehmung ergänzt werden. Drittens sind sie besonders leistungsfähig, da sie mit minimalen Gestaltungsmitteln den gewünschten Bezug zum Referenz- objekt herstellen können und vom Betrachter wieder erkannt werden (vgl. GALLERT, 1998, 76). Index: „Ein Index ist ein von seinem Objekt durch raum-zeitliche Kontigui- täts- oder Kausalitätsbeziehung abhängiges Zeichen.“ (NÖTH, 2000, 66). Im Gegensatz zum Ikon, das sich durch seine Ähnlichkeitsbeziehung zum Refe- renzobjekt auszeichnet, hat der Index eine hinweisende bzw. anzeigende Funktion (GALLERT, 1998, 76). In dieser Untersuchung spielt der Index eine untergeordnete Rolle, weshalb er an dieser Stelle nicht ausführlicher behan- delt werden kann. Symbol: PEIRCE definiert ein Symbol als „ein Repräsentamen [Zeichenträ- ger], dessen besondere Signifikation oder Eignung das zu repräsentieren, was es gerade repräsentiert, in nichts anderem als der Tatsache begründet liegt, daß es eine Gewohnheit, Disposition oder eine andere wirksame Regel gibt, daß es so interpretiert wird“ (PEIRCE, 4.447 zitiert nach NÖTH, 2000, 175). Im Gegensatz zum Ikon ist es in der Gestaltung nicht abbildhaft, besitzt keine Ähnlichkeitsbeziehung (vgl. GALLERT, 1998, 77), sondern der Bezug zwischen dem Symbol und seinem Referenzobjekt kann eher unabhängig und willkürlich erscheinen (FIRTH, 1973 zitiert nach NÖTH, 2000, 182). Im deutschen Kulturkreis steht beispielsweise eine weiße Taube als Symbol für den Frieden. Grundsätzlich ist festzuhalten, dass Bildzeichen eine höhere Informationsdichte besitzen und damit mehr Konnotationen pro Raum- und Zeiteinheit übermitteln können als verbale Zeichen (vgl. STÖCKL, 1998). 46 Das Modell des semiotischen Dreiecks soll an dem Beispiel des Warenzei- chens „Bioland“ veranschaulicht werden: Der Zeichenträger Bioland ist ein zusammengesetztes Wort, das auf Lebens- mitteln bzw. Verpackungen ausschließlich Produkte bezeichnet, die aus bio- logischer Land-wirtschaft stammen. Das bedeutet, dass für die Erzeugung die Rahmenrichtlinien des Bioland-Anbauverbandes und der EU-ÖKO-Ver- ordnung 2092/91 eingehalten werden müssen. Dieser Zeichenträger soll dem Verbraucher die Bedeutung vermitteln, dass es sich tatsächlich um kontrol- liert biologische Lebensmittel handelt. Je nach Kenntnisstand des Konsu- menten wird damit eine Sicherheit kommuniziert, dass die so gekennzeich- neten Lebensmittel ohne Pestizideinsatz und Mineraldünger produziert wurden, dass sie nach strengen Anbau- bzw. Verarbeitungsrichtlinien des gleichnamigen Bioland-Verbandes erzeugt bzw. verarbeitet wurden. Der Zeichenträger steht für „Öko-Insider“ gleichzeitig für ein ökologisches Waren- zeichen, das sich von anderen Öko-Warenzeichen und damit anderen Anbauverbänden, z. B. Demeter oder Naturland, abgrenzt. An diesem Beispiel wird deutlich, dass die Bedeutung, die der Betrachter mit einem Zeichenträger und dem damit verbundenen realen Gegenstand indivi- duell verbindet, von semiotischen Prinzipien und Konnotationen abhängig ist. Diese werden in den nächsten Kapiteln näher ausgeführt. 4.2.2 Semiotische Prinzipien Es gibt semiotische Prinzipien, die (nach KARMASIN, 1993, 144ff.) für den Einsatz von Zeichen zur Vermittlung von Botschaften in der Marktkommuni- kation relevant sind. Die folgende Auflistung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit: • Die Bedeutung eines Zeichenträgers muss von dem Betrachter verstan- den und interpretiert werden. Dies erfordert von ihm, dass er ein komplexes System bzw. die Struktur der drei Dimensionen des Zeichens denken kann. Beispiel: der Zeichenträger Bioland erfordert von dem Verbraucher, dass er eine Bedeutungsrelation zu ökologisch erzeugten Lebensmitteln herstellen kann bzw. eine Bezeichnungsrelation zu dem Bioland-Lebensmittel in der Realität aufbauen kann. • Die Bedeutung eines Zeichenträgers ergibt sich auch daraus, was es nicht ist. Beispiel: Bioland bedeutet nicht „konventionelle Landwirtschafts- weise“; Bioland steht nicht für einen anderen Anbauverband, z. B. Demeter oder Naturland. • Eine der wichtigsten Eigenschaften von Zeichensystemen ist es, „mit einem Minimum an Zeichenträgern ein Maximum an Bedeutung zu übermit- teln“ (KARMASIN, 1993, 147). Ein gutes Beispiel hierfür sind die Buchstaben des Alphabets, mit denen unendlich viele Wörter kreiert werden können. • Die verwendeten Zeichensysteme müssen insbesondere zentrale Ord- nungsprinzipien wie Gegensätze oder Gleichheit beinhalten. Diese Prinzipien sind auf jeder Ebene von Zeichensystemen anzutreffen und sind gleichzeitig Strukturierungsprinzip. Werden diese Ordnungsprinzipien in Form von Zei- chen gezielt eingesetzt, dann können Produkte und Marken Bedeutungen erhalten, ohne dass diese explizit genannt werden (ebd., 147). 47 4.2.3 Kulturelle Einheiten und Konnotationen von Zeichen Unter kulturellen Einheiten versteht Eco, dass sie zwar durch einige Inter- pretanten bestimmt werden, jedoch vor allem durch ihre zugeschriebene Stellung in einem bestimmten System von gegenüberstehenden kulturellen Einheiten definiert werden. „Eine kulturelle Einheit liegt vor und wird aner- kannt, sofern eine andere kulturelle Einheit existiert, die einen anderen Wert hat.“ (ECO, 1994, 86). In dem nachfolgenden Beispiel (siehe Tabelle 10) werden unterschiedliche kulturelle Einheiten im Vergleich zwischen dem deutschen, französischen und italienischen Sprachsystem verdeutlicht (vgl. ECO, 1994, 86). Während das deutsche Wort „Wald“ im Französischen als bois und forêt und im Italienischen als bosco und foresta bezeichnet wird, gibt es in allen drei Sprachen für das Wort „Baum“ jeweils nur einen Begriff. Tabelle 10: Unterschiedliche kulturelle Einheiten in drei Sprachsystemen Deutsch Französisch Italienisch Baum Arbre Albero Holz Bois Legno Wald Bosco Forêt Foresta Quelle: ECO, 1994, 86 Bedeutungen beinhalten in jeder Kultur Werte, die sich aus dem System herleiten lassen und kulturellen Einheiten entsprechen. Sie definieren sich vor allem „durch die Art und Weise, wie sie zu anderen Elementen des Sys- tems in Opposition stehen, und durch die Stellung, die sie im System ein- nehmen.“ (ECO, 1994, 87). Sie sind insbesondere durch ihre „Differenzen definierbar und kontrollierbar“ und nicht durch ihre Inhalte (ebd., 87). Die Bedeutung eines Zeichens ergibt sich aus den Konnotationen, die mit ihm verbunden sind. Eco definiert Konnotation als „die Summe aller kulturel- len Einheiten, die das Signifikans [Zeichenträger] dem Empfänger institutio- nell ins Gedächtnis rufen kann“ bzw. die für den Empfänger kulturell verfüg- bar sind (ECO, 1994, 108). Er unterscheidet dabei u. a. zwischen definitori- schen und emotionalen Konnotationen. Unter einer Konnotation als Definitionsbedeutung versteht Eco Definitionen einer kulturellen Einheit, die ihr zugeschrieben sind und gewöhnlich auf sie angewandt werden. Dabei kommt in einer Kultur das ganze Spektrum zwi- schen wissenschaftlichen und naiven Definitionsformen vor. Die Anwendung der einen oder anderen Definition bildet somit „das kulturelle Erbe des Emp- fängers.“ (ECO, 1994, 108). Im Hinblick auf die nachfolgende Analyse gibt es beispielsweise eine Reihe wissenschaftlicher Definitionen von „ökologischem Landbau“, die im Alltagswissen der meisten Verbraucher in Deutschland bisher noch wenig verankert sind bzw. die Kennzeichnung ökologisch erzeugter Produkte war zum Untersuchungszeitpunkt für viele Verbraucher immer noch verwirrend (vgl. KARMASIN, 1999, 253). 48 Von besonderem Interesse sind in dieser Arbeit emotionale Konnotationen, die insbesondere durch ikonische und symbolische Zeichenträger vermittelt werden. Darunter sind einerseits individuelle Vorstellungen, also persönliche Bilder, die durch Erfahrungen angeregt und durch Gefühle beeinflusst wer- den, sowie institutionalisierte emotionale Konnotationen zu verstehen. Bei der Auswahl eines Produktes, einer Marke, eines Kleidungsstückes usw. spielen emotionale Konnotationen, die mit dem ausgewählten Gegenstand verbunden werden, eine große Rolle. Der Benutzer will mit diesem Produkt – absichtlich oder unabsichtlich – etwas über sich aussagen (KARMASIN, 1993, 220). Zur Veranschaulichung soll das nachfolgende Beispiel beitragen: Ein Gastgeber vermittelt den eingeladenen Gästen mit einem aufwendigen, selbst zubereiteten 5- Gänge-Menü eine andere Botschaft als mit dem Ser- vieren einer Tiefkühl-Pizza. 4.2.4 Botschaft von Produkten Produkte senden Botschaften an den Konsumenten aus, der sie je nach kul- turellem Erbe wahrnehmen (empfangen) kann. Diese Botschaft wird durch die gesamte Produkt- und Verpackungsgestaltung vermittelt, die der Sender (z. B. Produktdesigner) dafür auswählt. Umgekehrt nutzen Konsumenten Produkte gezielt als Kommunikationsmittel, um „Informationen über die ei- gene Person zu vermitteln oder um sozialen Beziehungsgeflechten Ausdruck zu verleihen.“ (FRIESE, 1998, 42). Stimmen die Reaktionen des sozialen Umfeldes mit der eigenen Selbsterwartung überein und können sich die mit dem Produkt verbundenen Bedeutungen angeeignet werden, dann hat das erworbene Produkt eine positive Wirkung auf das eigene Selbstwertgefühl. Diese Erfahrung tritt jedoch nur dann ein, wenn die meist emotionalen Kon- notationen des Produktes mit dem eigenen Selbstbild kongruent sind und die Kaufbefriedigung authentisch ist (vgl. ebd., 46). Die meisten Lebensmittel haben die primäre Funktion, der Ernährung des Menschen zu dienen. Gleichzeitig vermittelt jedes Produkt eine Bedeutung, die sich aus seiner Stellung im System ergibt, in dem es zu anderen in Op- position oder in Äquivalenz steht (KARMASIN, 1993, 191). So gibt es in Deutschland nicht „die Schokolade“ oder „das Speiseöl“, son- dern der Verbraucher ist gezwungen, sich zwischen verschiedenen Sorten von Schokolade oder Speiseöl zu entscheiden. Wenn er sich beispielsweise für ein kaltgepresstes Olivenöl aus der traditionsreichen Anbauregion „Kala- mata“ in Griechenland mit garantierter Herkunftsbezeichnung entscheidet, dann ergibt sich die besondere Bedeutung dieses Speiseöls auch daraus, was es nicht ist, z. B. ein raffiniertes no-name Speiseöl. Bei Gästen kann sich dieser Verbraucher als Olivenöl-Experte ausweisen, wofür er im positiven Fall von seinem sozialen Umfeld Lob und Anerkennung für seinen „guten Geschmack“ erntet. Durch die bewusste oder unbewusste Abgrenzung möchte dieser Verbraucher zu einer bestimmten sozialen Gruppe gehören, z. B. zu einer Gruppe von Feinschmeckern. Das bedeutet, dass der Konsum eines Lebensmittels tatsächlich eine soziale Funktion besitzt. Denn Produkte sind Ausdruck von Ordnungsmustern und kulturellen Werten, die als „kulturelle Konzeptionen des Wünschenswerten definiert werden können“ (KARMASIN, 1993, 193). Ordnungsmuster und Klassifikationen sind Ansätze aus der Kulturanthropologie, die in jeder Kultur 49 vorhanden sind. Ordnungsmuster bestehen „aus Klassifikationen, Gruppen- bildungen, Grenzziehungen und der Zuordnung von Merkmalen zu diesen Bereichen und Gruppierungen.“ (KARMASIN, 1993, 197). Klassifikationen bringen Abgrenzungen, z. B. durch Ge- und Verbote, durch die Festlegung was modern/nicht modern, was gut/schlecht, was wert- voll/wertlos oder was für Männer und Frauen erlaubt/verboten ist. Sie kommen dem existentiellen Bedürfnis nach Sicherheit und Orientierung so- wie der Reduzierung unseres komplexen sozialen Umfeldes nach. Klassifi- kationen sind nicht neutral, sondern enthalten Bewertungen (KARMASIN, 1993, 196, 264; vgl. BOURDIEU, 1999, 730). Durch die gezielte Verwendung und Anordnung von Zeichen erhalten Pro- dukte von den Sendern (z. B. Produktdesignern) eine bestimmte Bedeutung, die sich auf das kulturelle Potential der Verbraucher bezieht, d. h. auf die Basis von vorgegebenen kulturellen Ordnungsmustern. Produkte bieten Ausdrucksmöglichkeiten unserer Kultur zur Darstellung der Zugehörigkeit zu verschiedenen Altersstufen und sozialen Schichten an. Sie dienen auch zur Unterscheidung zwischen verschiedenen Regionen oder Nationen usw. Sie sind „die relevantesten Zeichensysteme der westlichen Kulturen. [...] Produkte senden ihre Zeichen, ihre Symbole, an denen wir ab- lesen können, welches Selbstverständnis Individuen und Zielgruppen von sich selbst haben.“ (BOSSHART, 1998, 16). Diese Differenzierungskriterien werden in Deutschland tendenziell jedoch immer subtiler und unsichtbarer, da sie zukünftig weniger in einem demon- strativen Konsum wiederzufinden sind, sondern sich verstärkt in freien „Wahl- möglichkeiten“ ausdrücken. Die Entscheidungsfreiheiten machen die „neuen feinen [sozialen] Unterschiede" aus, ob der multi-optionale Konsument es sich zum Beispiel leisten kann, wenn er das will, in einem Naturkostladen teure Lebensmittel aus ökologischem Anbau oder aus Spaß billige Lebensmittel in einem Discounter einzukaufen (vgl. DRIBBUSCH, 2000). KARMASIN (1993, 245) stellte darüber hinaus bei ihren Untersuchungen die Tendenz fest, dass in vielen Produktbereichen die Werte „Ethik und Ästhetik“ immer wichtiger werden, wodurch normative und ästhetische Funktionen von Produkten eine größere Rolle spielen. Zur Illustration werden abschließend kulturelle Bedeutungen von Lebensmit- teln, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, zusammengefasst: „Nahrung ist Prestige, Status und Wohlstand [...]. Sie ist [...] ein Mittel der Kommunikation und zwischenmenschlicher Beziehungen oder ein Ausdruck von Gastlichkeit, Freundschaft, Zuneigung, gutnachbarlichem Verhalten, von Trost und Sympathie in Zeiten der Trauer oder Gefahr. Sie kann Stärke, sportliche Betätigung, Gesundheit und Erfolg symboli- sieren. Sie ist ein Mittel der Freude und Selbstbelohnung und eine Er- holung von Streß. Sie ist Fest, Zeremonie, Ritual, Feiertag und Sehn- sucht nach dem Zuhause, der Familie und den ‚guten alten Zeiten’. Sie ist ein Ausdruck von Individualität und Welterfahrenheit, ein Mittel der Selbstdarstellung und ein Weg der Revolte. Am meisten aber ist sie Tradition, Brauch und Sicherheit. 50 Diese Bedürfnisse und Glaubensvorstellungen werden in unter- schiedlichen Kulturen durch unterschiedliche Nahrungsmittel befriedigt [...]. Einige Nahrungsmittel sind mit dem Alter oder dem Geschlecht des einzelnen verbunden [...]. Es gibt Sonntagsessen und Alltagsessen, Familienessen und Gästeessen, Nahrung mit magischen Eigenschaften und Heil- und Krankennahrung.“ (TODHUNTER, 1973, 301 zitiert nach FIDDES, 1998, 56f.). In diesem komplexen Feld ist die „kulturelle Qualität“ von Lebensmitteln ein- zuordnen. Die kulturellen Botschaften werden in diesem Kapitel mit einer semiotischen Analyse von Etiketten und Verpackungen von Speisequark aus hofeigener und industrieller Verarbeitung ermittelt. Die Untersuchungsme- thoden werden in den folgenden Kapiteln vorgestellt. 4.3 Material und Methoden Ziel der semiotischen Analyse ist es, die kulturelle Botschaft von Speisequark aus hofeigener und industrieller Verarbeitung mit Hilfe von Speisequarkver- packungen und -etiketten zu ermitteln. Dabei stellt sich insbesondere die Frage, wie diese hofeigen verarbeiteten Produkte ihre für sie typische „hofei- gene Qualität“ bzw. ihr „Hofimage“ kommunizieren und wie sie sich von ei- nem industriell hergestellten Molkereiprodukt abgrenzen. Hierzu werden alle verwendeten Zeichenträger systematisch analysiert und auf ihre Bedeutung untersucht sowie die Botschaft des gesamten Produktes betrachtet. 4.3.1 Korpus Als Korpus1 werden die Etiketten und Verpackungen von insgesamt acht Hofkäsereien (davon sechs Betriebe des EU-Forschungsprojektes und zwei zusätzliche Betriebe) sowie von zwei Molkereien untersucht. Die Auswahl der Etiketten der sechs Projekt-Betriebe bietet sich an, da erstens deren Pro- dukte gleichzeitig auf ihre sensorische Qualität getestet wurden. Zweitens gibt es große Unterschiede in der Gestaltung zwischen diesen Etiketten, die so eine große Bandbreite des Systems gewährleisten. Die Etiketten werden in Anhang 3 dargestellt. 4.3.2 Semiotische Analysemethode Im Vordergrund dieser semiotischen Analyse steht die Analyse der Bedeu- tung und der Botschaft von Speisequark aus hofeigener Verarbeitung im Vergleich zu Molkereiquark. Es wird eine deduktive Vorgehensweise ge- wählt, in der zuerst die einzelnen gestalterischen Aspekte beschrieben und strukturiert werden. Darauf aufbauend wird die Bedeutung und die Botschaft der einzelnen Produkte analysiert (vgl. ALESSANDRIN, 1996a, 12f.; 1996b). Die semiotische Analysemethode von Speisequarketiketten und - verpackungen untergliedert sich in die drei folgenden Untersuchungsebenen: 1 Das Korpus sollte einerseits groß genug sein um Oppositionen und Ähnlichkeiten des Systems widerzuspiegeln und andererseits sollte das zu untersuchende Material aus homogenen Substanzen bestehen (vgl. BARTHES, 1981, 80). 51 I. Ebene: Analyse der Verpackung sowie der bildlichen und sprachli- chen Elemente der Etiketten Zuerst werden die bildlichen und sprachlichen Komponenten der verwende- ten Zeichenträger je Produkt beschrieben. Dabei werden die nachfolgenden gestalterischen Aspekte festgestellt: • Form der Verpackung und Art des Verpackungsmaterials • Anzahl der Farben • Anzahl und Inhalt der Ikone und Symbole, Wort-Bildzeichen, Rahmen • Anzahl von Marken (hier: Name des Betriebes und/oder Hoflogo, Öko- Warenzeichen) • Inhalt der ersten und zweiten Zeilen, sowie weitere Informationen • Farbwahl der Schriftzeichen • Typographie II. Ebene: Klassifizierung Im zweiten Schritt werden gemeinsame und gegensätzliche Strukturierungs- muster der einzelnen Etiketten analysiert und erste Hinweise und Bezüge auf die Bedeutungsebene gegeben. Dabei werden drei Klassifizierungen vorge- nommen: • Klassifizierung der Komplexität • Klassifizierung der Typographie • Klassifizierung des Vermittlungspotentials „Hofimage“ III. Ebene: Analyse der konnotativen Bedeutungsinhalte und der Bot- schaft des Produktes Im letzten Schritt wird aufbauend auf die vorhergehenden Analysen eine Be- deutungsanalyse für jedes einzelne Produkt durchgeführt. Dabei gilt es, die wichtigsten Werte sowie die Bedeutungen, Konnotationen und die Botschaft, die das Produkt vermittelt, herauszuarbeiten. Die Auswertung und Festle- gung der Bedeutungen und der Botschaften der einzelnen Produkte wurde in Diskussionen mit zwei Experten – Agnès Alessandrin, Conseillère en Stra- tègie, Crisalide, Angers und Michael Heckert, Typograph, Universität Kassel, Fachbereich Kunst – abgesichert (vgl. auch ALESSANDRIN, 1996a, 12-16). 4.4 Auswertung und Ergebnisse der semiotischen Analyse Die Ergebnisdarstellung der semiotischen Analyse von Verpackungen und Etiketten erfolgt entsprechend der drei dargestellten Untersuchungsebenen. 4.4.1 I. Ebene: Analyse von Verpackungen und Etiketten 4.4.1.1 Material und Form der Verpackung Beim Vergleich der Verpackungsformen fällt sofort auf, dass die hofeigenen Betriebe (bis auf Betrieb 6, der Quark lose oder in Einweg-Plastikbecher ver- kauft), ein 500-g-Joghurtglas als Verpackung gewählt haben. Die meisten Betriebe benutzen darüber hinaus einen maisgelben Kunststoffdeckel, der ausschließlich von Hofkäsereien, die dem Verband für Handwerkliche Milch- 52 verarbeitung angehören, (bundesweit mit Schwerpunkt in Hessen) benutzt werden. Damit signalisiert die Verpackung den informierten Verbrauchern, dass es sich um ein hofeigen verarbeitetes Milchprodukt handelt. Das durchsichtige 500-g-Glas wurde 1992 von der Firma Oberland ursprüng- lich für Joghurt entwickelt. Um die sich eventuell absetzende Molke auf dem Joghurt zu kaschieren, befindet sich oberhalb der Abfüllmarke ein ca. 0,5 cm breiter Rand aus durchscheinendem Glas. Durch die sich zur Öffnung hin verengende Form und unterstützt durch zwei sich gegenüberliegende „Hen- kel-Andeutungen“ erinnert diese Glasform an eine Milchkanne Mehrwegglas genießt in Deutschland als Verpackung ein hohes Image bei Verbrauchern (vgl. v. ZIEHLBERG et al., 1997). Milchprodukte in Gläsern werden von vielen Verbrauchern im Einzelhandel oder Supermärkten auch als Premiumprodukte wahrgenommen. Sie sind in der Regel teurer als Milchprodukte in Kunststoffverpackungen. Gleichzeitig wird einem Mehrweg- glas eine höhere Umweltfreundlichkeit von Verbrauchern zugeschrieben als Kunststoffverpackungen. Dieser Sachverhalt ist jedoch wissenschaftlich um- stritten. Nach einer Öko-Bilanz-Studie des Frauenhofer-Institus München gibt es keine „[...] eindeutige und umfassende Priorisierung eines Systemtyps für Frischmilch (Einweg oder Mehrweg) [...].“ (ANONYM, 1999). Molkereiquark der Halb- und Vollfettstufe wird im Einzelhandel bisher über- wiegend in trapezförmigen 250-g-Polystyrolbechern mit Aluminiumdeckel angeboten und ist damit für den Verbraucher schnell als Speisequark erkennbar. Diese Verpackungsform vermittelt im Gegensatz zu Glas ein typisches „Niedrigpreis- bzw. Massenprodukt“. 4.4.1.2 Farbanalyse (Dominante Farben) Bei der Analyse der dominanten Farben muss berücksichtigt werden, dass alle untersuchten Etiketten der Hofkäsereien, auf die untere Hälfte des durchsichtigen 500-g-Glases geklebt werden. Dies hat zur Folge, dass der weiße Hintergrund des Speisequarks alle Farben der Etiketten aufhellt. Die nachfolgenden Ausführungen zur psychologischen und symbolischen Be- deutung der hier analysierten Farben beziehen sich insbesondere auf eine bundesweite Umfrage von Eva Heller (1995). Sie sind damit auf den deut- schen Kulturkreis beschränkt und können nur begrenzt auf andere Kulturen übertragen werden. Das nachfolgende Untersuchungsraster ist zuerst nach den Hintergrundfarben der Etiketten strukturiert. Als zweites Untersuchungs- kriterium kommen die jeweils verwendeten Gestaltungsfarben hinzu. A) Weiß als dominante Hintergrundfarbe - mit blauer Farbe Blau Blau ist in Verbindung mit weiß eine typische Farbkombination für Milchpro- dukte, insbesondere für günstige Basismilchprodukte. Die psychologische und symbolische Wirkung dieser Farbe ist die Vermittlung von Kälte und Kühle. Blau ist die kälteste Farbe im Farbenspektrum und Komplementär- farbe zu orange, eine der heißesten Farben neben rot und gelb (vgl. HELLER, 1995, 27). 53 Betrieb 5: Als dominante Farbe wird erstaunlicherweise für ein hofeigenes Produkt türkisblau benutzt, dass durch die Kombination mit weiß aufgehellt wird und dadurch noch kälter, „eisiger“ wirkt. Durch diese Farbwahl erinnert der erste visuelle Gesamteindruck deshalb sehr an ein Molkereiprodukt. B) Weiß als dominante Hintergrundfarbe - mit brauner und grüner Farbe Braun Aus psychologischer Sicht wird mit braun Gemütlichkeit und Geborgenheit verbunden. Die warm empfundene Farbe steht für Naturmaterialien wie z. B. Holz, Leder, Wolle (ebd., 202). Mit braun wird im Lebensmittelbereich das Aromatische, das Herbe und das Bittere verbunden. Ein starkes Aroma findet sich z. B. in gebratenem Fleisch, gebackenem Teig und in Kaffee. Lebens- mittel mit brauner Farbe wirken gehaltvoll und kalorienreich (ebd., 203). Zu Beginn des Jahrhunderts und in Rückbesinnung auf das Germanentum stieg die Wertschätzung von rustikalen Farben, die das Urtümliche, das Na- turbelassene verkörperten und als „echt deutsch“ empfunden wurden. Braun ist nach alter Symbolik eine weibliche Farbe, die Farbe der Mutter Erde und der Fruchtbarkeit (ebd., 210). Grün Die grüne Farbe symbolisiert am stärksten das Natürliche/die Natürlichkeit von allen Farben. Sie ist die Symbolfarbe des Lebens, die aus der Erfahrung der Vegetation, des Pflanzenwachstums entspringt und verkörpert damit auch die Weiblichkeit. Grün wird mit Frische und mit der Grundgeschmacks- art sauer verbunden. In diesem Zusammenhang sei auf den Ausdruck „grü- ner Käse“ in der Käsereisprache verwiesen, der einen jungen, frischen Käse bezeichnet, der noch nicht gereift ist (vgl. BUSSE, 1995). Darüber hinaus wird mit grün auch Gemüse, „Grünzeug“ und damit das Gesunde assoziiert (HELLER, 1995, 76f.). Jedoch ist die Bedeutung von grün sehr ambivalent, da sie auch das Giftige (giftgrün), das Ungenießbare symbolisiert (ebd., 78). Betrieb 1: Eine Hofkäserei kombiniert die beiden Naturfarben braun und grün. Dabei wird braun für das Hoflogo, die Bezeichnung „Quark“, den Rah- men und die Gewichtsangabe „500 g“ verwendet. Dunkelgrün sind das De- meterlogo und die übrigen, klein gedruckten, gesetzlich geforderten Informa- tionen, wie Kontrollnummer und Haltbarkeit. Betrieb 7: Auf dem Etikett eines Molkereiquarks wird hellgrün für Weide, Bäume und für das Hausdach benutzt sowie braun für ein typisch nord- deutsches Bauernhaus und einen Holzmilchbehälter im Vordergrund. C) Blau als dominante Hintergrundfarbe - mit weißer, grüner und roter Farbe Weiß Die weiße Farbe gilt als die vollkommenste aller Farben, es wird ihr im deut- schen Kulturkreis keine negative Bedeutung zugeschrieben. Weiß steht symbolisch u. a. für das Ideale, das Gute, die Unschuld, die Wahrheit, die Neutralität, die Ehrlichkeit (ebd., 147ff.). Psychologisch kommt weiß die Be- deutung von äußerlicher Sauberkeit und innerer Reinheit zu (ebd., 148). Weiß ist die natürliche Farbe der Milch. Es gibt deshalb auch die Farbbe- 54 zeichnungen „milch- bzw. käseweiß“ (ebd., 143). Auf die Ambivalenz der Milch als einerseits sauberes und gesundes und gleichzeitig als gefährliches, krankheitsauslösendes Lebensmittel wurde bereits in Kapitel 4.1.2 hingewie- sen. Rot Rot ist die älteste Farbbezeichnung in den meisten Sprachen. Die symboli- sche Bedeutung der roten Farbe ist vor allem durch die existentiellen Erfah- rungsbereiche „Blut“ und „Feuer“ geprägt. Aus psychologischer Sicht steht rot für „die (Lebens-)Freude, die Energie und die Aktivität“ (vgl. HELLER, 1995, 51). Sie ist die Farbe der Gefühle und Leidenschaften (ebd., 53) und die Farbe der Hitze und der Wärme (ebd., 55). In der Werbebranche wird rot als aktive und dynamische Farbe verwendet, insbesondere um etwas hervor- zuheben. Betrieb 8: Der Hintergrund einer Molkereiquarkverpackung ist blau gestaltet. Ebenso der Nummerncode und die Bezeichnung „Speisequark“ als 1. Zeile. Die grüne Farbe wird sowohl für das Logo von ALNATURA als auch als Füllfarbe für die schwarz eingerahmte Erklärung der Marke ALNATURA ver- wendet, womit sie auf die ökologische Qualität des Produktes hinweist. Der Hintergrund der Fettgehaltsangabe im Zentrum des Etiketts ist rot unterlegt, zur besseren Unterscheidung von Speisequark mit niedrigerem Fettgehalt. D) Braun als dominante Hintergrundfarbe - mit gelber Farbe Gelb Gelb ist eine ambivalente Farbe. Als Symbolfarbe für die Sonne, das Licht und das Gold ist sie positiv besetzt. Die negative symbolische Wirkung bein- haltet Emotionen, die Ärger ausdrücken bzw. Charakterzüge wie Neid, Eifer- sucht, Geiz bzw. Egoismus und Verlogenheit (ebd., 132). Gelb wird im Be- reich der Geschmacksempfindungen mit sauer und bitter verbunden sowie mit etwas Erfrischendem. Betrieb 2: Eine Hofkäserei verwendet hellbraun, eine typische Erdfarbe und sehr ungewöhnliche Farbe für ein Milchprodukt, als dominante Hintergrund- farbe auf ihrem Etikett. Die griechische Fruchtbarkeitsgöttin Demeter, auf dem Boden in der Hocke arbeitend, wird in dunkelgelber Farbe auf dem zweigeteilten Siegeletikett jeweils oben und unten dargestellt, womit ein Be- zug zur Natur und damit zur ökologischen Qualität hergestellt wird. E) Orange als dominante Hintergrundfarbe: Orange Etymologisch geht die Farbe orange auf die Frucht Orange zurück, die erst die Kreuzfahrer nach Europa brachten. Sie ist bis heute eine eher exotische Farbe geblieben (HELLER, 1995, 259f.). Mit orange wird neben braun das „Aromatische“ verbunden. Die Farbe orange hat ein traditionell schlechtes Image, da viele billige Artikel aus Kunststoff diese Farbe besitzen. Mit der Farbe wird auch Aufdringlichkeit und Extrovertiertheit assoziiert (ebd., 261). Eine der wenigen positiven symbolischen Wirkungen, die mit dem „erhellen- den und erwärmenden“ orange verbunden werden ist das Vergnügen, das Lustige, die Geselligkeit aber auch der Genuss und die Völlerei/die Unmä- 55 ßigkeit (ebd., 262ff.). Aus psychologischer Sicht repräsentiert die Farbe Energie, Aktivität und Wärme, allerdings nicht so stark wie die Farbe rot. Betrieb 4: Das Etikett einer Hofkäserei nutzt von allen Etiketten den stärksten Farbkontrast mit den beiden Farben orange und dunkelblau aus. Mit der Farbe orange wird indirekt der besondere Geschmack des Produktes betont. F) Mehrfarbiger Hintergrund – mit blau, grün und gelb Betrieb 10: Auf dem Etikett einer Hofkäserei wird eine typische Landschaft in Schleswig-Holstein und „viel“ hellblauer Himmel mit weißen Wolken darge- stellt. Neben gelben Rapsfeldern werden überwiegend grüne Wiesen abge- bildet, die auf die regionaltypische Grünland- und Milchviehwirtschaft hinwei- sen. G) Mehrfarbiger Hintergrund – mit blau und gelb oder beige Betrieb 3: Auf dem Etikett der Hofkäserei 3 wird ähnlich wie beim Betrieb 4 blau als Hintergrundfarbe für den Himmel und die Kontrastfarbe gelb als Erde gewählt. Dieser Kontrast wiederholt sich in umgekehrter Reihenfolge, in dem auf dem Logo in der oberen Hälfte des Etiketts blau für die Berge und die Erde und gelb als Farbe des Himmels, einen Sonnenaufgang andeutend, verwendet wird. Betrieb 9: Diese Hofkäserei verwendet auf ihrem Etikett ebenso eisblau als Hintergrundfarbe des Himmels sowie beige mit einem rötlichen Farbton als Hintergrundfarbe zur Darstellung der Erde. Das rötliche Beige wird durch einen zentralen Rotstreifen mit Negativschrift in beige in der Mitte des Eti- ketts zur Bezeichnung von Speisequark verstärkt. 4.4.1.3 Bildliche Elemente und Wort-Bildzeichen Tiere als Symbol und Ikon Betrieb 3: Der Fuchs ist der einfachste Zeichenträger auf dem Etikett einer Hofkäserei, der von dem Betrachter (Verbraucher) als erstes wahrgenommen wird. Er steht zunächst ohne direkten Objektbezug zu einem landwirtschaft- lichen Betrieb oder einer Käserei, da er im Zentrum des Logos in eine hügelige Landschaft blickt. Der Fuchs ist ein tendenziell positiv konnotiertes Tier und steht als Symbol für Schlauheit, Wachheit. Um das Logo zu verstehen, müssen die Verbraucher wissen, dass sich mehrere Hofkäsereien aus der Region zu einer Vermarktungsgesellschaft zusammengeschlossen haben, die sich „Fuchshöfe“ nennt. Der Fuchs steht nach dieser Unternehmensphilosophie als Garant und symbolischer Kontrolleur, der die „hohe Qualität“ dieser hofeigen verarbeiteten Milchprodukte überwachen soll. Bauernhof als Ikon Betriebe 1 und 10: Gegenständliche Abbildungen eines Bauernhofes befin- den sich auf den Etiketten von zwei Hofkäsereien, bei denen das Hof-Ikon jeweils in das Hoflogo als Wort-Bildzeichen integriert ist. Bei beiden Etiketten ist deshalb der Objektbezug zum und die Identifikation mit dem Erzeugerbe- trieb des Milchproduktes besonders hoch. Betrieb 4 verwendet ein Aquarell des Hofes als Hintergrund des Etiketts, wodurch auch ein direkter Bezug zum Erzeugerbetrieb hergestellt wird. 56 Natur und Landschaften als Ikon und Symbol Betriebe 2, 3, 5 und 9: Bildliche Elemente mit Bezug zur Natur und/oder Landschaften befinden sich auf den Etiketten von vier Hofkäsereien: Der Betrieb 2 stellt auf seinem Etikett die Fruchtbarkeitsgöttin Demeter als Symbol dar und versucht damit, einen direkten Bezug zum gleichnamigen Anbauverband Demeter zu kommunizieren. Das Verstehen und Erkennen dieses Symbols dürfte jedoch für Verbraucher durch die abstrakte und un- eindeutige Darstellung einer in der Hocke sitzenden Frau, die von fünf Stern- chen umgeben ist, sehr schwierig sein. Das Hoflogo des Betriebes 5 besteht aus einem Ikon mit drei Bäumen, das sprachlich durch die Wiederholung der Baumart im Hofnamen verstärkt wird. Dieses Wort-Bildzeichen kommuniziert sowohl eindeutig den Hofnamen und stellt gleichzeitig einen positiv konnotierten Bezug zur Natur mittels ikoni- scher Darstellung von Bäumen her. Die Betriebe 3 und 9 verwenden beide Ikone zur Darstellung von abstrakten Landschaften. Während das Logo von Betrieb 3 sich durch eine sehr klare graphische Konturierung der Hügellandschaft auszeichnet, ist die handge- zeichnete Landschaft auf dem Etikett des Betriebes 9 mit zwei Häusern eher skizzenhaft, unscharf, im Vergleich zu Betrieb 3 viel schwächer konturiert. Eine weitere Gemeinsamkeit in der Gestaltung besteht in den sprachlich di- rekten Bezeichnungen der Regionen (Vogelsberg und Eichsfeld), wodurch ein unmittelbarer und erklärender Bezug zur ikonischen Landschaftsdarstel- lung hergestellt wird. Betrieb 8: Das Etikett eines Molkereiquarks weist das kleinste Wort-Bildzei- chen (Alnatura-Logo) von allen untersuchten Etiketten auf, jedoch ist es ein sehr effektiver Zeichenträger, da er mit einem Minimum an Gestaltungsmit- teln ein Maximum an Informationen vermittelt. Die gesamte ikonische Infor- mation, die das Ikon des Betriebes 7 darstellt, findet sich in abstrakter und „konzentrierter“ Weise in diesem Ikon als Teil der Wort-Bildmarke „Alnatura“ wieder. In Tabelle 11 wird für jeden der 10 Betriebe die Form der Verpackung, das verwendete Material, die Anzahl der Farben, Bildzeichen und ihre Beschrei- bung sowie die Marke oder das Logo der analysierten Etiketten zusammen- fassend dargestellt. Betrieb 6 hatte zu dem Untersuchungszeitraum lediglich ein Hoflogo, jedoch noch kein Etikett für seine Produkte entwickelt. 57 Tabelle 11: Semiotische Analyse der Etiketten und Verpackungen – allge- meine Aspekte B Form der Verpak- kung Material Anzahl der Farben (Do- minant = fett; Hintergrund = HG) Zahl der Ikone, Symbole, Wort-Bild- zeichen Art der Ikone, Symbole, Wort- Bildzeichen Marke (Name, Logo) B1 500 g Joghurt- glas* Glas + Plastik- deckel 3 braun, grün weiß (HG) 2 Wort-Bild- zeichen Hofgebäude mit Schwalben + Hofname 2 N + V B2 500 g Joghurt- glas* Glas + Plastik- deckel 2 gelb hellbraun (HG) 2 (gleiche) Symbole Fruchtbarkeits- göttin Demeter 2 N + V B3 500 g Joghurt- glas* Glas + Plastik- deckel 4 braun, rot blau, gelb (HG) 1 Symbol Fuchs in eine Bergregion blickend 2 N + V B4 500 g Joghurt- glas* Glas + Plastik- deckel 2 dunkelblau orange (HG) 1 Ikon Hofgebäude- aquarell 2 N + V B5 500 g Joghurt- glas* Glas + Metall- deckel 2 türkisblau weiß (HG) 2 Wort-Bild- zeichen Drei Bäume + Hofname 2 N + V B6 250/500 g trapez- förmige Becher Plastik (durch- sichtig) 0 0 0 0 B7 250 g trapez- förmige Becher Plastik (weiß) + Alu- minium- deckel 5 rot, braun, grün, schwarz, weiß (HG) 1 Ikon Bauernhof mit schwarzbunten Kühen und Holzmilch- behälter 1 Molke- reiname B8 250 g trapez- förmige Becher Plastik (weiß) + Alu- minium- deckel 4 rot, hellgrün, weiß blau (HG) 1 Wort-Bild- marke Ikonisches Landschaftsbild 2 Marken- name, Molke- reiname B9 500 g Joghurt- glas* Glas + Plastik- deckel 4 rot schwarz, blau und beige (HG) 2 (gleiche) Ikone Abstraktes Ikon von 2 Bauern- höfen, die in die Landschaft eingebettet sind 2 N + V B10 500 g Joghurt- glas* Glas + Plastik- deckel 6 schwarz, weiß, braun blau, grün gelb (HG) 2 1 Ikon, 1 Wort-Bild- zeichen hügelige Kultur- landschaft mit viel Himmel und Wolken 2 N + V (B = Betriebe; N = Name; V= Verbandszeichen; *Joghurtglas als „stilisierte Milchkannenform“) Quelle: Eigene Darstellung 58 4.4.1.4 Linguistische und typographische Analyse Im Hinblick auf die Botschaft des Produktes ist es bei der linguistischen Analyse von großer Bedeutung, welche Zeichenträger zuerst vom Betrachter wahrgenommen werden. Dies hängt wiederum von der Größe und der Typographie der Schrift ab. Bei dieser Untersuchung ist es sinnvoll, bereits eine Unterteilung der Schriftgröße in erste und zweite Zeile vorzunehmen. In Tabelle 12 sind neben der ersten und zweiten Zeile auch weitere Informa- tionen ergänzend angegeben, die für die Gesamtgestaltung des Etiketts von Bedeutung sind. Bei diesen Informationen handelt es sich vor allem um gesetzlich vorgeschriebene Kennzeichnungen. Weiterhin ist die Schriftfarbe angegeben sowie die verwendete Typographie, die erheblich zur Verstärkung der Botschaft, zur Lesbarkeit der Informationen und zur Kohärenz des gesamten Etiketts beiträgt. 59 Tabelle 12: Linguistische und typographische Analyse der Etiketten B 1. Zeile = Titel 2. Zeile weitere Informa- tionen (V. = Verbands- name Schrift- farbe Typographie (Z. = Zeile; Infos = weitere Informa- tionen auf dem Etikett; IS. = Informationsschrift B1 HUTZEL BERG- HOF Quark Adresse, Haltbarkeit, Fettgehalts- angabe, V., Mehrwegglas braun, grün 1. Z.: erfunden, handgeschrieben 2. Z.: Renaissance-Antiqua mit Serifen, Großbuch- staben; Infos: einfache IS., Schrift-Mix B2 Speise- quark Fettstufe 40 % Hofname, V., Mehrwegglas schwarz 1. Z.: einfache IS., fett 2. Z.: einfache IS., schlicht; Hofname: outline-Schrift mit Serifen, Großbuchstaben, Schrift-Mix B3 Der aus dem Vogels- berg Speise- quark Vollfett- stufe 500g Der Region verbunden – dem Handwerk verpflichtet Adresse, V., Haltbarkeit, Mehrwegglas blau, rot 1. Z.: einfache IS. 2. Z.: einfache IS. Infos: ausschließlich serifenlose Schrift, „Der Region verbunden...“: Negativschrift in Diagonal- streifen, aufsteigend B4 Speise- quark 40 % Fett i.Tr. 500 g demeter Name des Hofes, V., Mehrwegglas dunkel- blau 1. Z.: Variante mit Serifen 2. Z.: Variante mit Serifen Hofname: Variante, gesperrt, mit Serifen, fett gedruckt, Schreibschriftstil B5 SPEISE- QUARK HOF- NAME Fettangabe in %, Haltbar- keit, V., Mehrwegglas blau 1. Z.: Optima, gesperrt, Großbuchstaben, serifenlos 2. Z.: IS. mit Serifen Infos: serifenlose IS. B7 Speise- quark 40 % Fett i.Tr., 250 g Haltbarkeit, Molkereiname rot, schwarz 1. Z.: serifenlose IS. mit Schattenlineatur 2. Z.: serifenlose IS. Infos: serifenlose IS. B8 Speise- quark 40 % Fett i.Tr. Marken, Haltbarkeit, Molkereiname blau, schwarz 1. Z.: Schreibschrift, fett 2. Z.: serifenlose IS. Marke: kapitälchenartig, graphisch bearbeitet Infos: serifenlose IS. B9 Eichs- felder Speise- quark Fettge- halt Vollfett- stufe V., Adresse, Haltbarkeit, Mehrwegglas rot, rosa- beige, schwarz 1. Z.: serifenlose IS. als eingerahmte Negativschrift 2. Z.: serifenlose IS. Infos: einfache IS. B10 Quark Bioland HOF- NAME Inhalt: 500 g, V., Adresse, Haltbarkeit, Mehrwegglas grün, schwarz 1. Z.: erfunden, handge- schrieben 2. Z.: IS. mit Serifen und handgeschriebene Schrift, Infos: einfache IS. und handgeschriebene Schrift Quelle: Eigene Darstellung 60 Wie aus der Tabelle 12 hervorgeht, steht im Vordergrund der Etiketten er- wartungsgemäß die Produktbezeichnung (Quark oder Speisequark) in der ersten Zeile, mit Ausnahme des Etiketts von Betrieb 1, der seinen Hofnamen in der ersten Zeile und erst in der zweiten Zeile die Produktbezeichnung setzt. Die Bezeichnungen in der zweiten Zeile variieren zwischen den unter- suchten Etiketten stärker. Von drei Hofkäsereien und zwei Molkereien wer- den Hofnamen, Verbandsnamen und Angaben des Fettgehaltes benutzt. 4.4.2 II. Ebene: Klassifizierung Im zweiten Schritt der semiotischen Analyse werden gemeinsame und ge- gensätzliche Strukturierungsmuster der einzelnen Etiketten erarbeitet und erste Hinweise und Bezüge auf die Bedeutungsebene gegeben. Erstens wird eine Klassifizierung der Anzahl und Komplexität der bildlichen Elemente so- wie der Wort-Bildzeichen vorgenommen. Eine zweite Klassifizierung wird bei der typographischen Analyse der Etiketten angewendet. Hier wird die ver- wendete Typographie nach ihrer Kohärenz klassifiziert. Drittens wird im Hin- blick auf die Bedeutungsebene das Vermittlungspotential „Hofimage“ in eine Skala eingeteilt und klassifiziert. 4.4.2.1 Klassifizierung der bildlichen Elemente Die bildlichen Elemente sowie die Wort-Bildzeichen der untersuchten Spei- sequarketiketten werden nachfolgend nach ihrer Komplexität und nach ihrer Bedeutung klassifiziert werden. Als relevantes Unterscheidungs- und Klassi- fizierungsmerkmal bieten sich drei unterschiedliche Komplexitätsstufen (nied- rig, mittel, hoch) in dieser Untersuchung an. Sie sind abhängig von der Anzahl der Farben und Komplexität der bildlichen Elemente. A) Niedrige Komplexitätsstufe mit wenig Farben Betrieb 5: Das Etikett des Betriebes 5 (hofeigen) fällt im Vergleich zu den anderen Etiketten durch seine sehr sparsame Farbgebung – türkisblau als Gestaltungsmittel und weiß als Hintergrundfarbe – und durch seine einfache Gestaltung auf. B) Mittlere Komplexitätsstufe mit mehreren Farben Betriebe 2 und 9: Die Etiketten der Betriebe 2 und 9 (mit hofeigener Verar- beitung) weisen viele Ähnlichkeiten auf. Sie fallen durch ihre abstrakten, unscharfen Bilder – Fruchtbarkeitsgöttin und Landschaftsbild mit zwei Häusern (Bauernhöfe) – auf, die sich bei beiden auf dem runden Deckel- etikett und auf dem ovalen Glasetikett wiederholen. Betrieb 8: Am sparsamsten von allen Etiketten werden bei dem Etikett eines Molkereiquarks die Farben (blau, weiß, grün und rot) funktional und zielge- richtet zur Strukturierung der wichtigsten sprachlichen Informationen und bildlichen Elemente eingesetzt. Das einzige Ikon ist in das Logo der Han- delsmarke integriert, das relativ klein mit dem Wort „ALNATURA“ eine Wort- Bildmarke am oberen Rand des Etiketts bildet. 61 C) Hohe Komplexitätsstufe mit mehreren Farben Betriebe 1, 3, 4, und 10: Die Etiketten von vier Hofkäsereien fallen durch ihre komplexen bildlichen Elemente oder Wort-Bildzeichen auf. Betrieb 7: Die farbliche Gestaltung des Etiketts des Betriebes 7 ist für die Kommunikation eines Molkereiquarks eher ungewöhnlich. Dies hängt einer- seits mit der Farbgebung – grüne, braune und rote Farbe anstelle der typisch blauen Farbe für Milchprodukte zusammen – andererseits mit der gegen- ständlichen Abbildung eines Bauernhofes umgeben von einer grüner Wiese und weidenden schwarzbunten Kühen. Auch die Produkteigenschaft „Milch“, die aus einem Holzbottich im Überfluss herauszufließen scheint, wird gegen- ständlich abgebildet. 4.4.2.2 Klassifizierung der Typographie Auffällig beim Vergleich der Typographie ist, dass auf einigen Etiketten aus- schließlich eine Schriftart benutzt wird, während sich auf den Etiketten ande- rer Betriebe verschiedene Schriftarten befinden. Aus typographischer Sicht beeinflusst die Wahl und die Anzahl der Schriftarten die Klarheit und die Strukturierung eines Etiketts. Die Etiketten können typographisch in zwei Gruppen klassifiziert werden, die sich in ihrer Kohärenz unterscheiden. A) Typographisch kohärente Gestaltung Die Etiketten der ersten Gruppe verwenden gezielt Schriftarten, um einen in sich stimmigen Eindruck zu vermitteln. Die Etiketten wurden von professio- nellen Designern erstellt, die die typographischen Gesetzmäßigkeiten und Regeln beachten. Diese Klarheit und Kohärenz ist bei den folgenden Etiket- ten festzustellen: Betriebe 3, 5 und 9: Drei Hofkäsereien verwenden ausschließlich einfache Informationsschriften ohne Serifen. Betrieb 8: Auf dem Etikett eines Molkereiquarks werden überwiegend ein- fache Informationsschriften, aber auch eine Schreibschrift für die 1. Zeile und eine graphisch bearbeitete Kapitälchenschrift für das Logo benutzt. Diese drei Schriftarten sind jedoch typographisch aufeinander abgestimmt und vermitteln dadurch eine klar strukturierte Einheit. B) Typographisch nicht kohärente Gestaltung Die Etiketten der zweiten Gruppe fallen durch die Verwendung von mehreren Schriftarten auf, die aus typographischer Sicht nicht kohärent sind bzw. nicht professionell eingesetzt werden, um die gewünschte Information zu vermit- teln. Diese Klassifizierung soll nicht als Bewertung in gutes oder schlechtes Etikett verstanden werden und lässt noch keine Rückschlüsse auf die ge- samte Botschaft des einzelnen Produktes zu. Betriebe 1, 2, 4, 7 und 10: Bei den Etiketten von vier Hofkäsereien (1, 2, 4 und 10) sowie bei dem Molkereiquark-Etikett (7) ist eine Nichtbeachtung gra- phischer Regeln und eine in sich nicht kohärente Gestaltung festzustellen, die nachfolgend ausführlicher erläutert wird. 62 Betrieb 1 benutzt zur Produktbezeichnung „Quark“ die Schriftart Renais- sance-Antiqua, eine alte Schrift mit Serifen, die für eine gute Lesbarkeit wesentlich mehr Raum bräuchte. Da dieser auf dem dicht gedrängten Etikett nicht vorhanden ist, ist diese Bezeichnung schwierig zu lesen. Diese graphi- sche Unstimmigkeit und erschwerte Lesbarkeit wirkte sich unmittelbar beim Einkauf aus und führte zur Verwechslung von Quark und Joghurt bei den Verbrauchern. Beide Produkte wurden in der gleichen Verpackung und mit gleichem Etikett angeboten, wobei für die Bezeichnung „Joghurt“ ebenso die Schriftart Renaissance-Antiqua verwendet wurde. Die verwendete Hand- schrift, die in das Wort-Bildzeichen des Hof-Logos direkt integriert ist, unter- streicht die Individualität des Hofes. Die drei verwendeten Schriftarten sind aus typographischer Sicht nicht gut aufeinander abgestimmt. Betrieb 2 benutzt zur Bezeichnung des Hofes eine Outline-Schrift. Diese Schrift erschwert in dieser engen Form die Lesbarkeit für Verbraucher, die diesen Namen nicht kennen und zum ersten Mal lesen. Bei dieser Schriftart muss ein Buchstabe nach dem anderen erst entschlüsselt werden. Die nach- träglich aufgedruckten Angaben „Speisequark“, die Gewichts- und Fett- angabe und die Kühltemperatur sind hingegen gut zu erkennen. Betrieb 4 verwendet insgesamt fünf unterschiedliche Schriftarten auf seinem Etikett. Dabei handelt es sich um zwei verschiedene Varianten mit Serifen, eine gesperrte Variante mit Serifen für den Hofnamen, eine Schreibschrift, das Demeter-Logo in einem organisch anmutenden „Holzschnitzerei-Stil“ und einfache Informationsschriften, die nicht aufeinander abgestimmt sind. Aus graphischer Sicht überlagern die erste und zweite Zeile, die durch die Schriftart eine eigene Dynamik besitzen, das Aquarellbild des Hofes so stark, dass sie damit die Wirkung des Ikons im Hintergrund „zerstören“. Betrieb 10 zeichnet sich mit vier Schriftarten aus, die eingeschränkt in sich stimmig sind. Die Verwendung von Handschriften bei dem Hof-Logo (ähnlich wie bei Betrieb 1) und bei der Adresse verstärken die Hofindividualität und die Kommunikation einer „hofeigenen Qualität“ durch den individuellen Cha- rakter des Produktes. Das Etikett des Molkereiquarks von Betrieb 7 hebt sich als industrielles Pro- dukt durch seine geringere professionelle typographische Gestaltung insbe- sondere im Vergleich zum Etikett des Betriebes 8 ab. Das Bild wird durch die erste Zeile mit der Produktkennzeichnung „Speisequark“ in einer serifenlosen Informationsschrift mit Schattenlineatur zerteilt. 4.4.2.3 Klassifizierung des Vermittlungspotentials „Hofimage" Vor dem Hintergrund der Vermittlung eines Hofimages, in dem die hand- werkliche Herstellungsweise als besondere kulturelle Qualität einschließlich der hedonischen und ökologischen Qualitäten kommuniziert wird, stellt sich die Frage, welche Etiketten diese Ziele mit welchen Gestaltungsmitteln errei- chen und wie sie sich insbesondere von den zwei industriell hergestellten Produkten abgrenzen. 63 Hofimage Auf der Basis der dargestellten Untersuchungen können die Etiketten nach der Professionalität ihrer Gestaltung sowie nach ihrem Vermittlungspotential des Hofimages, das von „sehr stark“ bis „sehr schwach“ bzw. „nicht vorhan- den“ ausgeprägt sein kann, unterschieden werden. Beide Faktoren sind für die Vermittlung der Gesamtbotschaft eng miteinander verknüpft. Weniger professionell gestaltete Etiketten vermitteln durch individuell kreierte bildli- chen und sprachlichen Elementen, z. B. Hoflogo oder eigene Handschrift, ein stark ausgeprägtes Hofimage, wodurch sie sich von einem professionell gestalteten Etikett abgrenzen. Als weniger professionell gestaltete Etiketten mit einem starken Hofimage können aus graphischer Sicht die Etiketten der Betriebe 1, 4 und 10 bezeich- net werden. Darauf folgen die beiden „Siegel-Etiketten“ der Betriebe 2 und 9, die bereits professioneller gestaltet sind. Durch die Form und sparsame Farbgebung vermitteln sie ein weniger ausgeprägtes Hofimage. Den Über- gang zu den industriellen Etiketten mit professioneller Gestaltung und ab- nehmendem Hofimage kommunizieren die Etiketten des Betriebes 3 und noch stärker des Betriebes 5 durch die sparsame Farbwahl von blau und weiß. Diese Klassifizierungen werden in Tabelle 13 zusammengefasst. Tabelle 13: Klassifizierung des Vermittlungspotentials „Hofimage“ von Speisequarketiketten Hof- image Etiketten der Betriebe Wichtige Zeichenträger und Gestaltung der Etiketten Sehr stark 1 und 10 selbst kreierte Elemente, z. B. Hoflogo, Hofname in Hand- schrift, graphisch nicht professionell, ausgeprägte Hofindividualität 4 graphisch nicht professionell, ausgeprägte Hofindividualität 2 und 9 Etikett in Siegelform, graphisch professionell, weniger ausgeprägtes Hofimage 3 graphisch sehr professionell, geringes Hofimage Sehr schwach 5 graphisch professionell; trotz Hoflogo, sehr geringes Hofimage durch Farbauswahl (blau und weiß), Verwendung eines weißen Metalldeckels (⇒ Hinweis für industrielles Produkt) Nicht vorhan- den 7 und 8 Molkereiquarketiketten: wichtigstes Unterscheidungsmerkmal ist die Verpackung (Kunststoffbecher und Aluminiumdeckel) Quelle: Eigene Darstellung Nach Aussage von regelmäßigen Kunden vermittelt ein graphisch professio- nell gestaltetes Etikett einer Hofkäserei tendenziell weniger die Botschaft eines Hofimages. In den durchgeführten Gruppendiskussionen (Kapitel 6) wurden bei einer abschließenden Bewertung weniger professionell gestaltete Etiketten (z. B. von Betrieb 1 und 4) bevorzugt, während das Etikett der Hof- käserei (Betrieb 5) durch seine Anmutung eines industriellen Produktes eher abgelehnt wurde, trotz der Hervorhebung des Hofes mit einem Hoflogo. Hier scheint die Gesamtgestaltung nicht optimal auf die Zielgruppe ausgerichtet zu sein. 64 Überraschend bei allen Etiketten ist, dass die Eigenschaft „hofeigene oder bäuerliche Verarbeitung“ sprachlich nicht auf den Hof-Etiketten erscheint, im Vergleich zu französisch hofeigen verarbeiteten Produkten, die das Wort fermier gezielt als Qualitätsindikator einsetzen, um sich von anderen Her- stellverfahren artisanal oder industriel abzugrenzen. „Hofeigene bzw. bäuerli- che Herstellung“ wird nur indirekt durch bildliche Elemente vermittelt. 4.4.3 III. Ebene: Bedeutungsanalyse Basis für die abschließende Bedeutungsanalyse der Speisequarkverpackun- gen und -etiketten bilden die vorangegangenen systematischen Analysen zu den bildlichen und sprachlichen Elementen und zur Typographie. Zur Bewertung der Gesamtgestaltung des Etiketts werden alle verwendeten Elemente in ihrer Gesamtheit zueinander berücksichtigt. Dabei wird unter- schieden, inwieweit die Etiketten graphisch professionell gestaltet sind. Es wird untersucht, ob alle graphischen Gesetzmäßigkeiten beachtet werden, d. h. ob sich alle verwendeten Gestaltungsmittel so ergänzen bzw. sich gegenseitig unterstützen, damit die Botschaft des Produktes besonders wirkungsvoll kommuniziert wird. Betrieb 1 Der Name des Hofes, dessen Buchstaben als Bestandteile in das Bild des Bauernhauses integriert sind, steht als Wort-Bildzeichen im Mittelpunkt des Etiketts. In Verbindung mit dem Wort-Bildzeichen des Demeter Verbandes (= stilisierte Pflanze) wird zuerst die Botschaft bäuerlich und ökologisch vermittelt. Gleichzeitig werden mit der braunen und dunkelgrünen Farbe die Botschaften Natur und Handwerk verstärkt. Durch die Wahl dieser Natur- farben und ihre Kombination mit dem weißen aufhellenden Hintergrund wird die Authentizität dieses Produktes betont. Aus graphischer Sicht wirkt das Etikett insgesamt weniger professionell, son- dern eher selbst gestaltet. Dies hängt mit der ungünstigen Kombination und der Wahl der Schriftarten zusammen, die nicht professionell eingesetzt wer- den und die sogar zu den bereits erwähnten Produktverwechslungen führten. Ein weiteres Merkmal dafür ist auch der handgeschriebene Hofname. Darüber hinaus ist der Informationstext zu Fettgehalt, Anbauweise und Mehr- wegglasrückgabe im mittleren Teil des Etiketts aus graphischer Sicht nicht zentriert, sondern zu weit links angeordnet. Dies fällt dem unbedarften Betrachter nicht bewusst auf, jedoch haben Erfahrungen in der Werbepsy- chologie gezeigt, dass geringste Abweichungen in Form und Farbe von Verbrauchern unbewusst als Unstimmigkeit des Produktes wahrgenommen werden können. Dieser bäuerlich-handwerkliche (selbst gestaltete) und damit weniger kohä- rente Charakter, den dieses Etikett vermittelt, kann bei der Zielgruppe „Verbraucher von Hof-Produkten“ jedoch einen durchaus positiven, vertrau- ensfördernden Effekt haben, da er gleichzeitig vermittelt, dass es sich nicht um ein negativ konnotiertes Industrieprodukt handelt. Tatsächlich wurde dieses Etikett von den Verbraucherfokusgruppen nach Abschluss der Grup- pendiskussionen auf die Frage „Welches Etikett repräsentiert am besten die Qualität von Speisequark aus hofeigener Verarbeitung?“ positiv bewertet. Zusammenfassend vermittelt das Etikett die Hauptbotschaften bäuerlich- handwerkliche Arbeitsweise, Natur und Authentizität. 65 Betrieb 2 Durch die Form und Funktion des Etiketts als Siegel verkörpert es eine ge- wisse Modernität. Das Etikett wird wie ein Siegel auf den Deckel und das Glas geklebt. Wenn der Konsument dieses Glas öffnen will, hat er die Si- cherheit und Garantie, dass er der erste ist, der es öffnet, da er hierzu das Siegel zerreißen muss. Auch bei diesem Etikett ist braun eine dominante Hintergrundfarbe, die für Milchprodukte in Deutschland ungewöhnlich ist. Sie unterstreicht damit den Naturaspekt, aber auch den ausgeprägten, authenti- schen Geschmack, da braun auch für Aroma steht. Ein etwas mystischer Aspekt entsteht durch die Verwendung eines Symbols, das die griechische Fruchtbarkeitsgöttin Demeter darstellt. Für Verbraucher scheint jedoch dieses Symbol schwierig zu verstehen zu sein. Die zu dünn und zu eng gewählte Outline- (oder Kontur-) Schrift zur Bezeichnung des Hofnamens ist schwer lesbar, sie vermittelt jedoch in Zusammenhang mit dem Hofnamen ein besonderes Hofimage, das die Authentizität des Produktes verstärkt. Das Etikett vermittelt die Hauptbotschaften Modernität, besonderer Geschmack, Authentizität und Mystik. Betrieb 3 Der Fuchs als einfachster Zeichenträger wird auf diesem Etikett als erstes bildliches Element wahrgenommen. In Verbindung mit der Landschaft bzw. der Region, die sprachlich hervorgehoben wird, dem Sonnenaufgang und den klaren Konturen des Bildes, vermittelt das Logo Klarheit, Sauberkeit, vielleicht auch für manchen Betrachter eine heile Welt. Der Fuchs, der in die Landschaft schaut, steht als Symbol für ein kluges, listiges Tier. Mit den genannten Elementen vermittelt das Bild einen sehr starken Naturbezug. Im Gegensatz zu den Etiketten der anderen Hofkäsereien steht der Hof bzw. die Käserei eher im Hintergrund. Der Name der Käserei taucht zweimal in sehr kleiner Informationsschrift auf. Hingegen wird die Region besonders stark hervorgehoben, indem erstens der Name der Region „Vogelsberg“ über dem Logo als Zeichenträger genannt wird und zweitens in dem Slogan „Der Region verbunden“ linguistisch und graphisch verstärkt wird. Die Produkt- qualität wird durch die besondere Schreibweise des Artikels „Der“ (in größe- rem Schriftgrad) „aus dem Vogelsberg“ sprachlich betont. Durch die Verwen- dung von blau als typische Farbe für Milchprodukte und gelb entsteht ein Eindruck der Frische. Das Etikett erwähnt als einziges von allen Hofkäserei-Etiketten die hand- werkliche Herstellung „dem Handwerk verpflichtet“. Aus graphischer Sicht wirkt das Etikett professionell gestaltet, klar strukturiert, modern und durch die Verwendung einer ausschließlich serifenlosen Informationsschrift typo- graphisch in sich sehr stimmig. Die Hauptbotschaften, die das Etikett an den Betrachter vermittelt, sind: Modernität, Klarheit (durch die Strukturierung), Bezug zur Natur und Region, besondere Produktqualität und Frische. 66 Betrieb 4 Dieser Hof wurde als Rittergut im 16. Jahrhundert gegründet. Diese Hofge- schichte bzw. -vergangenheit spiegelt sich in dem rustikalen Aquarellbild in orange auf dem Etikett wieder. Es vermittelt damit einen direkten Bezug zu einer traditionellen Herstellung des Produkts. Aus typographischer Sicht muss angemerkt werden, dass die erste und zweite Zeile mit der Bezeich- nung des Produktes und der Gewichts- und Fettangabe sowie dem Ver- bandszeichen Demeter das Bild überdecken und damit die Wirkung des Bil- des zerstören. Erst durch bewusstes, mindestens zweimaliges Hinschauen kann man ein romantisches, märchenhaftes Hofgebäudeaquarell als Hinter- grund erkennen. Darüber hinaus betont die Verwendung der Farbe Orange einen stark ausgeprägten Geschmack. Der Hinweis auf den zugehörigen Demeter-Verband wird gleich dreimal erwähnt. Erstens als Wort „Demeter“ in einer Schriftart, die an eine Holz- schnitzerei erinnert. Zweitens als geschützte Wort-Bildmarke (Warenzeichen) durch eine stilisierte Pflanze und drittens wird das Warenzeichen in einem darunter stehenden Text erklärt. Aus den genannten (typo-)graphischen Gründen ist das Etikett weniger professionell gestaltet. Das Etikett kommuniziert als Hauptbotschaften Vergangenheit, traditionelle Herstellung, ausgeprägter Geschmack. Betrieb 5 Das Etikett ist aus graphischer Sicht in sich stimmig. Die einheitlich verwen- dete serifenlose Informationsschrift wirkt kohärent. Die blaue Farbe wird durch den weißen Hintergrund jedoch stark aufgehellt. Die feinen Diagonal- streifen erzeugen eine graphische Struktur, die die einzelnen Elemente Text, Bild und Rahmen miteinander verbindet. Mit der türkisblauen Farbe wird ins- besondere Frische vermittelt, während das Hoflogo als Wort-Bildzeichen, bestehend aus drei Bäumen und dem Hofnamen einen direkten Bezug zur Natur herstellt. Durch die Verwendung eines weißen Metalldeckels sowie durch die Bande- rolen-Form des Etiketts, die den Umfang des Glases komplett abdeckt, erin- nert dieser hofeigene Speisequark eher an ein Molkereiprodukt und aufgrund der türkisblauen, sich aufhellenden Farbe gleichzeitig an ein Produkt aus dem Niedrig-Preis-Segment. Die Hauptbotschaften, die diese Verpackung und das Etikett vermitteln, sind Frische, Natur, Ähnlichkeit mit einem indus- triellen bzw. Niedrig-Preis-Produkt. Betrieb 6 Dieser Betrieb verkauft seinen Speisequark in der Regel lose. Falls die Kun- den keine eigenen Gefäße mitbringen, bietet er den Quark in trapezförmigen 250 oder 500-g-Bechern aus durchsichtigem Plastik an. Zum Zeitpunkt der Untersuchung hatte der Betrieb noch kein Etikett entwickelt. Da die Untersu- chungsgrundlage fehlt, konnte zu diesem Betrieb keine semiotische Etiket- tenanalyse durchgeführt werden. 67 Betrieb 7 Das Etikett kommuniziert Frische durch die Farbe weiß im Hintergrund und durch die Milch, die in verschwenderischem Überfluss aus dem Holzbehälter herauszufließen scheint. Ein Bezug zur Natur wird vor allem durch die Land- schaft mit weidenden schwarzbunten Kühen dargestellt. Das Etikett wirkt durch die vielen verwendeten Elemente überladen, sehr dicht gedrängt und sehr kompakt. Das Bild wird in der Mitte durch die Bezeichnung Speisequark fast in zwei Teile geteilt. Am linken oberen Rand wirkt es wie abgeschnitten, um für den automatisch lesbaren Strichcode Platz frei zu machen, der in dieser Anordnung störend ist. Aus graphischer Sicht ist die Gestaltung des Etiketts weniger professionell zu beurteilen als beispielsweise das Etikett von Betrieb 8, das nachfolgend besprochen wird. Die Hauptbotschaften, die das Etikett vermittelt, sind Frische, Natur und Niedrig-Preis-Produkt. Betrieb 8 Das Etikett vermittelt insgesamt durch die Wahl der Farben und die graphi- sche Gestaltung eine Modernität, eine Klarheit und eine sehr starke Struktu- rierung. Der Bezug zur Natur wird abstrakt durch das kleine ellipsenförmige Logo, das eine „reduzierte Landschaft“ (Sonne und Erde) abbildet, vermittelt. Es scheint, dass die gesamte Botschaft, die das relativ große Bild auf dem Eti- kett von Betrieb 7 vermittelt, in diesem Ikon auf konzentrierte Art enthalten ist. Außerdem hebt sich das Logo durch den gezielten Einsatz der grünen Farbe zur Unterstützung der Bedeutung Natur von den anderen Elementen deutlich ab. Insgesamt sind die kontrastreichen Farben grün-rot, blau-weiß gut aufeinander abgestimmt. Weitere funktionale Elemente wie der Strichcode und die europäische Zulassungsnummer der herstellenden Molkerei sind farblich und graphisch in das Etikett integriert, so dass sie für den Betrachter nicht störend wirken, im Gegensatz zu dem Etikett des Be- triebes 7. Die Farbe blau in Kombination mit der Farbe weiß kommuniziert Frische und ist für Milchprodukte in Deutschland typisch. Die Molkerei tritt als Hersteller dabei völlig in den Hintergrund und wird namentlich nur sehr klein in der linken unteren Ecke erwähnt. Die Hauptbotschaften dieses Etiketts sind Frische, Modernität, Klarheit, Strukturierung und (bearbeitete) Natur. Betrieb 9 Das Etikett des Betriebes 9 in Form eines Siegels ist graphisch professionell gestaltet, es wirkt in sich stimmig und kohärent. Das abstrakte, skizzenhafte Ikon und die Siegelform vermitteln Modernität. Durch die aufsteigende ge- schwungene Linie, die die beiden Häuser in dem Tal und auf dem Hügel mit- einander verbindet, entsteht eine Dynamik. Der eisig-blaue Himmel als Hintergrundfarbe kommuniziert die für Milchpro- dukte typische Frische. Der besondere Geschmack wird durch die Farben rötlich-beige vermittelt und durch einen zentralen Rotstreifen mit beiger Ne- gativschrift in der Mitte des Etiketts zur Bezeichnung des Speisequarks verstärkt. Diese typographische Gestaltung unterstützt die einfache Lesbar- keit der Produktbezeichnung. Gleichzeitig wird die Region in der ersten Zeile 68 sehr stark hervorgehoben und bekommt eine größere Bedeutung als die herstellende Hofkäserei, deren Name und Adresse sich in kleinstem Schrift- grad auf dem runden Deckeletikett am unteren Rand befindet. Der Hinweis auf die ökologische Qualität des Produktes wird auf dem Deckel- und Glasetikett in Form des Wort-Bildzeichens Demeter kommuniziert. Die Hauptbotschaften, die das gesamte Produkt ausstrahlt, sind Modernität, Frische und besonderer Geschmack. Betrieb 10 Das Etikett des Betriebes 10 kommuniziert sehr stark Authentizität und Indi- vidualität des Hofes mit Hilfe der handschriftlich anmutenden Bezeichnung Quark in der ersten Zeile, dem handgeschriebenen Namen der Bauernfamilie sowie der Hofadresse. Insbesondere durch das selbst kreierte Logo mit dem Hofnamen wird das Hofimage sehr stark vermittelt. Die gegenständliche Ab- bildung einer typischen schleswig-holsteinischen Landschaft als Hintergrund stellt einen Bezug in die vertrauensvolle Regionalität dar. Insgesamt erinnert das Naturbild an eine intakte, überschaubare Umgebung, durch viel Land- schaft und viel Himmel. Das Warenzeichen Bioland ist sehr dezent in den ovalen Rahmen des Etiketts am oberen Rand integriert und kommuniziert an kundige Verbraucher die Garantie und Sicherheit, dass dieses Produkt von einem ökologisch wirtschaftenden Betrieb stammt. Durch die Vielzahl der Schriftarten und die graphische Gestaltung wirkt das Etikett weniger profes- sionell, sondern eher selbst gestaltet. Das Landschafts-Ikon wird durch die Dominanz des Hoflogos im Vordergrund etwas überdeckt. Die Hauptbot- schaften dieses Etiketts sind Authentizität und Individualität des Hofes, Natur und Regionalität. Die Ergebnisse dieser Analyse sind in der Tabelle 14 zusammengefasst. 69 Tabelle 14: Semiotische Analyse der Etiketten: Gestaltungsmittel zur Kom- munikation der Hauptbotschaften B Hof- welt Natur Umwelt- freund- liche Ver- packung Ökologische Wirtschafts- weise Hauptbotschaften (Werte) B1 1 Wort- Bild- zeichen 1 Farben 1 Text 2 Text, Demeterlogo bäuerlich-handwerkliche Arbeitsweise, Natur und Authentizität B2 1 Ikon 1 Farben 1 Text 2 Name, Text Modernität, besonderer Geschmack, Authentizität, Mystik B3 0 1 Ikon 1 Text 1 Name Modernität, Klarheit, Bezug zur Natur und Region, Qualität, Frische B4 2 Name + Ikon 0 1 Text 3 Name, Text, Logo Vergangenheit, traditionelle Herstellung, ausgeprägter Geschmack B5 1 Wort- Bild- zeichen 2 Wort- Bild- zeichen 1 Text 2 Text + Ikon Frische, Natur und Anmutung eines industriellen bzw. Niedrig-Preis-Produktes B7 1 Ikon 1 Ikon 0 0 Frische, Modernität, Klarheit, Strukturierung, „bearbeitete“ Natur B8 0 2 Logo, Farbe 0 1 Text Frische, Modernität, Klarheit, „bearbeitete“ Natur B9 1 Ikon 1 Ikon 1 Text 1 Demeterlogo Modernität, Frische, besonderer Geschmack B10 1 Wort- Bildzei- chen 1 Ikon 1 Text 1 Bioland- Warenzeichen Authentizität, Hofindividualität, Natur, Regionalität Quelle: Eigene Darstellung 4.4.4 Zusammenfassung Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die analysierten Zeichenträger teil- weise sehr gut auch die hedonischen und ökologischen Qualitäten bei die- sem Produktbeispiel vermitteln können, ohne sie explizit zu nennen. Auf kei- nem der Etiketten wurde der besondere Geschmack als Wort erwähnt oder beschrieben, sondern er wird insbesondere über Farben vermittelt. Die wich- tigsten Verbindungen zwischen Zeichen und Geschmack sowie ökologischer Qualität werden nachfolgend kurz zusammengefasst: „Hedonische Qualität“ Ein authentischer Geschmack wird durch die natürlichen Farben braun und grün, ein besonderer, stark ausgeprägter Geschmack durch orange, rote und gelbe Farben kommuniziert. 70 „Ökologische Qualität“ Die ökologische Qualität wird auf allen untersuchten Etiketten, die ein Pro- dukt aus ökologischem Anbau kennzeichnen, sprachlich durch die Namen der Warenzeichen „Demeter“ oder „Bioland“ oder durch den Hinweis „aus ökologischer Landwirtschaft“ vermittelt. Auf vielen Etiketten wird die Bezeich- nung „aus ökologischem Anbau“ durch bildliche Elemente in Form von Wort- Bildzeichen oder Logos zusätzlich verstärkt. Darüber hinaus finden sich auf den moderner gestalteten Etiketten sprachliche Hinweise auf die regionale Herkunft. Schließlich vermitteln insbesondere Naturfarben wie grün und braun einen starken Bezug zur Natur und verstärken dadurch die Botschaft einer ökologischen Qualität. Wie die semiotische Analyse der Verpackungen und Etiketten zeigen konnte, gibt es große Unterschiede in der Vermittlung der kulturellen Botschaften von Speisequark aus hofeigener Verarbeitung. Während einige Etiketten das von Verbrauchern erwartete Hofimage und eine hohe Authentizität kommunizie- ren, kann bereits die Benutzung eines weißen Metalldeckels anstelle eines maisgelben Kunststoffdeckels Assoziationen mit industriellen Produkten auslösen, da von Neukunden das hofeigene Produkt schwieriger als solches zu erkennen ist. Soll mit den Hofprodukten die Botschaft „Hofimage“ vermittelt werden, so ist dies auf allen Ebenen zu kommunizieren bzw. es muss auf Kohärenz zwi- schen den Ebenen geachtet werden. Die Kommunikation dieser Botschaft bedingt die Verwendung einer Glasverpackung mit gelbem Kunststoffdeckel als Unterscheidungskriterium zu industriellen Produkten, die gleichzeitig als Mehrwegverpackung ein „Öko-Image“ emotional transportiert. Darüber hin- aus scheint die Betonung einer besonderen hedonischen und ökologischen Qualität sowie Authentizität von großer Bedeutung zu sein. Die einzelnen bildlichen und sprachlichen Elemente auf den Etiketten bzw. die gesamte Verpackungsgestaltung haben somit einen starken Einfluss auf die Kommu- nikation der kulturellen Qualität von Speisequark aus hofeigener Verarbei- tung. 4.5 Kritische Reflexion Im Hinblick auf den interdisziplinären Ansatz zur Lebensmittelqualität ist die Bearbeitung des Kapitels „kulturelle Qualität“ aus naturwissenschaftlicher Sicht die größte Herausforderung, da gewohnte und nicht hinterfragte natur- wissenschaftliche Sicht- und Vorgehensweisen teilweise geändert werden müssen. Insbesondere bei der inhaltlichen Themenauswahl des Kapitels mit der ausführlichen Darstellung von kulturhistorischen Aspekten und den theo- retischen Grundlagen zur Semiotik können sicherlich von einigen Lesern – vermutlich aus naturwissenschaftlicher und ökonomischer Sicht – leicht kriti- sche Vorwürfe erhoben werden, dass dieses Kapitel viel zu umfangreich sei. Kulturwissenschaftliche bzw. soziologische Beiträge und Aspekte zu Le- bensmitteln wurden jedoch viel zu lange unterschätzt oder nicht ernst ge- nommen (vgl. Kapitel 2.1). Diese geschichtlichen und theoretischen Grundla- gen sind aus Sicht der Verfasserin notwendig, um das Wesen der kulturellen sowie sensorischen und ökologischen Qualität von einem so einfachen deut- schen Grundnahrungsmittel wie Speisequark tiefer zu verstehen. Ohne die kulturgeschichtlichen Hintergründe zur bäuerlichen und industriellen Herstel- 71 lungsweise, die einen großen Einfluss auf die sensorische Qualität hat (siehe Kapitel 5), und die vielfältige regionale Verwendung als Brotbelag und Ge- bäck wäre die Beliebtheit dieses Lebensmittels nicht denkbar. Dies wird ins- besondere in Kapitel 6 bei den diskursiven Begründungen des Handelns der Verbraucher deutlich werden. Mit Hilfe der Semiotik können darüber hinaus auch wichtige Erklärungsbei- träge zu den hedonischen/sensorischen und ökologischen Qualitäten und ihren Botschaften auf den Verpackungen von Speisequark geliefert werden. Bereits Verbraucher aus südlichen EU-Ländern, die diesen kulturellen Hin- tergrund nicht haben und dieses Lebensmittel noch nie vorher gegessen ha- ben, wissen beispielsweise auch nicht, wie sie Speisequark überhaupt essen sollen. Dies wurde bei einer Vorstellung und Verkostung der ausgewählten Milchprodukte im Rahmen des EU-Projektes (vgl. Kapitel 1) besonders deut- lich. Gleiches gilt natürlich auch umgekehrt für deutsche Verbraucher, die noch nie portugiesische Schnittkäsespezialitäten gegessen haben, die mit pflanzlichem Lab aus Disteln hergestellt werden, und mit einem Löffel vom Inneren des Käses beginnend, gegessen werden. 72 5 Sensorische Qualität Schon seit vielen Jahrhunderten ist Speisequark in Deutschland ein äußerst beliebtes Lebensmittel, das sehr vielseitig zubereitet werden kann (vgl. Ka- pitel 4.1.3.3). So wurden 1998 in der Bundesrepublik pro Kopf 4,1 kg Quark und Schichtkäse verzehrt (RICHARTS, 1999, 53). Im Laufe der Zeit haben sich bei der Quarkproduktion die Herstellungsverfahren und damit auch die sensorische Qualität von Speisequark erheblich verändert. Während vor über 100 Jahren Quark nach einem einfachen Sackquarkverfahren hergestellt wurde (vgl. Kapitel 4.1.3), wird heute in deutschen Molkereien überwiegend das Separator-Verfahren angewendet (WEBER, 1996, 320; WESTFALIA, 1999). In landwirtschaftlichen Hofkäsereien wird Quark auch heute noch überwiegend nach dem Sackquarkquarkverfahren handwerklich hergestellt. In diesem Kapitel wird die sensorische Qualität von Speisequark aus hofei- gener und industrieller Verarbeitung mit Hilfe der Profilprüfung erfasst und miteinander verglichen. Als Leitfaden für dieses Kapitel dienen die nachfol- genden Arbeitshypothesen, die nach der Auswertung der Untersuchungser- gebnisse überprüft werden. Arbeitshypothese 1: Speisequarkproben aus hofeigener und industrieller Verarbeitung haben spezifische sensorische Eigenschaften, die es Konsu- menten ermöglichen, sie voneinander zu unterscheiden. Arbeitshypothese 2: Die sensorischen Eigenschaften von Speisequark aus hofeigener Verarbeitung unterscheiden sich von Speisequark aus industriel- ler Verarbeitung. Arbeitshypothese 3: Es gibt keine typischen sensorischen Eigenschaften von Speisequark aus hofeigener Verarbeitung. 5.1 Rechtliche Rahmenbedingungen zur sensorischen Quali- tät von Speisequark Bei der Herstellung von Quark müssen milchverarbeitende Betriebe zahlrei- che Gesetze und Verordnungen beachten. Im Rahmen dieser Arbeit kann nur auf die Käseverordnung (KäseVO) eingegangen werden, in der Speise- quark definiert wird und in der die sensorischen Eigenschaften von Speise- quark allgemein beschrieben werden. In der KäseVO werden bundeseinheit- liche Regelungen für Begriffsbestimmungen und -beschreibungen, Klassifi- zierung und Kennzeichnung von Käsesorten erlassen. Speisequark wird in der KäseVO als Standardsorte der Gruppe der Frisch- käse untergeordnet, für die die folgenden Herstellungsvorschriften gelten: „Speisequark darf nur aus Milch, Sahne oder entrahmter Milch oder daraus anfallender Molke hergestellt werden. Der Anteil des Molkenei- weißes am Gesamteiweißgehalt darf nicht größer als 18,5 % sein.“ (Kä- seVO, 1986, Anlage 1a). Aus Verbraucherschutzgründen sind für Speisequark Fettgehaltsstufen von Mager- bis Doppelrahmstufe mit den entsprechenden Mindestgehalten in der Trockenmasse (18 bis 30 %) und Eiweiß (6,8 bis 12 %) in der KäseVO, An- lage 1a festgelegt. Darüber hinaus werden die sensorischen Eigenschaften von Speisequark wie folgt beschrieben: 73 „Aussehen - Äußeres: milchigweißer bis rahmgelber Farbton. Ausse- hen - Inneres und Konsistenz: Teig gleichmäßig weich, zart-geschmei- dig bis pastenartig; zugesetzte Sahne, auch geschlagene, soll in der ganzen Teigmasse gleichmäßig verteilt enthalten sein. Geruch und Ge- schmack: leicht rein milchsauer.“ (KäseVO, 1986, Anlage 1a). Zur Beschreibung der sensorischen Merkmale für Speisequark in der Kä- seVO muss angemerkt werden, dass diese den DLG-Prüfbestimmungen für Milch und Milchprodukte angeglichen wurden. Diese Prüfbestimmungen ori- entieren sich wiederum an den sensorischen Eigenschaften von Molkerei- quark (vgl. DLG, 1996). Nach dieser Beschreibung würde z. B. ein Sack- quark mit einer festeren Textur als Molkereiquark schlechter beurteilt werden. Ende der 50er Jahre wurde bereits in Fachkreisen um die sensorische Defi- nition von Frischkäse gerungen. Während SCHULZ (1957) die Definition auf die von Verbraucher wahrnehmbaren Eigenschaften stützte und dabei die Eigenschaft „erfrischend“ in den Vordergrund stellte, plädierten andere Fachleute für eine Definition, die sich auf die Herstellungsmethoden bezog. HARTWIG (1959, 12) schlug entsprechend die folgende Definition vor, bei der lediglich die sensorischen Eigenschaften von Speisequark wiedergege- ben werden: „Die Konsistenz von Speisequark, [...] soll pastenartig sein. Der fri- sche, mildsaure Geschmack muss bis zur Abgabe an den Verbraucher erhalten bleiben. Stark saure, im Geschmack verunreinigte und Frisch- käse mit wahrnehmbarer beginnender Reifung sind nicht als solche zu bezeichnen und vom Handel auszuschließen. Die Farbe soll milchig- weiß bis rahmgelb sein [...].“ (HARTWIG, 1959, 12). 5.2 Herstellung von Quark aus hofeigener Verarbeitung Charakteristisch für die hofeigene Erzeugung von Speisequark ist die hand- werkliche Herstellung. Mit Ausnahmen von Molkereien, die Spezialitäten in geringen Mengen herstellen, gibt es in der Milchindustrie keine handwerkli- che Herstellung mehr.1 Da in den meisten Hofkäsereien in Deutschland maximal 600 l Milch/Charge (Schätzung von ALBRECHT, 1998) zu Speise- quark verarbeitet werden, ist das Schöpfen des Quarkbruches von Hand ar- beitswirtschaftlich noch möglich.2 Zur Einführung in die Herstellung von Quark aus hofeigener Verarbeitung werden die einzelnen Verfahrensschritte nacheinander erklärt. Dabei orientieren sich die Überschriften der folgenden Abschnitte an den hofeigenen Quarkherstellungsverfahren unter Berücksich- tigung der in der Literatur beschriebenen Sackquarkverfahren und der Vor- schriften der Milchverordnung (MilchVO) (1995). In Kapitel 5.4 Tabelle 16 werden die Verfahrensschritte der hofeigenen Quarkherstellung der indus- triellen Herstellung gegenübergestellt. 1 Nach FINK (1991, S. 175f.) gab es Anfang der 70er Jahre eine Wende in der Molkerei- verfahrenstechnik. Viele Molkereien gingen von handwerklich geprägten chargenmäßigen Verfahren zu den neuen kontinuierlichen, vollmechanisierten Prozesslinien über. 2 Um ihre Interessen besser nach außen zu vertreten, gründeten 1992 einige der ersten Hofkäsereien einen bundesweiten Verband mit dem Namen „Verband für Handwerkliche Milchverarbeitung im Ökologischen Landbau e. V.“. Vor diesem Hintergrund wird der Begriff „handwerklich“ in dieser Arbeit ausschließlich im Zusammenhang mit der hofeigenen Milchverarbeitung benutzt. 74 Rohstoff: Vollmilch Viele Hofkäsereien benutzen für die Quarkherstellung naturbelassene Voll- milch, die in ihrem natürlichen Fett- und Eiweißgehalt variiert. Diese Schwan- kungen werden insbesondere durch Änderungen in der Futterzusammenset- zung, durch das Laktationsstadium, durch das Klima und durch das Melk- verfahren beeinflusst. Sie sind umso größer, je kleiner die Milchviehherde des landwirtschaftlichen Betriebes ist (BLAU und KIELWEIN, 1985, 36; vgl. KIRST, 1996). Einige größere Hofkäsereien stellen bereits wie Molkereien aus Magermilch Speisequark her, der durch Zugabe von pasteurisierter Sahne auf den gewünschten Fettgehalt eingestellt wird. Häufig sind die Wege zwischen Hofkäserei und den Milchtanks sehr kurz. Damit reduzieren sich Milchtransport und mechanische Belastung der Milch auf ein Minimum. Nachteilig könnte sich die Stallnähe jedoch auf die sensorische Milchqualität auswirken, da Milch fremde, unerwünschte Aromen von Silage oder vom Stall aufnehmen kann (LIEBERMANN, 1997). Verfahrensschritt: Pasteurisieren Alle Verarbeitungsbetriebe, die Speisequark an Wiederverkäufer abgeben, müssen die Rohmilch gemäß MilchVO, § 6, Absatz (5) pasteurisieren. Es gibt für die Milcherhitzung unterschiedliche Pasteurisierungsverfahren, deren Eignung von der Milchverarbeitungsmenge abhängig ist. Nach der MilchVO, Anlage 6, Abs. 2.1 sind die Dauer-, Kurzzeit- und Hocherhitzung als Wärme- behandlungsverfahren anerkannt. Nach ALBRECHT (1998) wird in Hofkäse- reien mit durchschnittlichen Verarbeitungsmengen bis zu 500 kg Milch/ Charge überwiegend das Dauererhitzungsverfahren mittels Chargenpasteur angewendet, das eine Heißhaltezeit von 30 bis 32 Minuten bei + 62 °C bis + 65 °C vorschreibt. Verfahrensschritte: Temperieren und Starterkulturzugabe Die pasteurisierte Milch wird beim Einsatz von mesophilen Kulturen1 auf Temperaturen von 23 °C bis 26 °C abgekühlt (siehe Tabelle 16). Bei diesen Temperaturen können sich die zugegebenen Bakterienstämme zügig ver- mehren. Ihre Haupteigenschaft ist die Umwandlung von Milchzucker in Milchsäure (siehe auch Verfahrensschritt Säuern/Koagulieren). Durch die Milchsäurebildung findet eine Absenkung des pH-Wertes statt, der signifikant das Wachstum von pathogenen und verderbniserregenden Keimen hemmt. Gleichzeitig gerinnt das Milcheiweiß in der ruhenden Milch. Durch die Zunahme der Wasserstoffionenkonzentration wird die Oberflächenladung der Hydrathülle von Proteinteilchen verringert, wodurch die kolloidal gelösten Proteinteilchen ihre Stabilität verlieren (TÖPEL, 1991, 66). Dieser Prozess führt zur Gelbildung. Da die Säureführung bei der Herstellung von Quark für die sensorische Qua- lität eine zentrale Rolle spielt, ist die Herstellung und Auswahl der Milchkultu- ren von großer Bedeutung. Verschiedene Kulturenhersteller haben sich auf die Wünsche der Hofkäsereien eingestellt und bieten für sie spezielle robuste Starterkulturen für Speisequark an, die die Hofkäser selbst weiter überimpfen 1 Mesophile Kulturen: Kulturen mit einem Wachstumsoptimum zwischen 18 °C und 30 °C. 75 können. Als Beispiel für eine häufig eingesetzte Milchkultur bei der hofeige- nen Quarkherstellung wird in Tabelle 15 eine mesophile Starterkultur vorge- stellt. Tabelle 15: Klassische mesophile Starterkulturen für Speisequark Zusammensetzung Eigenschaften Einsatz Lactococcus lactis subsp. cremoris Lactococcus lactis subsp. lactis Lactococcus lactis subsp. lactis biovar. diacetylactis Leuconostoc mesenteroides subsp. cremoris Ö Säuerung Ö Eiweißabbau Ö Gasbildung und Säuerung Ö Aromabildung Speisequark, Sau- ermilchprodukte, Sauerrahmbutter, Schnittkäse Quelle: RIEMELT, 1996, 104; WEBER, 1996, 163 Nach einem Kulturenhersteller werden die Eigenschaften dieser klassischen mesophilen Mehr-Spezies-Kultur in einer Produktspezifikation wie folgt be- schrieben: „Langsam bis mittelschnell säuernde, sehr robuste Kultur für die Her- stellung von Käse, Frischkäse, Sauermilchprodukten und Sauerrahm- butter. Sie bildet Milchsäure überwiegend vom L(+)-Typ1. Durch die sehr schnelle Citratvergärung wird ein kräftiges Aroma (Diacetyl) und sehr rasch viel CO2 gebildet. Acetaldehyd ist kaum vorhanden.“ (WIESBY, 1995). Die sensorischen Eigenschaften der Sauermilchprodukte, die mit dieser Kul- tur hergestellt werden, werden wie folgt beschrieben: • milde bis mittlere Säure • mittleres bis kräftiges Aroma • geringer bis mittlerer CO2-Gehalt (WIESBY, 1995). Verfahrensschritt: Labzugabe Das Lab hat die Aufgabe, die Eiweißgerinnung zu beschleunigen und eine gefestigte Gallerte zu bilden. Dabei haben die Käsereien Erfahrungswerte gesammelt, zu welchem Zeitpunkt nach der Starterkulturzugabe das Lab zu- zugeben ist. Im Gegensatz zu der gewünschten dominierenden Säurewir- kung sollte bei der Quarkherstellung die Labwirkung nur ca. 5-30 % betragen (WESSINGER, 1981, 208), weshalb eine sehr geringe Menge Lab (0,5 - 1 ml Lab/100 l Kesselmilch) verwendet wird (LIEBERMANN, 1998). Verfahrensschritte: Säuern/Koagulieren Bei der traditionellen Quarkherstellung ist eine langsame und konstante Säu- erung der Kesselmilch erwünscht. Je nach Betrieb kann die Säuerung zwi- schen 16 und 21 Stunden dauern. Sie ist für die Aromabildung des Speise- quarks von großer Bedeutung. Bei der Säuerung wird Milchzucker durch Lactococcus lactis subsp. cremoris und Lactococcus lactis subsp. lactis bio- var. diacetylactis über die homofermentative Glycolyse überwiegend zu Milchsäure abgebaut. Sie bildet das typische milchsaure Flavour, das aber ohne gleichzeitige Anwesenheit von Diacetyl (Butteraroma) oft als fade oder 1 L(+)-Typ: rechtsdrehende Milchsäure. 76 herbsäuerlich empfunden wird. Bei der heterofermentativen Glycolyse durch Leuconostoc mesenteroides subsp. cremoris entstehen neben Milchsäure auch CO2, Essigsäure, Ethanol, Propionsäure, Diacetyl und andere Substan- zen. Für die Aromabildung durch Diacetyl, Acetaldehyd und 2,3-Butylenglycol ist insbesondere der Zitronensäureabbau verantwortlich (WEBER, 1996, 139). Dabei muss berücksichtigt werden, dass die geringe Citratkonzentra- tion (~ 8mM) in der Milch im Laufe der Laktation schwankt (MONNET et al. 1996, 64). Eine schwache Aromabildung des Speisequarks könnte deshalb auch mit einem zu niedrigen Citratgehalt in der Milch zusammenhängen (CORCY und LEPAGE, 1991, 154). Nach WEBER (1996, 320) betragen die Säuerungstemperaturen beim Schöpfverfahren 22 °C bis 26 °C. Der Bruch wird vor Erreichen des iso- elektrischen Punktes (pH-Wert ca. 4,8-4,9) geschöpft, um eine möglichst optimale Labwirkung zum erwünschten Molkenablauf auf dem Quarktisch zu nutzen. Verfahrensschritt: Schneiden Die Speisequarkgallerte wird meist mit einem speziellen Schwert geschnit- ten, um den Molkenaustritt zu fördern (HARTWIG, 1959, 58). Dabei gibt es unterschiedliche Meinungen zum Abstand des Schneidens. Die im Projekt beteiligten Betriebe schneiden die Gallerte längs und quer im Abstand von 10 bis 20 cm. Auch bei diesem Verfahrensschritt haben die Hofkäser individuelle Erfahrungswerte, zu welchem Zeitpunkt der Speisequark geschnitten werden muss. Er ist insbesondere von der Konzentration der zugegebenen Milch- kultur und damit der Säuerungszeit und dem pH-Wert der Gallerte zum Schnittzeitpunkt abhängig. Der Zeitpunkt des Bruchschneidens hat einen bedeutenden Einfluss auf die Textur des Endproduktes. Wird der Bruch zu früh geschnitten, wenn der Quark noch nicht ausreichend gesäuert ist, dann ist mit einer erhöhten Kontraktion an den Schnittflächen zu rechnen. Wird dieser Bruch zusätzlich zu klein geschnitten (Abstand von 6-8 cm), so kann die Textur des fertigen Speisequarks griesig oder sandig sein (HARTWIG, 1959, 60). Verfahrensschritt: Schöpfen Charakteristisch für die hofeigene Verarbeitung ist das Schöpfen des Quarks von Hand. Mit einer Handkelle wird der Quarkbruch in Quarksäcke, in vorbe- reitete Formen, in mit Quarktüchern ausgelegte Kisten oder in Edelstahlwan- nen geschöpft. Dabei wird auf ein vorsichtiges schichtweises Entnehmen des Bruches und Schöpfen in die Behältnisse geachtet, um mögliche Verluste in Form von Käsestaub zu vermeiden (HARTWIG, 1959, 64). Ein weiterer As- pekt des Schöpfens ist der Anspruch an eine schonende Verarbeitung und an eine bessere Erhaltung der Textur. Verfahrensschritt: Molkenablauf Die Dauer des Molkenablaufs richtet sich nach der Art des Herstellungsver- fahrens und kann zwischen 3 und 9 Stunden liegen. In diesem Zeitraum kön- nen zur Förderung eines gleichmäßigen Molkenablaufs die Quarksäcke oder der in Wannen geschöpfte Quark umgeschichtet werden. 77 Verfahrensschritt: Abfüllen Nach dem Molkenablauf wird der fertige Speisequark entweder von Hand oder mittels einer speziellen Abfüllmaschine in 500-g-Gläser abgefüllt. Endprodukt: Speisequark Der fertige Speisequark hat je nach Herstellungsbetrieb eine Mindesthaltbar- keitsdauer von 7 bis 17 Tagen. Nach MEISEL et al. (1988, 239) besitzt Sackquark eine feste Textur, weshalb er beispielsweise besonders gut für Backzwecke geeignet ist. 5.3 Herstellung von Quark aus industrieller Verarbeitung Die Herstellung von Quark aus „industrieller Verarbeitung“ findet in Deutsch- land überwiegend in Molkereien statt, weshalb in dieser Arbeit synonym auch der Begriff „Molkereiquark“ verwendet wird. Ein „Be- und Verarbeitungsbe- trieb darf die Bezeichnung Molkerei [...] nur führen, wenn er im Durchschnitt eines Jahres täglich mindestens 500 Liter Milch oder eine hieraus herzustel- lende entsprechende Menge an Milcherzeugnissen be- oder verarbeitet und die hierfür erforderlichen technischen Einrichtungen besitzt.“ (§ 9 MilchVO). Im Gegensatz zu der hofeigenen Verarbeitung stammt der Rohstoff Milch bei der Herstellung von Molkereiquark aus der Anlieferungsmilch von zahlrei- chen Milchviehbetrieben. Die Verarbeitung der Milch geschieht bis auf ein- zelne Ausnahmen nicht mehr handwerklich, sondern ausschließlich maschi- nell. Als Herstellungsverfahren wird nach WESTFALIA Seperator AG (1999) in den Molkereien überwiegend das Thermo-Quark-Verfahren angewendet. Die wichtigsten Aspekte des nachfolgend vorgestellten Thermo-Quark-Ver- fahrens werden im Vergleich mit der hofeigenen Herstellung zusammenfas- send in Tabelle 16 gegenübergestellt. Rohstoff: Magermilch Die angelieferte Rohmilch für die Speisequarkherstellung wird zuerst zentri- fugiert, so dass die Magermilch einen Fettgehalt von 0,03 - 0,05 % und einen Eiweißgehalt von etwa 3,3 - 3,65 % enthält (LIEBERMANN, 1998). Verfahrensschritt: Hocherhitzen Die Milch wird anschließend in einem Plattenpasteur hocherhitzt. Die MilchVO (Anlage 6, Abs. 2) schreibt dazu eine Erhitzung im kontinuierlichen Durchfluss von + 85 °C bis + 127 °C unter solchen Temperatur-Zeit-Bedin- gungen vor, dass nach dem Erhitzen der Peroxidasenachweis1 der Milch negativ ausfällt. In der Praxis liegt die Erhitzungstemperatur i. d. R. bei höchstens 95 °C (LIEBERMANN, 1998). Dieses Verfahren hat gegenüber anderen Verfahren den Vorteil, dass durch das Hocherhitzen ein großer Teil der Molkenproteine koaguliert, so dass sie im Speisequark verbleiben und dadurch die Milchausbeute erhöhen (MEISEL et al., 1988, 239). 1 Nachweisverfahren für die Hocherhitzung. 78 Verfahrensschritt: Temperieren Die erhitzte Milch wird auf die gewünschte Temperatur zwischen 26 °C und 30 °C gekühlt, die auf die verwendeten Milchkulturen abgestimmt ist (vgl. WEBER, 1996, 320). Die Molkereien, die an dieser Untersuchung teilnah- men, verwenden für die Quarkherstellung mesophile Starterkulturen und temperieren die Milch dabei auf 30 °C. Verfahrensschritt: Starterkulturzugabe Nach WEBER (1996, 111) wird die erhitzte Käsereimilch mit Kulturen aus Lactococcus lactis subsp. cremoris und Lactococcus lactis subsp. lactis oder mit Milchkulturen aus Lactococcus lactis subsp. cremoris, Lactococcus lactis subsp. lactis und Leuconostoc mesenteroides subsp. cremoris gesäuert und dickgelegt. Als Starterkultur werden ebenso wie bei der hofeigenen Verar- beitung mesophile Kulturenstämme verwendet, die meist wenig CO2, dage- gen viel Säure und Aroma bilden. CO2-bildende Kulturen z. B. Leuconostoc mesenteroides ssp. cremoris und Lactococcus lactis ssp. lactis biovar. dia- cetylactis, die auch bei Lagerbedingungen von 4 °C bis 6 °C CO2 bilden, können zu unerwünschten Verpackungsbombagen führen, die von Verbrau- chern abgelehnt werden und bei denen eine Kontamination mit schädlichen Bakterien, Hefen oder Schimmelpilze vermutet wird (WEBER, 1996, 119ff., 321). In der milchverarbeitenden Industrie ist der Befall einer Milchkultur mit Bacte- riophagen eines der größten Risiken für Säuerungsstörungen bei der Her- stellung von Milchprodukten. „Bacteriophagen sind Parasiten von Bakterien ohne eigenen Stoffwechsel, welche Bakterienzellen angreifen und zur eige- nen Vermehrung benutzen.“ (WEBER, 1996, 145). Um diese Gefährdung zu reduzieren oder auszuschließen, wechseln Molkereien regelmäßig die für die Quarkherstellung verwendeten Kulturen mit definierten Mehrstammkulturen aus Langzeit-Phagen-resistenten Stämmen (WEBER, 1996, 145). Verfahrensschritt: Labzugabe Die Labzugabe erfolgt nach den gleichen Kriterien wie bei der hofeigenen Verarbeitung. Da eine geringe Labwirkung erwünscht ist, wird eine geringe Menge Lab (Ø 1 ml Lab/100 l Kesselmilch) zugegeben. Verfahrensschritte: Säuern/Koagulieren Ähnlich wie bei der handwerklichen Herstellung ist auch bei dem Thermo- Quark-Verfahren eine relativ langsame Säuerung der Kesselmilch mit einer Dauer zwischen 12 und 18 Stunden erwünscht. Jedoch liegen die Säue- rungstemperaturen von 27 °C - 30 °C etwas höher, weshalb die Säuerungs- dauer tendenziell kürzer ist. Erfahrungen haben gezeigt, dass der Speise- quark am Ende der Säuerungsphase einen pH-Wert von 4,7 haben sollte, jedoch nicht darunter absinken darf, weil dann die Gefahr des Molkenaustritts vergrößert wird. Um eine weitere Kontraktion der Gallerte durch das Lab zu vermeiden, wie es oberhalb des isoelektrischen Punktes (pH-Wert 4,8-4,9) der Fall wäre, ist dieser niedrige pH-Wert anzustreben. 79 Verfahrensschritte: Rühren - Thermisieren – Kühlen Kurze Zeit vor dem Thermisieren (ca. 10 Minuten) wird die dickgelegte Milch mit einem Rührwerk gründlich durchmischt (WESSINGER, 1981, 209). Dabei wird die Gallerte in kleine Partikel zerschlagen. Die Konsistenz dieses Bruch- Molke-Gemischs entspricht der eines gerührten Joghurts, damit es zum Se- parator gepumpt werden kann (LIEBERMANN, 1998). Beim Thermo-Quark- Verfahren wird dieses Bruch-Molke-Gemisch auf 60 °C - 65 °C thermisiert und anschließend auf die Separiertemperatur von 40 °C - 45 °C gekühlt. Verfahrensschritt: Separieren Das Bruch-Molke-Gemisch wird in der Separatortrommel getrennt. Im Schwerefeld der Trommel werden die spezifisch schwereren Eiweißteile und die spezifisch leichtere Molke getrennt. Dabei wird das Eiweiß an die Trom- melwand geschleudert und bei einem Druck von etwa 4-5 bar durch Düsen in einen Ringkanal gepresst, der um die rotierende Trommel gelegt ist. In die- sem Ringkanal wird der Quark gesammelt und in eine Förderöffnung geleitet. Die Molke fließt zur Spindel und wird dort abgeführt (WESSINGER, 1981, 211ff.). Verfahrensschritt: Kühlen Um ein weiteres Nachsäuern zu vermeiden, wird der Quark rasch auf Tem- peraturen von 5 °C - 6 °C heruntergekühlt (WESSINGER, 1981, 209). Verfahrensschritt: Mischen Um den gewünschten Fettgehalt des Speisequarks einzustellen, ist eine ent- sprechende Zugabe von pasteurisierter Sahne in einem Quarkmischer not- wendig. Die zugegebene Sahne muss dabei gleichmäßig untergemischt sein. Die in der KäseVO Anlage 1 vorgeschriebenen Trockenmasse- und Eiweiß- gehalte für Speisequark müssen eingehalten werden. Verfahrensschritt: Abpacken Der Speisequark wird unter möglichst keimarmen Bedingungen meist in Kunststoffbecher (z. B. aus Polystyrol) abgefüllt. Endprodukt: Speisequark Der abgefüllte Speisequark ist von der Herstellung über den Handel bis zu den Endverbrauchern ohne Unterbrechung der Kühlkette bei 4 °C bis 6 °C zu lagern (WEBER, 1996, 321). Der industriell hergestellte Speisequark weist eine Haltbarkeitsdauer von bis zu 25 Tagen auf. 5.4 Zusammenfassung der verfahrenstechnischen Unter- schiede zwischen Quark aus hofeigener und industrieller Verarbeitung Um nun die wesentlichen Unterschiede in der Herstellung von Quark aus hofeigener und industrieller Verarbeitung zu verstehen, werden die wichtigs- ten Verfahrensschritte in Tabelle 16 einander gegenübergestellt. 80 Tabelle 16: Hofeigene und industrielle Quarkherstellung Quark aus hofeigener Verarbei- tung: Sackquarkverfahren Quark aus industrieller Verarbeitung: Thermo-Quark-Verfahren Rohmilch Vollmilch: natürlicher Fettgehalt Magermilch: Fettgehalt: 0,03 - 0,05 % Erhitzen Dauererhitzung: 62 °C - 65 °C, 30-32 Minuten mittels Chargenpasteur Hocherhitzung: 85 °C - 95 °C, 5-15 Minuten mittels Plattenpasteur Temperieren 22 °C - 26 °C 27 °C - 30 °C Starterkultur- zugabe Mesophile Kulturenstämme Mesophile Kulturenstämme Labzugabe Ø 0,5 - 1 ml Lab/100 l Kesselmilch Ø 1 ml Lab/100 l Kesselmilch Säuern/ Koagulieren Säuerungsdauer: 16-21 h bis pH 4,8 Säuerungsdauer: 12-18 h bis pH 4,7 Schneiden Rühren/ 8-10 h nach Labzugabe: Schneiden der Gallerte mit Schwert 10 Minuten vor Separieren: Rühren der Gallerte mit Rührwerk Erhitzung des Bruch-Molke- Gemisches Thermisieren --- 60 °C - 62 °C (3-5 Minuten) Abkühlung auf Abkühlung --- Separiertemperatur 40 °C - 45 °C Schöpfen / Separieren Handschöpfen des Quarkbruches Trennung von Bruch und Molke: Quarkseparator: Druck 4-5 bar Kühlen --- Beginn der Kühlung: Röhrenkühler: Ø 6 °C; Druck 10-12 bar Mischen --- Zugabe von Sahne Abfüllen Handabfüller oder handbetriebene Abfüllmaschine in 500-g-Gläser mit Abpackmaschine: 250 oder 500-g-Kunststoffbecher (Polystyrol) Beginn der Kühlung: (Dauer ca. 12 h) Speisequark MHD1 maximal bis zu 17 Tage MHD maximal bis zu 25 Tage Quelle: Eigene Darstellung 1 MHD: Mindesthaltbarkeitsdatum. 81 5.5 Herstellungsfehler und ihre sensorischen Auswirkungen Nachdem die Herstellungsverfahren vorgestellt wurden, ist es im Rahmen dieser Arbeit von großem Interesse, auf welche verfahrenstechnischen Her- stellungsfehler sensorisch unerwünschte Eigenschaften zurückzuführen sind. Mit diesen Kenntnissen könnten sensorisch geschulte Personen in der Praxis ihre Milchprodukte selbst überprüfen und eine gezielte Ursachenforschung bei auftretenden Herstellungsfehlern durchführen. Der in der Literatur und Praxis häufiger benutzte Begriff „Speisequarkfehler“ wird in dieser Arbeit nicht verwendet, da aus sensorischer Sicht der Fehler erstens nicht im Pro- dukt liegt, sondern in der Herstellung. Zweitens sind unerwünschte sensori- sche Merkmale (umgangssprachlich „Produktfehler“) kulturell bedingt und nicht international gleich (z. B. kann ranzige Butter in anderen Kulturkreisen sehr beliebt sein). In Tabelle 17 werden Ursachen für Fehler in der Herstel- lung von Speisequark und ihre sensorischen Merkmale zusammengefasst und anschließend ausführlich aus herstellungstechnologischer Sicht darge- stellt. 82 Tabelle 17: Ursachen für Fehler in der Quarkherstellung und ihre sensori- schen Merkmale Sensorische Merkmale Ursachen für Herstellungsfehler Rohmilch metallisch andere Aromen ⇒ zu starke mechanische Beanspruchung der Milch (Pumpen, Rühren ⇒ O2-Einschluß, freie Fettsäuren oxidieren) (BODYFELT et al., 1988, 60f., 67ff.; KIRST, 1996) ⇒ Produktionsraum oder Lager des Verpackungs- materials hat Verbindung mit Stall; Milch nimmt schnell Geruch von Silage oder Stall auf (LIEBERMANN, 1997) Pasteurisieren Kochge- schmack ⇒ tritt bei Hocherhitzung der Milch auf; entsteht durch Benzothiazol, Schwefelwasserstoff, Methylsulfid und Dimethylsulfid (TÖPEL, 1991, 74) Temperieren leer/fade ⇒ zu tiefe Ansatztemperatur (BRUNCKE, 1967, 385) Starterkultur- zugabe leer/fade stark sauer ranzig ⇒ zu wenig/zu schwache Kultur, keine aromabildenden Milchsäurebakterien (BRUNCKE, 1967, 384) ⇒ zu viel Kultur zugegeben (LIEBERMANN, 1997) ⇒ einige L. diacetylactis- und Leuconostoc-Stämme zeigen hohe lipolytische Aktivität, wodurch freie Fettsäuren und deren Abbauprodukte, β- Ketonsäuren und Methylketone, entstehen können (RIEMELT, 1996, 138) Labzugabe bitter/trocken körnig/sandig ⇒ zu hohe Labmenge und Gerinnungstemperatur (BRUNCKE, 1967, 383; SPREER, 1995, 380) ⇒ Labwirkung im Vergleich zur Säurewirkung zu stark ⇒ z. B. zu hohe Labmenge (LIEBERMANN, 1997) Säuerung/ Koagulieren leer/fade stark sauer ⇒ mangelhafte oder zu kurze Säuerung, Labwirkung zu stark (LIEBERMANN, 1997) ⇒ zu spätes Schneiden und Verschöpfen; zu nie- drige Temperaturen (Labwirkung gehemmt); Star- terkultur säuert zu schnell (LIEBERMANN, 1997) Schneiden körnig/sandig ⇒ zu frühes Schneiden (HARTWIG, 1959, 109) Schöpfen wässrig/ körnig ⇒ zu frühes Verschöpfen (HARTWIG, 1959, 108) Molkenablauf molkenbitter stark sauer ⇒ zu hoher Molkengehalt (KAMMERLEHNER, 1986, 483) ⇒ zu langsamer Molkenaustritt (SPREER, 1995, 380) Abfüllen 83 Sensorische Merkmale Ursachen für Herstellungsfehler Speisequark käsig/hefig Molke abgesetzt ⇒ durch unerwünschte Reifung des Speisequarks infolge von Überalterung und Lagerung bei zu hohen Temperaturen, oder durch Hefeinfektionen aufgrund nicht ausreichender Hygiene (HARTWIG, 1959, 105; ENGEL, 1986, 1988) ⇒ durch Nachsäuerung in der Verpackung (LIEBERMANN, 1997) Quelle: Eigene Darstellung unter Verwendung der angegebenen Literatur- quellen Die für diese Arbeit besonders relevanten sensorischen Merkmale des Aus- sehens, des Flavours und der Textur, die in das Prüfformular für die Profil- prüfung aufgenommen wurden, werden nachfolgend ausführlicher bespro- chen. Die Beschreibungen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, da es sich bei Speisequark um ein lebendiges System mit zahlreichen Mikroor- ganismen handelt und bei einer unerwünschten Eigenschaft mehr als eine Ursache bzw. Antwort in Betracht zu ziehen ist. A) Aussehen körnig Die Ursachen für diese Eigenschaft liegen nach LIEBERMANN (1997) hauptsächlich darin, dass die Labwirkung gegenüber der Säurewirkung zu stark ist. Dafür gibt es mehrere Erklärungsmöglichkeiten: • die Zugabe einer zu hohen Labmenge. • die Menge an Starterkultur ist zu niedrig. • die eingesetzte Milchkultur säuert zu langsam (z. B. weil die Kultur zu alt ist). • die Temperatur der zu verarbeitenden Kesselmilch ist zu hoch. Molke abgesetzt Die Gründe für eine zu starke Molkenabscheidung bei Speisequark in der Verpackung liegen nach LIEBERMANN (1997) hauptsächlich in einer Nach- säuerung des Quarks. Diese Nachsäuerung kann hervorgerufen werden durch: • eine Warmabfüllung des Quarks (über 20 °C) und anschließende lang- same Abkühlung. • eine unzureichende Kühlung des abgefüllten Quarks in der Verpackung. • einen zu hohen pH-Wert bei der Abfüllung. 84 B) Flavour bitter Die Ursachen für einen bitteren Geschmack in Speisequark sind zahlreich und müssen näher erläutert werden. Dabei erweist sich die Unterteilung nach KAMMERLEHNER (1986, 483f.)1 als hilfreich: a) Verarbeiten von bitterer bzw. anomaler Milch • Aufgetaute „gefrorene“ Milch ist oft säuerungsträge und führt zu einem herb-bitteren Geschmack. • Durch die Verfütterung von gefrorenen Rüben, Kartoffeln usw., angefaul- ten Hackfrüchten, Hahnenfuß u. a. können Bitterstoffe in die Milch gelan- gen und einen bitteren Geschmack hervorrufen. b) Verwendung von ungeeigneten Hilfsstoffen bzw. Überdosierung • Ein zu hoher Zusatz von Lab führt zu dem Merkmal labbitter (SOHAL et al., 1988). • Überlagerte und nisinbildende2 Starterkulturen begünstigen das Bitterwer- den. c) Bitterstoffbildende Mikroorganismen, die originär in Milch vorkom- men oder durch ungewollte Kontamination hineingelangen • Streptococcus liquefaciens ist der bedeutendste „Bitterstoffbildner“, der sich allerdings nur bei Säuerungsstörungen vermehren kann; er ist hitze- resistent, weshalb er nicht nur in Rohmilch, sondern auch in pasteurisier- ter Milch vorkommen kann. • E. coli und Enterobacter cloacea hemmen bei starker Kontamination das Säuerungsvermögen, wodurch sich bitterstoffbildende Bakterien durch- setzen können. • Coryneforme Bakterien bilden Bitterstoffe und überleben schonende Pas- teurisierungsverfahren. • Bacterium fluorescens ist ein psychrophiles Bakterium, das besonders gut in kalten Reifungsräumen wächst. • Psychrotrophe gramnegative Bakterien und Bacillus cereus bilden mikro- bielle Lipasen und Proteasen, die Bitterstoffe erzeugen können. • Einige Hefen wie z. B. Saccharomyces lactis und Torulopsis verursachen bei starker Überwucherung die Eigenschaft hefebitter. • Byssochlamys nivea ist ein Hitze unempfindlicher Schimmelpilz, der über Futtermittel in die Milch gelangt, sich gut in Frischkäsen entwickelt und zu einem Bittergeschmack beiträgt (ENGEL, 1991; RIEMELT, 1996, 169). 1 Falls keine anderen Literaturangaben gemacht werden, beziehen sich die Aussagen auf Kammerlehner, 1986. 2 Nisin: Antibakteriell wirksame Substanz (Bacteriocin), die von Lactococcus lactis ssp. lactis gebildet wird und Spezies der Starterkulturen unterdrücken können (WEBER, 1996, S. 144f.). 85 • Mikrokokken (Micrococcus, Staphylococcus) kommen in Rohmilch mit geringen Keimzahlen vor und entwickeln eine hohe proteolytische Aktivi- tät, die einen Bittergeschmack zur Folge haben kann (RIEMELT, 1996, 145, 220). d) Einflüsse der Starterkultur Stämme mit höherer proteolytischer Aktivität (z. B. Lactococcus lactis subsp. lactis, Protease positiv) können Bitterpeptide bilden, die einen bitteren Ge- schmack hervorrufen, während bei der Verwendung der Protease-negativen- Variante kein Bittergeschmack im Endprodukt auftritt (WEBER, 1996, 138; BRETHENET-BOEUF, 1997, 122, 148). BRETHENET-BOEUF (1997, 123) stellte einen signifikanten Einfluss aerober Herstellungsbedingungen bei der Bildung eines Bittergeschmacks fest.1 sauer Für Speisequark als eine ungereifte Frischkäsesorte ist ein säuerlicher Ge- schmack typisch, denn die Milchsäure ist das dominierende mikrobielle Stoffwechselprodukt bei der Säuerung der Milch (KAMMERLEHNER, 1988, 481). Nach Untersuchungen von BRETHENET-BOEUF (1997, 148) zum Einfluss von mesophilen Milchkulturen auf das Flavour von Frischkäse hängt ein saurer Geschmack nicht direkt von der Menge der gebildeten Milchsäure ab, sondern von einer schnellen Säuerung. Diese wird vor allem von Lacto- coccus lactis subsp. lactis (Protease positiv) und Lactococcus lactis subsp. lactis biovar. diacetylactis hervorgerufen. Ein zu saurer Geschmack kann durch folgende Herstellungsfehler entstehen: • Die Starterkulturen säuern zu schnell. • Die Menge der zugegebenen Starterkulturen ist zu hoch. • Die Kühlung findet zu langsam oder ungenügend statt. • Das Schneiden und das Schöpfen des Quarks erfolgt zu spät (LIEBERMANN, 1997; BRUNCKE, 1967, 386). • Essigsäurebakterien und Acetobacter bilden aus Ethanol Essigsäure und sind bei Kontaminationen in Quark sehr aktiv. • Manche coliforme Keime können außer Ameisen- und Milchsäure auch Essigsäure bilden (KAMMERLEHNER, 1988, 481). käsig Ein käsiges Aroma ist bei Speisequark als nichtreifende Frischkäsesorte un- erwünscht. Die Ursachen liegen meist in einem Reifungsprozess, der haupt- sächlich durch das Wachstum von Hefen ausgelöst wird (WEBER, 1996, 318). 1 Für ihren Vergleichstest stellte BRETHENET-BOEUF (1997, S. 123) Frischkäse mit einer Einstammkultur aus Lactococcus lactis subsp. lactis biovar. diacetylactis her. Eine Versuchs- variante wurde unter aeroben und die zweite unter anaeroben Bedingungen hergestellt. Unter aeroben Bedingungen hergestellter Frischkäse wurde signifikant bitterer bewertet als die anaerobe Variante. 86 hefig Speisequark ist ein idealer Nährboden für Geotrichum candidum (weißer Milchschimmel) und Hefen sowie säuretolerante Mikroorganismen (z. B. Schimmelpilze). Kontaminationen mit den genannten Mikroorganismen ent- stehen meist durch vielfache Kontakte des Speisequarks mit schlecht gerei- nigten Arbeitsgeräten, Quarkwannen und -tüchern, Ablauftischen und Verpa- ckungsmaterialien (WEBER, 1996, 321; HARTWIG, 1959, 105). Untersuchungen von ENGEL (1986) zeigen, dass mit zunehmender Hefe- konzentration die sensorisch wahrnehmbaren hefetypischen Aromen in Frischkäse gehäufter auftreten. Diese ist wiederum von den einzelnen Spe- zies abhängig. Diese Mikroorganismen, darunter die am häufigsten vorkom- menden Geotrichum candidum, sind deshalb ein haltbarkeitsbegrenzender Faktor für Speisequark. Durch Hefen verursachte Eigenschaften in Speise- quark können als „hefig“, „gärig“ (aufgrund der Bildung von Alkohol und CO2) oder „fruchtig“ sensorisch wahrgenommen werden. Sie werden vor allem durch folgende Spezies ausgelöst: • Geotrichum candidum • Kluyveromyces marxianus • Candida kefyr, C. lipolytica, C. valida • Pichia membranaefaciens: tritt häufiger in Frischkäse auf (RIEMELT, 1996, 155ff.). Bei Untersuchungen von ENGEL (1988, 88f.) zu Lagertemperaturen für Speisequark konnte festgestellt werden, dass bei der üblichen Lagertempe- ratur von + 6 °C eine relativ schnelle Vermehrung mit einer Generations- dauer von 14-18 Stunden bei den meisten der untersuchten Hefearten mög- lich ist. Als Schlussfolgerung aus diesen Versuchen fordert ENGEL neben einer absolut hefefreien Verpackung eine Verkürzung der langen Haltbar- keitszeiten (18 Tage, Stand 1988) für Frischkäse gegen den Trend zu länge- ren Mindesthaltbarkeitszeiten im Handel. ranzig KAMMERLEHNER (1988, 479) unterscheidet die folgenden Arten von Ran- zigkeit: • Hydrolytische Ranzigkeit entsteht durch Verseifung des Fettes, wobei eine Spaltung in Glyzerin und Fettsäuren eintritt (KAMMERLEHNER, 1981, 479f.). Niedermolekulare Fettsäuren, z. B. Buttersäure (C4), Capronsäure (C6), Caprylsäure (C8) und Caprinsäure (C10), haben ein sehr unangenehmes schweißig, ranziges Flavour, das schon in gerings- ten Spuren wahrnehmbar ist. Diese Säuren verursachen, wenn sie im Milchfett frei vorkommen, die Eigenschaft „ranzig“ in fetthaltigen Produk- ten. • Ketonranzigkeit wird durch Fett spaltende Mikroorganismen hervorgeru- fen oder durch Luft-, Licht- und Wärmeeinfluss. 87 • Die zunehmende Mechanisierung der Milchgewinnung, die längere Milchlagerung in den Betrieben bis zu drei Tagen sowie der verstärkte „Milchtourismus“ durch Stilllegungen von Molkereien führten zum Anstieg eines ranzigen Flavours in der Milch, verursacht durch Lipolyse (engl.: li- polyzed flavor) (ESKIN, 1990, 434f.; vgl. KIRST, 1996).1 • Die Fettkügelchen in der Milch werden durch starke mechanische Bean- spruchung, insbesondere bei der Schaumbildung durch Pumpen und Rühren zerstört. Die dabei wirkenden Scherkräfte führen zur Verformung bzw. zur Zerstörung der Fettkügelchenhülle, wodurch das Fett freigelegt wird und zu freien Fettsäuren abgebaut werden kann (GRAVERT, 1983, 255; KIRST, 1996). andere Aromen Die Ursachen für die Eigenschaft „andere Aromen“ können von allen bespro- chenen Eigenschaften am vielfältigsten sein. In der Literatur werden auch Begriffe wie autres arômes (HOSSENLOPP, 1995b, 103), foreign off-flavour (BODYFELT et al., 1988, 83f.) oder „Fremdgeruch/-geschmack“ verwendet (DLG, 1996, 200), wenn den Prüfpersonen eine genauere Beschreibung für die sensorisch wahrgenommenen anderen oder fremden Aromen schwer oder nicht möglich ist. Folgende Ursachen können für die Eigenschaft „andere Aromen“ verantwort- lich sein: • Der Produktions- oder Lagerraum mit Verpackungsmaterial hat Verbin- dung mit dem Stall. (Milch nimmt fremde Aromen von Silage/Stall auf). • Der Produktionsraum ist feucht oder schlecht belüftet (LIEBERMANN, 1997). • Verpackungsmaterialien sind hygienisch nicht einwandfrei (HOSSENLOPP, 1995b, 103). • Reinigungsmittel (z. B. Chlor, Phenol) gelangen in die Milch (BODYFELT et al., 1988, 84). 5.6 Material und Methoden Das sensorische Prüfverfahren Profilprüfung: Konventionelles Profil (DIN 10967-1, 1999), das sich methodisch an der ISO 11035 (1994) orientiert, ist eine der anspruchsvollsten Methoden in der Sensorik. Sie wird im Rahmen dieser Untersuchung zur Charakterisierung der Quarkproben aus hofeigener und industrieller Herstellung sowie zum Vergleich mehrerer Produkte ange- wendet. 5.6.1 Herkunft und Herstellungsverfahren der Quarkproben Die Quarkproben aus hofeigener Verarbeitung stammen aus sechs Hofkäse- reien von landwirtschaftlichen Betrieben. Die Proben aus industrieller Verar- beitung stammen von zwei Molkereien. Außer Betrieb 5 benutzen alle betei- ligten Hofkäsereien für die Quarkherstellung die in Kapitel 5.2 vorgestellten klassischen mesophilen Kulturen. 1 Dies ist ein weltweit beobachtetes Hauptproblem in der Milchwirtschaft, das häufig Diskussionsgegenstand der International Dairy Federation war (ESKIN, 1990, S. 435). 88 Fünf Betriebe verwenden zur Quarkherstellung naturbelassene Vollmilch, die in ihrem Fett- und Eiweißgehalt schwanken kann. Eine größere Hofkäserei benutzt Magermilch zur Herstellung von Quark. 5.6.2 Profilprüfung: Konventionelles Profil (DIN 10967-1, 1999) 5.6.2.1 Allgemeine Beschreibung und Anwendung Von den bisher entwickelten deskriptiven Analysemethoden kann im Rahmen dieser Arbeit nur die Profilprüfung: Konventionelles Profil (DIN 10967-1, 1999) beschrieben werden. Mit Hilfe der Profilprüfung kann die sensorische Qualität von Lebensmitteln, z. B. Aussehen, Flavour und Textur, sowohl qualitativ (= die Eigenschaft) als auch quantitativ (= die Intensität) bestimmt werden. Es ist bei der Auswahl der Deskriptoren sehr wichtig, dass sie wert- neutral und keinesfalls hedonisch beschrieben werden (HOSSENLOPP, 1995b, 55). Diese Methode setzt eine Übereinstimmung der Prüfpersonen bzgl. der Be- deutung der ausgewählten Deskriptoren voraus. Während der Prüfung testet jede Prüfperson die Lebensmittelproben in einer Einzelkabine. Aus den Ein- zelbewertungen der Prüfpersonen werden für alle Deskriptoren (z. B. sauer) der jeweiligen Lebensmittelproben Mittelwerte gebildet, die das Gruppenurteil darstellen. Diese werden als Ausgangsdaten für die darauf folgenden statis- tischen Analysen verwendet, z. B. der Hauptkomponentenanalyse. Für jedes Lebensmittel kann damit ein Profil erstellt werden, und ähnliche Produkte verschiedener Herkunft können untereinander in ihren sensorischen Eigenschaften sehr gut verglichen werden (HOSSENLOPP, 1995b, 73). Voraussetzung für die Durchführung dieser deskriptiven Analyse ist ein intensiv geschultes Panel, da sie zu den anspruchsvollsten sensorischen Prüfungen zählt (FLIEDNER und WILHELMI, 1993, 139f.). Dabei ist es für die Prüfpersonen besonders wichtig, eine sichere Beurteilung der Deskripto- ren des Grundprofils zu lernen. Außerdem muss das Panel die Fähigkeit ha- ben, sich durch die Schulung von einer hedonischen Bewertung der Produkte während der Prüfung zu lösen. Darüber hinaus gibt es in der Sensorik geteilte Meinungen zum Einsatz von Referenzprodukten oder -substanzen. Sowohl die ISO 11035 (1994) als auch HOSSENLOPP (1995b, 14, 58) empfehlen die Verwendung von Referenzprodukten für die ausgewählten sensorischen Deskriptoren. STONE und SIDEL (1998) sehen sie hingegen als Quelle für Variabilität an, und aus ihrer Sicht bestand in weniger als 10 % der Panels die Notwendigkeit dafür. Bei der Durchführung der Profilprüfung im Rahmen dieser Arbeit wurden keine Referenzprodukte eingesetzt. Die Grundgeschmacksarten wurden vor jeder Prüfung als wässrige Lösungen in einem Vortest überprüft. Darüber hinaus wurde vor jeder Prüfung eine ausgewählte Speisequarkprobe als ein „komplexes Referenzprodukt“ von allen Prüfpersonen verkostet und im Kon- sens die ausgewählten Eigenschaften bewertet. Diese Bewertung diente zum einen dazu, sich in die sensorischen Eigenschaften von Speisequark konzentriert „einzuschmecken“, und zum anderen als Referenz für die Einzel- prüfungen der Speisequarkproben. Zum Neutralisieren zwischen den einzel- nen Speisequarkproben wurde den Prüfpersonen gefiltertes Wasser und Weißbrot gereicht. 89 Um abgesicherte Ergebnisse bei der Profilprüfung zu bekommen, wurden an die Prüfpersonen über die Grundanforderungen hinaus folgende zusätzliche Anforderungen gestellt (nach NEUMANN und MOLNÁR 1991, 162): • mindestens durchschnittliche Geruchs- und Geschmacksempfindlichkeit; • Interesse und Gedächtnis für Geruchs- und Geschmackseindrücke; • hohe Konzentrationsfähigkeit; • Integrationsfähigkeit; • Bereitschaft zur disziplinierten Mitarbeit in einer Prüfergruppe; • Kreativität zur Findung der charakteristischen Deskriptoren. Darüber hinaus sind Mindestanforderungen in der DIN 10962 (1997) „Prüfbe- reiche für sensorische Prüfungen – Anforderungen an Prüfräume“ beschrie- ben, die für die ordnungsgemäße Durchführung sensorischer Prüfungen er- forderlich sind. Für die Durchführung der Profilprüfung wurde ein Prüfraum an der Universität Kassel, Witzenhausen genutzt, der ausreichende Belüf- tungsmöglichkeiten hat und mit Einzelkabinen ausgestattet ist, wodurch ein konzentriertes und störungsfreies Arbeiten des Panels möglich war. 5.6.2.2 Statistische Methoden zur Auswertung der Profilprüfung Alle nachfolgenden statistischen Tests wurden mit dem Statistikprogramm SPSS Version 6.1 ausgewertet. 5.6.2.2.1 Hauptkomponentenanalyse Die Hauptkomponentenanalyse („Principal Component Analysis“, kurz PCA) ist ein Verfahren zur Darstellung von mehrdimensionalen Daten (KUNERT, 1998, 7), wodurch möglichst wenig Informationen verloren gehen sollen. Sie wird als multivariate Methode für die Auswertung von Profilprüfungen benutzt (vgl. ISO 11035, 1994; HOSSENLOPP, 1995b, 71). Die Hauptkomponenten- analyse errechnet Hauptkomponenten (Faktoren), die ein Maximum an ge- meinsamer Varianz aller Variablen (hier Deskriptoren) wiedergeben sollen. Dabei soll die erste Hauptkomponente die größte gemeinsame Varianz erklä- ren, die zweite Hauptkomponente das Maximum der verbleibenden Varianz usw. (SCHNELL, 1994, 164). Nach KRZANOWSKI (1990, 67) sollten die ausgewählten Hauptkomponenten insgesamt mindestens 75-80 % der Vari- anz erreichen. Die Hauptkomponenten sind Linearkombinationen der Aus- gangsvariablen (x). Sie setzen sich aus der Summe der Variablen (x), multip- liziert mit ihren jeweiligen Faktorladungen (a) zusammen, wie aus dem Bei- spiel für die 1. Hauptkomponente hervorgeht. Beispiel: 1. Hauptkomponente = a1x1+ a2x2+ a3x3 + … apxp a = Ladungen; x = Variablen (Deskriptoren); p = Anzahl der Variablen (PIGOTT, 1988, 369) Die Faktorladungen (a) sind eine Maßgröße für den Zusammenhang zwischen Variablen und Faktoren, d. h. sie sind Korrelationskoeffizienten zwi- schen Faktoren und Variablen (BACKHAUS et al., 1996, 209). Mit Hilfe der PCA als einer dimensionenreduzierenden Technik werden die Ergebnisse normalerweise als zweidimensionaler „PCA-Ladungsplot“ dargestellt. In einem Plot können sowohl die Variablen (Deskriptoren) als auch die Objekte 90 (Produkte) gemeinsam dargestellt werden, wodurch die Interpretation der Produkte verdeutlicht wird. Die graphische Gestaltung kann nach DIGBY und KEMPTON (1996, 63ff.) optimiert werden, indem die Variablen mit derselben Konstanten multipliziert werden, um eine einheitliche Skalierung mit den Objekten zu erzielen. Für die Auswertung der Ergebnisse der Profilprüfung müssen die folgenden Daten berücksichtigt werden. Es werden 8 Quarkproben anhand von insgesamt 12 Deskriptoren von durchschnittlich 7 Prüfpersonen pro Testtermin beurteilt. Bei der Profilprüfung geben alle Prüfpersonen ihre Urteile für alle Deskriptoren für jede Speise- quarkprobe ab. Für die Berechnung der PCA wird als Datenmatrix eine zwei- dimensionale Tabelle mit „Produkte x Deskriptoren“ verwendet. Dafür werden die Mittelwerte der Urteile der Prüfpersonen für jeden Deskriptor herangezo- gen (HOSSENLOPP, 1995, 69; KUNERT, 1998, 2). 5.6.2.2.2 Wilcoxon Vorzeichenrangtest - Exakter Test Der Wilcoxon Vorzeichenrangtest prüft, ob sich 2 abhängige Stichproben in ihrer zentralen Tendenz unterscheiden. Er wird in der Sensorik bei diskrimi- nanten Verfahren angewendet (RATHJEN, 1995, 8). Nach diesem Test kann die Nullhypothese überprüft werden, indem zuerst für jedes Messwertepaar die Differenzen berechnet werden. Dann werden diesen Differenzen Rang- werte von 1 für die absolut niedrigste Differenz bis N für die absolut höchste Differenz nach ihrem Absolutbetrag zugeordnet. Im nächsten Schritt werden die gebildeten Rangwerte in zwei Klassen eingeteilt. Eine Klasse wird mit den Rangwerten mit positiven Vorzeichen gebildet, die andere mit negativen Vorzeichen. Es wird zunächst davon ausgegangen, dass Nulldifferenzen nicht vorkommen. Die Prüfgröße T wird wie folgt berechnet (BORTZ und LIENERT, 1998, 164ff.): • die Summe der Ränge T-, mit negativen Vorzeichen und • die Summe der Ränge T+, mit positiven Vorzeichen, wobei T+ = N *(N + 1)/2 - T- Als Prüfgröße T wird die kleinere der beiden Rangsummen verwendet. T = min (T+, T-) Für geringe Stichprobenumfänge von n = 4 bis n = 50 wird der exakte Signifi- kanztest von T angewendet, wofür die Tafel zu Schranken und P-Werten für den Vorzeichenrangtest von BORTZ und LIENERT (1998, 363) herangezo- gen wird. In dieser Tafel werden die kritischen Schwellenwerte für T darge- stellt, die vom empirischen T-Wert erreicht oder unterschritten werden müs- sen, um die Nullhypothese bei ein- oder zweiseitigen Tests auf dem vorge- gebenen Signifikanzniveau verwerfen zu können. 5.6.2.2.3 Konkordanzkoeffizient (W) von Kendall Der Konkordanzkoeffizient W von Kendall misst den Grad der Übereinstim- mung zwischen mehreren verbundenen Stichproben. Er wird für nichtpara- metrische Testsituationen angewendet, in denen mehrere Proben von min- destens 7 Beurteilern begutachtet werden (BÜHL und ZÖFEL, 1996, 285). Nehmen weniger als 7 Beurteiler an einem Test teil, erfolgt die Signifikanz- prüfung der Übereinstimmung mit dem Chi-Quadrat-Anpassungstest (BORTZ et al., 1990, 468), der im nachfolgenden Kapitel erläutert wird. 91 Zur statistischen Überprüfung der Übereinstimmung der Testurteile eines Sensorikpanels (n > 6) ist dieser Konkordanzkoeffizient W nach NEUMANN und MOLNÁR (1991, 156) sowie HUNTER und McEWAN (1998, 349) geeig- net. Die Prüfpersonen beurteilen bei einer Profilprüfung mehrere Produkte und vergeben für alle sensorischen Eigenschaften pro Speisequarkprobe eine Intensitätsangabe (= Ränge) zwischen 0 und 5. Bei jeder Prüfperson wird dabei eine Rangfolge der Produkte auftreten. Innerhalb der Rangfolge können gleiche Ränge (Intensitäten) für zwei oder mehrere Produkte verge- ben werden. Für jede Prüfperson wird die Summe der Rangziffern bestimmt, woraus das Ausmaß der unterschiedlichen Bewertungen hervorgeht. Zur Berechnung des Konkordanzkoeffizienten W werden nun die gebildeten Rangsummen der Prüfpersonen herangezogen. Bei perfekter Konkordanz (= Übereinstimmung) ist der Wert des Konkordanzkoeffizienten W = 1, d. h. alle Prüfpersonen stimmen in ihren Urteilen überein. Ein Wert von 0 bedeutet, dass es eine perfekte Diskordanz der Prüfpersonen gibt (BÜHL und ZÖFEL, 1996, 285). 5.6.2.2.4 Chi-Quadrat-Anpassungstest Die Übereinstimmung von Testurteilen einer geringen Anzahl von Prüfperso- nen (n < 7) kann mit Hilfe der Chi-Quadrat-Approximation ermittelt werden. Für die Überprüfung wird die Tafel B (Teil I) Kritische Chi-Quadrat-Werte he- rangezogen (BORTZ und LIENERT, 1998, 338). Die beobachteten Chi- Quadratwerte werden mit den kritischen Schranken Chi-Quadrat in der Tafel B für die ausgesuchten Irrtumswahrscheinlichkeiten α bei den jeweiligen Freiheitsgraden verglichen. Der berechnete Chi-Quadratwert muss jeweils größer sein als der tabellierte Chi-Quadratwert für p < 0,05, p < 0,01 oder p < 0,001 unter Berücksichtigung des Freiheitsgrades (FLIEDNER und WIL- HELMI, 1993, 70). 5.6.3 Aufbereitung der Quarkproben Für die sensorische Profilprüfung konnten in Einkaufsstätten vor Ort die Quarkproben von den Betrieben (B) B1, B5, B7 und B8 beschafft werden. Hingegen mussten die Quarkproben von den Betrieben B2, B3, B4, und B6 aufgrund der relativ weiten Entfernung unter Einhaltung der Kühlkette zu den jeweiligen Terminen eingeschickt werden. Die Proben wurden im Durchschnitt 2-4 Tage nach der Herstellung verkostet. Die beteiligten Hofkäsereien haben betriebsintern festgelegte Herstellungs- tage für Speisequark, die sie für diese Testreihe nicht ändern konnten. Le- diglich die Proben von B6 waren aus organisatorischen Gründen vereinzelt bis zu 7 Tage alt. Für alle Tests wurden die Quarkproben immer von dersel- ben Person vorbereitet, um eine Gleichbehandlung der Proben zu gewähr- leisten. Vor Beginn der sensorischen Prüfung wurden die Quarkproben in einem Kühlschrank bei 4 °C - 6 °C gelagert. Um allen Prüfpersonen identi- sche Proben zur Verkostung zu reichen, wurden alle Proben derselben Her- kunft gleichmäßig vor dem Einfüllen in mit 3-stelligen Zufallszahlen kodierte 0,1 l Gläser vermischt und waren zwei Stunden vor Beginn der Prüfung fertig vorbereitet (vgl. FLIEDNER und WILHELMI, 1993, 254). Diese Aufbereitung war nötig, da die Speisequarkproben von einer Charge desselben Herstellers (hofeigen und industriell) sensorische Unterschiede aufweisen konnten. In- nerhalb dieser 2 Stunden von der Abfüllung bis zur Prüfung konnte sich – soweit vorhanden – Molke wieder in den Probengläsern absetzen und als 92 sensorische Eigenschaft des Aussehens „Molke abgesetzt“ in der Profilprü- fung geprüft werden. Zum Zeitpunkt der sensorischen Prüfung wiesen die Proben eine Temperatur von 12 °C - 15 °C auf. 5.6.4 Definition der Deskriptoren Unter Deskriptoren werden in dieser Arbeit sensorische Merkmalseigen- schaften verstanden. Vor der Schulung des Panels wurde eine Literaturre- cherche zu sensorischen Eigenschaften von Speisequark durchgeführt und damit ein erstes Rohprofil erstellt. Dieses Rohprofil wurde in Abstimmung mit dem Panel sowie nach Diskussionen mit Fachleuten1 zu einem Grundprofil weiterentwickelt. Nach weiteren Diskussionen der sensorischen Begriffe mit Prof. Dr. Joseph Hossenlopp, CEMAGREF2, Clermont-Ferrand, entstand ein Grundprofil mit den folgenden 14 Eigenschaften. Die Begriffsdefinitionen wurden methodisch in Anlehnung an das Profil für Fromage frais lissé von HOSSENLOPP (1995b, 102) sowie nach ausführlichen inhaltlichen Diskussi- onen mit dem Panel zu Beginn der Schulungen entwickelt. Ziel der Entwicklung dieses Grundprofils war es, charakteristische Deskripto- ren im Konsens mit dem Panel für die Profilprüfung auszuwählen (siehe Ta- belle 18) (vgl. CIVILLE und LAWLESS, 1986). Die wichtigste Anforderung war dabei, dass sich die zu untersuchenden 8 Quarkproben mit Hilfe der ausgewählten charakteristischen Eigenschaften unterscheiden lassen (vgl. PIGOTT, 1988, 217). Die Definitionen der 14 Quarkeigenschaften befinden sich im Anhang 4. Tabelle 18: Grundprofil von Speisequark Deskriptoren Aussehen körnig Molke abgesetzt rahmgelbliche Farbe Flavour bitter sauer (milchsauer) ⇒ Aroma der Milchkulturen Aromatyp: Joghurt käsig hefig ranzig andere Aromen Textur fest (körnig) ⇒ sandig cremig Quelle: Eigene Darstellung 1 Fachlehrer der Milchwirtschaftlichen Lehranstalt in Gelnhausen, Dipl. Lebensmittel-Ing. K. Einhoff, Sensoriker, Bundesanstalt für Milchforschung, Kiel und Hofkäser, die an diesem Projekt beteiligt waren. 2 CEMAGREF: Équipe qualité alimentaire, Recherche pour l’ingenièrie de l’agriculture et de l’environnement. 93 Im Laufe der Testphase wurde nach einer längeren Diskussion und im Konsens mit dem Panel bei der Nachbesprechung des 3. Testtermins der Texturbegriff körnig in den Begriff sandig umbenannt. Das Panel hielt den Begriff sandig für die Beschreibung dieser Textureigenschaft der unter- suchten Quarkproben zutreffender als den Begriff körnig. Alle Prüfpersonen konnten sich der Änderung des Begriffes anschließen. Besonders schwierig für das Panel war die Beschreibung der milchsauren Aromen der 8 Speisequarkproben. Trotz intensiver Schulung und zahlreicher Versuche, adäquate Standards (z. B. typische Sauermilchkulturen) zu finden, war es bis zum Ende der Testphase für die Prüfpersonen schwierig, dieses komplexe quarktypische Aroma zu bestimmen. Das Panel entschied sich, den Begriff milchsauer bei dem 7. Testtermin (12.11.1997) in den Begriff Aroma der Milchkulturen umzubenennen. Gleichzeitig wurde eine Verkos- tungsmethode zur Beurteilung des Geschmacks (bitter, sauer) und der Aro- men auf Vorschlag von Joseph Hossenlopp getestet und von allen Panel- mitgliedern akzeptiert. Vor der Aufnahme des Speisequarks in den Mund wurde die Nase zugehal- ten, um zuerst die Grundgeschmacksarten bitter und sauer auf der Zunge wahrnehmen und beurteilen zu können. Danach wurden mit geöffneter Nase die Aromen wahrgenommen, die dadurch für die Prüfpersonen einfacher zu bestimmen waren. Diese Methode hat den Vorteil, dass die Grundge- schmacksarten bitter und sauer und die Aromen der zu verkostenden Spei- sequarkprobe getrennt wahrgenommen werden können. Da die Aromawahr- nehmung bei Milchprodukten sehr schwierig ist, gab es auch bei der Eigenschaft „andere Aromen „immer wieder größere Abweichungen bei den Urteilen der Prüfpersonen. 5.6.5 Aufbau und Schulung des Panels Mit den Fähigkeiten der menschlichen Sinne, die sehr sensibel und schnell verfügbar sind, eignen sich sensorisch geschulte Menschen hervorragend als Prüfer von Lebensmitteln (technisch ausgedrückt: als Messinstrumente) (vgl. FLIEDNER und WILHELMI, 1993, 35). Für sensorische Prüfungen müssen die Testpersonen sorgfältig ausgewählt werden und allgemeine Kriterien er- füllen, die in der DIN 10961 (1996) „Schulung von Prüfpersonen für sensori- sche Prüfungen“ ausführlich beschrieben sind. Eine Gruppe von insgesamt 15 Studenten wurde von Januar bis April 1997 im Rahmen eines Sensorikpratikums in 7 Sitzungen theoretisch und prak- tisch entsprechend der DIN 10961 (1996) von Prof. Dr. A. Meier-Ploeger ausgebildet. Diese Schulung wurde mit einer Abschlussprüfung beendet, bei der die Anforderungen der DIN 10961 (1996) von den Teilnehmern erfüllt werden mussten. Schon während dieser Sensorikausbildung wurden Prüf- methoden (z. B. Triangeltest, Duo-Trio-Test) mit fermentierten Milchproduk- ten gezielt angewandt, um die potenziellen Prüfpersonen schrittweise auf sensorische Eigenschaften und Unterschiede mit diesen Produkten vertraut zu machen. Danach folgte eine spezielle Schulung in 4 Sitzungen durch die Verfasserin, bei der die typischen sensorischen Eigenschaften von Speisequark geschult wurden. Besonders wichtig bei dieser Methode war das Kennen lernen der extremen Intensitätsstufen (0 = nicht wahrnehmbar und 5 = sehr stark) bei 94 jeder verwendeten sensorischen Eigenschaft am Beispiel der Proben oder anderer fermentierter Milchprodukte. Erst dadurch lernte das Panel, die In- tensitätsskala in den Tests einheitlich zu benutzen. Durch gemeinsame Einschmeckproben vor jedem Test und anschließende Besprechungen der 14 Eigenschaften der Speisequarkprobe lernte die Gruppe, sich einzueichen und die individuelle Bewertung (Intensitätsvergabe je Eigenschaft) dem Gruppenurteil anzugleichen. Dies ist ein zeitintensiver Schulungsprozess. Der Moderator eines Panels soll die Fähigkeit haben, alle Mitglieder zu motivieren, sich aktiv an den Gruppendiskussionen bei den Schulungen und Einschmeckproben zu beteiligen, ohne die Meinung der Prüfpersonen zu beeinflussen (vgl. ISO 11035, 1994). Da sich das Panel überwiegend aus Studenten zusammensetzte, war in den Ferienmonaten August und September 1997 eine Fortführung der sensori- schen Tests nicht möglich. Danach war eine 2. Schulungsreihe mit 4 Sitzun- gen erforderlich, die im Oktober 1997 fortgesetzt wurde. Für einige Studen- ten war es nicht mehr möglich, nach der Sommerpause am 2. Teil der Test- reihe teilzunehmen, weshalb ab Oktober fünf weitere Personen in das beste- hende Panel integriert wurden. Von großem Vorteil für die Leistungsfähigkeit des Panels waren die theoretischen und praktischen Kenntnisse aller Teil- nehmer in der praktischen Milch- oder Lebensmittelverarbeitung und die au- ßergewöhnlich hohe Motivation und das Engagement, als Prüfpersonen an den Tests teilzunehmen. 5.6.6 Untersuchungsdesign Da noch keine spezielle PC-Sensoriksoftware (z. B. FIZZ oder Compusense) während des Untersuchungszeitraums zur Verfügung stand, wurden die in der Sensorikliteratur empfohlenen balancierten Untersuchungsdesigns, die first order und carry-over effects berücksichtigen, nicht verwendet. Darüber hinaus wurde zum Untersuchungszeitraum mit dem Entwurf der DIN 10967 (7-1996) gearbeitet, der detaillierte Prüfpläne noch nicht konkret ausführte. Erst im Mai 2002 wurde die DIN 10967-4 (2002) zu Prüfplänen für Profilprü- fungen veröffentlicht. Die Quarkproben wurden den Prüfpersonen in zufälli- ger Reihenfolge gereicht. Aus Sicht der Sensorikforschung stellt dies einen Schwachpunkt in dem Untersuchungsdesign der sensorischen Prüfungen dar, auf den in der kritischen Reflexion des Kapitels eingegangen wird. 5.7 Auswertung und Ergebnisse der Profilprüfung Die Darstellung der Ergebnisse ist gegliedert nach den graphischen und sta- tistischen Auswertungsverfahren, die aufeinander aufbauen. In den einzelnen Kapiteln werden die Ergebnisse der Speisequarkproben von den sechs Hof- käsereien den Speisequarkproben der beiden Molkereien gegenübergestellt. Eine weitere Untergliederung orientiert sich an den untersuchten sensori- schen Eigenschaften. Die Begriffe hefig und käsig sind unerwünschte Aromen in Speisequark. Diese Aromen wurden bei den 12 Testterminen in den Speisequarkproben jedoch nur in den niedrigsten Intensitätsstufen (0 bis maximal 2) bewertet, so dass keine signifikanten Unterschiede zwischen den einzelnen Proben in diesen Eigenschaften festgestellt werden konnten. 95 Aus diesem Grund sind diese Aromen in den Begriffsdefinitionen (Anhang 4) aufgeführt, werden aber nicht mehr in der nachfolgenden Auswertung und Darstellung der Ergebnisse erwähnt. Die Übereinstimmung der Prüfpersonen wurden für jeden Testtermin und jede sensorische Eigenschaft mit Kendalls Konkordanz Koeffizient (W) für (n>6) bzw. mit dem Chi-Quadratanpassungstest für (n<7) überprüft. Die Er- gebnisse sind in den Tabellen des Anhangs 6 dargestellt. 5.7.1 Ergebnisse der graphischen Darstellungen Bei den nachfolgenden Spinnennetzdarstellungen und dem PCA-Plot wird angenommen, dass in jeder Variablen ein gemeinsames Urteil der Prüfper- sonen über die Prüfproben vorliegt. Dieses gemeinsame Urteil wird in dieser Arbeit durch die Bildung des Mittelwertes erreicht (DIN 10967 Bbl 1, 2002). 5.7.1.1 Spinnennetzdarstellungen Die Ergebnisse der Profilprüfung von 8 Speisequarkproben aus hofeigener und industrieller Verarbeitung werden zunächst graphisch als Spinnennetze dargestellt, wie es in der Sensorik üblich ist (vgl. STONE und SIDEL, 1998, 51f.; HOSSENLOPP, 1995b, 73). Die Darstellungsform hat den Vorteil, dass ein Gesamtprofil mit sämtlichen untersuchten Eigenschaften für jedes Pro- dukt dargestellt werden kann. Basis für die Ausgangsdaten sind insgesamt 12 Testtermine. Von diesen Testergebnissen wurden die Mittelwerte für jede Eigenschaft pro Quarkprobe gebildet (siehe Tabellen in Anhang 5). Aus zeitlichen und organisatorischen Gründen konnten leider nicht alle beteiligten Hofkäsereien zu jedem Testter- min eine Quarkprobe einschicken.1 Die Anzahl der tatsächlich durchgeführ- ten Tests werden je Betrieb in den folgenden Abbildungen mit n gekenn- zeichnet. Durch Aufeinanderlegen dieser Spinnennetzgraphiken können die Speisequarkproben ohne Informationsverlust gut miteinander verglichen werden. In den nachfolgenden Graphiken werden zuerst die Ergebnisprofile von Speisequark aus hofeigener Verarbeitung der Betriebe (B) B1 bis B6 in Abbildung 7 sowie die Profile von Speisequark aus industrieller Verarbeitung der Betriebe B7 bis B8 in Abbildung 8 zunächst vergleichend dargestellt. Auffallend bei den Profildarstellungen sind die Ähnlichkeiten der Profile zwi- schen den Speisequarkproben der Betriebe mit hofeigener Verarbeitung B1, B2 und B4 sowie der Speisequarkproben der Molkereien B7 und B8. 1 Während der Testphase baute der Betrieb 6 beispielsweise eine neue Hofkäserei, wodurch der Käser zeitlich sehr eingeschränkt war. 96 0,00 1,00 2,00 3,00 4,00 5,00 1 ANDERE AROMEN 2 AROMATYP JOGHURT 3 BITTER 4 CREMIG 5 RAHMGELBE FARBE 6 FEST 7 KÖRNIG 8 AROMA DER MILCHKULTUREN 9 MOLKE ABGESETZT 10 RANZIG 11 SANDIG 12 SAUER B1 (n = 12) B2 (n = 12) B3 (n = 6) B4 (n = 8) B5 (n = 10) B6 (n = 4) Abbildung 7: Profile von Speisequark aus hofeigener Verarbeitung (Intensitätsskala: 0 = nicht wahrnehmbar; 1 = sehr schwach; 2 = schwach; 3 = deutlich; 4 = stark; 5 = sehr stark) Quelle: Eigene Darstellung 0,00 1,00 2,00 3,00 4,00 5,00 1 ANDERE AROMEN 2 AROMATYP JOGHURT 3 BITTER 4 CREMIG 5 RAHMGELBE FARBE 6 FEST 7 KÖRNIG 8 AROMA DER MILCHKULTUREN 9 MOLKE ABGESETZT 10 RANZIG 11 SANDIG 12 SAUER B7 (n = 12) B8 (n = 12) Abbildung 8: Profile von Speisequark aus industrieller Verarbeitung (Intensitätsskala: 0 = nicht wahrnehmbar; 1 = sehr schwach; 2 = schwach; 3 = deutlich; 4 = stark; 5 = sehr stark) Quelle: Eigene Darstellung Das ähnliche sensorische Profil der beiden Molkereiquarkproben lässt sich insbesondere durch das von beiden angewendete Thermo-Quark-Verfahren 97 erklären. Sensorische Unterschiede zwischen diesen beiden Produkten wa- ren während der Testphase relativ gering. Vereinzelt kamen auch bei den Molkereiquarkproben stärkere Ausprägungen in einzelnen Eigenschaften vor. Herstellungstechnologischer Exkurs zu den sensorischen Eigenschaf- ten FEST und KÖRNIG: Nach rheologischen Untersuchungen von SENGE et al. (1998) liegt bei Thermo-Quark keine makroskopische Gelstruktur mehr vor, sondern eine Dispersion1 da die bei der Säuerung aufgebauten Gelstrukturen durch die Verfahrensschritte Rühren, Separieren und Pumpen mit hoher Druckbelas- tung auf Partikelgröße bei diesem Herstellverfahren zerstört werden. Die Textureigenschaft fest von Thermo-Quark kann deshalb rheologisch als „Paste mit einer sehr hohen Teilchenkonzentration“ bezeichnet werden (SENGE et al., 1998). Mit zunehmender Erhöhung der Erhitzungstemperaturen der Milch nimmt der Gehalt an nativem Molkenprotein ab und die Viskosität des Frischmilchpro- duktes nimmt zu. Die Erhitzung führt zur Denaturierung der Molkenproteine (α-Lactalbumin, β-Lactoglobulin). Bei diesem Prozess kommt es zur Auffal- tung und Aggregation der globulären Proteinmoleküle, die zu einem Anstieg des hydrodynamischen Volumens2 und damit zur Erhöhung der Viskosität führen. Die größte Voluminosität (cm³/g) von Molkenproteinaggregaten be- steht bei Temperaturen um 90 °C durch die verstärkte Einlagerung von Was- ser. Die Voluminosität nimmt jedoch mit zunehmender Erhitzungstemperatur über 90 °C wieder ab (KESSLER, 1996, 190ff.). KELLY und O’DONELL (1998) untersuchten den Temperatureinfluss auf die Mikrostruktur von Spei- sequark. Dabei zeigte Speisequark aus pasteurisierter Milch (72 °C, 15 s Heißhaltezeit) eine deutlich festere Struktur aus „dicht gepackten“ Caseinmi- zellen als Quark aus hocherhitzter Milch (90 °C, 10 min. Heißhaltezeit). Die Festigkeit des Speisequarks hängt insbesondere von seinem restlichen Molkenwasser- und Molkenproteingehalt ab. Sackquark aus pasteurisierter Milch (+ 62 °C bis maximal + 75 °C) enthält in der Eiweißfraktion hauptsäch- lich Casein und relativ wenig denaturierte Molkenproteine, weshalb er in der Regel ein deutlich festes Gefüge aufweist (MEISEL et. al., 1988, 238). Im Gegensatz dazu enthält Quark aus hocherhitzter Milch (+ 85 °C bis +127 °C) wesentlich mehr denaturierte Molkenproteine, wie bereits bei der Beschrei- bung der Festigkeit von Molkereiquark erwähnt. Ursachen für Schwankungen bei Quark aus hofeigener Verarbeitung in der Eigenschaft fest sind sehr zahlreich und insbesondere durch die Käser be- einflussbar (siehe Abbildung 9). Wird der Quarkbruch beispielsweise zu früh geschöpft oder muss aus zeitlichen Gründen zu früh nach dem Schöpfen abgefüllt werden, verbleibt mehr Molke im Quark, wodurch der Speisequark eine weiche Textur bekommt (HARTWIG, 1959, 108). Nach MEISEL et al. (1988, 237) ist es beim Sackquarkverfahren technisch kaum möglich, immer 1 Dispersion: Flüssiges Gemisch, in dem Stoffe mit der gleichen Teilchengröße fein verteilt sind (TÖPEL, 1991, 16). 2 Hydrodynamisches Volumen: „Volumen, das die Proteine inklusive des von ihnen immobilisierten Wassers einnehmen“ (KESSLER, 1996, 190). 98 die exakt gleiche Festigkeit zu erzielen, da der Molkenablauf quantitativ nicht gut zu beherrschen ist. Im Gegensatz dazu beträgt beim Thermo-Quark- Verfahren der Trockenmassegehalt des Quarks konstant 18 %. 1,86 4,20 4,11 1,33 1,67 4,22 0,00 0,50 1,00 1,50 2,00 2,50 3,00 3,50 4,00 4,50 5,00 23 .0 5. 19 97 30 .0 5. 19 97 13 .0 6. 19 97 27 .0 6. 19 97 16 .0 7. 19 97 31 .1 0. 19 97 12 .1 1. 19 97 26 .1 1. 19 97 03 .1 2. 19 97 17 .1 2. 19 97 21 .0 1. 19 98 04 .0 2. 19 98 M itt el w er t Testtermine In te ns itä ts sk al a: fe st B1 (n =12) B2 (n =12) B4 (n = 8) Abbildung 9: Schwankungen in der Festigkeit von drei Hofquarkproben Quelle: Eigene Darstellung 3,83 0,88 0,67 3,89 3,22 0,75 0,00 0,50 1,00 1,50 2,00 2,50 3,00 3,50 4,00 4,50 5,00 23 .0 5. 19 97 30 .0 5. 19 97 13 .0 6. 19 97 27 .0 6. 19 97 16 .0 7. 19 97 31 .1 0. 19 97 12 .1 1. 19 97 26 .1 1. 19 97 03 .1 2. 19 97 17 .1 2. 19 97 21 .0 1. 19 98 04 .0 2. 19 98 M itt el w er t Testtermine In te ns itä ts sk al a: k ör ni g B1 (n = 12) B2 (n = 12) B4 (n = 8) Abbildung 10: Schwankungen in der Körnigkeit von drei Hofquarkproben Quelle: Eigene Darstellung Ähnlich hohe Schwankungen sind bei der Eigenschaft des Aussehens körnig erkennbar, die in Abbildung 10 dargestellt sind. Hier liegt die Variationsbreite von Speisequark bei B1 zwischen 3,83 (Maximum) und 0,88 (Minimum), bei B2 zwischen 3,89 und 0,67 und auch bei B4 zwischen 3,22 und 0,75. 99 Ein körniges Aussehen des Speisequarks tritt vor allem durch zu frühes Schneiden der Gallerte auf (HARTWIG, 1959, 109). Ist die Labwirkung im Vergleich zur Säurewirkung zu stark, z. B. durch die Zugabe einer zu hohen Labmenge, oder säuert die Milchkultur nicht ausreichend, kann diese Eigen- schaft ebenso verstärkt im Speisequark auftreten (LIEBERMANN, 1998). 5.7.1.2 Ergebnisse der Hauptkomponentenanalyse Zur Berechnung der Hauptkomponentenanalyse dienen in dieser Arbeit die Gruppenurteile der durchschnittlich 7 Prüfpersonen für 8 Speisequarkproben mit 12 Deskriptoren. Von diesen Ausgangsdaten werden die Mittelwerte von insgesamt 12 Untersuchungen gebildet, so dass eine zwei-dimensionale Endergebnistabelle mit den „Produkten x Deskriptoren“ entsteht, die die Ba- sis für die Kalkulation der PCA ist (siehe Anhang 6). In Tabelle 19 werden die mittels PCA errechneten Faktorladungen für 12 Deskriptoren und 8 Speise- quarkproben dargestellt. Tabelle 19: Faktorladungen für 12 Deskriptoren und 8 Speisequarkproben für die 1. und 2. Hauptkomponente Deskriptoren Hauptkomponente 1 Hauptkomponente 2 körnig 0,97550 -0,02493 sandig 0,96805 0,00942 Molke abgesetzt -0,95167 -0,11947 cremig -0,90030 -0,36920 bitter 0,89669 0,06117 Farbe 0,89177 0,004136 fest 0,87128 -0,015684 ranzig 0,80558 0,00961 sauer 0,07209 0,93542 Aromatyp: Joghurt -0,39685 0,85356 Aroma der Milchkulturen 0,56579 -0,62987 andere Aromen 0,42962 0,54456 Betrieb 1 0,34478 -0,35867 Betrieb 2 -0,08264 -0,32876 Betrieb 3 0,37427 0,79922 Betrieb 4 0,02185 -0,60396 Betrieb 5 -0,89202 2,08821 Betrieb 6 2,05574 0,07350 Betrieb 7 -1,075251 -0,83872 Betrieb 8 -0,74947 -0,83083 Quelle: Eigene Darstellung In Abbildung 11 ist das Ergebnis der Hauptkomponentenanalyse für die 8 Speisequarkproben graphisch dargestellt. Die erste Hauptkomponente erklärt 60,7 % der Varianz mit 8 Deskriptoren, die nachfolgend in der Reihenfolge ihrer Bedeutung aufgeführt werden (die höchsten Faktorladungen sind in Ta- belle 19 kursiv markiert): • körnig, sandig, Molke abgesetzt, cremig, bitter, Farbe, fest, ranzig 100 Die zweite Hauptkomponente erklärt 20,7 % der Varianz mit 3 Deskriptoren, die nachfolgend in der Reihenfolge ihrer Bedeutung aufgeführt werden: • sauer, Aromatyp Joghurt, Aroma der Milchkulturen Abbildung 11: PCA-Ladungsplot für Speisequarkproben und 12 Deskripto- ren für die 1. und 2. Hauptkomponente (B1-B6 = Hofquarkproben; B7, B8 = Molkereiquarkproben) Quelle: Eigene Darstellung B5 B6 B7 B8 B2 B4 B1 B3 -2,5 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 2,5 -2,5 -1,5 -0,5 0,5 1,5 2,5 Hauptkomponente 1 (60,7 %) Hauptkomponente 2 (20,7 %) 6 fest 12 sauer 9 Molke 4 cremig 2 Aromatyp: Joghurt 8 Aroma der Milchkulturen 5 rahmgelbe Farbe 3 bitter 1 andere Aromen 7 körnig ranzig 10 sandig 11 3 5 Insgesamt können mit den ersten beiden Hauptkomponenten (= Faktoren) 81,4 % der Varianz erklärt werden. Bei einer zweiten Berechung der PCA mit dem Schwellenwertmodell, das auf einer Standardisierung mit Effektgrößen basierte, konnten die ersten beiden Faktoren sogar 91 % der Varianz erklä- ren (PIEPHO und KALKA, 2003). Die inhaltliche Interpretation bleibt jedoch die Gleiche, womit das PCA-Ergebnis des Schwellenwertmodells die hier dargestellten Ergebnisse bestätigt und statistisch absichert. Der Deskriptor „andere Aromen“ weist als einzige Eigenschaft die höchste Ladung bei der 3. Hauptkomponente auf. Dennoch ist die Faktorladung der Eigenschaft andere Aromen von 0,65313 im Vergleich zu den Faktorladun- gen der 1. (0,42962) und 2. (0,54456) Hauptkomponenten weniger stark ausgeprägt, obwohl diese ebenso relativ hoch laden. Aus den o. g. Gründen wird auf die Darstellung der 3. Hauptkomponente verzichtet. Wie bereits bei den Spinnennetzgraphiken deutlich wurde, bestätigt auch diese Hauptkomponentenanalyse sehr anschaulich die sensorischen Ähn- lichkeiten der beiden Molkereiquarkproben (B7 und B8), da sie in der Graphik sehr nahe beieinander liegen. Beide Produkte werden stärker als die hofei- 101 genen Produkte durch die Deskriptoren Molke abgesetzt und cremig defi- niert. Da sie am weitesten entfernt von den Deskriptoren bitter, sandig, Aro- matyp Joghurt, Farbe, fest, körnig, ranzig und insbesondere sauer liegen, haben sie nur eine schwache Ausprägung (= geringe Faktorladung) in diesen Eigenschaften. Herstellungstechnologischer Exkurs zu der sensorischen Eigenschaft SAUER: Einerseits wird Molkereiquark bei einem pH-Wert von mindestens 4,7 oder höher thermisiert, wodurch das Wachstum der mesophilen Bakterienstämme eingestellt wird und eine Weitersäuerung praktisch unmöglich ist (LIEBERMANN, 1998). Andererseits findet bei der Herstellung von Sackquark durch die Zugabe ei- ner höheren Menge an Starterkulturen eine stärkere Säuerung als bei Molke- reiquark statt. Hinzu kommt, dass hofeigener Speisequark i. d. R. eine län- gere Säuerungsphase hat und nach der Abfüllung in 500-g-Gläser sehr lang- sam herunterkühlt, so dass der Speisequark im Glas i. d. R. nachsäuert. Durch die Nachsäuerung weist Quark aus hofeigener Verarbeitung einen pH- Wert unter 4,7 auf. Aufgrund dieser herstellungsbedingten Einflussfaktoren wurden die untersuchten hofeigenen Speisequarkproben saurer bewertet als der Molkereiquark von B7 und B8. Wie bereits die Profile der Spinnennetzgraphiken anschaulich zeigen konn- ten, gibt es große sensorische Unterschiede zwischen den Speisequarkpro- ben der Betriebe B5 und B6 und den Hofquarkproben B1-B4. Wie aus der Abbildung 11 hervorgeht, wird der Speisequark von Betrieb B5 am stärksten durch die Flavoureigenschaften Aromatyp: Joghurt und durch sauer definiert. Im Vergleich zu allen anderen Proben ist dieser Speisequark am weitesten von den quarktypischen Aromen der Milchkulturen entfernt. Das bedeutet, dass diese Eigenschaft sehr schwach bewertet wurde. Diese drei genannten Eigenschaften sind durch die von den anderen Hofkäsereien abweichende Herstellungsweise zu erklären. Da dieser Quark sowohl Jo- ghurt- als auch Quarkeigenschaften aufweist, wird er in dieser Arbeit auch als „Joghurtquark“ bezeichnet. Herstellungstechnologischer Exkurs zu den sensorischen Eigenschaf- ten Aromatyp Joghurt und SAUER: Der Betrieb B5 benutzt im Gegensatz zu allen anderen Betrieben eine typi- sche Joghurtkultur, bestehend aus Streptococcus salivarius subsp. ther- mophilus, Lactobacillus delbrueckii subsp. lactis und Lactobacillus delbrueckii subsp. bulgaricus. Diese Bakterienstämme sind hauptsächlich durch die Bil- dung von Acetaldehyd, Azeton und Ethanol sowie weitere Ketone, Ester, Fettsäuren und Essigsäure für das joghurttypische Aroma verantwortlich (WEBER, 1996, 130, 181ff.). Nach DREYER (1998) entsteht bei dieser o. g. traditionellen Joghurtkultur kein Diacetyl. Aus diesem Grund ist die Eigen- schaft Aroma der Milchkulturen am schwächsten von allen untersuchten Quarkproben ausgeprägt. 102 Die Eigenschaft sauer ist bei diesem hofeigenen Quark (B5) am stärksten ausgeprägt. Bei einigen Testterminen protokollierten die Prüfpersonen sogar einen scharfsauren bis zitronensauren Geschmack. Nach WEBER (1996, 191) kann dies auf eine Über-/oder Nachsäuerung durch zu langsames Kühlen, zu hohe Lagertemperaturen oder durch ein Dominieren des Lacto- bacillus delbrueckii subsp. bulgaricus hervorgerufen werden. Der Speisequark des Betriebes B6 ist verglichen mit den anderen Hofkäse- reiquarkproben ein weiterer stark abweichender Quark. In Abbildung 11 ist seine Position sehr weit von den anderen entfernt und korreliert sehr stark mit den Eigenschaften fest, körnig, sandig, bitter und ranzig. Zur Ranzigkeit muss angemerkt werden, dass dieser Speisequark (von B6) nur 4 Mal getestet werden konnte, d. h., es handelt sich um eine sehr geringe Stichprobe. Weiterhin waren aus zeitlichen und organisatorischen Gründen die Proben im Gegensatz zu den anderen Proben bei der Verkostung bis zu 7 Tage alt. Zum einen könnte eine längere Lagerzeit eine fortschreitende Hydrolyse des Milchfettes durch sowohl originäre als auch bakterielle Lipa- sen zu der unerwünschten Eigenschaft ranzig führen (JELLINEK, 1981, 155). Zum anderen wird bei der Herstellung, im Gegensatz zu allen anderen Hof- käsereien, der Bruch vor dem Ablassen in einen Quarksack eine Minute mit einem Rührwerk durchgerührt, wodurch der Bruch einer stärkeren mechani- schen Bearbeitung als bei den anderen hofeigenen Quark-Verfahren unter- liegt.1 Die Ranzigkeit wurde durchschnittlich zwar sehr schwach bis schwach, aber im Vergleich mit allen anderen Quarkproben am höchsten bewertet. Die Eigenschaften körnig und sandig wurden bei dem Quark B6 wesentlich stärker bewertet als bei allen anderen Proben. Nach LIEBERMANN (1998) ist dafür insbesondere eine zu starke Labwirkung im Verhältnis zur Säurewir- kung verantwortlich. Der Quark wird nicht in einer Abfüllmaschine durchmischt, sondern wird von Hand in 5 bis 10-kg Eimer abgefüllt. Dadurch bleibt das Gefüge weitgehend erhalten und wird als stark bis sehr stark körnig im Aussehen und deutlich bis sehr stark sandig in der Textur wahrgenommen. Im Vergleich dazu werden die anderen Hofkäsereiquarkproben in Abfüllmaschinen vermischt oder auch von Hand vor dem Abfüllen gerührt. Dies ist ein weiterer Grund, weshalb bei diesem Speisequark die Eigenschaften cremig und Molke abgesetzt am schwächsten bewertet wurden. 5.7.2 Ergebnisse des Wilcoxon Vorzeichenrangtests – Exakter Test Bei der Prüfung der sensorischen Unterschiede ist von großem Interesse, in welchen Eigenschaften sich die Speisequarkproben aus hofeigener und industrieller Verarbeitung unterscheiden. Mit dem exakten Wilcoxon Vorzei- chenrangtest wird diese Fragestellung überprüft. Dabei werden die Ergeb- nisse der hofeigenen Speisequarkproben mit den Molkereiquarkproben paarweise verglichen. In Tabelle 20 wird eine Auswahl der wichtigsten Ergebnisse dargestellt, in der jeweils die Prüfgröße T mit dem entsprechen- den Signifikanzniveau aufgeführt wird. 1 vgl. Kapitel 5.6: Herstellungsfehler und ihre sensorischen Auswirkungen. 103 Tabelle 20: Wilcoxon Vorzeichenrangtest für Speisequark aus hofeigener und industrieller Verarbeitung Deskriptoren Speisequark aus hofeigener Ver- arbeitung1 B7 Molkereiquark (n = 12) B8 Molkereiquark (n = 12) T-Wert p2 T-Wert p2 cremig B1 (n = 12) 0 *** 0 *** B2 (n = 12) 0 *** 0 *** B3 (n = 6) 0 * 0 * B4 (n = 8) 0 ** 0 ** B5 (n = 10) 0 ** 0 ** sauer B1 (n = 12) 0 *** 0 *** B2 (n = 12) 0 *** 0 *** B3 (n = 6) 0 * 0 * B4 (n = 8) 0 ** 0 ** B5 (n = 10) 0 ** 0 ** sandig B1 (n = 12) 0 *** 0 *** B2 (n = 12) 0 *** 2 ** B3 (n = 6) 0 * 0 * B4 (n = 8) 0 ** 0 ** B5 (n = 10) 0 ** 14 ns bitter B1 (n = 12) 11,5 * 1,5 ** B2 (n = 12) 0 *** 0 *** B3 (n = 6) 0 * 0 * B4 (n = 8) 4 * 0 ** B5 (n = 10) 0 * 14 ns Quelle: Eigene Berechnung 1) Aufgrund der geringen Probenanzahl von Betrieb 6 (n = 4) kann dieser Test nicht mit den Ergebnissen dieses Betriebes durchgeführt werden und wird deshalb nicht in Tabelle 20 erwähnt. 2) Signifikanzniveau: p < 0,05 = * signifikant; p < 0,01 = ** hoch signifikant; p < 0 ,001 = *** höchst signifikant; p > 0,05 ns = nicht signifikant; n = Anzahl der untersuchten Proben. Wie aus der Tabelle 20 hervorgeht, sind signifikante bis höchstsignifikante Unterschiede zwischen Speisequark aus hofeigener und industrieller Verar- beitung bei den Eigenschaften cremig und sauer festzustellen. Speisequark aus hofeigener Verarbeitung wurde in diesen Untersuchungen signifikant saurer bewertet als Molkereiquark. Dagegen bewertete das Panel Molkerei- quark signifikant cremiger als hofeigenen Speisequark. Weitere Unterschiede sind bei der Eigenschaft sandig festzustellen. Mit Aus- nahme eines Vergleichspaares, nämlich B5 (Joghurtquark) und B8, gibt es auch bei diesem Deskriptor signifikante bis höchstsignifikante Unterschiede zwischen den Speisequarkproben aus hofeigener und industrieller Verarbei- tung. Bei der Eigenschaft bitter sind signifikante Unterschiede mit Ausnahme des Speisequarks von Betrieb B2 geringer. Speisequark aus hofeigener Ver- arbeitung ist bei diesen Untersuchungen signifikant sandiger und bitterer als Molkereiquark. Diese genannten charakteristischen Eigenschaften sind überwiegend auf die unterschiedlichen Herstellungsverfahren von Sackquark und Thermo-Quark zurückzuführen. 104 Herstellungstechnologischer Exkurs zu der sensorischen Eigenschaft CREMIG: Der Molkereiquark enthält, wie bereits erwähnt, einen höheren Molkenprote- ingehalt, wodurch eine stark cremige und homogene Textur des Quarks her- vorgerufen wird. Durch das Rühren, das Separieren und das anschließende Pumpen durch Röhrenkühler bei einem Druck von 10-12 bar wird die Struktur des Thermo-Quarks sehr pastös und geschmeidig. Aufgrund dieses Mund- gefühls wird dieser Quark cremiger wahrgenommen als die untersuchten Hofkäsereiquarkproben.1 Dabei ist anzumerken, dass das Panel unter den Intensitäten „nicht wahrnehmbar“ (0) ein raues, nicht zartgeschmeidiges Mundgefühl und unter „sehr stark“ (5) eine relativ fest-cremige Textur und nicht als eine relativ luftig/locker-cremige Textur definierte (siehe Anhang 4). Diese oben genannten Verfahrensschritte bewirkten gleichzeitig, dass der Molkereiquark in den Eigenschaften sandig (Textur) und körnig (Aussehen) durchschnittlich nicht oder höchstens mit der Intensität sehr schwach be- wertet wurde. Herstellungstechnologischer und statistischer Exkurs zu der sensori- schen Eigenschaft BITTER: Die Hofkäsereiquarkproben der Betriebe B1, B2, B3 und B4 schwanken bei bitter durchschnittlich zwischen nicht und schwach wahrnehmbar. Die Proben des Betriebes B6 schwanken zwischen nicht und deutlich wahrnehmbar. Im Vergleich dazu ist in den Molkereiquarkproben die Eigenschaft bitter nicht bzw. sehr schwach wahrnehmbar. Auffälligerweise weist der „Joghurtquark“ B5 im Gegensatz zu allen anderen hofeigenen Quarkproben die niedrigste Intensität in der Eigenschaft bitter auf. Dies könnte zum einen mit der starken Bildung von Milchsäure und Acetaldehyd durch den Einsatz von thermophi- len Joghurt-Starterkulturen zusammenhängen. Zum anderen wird bei diesem Herstellverfahren im Gegensatz zu allen anderen Hofkäsereien kein Lab zur Festigung der Gallerte verwendet, das zu einem Bittergeschmack führen kann. Bei einer Signifikanzprüfung der gleichen Daten mit einem Schwellenwert- modell2 fand PIEPHO (2002) mit dem Wald-Test (mit α = 5%) keine signifikanten Unterschiede bei der Eigenschaft bitter zwischen hofeigener und industrieller Herstellung (siehe Tabelle 21). Die Ergebnisse zu sauer, sandig und cremig waren hingegen identisch mit den Ergebnissen des Wil- coxon-Tests. Das Beispiel belegt, dass Ergebnisse, die schwach signifikante Unterschiede aufweisen, vorsichtig zu interpretieren sind bzw. mit geeigneten anderen statistischen Tests überprüft werden sollten. 1 vgl. Kapitel 5.9.1: rheologische Ursachen für eine pastöse Textur durch Hocherhitzung der Milch. 2 Threshold models with fixed and random effects for ordered categorical data. 105 Tabelle 21: Means on latent scale for 4 attributes of quarg data Quarg samples (B= Betrieb) Descriptors bitter sour gritty creamy B1 -1.27ad 0.60b 0.79a 2.34b B2 -0.61b 0.42b 1.34a 2.71b B3 0.11c 1.58c 0.91a 2.09b B4 -1.14d 0.75b 0.44a 2.70b B5 -2.16e 3.94d -1.76b 2.74b B6 0.34c 0.90b 4.52c 0.02c B7 -1.64a -0.86a -3.12b 4.22a B8 -2.11e -0.97a -1.81b 4.21a Quelle: PIEPHO, 2002 (Means in a column followed by the same letter are not significantly different by a Wald-test at α = 5%. Model assumes homoge- neous variance for [ατ]ij) 5.7.3 Überprüfung der Arbeitshypothesen Nachfolgend werden die Arbeitshypothesen dieser Arbeit mit den gewonne- nen Ergebnissen überprüft. Gleichzeitig werden damit die wichtigsten statisti- schen Ergebnisse der Profilprüfung zusammengefasst. Arbeitshypothese 1: Speisequarkproben aus hofeigener und industrieller Verarbeitung haben spezifische sensorische Eigenschaften, die es Konsu- menten ermöglichen, sie voneinander zu unterscheiden. Für die untersuchten 8 Speisequarkproben aus hofeigener und industrieller Verarbeitung kann diese Arbeitshypothese nur für den Speisequark des Be- triebes B5 bestätigt und statistisch abgesichert werden. Dieser Quark unter- scheidet sich signifikant von allen getesteten Produkten in den Eigenschaften Aromatyp: Joghurt und sauer. Für den Speisequark des Betriebes B6 wird diese Arbeitshypothese ebenfalls bestätigt, kann aber aufgrund der geringen Probenanzahl nicht statistisch abgesichert werden. Dieser Quark zeichnet sich durch eine deutlich rahmgelbe Farbe, eine starke Festigkeit, ein körni- ges Aussehen und ein sandiges Mundgefühl aus. Für die hofeigenen Speisequarkproben der Betriebe B1, B2, B3 und B4 gibt es keine konstanten, spezifischen sensorischen Eigenschaften, die es den Konsumenten ermöglichen, sie voneinander zu unterscheiden. Die Arbeits- hypothese 1 kann nicht bestätigt werden. Die Molkereiquarkproben von den Betrieben B7 und B8 haben sehr ähnliche sensorische Eigenschaften, wo- durch es für ungeschulte Konsumenten kaum möglich ist, sie voneinander zu unterscheiden. Die Arbeitshypothese kann deshalb auch für die Molkerei- quarkproben von den Betrieben B7 und B8 nicht bestätigt werden. Arbeitshypothese 2: Die sensorischen Eigenschaften von Speisequark aus hofeigener Verarbeitung unterscheiden sich von Speisequark aus industriel- ler Verarbeitung. Die zwei Molkereiquarkproben (B7 und B8), hergestellt nach dem Thermo- Quark-Verfahren, unterscheiden sich signifikant von Speisequark aus hofei- gener Verarbeitung in den Eigenschaften cremig, sauer und sandig. 106 Untersuchungsergebnisse des Wilcoxon Vorzeichenrangtest haben gezeigt, dass Quark aus hofeigener Verarbeitung im Vergleich zu Molkereiquark in einem sandigen Mundgefühl und einem sauren Geschmack stärker bewertet wurde. Hingegen ist er schwächer cremig als Molkereiquark. Im Gegensatz dazu konnte ein signifikanter Unterschied mit dem Schwellenwertmodell für die Eigenschaft bitter nicht bestätigt werden. Aus diesem Grund kann die Arbeitshypothese 2 nur für die drei Eigenschaften cremig, sauer und sandig bestätigt werden. Arbeitshypothese 3: Es gibt keine typischen sensorischen Eigenschaften von Speisequark aus hofeigener Verarbeitung. Bei den drei oben genannten Eigenschaften cremig, sauer und sandig lässt sich Quark aus hofeigener Verarbeitung von Quark aus industrieller Verar- beitung signifikant unterscheiden. Diese typischen Eigenschaften sind insbe- sondere auf die technologischen Unterschiede des Sackquark- und des Thermo-Quark-Verfahrens zurückzuführen, wie sie in diesem Kapitel in Form von herstellungstechnologischen Exkursen ausführlich erläutert wurden. Die Arbeitshypothese 3 kann nicht bestätigt werden. 5.8 Kritische Reflexion Mit der Argumentation, dass sensorische Methoden reproduzierbar, relevant, robust und schnell (und damit günstig) sind, stößt die Sensorikwissenschaft sowohl in natur- als auch in geisteswissenschaftlichen Kreisen auf Wider- stand. Während die Naturwissenschaften kein Vertrauen in Messmethoden mit menschlichen Sinnen haben, protestieren die Geisteswissenschaften gegen die zu technisch empfundene Sichtweise „den Mensch als Messin- strument“ zu betrachten (MARTENS, 1999). Sensorische Prüfungen haben jedoch den Vorteil, dass komplexe und gleichzeitig viele sensorische Eigen- schaften von einem einzigen „Instrument“ – den ständig verfügbaren menschlichen Sinnen – gemessen werden können (RATHJEN, 1995, 3). Die Sensorik als objektive naturwissenschaftliche Methode wird hier einge- setzt, um ein Lebensmittel in seinen charakteristischen sensorischen Ei- genschaften und ihren Intensitäten zu beschreiben. Werden „alle“ Eigen- schaften im Sinne einer mathematischen Addition zusammengefasst, wird das Lebensmittel wieder zu einem Ganzen als Profil zusammengefügt. Das „Zerteilen“ der sensorischen Qualität in einzelne Eigenschaften wird in der Sensorikwissenschaft durch die Verwendung von komplexen Deskriptoren z. B. gesamte „Intensität des Aromas“ teilweise wieder aufgehoben. In welchem Umfang jedoch komplexe Käsegerüche und -aromen vom Men- schen tatsächlich wahrgenommen werden können, ist naturwissenschaftlich noch nicht geklärt (vgl. HOUSE und ACREE, 2002). So sind auch die Deskriptoren wie „Intensität des gesamten Aromas“ als komplexe Aromabe- schreibung in der Sensorikforschung umstritten. 107 Im Rahmen eines Sensorikprojektes zu Ökokäse gab es beispielsweise unter Käseexperten dazu eine kontroverse Debatte, wie die „Intensität des gesam- ten Aromas“ zu definieren sei: als Addition von mehreren Aromen oder als komplexer Gesamteindruck? (MEIER-PLOEGER et al., 2003b).1 Auf jeden Fall muss sich die Sensorikwissenschaft der kulturellen Einflüsse, insbesondere auf die Fachtermini und das Vokabular zur Beschreibung von Lebensmitteln, bewusst sein. Beispielsweise werden in der Profilprüfung nach DIN 10967-1 (1999) und in der deutschen Sensorikfachsprache zur Beschreibung der gustatorischen und olfaktorischen Sinneseindrücke meist nur Geschmack und Geruch als Begriffe verwendet und nicht wie in der fran- zösischen und englischen Fachsprache die umfassenderen Begriffe Flavour bzw. Aroma. Flavour wird definiert als “Complex combination of the olfactory, gustatory and trigeminal sensations perceived during tasting. The flavour may be influenced by tactile, thermal, painful and or kinaesthetic effects.” (ISO 5492, 1992). Der Begriff Aroma hingegen wird im französischen Sinne als “Organoleptic attribute perceptible by the olfactory organ via the back of the nose when tasting.” (ISO 5492, 1992) definiert. Im Gegensatz dazu wird er in der englischen Fachsprache als ein angenehmer Geruch mit einer posi- tiven Konnotation verstanden (ebd.). Aus semiotischer Sicht handelt es sich hier um kulturelle Einheiten, die sich durch ihre zugeschriebene Stellung in der franko- bzw. anglophonen Senso- rikfachsprache gegenüberstehen und andere Bedeutungen, d. h. Werte, be- sitzen, die sich aus dem System herleiten lassen (vgl. Ausführungen von ECO, 1994 in Kapitel 4.2.3). Da die genaue Unterscheidung zwischen Grundgeschmacksarten und Aromen aus sinnesphysiologischen und senso- rischen Gründen bei der Profilentwicklung für Speisequark von großer Be- deutung war und sich an einem bestehenden Profil für fromage frais lissé orientierte (HOSSENLOPP, 1995b, 102f.), wurde bei der sensorischen Ana- lyse in dieser Arbeit die französische Begriffsdefinition von Aroma über- nommen. Ein weiteres Beispiel für unterschiedliche kulturelle Bedeutungen bzgl. des Vokabulars veranschaulicht der nachfolgende Fall aus dem EU-Projekt. Dabei stießen sensorische Begriffe wie z. B. „cheesy“ zur Beschreibung von Cheddar von der irischen Forschergruppe auf große Erheiterung insbeson- dere bei den französischen WIssenschaftlern. Da „Cheddar“ und „Cheese“ im irischen Verständnis anscheinend auch synonym verwendet wird, wurde der Begriff „cheesy“ in das Vokabular zum Erstellen von Profilen für Cheddar- proben aufgenommen. In Frankreich hingegen gibt es mehr als tausend Käsesorten, so dass der Begriff „cheesy“ im französischen Verständnis ein zu allgemeiner, nichts aussagender Deskriptor zur Beschreibung von Käse und damit „wertlos“ in diesem kulturellen System wäre. 1 In einem Profilentwurf für Schnittkäse im Rahmen des o. g. Projektes wurde die Intensität des gesamten Aromas definiert als „die Stärke des globalen Reizes, der beim Riechkolben wahrgenommen wird. Dieser Reiz wird durch die beim Kauen entstandenen aromatischen Gase hervorgerufen, die durch die Atmung ins Naseninnere gelangen.“ (vgl. BERODIER et al., 1997, 20). 108 Bei dem hier verwendeten Speisequarkprofil wurde ebenfalls der Begriff „käsig“ verwendet, jedoch im deutschen Sinn als „ein wahrnehmbares käsiges Aroma, das durch eine unerwünschte Reifung des Quarks hervorgerufen werden kann.“ (vgl. Anhang 4). Im Rückblick auf die durchgeführte Profilprüfung mit acht Speisequarkproben ist es aus sensorischer Sicht besonders ärgerlich, dass kein balanciertes Untersuchungsdesign, wie es dem internationalen Forschungsstand ent- spricht, für die Prüfproben verwendet werden konnte. Aber zum einen er- brachte die wichtigste Signifikanzprüfung zu sensorischen Unterschieden zwischen hofeigenen und industriellen Quarkproben mit dem Wilcoxon Vor- zeichenrangtest und mit dem Wald-Test (Schwellenwertmodell) die gleichen Ergebnisse. Zum anderen war die Übereinstimmung der Prüfpersonen durch die intensiven Schulungen relativ hoch (siehe Anhang 6), so dass die Ergeb- nisse ausreichend statistisch abgesichert sind. Die teilweise überraschenden Ergebnisse der Profilprüfung werfen viele Fragen auf: • Geht durch eine stärkere Verarbeitung von Lebensmitteln, in diesem Fall durch das Thermo-Quark-Verfahren im Vergleich zu dem handwerklichen Sackquarkverfahren, ein Teil der „vielfältigeren“ sensorischen und damit vielleicht auch der kulturellen Qualität verloren? • Bis zu welcher Grenze werden sensorische Schwankungen toleriert oder umgekehrt (eher unbewusst?) als „typisch hofeigen“ von Kunden wahrge- nommen, die von sich behaupten, dass der „Geschmack“ für sie das wichtigste Einkaufsmotiv sei? • Was können Hofkäsereien tun, um eine kontinuierliche sensorische Quali- tät ihrer Produkte zu erreichen? Im Gegensatz zu Quark aus hofeigener Verarbeitung kann mit den Ergebnis- sen der beiden Molkereiquarkproben der Betriebe 7 und 8 gezeigt werden, dass sie sehr ähnliche sensorische Eigenschaften besitzen. Aufgrund ihrer Ähnlichkeit wird es deshalb für die meisten Konsumenten nicht möglich sein, sie voneinander zu unterscheiden, weshalb sie aus Marketingsicht einen austauschbaren Charakter haben. Bei Gruppendiskussionen (Kapitel 6) über Quark aus hofeigener Verarbei- tung berichteten einige Konsumenten, dass sie mit der hedonischen Qualität von Molkereiquark sehr unzufrieden seien. Interessant ist dazu die Darstel- lung eines Verbrauchers, nach dessen Meinung in dem maschinell herge- stellten Quark1 „nichts mehr drin ist“. Umgekehrt würde das bedeuten, dass in hofeigenem Quark „etwas drin“ sein muss, das sich von Molkereiquark unterscheidet? Der Konsument (Hausmann) beschrieb seine Eindrücke von Molkereiquark folgendermaßen: „Geschmack lässt sich schwierig beschreiben, aber es ist, als ob gar nichts drin ist. So nichts sagend. Bei der Besichtigung einer Molkerei habe ich gesehen, welche Menge Quark aus einem Liter herausgeholt wurde. Das hat nichts mehr mit Quark zu tun. Das ist nur noch eine maschinelle Verarbeitung einer Masse, da kann nichts mehr drin sein.“ 1 Hierbei handelte es sich um Speisequark, der nach dem Ultrafiltrationsverfahren hergestellt wurde. 109 Wenn man die Spinnennetzprofile der hofeigen und industriell hergestellten Quarkproben in Kapitel 5.7.1.1 genauer analysiert, gibt es Parallelen zu die- ser Verbraucheraussage. Bei Molkereiquark wurden wesentlich weniger sen- sorische Eigenschaften in höheren Intensitäten von dem Panel bewertet als die Hofquarkproben. Außer cremig wurden die anderen Deskriptoren in ihrer Intensität relativ schwach bewertet. Dies wäre ein möglicher Erklärungsan- satz für die Beschreibung „da ist nichts drin“, die dieser Verbraucher zweimal benutzt. Weitere Zusammenhänge zwischen sensorischen und hedonischen Qualitäten werden in Kapitel 6 erarbeitet. In der Praxis zeigt sich, dass für die sensorisch sehr unterschiedlichen Quarkproben der beteiligten sechs Hofkäsereien eine zufrieden stellende Nachfrage von Seiten der Verbraucher besteht. Die meisten Kunden sind auch anscheinend bereit, geringe Produktschwankungen zu akzeptieren. Verbesserungen im Herstellungsverfahren sind jedoch vor allem für jene Be- triebe ratsam, deren Speisequark unerwünschte Eigenschaften wie bitter bzw. andere Aromen verstärkt aufweist. Darüber hinaus wurden während zwei Erzeugerschulungen im Rahmen des EU-Forschungsprojektes zur sensorischen Qualität von Speisequark Defizite in der sensorischen Wahr- nehmungsfähigkeit beispielsweise von Grundgeschmacksarten deutlich. Nach einer sensorischen Prüfung in Anlehnung an die Profilprüfung von sechs Speisequarkproben aus hofeigener Verarbeitung waren die Käser zum einen über die sensorische Vielfalt eines so „einfachen Produktes wie Spei- sequark“ überrascht. Zum anderen hatten alle Erzeuger größte Schwierig- keiten, unter den fünf Speisequarkproben aus hofeigener Verarbeitung ihr selbst hergestelltes Produkt wiederzuerkennen. Bisher wird in den meisten Hofkäsereien Sensorik nur in geringem Umfang angewendet, wobei sie sich als Qualitätssicherungsinstrument gerade in der handwerklichen Lebensmittelverarbeitung besonders eignet. Aufgrund der hohen Qualitätsanforderungen an Produkte aus ökologischem Anbau ergibt sich die Zielsetzung, eine kontinuierliche sensorische Qualität von hofeige- nen Produkten zu erreichen, die von den Verbrauchern gewünscht wird. Dies ist für die Weiterentwicklung in der hofeigenen Milchverarbeitung von exis- tentieller Bedeutung. Nur dadurch können langfristig die Konsumenten über- zeugt und neue für den Kauf von Produkten aus hofeigener Verarbeitung gewonnen werden. Aufgrund der überragenden Bedeutung des Geschmacks (hedonische Qua- lität) von Produkten aus hofeigener Verarbeitung, dem Auftreten von uner- wünschten Eigenschaften, der Schwankungen bei den sensorischen Tester- gebnissen und den Defiziten der sensorischen Wahrnehmungsfähigkeit der Erzeuger ergibt sich die Notwendigkeit, ein sensorisches Konzept zu entwi- ckeln, das praxisorientierte Ansätze für den Einsatz der Sensorik als kosten- günstiges Qualitätssicherungsinstrument in der handwerklichen Milchverar- beitung liefert. Die Umsetzung der hier empirisch gewonnenen Erkenntnisse in die Praxis wird im II. Teil der Arbeit (Kapitel 7) dargestellt. Darüber hinaus ist aus Verbrauchersicht zu hinterfragen, weshalb es bisher so wenige vergleichende sensorische Untersuchungen zu Lebensmittel aus ökologischem und konventionellem Anbau gibt. Die bisherigen Studien (vgl. Einleitung in Kapitel 3) lassen noch keine eindeutigen Tendenzen erkennen, inwieweit es signifikante sensorische Unterschiede zwischen Öko- und 110 Nichtökolebensmitteln gibt. Gerade dieser Bereich ist insbesondere für Verbraucher, aber auch für Erzeuger und Vermarktung von Ökolebensmitteln von großem Interesse, weshalb hier noch ein erheblicher Forschungsbedarf besteht. 111 6 Diskursive Begründungen des Handelns der Verbrau- cher als Verbindungen zwischen ökologischer, sensori- scher und kultureller Qualität von Speisequark Ausgehend von dem handlungstheoretisch begründeten Modell, dass Verbraucher sowohl objektive als auch subjektive und kulturelle Qualitäten bei Esshandlungen integrieren (Kapitel 2.3), sollen in diesem Kapitel Verbin- dungen zwischen den sensorischen, ökologischen und kulturellen Qualitäten von Speisequark hergestellt werden. Dazu werden zuerst die Methodik, die Planung und Durchführung und das Auswertungsverfahren der Gruppendiskussionen mit Verbrauchern, die die Inhalte der „diskursiven Begründungen des Handelns“ liefern, erläutert. In der Ergebnisdarstellung werden die wichtigsten Eigenschaften von Speisequark aus hofeigener Verarbeitung aus Sicht der Verbraucher dargestellt und klas- sifiziert, und es wird auf kulturelle Ideale eingegangen. 6.1 Ermittelnde Gruppendiskussionen mit Verbrauchern von hofeigenem Speisequark 6.1.1 Methodik der ermittelnden Gruppendiskussion Ziel der Gruppendiskussion als eine qualitative Forschungsmethode ist es, „Informationen und Befunde substanzieller Art“ durch Ermittlung der Meinun- gen und Einstellungen einzelner Teilnehmer sowie der ganzen Gruppe in der Gruppensituation zu einem vorgegebenen Thema zu erforschen (LAMNEK, 1995, 134). Es handelt sich dabei um eine spezifische Befragungsmethode, die mehr als eine gleichzeitige Befragung von mehreren Personen darstellt, da sie einen „diskursiven Austausch von Ansichten und Argumenten mit deren möglicher Modifikation im Verlauf der Diskussion“ darstellt (LAMNEK, 1998, 29-34). Im Rahmen dieser Arbeit liegt der Schwerpunkt des Unter- suchungsziels ausschließlich bei der Ermittlung von inhaltlichen Informatio- nen, weshalb gruppendynamische Prozesse wenig berücksichtigt werden. Für Gruppendiskussionen wird eine Anzahl von 6-10 Teilnehmern empfoh- len, die unter der Leitung eines Moderators ein vorgegebenes Thema disku- tieren (vgl. ebd., 101). Vorteil dieser Methode sind positive Kleingruppenef- fekte, wodurch eventuell Hemmungen der Teilnehmenden schneller als in Einzelinterviews abgebaut werden und sich die Teilnehmer gegenseitig durch ihre Diskussionsbeiträge anregen. Dadurch können auch eher unbewusste Wertvorstellungen erforscht sowie spontane Reaktionen provoziert werden. Der einzelne Teilnehmer kann sich in einer Gruppe sicherer fühlen und ist eher bereit, seine Meinung kundzutun, die er in einem Einzelinterview even- tuell nicht gesagt hätte. Darüber hinaus ist es eine ökonomische Methode, um innerhalb kurzer Zeit ein breites Spektrum von Meinungen und Einstel- lungen von mehreren Personen zu erforschen. Nachteil dieser Methode ist ein eventuell gruppendynamischer Kontrollmechanismus, durch den sich die Meinungen einzelner Teilnehmer an einer Gruppennorm ausrichten (BEREKOVEN et al., 1996, 97). Mit Hilfe eines qualifizierten Moderators kann dieses Problem zumindest minimiert werden, indem er darauf achtet, dass alle Teilnehmer auch mit konträren Meinungen zu Wort kommen. In der Regel werden Gruppendiskussionen auf Tonband oder Video aufgenommen und anschließend transkribiert. 112 Bei der Planung einer Gruppendiskussion müssen nach LAMNEK (1993, 146) insbesondere folgende Fragen beachtet und je nach Untersuchungsge- genstand bestimmt werden. Sie werden hier als Stichpunkte aufgelistet und im nächsten Kapitel in Bezug zu den durchgeführten Gruppendiskussionen näher erläutert: • Ad hoc oder natürliche Gruppe? • Homogene oder heterogene Gruppe? • Zufällige oder bewusste Auswahl der Teilnehmer? • Diskussionsort: Labor oder Feld? • Diskussionsdauer? • Formal strukturierter oder unstrukturierter Verlauf? • Direktive oder nondirektive Diskussionsleitung? • Aufzeichnungsart? • Transkriptionsverfahren? • Auswertungsverfahren? 6.1.2 Planung und Durchführung von zwei Gruppendiskussionen Im September 1997 wurden Diskussionen mit zwei Fokusgruppen von Verbrauchern von hofeigenen Produkten durchgeführt. Ziel dieser Gruppen- diskussion war es, die Meinungen und Einstellungen der einzelnen und der ganzen Gruppe zur Qualität von Speisequark aus hofeigener und industrieller Verarbeitung zu erfragen sowie die wichtigsten Eigenschaften von Speise- quark aus hofeigener Verarbeitung zu erforschen. 6.1.3 Konstituierung der Gruppen und Auswahl der Teilnehmer Voraussetzung für die Teilnahme war, dass die Verbraucher hofeigenen Quark regelmäßig, d. h. mindestens einmal im Monat, einkaufen. Dabei han- delte es sich um Speisequark, der von ökologisch wirtschaftenden Betrieben hergestellt wurde. Das bedeutet, dass die ausgewählten Teilnehmer als Gruppe von „Hofquark“-Konsumenten bezüglich des Untersuchungsgegens- tandes homogen sind (vgl. LAMNEK, 1998, 98). Bei der Zusammensetzung dieser Ad hoc-Gruppen, d. h. die Teilnehmer kannten sich nicht untereinander, wurde eine ausgeglichene Altersstruktur, Geschlechterverteilung und berufliche Tätigkeit angestrebt. Ad hoc-Gruppen haben gegenüber natürlichen Gruppen den Vorteil, dass sie meist offener und diskussionsfreudiger sind und dadurch ein breiteres Meinungs- und Ein- stellungsspektrum liefern (ebd., 100). Die Teilnehmer wurden in den Ein- kaufsstätten von Speisequark aus hofeigener Verarbeitung in Witzenhausen (Naturkostladen und Öko-Hofladen), Eschwege (Marktstand) und Kassel (Naturkostladen) von den Verkäufern zufällig angesprochen und bei Interes- se zu diesem Verbrauchergespräch eingeladen. Darüber hinaus hat die Verfasserin einige Teilnehmer persönlich angesprochen und zu diesem Gespräch eingeladen. In Tabelle 22 wird die Zusammensetzung der beiden Gruppen dargestellt. Die Verbraucher wurden für ihre Teilnahme an diesem Gespräch nicht bezahlt. Als Dank für ihre Teilnahme wurden sie nach Ende des Gesprächs mit Kaffee und Kuchen bewirtet. 113 Tabelle 22: Soziodemographische Daten von 2 Verbraucherfokusgruppen zu Speisequark Gruppen Alter in Jahren Geschlecht Berufliche Tätigkeit 1. Gruppe 10 Teilnehmer ¼ < 35 ¼ ≥ 35 < 55 ½ ≥ 55 6 Frauen 4 Männer ½ Akademiker ½ Nicht-Akademiker 2. Gruppe 6 Teilnehmer ½ < 35 ½ ≥ 35 <55 4 Frauen 2 Männer ⅔ Akademiker ⅓ Nicht-Akademiker Quelle: Eigene Darstellung 6.1.4 Diskussionsort und -dauer Ort des Verbrauchergesprächs war ein Seminarraum der Universität Kassel, Witzenhausen. Nach LAMNEK eignen sich Räume in Universitätsgebäuden besonders gut, da „Wissenschaftlichkeit immer noch mit [...] Korrektheit, Ver- trauenswürdigkeit etc. assoziiert wird.“ (LAMNEK, 1998, 111; 113). Die Dauer der Gruppendiskussionen wurde auf 1 Stunde bei beiden Gruppen begrenzt (vgl. ebd., 127). 6.1.5 Verlauf der Diskussion Idealtypisch verlaufen Gruppendiskussionen in den folgenden sechs Diskus- sionsphasen: Fremdheit ⇒ Orientierung ⇒ Anpassung ⇒ Vertrautheit ⇒ Konformität ⇒ Ausklingen der Diskussion. Die Phase der Fremdheit sollte möglichst kurz gestaltet werden, indem sie z. B. mit einer kurzen Vorstellungsrunde beginnt und den Teilnehmern das Ziel und die Vorgehensweise des Gesprächs erläutert werden. Den mittleren Phasen der Anpassung, der Vertrautheit und der Konformität sollte der größte Anteil der Diskussion zukommen, da in diesen Phasen die meisten Erkenntnisse über das Thema zu ermitteln sind. In der Regel ist die Bildung einer Gruppenmeinung erst in der Phase der Konformität möglich, wenn alle divergierenden Meinungen ausgetauscht wurden (LAMNEK, 1998, 123ff.). Die Diskussion wurde vorab in drei Teile strukturiert: in eine Vorstellungs- und Einführungsphase in das Thema, in die eigentliche Diskussionsphase und eine abschließende Diskussion des Gruppenergebnisses. Der Verlauf der Diskussionen orientierte sich an einem ausgearbeiteten Diskussions- leitfaden (siehe Anhang 7), wodurch eine gute Vergleichbarkeit zwischen mehreren Gruppendiskussionen möglich ist (ebd., 133, 127). Zur Ermittlung der wichtigsten Eigenschaften von hofeigenem Speisequark aus Sicht der ganzen Gruppe wurden die Ergebnisse in Stichwörtern auf Karten zusammengefasst und nach der Metaplan-Methode in der Enddiskus- sion mit den Teilnehmern in eine Rangfolge gebracht. 6.1.6 Diskussionsleitung, Art der Gesprächsführung, Aufzeich- nungsart und Transkriptionsverfahren Die Moderation der Gruppendiskussion wurde Frau Dr. Marianne Altmann, Marktforscherin der Firma Co-Konzept, Luxemburg, übertragen. Die Mode- ratorin stellte sich als unwissender Laie vor. Dies hat den Vorteil, dass die Teilnehmer sehr viel Grundlegendes in der Diskussion mitteilen und dass die 114 Moderatorin die Äußerungen nicht fachlich beurteilen und sanktionieren kann (ebd., 132). Gleichzeitig hatte sie die Rolle als Herausfordererin, die ver- suchte, Meinungen zu provozieren und besonders wichtige Diskussions- punkte so lange zu hinterfragen, bis keine neuen Erkenntnisse aus der Gruppe hinzukamen (vgl. ebd., 129). In der Literatur zu Gruppendiskussio- nen wird empfohlen, dass die Gesprächsführung sowohl nondirektiv als auch direktiv gestaltet werden sollte. Eine direktive Gesprächsführung ist notwen- dig, um den „roten Faden“ der Diskussion aufrechtzuerhalten und das Ent- fernen vom eigentlichen Thema zu vermeiden. Die nondirektive Gesprächs- führung ist aus methodischen Gründen erforderlich, damit die Teilnehmer ausreichend zu Wort kommen und die Diskussion im Idealfall von selbst läuft, so dass sich die Moderatorin so weit wie möglich zurückhalten kann (ebd., 142f.). Die Gruppendiskussionen wurden auf Tonband aufgenommen und wörtlich transkribiert. Die Transkription ist in Gruppendiskussionen erschwert, da häufig mehrere Personen gleichzeitig sprechen. Für diese Fälle wurden die Inhalte zusammengefasst. 6.1.7 Auswertungsverfahren Das Auswertungsverfahren wird insbesondere durch den Diskussionsleitfa- den beeinflusst, bei dem die informationsermittelnde Funktion nach den Un- terschieden zwischen hofeigenem und industriellem Speisequark sowie nach den wichtigsten Eigenschaften von Speisequark aus hofeigener Verarbeitung im Mittelpunkt steht. Aus diesem Grund ist für das vorliegende Material von zwei Gruppendiskussionen eine deskriptiv-reduktive Inhaltsanalyse nach der „Cut-and-Paste-Technique“ eine angemessene Methode, die zur Analyse von Gruppendiskussionen weit verbreitet ist (LAMNEK, 1998, 188). Bei dieser Methode wird ein Kategoriensystem aus den wichtigsten Frage- stellungen entwickelt. Dabei werden die relevanten Textstellen (Kodierein- heiten in Form von Wörtern, Sätzen, Phrasen) zur Beantwortung der Frage- stellungen ausgewählt und den Kategorien zugeordnet. Zur Durchführung der deskriptiv-reduktiven Inhaltsanalyse sind folgende Schritte zu berück- sichtigen: • „Der Forscher sollte bei der Gruppendiskussion selbst anwesend sein, denn damit beginnt die Datenanalyse vor der eigentlichen Analyse. • Der Forscher sollte bei den Gruppendiskussionen übereinstimmende und divergierende Muster und Typen herausfinden, die sich auf Kategorien- systeme beziehen. Diese Kategorien werden induktiv aus den Gruppen- diskussionen und/oder aus den vorgelagerten Erkenntnisinteressen ent- wickelt. • Muster und Typen werden durch entsprechende Zitatstellen, [...], dokumentiert. • Zur Überprüfung der „Richtigkeit“ der Ergebnisse kann der Forscher die Moderatoren/Assistenten/Kollegen miteinbeziehen.“ (LAMNEK, 1998, 176). Dieses Verfahren hat den Vorteil, dass es auch bei relativ eindeutigen Er- gebnissen und bei finanziell und zeitlich eingeschränkten Untersuchungssi- tuationen zufrieden stellende Ergebnisse liefert. Ein Nachteil dieser Methode besteht aus quantitativer Forschungssicht in der „selektiven Subjektivität“ bzw. dem Urteilsvermögen eines einzelnen Forschers (ebd., 1998, 168). 115 6.2 Ergebnisse der Gruppendiskussionen Die Ergebnisse der zwei Gruppendiskussionen werden zuerst für die wich- tigsten Eigenschaften von Speisequark aus hofeigener Verarbeitung aus Sicht der Verbraucher dargestellt. Dabei sind die hedonischen, ökologischen und kulturellen Qualitäten von besonderem Interesse. Auf diesem Ergebnis- teil aufbauend, wird im nächsten Schritt ein Kategoriensystem, bestehend aus relevanten Unterschiedskategorien zwischen Speisequark aus hofeige- ner und industrieller Verarbeitung, erstellt. Im dritten Schritt werden in Anknüpfung an die Theorie zu kulturellen Qualitäten (Kapitel 4.2) kulturelle Ideale von Lebensmittel aus hofeigener Verarbeitung am Beispiel von Speisequark formuliert. 6.2.1 Geschmack (hedonische Qualität) Obwohl zu Beginn der Einführungsphase die Moderatorin nicht explizit Unterschiede zwischen Speisequark aus hofeigener und industrieller Verar- beitung erfragte, war es für Verbraucher vom Beginn der Diskussion an am einfachsten, die Charakterisierung der Eigenschaften in den Dichotomen – hofeigen und industriell – darzustellen. In beiden Gruppen war die erstge- nannte und am ausführlichsten diskutierte Eigenschaft der Geschmack, d. h. die für die Verbraucher hedonisch wahrnehmbare Qualität von Speisequark. Die Beschreibung des Geschmacks fiel dabei den Teilnehmenden insgesamt relativ schwer. Zur Charakterisierung des Geschmacks von hofeigenem Quark fiel es den meisten Verbrauchern leichter, direkte Vergleiche mit Mol- kereiquark heranzuziehen und zu beschreiben, wie hofeigener Quark „nicht schmeckt“ (vgl. KARMASIN, 1993, 96). Zu einer Positivbeschreibung, wie hofeigener Quark tatsächlich schmeckt, musste die Moderatorin in beiden Gruppen die Teilnehmer auffordern, nachdem fast ausschließlich „Negativ- beschreibungen“ genannt waren. Diese sprachlichen Ausdrucksschwierig- keiten zum Geschmack sind nicht verwunderlich, da die kulturelle Verfügbar- keit sensorischer Begriffe und Beschreibungen von Lebensmitteln bei den meisten deutschen Verbrauchern wenig gefördert bzw. erlernt wurde. In der Sensorik wird die Annahme vertreten, dass ungeschulte Verbraucher nur hedonische Wahrnehmungen von Lebensmitteln äußern können, d. h. be- stimmen, was ihnen gut schmeckt bzw. nicht schmeckt, ohne dies näher aus sensorsicher Sicht begründen zu können. Zur Illustration werden exemplarisch einige Antworten von den Teilnehmen- den zitiert: „Früher haben wir hauptsächlich Schichtkäse gegessen, weil uns der Quark nicht mehr schmeckte. [...] Der [hofeigene*] Quark schmeckt nicht nach Gips, er schmeckt so wie zu unserer Kinderzeit. Er ist nicht so säuerlich wie mancher Quark und hat auch keinen so bitteren Beige- schmack.“ (Rentnerin). „[...] Ich bin Quarkfan. Der [hofeigene*] Quark hat mich vom Ge- schmack eher überzeugt. Bisher habe ich schon öfter Quark von Hof- käsereien probiert, aber der war immer sehr säuerlich, oder krümelig. Er kam nie an die Struktur [des Speisequarks*] vom Hutzelberghof heran.“ (Studentin). „Der sämtliche gekaufte, maschinell hergestellte Quark kann vom Geschmack her nicht [mit Speisequark aus hofeigener Verarbeitung*] 116 verglichen werden. Der schmeckt nach Gips. […] Das hat nichts mehr mit Quark zu tun. Das ist nur noch eine maschinelle Verarbeitung einer Masse, da kann nichts mehr drin sein. Der Geschmack hat mich abge- schreckt, aber die Molkereierfahrung hat eigentlich nur das bestätigt, was ich schon wusste.“ (Hausmann und Vater von 2 Kindern). „[...] Supermarktsahne-Quark, da wird vorher abgerahmt und dann die Sahne wieder dazugetan, glaube ich einfach mal so, [...] und ir- gendwie hat er [hofeigener Quark*] einfach einen ursprünglich einheitli- chen Geschmack. Also man merkt irgendwie, es ist nicht nur sahnig, es ist authentisch.“ (Student und Vater von 2 Kindern). „Ich finde gut, dass er fest ist. Ich hasse diesen industriell herge- stellten Quark. Ich schütte die Molke immer erst ab.“ (Lehrerin, Mutter von 2 Kindern). „Da sich keine Molke absetzt, bleibt der Geschmack auch so, so fein und inzwischen ist er auch noch wirklich gut haltbar, das ist mir schon aufgefallen. Der hält sich jetzt bis zu zwei Wochen.“ (Wissenschaftliche Angestellte). *Einfügungen und Anmerkungen der Verfasserin Zu der Aussage, dass hofeigener Quark nicht wie Molkereiquark „nach Gips“ schmeckt, muss angemerkt werden, dass in Deutschland aufgrund der domi- nanten Butterherstellung seit etwa 1870, sehr hohe Mengen an Magermilch in den Molkereien anfielen, die zu Magerquark verarbeitet wurden (siehe Ka- pitel 4.1.3.1). Auch heute noch ist Magerquark die am häufigsten verkaufte Speisequarksorte im konventionellen Einzelhandel, weshalb wahrscheinlich viele Konsumenten mit industriellem Speisequark zuerst Magerquark asso- ziieren. Die Texturbeschreibung „gipsig“ ist eine für Magerquark übliche „Fehlerbeschreibung“, die z. B. in den DLG-Prüfbestimmungen für Milch und Milchprodukte zu finden ist (DLG, 1996). Aufgrund der Untersuchungen zur sensorischen Qualität von Speisequark (Kapitel 5) kann diese Verbraucheraussage mit Hilfe der unterschiedlichen Herstellverfahren erklärt werden. Die Textur- und Flavoureigenschaften von Speisequark aus hofeigener Verarbeitung wurden von der geschulten Prü- fergruppe wesentlich stärker in ihrer Intensität bewertet als industrieller Quark. Zusammenfassend schätzen die Verbraucher bei Quark aus hofeigener Ver- arbeitung, dass er „fester“ sei und „nicht so wässrig“ wie Molkereiquark und sich „keine Molke absetzt“. Zum Flavour des hofeigenen Speisequarks wurde von ihnen eine „milde, wohlschmeckende Säure“ und „Frische“ erwähnt. Diese Beschreibung entspricht einer typischen Flavoureigenschaft von Frischkäsen, die HOSSENLOPP (1995b, 103) als Impression de fraîcheur bezeichnet.1 1 Definition Impression de fraîcheur: „Une certaine combinaison des éléments de flaveur passés en revue ci-dessus, conduit à une impression globale et typique de fraîcheur, essentiellement liée à un bon équilibre entre acidité et arôme global, plutôt léger et sans défaut.“ (HOSSENLOPP, 1995b, 103). 117 Die Verbraucher im Alter über 55 Jahren betonten mehrfach, dass hofeigener Quark „wie früher, wie zu Hause“ bzw. „so wie zu unserer Kinderzeit“ schmeckt. Damit ist Speisequark, der nach dem Sackquarkverfahren herge- stellt wurde, gemeint. Dieser Vergleich weist auf einen historischen Aspekt der kulturellen Qualität des hofeigenen Speisequarks hin, der allerdings den älteren Verbrauchern vorbehalten bleibt und nicht wissenschaftlich nachprüf- bar ist. Obwohl es den Verbrauchern insgesamt sehr schwer fiel, die charakteristi- schen Eigenschaften von hofeigenem Quark zu beschreiben, wurde das Fla- vour als „Urgeschmack“, als „unvergleichlicher Geschmack“ und der hedoni- sche Gesamteindruck auch als „authentisch“ bezeichnet. 6.2.2 Ökologische Qualität Zur ökologischen Qualität von Speisequark aus hofeigener Verarbeitung wurden in beiden Gruppen insbesondere drei Kategorien sehr ausführlich diskutiert: die Verpackung, die regionale Herkunft und die ökologische Wirt- schaftsweise des landwirtschaftlichen Erzeugerbetriebes. Verpackung Die Verwendung von Glas mit seinem positiven Umweltimage als Mehrweg- verpackung in Deutschland, das wissenschaftlich jedoch umstritten ist, schien für die umweltsensiblen Verbraucher die ideale Verpackung zu sein. Es bedeutete für sie die erwünschte Sauberkeit und Transparenz und trug für sie zur Produktehrlichkeit bei. Hingegen wurden Kunststoffverpackungen, wie sie Molkereien in Deutschland verwenden, von beiden Gruppen fast katego- risch für hofeigene Produkte abgelehnt. Der Kunststoffverpackung wird un- terstellt, dass ein „Plastikgeschmack“ in das Milchprodukt übergeht. Kunst- stoffverpackungen haben in Deutschland ein tendenziell negatives Umwelt- image und werden auch mit „Verpackungsmüll“ assoziiert. Dies kann mit fol- genden Zitaten belegt werden: „Die Plastikverpackung, das ist so wie aus der Dose trinken. Man denkt der Plastikgeschmack ist übertragen. Es hat etwas damit zu tun, wo man etwas herausnimmt. So ein Glas hat was Neutrales, Sauberes. Plastik hat immer noch was Ungewohntes und was Fremdes.“ (Studen- tin) „Meines Erachtens reagiert die Milch auf Plastik. Kefir aus Fla- schenmilch wird wunderbar. Mit Milch aus Plastikgefäßen – das klappt nicht. [...] Meines Erachtens schmecken die ganzen Milchprodukte auch in irgendeiner Art nach Plastik. Das ist wissenschaftlich nicht erwiesen, aber irgendwo muss da ein Zusammenhang bestehen.“ (Hausmann und Vater von 2 Kindern) „Da ist wohl was Wahres dran, aber die Industrie hat noch nicht mit- gezogen. Die Milchprodukte machen den größten Anteil aus – an dem Verpackungsmüll.“ (Rentner). „Also Plastik mag ich gar nicht mehr und Glas zum Reingucken finde ich auch ganz toll. Kein gefärbtes Glas, sondern Glas, dass man es [das Produkt] sieht.“ (Berufstätige Mutter von 3 Kindern). 118 Zusammenfassendes Statement aus der Enddiskussion der 1. Gruppe: „Bloß kein Plastik, wir sind für das Glas! Das Pfand ist auch kein Problem und bei Plastik verletzt man sich öfter!“ (Lehrerin, Mutter von 2 Kindern). Regionale Herkunft versus ökologische Wirtschaftsweise Die Frage, ob die regionale Herkunft oder die ökologische Wirtschaftsweise beim Konsum von Quark aus hofeigener Verarbeitung wichtiger sei, wurde vor allem in der zweiten Gruppe kontrovers diskutiert. Tendenziell gaben die meisten Verbraucher eher der Region den Vorzug vor der ökologischen Wirt- schaftsweise. Umgekehrt schien für einige Verbraucher die ökologische Er- zeugung wichtiger zu sein als die regionale Herkunft. Eine dritte Gruppe von Verbrauchern schien erst durch die Gruppendiskussion angeregt zu sein, sich mit beiden Aspekten vertieft auseinander zusetzen. Unterschiede zwi- schen hofeigenen und industriellen Produkten wurden bei diesen Aspekten weniger diskutiert. Um diesen Diskurs zu veranschaulichen, werden nachfol- gend einige Beispiele zitiert: „Also, ich persönlich, ich kaufe bevorzugt Produkte aus der Region, also direktvermarktete Sachen, und deshalb suche ich immer ganz ge- zielt, wer bietet was aus der Region an und bin da also ganz forsch im Probieren, ich kaufe ja eigentlich zu 80 % Lebensmittel jeglicher Form aus der Region und da bin ich auf den Quark gestoßen.“ (Berufstätige Mutter von 3 Kindern). „Ich bin im Moment am Zweifeln, ob für mich das erste Kriterium das Ökologische oder mehr die Region ist, da bin ich gerade im Umbruch. Ich würde inzwischen dazu neigen, der Region den Vorzug zu geben, weil man auch bei konventionellen Landwirten auch nicht sagen kann, [...] die sind ja alle gleich.“ (Berufsschullehrerin und Mutter von 1 Kind). „Es geht mir eigentlich ähnlich. Ich würde es auch dann kaufen, wenn es jetzt ein konventioneller Betrieb wäre und kein ökologisch Wirtschaftender in der Nähe ist, der ein vergleichbares Produkt macht. Lieber ein konventionell Erzeugtes und aus der Region, als ein Quark, der aus Bayern kommt, aber ökologisch ist.“ (Wissenschaftliche Ange- stellte). „Für mich ist der ökologische Landbau zentral. Ich bevorzuge auch andere ökologische Produkte, die nicht auf dem Hof [in der Region] hergestellt werden.“ (Wissenschaftlicher Angestellter). „Ich würde dann immer hin und herschwanken, das kann ich nicht genau sagen. Ich würde mal nach der Region gehen und mal nach dem Ökologischen. Schön wäre es, wenn beides funktionieren würde, aber dann würde ich mal das, mal das machen. Ich glaub, ich wüsste nicht genau, ob ich da jetzt so ein spezielles Konzept dahinter hätte.“ (Student). 6.2.3 Kulturelle Qualitäten/Wertungen Wie bereits in dem kulturgeschichtlichen Kapitel (4.1.3.3) dargestellt, wurde Speisequark je nach Region seit dem 18. Jh. sehr unterschiedlich zubereitet bzw. zu unterschiedlichen Mahlzeiten gegessen. Die Zubereitung und Ver- wendung von Lebensmitteln für Speisen ist eine von mehreren „kulturellen Ausdeutungen“ der menschlichen Esskultur (vgl. BARLÖSIUS, 1999, 38). 119 Nach Aussagen einiger Verbraucher gibt es große Unterschiede in der Ver- wendung zwischen Speisequark aus hofeigener und industrieller Verarbei- tung, die u. a. ökonomisch bedingt zu sein scheinen. Hofeigener Quark wird insbesondere zum Frühstück „aufs Brot“ in kleinen Mengen verzehrt. Dieser Quark stellt für diese Verbraucher ein besonders wertvolles Lebensmittel dar, das nicht verschwendet werden darf. Diese hohe Wertschätzung wird bei zwei Verbraucherinnen sehr deutlich, da für sie dieser Quark zum Backen oder für eine große Menge Quarkspeise als Dessert zu schade und zu teuer wäre. Für diese Zubereitungen verwenden diese Verbraucherinnen den we- sentlich günstigeren Molkereiquark. Mit ihrer differenzierten Verwendungs- bzw. Zubereitungsweise, bestimmen sie die kulturelle Qualität dieses Le- bensmittels selbst. Im Gegensatz dazu scheinen einige Verbraucher Molke- reiquark tatsächlich so stark abzulehnen, dass sie in ihrer Küche ausschließ- lich Hofquark verwenden. Dies geht aus den Antworten, z. B. einer Rentnerin hervor, die ihn sehr vielseitig sowohl zum Backen als auch für süße und sal- zige Gerichte verwendet. Aufgrund der festen Textur bzw. des Vergleichs mit der Konsistenz von ei- nem cremigen Frischkäse, die sich auch in der scherzhaften Bezeichnung „Quarkkonzentrat“ widerspiegelt, geben einige Verbraucher vor jedem Ver- zehr zuerst Flüssigkeit (Milch) zu diesem Quark hinzu. Hier beeinflusst also die sensorische Textureigenschaft „fest“ des hofeigenen Speisequarks sehr stark die Zubereitungsweise. Eine der überraschendsten Antworten eines Verbrauchers zur Verwendung von hofeigenem Speisequark ist „Quark als Medizin“, die ihm von seinem Arzt aufgrund einer schweren Krankheit empfohlen wurde. Seitdem isst die- ser Verbraucher jeden Tag zum Frühstück seine „Medizin“ und hat dadurch ein „besonderes Verhältnis zu Quark“. Die kulturelle Wertschätzung dieses Quarks wird dadurch nochmals gesteigert, da es sich nicht mehr nur um ein einfaches Grundnahrungsmittel handelt, sondern für diesen Verbraucher zu- sätzlich eine medizinische Wirkung besitzt. Die unterschiedliche Verwendung von Speisequark aus hofeigener Verarbeitung wird nachfolgend durch Originalzitate der Verbraucher belegt: „Man kann gut damit backen und er lässt sich für süß und Gemüse- speisen wunderbar verarbeiten. Für Pellkartoffeln mit Quark gibt es kei- nen besseren.“ (Rentnerin). „Ich gebrauche ihn als Frühstücksquark.“ (Lehrerin, Mutter von 2 Kindern). „Ich kenne den Quark durch die WG [Wohngemeinschaft]. Zuhause haben wir auch viel Quark gegessen. Ich unterscheide beim Einkauf nach der Verwendung. Für Masse, als Nachspeise kaufe ich Massen- quark, weil der durch Geschmacksstoffe, z. B. Bananen, ergänzt wird. [...] Der hofeigene Quark ist Qualität, die nicht so in der Masse ver- braucht wird, wie z. B. zum Frühstück. Ich würde nie auf die Idee kom- men, den als Nachtisch anzurühren.“ (Studentin). „Wenn das Glas leer ist, dann kaufe ich ihn alle paar Wochen, und dann ist es irgendwie etwas Besonderes. Ich kaufe auch sonst keinen Quark für aufs Brot oder so, als Frischkäseersatz, sondern kaufe den. 120 Also für mich ist das okay mit dem Preis. Ich würde ihn auch nicht verbacken, oder so, da wäre er mir doch zu teuer und zu schade.“ (Stu- dentin, 1 Kind). „Aufs Brot ist er doch manchmal ein bisschen zu fest.“ (Hausmann, 2 Kinder). „Ich kann den nicht so aufs Brot schmieren. Ich hole eine Portion raus, Milch dazu und dann ist das ja schon mal mehr.“ (Berufsschul- lehrerin, 1 Kind). „Ich habe ein besonderes Verhältnis zu Quark. Seitdem ich schwer krank war, esse ich jeden Tag Quark, da es mir ein Arzt geraten hat.“ (Rentner). 6.3 Klassifizierung der Ergebnisse 6.3.1 Dichotome Beschreibungen von Speisequark Die dichotomen Beschreibungen der Teilnehmer von hofeigenem Quark und Molkereiquark waren in beiden Gruppendiskussionen charakteristisch für die gesamte Diskussion (vgl. KALKA, 2000). Die zentralen Aspekte werden in Tabelle 23 zusammenfassend gegenübergestellt: Tabelle 23: Dichotome Beschreibungen von Speisequark Hofeigener Speisequark* Molkereiquark* Geschmack: „wie in der Kinderzeit“, „wie zu Hause“, „authentisch“, „Ur- Geschmack“, „Eigengeschmack“, „fester“, „manchmal zu fest“ „nicht so wässrig“, „milde Säure“ „nichts sagend“, „schmeckt nach Gips“, „Molke setzt sich ab“ Verpackung: „Glas ist schön“, „ästhetischer“, „sauber“, „neutral“ „bloß kein Plastik“ Kunststoffbecher ist suspekt; Befürchtung, dass Geschmack in das Produkt übergeht; „was Fremdes, was Ungewohntes“ Herstellungs- weise: hofeigen, handwerklich, „randvoll abgefüllt“ ⇒ „keine Schummel- packung“, persönlich, Verknüpfung an früher, Tradition „maschinelle Verarbeitung einer Masse“ anonym, entfremdet Herkunft: „aus der Region“ --- Preis: Je 500-g-Glas: 4,20 DM ist angemessen, „für guten Quark muss man was bezahlen“; aber: a) „für Großfamilien zu teuer“, b) ab- hängig von der Verwendung „aldimäßig – 90 Pfennig fürs Pfund“ Verwendung: hauptsächlich zum Frühstück, aber auch zum Backen; als Nachspeise „zu schade, zu teuer“ „für Masse, als Nach- speise, Massenquark, wird durch Geschmacksstoffe, z. B. Bananen, ergänzt“ Klassifizierung: gutes Lebensmittel schlechtes Lebensmittel *Originalzitate von Hofquark-Verbrauchern Quelle: Eigene Darstellung 121 Der genannte und umschriebene Begriff authentisch (griech.: echt, glaub- würdig) hat nach Meinung der Verfasserin eine Schlüsselbedeutung, um Speisequark aus hofeigener Verarbeitung zu charakterisieren. Er beinhaltet vor allem den Geschmack, aber auch die damit verbundene Produkt- und Produktionsqualität, die Verpackung, die regionale Herkunft, die ökologische Anbauweise und direkte Vermarktungsweise auf Wochenmärkten oder in Naturkostläden (vgl. auch v. ALVENSLEBEN, 1999). Die Kombination dieser Faktoren wurde in den Fokusgruppen lebhaft diskutiert und trägt zur hohen Wertschätzung des Produktes bei. Das Gruppenergebnis der zweiten Gruppendiskussion ergab, dass für die Verbraucher der Geschmack, die ökologische Erzeugung und die regionale Herkunft den Wert eines „ein- maligen“ Produktes verkörpern. Diese besondere Wertschätzung drückt sich wie bereits erwähnt bei einigen Konsumenten in der ausschließlichen Verwendung „nur zum Frühstück“ aus. Für andere Speisen, z. B. Nachspeise, ist er ihnen „zu schade“ bzw. „zu teuer“. Die Akzeptanz des höheren Preises für das hofeigene Produkt wird von einem Verbraucher zum Beispiel so erklärt: „Für guten Quark oder gutes Brot muss man was bezahlen. Die Nahrung hält uns gesund.“ Molkereiquark wird im Vergleich zu Hofquark mit tendenziell negativ konno- tierten Beschreibungen charakterisiert. Nach Aussage einiger Konsumenten führt „die maschinelle Verarbeitung einer Masse zu einem nichts sagenden Massenquark, in dem nichts mehr drin sein kann. Für Nachspeisen muss er durch Geschmacksstoffe ergänzt werden.“ Darüber hinaus ist die Herstel- lungs- bzw. Verpackungsweise anonym bzw. suspekt, da „der Geschmack der Kunststoffverpackung im Milchprodukt wahrnehmbar ist.“ Obwohl die Verbraucher der beiden Fokusgruppen hofeigenen Quark verbal bevorzugen, verwenden einige der Verbraucher gleichzeitig Molkereiquark für bestimmte Speisen. Dadurch relativiert sich etwas die negative Darstellung des schlechten Mol- kereiquarks in den beiden Gruppendiskussionen, die eine Verbraucherin von Hof- und Molkereiquark (Lehrerin, Mutter von 2 Kindern) mit der emotionalen Äußerung „Ich hasse diesen Industriequark!“ auf den Punkt brachte. Ab- schließend muss noch mal darauf hingewiesen werden, dass es sich hier um ein kleines Verbrauchersegment handelt, die als „Fans“ von hofeigenem Quark charakterisiert werden können und mit großem Interesse und Enga- gement an diesen Gruppendiskussionen in ihrer Freizeit und ohne Bezahlung teilnahmen. Die Meinungen können deshalb nicht für die Grundgesamtheit der deutschen Verbraucher verallgemeinert werden. 6.3.2 Kulturelle Ideale von Lebensmitteln aus hofeigener Verarbeitung Die Kunden können beim Einkauf von hofeigenen Lebensmitteln die bäuerli- che, regionale und natürliche Welt tatsächlich erleben und empfinden diese Lebensmittel als ehrliche Produkte (v. ALVENSLEBEN, 1999). Diese Welt ist überschaubarer und kommt dem Wunsch der Verbraucher entgegen, die wissen wollen wie, wo und von wem das Lebensmittel hergestellt wurde. Diese Welt wird nicht nur suggeriert, wie beispielsweise in der Werbung von Milchprodukten der Firma „Landliebe“, wo sie aus semiotischer Sicht auf die Bedeutungsebene begrenzt bleibt. Bei dem hier untersuchten Lebensmittel 122 sind Zeichenträger (Verpackung, Gestaltung des Etiketts und Hinweise auf den Namen des Hofes, die Region, den ökologischen Anbau) mit dem Refe- renzobjekt (= hofeigener Speisequark) tatsächlich identisch und auf allen Ebenen weitgehend stimmig, wodurch das Produkt als authentisch wahrge- nommen wird (vgl. KARMASIN, 1999, 206). Da es sich bei Essen und Trinken um alltägliche Praktiken handelt, eignen sie sich hervorragend zur Bildung von Mythen (TANNER, 1996, 417f.). In seiner Untersuchung zu Ernährungsmythen zieht der Autor die Schlussfolge- rung, dass „die Evidenz des Mythos [...] seit der Aufklärung nicht mehr in der ewigen Wahrheit und der gottgewollten Ordnung, sondern in der Natur [ruht]. Damit läßt [sich] vielleicht die paradoxe Parallelität von fort- schreitender Industrialisierung des Ernährungssektors und zunehmen- dem Naturbewußtsein in Sachen Essen erklären.“ (TANNER, 1996, 417). In Bezug auf das Beispiel Speisequark kann die Schlussfolgerung gezogen werden: Je schwächer die sensorischen Eigenschaften eines industriellen Lebensmittels ausgeprägt sind und je anonymer die industrielle Herstel- lungsweise, umso höher die kulturelle Wertschätzung eines in allen Produkt- eigenschaften „authentisch“ empfundenen Lebensmittels aus hofeigener Verarbeitung von regelmäßigen Verbrauchern. Hinter diesen Verbrauchervorstellungen verbergen sich auch moralisch be- dingte Werte, die kulturelle Ideale darstellen (vgl. KROEBER-RIEL und WEINBERG, 1996, 548). Kleineren Betrieben, die Lebensmittel regional und möglichst ökologisch herstellen und vermarkten, wird eine moralisch-verant- wortlichere Gesinnung unterstellt. Sie erscheinen vertrauens- und dadurch glaubwürdiger als anonyme Industriebetriebe und Großkonzerne. Sie stellen aus Sicht der Verbraucher gute Lebensmittel dar, die ihre besondere Be- deutung (kulturellen Wert) auch dadurch erhalten, was sie nicht sind, nämlich industrielle Molkereiprodukte (vgl. KARMASIN, 1993, 359; vgl. ECO, 1994, 87). 6.4 Verbindungen zwischen den drei Qualitäten Ausgehend von dem handlungstheoretisch begründeten Modell, dass Verbraucher sowohl „objektive“ als auch „subjektive“ und kulturelle Qualitäten bei Esshandlungen integrieren (Kapitel 2.3), sollen in diesem Kapitel Verbin- dungen zwischen den hedonischen/sensorischen, ökologischen und kultu- rellen Qualitäten von Speisequark hergestellt werden. Die Verbindungen zwischen den drei Qualitäten werden zuerst zweidimensional, d. h. zwischen zwei Qualitäten, herausgearbeitet. Dabei stehen erstens die diskursiven Begründungen des Esshandelns (z. B. Zubereitung) der Verbraucher im Zentrum. Hier spiegelt sich das alltägliche Ernährungswissen der Verbrau- cher wider, die selbst bestimmen, welche Lebensmittel für sie essbar und was für sie gute Lebensmittel sind. Zweitens dienen die Ergebnisse der empirischen Untersuchungen (Kapitel 3 bis 5) als Grundlage zur Erarbeitung von Verbindungen. Drittens werden Ergebnisse aus der Literatur zur Qualität von Lebensmitteln in Form von Exkursen zur Vervollständigung oder zur Ergänzung der Verbindungen hinzugefügt. Abschließend werden in einer Gesamtübersicht die drei Qualitätskategorien miteinander verbunden. 123 6.4.1 Verbindungen zwischen kultureller und hedonischer/ sensorischer Qualität Verbindungen aus Verbrauchersicht Der Konsum von Speisequark aus hofeigener Verarbeitung ruft bei älteren Verbrauchern positive Erinnerungen hervor. Nach ihren Aussagen schmeckt dieser Hofquark „wie zu Hause“, „wie in der Kinderzeit“. Kindheitspräferenzen für bestimmte Lebensmittel scheinen im „sensorischen Gedächtnis“ des Menschen verankert und insbesondere mit Emotionen verbunden zu sein. Aus der Gehirnforschung ist bekannt, dass detaillierteste Geruchseindrücke über den höchst effizienten nervus olfactorius direkt in das limbische System übermittelt und dort verarbeitet werden können. Das limbische System ist eines der ältesten Gehirnstrukturen, das im Lauf der Evolution insbesondere als memory device entwickelt wurde. Viele menschliche Reaktionen, wie bei- spielsweise Präferenzen und Aversionen gegenüber Lebensmitteln, basieren auf affektiven Bewertungen, die sich auf Erinnerungen und besonders auf deren emotionale Qualität beziehen (SCHIEFENHÖVEL, 1997, 61). Die hohe geschmackliche und kulturelle Wertschätzung des hofeigenen Pro- duktes durch regelmäßige Verbraucher wird insbesondere durch die differen- zierte Verwendung von Hof- und Molkereiquark herausgestellt (siehe Kapitel 6.2.1). Verbindungen aus semiotischer Sicht Die hedonische Qualität wurde in den Gruppendiskussionen global als „au- thentischer Geschmack“ bezeichnet. Mit Hilfe der semiotischen Analyse von Speisequarkverpackungen und -etiketten konnte festgestellt werden, dass die Hofquarketiketten mittels Naturfarben, z. B. grün und braun, diesen „au- thentischen Geschmack“ vermitteln. Im Gegensatz dazu ist blau in Verbin- dung mit weiß eine typische Farbkombination für Molkereiprodukte, insbe- sondere signalisieren sie günstige Basismilchprodukte, zu denen auch Spei- sequark gehört. Bei einer genaueren Analyse vermitteln diese Farben einen „frischen“ und eher „standardisierten“ Geschmack. Damit sind die genannten Farben effektive Gestaltungs- bzw. Kommunikationsmittel für die Vermittlung der geschmacklichen Qualität und der kulturellen Botschaft von Lebensmit- teln im Allgemeinen (vgl. JANICH, 1998, 101). Die deutschen Verbraucher können aufgrund ihrer Sozialisation diesen „Farbcode“ entschlüsseln. Wird dieser kulturell verankerte Code bei der Produktgestaltung eines Hofquarks missachtet, so erwecken die Zeichenträger (Farbe, Verpackung) sofort eine Assoziation mit einem industriellen Produkt (siehe Kapitel 4.4.1). Exkurs: Verbindungen aus anthropologischer und soziologischer Sicht Ergänzend muss zur Verbindung zwischen sensorischer/hedonischer und kultureller Qualität aus anthropologischer Sicht hinzugefügt werden, dass es sich hierbei um eine Kulturisierung des Natürlichen handelt, bei der die Wahrnehmung der hedonischen Qualität der Verbraucher in Sinnstiftung um- gewandelt wird. Der Konsum von Speisequark sättigt nicht nur ein Hunger- gefühl, sondern die bewusste Selektion und Verwendung für bestimmte Speisen bzw. die Entscheidungsfreiheit zwischen Hof- und Molkereiquark des Konsumenten kann als ein erweitertes Kulturverhalten angesehen wer- den. Konsumenten, die Hofquark kaufen, wollen sich durch ihren „besseren 124 Geschmack“ bei der Wahl dieses Lebensmittels bewusst oder unbewusst von den Nicht-Konsumenten unterscheiden. „Geschmack haben“ hat nun eine weitere Funktion, nämlich zwischen kulturellen Werten unterscheiden zu können – hier zwischen „gutem“ und „weniger gutem“ Speisequark (vgl. BARLÖSIUS, 1999, 82ff.) Die Verbindungen zwischen kultureller und hedonischer Qualität, die in die- ser Arbeit heraus gearbeitet wurden, werden nachfolgend zusammengefasst: Bewertung des Geschmacks aus Sicht der Verbraucher: • Hofquark: „authentisch“, „Urgeschmack“ • Molkereiquark: „schmeckt nichts sagend“ Verwendung von Speisequark: • Hofquark als Nachspeise zu schade/zu teuer; zum Frühstück (Brot) für „etwas Besonderes“ = kostbar • Molkereiquark als „Massenquark für Masse“ (z. B. Nachspeise) Erinnerungen/Kindheitspräferenzen/Gesundheit: • Hofquark schmeckt „wie zu Hause“; „wie in der Kinderzeit“; „Quark ist Medizin“ Etikettengestaltung (Semiotik): • Geschmack authentisch: Naturfarben, grün und braun (Zeichenträger für hofeigenen Quark) • Geschmack standardisiert: kalte Farben: blau, weiß (Zeichenträger für industriellen Quark) Exkurs: „Der bessere Geschmack“ aus anthropologischer und sozio- logischer Sicht • Konsumenten von Hofquark, der ihrer Meinung nach „besser“ schmeckt als Molkereiquark, wollen sich durch ihren „besseren Geschmack“ von Nicht-Konsumenten sozial unterscheiden. Sie besitzen damit aus soziolo- gischer Sicht die Fähigkeit zwischen kulturellen Werten unterscheiden zu können. 6.4.2 Verbindungen zwischen kultureller und ökologischer Quali- tät Im Gegensatz zu den sechs an diesem EU-Projekt beteiligten Ländern fällt auf, dass die ökologischen Qualitätskriterien in Deutschland eine wesentlich größere Rolle spielen. Hierbei muss nochmals darauf hingewiesen werden, dass es sich um die Sichtweise von ökosensiblen Konsumenten handelt, da die hofeigene Milchverarbeitung eine Domäne von ökologisch wirtschaften- den Milchviehbetrieben ist. Diese gewachsenen Strukturen der handwerkli- chen Milchverarbeitung im Rahmen des ökologischen Landbaus in Deutsch- land spiegeln die Handlungen der ökologisch orientierten Akteure (Erzeuger – Verarbeiter – Verbraucher) wider. Umgekehrt ist die handwerkliche Milch- erarbeitung z. B. in Frankreich kulturhistorisch seit vielen Jahrhunderten etabliert und viel stärker differenziert in artisanal und fermier als in Deutsch- land. 125 Die ökologische Wirtschaftsweise scheint in der handwerklichen Milchverar- beitung in Frankreich jedoch eine eher untergeordnete Rolle zu spielen, während die Region (terroir) von größter Bedeutung ist. Der kulturelle Ein- fluss einer Gesellschaft auf die für Verbraucher relevanten Qualitäten wird bei diesem Vergleich sehr deutlich. Verbindungen aus Verbrauchersicht Bei der Diskussion um die richtige Verpackung von Speisequark aus hofei- gener Verarbeitung waren sich die Verbraucher sehr schnell einig, dass Glas eine optimale Verpackung für ein Milchprodukt darstellt. Glas wird als „schön“, „ästhetisch“, „sauber“ „transparent“ und „neutral“ wahrgenommen. Als Alternative wurde in der zweiten Gruppendiskussion die Verpackungsart „Multikomponentenbecher“ genannt, die im Vergleich zu einem marktübli- chen Polystyrolbecher durch die Trennung der drei Komponenten Karton, Kunststoff und Aluminiumdeckel bei der Entsorgung umweltfreundlicher sein soll. Zur Frage, ob die regionale Herkunft oder die ökologische Wirtschaftsweise beim Konsum von Quark aus hofeigener Verarbeitung wichtiger sei, gab es konträre Meinungen in beiden Verbrauchergruppen. Auch bei der im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten Conjoint-Analyse wird diese „mal so - mal so“- Entscheidung der Verbraucher bestätigt (siehe Kapitel 3.4). Eine eindeutige Aussage, welche der beiden ökologischen Qualitätskategorien für die be- fragten Verbraucher nun wichtiger ist, kann aus eigenen empirischen Unter- suchungen (vgl. auch WIRTHGEN et al., 1999) nicht getroffen werden. Dieser Diskurs in den Gruppendiskussionen spiegelt die Komplexität des Themas „Ökologie“ auch auf gesellschaftlicher Ebene wider. Beispielsweise wird in Deutschland seit vielen Jahren leidenschaftlich über die ökologisch korrekten Verpackungen gestritten. Die Verwendung von Mehrwegflaschen und Tetra-Pak für Milch ist schon lange ein Streitpunkt, der sehr eng mit nicht ökologischen, d. h. langen Transportwegen von Lebensmitteln, und dadurch mit regionalen Aspekten verbunden ist. Während Glasflaschen für Getränke in Deutschland schon lange als umweltfreundlich gelten, wurden den Tetra- Pak-Verpackungen nach vielen wissenschaftlichen Gutachten und Gegen- gutachten vom Bundesumweltamt eingeräumt, dass sie aus ökologischer Sicht nicht schlechter zu bewerten sind als Mehrwegglasflaschen. Verbindungen aus semiotischer Sicht Visuell unterscheiden sich die Verpackungen von Hof- und Molkereiquark sehr stark. Die Glasverpackung mit einem maisgelben Deckel vermittelt als Zeichenträger die Botschaft an kundige Verbraucher, dass es sich um ein hofeigenes Produkt handelt. Die Verpackung hat aber noch eine zweite wichtige Bedeutung. Sie vermittelt und verstärkt das Öko-Image von ökolo- gisch erzeugtem Hofquark. Denn eine Glasverpackung hat bei vielen deut- schen Verbrauchern die Bedeutung, dass sie beim Kauf dieses Produktes einen positiven Beitrag für die Umwelt leisten. Darüber hinaus wird das Öko- Image sprachlich durch „Öko-Warenzeichen“, z. B. Demeter, Bioland oder Markenzeichen wie „Alnatura“, bzw. graphisch durch Bilder, Wort-Bildzeichen und Logos kommuniziert. 126 Exkurs: Image von Ökoprodukten aus Sicht der Konsumenten- und Marketingforschung Nach einer Untersuchung mit Konsumenten ist „die Tradition des Images von Bio-Lebensmittel [...] durch eine enge Verzahnung mit der zugrunde liegen- den Produktionsweise und einer als enthaltsam eingeschätzten Lebensein- stellung gekennzeichnet.“ (SIMONS et al., 2001, 286). Verstärkt wird das Öko-Image durch die traditionellen Einkaufsstätten wie Naturkost- oder Hof- laden, die diesen gesundheits- und umweltbewussten Lebensstil verkörpern. Dies hat zur Folge, dass Verbraucher, die Ökoprodukte kaufen wollen, aber nicht diese „Öko“-Lebensweise“ pflegen, sich in solchen Einkaufsstätten un- wohl fühlen, da sie eine ihnen entgegengebrachte Skepsis oder gar Miss- trauen empfinden (ebd., 290). Mit dem Ökoimage ist auch das Motiv „Gesundheit“ verbunden. Wie in zahl- reichen Verbraucherumfragen bereits bestätigt wurde, gelten Ökoprodukte bei Verbrauchern als gesund, wobei in den meisten Befragungen diesem „egoistischen“ Einkaufsmotiv eine dominante Bedeutung beigemessen wurde. Im Gegensatz dazu hat nach einer repräsentativen Verbraucherumfrage „die höchste Relevanz beim Kauf ökologischer Lebensmittel […] der Aspekt des Genusses (natürlicher Geschmack). Erst danach folgen Gesundheitsaspekte und Umweltorientierung als Kaufmotiv.” (ZMP und CMA, 2002, 14). Wahr- scheinlicher ist, dass die Motivation, Öko-Produkte zu kaufen, für Verbrau- cher sehr viel komplexer und vielschichtiger ist, aus einem Bündel von Ein- zelmotiven besteht und mit den bisherigen kognitiv und quantitativ orientier- ten Methoden der Konsumforschung nur begrenzt erfassbar ist. Mit dem Thema „Ökoimage“ sind kulturell sehr eng Bilder und Werte verbun- den, die Deutsche mit dem Thema „Ökologie“ verknüpfen. Die Debatte um ökologische Themen nimmt in der Öffentlichkeit einen sehr starken Raum ein, wie die zahlreichen Untersuchungen zum „Umweltbewusstsein der Deut- schen“ dokumentieren (vgl. Literaturrecherchen von SPILLER, 1999, 5). Die- ses Thema scheint in Deutschland auch mit einem mehr oder weniger schlechten Gewissen verbunden zu sein, was das ökologisch korrekte Kon- sumverhalten betrifft. Ein verborgenes Motiv für den Kauf von Ökolebens- mitteln oder Lebensmittel aus der Region könnte auch sein, dass Verbrau- cher u. a. damit glauben, einen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten, und damit ihr schlechtes Gewissen beruhigen, wenn sie sich in anderen Bereichen, z. B. bei der Benutzung des Autos statt öffentlichen Nahverkehrs- mitteln, im deutschen Sinn nicht ökologisch korrekt verhalten. Aus Sicht des Schweizer Marketingforschers BOSSHART (1997, 274), der auf den deutschen Philosophen Odo Marquard verweist, hängt dieses Phä- nomen mit einer Übertribunalisierung zusammen, d. h. die heutigen Konsu- menten fühlten sich permanent in einer Situation, in der sie sich rechtfertigen müssen, warum sie was konsumieren. Diese Entwicklung zeigt seiner Mei- nung nach, dass das Rechtsbewusstsein strikt enthierarchisiert ist. 127 Exkurs: Bedeutung der ökologischen Qualität von Lebensmitteln und ökologisch orientierten (alternativen) Ernährungsstilen aus sozio-kultu- reller Sicht Eine alternative Ernährungsweise mit ökologisch korrekten Lebensmitteln eignet sich hervorragend, sich – bewusst oder unbewusst – vom ange- stammten sozialen Umfeld, d. h. hier von Nicht-Ökokonsumenten, abzugren- zen. Barlösius unterscheidet hierbei zwischen Ernährungsstil1 des Einzelnen und Küchen als ein kulturelles Phänomen, das Menschen sowohl einigen als auch trennen kann. Ernährungsstil Reglementierte Ernährungsstile, zu denen der „alternative“ Ernährungsstil gezählt werden kann, beinhalten praktische Anleitungen für eine überlegte und prinzipienorientierte Gestaltung der Ernährung und Lebensführung. „An die Stelle von Alltagsorientierungen und Geschmacksvorlieben, die kulturelle Qualität besitzen, [setzen] sie rationale, mit Wissen begründete Orientierun- gen.“ (BARLÖSIUS, 1999, 55). Wird dieser alternative Ernährungsstil plan- mäßig und bewusst umgesetzt in Form einer veränderten Ernährungs- und Lebensführungsweise, so bewirkt dies eine Distanzierung vom sozialen Um- feld. Die bewusste persönliche Entscheidung für einen reglementierten Ernährungsstil demonstriert und schafft eine größere soziale Distanz als eine aus medizinischen Gründen erforderliche Diät, die gesellschaftlich anerkannt ist. Darüber hinaus spielt auch die moralische Bedeutung des reglementierten Ernährungsstils für die soziale Abgrenzung eine wichtige Rolle. Alternative Ernährungsstile, die als „ökologisch korrekt“ angesehen werden, werten mo- ralisch die sozial üblichen Esspraktiken tendenziell ab, z. B. durch Vorwürfe der Maßlosigkeit und Tierquälerei. Hingegen scheinen alternative Ernäh- rungsstile im deutschen Kulturkreis „positiv bewertete Verhaltensweisen, z. B. Mäßigung, [...] Selbstkontrolle“ (BARLÖSIUS, 1999, 56), zu fördern. Diese positive Bewertung kann auf die Personen, die diesen Ernährungsstil praktizieren, übertragen werden, da angenommen wird, dass diese Personen ihre Lebensführung sowie ihre Arbeitsbereitschaft entsprechend zu ihrem Ernährungsstil – selbstkontrolliert – gestalten. Barlösius geht davon aus, dass es sich bei einem gesundheitsorientierten alternativen Ernährungsstil um ein schichten- und geschlechtsspezifisches Phänomen handelt, das vornehmlich bei Mittelschichtangehörigen und bei Frauen vorzufinden ist. Aus soziologischer Sicht gibt es zu diesem schicht- spezifischen Phänomen interessante Erklärungsansätze, die auf dem Werk von Pierre Bourdieu basieren. Sozialstrukturelle Differenzen sind nach der Theorie von Bourdieu ein „Ausdruck sozialer Ungleichheiten“. Ernährungs- stile transportieren kulturelles Wissen und kulturelle Techniken darüber, wie eine „als sozial überlegen angesehene Lebensführung praktiziert werden kann. 1 „[...] der Begriff Ernährungsstil [wird] für solche Formen des Essens verwendet, die sich in erster Linie entlang körperlicher, gesundheitlicher und natürlicher Dimensionen ausrichten, die mit ‚Richtigkeit’ und nicht mit ‚Überlegenheit’ argumentieren.“ (BARLÖSIUS, 1999, 49). 128 Im Sinne von Bourdieu können diese Qualitäten in kulturelles Kapital transformiert werden, das zur Produktion und Reproduktion sozialer Unter- schiede dient.“ (BOURDIEU, 1983, 1984 zitiert nach BARLÖSIUS, 1999, 56). Aus diesem Grund ist die Anzahl der ernährungsbewussten und gesund- heitsorientierten Personen, die sozial in die Mittelschicht aufgestiegen sind, signifikant häufiger als in anderen sozialen Gruppen. Mit der Übernahme des alternativen Ernährungsstils wird der ökonomische Aufstieg auch kulturell abgesichert. Bei der zweiten Gruppe, der Frauen, ist zu vermuten, dass „ne- ben einem anderen Körperbewusstsein, [...], ein Grund die Suche nach ei- nem eigenständigen, kulturell geachteten Lebensstil ist.“ (BARLÖSIUS, 1999, 57). Neben den sozialstrukturell bedingten Erklärungsansätzen gibt es ein zwei- tes Erklärungsmuster für einen alternativen Ernährungsstil. Im Gegensatz zu den ständig sich teilweise auch widersprechenden „wissenschaftlichen“ Empfehlungen, wie man sich in Deutschland „gesund“ ernährt, geben alter- native Ernährungsstile eindeutige Regelungen und Bewertungen von Le- bensmitteln vor. Diese „schützen“ die Praktizierenden, die sich nun „sicher“ sind, dass sie sich gut und gesund ernähren. Beispielsweise werden Vegeta- rier sich nicht durch BSE-Krisen verunsichern lassen, sondern sich in ihrem Ernährungsstil bestätigt fühlen. Küchen: Unter Küchen wird hier die Art der Zubereitung von Lebensmitteln verstan- den, also das komplexe kulturelle Regelwerk, wie gekocht wird. Aus soziolo- gischer Sicht haben Küchen zwei soziale Funktionen: erstens dienen sie der Ausbildung einer vergemeinschaftenden kulturellen Identität und zweitens sozialen, politischen und anderen Abgrenzungen (BARLÖSIUS, 1999, 124). „Der typische Geschmack einer Küche vermittelt kulturelle Identität, die sich auf die Esser überträgt.“ (BARLÖSIUS, 1999, 131). Diese „sozio-kulturellen“ Qualitäten, die mit einer „Ökoküche“ verbunden sind, wurden vor einigen Jahren und teilweise bis heute noch abwertend als „Müsli“ und „Öko“ be- zeichnet. Auffälligerweise werden dabei die Menschen, die sie essen (= die „Ökos“ bzw. „Müslis“), und nicht die Küche als solche charakterisiert. Fazit: Alternative Ernährungsstile und Ökoküche sind wesentliche Bestandteile eines naturgemäßen Lebensstils, der zwei gesellschaftlich relevante Felder – nämlich Gesundheit und Ökologie – verbindet. Durch das naturgemäße Orientierungswissen wurde die Dominanz des kulturell überlegenen distin- guierten Lebensstils auf individueller Ebene gemindert. Auf der gesellschaft- lichen Ebene wurden ökologische Aspekte immer mehr in die Ernährungs-, Agrar- und Umweltpolitik integriert. Die Orientierungen an einer gesunden und ökologischen Ernährungsweise sind in der deutschen Gesellschaft nun „keine Geschmacksfrage mehr, sondern zu einer moralischen Aufforderung geworden. Dies zeigt, daß ursprünglich sozial differenzierende Bedeutungen, die geschmacklich – also als kulturell über- oder unterlegen – begründet werden und bei denen der Zeichencharakter der Lebensmittel auf eine soziale Position hinweist, eine neue Qualität annehmen können.“ (BAR- LÖSIUS, 1999, 122). 129 Neben den konsequent alternativ Essenden, z. B. Vegetarier und Vollwert- köstler, wie sie oben skizziert wurden, sind jedoch auch Tendenzen zu einem Mix von „Ernährungsstilen“ festzustellen. Aus der breiten „alternativen“ Ange- botspalette von Lebensmitteln und Speisen kann sich jeder das aussuchen, was er gerade möchte. Sich gleichzeitig „alternativ“ und „normal“ zu ernäh- ren, stellt keinen Widerspruch mehr dar, da Flexibilität und Toleranz gesell- schaftlich genauso anerkannt sind wie konsequentes Handeln. Eine alterna- tive Ernährung bedeutet nunmehr Abwechslung im Alltag und wird eher ein „Teil unserer Freizeit, wird Gesprächsgegenstand im Freundes- und Bekanntenkreis“ (SPIEKERMANN und SCHÖNBERGER, 2001, 444). Die Verbindungen zwischen kultureller und ökologischer Qualität werden nachfolgend zusammengefasst: Verpackung: • Glas: „Glas ist schön“ „Glas ist sauber, neutral“ • Kunststoff: „Plastik ist fremd“ Ökologischer Landbau versus Regionalität: • „Ich kaufe bevorzugt Produkte aus der Region.“ • „Für mich ist der ökologische Landbau zentral.“ • „Ich würde mal nach der Region gehen und mal nach dem Ökologischen. Ich wüsste nicht genau, ob ich da jetzt so ein spezielles Konzept dahinter hätte.“ Semiotische Analyse: Verpackungsgestaltung: • Glasverpackung: Zeichenträger für Hofquark • Kunststoffverpackung: Zeichenträger für Molkereiquark Exkurs: Konsumentenforschung zum „Image von Öko-Lebensmitteln“: • „Das Image von Öko-Lebensmitteln ist eng verbunden mit der ökologi- schen Erzeugung von Produkten und enthaltsamen Lebensweise und Gesundheit.“ Exkurs: Bedeutung von ökologischen Qualitäten aus sozio-kultureller Sicht A) Alternativer Ernährungsstil (individuell): • schichten- und geschlechtsspezifisches Phänomen zur kulturellen Abgrenzung vom angestammten sozialen Umfeld • schützt vor Verunsicherungen (Lebensmittelskandalen) durch eindeutiges Regelwerk B) „Ökoküche“ (gesellschaftlich): • hat eine vergemeinschaftende (kulturelle Identität) und abgrenzende Funktion C) Naturgemäßer Lebensstil: • „Ökologische Ideen“ und ökologischer Ernährungsstil sind keine Ge- schmacksfragen mehr, sondern eine moralische Aufforderung, die gesell- schaftlich immer mehr anerkannt ist. 130 6.4.3 Verbindungen zwischen hedonischer/sensorischer und ökologischer Qualität Verbindungen aus Verbrauchersicht Keiner der Verbraucher stellte eine Verbindung zwischen der Region bzw. der ökologischen Erzeugung und der hedonischen Qualität her, im Sinne von „Ökoquark oder Speisequark aus der Region schmeckt besser“. Hingegen war eine Verbraucherin vermutlich aus innerster ökologischer Überzeugung bereit, die Anfangsphase eines ökologischen Betriebes durch den regelmä- ßigen Kauf von Quark zu unterstützen, obwohl sie mit der Haltbarkeit des Produktes unzufrieden war. Im Gegensatz dazu wurde bei der Kunststoffverpackung ein negativer Ein- fluss auf die hedonische Qualität beschrieben. Diese Aussage ist zum einen aufgrund von eigenen Erfahrungen und Beobachtungen durch die eigene Herstellung von Milchprodukten im Haushalt begründet. Zum anderen ist der Zeichenträger „Kunststoffverpackung“ bei den Verbrauchern von hofeigenem Speisequark negativ konnotiert. Diese Einstellung scheint bei deutschen Verbrauchern kulturell tief verankert zu sein, wie eine Verbraucherin sehr deutlich zum Ausdruck bringt: „Die Plastikverpackung, das ist so wie aus der Dose trinken. Man denkt der Plastikgeschmack ist übertragen. Es hat etwas damit zu tun, wo man etwas herausnimmt. So ein Glas hat was Neutrales, Sauberes. Plastik hat immer noch was Ungewohntes und was Fremdes.“ Dies könnte auch einer von mehreren Erklärungsgründen sein, weshalb bei der Conjoint-Analyse mit Produktattrappen (Kapitel 3.3.3.2) überraschender- weise die Verpackung den höchsten relativen Nutzenbeitrag erhielt. Exkurs: Verbindungen aus Sicht der Konsumentenforschung Aufgrund von Verbraucherumfragen gibt es konträre Aussagen zum „Ge- schmack“ als Einkaufsmotiv für Ökolebensmittel (vgl. Kapitel 6.4.2). Während eine Studie die These aufstellt, dass insbesondere Nicht-Öko-Verbraucher mit Öko-Lebensmitteln weniger Assoziationen mit „Genuss“ verknüpfen (vgl. SIMONS et. al, 2001), sondern eher mit „Gesundheit“, kommt eine andere repräsentative Studie zu dem Ergebnis, dass „die höchste Relevanz beim Kauf ökologischer Lebensmittel der Aspekt des Genusses (natürlicher Geschmack) hat.“ (ZMP und CMA, 2002). Exkurs: Verbindungen aus sensorischer bzw. naturwissenschaftlicher Sicht Die Ergebnisse zu sensorischen Vergleichstests mit ökologisch und konven- tionell angebauten Lebensmitteln sind nach kritischen Literaturrecherchen zur vergleichenden Qualitätsforschung sehr vorsichtig zu bewerten. Nach der Literaturrecherche von ALFÖDI et al. (2001) gab es nur zwei Veröffentli- chungen, in denen Unterschiede zwischen ökologischen und konventionellen Lebensmitteln festgestellt werden konnten, während es in fünf Publikationen keine Unterschiede gab. 131 Zum direkten Einfluss einer bestimmten Region (frz. terroir) auf die sensori- sche Qualität von Lebensmitteln gibt es hingegen Untersuchungsergebnisse zu Wein und Käse aus Frankreich. Lebensmittel mit kontrollierter Ursprungs- bezeichnung (AOC)1 und der damit verbundenen Region (terroir) besitzen in Frankreich im Gegensatz zu Deutschland einen außerordentlich hohen Stel- lenwert. Diese Wertschätzung ist insbesondere kulturell bedingt und beruht natürlich auch auf ökonomischen Interessen, nämlich den Marktanteil von regionaltypischen Lebensmitteln vor ähnlichen Produkten aus anderen Regi- onen oder Ländern zu schützen. Die Einflüsse des terroir auf die physisch-chemischen und/oder sensorischen Eigenschaften sind beim Endprodukt Wein hinsichtlich der Inhaltsstoffe (Phenole, insbesondere Flavonoide) bisher eindeutiger festzustellen als bei den Inhaltsstoffen von Käse (Karotinoide und Abbauprodukte von Lipiden und Proteinen), die vom Futter abhängig sind. Die reichhaltigeren Inhaltstoffe in Käse könnten jedoch als Kennzeichen für die Herkunft des Produktes he- rangezogen werden, obwohl sich diese teilweise (noch) nicht in sensorischen Unterschieden belegen lassen (ASSELIN et al., 1999, 87). Bei Untersuchun- gen der aus dem Jura stammenden Käsesorte Morbier konnten sensorische Unterschiede zwischen Berg- und Talkäse festgestellt werden. Morbier aus der Bergregion wurde sensorisch intensiver „milchsauer“ und weniger inten- siv mit einem „Düngeraroma“ bewertet als Morbier aus den Tallagen (BUCHIN et al., 1998, zitiert nach ASSELIN et al., 1999, 84ff.). Dies hängt insbesondere mit den komplexeren Einflussfaktoren im Produktionssystem „Milch“ bzw. Verarbeitungssystem „Käse“ zusammen. Die Verbindungen zwischen hedonischer/sensorischer und ökologischer Qualität werden nachfolgend zusammengefasst: Verpackung: • Glas: „Glas ist neutral“ (positives Umweltimage) • Kunststoff: „Plastikgeschmack ist übertragen“; „Milch reagiert auf Plas- tik“ „Verpackungsmüll“ (negatives Umweltimage) Exkurs: Konsumentenforschung liefert konträre Ergebnisse: • „Viele Verbraucher verbinden mit Ökolebensmitteln nicht Genuss.“ • „Die höchste Relevanz beim Kauf ökologischer Lebensmittel hat der As- pekt des Genusses (natürlicher Geschmack).“ Exkurs: Sensorik- und vergleichende Qualitätsforschung: • Sensorikforschung: Nach französischen Untersuchungsergebnissen hat die Region (terroir) einen Einfluss auf die sensorische Qualität von Wein und Käse. • Vergleichende Qualitätsforschung: Ergebnisse zu sensorischen Unter- schieden zwischen Lebensmitteln aus ökologischer und konventioneller Erzeugung sind bisher vorsichtig zu interpretieren. 1 AOC: Appelation d’origine controllée 132 6.4.4 Verbindungen zwischen kultureller, hedoni- scher/sensorischer und ökologischer Qualität In diesem Kapitel wird aufbauend auf den zweidimensional erarbeiteten Verbindungen versucht, Verbindungen zwischen den drei hier relevanten Qualitäten am Beispiel von Speisequark herzustellen. Dabei stellen die unter- schiedlichen Herstellungsweisen von Hof- und Molkereiquark ein wichtiges Verbindungsglied zwischen hedonischer/sensorischer, ökologischer und kultureller Qualität dar. Sie werden nachfolgend insbesondere aus Sicht der Verbraucher sowie aus semiotischer, sensorischer und aus verfahrenstech- nischer Sicht genauer beleuchtet. Verbindungen aus Verbrauchersicht Die handwerkliche Herstellung wird „persönlicher“ als die industrielle erlebt und mit der Vergangenheit assoziiert. Im Gegensatz dazu wird die indus- trielle Herstellung von Speisequark von einem gut informierten Verbraucher, der die industrielle Quarkherstellung bei einer Molkereiführung besichtigt hat, als „maschinelle Verarbeitung einer Masse“ beschrieben. Wie in Kapitel 5 festgestellt werden konnte, hat das Herstellungsverfahren einen großen Ein- fluss auf die sensorische und hedonische Qualität von Speisequark aus hofeigener und industrieller Verarbeitung. Das hofeigene Produkt wurde von den Verbrauchern als „authentisch“ und mit einem „Urgeschmack“ beschrie- ben. Im Gegensatz dazu wurde die hedonische Qualität von Molkereiquark als „nichts sagend“, „nach Gips“ schmeckend charakterisiert. Darüber hinaus fanden einige Verbraucher das „Absetzen der Molke“ charakteristisch für Molkereiquark. Verbindungen aus semiotischer Sicht Wie bereits die semiotische Analyse gezeigt hat, ist die Verpackung der wichtigste Zeichenträger zur Unterscheidung zwischen hofeigenem und in- dustriellem Speisequark. Mehrwegglas genießt in Deutschland als Verpackung ein hohes Image bei Verbrauchern (vgl. v. ZIEHLBERG et al., 1997). Gleichzeitig wird Glas eine höhere Umweltfreundlichkeit von Verbrauchern zugeschrieben als Plastik- verpackungen und gilt damit als ökologisch korrekter. Wie eng diese ökologi- sche Bewertung der Verpackung mit den kulturellen Werten einer Gesell- schaft zusammenhängt, zeigt bereits der erwähnte langjährige wissenschaft- liche Streit zwischen Verpackungsindustrie und Umweltbundesamt. Ökologisch erzeugter Hofquark wird von den Verbrauchern auf allen Ebenen als ein „gutes Lebensmittel“ wahrgenommen (vgl. Kapitel 6.3.1), denn nach FRIESE (1998, 43) ist bei Verbrauchern eine Präferenz für Produkte, deren Image mit dem eigenen Selbstbild kongruent ist, festzustellen. Es besteht z. B. beim Impulskauf ein affektiver Drang nach Produkten, die mit dem Selbstkonzept übereinstimmen. Wenn das soziale Umfeld auf das Konsum- gut auch noch positiv reagiert, dann hat dies eine positive Wirkung auf das eigene Selbstwertgefühl. 133 Verbindungen aus verfahrenstechnischer Sicht Die historisch bedingten unterschiedlichen Herstellungsweisen – handwerk- lich und industriell – führen zu zwei sensorisch sehr unterschiedlichen Pro- dukten, die hier als Hof- und Molkereiquark bezeichnet werden. Erst durch die hofeigene Milchverarbeitung, die fast ausschließlich handwerkliche Ver- fahren anwendet, wird Speisequark in Deutschland wieder verstärkt nach dem Sackquarkverfahren wie vor Hunderten von Jahren hergestellt und in größeren Mengen angeboten. Dass diese Herstellungsweise, die mit einem hohen Arbeitsaufwand verbunden ist, heute noch praktiziert wird, ist haupt- sächlich das Verdienst von ökologisch wirtschaftenden Milchviehbetrieben mit hofeigener Milchverarbeitung.1 Aus diesem Grund stellt das Herstellungs- verfahren einen sowohl ökologischen als auch kulturell bedingten Einfluss auf die sensorische Qualität von Speisequark aus hofeigener Verarbeitung dar. Umgekehrt wirkt sich die Verbrauchernachfrage nach Milchprodukten aus hofeigener Verarbeitung, die diese Produkte aufgrund ihres Geschmacks besonders wertschätzen, auf das Wachstum der Hofkäsereien bzw. auf die Ausdehnung der verarbeiteten Milchmenge aus. Die größten Unterschiede in der sensorischen Qualität zwischen Hof- bzw. Molkereiquark sind durch das Sackquark- bzw. das Thermo-Quark-Verfahren bedingt. Die Grundgeschmacksart sauer und die Textureigenschaft sandig der Hofquarkproben wurden von dem geschulten Sensorikpanel intensiver bewertet als bei den Molkereiquarkproben und sind damit typische sensori- sche Eigenschaften von Hofquark. Im Gegensatz dazu wurde der Molkerei- quark, der nach dem Thermo-Quark-Verfahren hergestellt wird, cremiger be- wertet. Für diese drei Eigenschaften gibt es signifikante Unterschiede zwi- schen hofeigen und industriell hergestellten Quarkproben. Aus verfahrens- technischen Gründen kann es bei dem Sackquarkverfahren größere Schwankungen vor allem in der Textur geben, die sich in den sensorischen Schwankungen widerspiegeln. Die sensorischen Eigenschaften von Molke- reiquark sind hingegen relativ konstant und die Profile der zwei untersuchten Molkereiquarkproben waren sehr ähnlich. Die hier vorgestellten Verbindun- gen zwischen kultureller, ökologischer und hedonischer/sensorischer Qualität werden in der Abbildung 12 zusammengefasst: 1 In sehr geringem Umfang wird in Molkereien „handgeschöpfter Schichtkäse“ hergestellt. 134 Kulturelle Qualität Kulturgeschichtlich unterschiedliche Herstellungsweisen: handwerklich (hofeigen) industriell Sackquarkverfahren Thermo-Quark-Verfahren Hofquark Molkereiquark Ökologische Qualität (Verbraucher) Glasverpackung „Glas ist schön, sauber, neutral“ Regionalität Kunststoffverpackung „Die ganzen Milchprodukte schmecken in irgendeiner Art nach Plastik“; „Plastik hat immer noch was Ungewohntes und was Fremdes“ Sensorische Qualität (geschulte Prüfpersonen) Typische sensorische Eigenschaften aufgrund des Herstellungsverfahrens: Geschmack: sauer; Textur: sandig Textur: cremig Sensorische Schwankungen vorhanden Sensorische Eigenschaften relativ kon- stant Hedonische Qualität (Verbraucher) „authentisch, Urgeschmack“ „schmeckt wie zu Hause“ „schmeckt wie in der Kinderzeit“ „nichts sagend“ „schmeckt nach Gips“ „Molke setzt sich ab“ Verwendung und Zubereitung (Verbraucher) Hauptsächlich zum Frühstück, aber auch zum Backen; als Nachspeise „zu schade, zu teuer“ „Für Masse, z. B. als Nachspeise“; „Mas- senquark“ wird durch „Geschmacks- stoffe, z. B. Bananen, ergänzt“ Kulturelle Qualität (Klassifizierung gemäß den diskursiven Begründungen des Handelns der Verbrau- cher von Hofquark) „gutes Lebensmittel“ „schlechtes Lebensmittel“ Abbildung 12: Verbindungen zwischen kultureller, ökologischer und hedo- nischer/sensorischer Qualität am Beispiel von Hof- und Molkereiquark Quelle: Eigene Darstellung 135 6.5 Kritische Reflexion Diese Arbeit ist ein Schritt auf dem Weg zu mehr Interdisziplinarität in Rich- tung Lebensmittelqualität, für den erst ein theoretisches Modell entwickelt werden musste. Das Herausarbeiten der Verbindungen zwischen hedoni- scher/sensorischer, ökologischer und kultureller Qualität auf der Grundlage der diskursiven Begründungen des Esshandelns der Verbraucher sowie aus Sicht der Sensorik, Semiotik, Konsumentenforschung, Ernährungssoziologie, Kulturgeschichte und Herstellungstechnologie stellte eine große Herausfor- derung dar. Insbesondere für Naturwissenschaftler (zu der sich auch die Verfasserin zählt) ist dabei sicherlich das sich Einlassen auf sozial- und kulturwissenschaftlich orientierte Ansätze in der Ernährungsforschung der erste „Berg“, der erklommen werden muss, um durch die „bessere Bergsicht“ den eigenen naturwissenschaftlich geprägten Horizont zu erweitern. Wäh- rend der gesamten Forschungsarbeit war das Spannungsfeld zwischen natur- und kulturwissenschaftlichem Paradigma allgegenwärtig, wodurch die Herstellung von Verbindungen zwischen diesen beiden konträren For- schungsansätzen enorm erschwert wurde.1 Das Spannungsfeld erhöht sich dadurch, dass in dem handlungstheoreti- schen Modell versucht wird, die strikte Trennung zwischen objektiven und subjektiven Qualitäten zu überwinden und die kulturell bedingten Wertungen der Verbraucher gleichwertig zu den empirisch erfassten Ergebnissen darzu- stellen und in Verbindung zu bringen. Innerhalb einer Naturwissenschaft, z. B. in der Sensorik, stellt der Dualismus zwischen objektiver2 und subjektiver3 Qualität jedoch ein grundlegendes Unterscheidungsprinzip für alle weiteren Prüfverfahren dar (vgl. Kapitel 2.1.2). Bei genauerer Beleuchtung der Sensorik, die sich als Naturwissenschaft am unmittelbarsten mit Essen (und Trinken) durch Prüfung von Lebensmitteln mit menschlichen Sinnen beschäftigt, ist diese selbst der Kritik ausgesetzt, nicht objektiv zu sein. Die naturwissenschaftliche (technisch orientierte) Sichtweise zweifelt an der Objektivität sensorischer Messmethoden, da sie mit menschlichen Sinnen durchgeführt werden, denen per se Subjektivität unterstellt wird. Im Gegensatz dazu protestieren einige Geisteswissen- schaftler gegen die zu technisch empfundene Sichtweise, „den Mensch als Messinstrument“ zu betrachten (MARTENS, 1999). Mit welchen Methoden dieser Dualismus in der noch relativ jungen Sensorikwissenschaft überwun- den werden kann, sind Fragen, die auf weiteren Forschungsbedarf hinwei- sen. Sicherlich kann bei dieser Arbeit leicht der Vorwurf entstehen, dass die Aus- wahl der drei Qualitätskategorien willkürlich bzw. durch die Vorgaben im Rahmen des EU-Projektes bestimmt wurde und je nach Forschungssicht und 1 Der Konflikt zwischen natur- und sozialwissenschaftlichem Paradigma in der Ernährungsforschung wird von HOFER (2001, 203) und BARLÖSIUS (1999, 48-69) ausführlich problematisiert. 2 Objektiv: sensorische Qualität, die nur von geschulten Prüfpersonen bestimmt werden kann. 3 Subjektiv: hedonische Qualität, die Bewertung von ungeschulten Verbrauchern bzgl. der Beliebtheit eines Lebensmittels. 136 -interesse der Beurteilenden (Natur- bzw. Kulturwissenschaftler oder Öko- nomen) als wichtig oder unwichtig oder auch als nicht ausführlich genug be- trachtet wird. Stellt man jedoch die Esshandlungen der Verbraucher (vgl. Ergebnisse der Gruppendiskussionen, Kapitel 6.2 und 6.3) als Integrationsmoment von ob- jektiven, subjektiven und sozio-kulturellen Qualitäten in das Zentrum der Be- trachtung, so kann dieser Vorwurf leicht entkräftet werden. Aus Sicht der Verbraucher wurden hier die für sie relevanten Qualitäten an dem Produkt- beispiel Quark erfasst bzw. betrachtet und Verbindungen zwischen den Qua- litäten hergestellt. Ein weiterer Kritikpunkt an dieser Arbeit könnte die Vernachlässigung der ökonomischen Aspekte sein. In den durchgeführten Verbraucherumfragen zu Speisequark wurde festgestellt, dass der Preis des Produktes eine unterge- ordnete Rolle für regelmäßige Kunden spielt, während in allen anderen EU- Projektländern die „ökonomische Qualität“ der hofeigenen Milchprodukte aus Verbrauchersicht eine wesentlich größere Bedeutung hatte. Vor dem Hinter- grund, dass die regelmäßigen Verbraucher bereit sind, mehr als den zweifa- chen Preis für Hofquark auszugeben, ist gerade aus ökonomischer Sicht die Fragestellung nach den Verbindungen zwischen den drei untersuchten Qua- litäten für dieses „Nischenprodukt“ gerechtfertigt. Für preissensible Verbrau- cher ist der relativ hohe Preis für Hofquark im Vergleich zu Molkereiquark vermutlich das wichtigste Motiv für den Nicht-Kauf. Für das Ergebnis der Gruppendiskussionen wäre es aus methodischen Gründen wünschenswerter, eine höhere Anzahl von Verbrauchern zu haben, die außerdem nach repräsentativen Kriterien ausgewählt sind. Ergänzend wären aus wissenschaftlicher Sicht natürlich auch Gruppendiskussionen mit Nicht-Konsumenten von großem Interesse gewesen. Nun war dies im Rah- men dieser Arbeit organisatorisch und zeitlich nicht machbar. Für zukünftige interdisziplinäre Forschungsarbeiten, die wie in diesem Modell das Esshan- deln der Verbraucher in den Mittelpunkt stellt, sollten deshalb die o. g. Krite- rien berücksichtigt werden. Insbesondere soziologische Aspekte liefern zum Thema „ökologische Quali- tät“ von Lebensmitteln sehr fruchtbare Erklärungsansätze, z. B. warum sich Konsumenten bewusst für alternative Ernährungsstile entscheiden. Konsu- mentenforschung, die auf rein quantitativen Verbraucherbefragungen beruht, bleibt im Gegensatz dazu meist auf einer kognitiven Ebene stehen und ist dadurch in ihrer Aussagefähigkeit eingeschränkter bzw. liefert wenig neue Erklärungen für das Konsumentenverhalten im Ökolebensmittelbereich. Sozio-kulturelle Qualitäten, wie sie in den Gruppendiskussionen als diskur- sive Begründungen des Esshandelns mit Verbrauchern ermittelt wurden, können mit quantitativen Methoden kaum erforscht werden. Aus diesem Grund sind für interdisziplinäre Forschungsarbeiten mit einem handlungs- theoretischen Ansatz zum Thema Essen und Lebensmittelqualität qualitative Methoden der Sozialwissenschaften zu empfehlen.1 1 vgl. auch HOFER (2001, 16-19), der theoretisch ausführlich begründet, weshalb für handlungsorientierte Ansätze die Methoden der qualitativen Sozialforschung und für verhaltenstheoretische Untersuchungen eher quantitative Methoden vorzuziehen sind. 137 6.6 Ein neuer Ansatz zur Qualitätsbetrachtung von Lebens- mitteln Der interdisziplinäre Ansatz, der in dieser Arbeit entwickelt wurde, stellt gleichzeitig ein Plädoyer für eine mehrdimensionale Qualitätsbetrachtung von Lebensmitteln dar, die vielschichtiger und tiefgründiger ist als eine diszipli- näre. Eine wichtige Voraussetzung für diese neue Herangehensweise ist, dass das alltägliche Ernährungswissen und das Esshandeln von Verbrau- chern gleichermaßen wertgeschätzt werden wie wissenschaftliche Erkennt- nisse aus der Ernährungsforschung bzw. allen angrenzenden Natur-, Kultur- bzw. Wirtschaftswissenschaften, die sich mit dem Thema Qualität von Le- bensmitteln befassen. Eine zweite Voraussetzung ist, die sowohl natürlichen als auch die kulturellen Dimensionen bei einer Qualitätsbetrachtung von Lebensmitteln zu verbinden. Wie die Ergebnisse der komplexen sensorischen und semiotischen Analysen sowie der Verbraucherumfrage im Zusammenhang mit den diskursiven Be- gründungen des Esshandeln der Verbraucher in dieser Arbeit zeigen konn- ten, sind diese untrennbar miteinander verbunden. Dies bedeutet jedoch für die bisherige disziplinäre Forschung, sich für die jeweils andere Forschungs- sicht der Natur- oder Kulturwissenschaft zu öffnen, um von beiden Seiten das Thema Qualität von Lebensmitteln zu betrachten vor dem Hintergrund, dass Essen immer mit einer natürlichen als auch mit einer kulturellen Dimension verbunden ist (vgl. Kapitel 2.1.3). Komplexe und sich ergänzende Methoden für eine komplexe Qualitäts- betrachtung Abschließend stellt sich die Frage, inwieweit die verwendeten Methoden für eine mehrdimensionale Qualitätsbetrachtung geeignet sind und einen gang- baren Weg in „Richtung Lebensmittelqualität“ als ein natur- und kulturwis- senschaftliches Thema für weitere Untersuchungen darstellen. Für weitere Analysen zum Thema Lebensmittelqualität sind aufgrund der Ergebnisse dieser Arbeit Gruppendiskussionen oder andere geeignete qualitative Untersuchungsmethoden mit Verbrauchern eine wichtige Basis, wenn das Esshandeln der Verbraucher als Integrationsmoment für objektive, subjektive und sozio-kulturelle Qualitäten steht. Als naturwissenschaftliche Methode ist die Sensorik zur Erfassung der sen- sorischen Qualität bzw. über Beliebheitstests auch zur Erforschung der hedonischen Qualität besonders prädestiniert, da sie am unmittelbarsten und mit den gleichen „Messinstrumenten“ – den menschlichen Sinnen – Lebens- mittel bewertet wie die Verbraucher. Semiotik ergänzt als kulturwissenschaft- liche Methode auf ideale Weise diesen hier gewählten interdisziplinären Forschungsansatz, da sie die Botschaft von Produkten, d. h. kulturelle Bedeutungen und historische Ausprägungen von Sinnsetzungen, analysiert. Darüber hinaus liefern kulturhistorische Aspekte zur Herstellung, Verwen- dung und Zubereitung und ihre Ausprägungen von Sinnsetzungen einen wesentlichen Beitrag, ohne die die heutigen kulturellen Bedeutungen nicht nachvollziehbar wären. Abhängig von der Fragestellung und den für die Verbraucher relevanten Eigenschaften können die in dieser Arbeit ange- wandten Methoden durch weitere ergänzt werden, wenn sie geeignet sind, mit den hier genannten Methoden verbunden zu werden. 138 Teil II 7 Entwicklung einer sensorischen Schulung für Hofkäser und Hofkäserinnen Vor dem Hintergrund der in dieser Arbeit gewonnenen Ergebnisse und Er- kenntnisse und aufgrund der Hinweise aus der Praxis zu aktuellen Herstel- lungsproblemen wird im Rahmen dieser Arbeit ein Programm für eine senso- rische Schulung konzipiert, das eine Brücke zwischen Wissenschaft und Praxis darstellt. Zum einen wurden bei der Profilprüfung von Speisequark aus hofeigener Verarbeitung in Kapitel 5.7 festgestellt, dass es bei einigen sensorischen Eigenschaften sehr hohe Intensitätsschwankungen bei Speise- quark von ein und demselben Erzeuger innerhalb eines Zeitraumes von 10 Monaten gab, die vermutlich herstellungsbedingt sind. Zum anderen zeigte sich in mehreren Treffen mit den beteiligten Erzeugern, dass die Wahr- nehmung der sensorischen Eigenschaften von Speisequark insbesondere der Aromen teilweise sehr schwierig war (vgl. auch Kapitel 5.6.4). Wichtige Hinweise bei der Planung und Konzeption der Schulung kamen darüber hinaus direkt aus der Praxis in Gesprächen mit Verantwortlichen für die berufsbegleitende Fortbildung „Landwirtschaftliche Milchverarbeitung“, die insbesondere die Milchqualität betrifft. Zum einen werden in kleineren Hofkäsereien mit geringen Milchmengen mehrere Gemelke für die Herstel- lung von Milchprodukten verwendet. Dies wirkt sich bekanntermaßen durch die Förderung von psychrotrophen Keimen negativ auf die Käsereitauglich- keit der Milch aus. Zum anderen sind die Schwankungen der chemischen Zusammensetzung der Milch, z. B. durch die Milch von altmelkenden Kühen in einer relativ kleinen Kuhherde, beträchtlich. Aus diesem Grund wird zur Umsetzung der Ergebnisse der Profilprüfung in die Praxis ein sensorisches Schulungskonzept für Hofkäser entwickelt, erprobt und evaluiert. 7.1 Ziele einer sensorischen Schulung Für die zu entwickelnde Schulung wurden die folgenden allgemeinen und speziellen Ziele formuliert: Allgemeine Ziele: Die sensorische Schulung für Hofkäser soll einen Beitrag leisten zur Motiva- tion und zur gezielteren Wahrnehmung der sensorischen Qualität von selbst erzeugten Milchprodukten aus hofeigener Verarbeitung. Außerdem soll sie die besondere Bedeutung der Rohmilchqualität bei der Herstellung von hof- eigenen Milchprodukten für die sensorische Qualität des Endproduktes ver- mitteln. Spezielle Ziele: Die speziellen Ziele dieser Schulung bauen aufeinander auf und werden nachfolgend vorgestellt: • Wahrnehmen und Bezeichnen von potenziellen Herstellungsfehlern am Beispiel von Speisequark • Lernen und Einüben von sensorischen Begriffen (Verbalisieren) • Wahrnehmen von unterschiedlichen Intensitäten 139 • Erklären von Ursachen für Herstellungsfehler und ihre sensorischen Auswirkungen auf das Endprodukt und Möglichkeiten zu ihrer Vermei- dung • Wahrnehmen von sensorischen Eigenschaften (durch gezielte Herstel- lungsfehler) am Beispiel von Speisequark • Vermitteln der Bedeutung der sensorischen Eigenschaften von hofeige- nen Produkten für die Verbraucher • Herstellen von Verbindungen zwischen sensorischer und hedonischer Beurteilung von Produkten • Handlungsanweisungen und Motivation für die Durchführung von sensori- schen Tests für Hofkäser 7.2 Planung und Gestaltung der Sensorikschulung Die Schulung wurde aus didaktischen Gründen für zwei halbe Tage geplant. Erstens würden zu viele sensorische Tests an einem Tag eine Überforderung der Teilnehmer bedeuten. Zweitens besteht die Möglichkeit zur Reflexion über die sensorischen Tests nach dem ersten Schulungstag. Die Vorge- hensweise für jede praktische Schulungseinheit wurde mit den Kursteilneh- mern nach der Vorstellungsrunde und der Vorstellung der Ziele besprochen, wobei die Teilnehmer dem vorgeschlagenen Programm zustimmten. Jede praktische Schulungseinheit wurde aus den folgenden drei Teilen aufgebaut, um einen möglichst hohen Lernerfolg zu erzielen und die jeweiligen sensori- schen Prüfungen abschließend bei der Schlussfolgerung zu reflektieren: A) Beschreibung des Ziels B) Erklärung und Durchführung eines sensorischen Tests C) Schlussfolgerungen Die Gestaltung des Programms für den ersten und zweiten Schulungstag wird nachfolgend skizziert und ausführlich bei der praktischen Durchführung erläutert. 1. Schulungstag Einführung in das Thema Die Bedeutung der sensorischen Eigenschaften, der Technologie und der Rohstoffe für die Herstellung von Milchprodukten (insbesondere von Speise- quark) und ihr Zusammenhang werden erklärt. I. Schulungseinheit A) Ziel: Wahrnehmung und Bezeichnung von Herstellungsfehlern bei Speisequark B) Erklärung und Durchführung: 1. sensorischer Test: Einfach beschreibende Prüfung (DIN 10964, 1996) (ohne Vorgaben) C) Schlussfolgerung: Bedeutung der Begriffe für die sensorische Wahr- nehmung, Besprechung der Produkte und Hinweise auf die Qualitätssicherung 140 II. Schulungseinheit A) Ziel: Erlernen von sensorischen Begriffen B) Erklärung und Durchführung: 2. Sensorischer Test: Paarweise Ver- gleichsprüfung (DIN 10954, 1997) C) Schlussfolgerung: Zusammenhang zwischen Herkunft von Herstel- lungsfehlern und ihre sensorischen Auswirkungen (Überleitung zur theoretischen Schulungseinheit) III. Theoretische Schulungseinheit A) Ziel: Ursachen für Herstellungsfehler und Möglichkeiten zu ihrer Ver- meidung werden erklärt B) Theorie: • Steuerungsmöglichkeiten des Herstellungsprozesses durch Verarbeiter • Qualitätssicherungskonzepte (Beispiele) • Verweis auf das Routine-Untersuchungsprogramm des VHM1 • Bedeutung einer konstanten Herstellung für Verbraucher IV. Schulungseinheit: A) Ziel: Wahrnehmen der Intensitäten von sensorischen Eigenschaften B) Erklärung und Durchführung: 3. Sensorischer Test: 4 Milchprodukte mit unterschiedlichen Intensitätsstufen (Konzentrationsreihe für Bit- tergeschmack) C) Schlussfolgerung: • Bedeutung der Intensitäten von sensorischen Eigenschaften, Einordnung, welche Produkte die „Grenze“ des Bittergeschmacks überschreiten • Bedeutung des Menschen als „Messinstrument“ • Motivation zum Erlernen von sensorischen Intensitätsunterschieden durch stetiges Üben Abschluss 1. Schulungstag: kurzes Feed-back (Blitzlicht) 2. Schulungstag Beginn: Offene Fragen klären I. Schulungseinheit A) Ziel: Wahrnehmung der sensorischen Eigenschaften von Speise- quark (Wiederholungsübung mit hohem Schwierigkeitsgrad) B) 1. Sensorischer Test: Profilprüfung in Anlehnung an DIN 10967-1: Sensorische Prüfung von Speisequarkproben, die am 17.4. herge- stellt wurden; Anwendung einer 5er Intensitätsskala (sehr schwach bis sehr stark) 1 VHM: Verband für Handwerkliche Milchverarbeitung im Ökologischen Landbau. 141 C) Schlussfolgerung: • qualitative und quantitative Methode zur Bestimmung von charakteristi- schen sensorischen Eigenschaften von Lebensmitteln • Hinweise: Vergleich mit Ergebnissen der Profilprüfung von Speisequark aus hofeigener und industrieller Verarbeitung • Bedeutung der Definition sensorischer Eigenschaften und Intensitäten als Voraussetzung für die Übereinstimmung von Prüferurteilen bei sensori- schen Prüfungen II. Schulungseinheit: A) Ziel: Vermittlung der sensorischen Eigenschaften von hofeigenen Produkten an die Verbraucher B) 2. Sensorischer Test: Präferenztest mit selbsthergestellten Milchprodukten C) Schlussfolgerung: Es gibt keine Mittelwerte bei Beliebtheitstests! • Jeder Verbraucher hat seine eigene Präferenz, die individuell und kulturell bedingt ist • Bedeutung von „das schmeckt gut!“ ( = keine Aussage über das Produkt, sondern über die Person, die es sagt!) • Überleitung zur 3. Schulungseinheit III. Theoretische Schulungseinheit: A) Ziel: Verbindung zwischen sensorischer und hedonischer Beurtei- lung von Produkten (1. + 2. Schulungstag) herstellen B) Theorie: Sinnesphysiologische Wahrnehmungsprozesse; Modelle aus der Konsumentenforschung; Verbraucher will Produkte, die er gerne mag, wieder erkennen (Hinweis auf konstante Produktion); Hinweise zu Verkostungen mit Verbrauchern (Produktentwicklung); Hinweis auf Marketing: Sensorische Qualität ist ein wichtiger Aspekt von vielen anderen, die für den erfolgreichen Absatz von Milchpro- dukten und Käse aus hofeigener Verarbeitung bedeutsam sind; Vermittlung von Handlungsanweisungen und Motivation für die Durchführung von sensorischen Tests für Hofkäser Abschlussrunde und mündliches Feedback: Fragen an Teilnehmer: • Was folgt für mich aus dem Seminar? • Was hat Ihnen gefallen, was könnte/sollte verbessert werden? Schriftliche Evaluation Nach dem mündlichen Feedback wurde den Teilnehmern ein Fragebogen zur schriftlichen Bewertung ausgehändigt, um die Einzelmeinungen der Teil- nehmer zu erfassen. 7.3 Praktische Durchführung der Schulung Die Schulung wurde am 17. und 18.4.2002 im Bildungszentrum Milchwirt- schaft, Überbetriebliche Ausbildungsstätte in Gelnhausen durchgeführt. An der Schulung nahmen 15 Kursteilnehmer der Berufsbegleitenden Fortbildung 142 für Hofkäser sowie eine externe Teilnehmerin teil. Die Probenvorbereitung erfolgte jeweils vormittags für die Sensorikschulung, die an zwei Nachmit- tagen von 13.45 - 17.00 Uhr stattfand. 7.3.1 Quarkversuche mit gezielten Herstellungsfehlern Am 17.4. wurden unter Leitung von A. Liebermann fünf Speisequarkpro- duktionen mit je 10 Liter Rohmilch hergestellt, welche am 2. Schulungstag (18.4) sensorisch von den Kursteilnehmern beurteilt wurden. Für alle Char- gen wurde das in der Ausbildungsstätte übliche Quarkherstellungsverfahren angewendet, das nachfolgend kurz skizziert wird: Die Rohmilch für alle fünf hergestellten Chargen stammte von einem Vor- zugsmilchbetrieb und wurde am 17.4. morgens abgeholt und für die Quark- herstellung in je 10-l-Behältern aufgestellt. Die Zugabe des Direktstarters (Fa. Rhodia Typ MM100 = Lactococcus lactis, Lactococcus cremoris und Lactococcus diacetylactis) 2 units/100 l Milch erfolgte um 9.30 Uhr. Das Ein- laben der Kesselmilch mit Kälbermagenlab (1ml/100 l Milch) erfolgte um 10.00 Uhr. Die Temperatur für die Dicklegung der Milch betrug 30 °C. Die Quarkgallerte wurde um 20.00 Uhr geschnitten und am nächsten Tag um 6.30 Uhr verschöpft. Der Molkenablauf der Quarkproben dauerte bis ca. 10.30 Uhr (18.4.). Für die gezielte Erzeugung von „Herstellungsfehlern“ gab es folgende Abweichungen von dem hier beschriebenen Herstellungsverfah- ren, die in Tabelle 24 beschrieben werden: Tabelle 24: Herstellung von fünf Speisequarkchargen Nr. Rohmilch- beschreibung Herstellungsweise pH-Wert beim Ver- schöpfen; Bemerkungen 773 Referenz- probe Rohmilch 17.04 (nur Morgen- milch) Korrekte Lab- und Direktstartermenge pH-Wert: 4,4 531 Rohmilch 17.04. (nur Morgen- milch) 5-fache Labmenge pH-Wert: 4,3; Molke war beim Schneiden und beim Verschöpfen stark abge- setzt 317 Rohmilch über- lagert vom 14.04. Korrekte Lab- und Direktstartermenge pH-Wert: 4,3 470 Rohmilch von 2 altmelkenden Kühen Zellzahl: 150.000 u. 170.000 Korrekte Lab- und Direktstartermenge pH-Wert: 4,58 135 Rohmilch 17.04. Temperaturabkühlung nach Einlaben auf 18 °C Grad pH-Wert: 5,64; nicht dick- gelegt; wurde deshalb nicht geprüft Quelle: Eigene Darstellung 143 7.3.2 Probenvorbereitungen Für die sensorischen Tests des ersten Schulungstages wurden folgende Proben vorbereitet. Für den ersten und zweiten sensorischen Test wurden folgende Stammlösungen zur Erzeugung eines bitteren und sauren Ge- schmacks verwendet: • 1 Stammlösung (SL) sauer: 1 g Milchsäure/10 ml Wasser • 1 Stammlösung (SL) bitter: 1 g Koffein/50 ml Wasser 1. Sensorischer Test: Einfach beschreibende Prüfung (DIN 10964, 1996): Tabelle 25: Herstellung von Joghurtproben Nr. Probe Joghurtprobe + Zusatz 132 Saurer Joghurt 1 kg Molkerei-Joghurt + 30 ml SL sauer 672 Bitterer Joghurt 1 kg Molkerei-Joghurt + 30 ml SL bitter 822 Molkerei-Joghurt 1 kg Molkerei-Joghurt 307 Hof-Joghurt 1 kg Joghurt (von einer Hofkäserei) Quelle: Eigene Darstellung 2. Sensorischer Test: Paarweise Vergleichsprüfung (DIN 10954, 1997): Tabelle 26: Herstellung von Quarkproben Nr. Probenpaar Veränderte Probe 357/887 Molkereiquark/bitterer Molkereiquark 1 kg Quark + 15 ml SL bitter 053/380 Molkereiquark/saurer Molkereiquark 1 kg Quark + 23 ml SL sauer 971/209 Molkereiquark/ Molkereiquark mit körniger Textur 0,65 kg Quark + Zugabe von 0,35 kg Hüttenkäse Quelle: Eigene Darstellung Für den dritten sensorischen Test wurde ein Standard für unterschiedliche Intensitätsstufen der Grundgeschmacksart bitter nach BERODIER et al. (1997, 43) verwendet: 1 Stammlösung (SL) bitter: 0,7 g Koffein/100 ml Wasser 3. Sensorischer Test: Wahrnehmung von Intensitäten Tabelle 27: Herstellung von Ricottaproben Nr. Veränderte Probe 685 1 kg Ricotta + 75 ml SL bitter + 75 ml Wasser (= schwach bitter) 956 1 kg Ricotta + 80 ml SL bitter 277 1 kg Ricotta + 125 ml SL bitter + 25 ml Wasser (= stark bitter) 163 1 kg Ricotta + 160 ml SL bitter Quelle: Eigene Darstellung Für den 2. Schulungstag wurden die folgenden Proben vorbereitet: 1. Test Profilprüfung in Anlehnung an DIN 10967-1 Für diese Profilprüfung wurden Speisequarkproben, die am 17.4. hergestellt wurden (siehe Tabelle 24) verwendet. Anstelle der nicht dickgelegten Charge Nr. 135 wurde eine Molkereiquarkprobe (Alnatura 40 % F.i.Tr.) als Ersatz verwendet. 144 2. Test: Beliebtheitstest mit Camembertproben Tabelle 28: Camembertproben Nr. Probe 028 1 kg Camembert von einer Hofkäserei 531 1 kg Franz. Rohmilch-Camembert 960 1 kg Rotkäppchen Camembert 801 1 kg Bio-Camembert Bioland (Molkerei Bergpracht) 473 1 kg Bio-Camembert Molkerei Andechs Quelle: Eigene Darstellung Anmerkung zur Probenvorbereitung: Da der Geruch des französischen Roh- milch-Camemberts (Probe 531) sehr intensiv war, wurden die Probenstücke in einen Joghurtbecher gelegt und mit einem Aluminiumdeckel bis zur Ver- kostung durch die Kursteilnehmer versiegelt. 7.3.3 Praktische Durchführung der sensorischen Tests 7.3.3.1 I. Schulungstag 1. Sensorischer Test: Einfach beschreibende Prüfung mit Joghurtpro- ben (DIN 10964, 1996) Ziel: Wahrnehmung und Bezeichnung von Herstellungsfehlern (bitter, sauer) Als Einstieg in die Sensorikschulung wurde die einfach beschreibende Prü- fung ohne Vorgaben gewählt, d. h. es wurde keine Liste mit sensorischen Begriffen (vgl. DIN 10964, 1996) verteilt. Die Teilnehmer wurden stattdessen angeregt, möglichst treffende Begriffe für ihre sensorischen Wahrnehmungen bei der Verkostung der vier Joghurtproben zu finden. Diese Begriffe wurden nach dem Test gesammelt und nach den Kategorien Aussehen, Flavour und Textur an der Tafel für jede der vier Proben strukturiert dargestellt. Auffällig dabei waren die teilweise gegensätzlichen Wahrnehmungen der Teilnehmer. Dabei entstanden sofort Diskussionen zwischen den Teilnehmern über die unterschiedlichen Ergebnisse. Deutlich wurde die Notwendigkeit, sensori- sche Begriffe zur Beschreibung von Milchprodukten bzw. Käse zu erlernen, um diese Produkte charakterisieren zu können. Dabei wurde auf die Bedeu- tung des Verbalisierens einer sensorischen Eigenschaft als Voraussetzung für das „Speichern” dieses Sinneseindruckes im sensorischen Gedächtnis und Wiedererkennen bei weiteren Verkostungen eingegangen. Dazu wurde den Teilnehmern Tabellen mit Begriffen zur Beschreibung von Käse und fermentierten Milchprodukten ausgeteilt. Die unterschiedliche sinnesphysiologische Wahrnehmung des Geruchs über den direkten Weg der Nase und die indirekte Wahrnehmung von Aromen über den retronasalen Weg wurde den Teilnehmern erklärt. Zur Unterschei- dung zwischen der Wahrnehmung der Grundgeschmacksarten auf der Zunge und der Wahrnehmung der Aromen wurde die spezielle Versuchs- technik demonstriert, die auch bei der Profilprüfung von Speisequark (Kapitel 5.6.4) angewendet wurde. 145 Die Grundgeschmackseigenschaften sauer und bitter, die durch Zugabe von Koffein bzw. Milchsäure erzeugt waren, wurden von fast allen Teilnehmern erkannt. Ursachen für einen sehr sauren oder sehr bitteren Geschmack in Joghurt wurden besprochen und eine Liste mit typischen Herstellungsfehlern wurde verteilt. 2. Sensorischer Test: Paarweise Vergleichsprüfung von Speisequark (DIN 10954, 1997) Ziel: Sensorische Begriffe werden erlernt Bei der paarweisen Vergleichsprüfung mit Speisequarkproben (3 Paare) sollten die sensorisch unerwünschten Eigenschaften stark sauer, stark bitter und körnig erkannt werden. Diese Eigenschaften wurden auch von fast allen Teilnehmern erkannt. Die Eigenschaft bitter wurde von wenigen Teilnehmern mit salzig verwechselt. Die Zusammenhänge zwischen den Ursachen von Herstellungsfehlern und ihren sensorischen Auswirkungen am Beispiel von Speisequark wurden nach der Durchführung des dritten sensorischen Tests erklärt. 3. Sensorischer Test: Wahrnehmung unterschiedlicher Intensitäten von sensorischen Eigenschaften Ziel: Wahrnehmen der Intensitäten von sensorischen Eigenschaften Bei diesem Test wurde eine Intensitätsreihe mit steigenden Koffeinkonzent- rationen in Ricotta nach den Referenzvorschlägen von BERODIER et al. (1997, 43) vorbereitet. Bei der Auswertung der Proben stellte sich heraus, dass fast alle Teilnehmer die geringste Konzentration (46 mg Koffein/100g Ricotta) für ein Milchprodukt bereits als zu stark empfanden, bei der eine „Grenze des Bittergeschmacks” für sie erreicht bzw. für einige schon über- schritten war. Darüber hinaus erwies sich Ricotta nicht als geeignetes Test- produkt. Erstens kannten einige Teilnehmer das Produkt nicht und zweitens wurde es von einigen hedonisch abgelehnt. 4. Theoretische Schulungseinheit zu Ursachen von Herstellungsfehlern und Möglichkeiten zu ihrer Vermeidung Potentielle Herstellungsfehler am Beispiel von Speisequark wurden anhand eines Fließschemas für jeden Prozessschritt erläutert. Zur Vermeidung von Herstellungsfehlern wurde auf die Bedeutung der Steuerung durch die Hof- käser bei der Herstellung von Milchprodukten und Käse eingegangen. Dabei wurden Qualitätssicherungskonzepte (z. B. HACCP) (KALKA, 1996) mit dem Fokus auf sensorische Prüfungen während des Herstellungsprozesses mit den Teilnehmern diskutiert. Darüber hinaus wurde auf die Bedeutung einer konstanten Herstellung von Milchprodukten und Käse für Verbraucher einge- gangen und auf die Ergebnisse der Profilprüfung mit Speisequark (Kapitel 5.7), die teilweise in einigen charakteristischen Eigenschaften hohe Schwan- kungen zeigten. 146 7.3.3.2 II. Schulungstag 1. Sensorischer Test: Profilprüfung in Anlehnung an DIN 10967-1 von Speisequarkproben Ziel: Wahrnehmung und Bewertung der sensorischen Eigenschaften von Speisequark Zur Einführung in den Test wurde das Prüfformular für Speisequark, das im Rahmen der Profilprüfung (Kapitel 5) entwickelt wurde, erklärt. Dabei wurde die Verwendung der Intensitätsskala von 0 = nicht erkennbar bis 5 = sehr stark für die Beschreibung der Intensität der einzelnen Eigenschaften erläu- tert.1 Auf eine Definition der sensorischen Eigenschaften wurde bewusst verzich- tet, da dies zu viel Zeit und zu viel Konzentration im Vorfeld der Prüfung ge- kostet hätte. Ziel war das Kennenlernen des Prüfverfahrens, das Bewerten der Intensitäten von verschiedenen sensorischen Eigenschaften nach indivi- dueller Einschätzung. Erwartungsgemäß ergab die Auswertung dieser ungeschulten Prüfergruppe, dass die Bewertung der Intensitäten teilweise von 0 bis 5 differierte. Es ent- standen viele und lebhafte Diskussionen über die wahrgenommenen bzw. nicht wahrgenommenen Eigenschaften und einige Teilnehmer zweifelten, ob die Gruppe tatsächlich die gleichen Proben verkostet hätte. Den Teilnehmern wurde dabei bewusst, wie wichtig eine übereinstimmende Beschreibung (d. h. Definition) von sensorischen Eigenschaften ist, wenn die sensorische Qualität (= sensorische Eigenschaften und ihre Intensitäten) von Lebensmit- teln bewertet werden soll. Die Schlussfolgerung, dass für die Bestimmung der sensorischen Qualität eine intensive sensorische Schulung notwendig ist, war nach diesem Test für die Mehrheit der Teilnehmer sehr deutlich gewor- den. Die eigentliche Standardproduktion (773) für diesen Quarktest wies bereits sensorisch unerwünschte Eigenschaften wie ranzig und andere Aromen auf. Die Charge 531 mit einer 5-fachen Labmenge und die Charge 317 aus überlagerter Rohmilch (3 Tage alt) wiesen beim Verschöpfen den niedrigsten pH-Wert von 4,3 auf. Die Charge 470 hatte einen höheren pH-Wert 4,58 als die drei erstgenannten und wurde schwächer sauer bewertet. Bei der Charge 135 sollte die sensorische Textureigenschaft griesig erzeugt werden, jedoch war die Temperaturabkühlung wahrscheinlich zu stark, so dass die Milch nur bis zu einem pH-Wert von 5,64 säuerte und nicht dickgelegt wurde. Aus die- sem Grund konnte diese Probe nicht verkostet werden. Die Herstellungsverfahren der einzelnen Proben wurden besprochen und teilweise miteinander verglichen. Die Quarkprobe mit der erhöhten Labzu- gabe wies eine körnigere Textur auf als die anderen Proben, dies wurde von den meisten Teilnehmern wahrgenommen. Die Quarkproben aus überlager- 1 Außerdem wurden die Teilnehmer vor der Prüfung eingehend darüber informiert, dass für die Erzeugung von Herstellungsfehlern teilweise Milch verwendet wurde, die nicht der Guten Herstellungspraxis (z. B. überlagerte Milch) entspricht. Aus diesem Grund wurden die Teilnehmer ausdrücklich darauf hingewiesen, die Proben nicht zu verzehren. 147 ter Milch und aus Milch von altmelkenden Kühen wiesen am stärksten an- dere Aromen, sowie die Aromen alt, futtrig, Kuhstall und ranzig auf. Beispiele für Schwankungen von sensorischen Eigenschaften von Speisequark von ein und demselben Erzeuger wurden anhand von Spinnennetzgraphiken aus den Ergebnissen der Profilprüfung (Kapitel 5.7) vorgestellt und erläutert. 2. Sensorischer Test: Präferenztest mit Camembert Ziel: Vermittlung der hedonischen Eigenschaften von hofeigenen Pro- dukten an die Verbraucher Um eine Verbindung zwischen sensorischer und hedonischer Bewertung nicht nur theoretisch sondern auch praktisch herstellen zu können, wurden die Teilnehmer beim letzten Test gebeten, die Rolle eines Verbrauchers zu übernehmen. Als Prüfverfahren wurde eine Rangordnungsprüfung nach Be- liebtheit mit insgesamt fünf sensorisch unterschiedlichen Camembertproben gewählt. Alle Teilnehmer wurden nach dem Test gebeten die ihrer Meinung nach beliebteste Probe (1. Rang) zu nennen und kurz zu begründen, wes- halb sie sich dafür entschieden hatten. Erwartungsgemäß fielen die Urteile innerhalb der Gruppe extrem aus, so dass jede der fünf Proben 1-3 Mal den 1. Rang erhielt. Eine lebhafte Diskus- sion unter den Teilnehmern entstand, da beispielsweise 3 Teilnehmer den französischen Rohmilchcamembert auf den 1. Rang gesetzt hatten, den viele andere „empört“ aufgrund seiner starken Geruchsintensität und seines Aus- sehens so vehement ablehnten, dass sie sich weigerten, diese Probe zu verkosten. Bei der Besprechung des Testergebnisses wurde den Teilnehmern vermittelt, dass jeder Verbraucher seine eigene Präferenz hat, die individuell und kultu- rell bedingt ist. Das bedeutet, dass die Aussage von Kunden „das schmeckt gut!“ noch keine Aussage über das Produkt zulässt, sondern nur über die Person, die es sagt. Aus diesem Grund ergibt es aus wissenschaftlicher Sicht keinen Sinn, Mittelwerte aus Verbraucherbewertungen zu bilden.1 3. Theoretische Schulungseinheit: 1. Ziel: Verbindung zwischen sensorischer und hedonischer Beurtei- lung von Produkten (1. + 2. Schulungstag) Den Teilnehmern wurde vermittelt, dass (ungeschulte) Verbraucher sensori- sche Eigenschaften eines Produktes in ihrem Gedächtnis abspeichern kön- nen. Auch wenn die sensorischen Eigenschaften nicht verbalisiert werden, geht es bei dem Verbraucher um das Wieder erkennen eines Produktes. Das Produkt, das er gerne mag, möchte der Verbraucher wieder finden, weshalb eine konstante Herstellung in der hofeigenen Milchverarbeitung notwendig ist. Den Hofkäsern wurde geraten, neu entwickelte Frischmilchprodukte und Käse von Verbrauchern verkosten zu lassen. Darüber hinaus wurden sie aufgefordert, Marketinginstrumente für die Vermarktung ihrer Produkte ge- 1 Angenommen die Hälfte der Beurteiler bewertet ein Produkt mit der schlechtesten Note (1) und die andere Hälfte mit der besten Note (9), dann wäre der Mittelwert (5), ohne jede Aussagekraft (vgl. HOSSENLOPP, 1995b, 34). 148 zielt einzusetzen, wobei die sensorische Qualität nur ein Element darstellt. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse aus der semiotischen Analyse (Kapitel 4), aus den Verbraucherumfragen und der Conjoint-Analyse (Kapitel 3) sowie aus den Gruppendiskussionen (Kapitel 6) wurden an die Hofkäser weiterge- geben, mit dem Appell, auf allen Ebenen ein positives Produktimage zu kommunizieren. Eine Hervorhebung der hofeigenen Verarbeitung fehlte bei- spielsweise auf den meisten untersuchten Etiketten von Hofkäsereien. Die- ses Image wird bisher viel zu wenig aktiv kommuniziert. Wie in den Grup- pendiskussionen mit den Verbrauchern deutlich wurde, definieren sich hofei- gene Produkte sehr stark dadurch was sie nicht sind, nämlich industrielle Produkte. Eine deutliche Abgrenzung von industriellen Produkten ist deshalb aus Marketingsicht für hofeigene Produkte ratsam. 4. Handlungsanweisungen und Motivation für die Durchführung von sensorischen Methoden in der Praxis Als letzte theoretische Schulungseinheit wurden den Kursteilnehmern senso- rische Methoden für die Praxis vorgeschlagen. Erstens wurden regelmäßige Verkostungen (mindestens einmal pro Woche zu einem festen Termin) empfohlen. Zweitens wurde die einfach beschreibende Prüfung mit unter- schiedlichen Käsechargen vorgeschlagen, wobei die Bewertungen und vor allen Dingen unerwünschte sensorischen Eigenschaften in einem Käserei- protokoll dokumentiert werden sollten. Drittens wurde auf die regelmäßige Verkostung der Rohmilch, der Kessel- milch und der Molke bei jeder Quarkherstellung hingewiesen, wobei senso- risch unerwünschte Eigenschaften in dem Herstellungsprotokoll als Beitrag zur Qualitätssicherung dokumentiert werden sollte. 7.4 Evaluation Die Evaluation der Sensorikschulung wurde in schriftlicher Form durchge- führt. Ein Evaluationsfragebogen mit sieben Fragen, der aus einem Ranking von sieben Kriterien und sechs offenen Fragen bestand, wurde den Teilneh- mern am Ende des Seminars ausgeteilt. Da am Ende des Seminars nicht mehr ausreichend Zeit war, entfiel das vorgesehene mündliche Feed-back. Insgesamt waren die Teilnehmer mit den Inhalten („praktische sensorische Prüfmethoden“) und mit der „Atmosphäre“ der Schulung zufrieden. Bei den beiden Kriterien „Eigener Lernerfolg“ und „Anforderungen an die Kursteil- nehmer“ gab es die größten Unterschiede zwischen den Bewertungen der Teilnehmer. Einige Teilnehmer beurteilten sie mit „zufrieden“, andere mit „durchschnittlich“ bzw. „eher unzufrieden“. Während die einzelnen Tests für geübtere Hofkäser zu lange dauerten, gingen sie anderen zu schnell bzw. sie waren damit überfordert. Deshalb sind diese Ergebnisse wahrscheinlich für heterogene Gruppen, in denen einige Personen über viel bzw. andere über wenig Praxiserfahrung besitzen, nicht überraschend. Der überwiegenden Mehrheit der Kursteilnehmer hat die Schulung insgesamt gut gefallen. Für die meisten Teilnehmer waren die vorgestellten Methoden praxistauglich. Gleichzeitig gaben manche jedoch zu Bedenken, dass sie sensorische Prüf- verfahren aufgrund von Zeitmangel in der Praxis nicht durchführen könnten oder sich auf Käse mit längerer Reifezeit beschränken müssten. Darüber hinaus gaben einige Teilnehmer an, dass sie eine Verkostung und Befragung sowie einen Beliebtheitstest mit Hofkunden, z. B. bei Hoffesten, durchführen 149 wollten. Für weitere Schulungen regten viele Teilnehmer an, selbst herge- stellte Produkte (Schnitt- und Hartkäse) zu verkosten. Größere Übereinstim- mung von mehreren Teilnehmern gab es zu dem Ricotta-Test mit der Kof- fein-Konzentrationsreihe. Ricotta scheint als Milchprodukt für Sensorikschu- lungen mit Hofkäsern nicht geeignet zu sein, da er von einigen Teilnehmern abgelehnt wurde bzw. völlig unbekannt war. Weiterhin wurde vorgeschlagen, noch „mehr Praxisrelevanz“, mehr „Zusammenhänge zwischen Produktions- prozess und sensorischem Effekt“ zu vermitteln. Darüber hinaus wurde angeregt, zum Einstieg einen Beliebtheitstest durch- zuführen, da dieser Test eine bessere Atmosphäre schüfe. Ein weiterer Ver- besserungsvorschlag zielte auf die Herstellung eines „stärkeren Bezugs zu unserer Herstellung (eigenen Fehlern!)“, d. h. zur hofeigenen Herstellung. Hierzu muss angemerkt werden, dass die Verkostung von selbst mitge- brachten Proben ursprünglich als Beliebtheitstests geplant war, jedoch aus organisatorischen Gründen nicht realisiert werden konnte. Für weitere Kurse ist die Anregung, „sensorische Übungen über einen länge- ren Zeitraum zu verteilen“, interessant und sollte bei der Konzeption der be- rufsbegleitenden Fortbildung berücksichtigt werden. 7.5 Kritische Reflexion Die Schulung einer heterogenen Gruppe, von denen einige Personen keine bzw. andere viel Praxiserfahrung besitzen, stellt eine große Herausforderung an den Seminarleiter dar. Die unterschiedlichen Voraussetzungen und Kenntnisse, die die Teilnehmer bei dieser Schulung mitbrachten, spiegelten sich sehr deutlich in der Evaluation wider. Generell zeigte sich, dass der Schulungsbedarf zur sensorischen Wahrnehmung von Milchprodukten hoch ist. Einige Teilnehmer waren sich bei der Erkennung des Bittergeschmacks beispielsweise unsicher, bzw. bei einer Teilnehmerin stellte sich heraus, dass sie bitterblind ist. Bei der Beschreibung der sensorischen Eigenschaften von verschiedenen Milchprodukten wurden Defizite festgestellt bzw. bei der Wahrnehmung der Intensität von Aromen bei der Profilprüfung von Speise- quark gab es sehr große Abweichungen. Aus zeitlichen und organisatorischen Gründen wurden für einige Herstel- lungsfehler Koffein und Milchsäure zugegeben. Bei einigen Teilnehmern stieß dies berechtigterweise auf Kritik, da diese „künstlichen“ Herstellungs- fehler sensorische Unterschiede zu tatsächlich herstellungsbedingten „Feh- lern“ aufweisen. Einen höheren Praxisbezug und eine bessere Akzeptanz stellen Originalprodukte von Hofkäsereien dar. Die termingerechte Beschaf- fung von Proben aus Hofkäsereien (mit und ohne Herstellungsfehler) erfor- dert jedoch einen sehr hohen zeitlichen und finanziellen Aufwand, der im Rahmen dieser Arbeit nicht leistbar war. Aus diesem Grund wurde für diese Schulung Speisequark mit Herstellungsfehlern hergestellt, die in Vorversu- chen getestet wurden. Die Verwendung von Rohmilch scheint jedoch, auf- grund hoher Schwankungen, für solche Versuchszwecke, wie die Ergebnisse gezeigt haben, weniger geeignet zu sein. Ein wichtiges Fazit für weitere Schulungen ist, dass verstärkt von den Teilnehmern selbstmitgebrachte Pro- dukte verkostet werden sollten, um einen höheren Praxisbezug herzustellen. 150 8 Diskussion Obwohl das Thema Lebensmittelqualität immer natürliche und kulturelle Aspekte beinhaltet, gibt es bisher nur wenige Veröffentlichungen bzw. Wis- senschaftler, die sich diesem Thema gleichzeitig mit natur- und kulturwissen- schaftlichen Methoden stellen. Am Ende der einzelnen Analysen bzw. Gruppendiskussionen (Kapitel 3 bis 6) wurden kritische Reflexionen zu den drei Qualitäten erarbeitet und die jeweiligen Ergebnisse bereits diskutiert. Um Wiederholungen zu vermeiden, werden nachfolgend nicht mehr die einzelnen Methoden bzw. Einzelergeb- nisse reflektiert, sondern der Fokus liegt auf dem interdisziplinären methodi- schen und inhaltlichen Ansatz dieser Arbeit. Im Diskurs über Lebensmittelqualität ergibt sich insbesondere die Problema- tik, dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Natur- und Kulturwissen- schaften immer noch additiv nebeneinander stehen und die jeweils andere Perspektive unverständlich bleibt bzw. teilweise auch wissenschaftlich nicht anerkannt wird. Insbesondere in den bis heute dominierenden naturwissen- schaftlichen und ökonomischen Ansätzen werden Forschungsansätze und Aspekte der Kultur- bzw. Gesellschaftswissenschaften weitgehend vernach- lässigt. Lebensmittelqualität wird meist künstlich in objektiv und subjektiv getrennt und die Einflüsse der sozio-kulturellen Wertungen auf Lebensmittel und das tägliche Essen werden kaum berücksichtigt. Diese Arbeit versucht deshalb einen interdisziplinären Beitrag zum wissen- schaftlichen Diskurs über Lebensmittelqualität zu leisten, in dem über die Esshandlungen der Verbraucher sowie aufgrund der natur- und kulturwis- senschaftlichen Qualitätsbetrachtungen, „objektive“, „subjektive“ und „sozio- kulturelle“ Qualitäten miteinander verbunden werden. Da es methodisch noch keine vergleichbaren Arbeiten oder erprobten Ansätze zur Lebensmittelqua- lität an einem konkreten Produktbeispiel gibt, spiegelt diese Arbeit das Ringen um einen theoretischen Ansatz mit natur- und kulturwissenschaft- lichen Methoden wider. Neu bei diesem Ansatz ist, dass das komplexe Thema Lebensmittelqualität am Beispiel von Speisequark durch eine sensorische Analyse erfasst und durch eine semiotische Analyse sowie mittels einer Verbraucherumfrage und Conjoint-Analyse betrachtet wird. Gleichzeitig dienen ermittelnde Gruppen- diskussionen zur Analyse der diskursiven Begründungen des Esshandelns der Verbraucher. Das in dieser Arbeit angewandte handlungstheoretische Modell, das auf der Strukturierungstheorie von Anthony Giddens basiert, überwindet zum einen die künstliche Trennung zwischen objektiven, subjek- tiven und sozio-kulturellen Qualitäten. Zum anderen ist es für das Thema Lebensmittelqualität ein neuer theoretischer Ansatz aus der Sozialwissen- schaft, der eine Verbindung zwischen natur- und kulturwissenschaftlichen Analysen ermöglicht. Die Ergebnisse der Einzelanalysen zur sensorischen, ökologischen und kulturellen Qualität von Speisequark und der Gruppendis- kussionen werden zum ersten Mal nicht isoliert betrachtet, sondern miteinan- der verbunden. Darüber hinaus werden Aspekte der Ernährungssoziologie, der Kulturgeschichte, aber auch der Herstellungstechnologie und Lebens- mittelmikrobiologie herangezogen, um die interdisziplinäre Qualitätsbetrach- tung zu ergänzen. 151 In dieser Arbeit wurden die Einzelanalysen auf Qualitäten eingegrenzt, die für regelmäßige Verbraucher von Speisequark aus hofeigener Verarbeitung am wichtigsten waren. Sensorik bzw. Semiotik sind – wie diese Arbeit gezeigt hat – geeignete Methoden, um das Thema Lebensmittelqualität sowohl aus natur- als auch aus kulturwissenschaftlicher Sicht zu erfassen und zu be- trachten. Abhängig von der Fragestellung und den für Verbraucher relevan- ten Eigenschaften könnten die in dieser Arbeit angewandten Methoden durch weitere ergänzt werden, vorausgesetzt, sie sind geeignet, die jeweiligen Qualitäten miteinander zu verbinden. Die Stärke dieses handlungstheoretischen Ansatzes zu dem Thema Le- bensmittelqualität und Essen liegt darin, dass vermeintlich objektive und subjektive Qualitäten aus Sicht der „Experten des täglichen Essens“ über- wunden werden. Das Essen wird aus soziologischer Sicht als soziales Total- phänomen bezeichnet und betrifft jeden essenden Menschen jeden Tag. Dieser Ansatz hat erhebliche Konsequenzen für die naturwissenschaftlich geprägte Forschung, da er eine Öffnung für sozialwissenschaftliche Denk- und Sichtweisen voraussetzt. Die wichtigsten Voraussetzungen werden nachfolgend diskutiert: Erstens wird das alltägliche Wissen von Verbrauchern über Lebensmittelqua- lität und Essen auf die gleiche Stufe gestellt wie das derzeitige Wissen von einer „gesunden und richtigen Ernährung“ der Ernährungswissenschaften. Wenn das alltägliche Wissen der Verbraucher, das auf den eigenen sozio- kulturellen Vorstellungen und Werten von Essen basiert, nicht von der Ernäh- rungspolitik berücksichtigt und anerkannt wird, kann dies weitreichende Fol- gen haben. Auf die Risiken und Nebenwirkungen, die eine dominante Sicht- weise der Ernährungs- und Naturwissenschaften haben kann, wurde bereits in Kapitel 2.1 am Beispiel der Ernährungsberatung eingegangen. Dieser Konflikt über den „richtigen“ Ess- und Lebensstil ist in einem Dualismus zwi- schen objektivem Wissen der Ernährungswissenschaft und subjektivem Verbraucherwissen gefangen, der durch einen interdisziplinären Ansatz und einem wertschätzenden Umgang mit dem alltäglichen Esshandeln und Ernährungswissen der Verbraucher, wie er in dieser Arbeit angewendet wurde, aufgelöst werden könnte. Zweitens setzt dieser Ansatz voraus, dass sozio-kulturelle Aspekte in glei- cher Weise berücksichtigt werden wie naturwissenschaftliche. Beide Aspekte sind untrennbar, wenn man sich dem Thema Lebensmittelqualität nähern will. Dies untermauert das Plädoyer für eine mehrdimensionale – natur- und kulturwissenschaftliche – Qualitätsbetrachtung, wie sie in dieser Arbeit ent- wickelt und durchgeführt wurde. Drittens bedeutet dieser interdisziplinäre Ansatz, dass Lebensmittel nicht mehr als reine Forschungsobjekte (aus naturwissenschaftlicher Sicht) wahr- genommen werden, sondern als Interaktion zwischen Essendem und Le- bensmittel (vgl. Kapitel 2.2.3). Bei einer selbstkritischen Reflexion dieser Arbeit bleiben noch einige Fragen offen, wie und ob der in der Arbeit gewählte „Methodenmix“ ausreichend ist, um wissenschaftlich anerkannt zu werden. Das Neue besteht bei diesem interdisziplinären Ansatz nicht in den Einzel-Ergebnissen der einzelnen Ana- lysen, die wissenschaftlich bereits schon alle erprobt und teilweise schon 152 lange etabliert sind, sondern in der Entwicklung eines interdisziplinären theo- retischen Modells mit Methoden, die geeignet sind, Verbindungen zwischen den erfassten und betrachteten Qualitäten herzustellen. Warum ist gerade aus Sicht der Agrarwirtschaft bzw. -politik eine natur- und kulturwissenschaftliche Betrachtung der Lebensmittelqualität von großem Interesse? Die bisherige Agrarpolitik hat seit Ende des 19. Jahrhunderts einen rigorosen Agrarprotektionismus zuerst in Deutschland und später in der EU verfolgt, der ernährungspolitische Aufgaben eher als Anhängsel integrierte. Diese steuerfinanzierte Politik führte zu einer immensen und teuren Überproduktion von Lebensmitteln, wobei es weniger auf die von Verbrauchern erwünschten Qualitätseigenschaften, sondern aus ökonomischen Gründen auf jährliche Produktionssteigerungen ankam. Vor diesem Hintergrund ist die Abgabe- mentalität der Landwirte in Abhängigkeit von den jeweils aktuellen staatlichen Subventionen zu sehen, die keinen direkten Kontakt mehr zu Verbrauchern haben. Umgekehrt überrascht die relativ schwache und unkritische Position der Verbraucher gegenüber einer Agrarpolitik, die immer noch die Hälfte des EU-Haushaltes jedes Jahr „verschlingt“. Vorwürfe an die Bauern, dass sie in der Produktion zu wenig auf die Qualität von Lebensmitteln achten bzw. an die Verbraucher, dass sie nicht bereit sind für Lebensmittel mit höheren Produktionskosten mehr zu bezahlen, sind zu einfach und bringen die Diskussion über die Lebensmittelqualität nicht kon- struktiv voran. Aus Sicht der Verfasserin sind die in Deutschland praktizierten Agrar- und Esskulturen sehr komplex und historisch geprägt und nicht durch kurzfristig orientierte agrar- und ernährungspolitische Maßnahmen schnell zu ändern. In jeder Esskultur können und müssen die Menschen selbst bestimmen kön- nen, welche Lebensmittel für sie gut, gesund und essbar sind. So hat jeder Verbraucher im Laufe seines Lebens seine eigene Kompetenz über die Qua- lität von Lebensmitteln ausgebildet und weiß, dass zwischen dem, was er isst und wie er sich fühlt, ein direkter Zusammenhang besteht. Aus Sicht der Verfasserin gilt es deshalb zukünftig, dieses alltägliche Ernäh- rungswissen und Esshandeln der Verbraucher nicht abzuwerten, sondern beispielsweise durch das Anbieten von Sinnesschulungen in Verbindung mit Wissensvermittlung zu erweitern. Die Schulung der Sinne sollte bereits im Kindergarten beginnen und in der Schule fortgesetzt werden und durch ent- sprechende Lehrangebote, z. B. Zubereitung, ergänzt werden. Denn erst wenn Verbrauchern ein Lebensmittel besonders gut oder besser als senso- risch vergleichbare Lebensmittel schmeckt, werden sie bereit sein, es wieder zu konsumieren und dafür auch ggf. mehr zu bezahlen, wie die Ergebnisse der Gruppendiskussionen im Rahmen dieser Arbeit gezeigt haben. Des Weiteren ist ein konstruktiver Dialog über die Vielfalt und die kulturellen Werte von Lebensmitteln und das alltägliche Essen und Trinken mit Land- wirten und Verbrauchern zu suchen. Dabei spielen vor allem die Interaktio- nen zwischen den Menschen und dem erzeugten bzw. konsumierten Le- bensmittel eine bedeutende Rolle. Beispielsweise wurde im Rahmen eines Expertengesprächs mit Käsereifachleuten deutlich, dass Milchviehbetriebe, die Milch ausschließlich an Molkereien abliefern, eine wesentlich distanzier- 153 tere Beziehung zur erzeugten Milchqualität haben als Betriebe mit hofeigener Milchverarbeitung, die wesentlich höhere Ansprüche an die Käsereitauglich- keit der Milch stellen müssen. Vor diesem Hintergrund und im Hinblick auf die zukünftige Gestaltung der Agrar- und Verbraucherpolitik ist zu fordern, dass Lebensmittel in Deutschland wieder einen höheren Stellenwert bekom- men und agrarpolitische Entscheidungen den Verbrauchern transparent ge- macht werden müssen. Aus interdisziplinärer Sicht besteht ein hoher Forschungsbedarf zum Thema Lebensmittelqualität, um wissenschaftlich dem „Wesen“ der Lebensmittel- qualität durch eine natur- und kulturwissenschaftliche Betrachtungsweise näher zu kommen. Dabei geht es nicht um die Abwertung der naturwissen- schaftlich geprägten Ernähungswissenschaften bzw. aller angrenzenden Naturwissenschaften, die sich mit Lebensmittelqualität befassen, sondern um die theoretische und methodische Öffnung für sozio-kulturelle Ansätze und um die Frage, wie mit dem Experten- und Verbraucherwissen um die Qualität von Lebensmittel und Ernährung in der Gesellschaft umgegangen wird. Hier gilt die Forderung, eine belehrende, wissenschaftlich überlegene Haltung gegenüber Verbrauchern aufzugeben, zugunsten einer konstruktiven Ausei- nandersetzung mit all den Werten, die nicht wissenschaftlich von Verbrau- chern verbalisiert werden können, jedoch für das alltägliche Essen eine große Bedeutung haben. Das Gleiche ist umgekehrt auch von den Kultur- und Sozialwissenschaften, z. B. der Ernährungssoziologie zu fordern, nämlich die Öffnung für naturwissenschaftliche Ansätze, Erkenntnisse und Methoden, die sich auf die Lebensmittelqualität und Ernährung auswirken. Praktisch ist die Umsetzung eines interdisziplinären Ansatzes für die Ernäh- rungswissenschaften und allen damit verbundenen Institutionen zu fordern, die dieses wissenschaftliche Ernährungswissen in der Gesellschaft und Er- nährungspolitik anwenden und verbreiten, um unbeabsichtigte Wirkungen auf das Esshandeln der Verbraucher zu vermeiden. 154 9 Zusammenfassung Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, Lebensmittelqualität am Beispiel von Speisequark aus hofeigener und industrieller Verarbeitung mit natur- und kulturwissenschaftlichen Methoden zu erfassen bzw. zu betrachten. Der Schwerpunkt dieser interdisziplinären Arbeit liegt dabei auf der Entwicklung von Verbindungen zwischen hedonischer/sensorischer, ökologischer und kultureller Qualität von Speisequark. Im zweiten Teil der Arbeit wird eine sensorische Schulung für die hofeigene Milchverarbeitung entwickelt und erprobt, vor dem Hintergrund, dass angewandte Forschung für die Praxis relevant sein soll. Theoretische Grundlage für die gesamte Arbeit ist die These der Soziologin Eva Barlösius, die sich auf den Philosophen Helmuth Plessner bezieht, dass das Essen beim Menschen die anthropologische Qualität der „natürlichen Künstlichkeit“ besitzt. Wie der Mensch sein natürliches Bedürfnis der Nah- rungsaufnahme befriedigt, um zu Überleben, ist vor allem kulturell und sozial bedingt und nicht biologisch festgelegt. Hierfür musste zuerst ein theoretischer Ansatz in Anlehnung an ein hand- lungstheoretisches Modell entwickelt werden, das die Esshandlungen von Verbrauchern als Integrationsmoment von objektiven, subjektiven und sozio- kulturellen Qualitäten in den Mittelpunkt der Betrachtung stellt. Dadurch kann die wissenschaftlich strikte Trennung zwischen „objektiven“ und „subjektiven“ Qualitäten überwunden werden. Eine Grundvoraussetzung für diesen handlungstheoretischen Ansatz ist des- halb, das alltägliche Ernährungswissen und das Esshandeln von Verbrau- chern gleichermaßen wertzuschätzen wie das Wissen der Naturwissen- schaften, die sich mit Lebensmittelqualität und Essen befassen. Die zweite Voraussetzung ist, dass sozio-kulturelle Aspekte in gleicher Weise berück- sichtigt werden wie naturwissenschaftliche. Die dritte Voraussetzung bein- haltet, dass Lebensmittel nicht mehr als reine Forschungsobjekte (aus na- turwissenschaftlicher Sicht) wahrgenommen werden, sondern als Interaktion zwischen Essendem und Lebensmittel. Als empirische Grundlage werden die drei Qualitäten mit den folgenden Me- thoden erfasst bzw. betrachtet: Erstens wird die sensorische Qualität (aus naturwissenschaftlicher Sicht eine „objektive“ Qualität) mit Hilfe der Profilprüfung erfasst. Dabei werden sensori- sche Profile der acht untersuchten Quarkproben erstellt sowie sensorisch signifikante Unterschiede zwischen hofeigenen und industriell hergestellten Quarkproben ermittelt und herstellungstechnologisch begründet. Zweitens wird die ökologische Qualität (aus Sicht der Konsumentenfor- schung eine „subjektive“ Qualität) mittels Verbraucherumfrage und Conjoint- Analyse betrachtet. Dabei steht die Verbraucherpräferenz der hier relevanten ökologischen Eigenschaften (ökologische/konventionelle Wirtschaftsweise, regional/nicht regional, Glas-/Kunststoffverpackung) im Mittelpunkt. 155 Drittens werden die Botschaften von Speisequarkverpackungen und -etiket- ten durch eine semiotische Analyse ermittelt. Diese können den „sozio- kulturellen“ Qualitäten von Lebensmitteln zugeordnet werden und liefern Er- klärungen zu den Verbindungen zwischen sensorischer/hedonischer und ökologischer Qualität. Die diskursiven Begründungen des Esshandelns, die in ermittelnden Grup- pendiskussionen qualitativ erhoben wurden, zeigen deutlich, dass diese drei Qualitäten des Hofquarks untrennbar miteinander verbunden sind. Der kom- plexe Begriff „authentisch“, den die Verbraucher in den ermittelnden Grup- pendiskussionen zur Beschreibung von Hofquark verwendeten, hat eine Schlüsselbedeutung, um Speisequark aus hofeigener Verarbeitung zu charakterisieren. Er beinhaltet aus Verbrauchersicht vor allem den Ge- schmack, aber auch die damit verbundene handwerkliche Herstellungsweise, die Verpackung, die regionale Herkunft, die ökologische Landwirtschaft sowie die direkte Vermarktungsweise. Aus semiotischer Sicht sind Zeichenträger (Verpackung, Gestaltung des Eti- ketts und Hinweise auf den Namen des Hofes, die Region, der ökologischen Anbau) mit dem Referenzobjekt (= hofeigener Speisequark) tatsächlich iden- tisch und auf allen Ebenen weitgehend stimmig. Vor dem Hintergrund der sensorischen und semiotischen Ergebnisse und der Verbraucheraussagen wird die Schlussfolgerung gezogen: Je schwächer die sensorischen Eigen- schaften eines industriellen Lebensmittels ausgeprägt sind und je anonymer die industrielle Herstellungsweise ist, umso höher ist aus Sicht regelmäßiger Verbraucher die kulturelle Wertschätzung eines in allen Produkteigenschaf- ten als „authentisch“ empfundenen Lebensmittels. Hinter diesen Verbrauchervorstellungen verbergen sich auch moralisch be- dingte Werte, die kulturelle Ideale darstellen. Kleineren Betrieben, die Le- bensmittel regional und möglichst ökologisch herstellen und vermarkten, wird eine moralisch verantwortlichere Gesinnung unterstellt. Sie erscheinen ver- trauens- und dadurch glaubwürdiger als anonyme Industriebetriebe und Großkonzerne. Sie stellen aus Sicht der Verbraucher gute Lebensmittel dar, die ihre besondere Bedeutung (kulturellen Wert) auch dadurch erhalten, was sie nicht sind, nämlich industrielle Molkereiprodukte. Die historisch bedingten unterschiedlichen Herstellungsweisen – hofei- gen/handwerklich und industriell – führen zu zwei sensorisch signifikanten unterschiedlichen Produkten: Hof- und Molkereiquark. Erst durch die hofei- gene Milchverarbeitung, die eine Domäne von ökologisch wirtschaftenden Betrieben ist und die fast ausschließlich handwerkliche Verfahren anwendet, wird Speisequark in Deutschland wieder verstärkt nach dem Sackquarkver- fahren wie vor hunderten von Jahren hergestellt. Aus diesem Grund beein- flusst das Herstellungsverfahren die sensorische Qualität von Speisequark aus hofeigener Verarbeitung sowohl ökologisch als auch kulturell. Die Grundgeschmacksart sauer und die Textureigenschaft sandig der Hofquark- proben wurden von dem geschulten Sensorikpanel intensiver bewertet als bei den Molkereiquarkproben und sind damit typische sensorische Eigen- schaften von Hofquark. Im Gegensatz dazu wurde Molkereiquark, der nach dem Thermo-Quark-Verfahren hergestellt wird, cremiger als die Hofquark- proben bewertet. 156 Im zweiten Teil der Arbeit werden die Ergebnisse der sensorischen Analyse in einer sensorischen Schulung mit dem Schwerpunkt Frischmilchprodukte für Hofkäser praktisch umgesetzt. Der interdisziplinäre Ansatz, der in dieser Arbeit angewendet wird, stellt gleichzeitig ein Plädoyer für eine mehrdimensionale Qualitätsbetrachtung von Lebensmitteln dar. Für zukünftige Forschungsarbeiten zu dem Thema Le- bensmittelqualität gilt deshalb aus interdisziplinärer Sicht die Forderung, bei einer Qualitätsbetrachtung die Esshandlungen der Verbraucher als Integrati- onsmoment zwischen subjektiven, objektiven und sozio-kulturellen Qualitäten zu berücksichtigen. Diese sollten durch komplexe und geeignete natur- und kulturwissenschaftliche Methoden ergänzt werden. Wie die Arbeit zeigt, eig- nen sich als empirische Methoden insbesondere die sensorische und semio- tische Analyse. Aus interdisziplinärer Sicht besteht ein hoher Forschungsbedarf zu dem Thema Lebensmittelqualität und Ernährung, um wissenschaftlich der „natürli- chen Künstlichkeit des Essens“ durch eine natur- und kulturwissenschaftliche Betrachtungsweise näher zu kommen. Dabei geht es nicht um die Abwertung der naturwissenschaftlich geprägten Ernähungswissenschaften bzw. aller angrenzenden Naturwissenschaften, sondern um die theoretische und methodische Öffnung für sozio-kulturelle Ansätze. Das Gleiche ist umgekehrt auch von den Kultur- und Sozialwissenschaften, z. B. der Ernährungssozio- logie oder Kulturgeschichte zu fordern, nämlich die Öffnung für naturwissen- schaftliche Ansätze, Erkenntnisse und Methoden, die sich auf die Lebens- mittelqualität und Ernährung beziehen. 157 Anhang Anhangverzeichnis Anhang 1: Verbraucherumfrage: Fragebogen 158 Anhang 2: Conjoint-Analyse: Produktattrappen und -karten 164 Anhang 3: Semiotik: Korpus von Etiketten 167 Anhang 4: Sensorik: Definitionen der 14 Deskriptoren zur Beschreibung von Speisequark 172 Anhang 5: Sensorik: Ergebnistabellen der Mittelwerte zur Profilprüfung 175 Anhang 6: Sensorik: Ergebnistabellen zu Kendalls Konkordanzkoeffizient W und Chi-Quadrat-Anpassungstest 185 Anhang 7: Gruppendiskussionen: Diskussionsleitfaden 190 158 Anhang 1 Verbraucherumfrage: Fragebogen 159 Verbraucherumfrage zu Quark aus hofeigener Verarbeitung Prof. Dr. Bernd Wirthgen, Dipl. Ing. Edith Kalka und Susanne Keller Fachgebiet Agrarmarktlehre/Marketing, Gesamthochschule Kassel Guten Tag, ich bin Studentin der Agrarwirtschaft in Witzenhausen. Wir führen gerade eine Untersuchung zu Quark aus hofeigener Verarbeitung durch. Dürfte ich Ihnen dazu ein paar Fragen stellen? Vielen Dank. laufende Fragebogennummer v1 Ort der Befragung v2 Hofladen 1 v3 Naturkostladen 2 Markt 3 Datum der Befragung 1998 Dauer der Befragung min InterviewerIn 1 Einführung 1.1 Kaufen Sie mindestens ein Mal im Monat Quark aus hofeigener Verarbeitung ein? (I: Bei nein, Interview abbrechen und in Strichliste eintragen!) ja 1 nein 1.2 a) Wie häufig kaufen Sie Quark ein, damit meine ich sowohl Hofkäserei- als auch Molkereiquark? (I: Codenummer eintragen!) b) Könnten Sie mir bitte auch die durchschnittliche Menge an Quark (I: Hofkäserei- und Molkereiquark) nennen, die Sie pro Einkauf kaufen? (I: Menge in g eintragen) a) Häufigkeit b) Menge in g/Einkauf mehrmals pro Woche 1 v4 v5 1 x pro Woche 2 1x in 2 Wochen 3 1 x im Monat 4 1.3 Kaufen Sie auch andere Milchprodukte hier? (I: 1 für ja, 2 für nein eintragen!) ja 1 v6 nein 2 1.4 Wo kaufen Sie Quark aus hofeigener Verarbeitung ein? (I: Nennungen mit 1 eintragen) Hofladen v7 Wochenmarkt v8 Bauernmarkt v9 Einzelhändler (z.B. Bioladen) v10 Supermarkt v11 Liefer-Service/Abo-Kisten v12 andere v13 160 1.5 Wie häufig haben Sie bei Ihren letzten 10 „Quarkeinkäufen“ Quark aus hofeigener Verarbeitung eingekauft? (I: nur ganze Zahlen eintragen!) Anzahl der Einkäufe v14 2 Motivation 2.1. Bitte nennen Sie die zwei wichtigsten Gründe, warum Sie Quark aus hofeigener Verarbeitung einkaufen. (I: Liste übergeben; 1. Nennung bei 1. Rang, 2. Nennung bei 2. Rang in Spalte a) eintragen!) Entfernung/ ich wohne nicht weit weg von hier 1 1. Rang v15 gleichzeitiger Einkauf mit anderen Produkten 2 2. Rang v16 Preis 3 Produkt aus der Region 4 gesundes Produkt 5 tradition./handwerkliche Herstellung 6 ökologisch erzeugt 7 Geschmack 8 Besuch des Bauernhofes 9 Vertrauen in Produkte vom Bauernhof 10 kurze Transportwege 11 umweltfreundliche Verpackung 12 Frische 13 andere Gründe (...........................................) 14 2.2 Wie häufig ist Quark der Hauptanlaß dafür, daß Sie zum Einkauf hierher kommen? (I: Codenummer eintragen!) fast immer 1 v17 häufig 2 seltener 3 nie 4 3 Verbrauch 3.1 Wer konsumiert in Ihrer Familie/Ihrem Haushalt Quark? (I. Nennung mit 1 eintragen.) Befragte/r selbst v18 Partner/in v19 Kinder v20 andere v21 3.2 a) Zu welcher Mahlzeit essen Sie Quark? (I. Nennung mit 1 eintragen.) b) Verwenden Sie beim ..... (I: z. B. Frühstück) Quark häufiger als Hauptbe- standteil oder als Brotaufstrich/Beilage? (I: jeweils Codenr. eintragen!) Frage a Frage b Quark als Hauptbestandteil 1 Mahlzeit Quark als Brotaufstrich/ Beilage 2 Frühstück v22 v26 Mittagessen v23 v27 Zwischenmahlzeit v24 v28 Abendessen v25 v29 (I: Quark als Hauptgericht: Quarkspeise, Quarkauflauf, Käsekuchen, Kräuterquark mit Kartoffeln, Quark als Beilage: Brotaufstrich) 161 3.3 Verwenden Sie diesen Quark eher beim alltäglichen Essen oder bei besonderen Anlässen oder aus gesundheitlichen Gründen? (I. Nennung mit 1 eintragen) alltäglichen Essen v30 besondere Anlässe v31 gesundheitlichen Gründen v32 4 Preis (I: Bezugsgröße = immer 500 g Quark aus hofeigener Verarbeitung, Vollfettstufe). a) Was glauben Sie, wieviel Sie für 500g Quark (Vollfett) aus hofeigener Verarbei- tung bezahlen müssen? b) Wo ist für Sie die Preisobergrenze, d. h. zu welchem Preis wären Sie gerade noch bereit, 500g Quark aus hofeigener Verarbeitung zu kaufen? Das würde also bedeuten, daß Sie über diesem Preis auf einen anderen Speisequark oder andere Einkaufsstätte ausweichen würden. c) Gibt es für Sie auch eine Preisuntergrenze, d. h. einen Preis ab dem Sie mißtrauisch werden, ob zu diesem Preis noch qualitativ hochwertiger Quark angeboten werden kann? (I: Bei nein, weiter mit Frage 5) Wenn ja, ab welchem Preis? Preisempfinden DM a) erwarteter Preis v33 b) Preisobergrenze v34 c) Preisuntergrenze ja 1 v35 Preisuntergrenze nein 2 wenn ja, ab welchem Preis v36 5 Letzter Einkauf 5.1. Welche Marken für Quark fallen Ihnen spontan ein? (I: Anzahl der Marken, die die Auskunftsperson nennt, zählen und eintragen.) Anzahl an Marken v37 5.2 a) Haben Sie beim letzten Quarkeinkauf (also nicht heute) Quark aus hofeigener Verarbeitung oder Molkereiquark gewählt? b) War es ein Sahnequark- oder Magerquark? (I: Nur bei Molkereiquark: Bitte nennen Sie die Marke, falls es ein Molkereiquark war.) Frage a) Quarksorte Frage b) Quark aus hofeigener Verarbeitung 1 v38 Sahnequark 1 v39 Molkereiquark 2 Halbfettquark 2 (Marke = ...............................) Magerquark 3 mehrere Sorten 4 5.3 Welche Menge haben Sie dabei gekauft und zu welchem Preis? (I: Falls Antwort „mehrere Sorten“ (Frage 5.2 b), dann nur Gesamtmenge eintragen und nicht nach Preis fragen.) Menge in g v40 Preis je 500 g v41 Preis je 250 g v42 weiß nicht v43 162 5.4. Wo hatten Sie dieses Produkt gekauft und in welcher Entfernung lag diese Einkaufsstätte von Ihrer Wohnung bzw. Arbeitsplatz? (I: Beispiel: Wenn die meisten Einkäufe nach der Arbeit erledigt werden, ist die Entfernung Arbeitsplatz - Einkaufsstätte entscheidend.) Hofladen 1 Einkaufsstätte km Wochenmarkt 2 v44 v45 Bauernmarkt 3 Einzelhandelsgeschäft (Bioladen) 4 Supermarkt 5 Liefer-Service/Abokisten 6 andere 7 6 Ideales Produkt Ich zeige Ihnen nun 8 verschiedene Quarksorten. Bitte ordnen Sie die Quarksorten in eine Reihenfolge nach Beliebtheit. Stellen Sie ganz links die Quarksorte, die Sie in Beliebtheit an 1. Stelle setzen und rechts die am wenigsten beliebte Quarksorte. Dazwischen ordnen Sie die Reihenfolge der übrigen Quarksorten. Test mit Karten 1 v46 Test mit Attrappen 2 (I: bitte jeweiligen Rang nach Interview eintragen.) Rang Rang Produkt 1 v47 Produkt 5 v51 Produkt 2 v48 Produkt 6 v52 Produkt 3 v49 Produkt 7 v53 Produkt 4 v50 Produkt 8 v54 Bioprodukte (I: Frage a) nur in konventionellen Einkaufsstätten vorlesen; in Ökoeinkaufsstätten 1 eintragen und Frage b) stellen.) a) Kaufen Sie auch Bioprodukte ein, d. h. Produkte von Betrieben, die nach anerkannt ökologischen Richtlinien produzieren? (I: wenn nein oder weiß nicht, weiter mit Frage7!) b) Kaufen Sie Bioprodukte regelmäßig ein, d. h. mindestens 1-mal pro Woche? Frage a) Frage a) Frage b) Frage b) ja 1 v55 ja - regelmäßig 1 v56 Nein 2 nein, seltener 2 weiß nicht 3 Zum Abschluß möchte ich Ihnen gerne noch ein paar Fragen zu Ihrer Person stellen. 7 Sozio-demographische Angaben 7.1 Geschlecht (I: Bitte selbst eintragen.) Auskunftsperson ist weiblich 1 v57 männlich 2 7.2. Darf ich Sie fragen, wie alt Sie sind? (I: falls keine Angabe, 0 eintragen!) v58 163 7.3 Wieviel Personen leben in Ihrem Haushalt, für den Sie einkaufen? (I. Nennung mit 1 eintragen.) Anzahl der Personen v59 7.4 Wieviel Kinder leben in Ihrem Haushalt? (I: Bei 0, weiter mit Frage 7.5) Anzahl der Kinder v60 Wieviel der Kinder sind unter 10 Jahre bzw. über 10 Jahre? 10 Jahre und jünger v61 über 10 Jahre v62 7.5 Wohnen Sie in einer Stadt oder im ländlichen Gebiet? (I: Codenummer eintragen.) ländliches Gebiet 1 v63 Stadt 2 7.6 Darf ich Sie auch noch nach Ihrem Haushaltsnettoeinkommen fragen? Mir liegt folgende Einteilung vor: (I: Liste überreichen!) (I: Bei Nachfrage oder Unklarheit, folgende Erklärung geben.) Damit meine ich das gesamte Nettoeinkommen des Haushaltes nach Abzug von Steuern und Sozialversicherung. bis oder gleich 2000 DM 1 v64 über 2000 bis 3000 DM 2 über 3000 bis 4000 DM 3 über 4000 bis 5000 DM 4 über 5000 bis 6000 DM 5 6000 DM und mehr 6 keine Antwort 7 7.7 Darf ich Sie nach Ihrer beruflichen Tätigkeit fragen? (I. Codenummer eintragen.) Hausfrau/mann 1 arbeitslos 8 v65 in Ausbildung 2 sonstige 9 StudentIn 3 ArbeiterIn 4 AngestellteR 5 selbständig 6 in Rente 7 164 Anhang 2 Conjoint-Analyse: Produktattrappen und -karten 165 Conjoint-Analyse: Produktattrappen für Speisequark Glasverpackungen Photo: Alfons Deitermann, agrar.de, Rheine Multikomponentenbecher Photo: Alfons Deitermann, agrar.de, Rheine Die Produktattrappen wurden in Zusammenarbeit mit Dr. Siawuch Amini und Susanne Bierwirth (Universität Kassel, Witzenhausen, Institut für soziokulturelle Studien) in Anlehnung an echte Produktverpackungen und Etiketten entwickelt und gestaltet. 166 Conjoint-Analyse: Produktkarten für Speisequark Geschmack: Urgeschmack Geschmack: Urgeschmack Herkunft: Überregional Herkunft: Regional Verpackung: Mehrkomponentenbecher (umweltschonend) Verpackung: Mehrkomponentenbecher (umweltschonend) Herstellung: Handwerklich Herstellung: Industriell Wirtschafts- weise: Konventionell Wirtschafts- weise: Konventionell Geschmack: Urgeschmack Geschmack: Einheitlich Herkunft: Regional Herkunft: Überregional Verpackung: Pfandglas Verpackung: Pfandglas Herstellung: Handwerklich Herstellung: Handwerklich Wirtschafts- weise: Ökologisch Wirtschafts- weise: Konventionell Geschmack: Einheitlich Geschmack: Einheitlich Herkunft: Überregional Herkunft: Regional Verpackung: Mehrkomponentenbecher (umweltschonend) Verpackung: Mehrkomponentenbecher (umweltschonend) Herstellung: Industriell Herstellung: Handwerklich Wirtschafts- weise: Ökologisch Wirtschafts- weise: Ökologisch Geschmack: Einheitlich Geschmack: Urgeschmack Herkunft: Regional Herkunft: Überregional Verpackung: Pfandglas Verpackung: Pfandglas Herstellung: Industriell Herstellung: Industriell Wirtschafts- weise: Konventionell Wirtschafts- weise: Ökologisch 167 Anhang 3 Semiotik: Korpus von Etiketten 168 Betrieb 1 Betrieb 10 169 Betrieb 2 Betrieb 9 170 Betrieb 3 Betrieb 4 Betrieb 5 171 Betrieb 7 Betrieb 8 172 Anhang 4 Sensorik: Definitionen der 14 Deskriptoren zur Beschreibung von Speisequark 173 Profilanalyse: Quark Beschreibende Vokabeln zur Charakterisierung des Flavours Attribut Definition bitter Einige Quarkproben können einen leicht bitteren Geschmack aufweisen. Bitte die Wahrnehmung der Bitterkeit von 0 (Abwesenheit) bis 5 (eine für Quark relativ sehr starke Wahrnehmung der Bitterkeit) notieren. sauer Normalerweise ist die Wahrnehmung dieses Geschmacks in einem Quark nicht sehr stark. Bitte die Wahrnehmung der Säure von 0 (Abwesenheit) bis 5 (eine für Quark relativ sehr starke Wahrnehmung der Säure) notieren. Aroma der Milchkulturen Beim Abbau des Milchzuckers durch diese Milchsäurebakterien entsteht vorherrschend Milchsäure, die den säuerlichen Geschmack verursacht, der aber ohne die gleichzeitige Anwesenheit von Diacetyl (Butteraroma) oder anderen Aromasubstanzen als fad oder herbsäuerlich empfunden wird. Der Bereich liegt zwischen 0 bis 5 unter Berücksichtigung, daß die Beurteilung 3 ein relativ leicht milchsaures Aroma bedeutet. Aromatyp: Joghurt Durch die Verwendung von Joghurtkulturen kann ein typisches Joghurtaroma entstehen. Bitte die Intensität von 0 (Abwesenheit des Aromas) bis 5 (sehr starke Wahrnehmung des Aromas) notieren. käsig Ein wahrnehmbares käsiges Aroma ist ein Merkmal, das durch eine unerwünschte Reifung des Quarks hervorgerufen werden kann. Bitte die Intensität von 0 (Abwesenheit des Merkmals) bis 5 (Merkmal sehr stark wahrnehmbar) notieren. hefig Ein wahrnehmbares hefiges Aroma ist ein Merkmal, das durch den sehr leichten Befall von Hefen im Quark hervorgerufen werden kann. Bitte die Intensität von 0 (Abwesenheit des Merkmals) bis 5 (Merkmal sehr stark wahrnehmbar) notieren. ranzig Ein wahrnehmbares ranziges Aroma ist ein Merkmal, das durch die Oxidation des Fettes hervorgerufen wird. Bitte die Intensität von 0 (Abwesenheit des Merkmals) bis 5 (Merkmal sehr stark wahrnehmbar) notieren. andere Aromen Andere Aromen, die nicht zum Aroma der Milchkulturen gehören, können wahrnehmbar sein. Falls es sich um einen Fehler handelt, kann es an der Herstellung, der Abfüllung oder der Verpackung liegen. Bitte die Intensität des Aromas von 0 (Abwesenheit anderer Aromen) bis 5 (sehr starke Wahrnehmung der anderen Aromen) notieren. Wenn möglich, die Art des Aromas bestimmen, im Prüfformular unter die Eigenschaft „andere Aromen“ eintragen und die entsprechende Probe kennzeichnen. 174 Profilanalyse: Quark Beschreibende Vokabeln zur Charakterisierung des Aussehens Attribut Definition körnig Der Quark kann eine körnige Textur besitzen. Bitte die Intensität von 0 (Abwesenheit einer sichtbar körnigen) bis 5 (sehr stark sichtbare körnigeTextur) notieren. Molke abgesetzt Nach der Abfüllung kann die Säuerung im Quark fortschreiten und ein Absetzen der Molke hervorrufen. Bitte von 0 (Abwesenheit von Molke) bis 5 (sehr starkes Absetzen der Molke) notieren. rahmgelbliche Farbe Die Farbe des Quarks kann zwischen milchig-weiß und rahmgelb schwanken. Bitte die Intensität der Farbe von 0 (milchig-weiß) bis 5 (rahmgelb) notieren. Beschreibende Vokabeln zur Charakterisierung der Textur Attribut Definition fest Bitte die Konsistenz des Quarks mit Hilfe eines Löffels beurteilen, der in die Quarkprobe vertikal hineingetaucht wird. Bitte den Eindringwiderstand von 0 (kein Kraftaufwand notwendig, das Gewicht des Löffels reicht aus) bis 5 (sehr starker Widerstand bei der Eindringung des Löffels) notieren. sandig Dieses Mundgefühl kann mehr oder weniger stark ausgeprägt sein. Bitte eine Quarkprobe (Menge: 1 Löffel) entnehmen und zwei bis dreimal zwischen der Zunge und dem Gaumen zerdrücken, um die Textur zu beurteilen. Bitte die Intensität von 0 (sehr homogen, sandige Textur nicht wahrnehmbar) bis 5 (nicht homogen, sandige Textur sehr stark wahrnehmbar) notieren. cremig Dieses Mundgefühl dient zur Beurteilung der Geschmeidigkeit des Quarks. Bitte eine Quarkprobe (Menge: 1 Löffel) im Mund mischen indem die Zunge von vorne nach hinten bewegt wird. Bitte die Intensität von 0 (die Probe ist rauh, nicht zart- geschmeidig) bis 5 (die Probe ist sehr stark zart- geschmeidig/fest-cremig) notieren. Unter einem sehr stark cremigen Quark wird eine relativ feste cremige Textur definiert und nicht eine relativ luftig/lockere Textur. 175 Anhang 5 Sensorik: Ergebnistabellen der Mittelwerte zur Profilprüfung 176 Ergebnisse der Profilanalyse von 8 Speisequarkproben – Mittelwerte 1 2 3 4 5 6 Betrieb ANDARO AROMAJ BITTER CREMIG FARBE FEST 1 0,65 0,11 0,69 1,97 3,06 3,06 2 0,44 0,28 1,18 2,07 2,17 2,40 3 1,27 0,36 1,56 1,73 2,09 2,46 4 0,25 0,20 0,69 2,18 2,43 3,14 5 0,59 3,74 0,25 2,23 1,92 2,32 6 0,68 0,04 2,13 0,43 3,51 4,78 7 0,28 0,22 0,46 3,59 1,11 2,47 8 0,32 0,20 0,24 3,62 1,82 2,65 range 1,02 3,70 1,89 3,19 2,40 2,46 7 8 9 10 11 12 Betrieb KÖRNIG MILCHKULT MOLKE RANZIG SANDIG SAUER 1 2,24 2,69 1,52 0,68 1,19 1,99 2 2,12 2,46 2,18 0,39 1,67 1,91 3 1,78 2,15 1,56 1,12 1,48 2,53 4 2,06 2,74 1,55 0,37 0,91 2,22 5 0,97 1,67 2,00 0,25 0,15 4,21 6 4,57 2,53 0,18 1,31 3,76 2,20 7 0,46 2,14 2,42 0,37 0,02 1,02 8 1,05 2,11 2,16 0,70 0,18 0,91 range 4,10 1,07 2,24 1,06 3,74 3,30 Maximumwerte (Vmax) = fettgedruckt Minimumwerte (Vmin) = unterstrichen range= Spannweite (Vmax - Vmin) Abkürzungen: ANDARO = Andere Aromen AROMAJ = Aromatyp: Joghurt FARBE = rahmgelbliche Farbe MILCHKULT = Aroma der Milchkulturen MOLKE = Molke abgesetzt Quelle: Eigene Darstellung 177 Betrieb 1: Ergebnisse der Profilanalyse von Speisequark – Mittelwerte TERMIN ANDARO AROMAJ BITTER CREMIG FARBE FEST 23.05.1997 1,29 0,14 0,29 1,43 2,71 1,86 30.05.1997 0,33 0,00 1,17 2,67 3,17 2,50 13.06.1997 0,25 0,25 0,50 1,75 3,38 2,88 27.06.1997 0,67 0,50 1,67 1,33 3,50 3,83 16.07.1997 0,17 0,08 0,83 1,25 3,58 3,50 31.10.1997 0,50 0,25 1,50 2,75 2,25 3,00 12.11.1997 0,71 0,00 0,71 2,57 3,29 4,00 26.11.1997 0,60 0,00 0,40 1,80 3,20 4,20 03.12.1997 0,75 0,00 0,38 1,88 2,88 2,38 17.12.1997 0,00 0,00 0,50 2,67 3,67 4,00 21.01.1998 0,67 0,11 0,22 1,56 3,00 2,44 04.02.1998 1,89 0,00 0,11 2,00 2,11 2,11 Mittel 0,65 0,11 0,69 1,97 3,06 3,06 SD 0,49 0,15 0,49 0,53 0,48 0,79 TERMIN KÖRNIG MILCHKULT MOLKE RANZIG SANDIG SAUER 23.05.1997 3,00 2,00 1,86 0,43 2,86 2,57 30.05.1997 1,50 2,17 1,50 0,00 1,50 2,33 13.06.1997 0,88 2,38 2,25 2,13 0,38 1,88 27.06.1997 3,83 2,33 0,17 1,00 1,33 1,83 16.07.1997 3,42 2,08 1,17 0,08 1,92 1,67 31.10.1997 1,75 1,50 1,50 0,75 0,50 2,50 12.11.1997 1,43 3,14 1,00 0,71 0,71 1,71 26.11.1997 3,20 3,80 0,00 0,40 1,20 1,40 03.12.1997 1,75 3,00 2,50 0,50 1,00 2,13 17.12.1997 2,50 3,50 1,50 0,83 1,33 1,67 21.01.1998 2,00 2,67 2,22 0,11 1,33 2,44 04.02.1998 1,67 3,67 2,56 1,22 0,22 1,78 Mittel 2,24 2,69 1,52 0,68 1,19 1,99 SD 0,89 0,70 0,80 0,56 0,70 0,37 Abkürzungen: ANDARO = Andere Aromen AROMAJ = Aromatyp: Joghurt FARBE = rahmgelbliche Farbe MILCHKULT = Aroma der Milchkulturen MOLKE = Molke abgesetzt Mittel = Mittelwert SD = Standardabweichung Quelle: Eigene Darstellung 178 Betrieb 2: Ergebnisse der Profilanalyse von Speisequark – Mittelwerte TERMIN ANDARO AROMAJ BITTER CREMIG FARBE FEST 23.05.1997 0,71 0,14 0,43 1,71 1,57 2,14 30.05.1997 0,17 0,33 1,33 2,67 2,17 1,83 13.06.1997 0,00 0,63 0,75 1,13 1,88 2,13 27.06.1997 1,00 1,00 1,50 3,00 2,17 1,50 16.07.1997 0,67 0,67 0,67 1,83 2,00 1,33 31.10.1997 0,25 0,00 1,75 2,25 3,25 2,75 12.11.1997 0,43 0,29 2,14 1,86 2,57 2,57 26.11.1997 0,00 0,00 1,20 2,40 1,80 2,40 03.12.1997 0,13 0,13 1,38 2,13 2,00 2,38 17.12.1997 0,17 0,17 1,33 2,17 2,17 2,33 21.01.1998 0,00 0,00 0,44 2,56 1,89 3,33 04.02.1998 1,78 0,00 1,22 1,11 2,56 4,11 Mittel 0,44 0,28 1,18 2,07 2,17 2,40 SD 0,51 0,31 0,50 0,55 0,43 0,73 TERMIN KÖRNIG MILCHKULT MOLKE RANZIG SANDIG SAUER 23.05.1997 2,29 2,00 1,57 0,14 2,14 1,71 30.05.1997 2,17 2,67 2,67 0,00 1,83 2,00 13.06.1997 2,38 1,88 1,75 3,25 0,13 1,75 27.06.1997 0,67 2,67 3,00 0,17 0,50 2,17 16.07.1997 1,83 1,83 2,83 0,17 0,50 1,50 31.10.1997 2,25 2,50 2,50 0,00 0,75 2,25 12.11.1997 2,43 2,29 2,43 0,14 2,57 2,43 26.11.1997 1,40 2,00 2,20 0,40 2,20 1,80 03.12.1997 1,38 2,75 1,88 0,13 0,63 2,25 17.12.1997 1,83 3,00 2,50 0,00 2,50 2,00 21.01.1998 2,89 3,22 2,56 0,00 2,00 1,67 04.02.1998 3,89 2,78 0,22 0,33 4,33 1,44 Mittel 2,12 2,46 2,18 0,39 1,67 1,91 SD 0,59 0,45 0,43 0,91 0,88 0,28 Abkürzungen: ANDARO = Andere Aromen AROMAJ = Aromatyp: Joghurt FARBE = rahmgelbliche Farbe MILCHKULT = Aroma der Milchkulturen MOLKE = Molke abgesetzt Mittel = Mittelwert SD = Standardabweichung Quelle: Eigene Darstellung 179 Betrieb 3: Ergebnisse der Profilanalyse von Speisequark – Mittelwerte TERMIN ANDARO AROMAJ BITTER CREMIG FARBE FEST 23.05.1997 1,43 0,14 0,57 1,43 1,71 3,00 27.06.1997 2,33 0,50 1,83 0,67 3,00 4,00 16.07.1997 0,67 0,67 2,00 2,67 1,17 1,50 03.12.1997 0,00 0,38 1,63 1,88 2,00 2,38 17.12.1997 0,17 0,00 1,33 2,17 3,00 2,67 21.01.1998 3,00 0,44 2,00 1,56 1,67 1,22 Mittel 1,27 0,36 1,56 1,73 2,09 2,46 SD 1,11 0,22 0,50 0,62 0,69 0,93 TERMIN KÖRNIG MILCHKULT MOLKE RANZIG SANDIG SAUER 23.05.1997 2,86 1,29 1,14 0,14 3,57 2,57 27.06.1997 3,50 2,67 0,00 1,33 3,33 2,83 16.07.1997 0,83 1,50 2,67 1,17 0,00 2,00 03.12.1997 1,63 2,50 1,88 0,13 0,63 2,25 17.12.1997 1,67 2,83 2,00 0,83 1,33 2,50 21.01.1998 0,22 2,11 1,67 3,11 0,00 3,00 Mittel 1,78 2,15 1,56 1,12 1,48 2,53 SD 1,12 0,58 0,83 1,00 1,47 0,34 Abkürzungen: ANDARO = Andere Aromen AROMAJ = Aromatyp: Joghurt FARBE = rahmgelbliche Farbe MILCHKULT = Aroma der Milchkulturen MOLKE = Molke abgesetzt Mittel = Mittelwert SD = Standardabweichung Quelle: Eigene Darstellung 180 Betrieb 4: Ergebnisse der Profilanalyse von Speisequark – Mittelwerte TERMIN ANDARO AROMAJ BITTER CREMIG FARBE FEST 23.05.1997 0,43 0,43 0,43 1,86 1,71 2,14 30.05.1997 0,17 0,00 1,00 2,17 2,17 3,33 13.06.1997 0,13 0,00 1,00 1,88 2,50 2,00 16.07.1997 0,33 0,67 0,67 2,17 1,50 1,67 31.10.1997 0,50 0,25 0,50 2,50 2,75 3,50 12.11.1997 0,43 0,00 0,86 3,00 3,00 4,14 03.12.1997 0,00 0,00 0,50 1,88 3,00 4,13 21.01.1998 0,00 0,22 0,56 2,00 2,78 4,22 Mittel 0,25 0,20 0,69 2,18 2,43 3,14 SD 0,19 0,23 0,22 0,37 0,54 0,99 TERMIN KÖRNIG MILCHKULT MOLKE RANZIG SANDIG SAUER 23.05.1997 2,00 1,86 1,29 0,00 0,86 2,57 30.05.1997 2,50 3,50 1,33 0,00 0,83 2,50 13.06.1997 0,75 2,63 1,88 2,00 0,38 2,13 16.07.1997 1,33 1,83 2,67 0,17 0,33 2,33 31.10.1997 2,25 2,75 2,25 0,00 1,00 2,25 12.11.1997 1,57 3,29 0,86 0,29 0,71 1,86 03.12.1997 2,88 2,75 1,00 0,25 1,63 2,00 21.01.1998 3,22 3,33 1,11 0,22 1,56 2,11 Mittel 2,06 2,74 1,55 0,37 0,91 2,22 SD 0,77 0,60 0,61 0,63 0,45 0,23 Abkürzungen: ANDARO = Andere Aromen AROMAJ = Aromatyp: Joghurt FARBE = rahmgelbliche Farbe MILCHKULT = Aroma der Milchkulturen MOLKE = Molke abgesetzt Mittel = Mittelwert SD = Standardabweichung Quelle: Eigene Darstellung 181 Betrieb 5: Ergebnisse der Profilanalyse von Speisequark – Mittelwerte TERMIN ANDARO AROMAJ BITTER CREMIG FARBE FEST 30.05.1997 1,67 3,33 0,33 2,50 2,50 3,00 13.06.1997 0,50 3,38 0,25 1,63 1,50 2,63 27.06.1997 1,50 2,67 0,17 3,00 1,83 2,50 16.07.1997 0,83 2,67 0,17 2,17 1,83 3,00 12.11.1997 0,43 4,29 0,86 2,00 1,57 1,57 26.11.1997 0,00 4,20 0,00 2,00 2,20 1,60 03.12.1997 0,38 4,25 0,50 2,63 2,50 2,50 17.12.1997 0,00 4,33 0,00 1,33 1,50 1,33 21.01.1998 0,00 4,56 0,00 1,67 1,78 1,89 04.02.1998 0,56 3,78 0,22 3,33 2,00 3,22 Mittel 0,59 3,74 0,25 2,23 1,92 2,32 SD 0,56 0,66 0,25 0,60 0,36 0,64 TERMIN KÖRNIG MILCHKULT MOLKE RANZIG SANDIG SAUER 30.05.1997 2,67 1,83 1,50 0,00 0,67 4,83 13.06.1997 1,13 1,75 1,75 2,50 0,00 3,75 27.06.1997 1,17 2,50 1,67 0,00 0,50 4,33 16.07.1997 1,67 2,50 1,83 0,00 0,33 3,17 12.11.1997 0,14 1,86 2,57 0,00 0,00 3,86 26.11.1997 0,20 0,40 2,40 0,00 0,00 4,20 03.12.1997 0,38 1,13 1,50 0,00 0,00 4,63 17.12.1997 0,00 2,00 2,33 0,00 0,00 4,00 21.01.1998 1,22 1,22 2,78 0,00 0,00 4,78 04.02.1998 1,11 1,56 1,67 0,00 0,00 4,56 Mittel 0,97 1,67 2,00 0,25 0,15 4,21 SD 0,78 0,61 0,45 0,75 0,24 0,50 Abkürzungen: ANDARO = Andere Aromen AROMAJ = Aromatyp: Joghurt FARBE = rahmgelbliche Farbe MILCHKULT = Aroma der Milchkulturen MOLKE = Molke abgesetzt Mittel = Mittelwert SD = Standardabweichung Quelle: Eigene Darstellung 182 Betrieb 6: Ergebnisse der Profilanalyse von Speisequark – Mittelwerte TERMIN ANDARO AROMAJ BITTER CREMIG FARBE FEST 27.06.1997 1,50 0,17 3,00 0,17 3,33 5,00 16.07.1997 1,00 0,00 2,50 0,00 3,50 4,33 26.11.1997 0,00 0,00 2,80 0,00 3,20 5,00 21.01.1998 0,22 0,00 0,22 1,56 4,00 4,78 Mittel 0,68 0,04 2,13 0,43 3,51 4,78 SD 0,60 0,07 1,12 0,65 0,30 0,27 TERMIN KÖRNIG MILCHKULT MOLKE RANZIG SANDIG SAUER 27.06.1997 4,83 2,50 0,00 1,00 3,67 2,67 16.07.1997 4,00 1,50 0,17 2,00 3,50 2,33 26.11.1997 5,00 2,80 0,00 2,00 5,00 1,80 21.01.1998 4,44 3,33 0,56 0,22 2,89 2,00 Mittel 4,57 2,53 0,18 1,31 3,76 2,20 SD 0,39 0,67 0,23 0,75 0,77 0,33 Abkürzungen: ANDARO = Andere Aromen AROMAJ = Aromatyp: Joghurt FARBE = rahmgelbliche Farbe MILCHKULT = Aroma der Milchkulturen MOLKE = Molke abgesetzt Mittel = Mittelwert SD = Standardabweichung Quelle: Eigene Darstellung 183 Betrieb 7: Ergebnisse der Profilanalyse von Speisequark – Mittelwerte TERMIN ANDARO AROMAJ BITTER CREMIG FARBE FEST 23.05.1997 0,29 0,43 0,14 2,71 0,43 1,57 30.05.1997 0,33 0,67 0,83 3,50 1,33 2,33 13.06.1997 0,50 0,25 0,25 3,38 0,63 1,88 27.06.1997 0,33 0,50 0,67 4,17 0,50 1,50 16.07.1997 0,00 0,33 0,50 4,00 0,83 2,00 31.10.1997 0,00 0,00 0,75 3,75 1,00 2,75 12.11.1997 0,57 0,00 0,86 3,14 1,43 2,71 26.11.1997 0,00 0,00 0,60 3,20 1,40 2,80 03.12.1997 0,25 0,25 0,38 3,63 1,25 3,13 17.12.1997 0,67 0,00 0,00 4,00 1,33 3,00 21.01.1998 0,33 0,00 0,33 3,56 1,78 2,89 04.02.1998 0,11 0,22 0,22 4,00 1,44 3,11 Mittel 0,28 0,22 0,46 3,59 1,11 2,47 SD 0,22 0,22 0,27 0,41 0,41 0,57 TERMIN KÖRNIG MILCHKULT MOLKE RANZIG SANDIG SAUER 23.05.1997 0,71 1,29 2,00 0,00 0,29 0,71 30.05.1997 0,83 2,17 1,83 0,00 0,00 1,17 13.06.1997 0,13 0,88 1,50 2,50 0,00 0,88 27.06.1997 0,67 1,67 3,00 0,83 0,00 0,67 16.07.1997 0,17 0,83 2,67 0,00 0,00 0,33 31.10.1997 0,75 2,50 3,00 0,00 0,00 1,75 12.11.1997 0,57 2,29 2,00 0,29 0,00 1,43 26.11.1997 0,20 2,20 3,00 0,40 0,00 1,40 03.12.1997 0,25 3,00 2,63 0,00 0,00 1,13 17.12.1997 0,00 2,67 2,50 0,00 0,00 0,83 21.01.1998 0,56 3,11 2,11 0,44 0,00 1,22 04.02.1998 0,67 3,11 2,78 0,00 0,00 0,78 Mittel 0,46 2,14 2,42 0,37 0,02 1,02 SD 0,28 0,78 0,49 0,69 0,08 0,38 Abkürzungen: ANDARO = Andere Aromen AROMAJ = Aromatyp Joghurt FARBE = rahmgelbliche Farbe MILCHKULT = Aroma der Milchkulturen MOLKE = Molke abgesetzt Mittel = Mittelwert SD = Standardabweichung Quelle: Eigene Darstellung 184 Betrieb 8: Ergebnisse der Profilanalyse von Speisequark – Mittelwerte TERMIN ANDARO AROMAJ BITTER CREMIG FARBE FEST 23.05.1997 0,00 0,43 0,00 3,00 1,14 1,57 30.05.1997 0,17 0,33 0,00 4,33 1,33 2,00 13.06.1997 0,25 0,25 0,25 3,50 1,63 1,88 27.06.1997 2,50 0,33 1,00 3,33 1,67 2,00 16.07.1997 0,20 0,80 0,40 3,80 1,40 1,80 31.10.1997 0,00 0,00 0,25 4,00 1,75 3,00 12.11.1997 0,00 0,14 0,14 3,43 2,29 3,57 26.11.1997 0,00 0,00 0,40 3,20 2,00 3,20 03.12.1997 0,38 0,00 0,13 3,38 2,25 3,13 17.12.1997 0,17 0,17 0,00 3,67 2,33 3,33 21.01.1998 0,00 0,00 0,00 4,00 1,78 2,89 04.02.1998 0,22 0,00 0,33 3,78 2,22 3,44 Mittel 0,32 0,20 0,24 3,62 1,82 2,65 SD 0,67 0,23 0,27 0,37 0,39 0,71 TERMIN KÖRNIG MILCHKULT MOLKE RANZIG SANDIG SAUER 23.05.1997 0,29 1,57 2,71 0,14 0,00 1,14 30.05.1997 0,33 1,17 2,67 0,00 0,17 0,67 13.06.1997 0,00 0,50 1,00 3,50 0,38 0,63 27.06.1997 1,00 1,33 2,50 4,17 0,33 1,33 16.07.1997 0,60 0,60 2,00 0,00 0,00 0,60 31.10.1997 1,50 3,00 2,00 0,00 0,00 0,75 12.11.1997 1,14 3,00 1,14 0,29 0,14 1,29 26.11.1997 1,80 2,80 2,40 0,00 0,40 1,00 03.12.1997 1,38 2,88 2,50 0,00 0,00 0,88 17.12.1997 2,17 2,50 2,50 0,00 0,67 0,50 21.01.1998 0,89 2,89 1,67 0,00 0,00 1,33 04.02.1998 1,44 3,11 2,78 0,33 0,11 0,78 Mittel 1,05 2,11 2,16 0,70 0,18 0,91 SD 0,63 0,96 0,58 1,41 0,21 0,29 Abkürzungen: ANDARO = Andere Aromen AROMAJ = Aromatyp: Joghurt FARBE = rahmgelbliche Farbe MILCHKULT = Aroma der Milchkulturen MOLKE = Molke abgesetzt Mittel = Mittelwert SD = Standardabweichung Quelle: Eigene Darstellung 185 Anhang 6 Sensorik: Ergebnistabellen zu Kendalls Konkordanzkoeffizient W und Chi-Quadrat- Anpassungstest 186 Überprüfung der Übereinstimmung der Prüfpersonen (n) mit Kendalls Konkordanz Koeffizient (W) für (n > 6) und dem Chi-Quadratan- passungstest für (n < 7). Testtermin: 23.05.1997 Deskriptoren 7 Prüfpersonen Kendalls (W) Aussehen körnig 0,87 Molke abgesetzt 0,38 rahmgelbe Farbe 0,71 Flavour bitter 0,17 sauer 0,67 Aroma der Milchkulturen 0,22 Aromatyp: Joghurt 0,09 ranzig 0,16 andere Aromen 0,33 Textur fest 0,46 sandig 0,85 cremig 0,56 Testtermin: 30.05.1997 Deskriptoren 6 Prüfpersonen Chi-Quadrat p Aussehen körnig 19,867 ** Molke abgesetzt 11,333 * rahmgelbe Farbe 18,1707 ** Flavour bitter 13,00 * sauer 23,3770 *** Aroma der Milchkulturen 11,1917 * Aromatyp: Joghurt 20,3901 ** ranzig 0,00 ns andere Aromen 3,3486 ns Textur fest 15,8974 ** sandig 16,4286 ** cremig 18,9418 ** Testtermin: 13.06.1997 Deskriptoren 8 Prüfpersonen Kendalls (W) Aussehen körnig 0,64 Molke abgesetzt 0,38 rahmgelbe Farbe 0,78 Flavour bitter 0,18 sauer 0,80 Aroma der Milchkulturen 0,18 Aromatyp: Joghurt 0,70 ranzig 0,20 andere Aromen 0,07 Textur fest 0,43 sandig 0,71 cremig 0,74 Signifikanzniveau: p < 0,05 = * signifikant; p < 0,01 = ** hoch signifikant; p < 0,001= *** höchst signifikant; p ≥ 0,05 ns = nicht signifikant 187 Testtermin: 27.06.1997 Deskriptoren 6 Prüfpersonen Chi-Quadrat p Aussehen körnig 31,936 *** Molke abgesetzt 33,068 *** rahmgelbe Farbe 32,272 *** Flavour bitter 19,386 ** sauer 31,529 *** Aroma der Milchkulturen 11,225 * Aromatyp: Joghurt 18,893 ** ranzig 19,506 *** andere Aromen 11,910 * Textur fest 33,252 *** sandig 31,600 *** cremig 28,877 *** Testtermin: 16.07.1997 Deskriptoren 4 Prüfpersonen Chi-Quadrat p Aussehen körnig 29,415 *** Molke abgesetzt 21,211 *** rahmgelbe Farbe 28,433 *** Flavour bitter 17,199 ** sauer 24,753 *** Aroma der Milchkulturen 21,537 *** Aromatyp: Joghurt 14,470 * ranzig 15,357 ** andere Aromen 8,087 ns Textur fest 30,158 *** sandig 29,141 *** cremig 24,491 *** Testtermin: 31.10.1997 Deskriptoren 4 Prüfpersonen Chi-Quadrat p Aussehen körnig 9,968 * Molke abgesetzt 7,821 * rahmgelbe Farbe 13,855 ** Flavour bitter 8,381 * sauer 9,778 * Aroma der Milchkulturen 5,353 ns Aromatyp: Joghurt 4,000 ns ranzig 8,000 * andere Aromen 2,462 ns Textur fest 6,000 ns sandig 8,082 * cremig 14,925 ** Signifikanzniveau: p < 0,05 = * signifikant; p < 0,01 = ** hoch signifikant; p < 0,001= *** höchst signifikant; p ≥ 0,05 ns = nicht signifikant 188 Testtermin: 12.11.1997 Deskriptoren 10 Prüfpersonen Kendalls (W) Aussehen körnig 0,68 Molke abgesetzt 0,74 rahmgelbe Farbe 0,80 Flavour bitter 0,43 sauer 0,77 Aroma der Milchkulturen 0,38 Aromatyp: Joghurt 0,75 ranzig 0,13 andere Aromen 0,15 Textur fest 0,92 sandig 0,77 cremig 0,43 Testtermin: 26.11.1997 Deskriptoren 5 Prüfpersonen Chi-Quadrat p Aussehen körnig 21,168 *** Molke abgesetzt 21,133 *** rahmgelbe Farbe 22,902 *** Flavour bitter 13,720 * sauer 17,057 ** Aroma der Milchkulturen 20,506 *** Aromatyp: Joghurt 25,000 *** ranzig 16,250 ** andere Aromen 5,000 ns Textur fest 23,436 *** sandig 21,103 *** cremig 18,179 ** Testtermin: 03.12.1997 Deskriptoren 8 Prüfpersonen Kendalls (W) Aussehen körnig 0,79 Molke abgesetzt 0,47 rahmgelbe Farbe 0,56 Flavour bitter 0,41 sauer 0,85 Aroma der Milchkulturen 0,32 Aromatyp: Joghurt 0,79 ranzig 0,30 andere Aromen 0,23 Textur fest 0,71 sandig 0,65 cremig 0,50 Signifikanzniveau: p < 0,05 = * signifikant; p < 0,01 = ** hoch signifikant; p < 0,001= *** höchst signifikant; p ≥ 0,05 ns = nicht signifikant 189 Testtermin: 17.12.1997 Deskriptoren 6 Prüfpersonen Chi-Quadrat p Aussehen körnig 24,253 *** Molke abgesetzt 10,904 ns rahmgelbe Farbe 24,353 *** Flavour bitter 16,600 ** sauer 25,856 *** Aroma der Milchkulturen 12,730 * Aromatyp: Joghurt 25,227 *** ranzig 13,846 * andere Aromen 12,500 * Textur fest 25,815 *** sandig 25,815 *** cremig 24,231 *** Testtermin: 21.01.1998 Deskriptoren 9 Prüfpersonen Kendalls (W) Aussehen körnig 0,83 Molke abgesetzt 0,56 rahmgelbe Farbe 0,78 Flavour bitter 0,60 sauer 0,74 Aroma der Milchkulturen 0,46 Aromatyp: Joghurt 0,79 ranzig 0,71 andere Aromen 0,74 Textur fest 0,91 sandig 0,83 cremig 0,59 Testtermin: 04.02.1998 Deskriptoren 9 Prüfpersonen Kendalls (W) Aussehen körnig 0,64 Molke abgesetzt 0,67 rahmgelbe Farbe 0,32 Flavour bitter 0,41 sauer 0,78 Aroma der Milchkulturen 0,49 Aromatyp: Joghurt 0,94 ranzig 0,68 andere Aromen 0,50 Textur fest 0,72 sandig 0,86 cremig 0,89 Signifikanzniveau: p < 0,05 = * signifikant; p < 0,01 = ** hoch signifikant; p < 0,001= *** höchst signifikant; p ≥ 0,05 ns = nicht signifikant 190 Anhang 7 Gruppendiskussionen: Diskussionsleitfaden 191 Gruppendiskussionen mit zwei Fokusgruppen Ziel: Festlegung der 4–5 wichtigsten Eigenschaften für Quark aus hofeigener Verarbeitung (Eigenschaften müssen relevant, vom Hersteller beeinflussbar und unabhängig sein) Programm für Gruppendiskussion (Dauer 1 Stunde) 1 Vorstellung des Projektes 2 Vorstellung der Teilnehmer 3 Diskussion „Es geht um Quark aus hofeigener Verarbeitung. Sie alle kennen diesen Quark. Sie haben ihn schon mal gegessen. Sie haben ihn schon einmal gekauft.“ 3.1 Beschreibung der Eigenschaften 3.1.1 Kauf Können Sie mal kurz Ihre Einkaufserfahrung erzählen? • Wie sind Sie auf diesen Quark aufmerksam geworden? • Wo kann man diesen Quark aus hofeigener Herstellung kaufen? Wo haben Sie ihn gekauft? • Woran haben Sie den Quark im Laden erkannt • (Worauf legen Sie beim Einkauf von Quark am meisten Wert? Was ist hier für Sie wichtig?) 3.1.2 Produkt Wie würden Sie hofeigenen Quark beschreiben? Wie noch? Unterscheidet sich der hofeigene Quark von Molkereiquark? Worin? Geschmack? In welcher Weise? Gesünder – warum? Nährwert – wieso? Handwerkliche Herstellung – in welcher Weise? Inhaltsstoffe – in welcher Weise Wirtschaftsweise – inwiefern? 3.1.3 Verpackung Unterscheidet sich bzw. sollte sich die Verpackung von Molkereiquark unterscheiden? Technische Funktion: Glas, Plastik, Tetra-Pak Kommunikative Funktion: Etikett, Information, Name, Produzent 192 3.1.4 Preis Gibt es Preisunterschiede zwischen Hofquark und Molkereiquark? Welchen Preis würden Sie für Hofquark akzeptieren? 0 %, 10 %, 20 % mehr als Molkereiquark? (Vergleich: Quark aus hofeigener Verarbeitung: Preismaximum 5,00 DM/ 500g Molkereiquark (konventionell): 1,78 DM/500g ; 40 % F.i.Tr.) 3.1.5 Sonstige Eigenschaften 3.2 Bewertung der Eigenschaften „Wie wichtig sind die diskutierten Eigenschaften für Sie? Was ist ausschlag- gebend für den Kauf bzw. Konsum von hofeigenem Quark?“ sehr wichtig - - auch wichtig - - weniger wichtig - - total unwichtig • Verpackung • Einkaufsstätte (Nähe zur Einkaufsstätte) • Image und Ruf des Hofes, des Bauern • Produktgestaltung, Etikett • Geschmack (im Vergleich zu Molkereiquark) • Tradition • Preis • Wirtschaftsweise • Handwerkliche Herstellung • Ursprüngliche Herstellung (ohne Zusatzstoffe) • Gleichbleibende Qualität, Schwankungen in der Produktbeschaffenheit • Wert als einmaliges Produkt, kein Massenprodukt • Regionale Erzeugung 4 Zusammenfassung Wie hängen diese Eigenschaften zusammen? Kann man Eigenschaften zu Gruppen zusammenfassen? Welche Eigenschaftsgruppen sind für Sie besonders wichtig? Rangfolge Welche Einzeleigenschaften sind für Sie besonders wichtig? Auswahl von 5 Eigenschaften mit Rangfolge 193 Literaturverzeichnis AGÖL (Arbeitsgemeinschaft Ökologischer Landbau) und BNN (Bundesverband Naturkost Naturwaren Hersteller e.V.) 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