Arbeitszeitflexibilisierung in der westdeutschen Metall- und Elektroindustrie und die Verbandsstrategien Eine vergleichende Analyse der arbeitszeitpolitischen Strategien des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall und der Industriegewerkschaft Metall Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades - Dr. rer. pol. - Fachbereich 5 – Gesellschaftswissenschaften der Universität Kassel vorgelegt von Magister Artium Ufuk Altun aus Düsseldorf - März 2005 - Betreuung: Prof. Dr. Werner van Treeck Zweitgutachter: Prof. Dr. Klaus Geiger 2 Erklärung Hiermit versichere ich, dass ich die vorliegende Dissertation selbständig und ohne unerlaubte Hilfe angefertigt und andere als die in der Dissertation angegebenen Hilfsmittel nicht benutzt habe. Alle Stellen, die wörtlich oder sinngemäß aus veröffentlichten oder unveröffentlichten Schriften entnommen sind, habe ich als solche kenntlich gemacht. Kein Teil dieser Arbeit ist in einem anderen Promotions- oder Habilitationsverfahren verwendet worden. Ufuk Altun Düsseldorf, 17.03.2005 3 Danksagung Mein Dank gilt allen, die dazu beigetragen haben, dass diese Arbeit durchgeführt und erfolgreich zum Abschluss gebracht werden konnte. Herzlich danken möchte ich vor allem Prof. Dr. Werner van Treeck und Prof. Dr. Klaus Geiger für ihre kontinuierliche und konstruktive Unterstützung bei der Fertigstellung dieser Arbeit. Den Beschäftigten der Mercedes-Benz Lenkungen GmbH in Düsseldorf danke ich für die aktive Teilnahme an den Workshops und den Beschäftigten der Visteon AG in Wülfrath sowie der Witte AG in Velbert für die Interviews. Des Weiteren möchte ich den Herren Lutz Getzschmann und Mikail Kizilay für ihre Hilfe bei der Korrektur dieser Arbeit danken. Schließlich gilt mein besonderer Dank meiner Frau Zeliha, meiner Tochter Öykü Zelal und meinem Sohn Aksel Berk, die mir mit viel Geduld zur Seite gestanden haben. Kassel, im März 2005 Ufuk Altun 4 Inhaltsübersicht 4 Abbildungsverzeichnis 7 Abkürzungsverzeichnis 9 Einleitung 11 I.I. Forschungsleitende Fragestellung: Wer organisiert die Zeit? 13 I.II. Ziel der Dissertation 16 I.III. Vorgehensweise, Methoden 17 I.IV. Inhaltlicher Aufbau 19 Kapitel 1: Theoretische Grundlagen 21 1.1. Die Ökonomisierung der Zeit 22 1.2. Postfordistische Globalisierung und ihre Auswirkung auf die Arbeitszeitentwicklung 25 1.3. Begriff und Bedeutung der Arbeitszeitflexibilisierung 32 1.4. Die neuen Arbeitszeitregelungen-, und Modelle 36 1.5. Die für die Arbeitszeitflexibilisierung relevanten Rahmenbedingungen 41 1.5.1. Die technisch-organisatorischen Rahmenbedingungen 42 1.5.2. Die wettbewerbsbedingten Rahmenbedingungen 45 1.5.3. Die beschäftigungspolitischen Rahmenbedingungen 47 1.5.4. Die soziokulturellen Rahmenbedingungen 50 1.5.5. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen 52 Kapitel 2: Der Wandel der Arbeitszeiten 58 2.1. Der Wandel der Arbeitszeiten im historischen Verlauf 59 2.1.1. Von der aufgabenorientierten Zeit zur abstrakten Zeit des Handelskapitalismus 59 2.1.2. Die Arbeitszeitentwicklung in der Phase der Frühindustrialisierung 63 5 2.1.3. Die Arbeitszeitentwicklung in der Metallindustrie bis zum 2. Weltkrieg 71 2.1.4. Die Entwicklung der Arbeitszeit nach 1945 bis 1984 83 Kapitel 3: Die Positionen der Tarifparteien zwischen 1984 und 2000 94 3.1. Tarifrunde 1984: Der neue Kampf um die Arbeitszeit 95 3.1.1. Arbeitszeitflexibilisierung aus Sicht der Gesamtmetall 97 3.1.2. Die Haltung der Industriegewerkschaft Metall 111 3.2. Die Tarifrunde 1993/94: Verlagerung der Diskussionen auf die betriebliche Ebene 126 3.3. Die arbeitsorganisatorischen Aspekte der Diskussion 135 3.4. Die wettbewerbsbedingten Aspekte 142 3.4.1. Die Globalisierung und die Einstellung der Tarifparteien 143 3.4.2. Die Europäisierung und die Einstellung der Tarifparteien 148 3.5. Die tarifpolitischen Aspekte 154 3.6. Die beschäftigungspolitischen Aspekte 164 3.6.1. Das „Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit“ 165 3.6.2. Betriebliche Bündnisse zur Beschäftigungssicherung und Wettbewerbsfähigkeit 172 3.7. Die soziokulturellen Aspekte 177 3.8. Fazit: Konsequenzen des Tarifabschlusses 1984 183 Kapitel 4: Die Arbeitszeitwünsche der Beschäftigten sowie die betrieblichen und gesellschaftlichen Defizite aus deren Sicht 191 4.1. Die Arbeitszeitwünsche der Beschäftigten 191 4.2. Defizite in der betrieblichen und außerbetrieblichen Zeitgestaltung aus Sicht der Beschäftigten 199 4.2.1. Defizite in der betrieblichen Zeitgestaltung 200 6 4.2.2. Defizite in der außerbetrieblichen Zeitgestaltung 207 4.2.3. Die geschlechtspezifischen Defizite 213 4.3. Fazit: Diskrepanz zwischen Wunsch und Realität 216 Kapitel 5: Die aktuellen Trends und die Haltung der Tarifparteien 222 5.1. Der Kampf um die 35-Stunden-Woche in Ostdeutschland 223 5.2. „Die Wiedereinführung der 40-Stunden-Woche“ in Westdeutschland 231 5.3. Eine kurze Fazit: Zurück zu längeren Arbeitszeiten? 234 6. Resümee und Ausblick 238 7. Quellenverzeichnis 252 7.1. Internetquellen 252 7.2. Zeitungen 253 7.3. Bücher und Zeitschriften 255 7 Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Merkmale des Überganges vom Fordismus zum Postfordismus 30 Abb. 2: Die für die Flexibilisierung relevanten Rahmenbedingungen 42 Abb. 3: Tayloristische und posttayloristische Arbeitsformen in Deutschland (in %) 44 Abb. 4: Einflüsse Internationalisierung und Kundenorientierung 45 Abb. 5: Arbeitszeitflexibilisierung in den Unternehmen nach Wirtschaftszweigen (in %) 47 Abb. 6: Beschäftigung im Maschinenbau (Beschäftigte in Tausend) 48 Abb. 7: Durchschnittliche tägliche und wöchentliche Arbeitszeit in der Industrie zwischen 1800 bis 1900 65 Abb. 8 : Liste der Delikte bei Krupp im Jahr 1892 66 Abb. 9: Durchschnittliche tarifliche Wochenarbeitszeit von Arbeitern und Angestellten zwischen 1956 bis 1984 88 Abb. 10: Zeitpunkt der Einführung bzw. Ausweitung einer Arbeitszeitflexibilisierung nach Wirtschaftszweigen (in %) 132 Abb. 11: Tarifliche Jahressollarbeitszeit für Arbeiter des verarbeitenden Gewerbes und Abstand zu Deutschland/West in Stunden, Arbeitstagen und –wochen (Stand 01.11.1997) 146 Abb. 12: Das deutsche und französische EBR-Modell 152 Abb. 13: Entwicklung der Beschäftigung in der Metall-, Elektro-, und Automobilindustrie zwischen 1993-1998 (in %) 165 Abb. 14: Durchschnitte der gewünschten wöchentlichen Arbeitszeiten (in Stunden) in den 15 EU-Mitgliedstaaten und Norwegen ) 193 8 Abb. 15: Gewünschte Arbeitszeitveränderung bezüglich der tatsächlichen Arbeitszeit bei den Beschäftigten nach Geschlecht und Qualifikationsgruppen (in %) 194 Abb. 16: Ausschlaggebender Grund für den Wunsch nach Verkürzung der tatsächlichen Arbeitszeiten bei den abhängig beschäftigten nach Geschlecht und Qualifikation (in %) 195 Abb. 17: Anteil der Überstundenbeschäftigten nach Geschlecht und Qualifikationsgruppe (in %) 196 Abb. 18: Verbreitung von Arbeitszeitkonten und Kontenformen nach Geschlecht (in %) 198 9 Abkürzungsverzeichnis ADGB Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund ArbZG Arbeitszeitgesetz ATG Altersteilzeit AZO Arbeitszeitordnung AZVO Arbeitszeitverordnung BDA Bundesvereinigungen der Arbeitgeberverbände BDI Bundesverband der deutschen Industrie BDI Bund der Industriellen BetrVG Betriebsverfassungsgesetz BMW Bayerische Motoren-Werke BR Betriebsrat CDU Christlich Demokratische Union CSU Christlich Soziale Union CVDI Centralverband Deutscher Industrieller DAG Deutsche Angestellen Gewerkschaft DGB Deutsches Gewerkschaftsbund DIHT Deutscher Industrie- und Handelstag DMV Deutscher Metallarbeiter-Verband EGB Europäischer Gewerkschaftsbund EMB Europäischer Metallarbeiterbund EU Europäische Union FDP Freie Demokratische Partei GDMI Gesamtverband Deutscher Metallindustrieller IAB Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung IFA Institut für Fabrikanlagen der Universität Hannover IG BCE Industriegewerkschaft Bergbau Chemie, Energie IG Metall Industriegewerkschaft Metall IMB Internationale Metallgewerkschaftsbund ISO Institut zur Erforschung sozialer Chancen 10 IW Institut der Deutschen Wirtschaft JArbSchG Jugendarbeitsschutz LadschlG Ladenschlussgesetz MEW Marx Engels Werke MuSchG Mutterschutzgesetz NSDAP Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei ÖTV Gewerkschaft öffentliche Dienste, Transport und Verkehr SGB Sozialgesetzbuch SPD Sozialdemokratische Partei Deutschland TVG Tarifvertragsgesetz VBf Verein für Beschäftigungsförderung e.V. VDA Verein Deutscher Arbeitgeberverbände VMN Verband der Metallindustriellen Niedersachsens WEM Westeuropäische Metallarbeitgeberverband WSI Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut in der Hans-Böckler-Stiftung TVBFörd Tarifvertrag zur Beschäftigungsförderung in der niedersächsischen Metall- und Elektroindustrie ZAG Zentralarbeitsgemeinschaft ZDH Zentralverband des deutschen Handwerks 11 I. Einleitung Arbeitszeitpolitik und Arbeitszeitgestaltung haben seit dem Tarifkompromiss im Jahre 1984 in der Metall-, und Elektroindustrie in der politischen und wissenschaftlichen Diskussion einen immensen Bedeutungszuwachs erfahren. Die Forderungen nach einer flexibleren Arbeitszeitgestaltung haben zeitgleich sowohl aus der Globalisierungs- diskussion und der Debatte um die Wettbewerbsfähigkeit des „Wirtschaftsstandorts Deutschland“ heraus wie auch aus beschäftigungspolitischen Gründen neuen Auftrieb bekommen. Durch diesen Trend verlor das sogenannte Normalarbeitsverhältnis an Allgemeingültigkeit und die Flexibilisierung der Arbeitszeiten nahm seit langem kontinuierlich zu. Folge ist, dass mittlerweile eine breite Palette von Arbeitszeit- modellen existiert, in denen die gesetzlich und vertraglich vereinbarte Wochen- arbeitszeit in den Dimensionen Lage, Länge und Verteilung flexibilisiert wird. Eine im Auftrag des nordrhein-westfälischen Arbeitsministeriums vorgenommene repräsentative Untersuchung (Arbeitszeit `99, 2000) im Jahre 1999 zeigt deutlich, dass mittlerweile nur noch etwa jede/r siebte Beschäftigte in Deutschland eine „normale“ Arbeitszeit hat. Rund 86% der Beschäftigten dagegen haben irgendeine Form flexibler Arbeitszeit. D.h. der Anteil flexibler Arbeitszeitverhältnisse hat seit der ersten Untersuchung dieser Art im Jahr 1989 stetig zugenommen. Nach Berechnungen des Institutes für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) ist die durchschnittliche tarifliche Wochenarbeitszeit aller Beschäftigten in den alten Bundesländern von 44,6 Stunden 1960 auf 41,5 Stunden 1970 und schließlich auf 37,7 Stunden 1995 zurückgegangen. Wirtschaftliche Gründe für die zunehmende Flexibilisierung von Arbeitszeiten sind der ökonomische Zwang zur rentableren Auslastung von Produktionsanlagen in Form von längeren Maschinennutzungszeiten, neuen Formen der Arbeitsorganisation und Technologien sowie globalen Wettbewerbsstrategien. Dementsprechend wird in Bundesrepublik Deutschland seit Mitte der achtziger Jahre, infolge der Neuregelung der tariflichen Arbeitszeitbestimmungen seitens der Arbeitgeber die Flexibilisierung der Arbeitszeit, die Entkopplung von Arbeitszeit und Betriebszeit, bewegliche Zeit- gestaltung sowie ein modernes Zeitmanagement gefordert. Die Arbeitgeber sind der Meinung, dass Arbeitszeit mittlerweile keine einheitlich vorgegebene starre Größe sein kann und die Dauer und Lage der Arbeitszeit vielmehr unterschiedlich und beweglich gestaltet werden muss. So soll durch aufeinander abgestimmte Gestaltung von Betriebs- zeit und Arbeitszeit sowohl für Großunternehmen als auch für Mittel- und Kleinunter- nehmen ein Konzept zur Erhöhung der Produktivität und zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit erzielt werden (Gesamtmetall 2000; 14). 12 Jedoch sind die Gewerkschaften skeptischer gegenüber weitere Ausdehnungen der Betriebszeiten und fordern zum einen eine „sozialverträgliche“ Arbeitszeitflexibili- sierung und zum anderen die weitere Verkürzung der Arbeitszeit. Auf einen Nenner gebracht verbreitet auf der einen Seite die Arbeitgeberseite ein „Untergangsszenario“ einer im internationalen Wettbewerb unterlegenen, da zu wenig flexiblen Wirtschaft (Arbeitgeberverband Gesamtmetall: Pressemitteilung am 08.05.1998: Wir brauchen flexible Arbeitszeitkonzepte); auf der anderen Seite sahen die Gewerkschaften zu Beginn der Diskussionen wieder „frühkapitalistische“ Zustände am Horizont aufgehen (vgl. Bischof/Detje 1989; 24). Die Auseinandersetzung um die Arbeitszeit ist also von verschiedenen, meist gegen- sätzlichen Interessen geprägt: Auf der Beschäftigtenseite bietet die Arbeitszeitflexi- bilisierung prinzipiell die Möglichkeit von mehr Zeitsouveränität: d.h. einer besseren Vereinbarkeit der Arbeitszeit mit allen anderen Aktivitäten. Demgegenüber stellt die Arbeitgeberseite den betriebswirtschaftlichen Aspekt in den Vordergrund. D.h. die Anpassung der Arbeitszeit an den tatsächlichen Arbeitsanfall. Durch aufeinander abgestimmte Gestaltung von Betriebszeit und Arbeitszeit wird die Erhöhung der Produktivität und die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit beabsichtigt (vgl. Gesamt- metall 2002a). So hieß es in einer Publikation der Wirtschaftsvereinigung Stahl: „In der Wettbewerbssituation der Unternehmen ist die Lieferperformance neben Preis und Qualität von Erzeugnissen und Dienstleistungen von entscheidender Bedeutung. Damit hängt der wirtschaftliche Erfolg der Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland bei den hohen Lohn- und Lohnnebenkosten zunehmend auch von der optimalen Nutzung der vertraglichen Normalarbeitszeit, d. h. der flexiblen Anpassung der Arbeits- zeit an den Bedarf, ab. Aber auch die Attraktivität der Unternehmen am Arbeitsmarkt wird durch flexible Arbeitszeitregelungen gestärkt, da moderne Arbeits-(zeit)- bedingungen für hoch qualifizierte Mitarbeiter bei der Arbeitgeberwahl ausschlag- gebend sein können. Bei der Nutzung infrage kommender Instrumente zur Arbeitszeit- flexibilisierung kommt es entscheidend darauf an, die betrieblichen Notwendigkeiten zur Erreichung der Unternehmensziele mit den Möglichkeiten und Bedürfnissen der Beschäftigten in Einklang zu bringen. Die Akzeptanz der Beschäftigten hängt nicht zuletzt auch von der ausreichenden Berücksichtigung ihrer Interessen in Bezug auf mehr Eigenverantwortung, weitgehende Selbständigkeit im Team, Freizeitmöglich- keiten und Beschäftigungssicherheit ab.“ (Wirtschaftsvereinung Stahl 2000, Seite 5). Auf der anderen Seite fordern die Gewerkschaften „Zeit zum Leben“. In diesem Sinne wollen sie generell tariflich festgelegte Regelungen, um die Vereinbarkeit von Erwerbs- und Familienarbeit zu erleichtern und um sonstige nützliche Tätigkeiten Raum zu schaffen. Für die IG Metall liegt die zentrale gesellschaftspolitische Aufgabe der 13 Arbeitszeitpolitik darin, den Kampf gegen Massenarbeitslosigkeit und für die Voll- beschäftigung so zu führen, dass durch kürzere Arbeitszeiten mehr Menschen wieder Arbeit finden und alle Beschäftigten mehr vom Leben und attraktivere Arbeits- bedingungen haben (vgl. IG Metall 1998). Hinsichtlich dieser Komplexität der Diskussionen entstand auch das Thema der Arbeit vor dem Erfahrungshintergrund, dass Arbeitgeberverbände sowie die Gewerkschaften in immer stärkerem Maße auf Anforderungen ihrer Mitglieder reagieren müssen. Um diesen Anforderungen zu entsprechen, entwickeln die Tarifparteien gemeinsame oder unterschiedliche Konzepte, die in ihrer Zielrichtung insbesondere die Durchsetzung des eigenen Standpunktes vorsehen. Allein die Tatsache, dass in den Industriestaaten die Arbeitszeitflexibilisierung seit den achtziger Jahren bei den Tarifverhandlungen um Arbeitszeitverkürzung oder bei den Gesetzgebungen ein wichtiger Streitpunkt geworden ist, zeigt die breite Spannweite der Diskussionen. Die Auseinandersetzungen zeigen auch, dass die Auseinadersetzung um die Arbeitszeitflexibilisierung erst mit der Verkür- zung der wöchentlichen Arbeitszeit stärker in den Mittelpunkt gerückt haben. Dadurch stehen die Tarifparteien mit zwei alternativen arbeitszeitpolitischen Strategien einander gegenüber: Verkürzung der Arbeitszeiten auf der einen und die Flexibilisierung der Arbeitszeiten auf der anderen Seite. Seitdem findet sich dieses Nebeneinander von Arbeitszeitverkürzung und –flexibilisierung in allen Diskussionen und Tarifverein- barungen zur Arbeitszeitverkürzungen in der Bundesrepublik Deutschland. I.I. Forschungsleitende Fragestellung: Wer organisiert die Zeit? Aus dieser grundlegenden Konstellation lässt sich einiges folgern: Regelungen der Arbeitszeit sind vorwiegend Sache der Tarifparteien selbst. Die Gestaltungsinteressen an flexiblen Arbeitszeiten sind aber gleichzeitig von einem grundsätzlichen Wider- spruch geprägt: Wird auf Betriebsseite Rationalisierung und Effizienzsteigerung als oberstes Ziel angestrebt, richtet sich das Interesse der Beschäftigten auf souveräne Verteilung ihrer Zeit nach eigenen Präferenzen. Auf der einen Seite werden nachdrück- liche Forderungen nach Lockerung der entsprechenden tarifvertraglichen und gesetz- lichen Rahmenbedingungen erhoben, um die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und damit gleichzeitig des Standortes Deutschland zu verbessern. Anderseits liegen flexible Arbeitszeiten nicht immer gleichermaßen im Interesse von Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Wollen beispielsweise die Betriebe ihre Interessen durchsetzen und auch am Wochenende die Produktion aufrechterhalten, so müssten bei der Erhöhung der Wohlfahrt der Beschäftigten sicherlich Abstriche in Kauf genommen werden. Solche 14 Probleme rufen großes Konfliktpotenzial hervor. Und ohne Mehrarbeitszuschläge können die Beschäftigten kaum dazu motiviert werden, sich für Wochenendarbeit zur Verfügung zu stellen oder sich dafür zu begeistern. Für Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften kommt es daher in der Praxis sehr darauf an, die genannten Ziele und jeweiligen Gründe anschaulich darzustellen, um alle Beteiligten im Unternehmen und in der Gesellschaft zu überzeugen. Damit die Theorie auch in der Praxis stimmt, sollen vor allem die Beschäftigten begeistert und überzeugt werden. Die beiden Tarifparteien sind sich in einem Punkt einig: Die Grundvoraussetzung dabei ist, die Beschäftigten in einen aktiven Dialog einzubinden, sie von der Notwendigkeit ständiger Neugestaltung zu überzeugen und sie laufend über Zielsetzungen zu informieren. Die Schwierigkeit bzw. Komplexität liegt in der Frage, wie die unterschiedlichen Interessen, die sich in der industriekapitalistischen Gesellschaft durch den Gegensatz „Kapital“ und „Arbeit“ bestimmen lassen, zu vereinbaren sind. Die Beschäftigten sind durch wirtschaftliche Notwendigkeit gezwungen, ihre Arbeitskraft für eine bestimmte Zeit an einem anderen zu verkaufen. Beim Kampf um Zeitsouveränität besteht also ein enger Zusammenhang zwischen Arbeitszeit, Freizeit und Geld bzw. Lohn. Dieser Zusammenhang gilt nicht nur für die arbeitenden Menschen, sondern auch als Kosten- faktor für die Unternehmen. Daraus folgt, dass die Zeitfrage bzw. Arbeitszeitfrage sich von dem gesellschaftlichen Grundspruch zwischen Kapital und Arbeit nicht trennen lässt: „Der Kapitalist behauptet sein Recht als Käufer (der Arbeitskraft), wenn er den Arbeitstag so lang als möglich... zu machen sucht. Andrerseits schließt die spezifische Natur der verkauften Ware eine Schranke ihres Konsums durch den Käufer ein, und der Arbeiter behauptet sein Recht als Verkäufer (der Arbeitskraft), wenn er den Arbeitstag auf eine bestimmte Normalgröße beschränken will. Es findet hier also eine Antinomie statt, Recht wider Recht, beide gleichmäßig durch das Gesetz des Warenaustausches besiegelt. Zwischen gleichen Rechten entscheidet die Gewalt. Und so stellt sich in der Geschichte der kapitalistischen Produktion die Normierung des Arbeitstags als Kampf um die Schranken des Arbeitstags dar - ein Kampf zwischen dem Gesamtkapitalisten, d. h. der Klasse der Kapitalisten, und dem Gesamtarbeiter oder der Arbeiterklasse.“ (Marx 1972; 249). Diese Konfliktbeziehungen, die sich auf ökonomische, politische und ideologische Auseinandersetzungen um Macht und Herrschaft niederschlagen, beein- flussen demzufolge auch die Entwicklung der Arbeitszeiten. Friedhart Hegner machte in einem Beitrag auf die Tatsache aufmerksam, dass flexible Arbeitszeiten Folgeprobleme mit sich bringen (werden): „Auf der einen Seite wird die Forderung nach Flexibilisierung der Arbeitszeiten mit der Forderung nach mehr Zeit- souveränität für die Arbeitnehmer in Verbindung gebracht, das heißt, die Wahlmöglich- keiten der Arbeitnehmer hinsichtlich Lage und Dauer der Arbeitszeiten sollen erweitert 15 werden (Terriet 1976, Landenberger 1983). Auf der anderen Seite wird die Forderung nach Flexibilisierung mit betrieblichen Belangen in Verbindung gebracht, das heißt, der Betrieb soll unter Berücksichtigung des Arbeitsanfalls darüber disponieren können, wie Lage und Dauer der Arbeitszeiten fixiert, werden (Schusser 1983: 35-54; BDA 1984). Beide Sichtweisen werfen Probleme auf: Erweiterte Wahlmöglichkeiten für die Arbeit- nehmer – so wird gesagt – tangieren das „Direktionsrecht“ des Arbeitgebers und er- schweren eine vorausschauende Personaleinsatzplanung. Demgegenüber tangieren er- weiterte Wahlmöglichkeiten der Arbeitgeberseite sozial- und arbeitsrechtliche Schutz- bestimmungen für die Arbeitnehmer, und sie erschweren die vorausschauende Ab- stimmung von beruflichen und außerberuflichen Lebensinteressen der Arbeitnehmer“ (Hegner 1985; 21). Hegner stellte die berechtigte Frage, die auch heute noch aktuell ist: „Wer eigentlich soll oder darf wählen: Die Arbeitnehmerseite oder die Arbeitgeber- seite“ (ebenda; 23). Die forschungsleitende Fragestellung lautet somit: Kann es den Arbeitgeberverbänden und den Gewerkschaften gelingen, die Erfordernisse eines Betriebes und die Belange der Beschäftigten weitgehend in Übereinstimmung zu bringen? Unter welchen Bedingungen sind die neuen Arbeitszeitsysteme mit den betrieblichen und außerbetrieb- lichen Interessen der Beschäftigten zu vereinbaren? Im Rahmen der Untersuchung werden als Unterstützung zum Erreichen der Zielsetzung folgende Unterfragestellungen aufgeworfen, konkretisiert und analysiert:  In welche Richtung hat sich die Arbeitszeitdiskussion weiterentwickelt?  Welche Faktoren beeinflussten den Wandel der Arbeitszeiten?  Welche Konzeptionen haben die Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften bei der Arbeitszeitflexibilisierung und in welche Richtung haben sie diese Konzeptionen weiterentwickelt?  Welche Interessen werden von Arbeitgebern insbesondere seit den 1980er Jahren verfolgt? Welche Konzepte werden dabei von den Arbeitgeberverbänden artikuliert und welche Rolle kommt in diesem Zusammenhang den Gewerk- schaften bzw. dem Betriebsrat zu?  Welche Kooperationsformen haben die Gewerkschaften und insbesondere IG Metall zur Arbeitszeitflexibilisierung herausgebildet, welche Steuerungsmög- lichkeiten und Defizite sind hiermit verbunden? 16  Auf welchen Feldern gibt es gemeinsame und unterschiedliche Problemwahr- nehmungen und Problemdefinitionen? Gibt es Diskrepanzen in der Problem- wahrnehmung und Problemdefinition zwischen den Arbeitgeberverbänden und den Gewerkschaften? I.II. Ziel der Dissertation Obwohl dieser Fragen sich unmittelbar aus den Auseinandersetzungen der letzten Jahre ergeben, hat eine grundlegende vergleichende Untersuchung über die Arbeitszeitpolitik der Tarifparteien und eine wissenschaftliche Auseinandersetzung über die Entwicklung und Einflussfaktoren der Diskussionen sowie unterschiedliche Handlungsperspektiven und unterschiedliche Interessenstandpunkte zur Arbeitszeitflexibilisierung aus Sicht der Tarifparteien nicht stattgefunden. Jedenfalls wurde sie nicht in den Mittelpunkt der Untersuchungen gestellt. An dieser Lücke setzt die vorliegende Studie an. Ziel der Dissertation ist es, zu fragen, wie die Arbeitszeitflexibilisierung auf der sozial- politischen- und betriebswirtschaftlichen Ebene angeschoben, welche Interessen von Arbeitgeberverbänden, Gewerkschaften und Beschäftigten in den Diskussionen berücksichtigt werden. In der Auseinandersetzung um die Entwicklung der Arbeitszeitflexibilisierung sowie der Analyse der Verbandsstrategien wird die gewerkschaftliche und unternehmerische Position in Sachen der Arbeitszeitflexibilisierung verdeutlicht und die unterschiedlichen sowie gemeinsamen Sichtweisen ausführlich dargestellt. Zum einen soll diskutiert werden, welche betrieblichen und außerbetrieblichen Faktoren bzw. Bedingungen maßgebend für die Organisation der Arbeitszeit sind. Zum anderen soll ausgeleuchtet werden, ob und wo es Schnittpunkte für die Gestaltung von Arbeitszeiten gibt, von denen die Arbeitnehmer und Arbeitgeber profitieren. Den Hintergrund für diese Zielerreichung wird der gesellschaftliche Konflikt zwischen Arbeit und Kapital bilden. Wie schon im Abschnitt I.I. beschrieben wurde, drängen sowohl Arbeitgeber als auch die Gewerkschaften seit Jahren auf eine Neu- bzw. Umgestaltung der Arbeitszeiten. Dabei klaffen in vielen Bereichen die jeweiligen Ziele und Interessen weit auseinander. Die Studie konzentriert sich auf die westdeutsche Metall- und Elektroindustrie, da der Auslöser der Diskussionen um die Arbeitszeitflexibilisierung im Zuge der Arbeitszeit- verkürzung sowie Tarifvertragsregelung von 1984 sich in der westdeutschen Metall- industrie konzentrierte, wo nach Einführung der 38,5-Stunden-Woche den Arbeitgebern weitere (zum Teil beschränkte) Flexibilitätsspielräume für die betriebliche Arbeitszeit- 17 gestaltung eingeräumt wurden. Seitdem haben die Tarifverhandlungen und arbeitszeit- politischen Entwicklungen und Diskussionen in der Metall- und Elektroindustrie bei den ganzen Diskussionen quasi eine „Vorreiterfunktion" übernommen. Trotz dieser Vorreiterfunktion der Metallindustrie gibt es aber in Deutschland keine Untersuchung, welche die Haltungen der Tarifparteien empirisch aufzeigt. Es liegen bisher nur einzelne Beiträge zur Politik der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände zur Frage der Arbeitszeitflexibilisierung vor. Eine systematische Untersuchung auf der Grundlage öffentlicher Verlautbarungen aus den Vorstandsetagen fehlt bisher gänzlich. I.III. Vorgehensweise und Methode Die Untersuchung gründet sich in erster Linie auf die Stellungnahmen von Gesamt- metall- und IG Metallführung. Dazu werden in erster Linie die Presseerklärungen, Interviews der Vorstände und die Tarif- und Betriebsvereinbarungen ausgewertet sowie betriebliche, sozikulturelle und gesellschaftliche Daten zur Entwicklung der flexiblen Arbeitszeiten gesammelt. Das Hauptgewicht aber liegt auf den Stellungnahmen von Gesamtmetall-Führung und IG Metall-Vorstand. Um Missverständnissen vorzubeugen ist es an dieser Stelle wichtig zu unterstreichen, dass wenn in der vorliegenden Arbeit die Begriffe „Arbeitgeberverbände“ bzw. „Gewerkschaften“ verwendet werden, die Stellungnahmen und Positionsbestimmungen von Führungsriegen sowie Vorstandsmit- gliedern der Verbänden vorgestellt und skizziert werden. Die Auseinandersetzung mit der Arbeitszeitflexibilisierung in der Metall- und Elektro- industrie und mit der arbeitszeitpolitischen Strategien der Gesamtmetall und Industrie- gewerkschaft Metall erfolgte durch die kombinierte Anwendung zweier Instrumente der Sozialforschung: durch die qualitative Inhaltsanalyse und die empirische Befragung. Die Bestandsaufnahme des Forschungsstandes, sowie die vergleichende Analyse der Einstellungen und Konzepte der einzelnen Parteien erfolgten mit Hilfe einer Literatur- und Dokumentenanalyse. Methodisch wurde die, auf der Grundlage intensiver Quellen- und Inhaltsanalyse der Literatur, Dokumente und Beschlüsse von Kongressen und Tagungen erlangte Materie mit einer vergleichenden Analyse der Diskussionen sowie einer empirischen Untersuchung (explorativ) in Form von Interviews ergänzt und untermauert. Dabei werden zwischen theoretischen Ansätzen und praktischen Erfahrungen jeweils Vergleiche gezogen und die verschiedenen Methoden vorgestellt. 18 Die Bestandaufnahme des Forschungsstandes sowie die vergleichende Analyse der Ein- stellungen und Konzepte der einzelnen Parteien erfolgten aufgrund von Angaben aus der Literatur und den Dokumenten. So konnten die Entwicklungen, Motive, Rahmen- bedingungen, Belastungen, Beanspruchungen usw. im Kontext der branchen- spezifischen Entwicklungen und deren Einwirkungen auf die betriebliche Organisation sowie die umfassenden ökonomischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen erfasst und analysiert werden. Dies erforderte eine ausführliche Literaturstudie und Dokumentenanalyse über die betrieblichen und außerbetrieblichen Situationen. Mit dieser Vorgehensweise sollte der Themenkomplex umfassender erschlossen werden. Aufgrund der unterschiedlichen Interessen der Tarifparteien ließen sich die Handlungs- motive differenzierter herausarbeiten. Die Auswertung und Bearbeitung der relevanten Untersuchungen, Dokumenten und Beiträge sind insbesondere über folgende Zugänge, Informationen und Materialien erfolgt:  Die umfangreiche Sekundäranalyse der Materialien der Gesamtmetall und IG Metall. Hinzu kamen Veröffentlichungen, Presseerklärungen, Zeitschriften der Verbände und Zeitungsartikel.  Archive und Interseiten der Gesamtmetall und IG Metall.  Archive von Hans-Böckler Stiftung, Deutsche Gesellschaft der Personalführung e.V. in Düsseldorf und Friedrich-Ebert Stiftung in Bonn. Darüber hinaus wurden in ausgewählten Betrieben auch Interviews mit den Beschäftigten durchgeführt. Mit dieser Vorgehensweise soll (a) die Motive, Umsetzung, Auswirkung und Folgen der neuen Arbeitszeitmodelle aus Sicht der Beschäftigten vorgestellt und (b) Hinweise für die Gestaltung humaner Arbeitszeiten hinsichtlich der Berücksichtigung von individuellen Interessen der Beschäftigten sowie Wirkungen unterschiedlicher Arbeitszeitregelungen hinsichtlich ihres Einflusses auf Berufsleben und das Wohlbefinden von Beschäftigten gewonnen werden. Die Interviews und Gespräche wurden in 3 mittelständischen Unternehmen in Nordrhein-Westfalen durch- geführt und ausgewertet. Die Gespräche mit den Beschäftigen bei Mercedes-Benz Lenkungen GmbH in Düsseldorf wurden im Rahmen von Workshops zum Thema „Arbeitszeitmanagement“ und mit den Beschäftigten der Visteon AG in Wülfrath sowie der Witte AG in Velbert in Form von Interviews durchgeführt. Im Mittelpunkt der Interviews und Gespräche standen Veränderungen der betrieblichen Zeitarrangements und außerbetrieblichen Gestaltung der Zeit, sowie die Frage, in welcher Form Arbeitnehmerbewusstsein, die Einstellung gegenüber flexibler Arbeits- zeiten und Handlungsorientierungen bei den verschiedenen Beschäftigtengruppen vor- 19 handen sind, wie sie in das Alltagshandeln im Betrieb und im alltäglichen Leben eingehen und welche Rolle Arbeitszeitflexibilisierung und Einkommensminderung für die Lebensführung spielen. Die Form des Interviews als eine weitgehend nicht- standardisierte und explorative Erhebungsform wurde als Untersuchungsmethode ausgewählt, weil sie einerseits besonders zur Analyse von Diskussionsverläufen geeignet war und andererseits die Möglichkeit gab, einen Vergleich zwischen den Konzepten der Tarifparteien und der Umsetzung der Konzepte herzustellen. I.IV. Inhaltlicher Aufbau In der vorliegenden Arbeit wird die seit 1980er Jahre geführte Diskussion um Formen, Anwendungsbereiche und Konsequenzen der betrieblichen Arbeitszeitflexibilisierung untersucht und zusammengefasst. Dazu werden die Dimensionen der Arbeitszeitflexibi- lisierung, das Spannungsfeld der Interessenlagen, die wichtigsten Aspekte der Diskussionen und in einer Übersicht Wirkungen flexibler Arbeitszeitmodelle für Arbeit- nehmer, Arbeitgeber und den gesellschaftlichen Kontext dargestellt. Um einen Zugang zum Thema zu bekommen, werden im ersten Kapitel zunächst die theoretischen Grundlagen entfaltet. Im ersten Teil des Kapitels wird die Ökonomi- sierung der Zeit erläutert. Danach folgt die Definition der Arbeitszeitflexibilisierung, die Darstellung der aktuellsten Arbeitszeitmodelle. Anschließend wird der Globali- sierungsprozess beschrieben, der die betriebliche Gestaltung der Arbeitszeiten mitge- staltet. Der Fokus wird dabei auf die postfordistische Globalisierung, auf die Ent- wicklungen der Arbeitsorganisation und Warenproduktion seit Beginn der 1980er Jahre liegen. Im letzten Abschnitt werden die gesetzlichen Grundlagen vorgestellt, die für die Arbeitszeitflexibilisierung von Bedeutung sind. Der Gegenstand des zweiten Kapitels ist die historische Entwicklung der Arbeitszeiten. Dabei wird erklärt, wie der Wandel von einer aufgabenorientierten Zeit vorkapitalis- tischer Gesellschaften zur abstrakten Zeit des Kapitalismus stattgefunden hat. In diesem Zusammenhang werden die Entstehung der kapitalistischen Ökonomie der Zeit und ihre Entwicklung aus Sicht der Unternehmen sowie der Beschäftigten und deren Organisationen dargestellt und auf die Forderungen der Tarifparteien eingegangen. Nach der Darstellung der historischen Entwicklung der Arbeitszeit und deren Konsequenzen wird aufgezeigt wie die Unternehmen, Beschäftigten und deren Organisationen auf die Entwicklungen reagiert haben und welche Konflikte zu lösen waren. 20 Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit den arbeitszeitpolitischen Strategien von Arbeit- geberverbänden und Gewerkschaften. Zuerst wird die Entwicklung seit 1984 bis Ende der 1990er Jahre dargestellt. Dabei werden die Handlungen und Konzepte der Gesamt- metall und IG Metall sowie der Beschäftigten differenzierter betrachtet. Bei der ausführlichen Darstellung der Konzepte und Forderungen wird auf den unter- schiedlichen Konzepten Modellen und Forderungen eingegangen. So sollen die grund- legenden Aspekte, Rahmenbedingungen und Konfliktlinien der Arbeitszeitpolitik als auch die spezifischen Gestaltungsräume, Strategien und Interessen der Akteure heraus- gearbeitet werden. Ein weiterer Abschnitt wird sich mit den tarifpolitischen, wett- bewerbsbedingten, technologisch-organisatorischen, beschäftigungspolitischen sowie soziokulturellen Aspekten der Diskussion beschäftigen und abschließend wird auf die Auswirkungen und Folgen der Diskussionen eingegangen. Das vierte Kapitel der Arbeit setzt sich mit den Einstellungen und Arbeitszeitwünschen der Beschäftigten sowie mit den betrieblichen und gesellschaftlichen Defiziten aus Sicht der Beschäftigten auseinander. So wird der Versuch unternommen zu zeigen, wie sich die Arbeitszeitbedürfnisse der Beschäftigten den Verlauf der Entwicklungen beein- flussen und zum anderen welche Konsequenzen die Verbandstrategien auf die Interessen der Beschäftigten haben. Anschließend werden die Defizite in der betrieblichen und gesellschaftlichen Infrastruktur angerissen sowie die Diskrepanz zwischen Wunsch und Realität herausgearbeitet. Dabei wird auf eine Vielzahl von Untersuchungen zurückgegriffen und diese Untersuchungen sowie deren Ergebnisse mit den eigenen Interviews ergänzt. Im fünften Kapitel wird auf die aktuellsten Entwicklungstrends der Arbeitszeitflexi- bilisierung eingegangen sowie die aktuellsten Diskussionen sowie deren Ergebnisse vorgestellt. Darauf folgend werden die Zukunftskonzepte der Tarifparteien dargestellt und ein Vergleich zwischen diesen Konzepten sowie den daraus resultierenden Konsequenzen für die zukünftige Arbeitszeitflexibilisierung beschrieben. Im abschließenden sechsten Kapitel werden die empirischen Ergebnisse zusammen- gefasst und bewertet sowie die persönliche Sichtweise vorgestellt. 21 Kapitel I Theoretische Grundlagen Gegenstand des ersten Kapitels sind die theoretischen Grundlagen, die für die empi- risch-historische Untersuchung der unternehmerischen und gewerkschaftlichen Arbeits- zeitpolitik von Bedeutung sind. Um den Wandel sowie die Ursachen und Folgen der Arbeitszeiten erklären und beurteilen zu können, bedarf es einer Theorie, welche die historische Entwicklung der Verbandstrategien erfassen und abbilden kann. Denn die politische und programmatische Ausrichtung der Arbeitgeberverbände sowie der Gewerkschaften bildete sich ebenfalls historisch heraus. Zudem darf die historische Darstellung nicht allein in abstrakten Kategorien erfolgen, da das Handeln der Arbeit- geberverbände sowie Gewerkschaften mit technologischen, politischen, ökonomischen und soziokulturellen Entwicklungen und Veränderungen in Interaktion stehen. Auch hierbei entwickelte sich die Zeit auf Basis der historischen Entwicklungsprozesse zu einer ökonomischen Ressource, die anschließend im Verlaufe der Industrialisierung als soziales Konfliktfeld zwischen den Beschäftigten und Unternehmen immer mehr in den Mittelpunkt rückte. Dadurch verschärfte sich der Kampf um die Bestimmung und Kontrolle der Zeitanteile. Diese Konflikte wiederum hatten Auswirkungen auf die gesellschaftliche, politische und ökonomische Entwicklung. Gestützt auf die oben beschriebene Entwicklung werden in den folgenden Aus- führungen die Ökonomisierung der Zeit und die Flexibilisierung der Arbeitszeiten innerhalb eines historischen Gesamtprozess dargestellt und erklärt. Dabei wird der Wandel der Arbeitszeiten als Bestandteil des gesellschaftlichen Prozesses gesehen. Hierbei wird der gesamte Prozess der Arbeitszeitentwicklung seit Beginn der Industrialisierung, das Verhältnis zwischen Arbeit und Kapital sowie zwischen Arbeits- zeit und Arbeitsproduktivität zum Gegenstand der Untersuchungen gemacht. Im Vordergrund werden auch die ökonomischen sowie gesellschaftlichen Veränderungen bzw. Einflussfaktoren wie die (tarif)rechtlichen, technisch-organisatorischen, wett- bewerbsbedingten, beschäftigungspolitischen sowie soziokulturellen Veränderungen stehen, die wesentlich den Handlungsspielraum der Unternehmen, Beschäftigten, deren Organisationen sowie des Staates bestimmen. Dadurch wird aufgezeigt, in welche gesellschaftlichen Bereiche Zeitfragen und Zeitgestaltung eingreifen und welche Dimensionen der weitere Drang des Kapitals nach Ausweitung und grenzenloser Flexibilisierung der Arbeitszeiten annehmen wird. 22 1.1. Ökonomisierung der Zeit Der Zeitfaktor erhält in der heutigen Zeit, geprägt von Dynamik, Schnelligkeit, Wett- bewerbsfähigkeit, Pünktlichkeit, Stress usw., einen immer größer werdenden Stellenwert im politischen, ökonomischen, gesellschaftlichen und technischen Leben. Dadurch bekommt er im nationalen und internationalen Wettbewerb eine strategische Dimension. Der Ursprung dieser Entwicklung liegt jedoch bei der Industrialisierung der kapitalistischen Gesellschaft. Mit der Einführung industrieller Produktion ging ein Abbau der Möglichkeiten individueller Arbeitszeitregelungen einher. Unter diesem Aspekt wurde die Ökonomisierung der Zeit von Autoren wie Smith, Ricardo und Marx als eine wesentliche Kategorie der Nationalökonomie behandelt. Smith, Ricardo und Marx sahen den Ursprung der Vermehrung gesellschaftlichen Reichtums in menschlicher Arbeit. Die in einer bestimmten Ware enthaltene Zeit, die Arbeitszeit, wird somit zu einer Größe, die Tauschrelationen steuert und erst dadurch, als Wettbewerbsfaktor an Bedeutung gewinnt. Dazu schrieb Thompson: „Der Arbeit- geber muß die Zeit seiner Arbeiter nutzen und darauf achten, daß sie nicht ver- schwendet wird: Nicht die Aufgabe, sondern der aufs Geld reduzierte Wert der Zeit wird entscheidend. Man lässt nicht mehr die Zeit, über die man verfügt `verstreichen´, sondern man setzt sie – wie Geld – für bestimmte Zwecke ein“ (Thompson 1973; 82). Daraus kann konstatiert werden, dass mit der Industrialisierung der Gesellschaft die messbare Zeit immer wichtiger wurde, weil sie sich im Laufe der Jahre zu einer knappen und damit wertvollen Ressource entwickelte. In diesem Zusammenhang betrachtet Seiwert die Zeit als das wertvollste Gut, das wir besitzen: „Zeit ist mehr wert als Geld. Unser Zeit-Kapital muß sorgfältig angelegt werden. (…) Unsere wichtigste Aufgabe im Leben ist es, so viel wie möglich aus dieser Zeit zu machen“ (Seiwert 1987; 11). Diesen Aspekt von Zeit bzw. Arbeitszeit und die Herausbildung von betrieblichen sowie gesellschaftlichen Zeitstrukturen betrachtet Marx in Zusammenhang mit Macht- konstellationen innerhalb eines Betriebes und einer Gesellschaft: „Mit dem Übergang vom Feudalismus zum Kapitalismus kam es zum Durchbruch abstrakter Zeitvor- stellungen und rationalem Umgang mit Zeit. Mit der Trennung in Besitzer und Nicht- besitzer von Produktionsmitteln entstand, begleitet von »unterstützenden« Zwangs- maßnahmen staatlicherseits, erstmals jene Klasse, die ihre Existenz nur durch den Ver- kauf von Arbeitskraft auf den neuentstandenen Arbeitsmärkten sichern konnte“ (Marx 1972; 280f). Laut Marx hat die kapitalistische Produktion neben der Existenz von Kapitalbesitzern zwei weitere Bedingungen zur Voraussetzung: „Erstens müssen die Arbeiter und Arbeiterinnen freie Eigentümer ihres Arbeitsvermögens sein, d.h. sie 23 dürfen nicht an bestimmte produktive Formen der Verausgabung ihrer Arbeitskraft gebunden sein, wie es im Zunftwesen und in der Feudalherrschaft der Fall war. Zweitens müssen sie gezwungen sein, ihr Arbeitsvermögen als Ware zu verkaufen, weil ihnen auf der anderen Seite sämtliche Produktionsmittel, sämtliche gegenständliche Bedingungen der Arbeit ebenso gut wie sämtliche Lebensmittel, Geld, Produktions- mittel und Lebensmittel als fremdes Eigentum gegenüberstehen, weil also aller gegen- ständliche Reichtum als Eigentum der Warenbesitzer dem Arbeiter gegenübersteht“ (Marx 1969; 30). Auch Autoren wie Weber, Marcus, Rinderspacher, Negt und Hinrichs zeigen in ihren Beiträgen, dass die Entwicklung der Zeitökonomie mit Produktions- und Machtver- hältnissen zusammenhängt. Rinderspacher stellt in diesem Sinne fest, dass die Arbeits- zeiten als Formen strukturell erzwungenen Zeitverbrauchs erst mit der Ausbreitung industrieller Produktionsformen entstanden sind: „Nicht, dass nicht auch alle vor- industriellen Arbeitstätigkeiten eine zeitliche Dauer aufweisen; im modernen Sinne jedoch ist „Arbeitszeit“ zu einem Maß für Leistung in industriellen Arbeitsformen geworden. Arbeitszeit wird zur Restriktion dadurch, dass dem Arbeitnehmer aufgrund bestehender Macht- und Eigentumsverhältnisse die Dispositionsfreiheit bezüglich der inneren und äußeren zeitlichen Beschaffenheit des Arbeitstages weitgehend entzogen ist“ (Rinderspacher 1985; 17). Rinderspacher spricht dabei von der allmählichen Durch- dringung einer Gesellschaft mit einem für alle verbindlichen, standardisierten System zeitlicher Bezugspunkte, das das ökonomische und soziale Handeln weitgehend struk- turiert. Zusammengefasst wird diese Entwicklung durch folgende Faktoren bewirkt: 1. „Die qualitative Neuentwicklung besteht in der Behandlung der Zeit als zu bewirtschaftender Ressource. Zeit selbst wird zum Wirtschaftsgut. Die Bewertung wirtschaftlichen Erfolges erfolgt nach Maßgabe der zeitökono- mischen Effizienz. 2. Die Logik des Kapitals, derzufolge ein häufiger umschlagendes Kapital dessen Ertrag erhöht, führt zu einer Effizienzsteigerung derjenigen Bereiche und Anlagesphären, in denen das Kapital gebunden ist. Effizienz meint unter diesen Bedingungen die bewußtere Bewirtschaftung der Ressource „Zeit“. 3. In dem Maße, in dem die Arbeitsteilung voranschreitet, werden mit wachsender Komplexität der Gesellschaft zunehmend Synchronitätserfordernisse produziert. Der Zusammenhang der Wirtschaftssubjekte und Individuen stellt sich in der arbeitsteiligen Gesellschaft ganz wesentlich über Terminabsprachen her. Zudem ist die Synchronität in der Produktion eine Voraussetzung für die Verhinderung von Disproportionalitäten und damit von hohen wirtschaftlichen Verlusten. 24 4. Die Ökonomie der Zeit realisiert sich schließlich in der Disziplinierung der Arbeiter im Produktionsprozess, d.h. in einem vom Unternehmer gegenüber dem Arbeiter ausgeübten Zwang zu möglichst wenig Zeit beanspruchenden Arbeitsmethoden und Verhaltensweisen.“ (Rinderspacher 1985; 41) Wie aus diesen Beiträgen deutlich wird, implizierte die Subsumtion der Arbeit unter das Kapital hinsichtlich der Arbeitszeit für die Unternehmen „das Recht“ zur Festlegung der Dauer der Arbeitszeit (chronometrische Dimension), der Lage der Arbeitszeit (chrono- logische Dimension) und der Struktur der Arbeitszeit, d.h. der Abfolge von produktiver Arbeit und Arbeitsunterbrechungen in Form von Pausen (strukturelle Dimension). Es handelte sich also um einen Machtprozess, der seinem Programm nach die Eliminierung aller, den Effizienz - und ökonomischen Rationalitätskriterien zuwiderlaufenden Ein- flussfaktoren zum Ziel hatte. Hinrichs stellte in diesem Sinne fest, dass die industrielle Produktionsweise die natürlichen Schranken und Traditionen durchbrach und eine massive, von den Unternehmern vorangetriebene Ausdehnung fremdbestimmter Arbeitszeit mit sich brachte: „Diese wurde herbeigeführt durch die Verlängerung des Arbeitstages, den Wegfall von Feiertagen und Arbeit auch an Sonntagen sowie ver- mehrte Nachtarbeit. Die massenhafte Proletarisierung und die Ausdehnung der Arbeits- zeit waren aber nur möglich, weil staatliche Regulierungen, Schutz- und Fürsorge- bestimmungen aufgehoben, oder wo dies nicht der Fall war, sanktionslos unterlaufen sowie Existenzmöglichkeiten außerhalb des Arbeitsmarktes entweder abschreckend gestaltet oder polizeistaatlich unterbunden wurden, Erst staatliches Handeln und Unter- lassen stellte also den unbeschränkten Arbeitsmarkt her“ (Hinrichs 1988; 25). Im Zuge der oben beschriebenen kapitalistischen Zeitformierung verloren die Lohnabhängigen - ihre zeitliche Souveränität in zweierlei Hinsicht: Erstens diktierten die betrieblichen Produktionserfordernisse mehr und mehr Zeitpunkt und Dauer, zu der die Lohn- abhängigen ihre Arbeitskraft anzubieten hatten. Zweitens verloren die Arbeitskräfte immer mehr die Möglichkeit zur eigenverantwortlichen zeitlichen Strukturierung des Arbeitsprozesses. Die Entwicklung der kapitalistischen Produktionsweise brachte gleichzeitig die strukturelle Ungleichheit von Lohnarbeit und Kapital hervor. Daraus entwickelte sich auf Seiten der Lohnabhängigen eine Organisierung des kollektiven Kampfes, deren Organisationsform u.a. die Gewerkschaften bildeten. In diesem Kampf versuchten die Beschäftigten die Disposition der Unternehmen über die Lebenszeit einzuschränken und ihre Subsumtion unter das Kapital zu negieren. Hauptziel des kollektiven Handelns gegen die Bestrebungen des Kapitals war die Bedingungen des Verkaufs der Ware Arbeitskraft auf dem Arbeitsmarkt und die Bedingungen ihres Gebrauchs im kapitalis- tischen Produktionsprozess zugunsten der Lohnabhängigen zu verbessern. Im Kern ging 25 es um eine Machtfrage, die heute noch ihre Aktualität bewährt hat: Wer soll bestimmen, in welcher Weise und mit welchem Tempo gearbeitet wird? 1.2. Postfordistische Globalisierung und ihre Auswirkung auf die Arbeitszeitflexibilisierung Wie schon im vorherigen Abschnitt beschrieben wurde, ist die Ökonomisierung und Kontrolle von Zeit die Voraussetzung und Folge des historischen Prozesses zunehmender gesellschaftlicher Entwicklung und stetiger Ausweitung und Vertiefung kapitalistischer Produktionsverhältnisse. Gerade bei der Auseinandersetzung, wie dadurch die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Strukturen mitgestaltet werden, kann auf die Reflexion des Globalisierungsprozesses - vor allem auf die aktuellen Theorien der Globalisierung – nicht verzichtet werden. Gerade in der aktuellen Situation, in der die Unternehmen ihre Produktion in andere Länder und Regionen verlagern, da sie dort günstigere Standortbedingungen vorfinden oder neue Produktions- formen einführen, die sich von bisherigen Modellen unterscheiden, drängt sich die Frage auf, wie und wie stark die Globalisierung die betriebliche Gestaltung der Arbeits- zeiten mitgestaltet. Aus diesem Grund soll im Folgenden auf die postfordistische Globalisierung, auf die Entwicklungen des Akkumulationsregimes seit Beginn der 1980er Jahre eingegangen werden. Aus Platzgründen werden die neuzeitlichen Veränderungen gegenüber „alten“ Produktionsformen und deren Auswirkungen im groben bilanziert und aufgezeigt. Der Terminus Globalisierung hat in den 1990er Jahren, vor allem nach dem Zusammen- bruch des real existierenden Sozialismus, enorm an Bedeutung gewonnen und fungiert als Ursache für die Verschiebung gesellschaftlicher Kräfteverhältnisse, den neoliberalen Umbau der gesellschaftlichen Institutionen sowie die Intensivierung und qualitative Veränderung grenzüberschreitender ökonomischer Prozesse, die Erosion national- staatlicher Souveränität und die damit zusammenhängende Neukonfigurierung räumlicher und sozialer Verhältnisse. In diesem Zusammenhang verlor im Laufe der 1970er Jahre die fordistisch-tayloristische Betriebsweise an Gestaltungskraft. Dadurch veränderten sich auch die Arbeitsorganisation, die Akkumulationsstrukturen und die politisch bestimmten Regulationsformen. Die verschärfte Konkurrenz erfasste nahezu alle gesellschaftlichen Bereiche. Schon Marx und Engels problematisierten vor über hundert Jahren in ihren Schriften den Begriff des „Weltmarktes“ und beschrieben den Kapitalexport und das weltweite Agieren des Kapitals. So stellten sie fest, dass die Bourgeoisie durch ihre Exploitation des Weltmarkts die Produktion und Konsumtion 26 aller Länder kosmopolitisch gestaltet hat: „Sie hat zum großen Bedauern der Reaktionäre den nationalen Boden der Industrie unter den Füßen weggezogen. Die uralten nationalen Industrien (...) werden verdrängt durch neue Industrien, deren Einführung eine Lebensfrage für alle zivilisierten Nationen wird, durch Industrien, die nicht mehr einheimische Rohstoffe, sondern den entlegensten Zonen angehörige Rohstoffe verarbeiten und deren Fabrikate nicht nur im Lande selbst, sondern in allen Weltteilen zugleich verbraucht werden. (...) An die Stelle der alten lokalen und nationalen Selbstgenügsamkeit und Abgeschlossenheit tritt ein allseitiger Verkehr, eine allseitige Abhängigkeit der Nationen voneinander. Und wie in der materiellen, so auch in der geistigen Produktion. Die geistigen Erzeugnisse der einzelnen Nationen werden Gemeingut (...) und aus den vielen nationalen und lokalen Literaturen bildet sich eine Weltliteratur.“ (Marx/Engels 1974; 466). Für Marx ist die Entwicklung des Welt- marktes die Voraussetzung sowie Resultat der kapitalistischen Entwicklung. Er entstand im 16. Jahrhundert und entwickelte sich schrittweise mit der großen Industrie und den modernen Transport- und Kommunikationsmitteln im 19. Jahrhundert. (vgl. Marx/ Engels 1969; 56ff). Gestützt auf die Marxsche Theorie kann also die Globalisierung als notwendige Imp- likation des mit der kapitalistischen Produktionsweise verbundenen, über alle nationalen Grenzen hinweg strebenden Imperativs der Kapitalakkumulation begriffen werden. Ähnlich wie Marx und Engels einer bestimmten Stufe von Produktivkraftentwicklung eine bestimmte Produktionsweise zugeordnet hatten und bei Veränderung der materiellen ökonomischen Grundlagen von einer „Sprengung“ der Produktionsver- hältnisse ausgegangen waren, bewerten die Regulationstheoretiker die Krise des „Fordismus“ als „Widerspruch zwischen einer sich verfestigenden, durch spezifische Klassenrelationen, gesellschaftlich-politische Institutionen, Interessenorganisationen und ‚Werte‘ gekennzeichneten Struktur der Gesellschaftsformation und den (sich ver- ändernden) Verwertungserfordernissen des Kapitals“ (Hirsch/Roth 1986; 36). Demzu- folge unterscheiden Elmar Altvater und Birgit Mahnkopf in ihrer umfassenden Globalisierungsanalyse „Grenzen der Globalisierung. Ökonomie, Ökologie und Politik in der Weltgesellschaft“ im Wesentlichen fünf politisch-ökonomische Dimensionen des Globalisierungsprozesses: 1. Das rasche Wachstum des Welthandels, wobei der Handel sich in erster Linie auf die hochentwickelten Volkswirtschaften konzentriert. 2. Der Anstieg der Auslandsdirektinvestitionen, welches die erhöhte Mobilität des Kapitals belegt. Auch hier konzentriert sich die Kapitalbewegung vorwiegend auf die hochentwickelten Staaten. 27 3. Die explosionsartige Zunahme der Geld- und Kapitalströme auf den inter- nationalen Finanzmärkten 4. Die Möglichkeit der dezentralen, weltweit vernetzen Produktion, durch die neuen Technologien 5. Mit der Internationalisierung des produktiven und des Geldkapitals verändert sich die Rolle der Nationalökonomien/-staaten, wodurch ein starker Souveränitätsverlust befürchtet wird (vgl. Altvater/Mahnkopf 1997; 246ff). Im Zuge dieses Prozesses besteht die Logik der aktuellen Globalisierung darin, dass sie es dem internationalen Kapital ermöglicht, unterschiedliche Produktionsbedingungen, d.h. unterschiedliche Gesellschaftstypen flexibel auszunutzen und sie im Rahmen global organisierter Produktionsprozesse miteinander zu kombinieren. (vgl. Hirsch 1998; 49). Durch die Standardisierung aller Teilbereiche der Produktion (z.B. Konstruktion, Teilfertigung, Marketing, Entwicklung usw.), wird es möglich, einzelne Fertigungsteile unabhängig voneinander herzustellen und dann in einem Endprozess wieder zusammen- zufügen. Das System der dezentralen Produktion ermöglicht es den Unternehmen überall auf der Welt Produktionsorte nach den optimalsten Bedingungen für jeweils einen Produktionsvorgang auszusuchen und sowohl die Vorteile von infrastrukturell hochentwickelten Regionen als auch von Billiglohngebieten auszunutzen. Vor allem die technischen Fortschritte im Transport- und Kommunikationsbereich förderten diese Option. Die Transportkosten und die zur Raumüberwindung notwendige Zeit auf der einen Seite und die Kommunikationskosten und -geschwindigkeiten auf der anderen Seite sanken rapide (vgl. Altvater /Mahnkopf 1997; 217ff.). Somit begann der Aufstieg der ,,Global Player“. Schätzungsweise sind heute rund 40.000 Unternehmen trans- nationale Konzerne, die über ein weltweites Netz von Tochtergesellschaften, Beteili- gungsverhältnissen oder Schwesterfirmen verfügen (vgl. Schneider 1997; 165). Dabei bilden vor allem die technologischen Innovationen die Basis einer ökonomischen Veränderung, die im Kern eine massive Deregulierung des Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehrs und die Internationalisierung der Produktion beinhalten, was auch als Neoliberalismus beschrieben wird. Um diese neue Dimension zu beschreiben, kann also weit ausgeholt und die unter- schiedlichen Phasen des Weltmarktes, die Entwicklungsstadien des Kapitalismus und deren Folgen bilanziert werden. Erst dann wird deutlich, dass das Primat des Marktes eines der Wesensmerkmale des Kapitalismus darstellt und erst dadurch eine neue Aus- drucksform erhielt, die als wesentlicher Hintergrund der Globalisierung anzusehen ist. Diese historischen und unterschiedlichen Entwicklungsstadien, die sich auch als Taylorismus, Fordismus, Toyotismus, Posttaylorismus bzw. Postfordismus beschreiben 28 lassen, ließen sich durch unterschiedliche Produktions- und Reproduktionsformen kennzeichnen. Denn eine genauere Auseinandersetzung mit der gegenwärtigen Entwicklung zeigt einen grundlegenden Wandel in der etwa 170jährigen Geschichte des industriellen Kapitalismus. Diese Entwicklung ergibt sich aus der Logik der kapitalistischen Steuerung und ist ihrem Wesen nach das Grundmuster jeder kapitalistischen Entwicklung. Gerade seit Mitte der 1970er befinden sich die „gewohnten Bewegungsabläufe“ in einer tiefen Änderung. Diese neuen Phänomene werden zum größten Teil mit der „Krise des Fordismus“ und mit dem „Übergang vom Fordismus zum Postfordismus“ gekennzeichnet und sind gleichzeitig Zeichen eines Strukturbruches in der längerfristigen Entwicklung der kapitalistischen Gesellschaften. Der Umbruch begann mit der Krise des Fordismus. Mitte der 1960er Jahre begann sich abzuzeichnen, dass das bisherige System der Kapitalverwertung in eine Krise geriet. Einerseits stiegen die Profite der Unternehmen immer langsamer, andererseits begann sich die Massenarbeitslosigkeit nach den Wirtschaftkrisen in den Jahren 1967/68 und 1973/74 in allen westlichen Industriestaaten auszubreiten. Die herkömmlichen Rationalisierungsstrategien und die beständige Erhöhung des Ausstoßes der Produktion waren an ihre Grenzen gestoßen. Einen starken Einfluss hatten dabei einerseits die zunehmende Sättigung der Märkte, und anderseits eine wachsende Unzufriedenheit der Beschäftigten über die sich verstärkende Monotonie der Arbeit. Im Kern umfasste der Fordismus die Durchrationalisierung und Teilung des Arbeits- prozesses durch tayloristische Maßnahmen, Massenproduktion durch den Einsatz von Fließbändern und in Folge davon eine massive Produktivitätssteigerung. Mit Hilfe hoher Akkordlöhne konnte die Steigerung der Nachfrage und die Etablierung eines Massenkonsummodells erreicht werden (vgl. Hirsch 1995; 75-83). Jedoch traten Mitte der 1960er bis Ende der 1970er Jahre die Widersprüche des Fordismus deutlich hervor, worauf eine gesellschaftliche Krise einsetzte. Dabei spielten, neben den oben dargestellten Gründen, der Internationalisierung der Produktion, das Erreichen organisa- torischer, physischer und psychischer Grenzen der tayloristischen Produktionsweise sowie eine ideologische und staatliche Krise große Rolle. Die monotone Fabrikarbeit wurde als immer entfremdender entfunden und die betrieblichen Arbeitsbeziehungen wurden von den Beschäftigten in Frage gestellt. Die Beschäftigten erlebten die Fabrik- arbeit als eine sinnentleerte Arbeitswelt, in der sie als mit besonderen Fähigkeiten, Wünschen und Bedürfnissen ausgestattete Individuen nicht vorkamen. Einzig die Erfüllung vorgegebener, auf wenige Arbeitsschritte beschränkter Planvorgaben wurde von ihnen verlangt. Gleichzeitig führten die Reibungsverluste innerhalb der bürokratisierten Anweisungs- ketten zur Demotivation, zu einem fehlenden Interesse, sich über den zugewiesenen 29 Arbeitsbereich hinaus im Betrieb zu engagieren. Des weiteren stieg durch die voran- schreitende Automation die organische Zusammensetzung des Kapitals immer weiter an, wodurch eine Krise der Wertproduktion einsetzte, da keine ausreichenden Gegen- maßnahmen organisiert werden konnten, die das Fallen der Profitraten ausglichen. Auch national schienen die Produktivitätsreserven erschöpft und dieser Mangel schwächte das Wachstum. Die binnenmarktorientierte Wirtschaftspolitik wurde durch die zunehmende Verschiebung zum Weltmarkt, unterstützt durch die Deregulierung der Finanzmärkte, unterminiert. Es trat eine neoliberale Wende ein, die die Pfeiler des Fordismus endgültig brachen. Folge war, dass die charakteristischen Massenfabriken nach und nach ver- schwanden und der post-industriellen Produktionsweise weichen mussten. Im Zuge der Krise des Fordismus ergab sich hinsichtlich der Produktionsweise das, was heute vielfach als Übergang zum Postfordismus bezeichnet wird. Die heutigen betriebs- wirtschaftlichen sowie gesellschaftlichen Veränderungen sind also vielfach Folge einer Wende, die zu Restrukturierungsmaßnahmen geführt hat, von denen man sich erhoffte, dass der Krise ein Ende gesetzt werden kann. Die Arbeitgeberseite war auf der Suche nach neuen Konzepten, die durch Reorganisa- tion der Produktion die Ankurbelung der Profiterwirtschaftung zum Ziel hatten. Fündig wurde man in einem Land, das vom Rückgang des Wirtschaftswachstums und Massen- arbeitslosigkeit scheinbar kaum betroffen war, nämlich in Japan. In Japan existierte bereits seit dem Ende des zweiten Weltkrieges eine Produktionsweise, die von Toyoda und Ohno entwickelt, zuerst in Produktionsorten des Automobilherstellers Toyota Fabrik und anschließend (zumindest) in den Großunternehmen großflächig eingeführt wurde. Besonderes Merkmal dieser Produktionsorganisation nach dem toyotistischen Modell war der Übergang vom fordistischen Modell zu einem Modell der flexiblen, de- zentralisierten und schlanken Fertigung. Mit der Reorganisation von Planung, Arbeits- vorbereitung und Qualitätskontrolle in den Fertigungsablauf und der Produktions- organisation in Gruppen hofften die Unternehmen die Intensität sowie Monotonie der Arbeitsteilung zu reduzieren. Zudem sollte durch eine intensive und fertigungsbe- gleitende Verbesserung des Produktionsprozesses eine Verringerung der Stillstands- zeiten erreicht werden. Hauptziel dieses Modells ist es, durch die verstärkte Nutzung der Kreativitätspotenziale der Beschäftigten die Produktionsabläufe und -strukturen zu entschlacken und dadurch eine Erhöhung des bis dato gesunkenen Produktivitäts- wachstums zu ermöglichen. Eine wichtige Grundlage für die Durchsetzung der neuen Produktionsformen bildeten die neuen Informations-, Kommunikations- und Transporttechnologien. Mit dem Fortschreiten der Mikroelektronik war die Basis für immer komplexere Systeme der Prozessautomatisierung und Datenverarbeitung geschaffen. Die monotonen Arbeits- 30 abläufe der tayloristischen sowie fordistischen Fließfertigung konnten mit der techno- logischen Entwicklung schrittweise durch Automaten und Roboter ersetzt werden. Hochmoderne Werkzeugmaschinen und Produktionsanlagen ermöglichen eine kurz- fristige Umstellung der Produktion und damit eine flexiblere und termingerechte Herstellung von den detaillierten Wünschen des Kunden entsprechenden Produkten. Hochmoderne EDV-Anlagen erhöhten die Produktivität der Marketings-, Logistik-, und weiteren Verwaltungsabteilungen und bildeten zusammen mit den neuen Möglichkeiten der Datenübertragung die Voraussetzung für das System der Lean Production. Die mikroelektronische Revolution leitete eine neue Entwicklungsphase der kapitalistischen Gesellschaftsformation ein. Information in ihrer systematisierten, organisierten und integrierten Form des Wissens wird heute zu einer immer wichtigeren Produktivkraft. Mit der Verwissenschaftlichung der Produktion und der immer stärkeren Zunahme der Bedeutung der Produktivkraft Wissen werden wissenschaftliche Vorleistungen der Produktion, die Schaffung von Know-How durch Forschung und die Ausbildung qualifizierter Menschen immer wichtiger. Diese Veränderungen der Produktionsstrukturen und der Arbeitsorganisation haben natürlich Auswirkungen auf die Arbeitsverhältnisse sowie Arbeitszeiten (vgl. Abb. 1). Abb.1: Merkmale des Überganges vom Fordismus zum Postfordismus Fordismus Postfordismus Ab 1909 Ab 1970 soziale Marktwirtschaft freie Marktwirtschaft Massenproduktion Lean Production Massenabsatz, Wachstum (zunehmende Massenkaufkraft, hohe Staatsquote) stagnierender Absatz (abnehmende Massenkaufkraft, überschuldeter Staat) geregelte Arbeitszeiten, gesicherte Beschäftigung räumliche und zeitliche Flexibilisierung der Arbeit, prekäre Beschäftigungsverhältnisse soziale Sicherheit Prekarisierung, Risikogesellschaft Reallohnerhöhung (produktivitätsorientiert) Reallohnsenkung (inflationsorientiert) Nachfragepolitik Angebotspolitik Sozialstaat Nationaler Wettbewerbsstaat Dominanz des Binnenmarktes Dominanz des Weltmarktes Eigene Erstellung 31 Die traditionellen Arbeits- sowie Arbeitszeitmodelle werden durch neue Modelle ersetzt bzw. ergänzt, die eine optimale Nutzung der Betriebs- und Maschinenlaufzeiten sowie eine effektivere Ausnutzung der Arbeitsvermögen ermöglichen. Zudem wird eine immense Flexibilisierung der Arbeits-, Betriebs- und Verfügbarkeitszeiten erreicht, indem diese dem Auslastungsgrad der Maschinen angepasst werden. In Zeiten großer Nachfrage werden mit Hilfe von Arbeitszeitkonten Überstunden geleistet, ohne die ent- sprechenden Zuschläge dafür zu bezahlen, die dann in Zeiten schlechter Auslastung abgebummelt werden können bzw. müssen. Das Ergebnis ist eine bedeutende Ein- sparung für die Unternehmen einmal durch die wegfallenden Zuschläge und ein zweites Mal durch die Senkung der Leerlaufzeiten. Dadurch werden die klassischen Formen von Arbeitszeiten wie Nacht-, Schicht- Wochenendarbeit, Gleitzeit etc., in unterschied- licher Weise berührt und umstrukturiert sowie durch neue Modelle ergänzt. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die postfordistische Globalisierung im Zu- sammenhang mit der Krise des Fordismus und dem Übergang zu Postfordismus und Neoliberalismus gesehen werden muss. Dabei ist auch zu vermerken, dass die postfor- distische Produktionsform, die mit kommunikationstechnischen Innovationen Mitte der 1970er Jahre eingeleitet wurde, nicht eindeutig definierbar, sondern geradezu von der Vielfalt ihrer Umsetzungsformen gekennzeichnet ist, weil dabei Unternehmensgrößen, Entwicklungen in verschiedenen Branchen und Zweigen etc. auf diese Entwicklung unterschiedliche Auswirkungen haben. Ein Meilenstein war jedoch - wie für den Fordismus die neue Produktionsform in den Fordwerken - diesmal die Umstellung der Produktionsformen bei Toyota. Die postfordistische Globalisierung umfasst auch die Deregulierung von nationalen Schranken wie Schutzzöllen und Steuern sowie von sozialen Sicherungssystemen. Wird die postfordistische Globalisierung im Kontext der Einheit eines Akkumulations- und Regulationsmodells erfasst, so bezeichnet sie heute nicht eine Zunahme des internationalen Warenhandels, sondern vor allem die Schaffung „neuer“ Rahmenbedingungen (die im Abschnitt 1.5. ausführlich behandelt wird) für die Verwertungsprozesse des Kapitals in der Form des zunehmenden Abbaus von institutio- nellen Schranken und Grenzen dieser Prozesse sowie die Internationalisierung des Kapitalverhältnisses, die sich als Konzentrierung auf die drei großen Wirtschafts- regionen Europa, USA und Südostasien des Welthandels und des Kapitalexports in Form ausländischer Direktinvestitionen zeigt. Das Ziel dieser Maßnahmen sind Produktivitätssteigerungen im Interesse der Profit- maximierung. Der verstärkte gesellschaftliche und wirtschaftliche Strukturwandel hat seitdem zu einer grundlegenden Reorganisation betrieblicher Handlungsabläufe sowie Arbeits- und Betriebszeiten geführt. Dieser Veränderungsprozess lässt sich als Weg von einer funktions- und berufsbezogenen hin zu einer prozessorientierten Betriebs- und 32 Arbeitsorganisation charakterisieren. Die Intensivierung und Verstetigung des Wett- bewerbs in der dezentralisierten Unternehmensorganisation ist der entscheidende Anreiz für immer neue Anstrengungen zur Rationalisierung und Kostensenkung, die sich auf die gesamte Wertschöpfungskette, auf die Organisationsstruktur der Unternehmen erstrecken. Somit entsteht eine „flexible Arbeitsweise“, die sich gleich mehrfach der fordistischen Massenproduktion überlegen zeigt. Zum einen garantieren flexible Beschäftigungsverhältnisse mehr Profitabilität auch bei wechselnden Konjunkturlagen und zum anderen bildet sich ein neues Zeit- und Leistungsregime heraus. 1.3. Begriff und Bedeutung der Arbeitszeitflexibilisierung Die Diskussion über die Erosion des Normalarbeitsverhältnisses und die Flexibi- lisierung von Arbeitsverhältnissen und Arbeitszeiten im wissenschaftlichen und im politischen Diskurs sind meist in eine Diskussion über den Zustand und die Zukunft der kapitalistischen Produktionsweisen eingebettet. Beeinflusst von dieser Entwicklung spielt vor allem seit dem Tarifabschluss im Jahr 1984 in der sozial-, und wirtschafts- wissenschaftlichen Literatur die Arbeitszeitflexibilisierung eine dominierende Rolle. Bei der Beantwortung der Frage, was Arbeitszeitflexibilisierung bzw. ein flexibles Arbeitszeitmodell bedeutet, unterscheiden sich die Meinungen. Während die einen unter flexibler Arbeitszeit alles verstehen, was von der normalen Regelarbeitszeit abweicht, also beispielsweise auch Schicht- oder Nachtarbeit, fassen andere den Begriff wesent- lich enger und sprechen nur dann von Flexibilität, wenn die geleisteten Stundenzahlen monatlich, wöchentlich oder gar täglich differieren; und die Dritte wiederum sehen Flexibilität nur dann als gegeben an, wenn auch der Arbeitnehmer Einfluss auf seinen Arbeitseinsatz nehmen kann. Unter Arbeitszeit wird gemäß § 2 ArbZG die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen verstanden. In diesem Zeitraum stellt der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft zur Verfügung. Bauer und Schilling bezeichnen eine „Normalarbeitszeit“ als eine „Vollzeitbeschäftigung entsprechende Arbeitszeit von 35 bis 40 Stunden, die sich auf 5 Wochentage verteilt, in der Regel von montags bis freitags ausgeübt wird und in der Lage nicht variiert“ (Bauer/Schilling 1994; 12). Aus- gehend von dieser Definition können alle Arbeitszeiten, die von oben beschriebener Definition abweichen, als flexible Arbeitszeiten bezeichnet werden. In dieser Studie wird unter dem Begriff „Arbeitszeitflexibilisierung“ also ein recht einfacher Tatbestand verstanden: Im Grunde genommen zielt die Arbeitszeitflexibilisierung darauf ab, die Arbeitskraft der Beschäftigten zeitlich nur dann zu nutzen bzw. einzusetzen, wenn sie 33 betrieblich benötigt wird (vgl. Brandt/Kunz 1995; 8). Horst Wildemann verweist hier auf die Bedeutung des Faktors Zeit, indem er festhält: „Der Faktor Zeit wurde vor allem eingesetzt, um die Produktivität an den einzelnen Arbeitsplätzen zu erhöhen. Im Vordergrund stand die Beschleunigung der Bearbeitungszeiten, die intensive Nutzung der Zeitdisparitäten einzelner Arbeitsschritte.“ (Wildemann, 1992; 15). In der Literatur hat sich trotz dieses einfachen Tatbestandes keine einheitliche Definition durchgesetzt, welche die “Arbeitszeitflexibilisierung” einheitlich beschreibt. Einige Autoren verstehen unter Arbeitszeitflexibilisierung alle Abweichungen von einer Normalarbeitszeit, andere subsumieren unter den Begriff lediglich die Formen der Arbeitszeitgestaltung, die die Betriebszeiten von den individuellen Arbeitszeiten ent- koppeln. Manche Definitionen wiederum sind sehr allgemein gehalten: Wenn Dauer, Lage, Ort und Verteilung der Arbeitszeiten festgelegt sind, wird von einem starren Arbeitszeitsystem gesprochen. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass alle Komponenten weder durch Arbeitgeber noch durch Arbeitnehmer einseitig oder beidseitig veränderbar sind. Die Struktur und Veränderung der Arbeitszeit wird demzufolge durch die Komponenten Dauer (Chronometrie), Lage (Chronologie), Ver- teilung und Ort bestimmt und beinhaltet im Wesentlichen 3 Stossrichtungen: 1. Variierung der Betriebszeit als Summe der individuellen Arbeitszeiten 2. Entkoppelung der Betriebszeit von den individuellen Arbeitszeiten 3. Intensivierung der Nutzung von Betriebs- und Individualarbeitszeiten Bei den flexiblen Arbeitszeitsystemen handelt es sich also um Arbeitszeitmodelle, bei denen mindestens eine der o.g. Komponenten verändert ist. D.h. die Arbeitszeiten sind für eine Veränderung offen. Dabei können die Lage, die Dauer, der Ort und die Verteilung der Arbeitszeit verändert werden. Die Dauer der Arbeitszeiten kann erst dann flexibilisiert werden, wenn die tatsächliche Arbeitszeit weder vertraglich noch gesetzlich festgelegt ist und pro Zeitraum mit Bestimmung der Oben- und Untergrenzen verändert werden kann. Demzufolge kann eine Flexibilisierung der Arbeitszeit chrono- logisch folgen. Die Arbeitszeit kann innerhalb eines Tages, einer Woche und eines Jahres oder auch darüber hinaus (z.B. Lebensarbeitszeit) verändert werden. Eine Flexi- bilisierung kann auch über die Verteilung der Arbeitszeit stattfinden. Seifert verweist darauf, dass der Trend zur Flexibilisierung der Arbeitszeiten durch zwei Strömungen bestimmt wird, die das traditionelle Muster der Normalarbeitszeit ablösen: „Zum einen wächst der Anteil der Schicht-, Nacht- und Wochenendarbeit. Das Szenario einer Rund- um-die-Uhr-Gesellschaft gewinnt an Kontur. Zum anderen ersetzen variable Arbeits- zeitmuster das bislang dominierende Modell der Normalarbeitszeit, das eine eher gleichförmige Verteilung der Arbeitszeit vorsieht. Insbesondere Zeitkonten dienen als 34 Vehikel für den umfassenden Modellwechsel. Je nach Bedarf erlauben sie eine ungleichmäßige Verteilung der täglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit.“ (Seifert 1999; 159f). So wird die Arbeitszeit ungleichmäßig über Tage, Wochen oder das Jahr je nach Interessenlage verteilt. Auch die Veränderung des Ortes ist für die Flexibilisierung der Arbeitszeit bestimmend. Am Beispiel der Telearbeit oder Heimarbeit wird diese Art der Flexibilisierung deutlich. Durch vielfältige Variationen und Kombinationen der Komponenten entstehen dann unterschiedliche Arbeitszeitmodelle. Die Entwicklungs- richtung der flexiblen Arbeitszeiten ist in hohem Maße von arbeitsorganisatorischen Bedingungen beeinflussbar und gestaltbar. Bei der Entwicklung neuer Arbeitszeit- systeme lassen sich folgende typische Merkmale beobachten:  Verlängerung von Öffnungs- und Betriebszeiten  Entkoppelung von Arbeits-, Betriebs- und Öffnungszeiten sowie von Arbeits- und Betriebstagen  differenzierte Arbeitszeiten für verschiedene Beschäftigtengruppen  die Arbeitsdauer wird je nach Bedarf eines Unternehmens über das Jahr oder über einen mehrjährigen Zeitraum verteilt  zusätzliche Vergütung für die Überschreitung der vereinbarten Arbeitsdauer wird nicht oder nur unter einschränkenden Bedingungen vergütet  die Arbeitszeit wird in „unsoziale“ Zeiten wie die Nacht oder das Wochenende ausgedehnt, mit der Absicht das Wochenende zum Bestandteil der Regel- arbeitszeit zu machen.  unterschiedliche Arbeitszeiten werden mit unterschiedlichen Beschäftigungs- formen miteinander kombiniert: z.B. Vollzeit und Teilzeit, Leiharbeit oder Telearbeit (vgl. Lehndorff 1998; 5). Systematisiert man die sich herausbildenden neuen Formen der Arbeitszeitorganisation nach den ihnen zugrunde liegenden Unternehmensinteressen, so werden die Grundtypen unterschieden zwischen:  Arbeitszeitmodellen, die der Verlängerung der Öffnungs- und Betriebszeiten dienen (z.B. Schichtsysteme, die auf unterschiedliche Weise Arbeits- und Betriebszeiten voneinander entkoppeln).  Formen einer Flexibilisierung der Betriebszeiten. Hier besteht der grundlegende methodische Ansatz in der Erhöhung der zeitlichen Flexibilität durch verschiedene Formen variabler Arbeitszeiten. Diese wiederum können danach unterschieden werden, wer die Kontrolle der Arbeitszeitveränderungen ausübt: 35 (z.B. Teilzeitarbeit, Leiharbeit und befristete Verträge, mit deren Hilfe rasch fluktuierende Besetzungsstärken ermöglicht werden). (vgl. ebenda; 6) Diese Grundtypen der Arbeitszeitmodelle sind auf verschiedene Zeithorizonte bezogen möglich. Es bieten sich Regelungen an auf der Basis von:  Lebensarbeitszeit (Rentenalter, Langzeiturlaub, evtl. Anzahl Arbeitstage)  Jahresarbeitszeit (Anzahl Urlaubs- bzw. Arbeitstage oder Arbeitsstunden)  Monatsarbeitszeit (Anzahl Arbeitstage oder -stunden)  Wochenarbeitszeit (Anzahl Arbeitstage oder -stunden)  Tagesarbeitszeit (Anzahl Arbeitsstunden) Wird die Arbeitszeitflexibilisierung im Zusammenhang mit ökonomischen, gesell- schaftlichen und soziokulturellen Veränderungen betrachtet, so kann festgehalten werden, dass die Arbeitszeitflexibilisierung kein Selbstzweck ist, sondern als ein Instrument zur Erreichung eines bestimmten Zieles betrachtet werden muss. Denn der einheitliche Arbeitstag, an dem die Beschäftigten kollektiv ihre Arbeitskraft zu Markte tragen und hinterher gemeinsam die Fabrik verlassen, verschwindet immer mehr aus der gesellschaftlichen Realität. Einheitliche betriebliche Normalarbeitszeiten mit kollek- tivem Beginn und Ende über 5 Arbeitstage der Woche haben in den vergangenen Jahrzehnten enorm an Bedeutung verloren. Die neuen betrieblichen Arbeitszeitprozesse überschreiten in zunehmendem Maße die Grenzen des individuellen Arbeitstages und die Kapazitätsauslastung wird durch Entkoppelung von Arbeits- und Betriebszeiten, durch versetzte Arbeitszeiten und durch Einführung und Ausweitung von Schichtarbeit sichergestellt. Nach Kurz-Scherf lässt sich die aktuelle Entwicklung bei der Ver- änderung der Arbeitszeiten in fünf Dynamiken zusammenfassen:  „Verlängerung der Betriebszeiten, die sich entweder in einer Verlängerung der Arbeitszeit oder in der Entkopplung von Arbeits- und Betriebszeiten ausdrückt;  Variierung der Arbeitszeiten im Rahmen neuer Produktionskonzepte und Techniken, die sich stärker an Schwankungen von Beschaffungs- und Absatz- märkten orientieren;  neue Konzepte der Betriebsorganisation, die zu kleineren Organisationseinheiten mit entsprechenden Arbeitszeitmustern führen;  durch die Ausweitung der Dienstleistungsbeschäftigung werden atypische Arbeitszeiten immer stärker eingefordert;  durch Modelle von Heim- und Telearbeit und Verselbständigung von Arbeits- formen lösen sich Arbeitszeiten zunehmend auf“ (Kurz-Scherf 1995; 175). 36 1.4. Die neuen Arbeitszeitregelungen-, und Modelle Aus den vorherigen Ausführungen geht deutlich hervor, dass die heutige Arbeitswelt von einer Auflösung der normalen zeitlichen Struktur des Arbeitstages, der Arbeits- woche, des Arbeitslebens geprägt ist. Neben allgemeinen Trends gibt es große branchenspezifische Differenzen in der Arbeitszeitgestaltung. Bei der Einführung von flexiblen Arbeitszeiten bzw. Modellen wird darauf geachtet, dass sie auf die speziellen Bedürfnisse eines Betriebes bzw. Unternehmens fokussiert sind. Zusammengefasst beinhalten die neuen Modelle folgende Ziele:  Erhöhung der Betriebszeit und Verbesserung der Nutzungsdauer der Betriebs- mittel durch variable und individuelle Arbeitszeitregelungen.  Bessere Anpassung an zeitliche Nachfrageschwankungen durch arbeitsanfall- orientierte Arbeitszeitregelungen.  Steigerung der qualitativen sowie quantitativen Leistung der Beschäftigten durch individuelle und mitarbeiterorientierte Arbeitszeitregelungen.  Höhere Aktivität auf Arbeitsmärkten und damit bessere Ausstattung mit quali- fizierten Beschäftigten. Um den vielfältigen Zielen gerecht zu werden, wird eine effiziente Gestaltung von Arbeitszeiten sowie eine permanente Orientierung an den sich verändernden Markt- und Kundenanforderungen empfohlen. Die Grundlage hierfür soll die je nach Auftragslage nötige flexiblere Organisation der Arbeitszeit stellen. In einer von der Landes-Gewerbe- förderungsstelle des nordrhein-westfälischen Handwerks e.V. (LGH) veröffentlichte Broschüre wurden die Vorteile und Ziele wie folgt dargestellt:  „Sinkende Leerkosten: Betriebswirtschaftlich betrachtet entstehen durch kurze Betriebsnutzungszeiten sogenannte Leerkosten. Die Höhe der Leerkosten entspricht den fehlenden Erlösen, die ein Unternehmen aufgrund der unzureichenden Nutzung der Anlagen nicht erzielen kann. Bei Ausweitung der betrieblichen Nutzungszeiten wird zumindest ein Teil dieser Erlöse realisiert. Die Leerkosten gehen entsprechend zurück.  Abnehmende Stückkosten: Bei steigender Gesamtausbringung aufgrund gestreckter Betriebszeiten lassen sich im Regelfall allein aufgrund der sinkenden Fixkosten pro Stück erhöhte Gewinnmargen realisieren. Dieser Effekt tritt auch dann ein, wenn die Gesamtkosten des Unternehmens absolut gesehen ansteigen. Es muss lediglich gewährleistet sein, dass sich für eine erhöhte Kapazität auch entsprechende Nachfrage am Markt findet. 37  Bessere Nachfrageorientierung: Flexible Arbeitszeiten schaffen die Möglichkeit für eine weitergehende Anpassung von Unternehmen an das spezifische Nachfrageverhalten ihrer Kunden. Das gilt sowohl für den Wunsch der Verbraucher nach längeren Ladenöffnungs- und Servicezeiten als auch für die von vielen industriellen Kunden geforderte produktions-synchrone Bereit- stellung von Zulieferprodukten aller Art.  Weniger Mehrarbeitszuschläge: Aus unternehmerischer Sicht stellt die bei starren Arbeitszeiten häufig unvermeidbare Zahlung von Mehrarbeitszuschlägen eine im Wettbewerbsprozess gerade auf schwierigen Märkten kaum zu verkraftende Belastung der Kostensituation dar. Die in der Praxis erprobten Modelle der Arbeitszeitflexibilisierung bieten zumeist Spielraum für eine Vermeidung solcher Zuschläge und wirken entsprechend kostensenkend.  Mehr Arbeitszeitsouveränität: Neben qualifizierten Arbeitsinhalten wünschen sich gerade junge und besser qualifizierte Mitarbeiter an ihrem Arbeitsplatz auch und vor allem ein großes Maß an Arbeitszeitsouveränität, die ihnen die Möglichkeit gibt, Arbeitsphasen und arbeitsfreie Phasen so zu planen, dass privaten Bedürfnissen ausreichend Rechnung getragen werden kann. Dies ist im Rahmen flexibler Arbeitszeiten verstärkt möglich.  Erhöhte Mitarbeitermotivation: Innovative Arbeitszeitgestaltung, die den unter-schiedlichen Bedürfnissen unterschiedlicher Mitarbeiter gerecht wird, bedingt in der Organisation betrieblicher Abläufe oft zusätzliche Freiräume. Damit gehen positive Wirkungen auf die Mitarbeiterzufriedenheit und Mitar- beitermotivation einher. Die Attraktivität des Unternehmens am Arbeitsmarkt wird dadurch nachhaltig gesteigert“ (LGH 2002; 3). Unter Berücksichtigung dieser Rahmenbedingungen konzentrieren sich die neuen Modelle und Konzepte auf die effiziente Einführung und Benutzung von Arbeits- zeitkonten sowie Ausdehnung der Arbeits-, und Betriebszeiten auf Wochenende. Auf der Unternehmensseite werden diese „reguläre“ Samstag- und Sonntagsarbeit und die Arbeitszeitkonten als Schlüssel zu mehr Flexibilität und Mehrbeschäftigung gesehen. Demzufolge ist die bedeutendste Änderung gegenüber anderen Formen die Einführung von Arbeitszeitkonten. Laut der Studie „Arbeits- und Betriebszeiten 2001“ führten 29% aller Betriebe und 82% aller Großbetriebe Arbeitszeitkonten ein. So versuchen die Unternehmen flexibel auf schwankende Auftragslagen zu reagieren. Interessant ist zudem, dass vor allem in Kleinbetrieben häufig weder Ausgleichszeitraum noch Obergrenze von Zeitguthaben vereinbart sind. Seifert stellt in diesem Sinne fest, dass 38 während die traditionelle Normalarbeitszeit Abweichungen von einer nahezu standardisierten täglichen oder wöchentlichen Arbeitszeitdauer nur als Ausnahmen im Rahmen von Überstunden und Kurzarbeit zulässt, die neuen Modelle die variable Verteilung einer individuell, tariflich oder gesetzlich vereinbarten Regelarbeitszeit zum Normalfall macht (vgl. Seifert 1999; 5). Durch Existenz von verschiedenen Arbeitszeitkontenmodellen wird die Regelarbeitszeit monatlich, jährlich oder über noch längere Ausgleichszeiträume noch flexibler geregelt. Für die Unternehmen bedeuten die Arbeitszeitkonten erhebliche Produktivitäts- und Kostenvorteile. Der entscheidende Punkt dabei ist, dass die Differenzen von der durch- schnittlichen Regelarbeitszeit auf Arbeitszeitkonten entweder als Zeitguthaben oder als Zeitschulden, ohne Überstunden- und Mehrarbeitzuschläge verbucht werden. Gleich- zeitig erlauben phasenweise verlängerte Arbeitszeiten, kurzfristige Liefertermine ein- zuhalten und schnell auf spontane Marktbewegungen zu reagieren. Dadurch kann auch Kurzarbeit vermieden werden. Die Arbeitszeitkonten bieten ähnlich wie Girokonten den Beschäftigten auch die Möglichkeit der Überziehung. Gerade in Zeiten der Unter- auslastung können die Unternehmen mit Hilfe von Arbeitszeitkonten betriebsspezifisch qualifizierte Kernbelegschaft behalten. Das Arbeitszeitkontensystem besteht aus unterschiedlichen Modellen und soll ja nach speziellen Bedürfnissen des Unternehmens sowie Auftragslage praktiziert werden. Die wichtigsten Modelle sind Ampelmodell, Jahresarbeitszeitmodell, Lebensarbeits- zeitmodell und Baukastenmodell. Bei dem Ampelmodell besteht das Kontenmodell aus drei Phasen, die mit grün, gelb und rot gekennzeichnet sind. Hierbei geht es um das rechtzeitige Erkennen und Handeln von Phasen. In der Phase „Grün“ ist der einzelne Beschäftigte alleine für seine Arbeitszeit verantwortlich. Das bedeutet, dass der Beschäftigte selbst entscheiden soll, wie viele Arbeitsstunden auf seinem Konto ange- sammelt werden. Die Phase „Gelb“ erfordert eine Zusammenarbeit zwischen Arbeit- nehmer und direktem Vorgesetzten. In dieser Phase soll der Arbeitnehmer kontrolliert werden, damit er nicht zu viele Stunden auf dem Konto hat und dadurch seine Flexibilität nicht vermindert wird. Die Phase „Rot“ bedeutet, dass der Vorgesetzte bestimmte Maßnahmen ergreifen soll, damit die Stunden sich durch Freizeitausgleich oder, in den seltensten Fällen, durch Bezahlung wieder in die grüne Phase bewegen. Die Arbeitszeitkonten erlauben also in der Regel Arbeitszeitschwankungen bis zu einer vereinbarten Saldohöchstgrenze ohne Mitbestimmung über Mehrarbeit. Zu Über- stundenanträgen kommt es in vielen Betrieben erst dann, wenn das maximale Guthaben auf dem Arbeitszeitkonto erreicht ist. Faktisch bedeutet dies, dass für Mehrarbeit überwiegend keine Zuschläge mehr bezahlt werden. 39 Ein weiteres Modell ist das Jahresarbeitszeitmodell, das einen 12-monatigen Ausgleichsrahmen für die Arbeitszeitkonten der Beschäftigten vorsieht. Das heißt, dass das Konto einmal im Jahr ausgeglichen wird. Die Jahresarbeitszeitmodelle ermöglichen den Unternehmen auf saisonale sowie unvorsehbare Auftragsspitzen mit Arbeitszeitver- längerungen oder Arbeitszeitverkürzungen ohne zusätzliche Kosten zu reagieren und somit in schwächeren Phasen die Kapazitäten und die Produktion wieder zurück- zufahren. Dadurch können die durchschnittlichen Arbeitszeiten und die auf Zeitkonten gesammelten Stunden im Jahresdurchschnitt mit der tariflich vorgeschriebenen Arbeits- zeit in Einklang gebracht werden. Dieses Modell wird des Öfteren mit dem Ampelmodell kombiniert, damit in Überlastsituationen gegengesteuert werden kann. So soll der Aufbau von großen Zeitbeständen verhindert werden. Eine Erweiterung des Jahresarbeitszeitmodells ist durch Einführung von Lebensarbeitszeitkonten möglich. Die Umsetzung von Lebensarbeitszeitmodellen erfolgt über Langzeitkonten und Zeitsparmodelle, die über ein Jahr hinausgehen und einen Zeithorizont von mehreren Jahren beinhalten. Dadurch sollen dem einzelnen Beschäftigten Flexibilisierungs- möglichkeiten wie Elternzeit, Teilzeit, Fortbildung und Einstieg in den Ruhestand ermöglicht werden. Auch die regelmäßige Wochenendarbeit verbreitet sich immer mehr. Mittlerweile wird auf der Arbeitgeberseite der Samstag bzw. auch der Sonntag als wichtigste Flexibilitätsreserve für kurzfristige Aufträge und Arbeitsrückstände aufgrund von Maschinenstörungen und Personalmangel bewertet. Neben diesen Modellen existiert eine Vielzahl von Arbeitszeitmodellen. Doch trotz der großen Fülle wird hier nur auf die Modelle eingegangen, die sich in der Praxis „bewährt“ haben. Sie sollen als Beispiele dafür dienen, was mit der Einführung von innovativ gehandhabter Arbeitszeit erreicht und bewirkt werden soll. In den einzelnen Modellen wird ersichtlich, dass für die Einführung flexibler Arbeitszeiten gewisse Voraussetzungen gegeben sein müssen. Wendet man den Blick von den theoretischen Überlegungen zu in der Praxis eingesetzten Modellen, so scheinen sich derzeit für den industriellen Sektor folgende Trends abzuzeichnen:  Teilzeitmodelle werden allgemein als flexible Arbeitszeitmodelle eingesetzt. Nach den neusten empirischen Untersuchungen wird mittlerweile zwischen flexiblen und starren Teilzeitmodelle unterschieden. Teilzeitmodelle, die als flexible Modelle definiert werden, unterscheiden sich von starren Modellen, in denen Dauer und Lage der Arbeitszeiten nicht festgeschrieben sind und je nach Bedarf kurz-, und mittelfristig sehr flexibel festgelegt bzw. bestimmt werden. Mittlerweile existieren in der Praxis verschiedene Varianten der Teilzeitarbeit (z.B. Altersteilzeit, Teilzeitarbeit währen der Elternzeit, Job Sharring). Wie die Untersuchungen zeigen, werden Teilzeitmodelle überwiegend von Frauen in 40 Anspruch genommen. Die Teilzeitmodelle bieten den Unternehmen gewisse Vorteile: Bessere Kapazitätsauslastung durch variable Ausweitung der Betriebszeit, bessere Kundenorientierung, Steigerung der Motivation der Mitarbeiter und dadurch Steigerung der Produktivität, Erhaltung qualifizierter Mitarbeiter, bessere Übergang in die Rente usw. Auch für die Beschäftigten bieten die Teilzeitmodelle Vorteile. Die Menschen, die durch familiäre Aufgaben daran gehindert sind eine Vollzeitbeschäftigung auszuüben, können auf Teilzeitmodelle ausweichen.  Gleitzeitregelungen sind eines der klassischsten Arbeitszeitmodelle. Die Gleitzeit findet seit den 60er Jahren - zuerst in der Verwaltung und dann auch in der Produktion - zunehmend Verbreitung. Die Gleitzeit wird als Startmodell für die Abkehr von einer starren zu einer flexiblen Arbeitszeit bezeichnet. Die Gleitzeit ist mit der Möglichkeit ausgestattet dass die Beschäftigten den Beginn und/oder das Ende der Arbeit innerhalb bestimmter Grenzen - unter der Voraussetzung, dass die betrieblichen Arbeitsabläufe nicht gefährdet werden - selbst bestimmen. Bei der Gleitzeitregelung wird die Arbeitszeit unter Kernzeit und Gleitzeit unterteilt. Während der Kernzeit besteht für die Beschäftigten eine Anwesenheitspflicht wobei während der Gleitzeit den Beschäftigten das Recht eingeräumt wird, Arbeitsbeginn, Pausenzeiten und Arbeitsende frei zu wählen. Besondere Merkmale der Gleitzeit ist, dass ein Pünktlichkeitszwang stark eingeschränkt ist. Die Beschäftigten haben die Möglichkeit ihre Arbeitszeiten unter Absprache mit Kollegen innerhalb eines Teams oder einer Abteilung eigenverantwortlich selbst festzulegen. Durch Gleitzeitregelungen sind die Arbeits- und Betriebszeiten entkoppelt und dadurch ist die Ausweitung der Betriebszeit möglich. Die Unternehmen haben somit einen Spielraum, die Arbeitszeiten an den Arbeitsanfall anzupassen und bessere Produktions- ergebnisse bzw. Maschinenauslastungen zu erzielen.  Kapazitätsorientierte variable Arbeitszeit (Kapovaz) gilt als eine Variante der Teilzeit. Besondere Charakteristika der Kapovaz sind, dass die Normal- arbeitszeit je nach Arbeitsanfall variabel zu gestalten ist und die Beschäftigten in Abrufbereitschaft stehen. Diese Form von flexibler Arbeitszeit ist sehr einseitig und wird in der Literatur als sehr asozial bewertet (Vgl. Ergenzinger 1993; 295). Die Dauer der Arbeitszeit wird nur durch die Arbeitgeber bestimmt und der Arbeitseinsatz der Beschäftigten entsteht sehr kurzfristig.  Zusätzliche Flexibilisierung der Arbeitszeiten kann auch durch den Einsatz von Zeitarbeit erreicht werden. Die Zeitarbeit wird besonders bei sehr kurzfristigen Nachfrageschüben eingesetzt. Vorteile der Zeitarbeit sind, dass der kurzfristige 41 Einkauf von Arbeitskräften, der für ein bestimmten Zeitraum erfolgt, zum einen gegenüber der Kernbelegschaft billig ist und zum anderen diese Arbeitskräfte ohne lange Kündigungsfristen wieder aus dem Unternehmen heraustrennbar sind. Zwar wird in weiten Teilen der Arbeitszeitdiskussion der Einsatz von Zeitarbeit als Möglichkeit propagiert, um die Kapazitätsauslastung zu verbessern. Dabei ist jedoch zu beachten, dass Zeitarbeiter aufgrund der häufig wechselnden Positionen keinesfalls die für ein innovatives Unternehmen erforderliche Identifikation mit sich bringen. Bei all diesen Modellen gilt generell der Grundsatz, dass die verschiedenen Modelle miteinander zu kombinieren sind um zu optimalen Lösungen zu führen. Insofern ist verständlich, dass jedes Unternehmen sein eigenes Arbeitszeitmodell unter Einbindung aller Beteiligten konstruieren und dabei teilweise umfassende organisatorische An- passungen an die eigenen betrieblichen Realitäten vornehmen will. So kann jedes Unternehmen Arbeitszeitmuster nach Maß entwerfen, die passgenau auf die betrieblichen Anforderungen zugeschnitten sind. Die Parameter hierbei sind die Ergebnisorientierung und die Kontrolle über die Arbeitszeit, um die Produktionszeiten der Maschinen je nach Kapitaleinsatz zu verlängern und die Arbeitszeitrhythmen an die Markt- bzw. Kundenrhythmen anzupassen. 1.5. Die für die Arbeitszeitflexibilisierung relevanten Rahmenbedingungen Nachdem im Abschnitt 1.4. die in der betrieblichen Praxis zur Anwendung gelangten Arbeitszeitmodelle dargestellt wurden, wird in diesem Abschnitt auf die relevanten Rahmenbedingungen eingegangen, die den Prozess der flexiblen Arbeitszeitgestaltung beeinflussen und gestalten. Im Vordergrund werden insbesondere die technisch-organi- satorischen, wettbewerbsbedingten, beschäftigungspolitischen, soziokulturellen und gesetzlichen Rahmenbedingungen stehen, die wesentlich den Handlungsspielraum der Tarifparteien bestimmen. (Abb. 2). In Frage kommen die zentralen Handlungsfelder Technik, Absatzmarkt, Arbeitsmarkt, Gesellschaft, Betrieb und Rechtsystem, aus denen sich die Flexibilitätsanforderungen sowie Flexibilitätspotenziale ergeben und auf der betrieblichen Ebene umgesetzt werden. Diese Rahmenbedingungen, die sich ständig im Wechselverhältnis unter- einander und zugleich zur Arbeitszeitflexibilisierung befinden, haben wiederum Rück- wirkungen auf betriebliche und gesellschaftliche Entscheidungsfindung und beein- flussen auch indirekt die Handlungsfelder der Unternehmen sowie Gewerkschaften. Somit stehen im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen auch die Aus-, Rück und 42 Wechselwirkungen der technisch-organisatorischen, beschäftigungspolitischen, wett- bewerbsbedingten, soziokulturellen und rechtlichen Veränderungen aber auch die Folgen der unterschiedlichen Flexibilitätsoptionen auf die oben genanten Verän- derungen. Dabei stellt sich eine ganze Reihe von Grundsatzfragen, die die Flexibili- sierung der Arbeitszeiten mitbestimmen. Abb. 2: Die für die Arbeitszeitflexibilisierung relevanten Rahmenbedingungen Eigene Erstellung Hier geht es hauptsächlich darum, herauszufinden wie die oben genannten Verän- derungen auf unterschiedliche Flexibilisierungsformen, auf betriebliche Arbeitsorga- nisation, Arbeitszeit, Entlohnung wirken und welche Folgen diese Veränderungen für gesellschaftliche Strukturen haben. Gestützt auf diese These werden in den folgenden Abschnitten die ökonomischen sowie gesellschaftlichen Veränderungen, die im Zusammenhang mit der Arbeitszeitflexibilisierung und Analyse der Arbeitszeitpolitik von Bedeutung sind, in groben Zügen dargestellt, da eine detaillierte Nachzeichnung der Veränderungen den Rahmen der Arbeit spalten würde. 1.5.1. Die technisch-organisatorischen Rahmenbedingungen Die Maschinenlaufzeit ist die Grundlage der technischen Organisation und der ökono- mischen Bewertung der Zeit in der Industrie. Dies führt dazu, dass die Arbeitgeberseite Technisch-organisatorische Rahmenbedingungen Rechtliche Rahmenbedingungen Beschäftigungspoitische Rahmenbedingungen Wettbewerbsbedingte Rahmenbedingungen Soziokulturelle Rahmenbedingungen 43 bestrebt ist, die den Beschäftigten zur Verfügung stehende Zeit genauso optimal zu nutzen wie die Maschinen und Rohstoffe. Die Gestaltung von Arbeitsprozessen, insbesondere die der Arbeitszeit, war seit Beginn der Industrialisierung relativ starr organisiert. Mit neuen Technologien und Arbeitsorganisationsmodellen ist aber bei der Gestaltung der Arbeitszeitregelungen, insbesondere seit der 1970er Jahre ein Wandel zu beobachten. Für diesen Wandel in Richtung flexible Arbeitszeitgestaltung sind überwiegend die technisch-organisatorischen Veränderungen maßgebliche Einfluss- größen und richtungsweisend. In Zusammenhang mit den wirtschaftlichen Entwicklungen steht die Gestaltung der (flexiblen) Arbeitszeiten in Interaktion mit der Veränderung von betrieblichen Arbeitsorganisation und der technischen Entwicklung. Zudem haben die Veränderungen der Arbeitszeiten unter Umständen weitreichende Auswirkungen auf die Arbeits- organisation und umgekehrt. Das Wesentliche dabei ist das Zusammenspiel der Ein- führung neuer Maschinen und Technologien und neuer Formen der Arbeitszeitorga- nisation. Erst durch Einführung von neuen Technologien ist es möglich die Arbeits- zeiten flexibel neu bzw. umzugestalten. Zur Ablösung des vorherrschenden Musters einer gleichförmig gestalteten Normalarbeitszeit entstehen immer neue Formen einer mehr oder weniger flexiblen Arbeitszeitverteilung. In den Unternehmen werden neue Arbeitszeitstrategien entwickelt, um mit der Produktion schnell und effizient auf die jeweilige Marktsituation reagieren zu können. Der Anspruch an diese Strategien ist es, ein Arbeitszeitmodell zu schaffen, das kosten- günstig ist, sich aber auch in einem rechtlich zulässigen Rahmen bewegt. Zum einen stellt sich die Frage, inwieweit die Technikentwicklung und speziell der rasch in sämtliche Arbeitsbereiche vordringende Einsatz der modernen Informations- und Kommunikationstechniken die Gestaltung der Arbeitszeit verändert. Zum anderen bestimmt diese Entwicklung, wie sich die moderne Technik für arbeitszeitpolitische Ziele nutzen lässt. Tatsache ist, dass die neuen Techniken den bisher engen räumlichen und zeitlichen Bezug lockern. So kann die Arbeitszeit erheblich differenzierter ausgestaltet werden. Bei einer ergebnisorientierten Arbeitsorganisation zählt nicht mehr die Dauer der täglichen Arbeitszeit, sondern es kommt auf den Termin der zu erbringenden Leistung sowie deren vereinbarte Qualität an. Neue Technologien beeinflussen diesen Prozess auf zweierlei Weise: Zum einen er- möglichen in kürzester Zeit umrüstbare, mikroelektronisch gesteuerte flexible Fer- tigungssysteme eine verbesserte Reaktion auf rasch wechselnde Marktanforderungen; computergestützte Just-in-Time-Organisation optimiert den Produktionsfluss durch datentechnische Vernetzung einzelner innerbetrieblicher Bearbeitungsstationen sowie 44 des Gesamtbetriebes mit Zulieferfirmen. Letztere können und müssen innerhalb weniger Stunden jede gewünschte Variante eines benötigten Werkstückes bereitstellen. In Verbindung mit hochmodernen Zeiterfassungssystemen kann eine genauere zeitliche Anpassung bzw. Vorausplanung des Personalbedarfs an die „betrieblichen Erfor- dernisse“ erfolgen. Zum anderen „erzwingen“ neue Technologien eine bessere Aus- lastung der Produktionsanlagen. Viele Unternehmen sehen sich deshalb veranlasst, auf die Ausweitung der Betriebsnutzungszeiten zu drängen – vorzugsweise auf die ganze Woche und, soweit die Nachfrage und die tariflichen sowie gesetzlichen Regelungen es zulassen, „rund um die Uhr“. Zugleich werden durch einen am Arbeitsvolumen orientierten Personaleinsatz die Lohnkosten gesenkt. Um auf den nationalen und inter- nationalen Märkten Wettbewerbsfähig zu bleiben, streben die Unternehmen neben der Anpassung der Arbeitszeiten an die Auftragslage ebenfalls an, auch die Produktions- anlagen zur Kostensenkung länger auszulasten und die Betriebszeiten auszudehnen. Durch technische Entwicklung wird die Arbeitsorganisation bezüglich der Arbeitszeit- flexibilisierung umstrukturiert bzw. neuen Herausforderungen angepasst. Die klassische Arbeitsteilung nach fordistischem bzw. tayloristischem Muster wird durch Organi- sationsmuster, welche durch Just-In-Time oder Lean-Production gekennzeichnet sind, erweitert. Vor allem in den 1990er Jahren lässt sich sowohl eine Zunahme der tayloris- tischen als auch der post-tayloristischen Organisationsformen von Arbeit erkennen (Abb. 3). Abb.3: Tayloristische und posttayloristische Arbeitsformen in Deutschland (in %) Jahr 1993 1998 Tayloristische Arbeitsorganisation 37 % 40 % Posttayloristische Arbeitsorganisation 23 % 24 % Quelle: Bischof 2001 Folge dieser Entwicklung ist das wachsende Interesse der Unternehmen, die Dauer der individuellen Arbeitszeit und die Anzahl der Beschäftigten an das jeweilige Nachfrage- niveau anzupassen. Dieser Übergang zu neuen Organisationsformen ist geprägt durch Anpassung, Mobilität und Flexibilisierung. Dort wo eine strenge Kontrolle der Zeit und der Bewegungen existierte, werden die Aufgaben und Arbeitszeiten flexibilisiert und die Beschäftigten einem vordergründig „selbstbestimmten“ Zeitmanagement überlassen. 45 1.5.2. Die wettbewerbsbedingten Rahmenbedingungen Ein weiterer Aspekt der Arbeitszeitflexibilisierung, der in den letzten Jahren sehr viel an Bedeutung gewann, ist die wettbewerbsbedingte Veränderung: Die Globalisierung des Wettbewerbs im Sinne einer weltweiten Verflechtung von Märkten. Vertreter der Unter- nehmerinteressen sind in der Meinung, dass der Globalisierungsprozess für die deutsche Unternehmen Chancen und Risiken mit sich bringt. Einerseits seien die Unternehmen angesichts des Zusammenwachsens der Märkte und der Veränderung der Marktgrenzen einem intensivierten Wettbewerb ausgesetzt. Zum anderen werden mit der Internationa- lisierung der Märkte und Aktivitäten auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen der Arbeitszeitgestaltung einer globalen Sichtweise unterzogen (Abb. 4). Abb. 4: Einflüsse Internationalisierung und Kundenorientierung Die aktuelle Debatte um Arbeitszeitflexibilisierung und Arbeitsverhältnisse steht im Kontext der globalen Entwicklung von Flexibilisierung und Deregulierung von Arbeits- verhältnissen. Im Rahmen des Flexibilisierungsdiskurses der 1990er Jahre wird argu- mentiert, dass die deutsche Arbeitsgesellschaft zu teuer, zu wenig innovativ, zu verbü- rokratisiert und vor allem zu unflexibel sei. Wenn nicht eine radikale Wende eingeläutet werde, sei absehbar, dass die bundesdeutsche Wirtschaft im globalen Wettbewerb abgedrängt werde. Daher sei eine Abkehr von traditionellen Institutionen der Quelle: Buch 1996; 128 46 Regulierung von Arbeit und von einer konsensualen Ausrichtung der industriellen Beziehungen erforderlich. Konkrete Flexibilisierungsforderungen der Arbeitgeber bein- halten eine Ausweitung von Maschinenlaufzeiten durch verstärkten Einsatz von Schicht-, Nacht- und Wochenendarbeit sowie eine flexiblere Anpassung von Arbeits- zeiten an saisonale Schwankungen und die aktuelle Auftragssituation durch Arbeits- zeitformen wie beispielsweise Zeitkonten (vgl. Gesamtmetall 2002a, DIHT 2000). Die seit den 1980er Jahren zugenommene Globalisierung hat tatsächlich den Kosten- druck und gleichzeitig den Wettbewerbsdruck auf die Unternehmen erhöht. Aus diesem Grund wird die Arbeitszeitflexibilisierung für viele Unternehmen heute als ein unver- zichtbares Instrument zur Stärkung ihrer Konkurrenzfähigkeit gesehen. Dabei wird die an die internationalen Rahmenbedingungen angepasste Arbeitszeitflexibilisierung im Zuge der Globalisierung als Standort- und Wettbewerbsfaktor bewertet. Durch Reduk- tion von Fehl- und Leerlaufzeiten, Umwandlung von Überstunden und Samstagarbeit in Normalarbeitszeit usw. soll eine Verbilligung der Arbeitszeitstruktur, eine verbesserte Anpassung des Arbeitseinsatzes an sich ständig verändernde Produktionsschwankungen ermöglicht werden. Aus der oben geschilderten Entwicklung heraus konzentrieren die Diskussionen sich auf folgende Punkte:  Die Produktion soll sich an der Nachfrage orientieren. Die diversifizierte Produktion soll in der Lage sein, den verschieden Bedürfnissen und Märkten variabel in Qualität und Quantität zu begegnen.  Daraus folgen minimale Warenlagerung und die Anpassung der Produk- tionszeiten an die Nachfrage. Dies beinhaltet eine flexible Anpassung der Lagerung, des Transports und der Qualitätskontrolle und das Just-In-Time Prinzip. Das Motto dabei ist: Es wird erst produziert, wenn die Produkte aus- verkauft oder unter der Sättigungsgrenze der Nachfrage liegen.  Durch Entwicklung und Implementierung neuer Arbeitszeitmodelle soll die Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit gesteigert, die Stabilität der Arbeits- plätze gesichert und Gehaltserhöhungen ausgehandelt werden. Um die oben aufgezählte Ziele zu realisieren, werden Arbeitszeitmodelle entwickelt, die es erlauben, flexibel und kostengünstig auf Bedarfsschwankungen zu reagieren. Eine Erhebung, die im Auftrag des DIHT vorgenommen wurde, zeigt, dass 63 % der befrag- ten Unternehmen die Arbeitszeiten flexibel gestalten und sich dadurch an den sich ständig veränderten Markt- und Kundenanforderungen orientieren (vgl. Abb. 5). 47 Abb. 5: Arbeitszeitflexibilisierung in den Unternehmen nach Wirtschaftszweigen (in %) Quelle: DIHT 2000, Seite 4 Geht man davon aus, dass die Arbeitszeitverkürzungen eine flexible Arbeitszeit- gestaltung vorantreiben, bedeutet der internationale Druck für deutsche Unternehmen angesichts tariflicher Arbeitszeiten eine neue Anpassung an veränderte Wettbe- werbsbedingungen. Daher wird die Flexibilisierung der Arbeitszeit als Beitrag zur Stärkung des betrieblichen Erfolgsfaktors und zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit auf den internationalen Märkten gesehen. 1.5.3. Die beschäftigungspolitischen Rahmenbedingungen In den letzten Jahren ist die Diskussion, wie Beschäftigung durch geeignete Arbeits- zeitflexibilisierung und Arbeitszeitgestaltung gesichert und gefördert werden kann, vielfältiger geworden. In Zeiten hoher Arbeitslosigkeit wird verstärkt darüber diskutiert, welche beschäftigungspolitischen Rahmenbedingungen als Mittel zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und zur Absicherung der Arbeitsplätze als Lösung präsentiert werden können. Eine Studie, die vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln und Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut in der Hans-Böckler-Stiftung (WSI) durchgeführt wurde, zeigt, dass die Beschäftigtenzahl in der Metall- und Elektroindustrie zwischen 1980 und 1984 sich um 300.800 Personen von fast 3,7 Millionen auf 3,4 Millionen Beschäftigten reduziert hat. Die Konjunkturkrise 1992/93 verursachte dann einen weiteren Arbeitsplatzabbau in der westdeutschen Metall- und Elektroindustrie. Arbei- teten nach der Industriestatistik 1980 noch fast 3,7 Millionen Beschäftigte in diesem Wirtschaftsbereich, so waren es im Jahr 1998 knapp 3 Millionen Personen. In Folge dieser Entwicklung gingen über zwei Drittel der 1991 in der Metall- und Elektro- Wirtschaftszweig nein ja Industrie 31 69 Bauwirtschaft 29 71 Handel 45 55 Dienstleistungen 41 59 Insgesamt 37 63 48 industrie vorhandenen Arbeitsplätze verloren. Allein im Maschinenbau ging die Zahl der Beschäftigten von 1,55 Millionen (1991) auf 981.000 (1999) zurück (siehe Abb. 6). Auf Grund dieses Trends bleibt die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und die Förderung von mehr Beschäftigung weiterhin in Deutschland und in den meisten europäischen Ländern das vorrangige Ziel der Arbeitsmarktpolitik. Mit diversen Programmen, zumeist in arbeitsmarktpolitischen Rahmenprogrammen zusammengefasst, wird der Abbau der Arbeitslosigkeit angestrebt. In diesem Zusammenhang sollen die von unver- meidbaren betriebsbedingten Entlassungen bedrohten und betroffenen Menschen bei ihren Bemühungen um neue, existenzsichernde Erwerbstätigkeit unterstützt werden. Das Ziel dabei ist, „die vorhandene Arbeit auf mehr Schultern zu verteilen“ (Horstmann 1996; 12f). Daher wird seitens der Arbeitgeberverbände die Arbeitszeitflexibilisierung und seitens der Gewerkschaften die Arbeitszeitverkürzung als Mittel zur Bekämpfung der Arbeits- losigkeit vorgeschlagen. Die Flexibilisierung, Individualisierung und Verkürzung der Arbeitszeiten sollen gerade im Blick auf die beschäftigungspolitische Diskussion eine wichtige Rolle spielen. Die Gestaltungs- und Verteilungswünsche bei der Arbeitszeit in der Praxis sollen sich nicht ausschließlich an den betrieblichen Erfordernissen orientieren, sondern auch die individuellen Wünschen und Interessen der Menschen und gesellschaftspolitische Entwicklungen berücksichtigen. Tatsächlich können sowohl die Abb.6: Beschäftigung im Maschinenbau (Beschäftigte in Tausend) Quelle: IG Metall 2001; 14 49 Dauer als auch die Lage sowie die Verteilung der Arbeitszeiten Einfluss auf die Beschäftigungsnachfrage haben. Werden die Arbeitszeiten bei konstanter Betriebs- nutzungszeit verlängert, so verteilt sich das Arbeitsvolumen auf einen kleineren Kreis der Beschäftigten um und dies hat dann einen negativen Einfluss auf dem Arbeitsmarkt. Lage und Dauer der Arbeitszeit beeinflussen schließlich das Verhalten der Beschäftigten auf dem Arbeitsmarkt, unter welchen Bedingungen sie bereit und in der Lage sind, eine Tätigkeit aufzunehmen. Arbeitszeitverkürzung und flexible Arbeitszeitgestaltung beeinflussen nicht nur die Zahl der Arbeitsplätze und die Qualität der Arbeitsbedingungen. Diskutiert wird dabei, wie der Arbeitsmarkt durch Einführung von flexiblen Arbeitszeiten entlastet werden kann. So werden vielfältige Angebote, wie Wahlarbeitszeiten, Job-Sharing, Freistellung zur Weiterbildung, für Kindererziehung und Pflege sowie Alters- und Berufsanfänger- teilzeit ins Leben gerufen. Bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit wird nicht über einzelne Maßnahmen als Lösung der Probleme diskutiert, sondern eine Reihe von Maßnahmen werden als Gesamtkonzept vorgeschlagen. Die Grundsäulen solcher Maßnahmen sind:  Schaffung neuer Arbeitsplätze  Erhalt bestehender Arbeitsplätze  Vermeidung neuer Arbeitslosigkeit  Qualifizierung, Fort- und Weiterbildung arbeitslose Menschen  Maßnahmen zur Reintegration von Arbeitslosen. Zur Verbesserung der Beschäftigungspolitik werden auch innerhalb der Europäischen Union beschäftigungspolitische Konzepte erarbeitet. In solchen Paketen handelt es sich um konkrete Empfehlungen zur Verbesserung der Beschäftigungspolitik in den einzelnen Mitgliedstaaten der EU sowie um die offene Koordinierung der Arbeits- marktpolitiken der Mitgliedstaaten (Bekannt als „Luxemburg-Prozess“, der mit dem Beschäftigungskapitel im Amsterdamer Vertrag 1997 eingeleitet wurde). Es handelt sich dabei um 22 Leitlinien, untergliedert in die vier folgenden Hauptkapitel:  Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit  Entwicklung des Unternehmergeistes  Förderung der Anpassungsfähigkeit der Unternehmen und ihrer Beschäftigten  Verstärkung der Maßnahmen zur Förderung der Chancengleichheit für Frauen und Männer 50 Durch nationale und EU-weite Beschäftigungsprogramme wird der Abbau von Arbeitslosigkeit durch gezielte Angebote beruflicher Qualifikation, Erweiterung des Angebotes an regulären Arbeitsplätzen, gezielte Erschließung zukunftsfähiger neuer Berufsfelder angestrebt. Die Erschließung neuer, dauerhafter und zukunftsfähiger Be- schäftigungsfelder insbesondere im Dienstleistungsbereich wird zu den wichtigen Orientierungen heutiger Arbeitsmarktpolitik gezählt. In diesem Zusammenhang haben sich in den vergangenen Jahren im Bereich der Dienstleistungen viele kleine Betriebe und Beschäftigungsinitiativen gegründet, angefangen bei Bring- und Kurierdiensten über Serviceleistungen im Garten- und Grünflächenbau, hauswirtschaftlichen Diensten oder auch Hilfen bei der Betreuung und Begleitung von Menschen mit Hilfe- oder Unterstützungsbedarf. 1.5.4. Die soziokulturellen Rahmenbedingungen Neben den technisch-organisatorischen, wettbewerbsbedingten, rechtlichen und be- schäftigungspolitischen Veränderungen bzw. Einflussfaktoren spielen bei der Ge- staltung der flexiblen Arbeitszeiten auch die soziokulturellen Rahmenbedingungen bzw. die gesellschaftliche Infrastruktur eine Rolle. Unter soziokulturellen Rahmen- bedingungen werden die Erfahrungen, Werte, Symbole und Institutionen verstanden, die für eine bestimmte Gesellschaft und die Menschen, die darin leben, spezifisch und entwicklungsrelevant sind. Durch die Umstrukturierungen auf der betrieblichen Ebene und durch den Strukturwandel innerhalb der Gesellschaft finden Veränderungen im Zeitmanagement der Gesellschaft und des einzelnen Menschen statt. Diese Ver- änderung, die auch als gesellschaftlicher Wertewandel bzw. „Individualisierung“ bezeichnet werden kann, hat innerhalb der Gesellschaft Folgen für die Wünsche der Beschäftigten, das Miteinanderleben, das Familienleben und die Freizeit (vgl. Kilz/Reh 1996; 160). Denn durch den Übergang von starren zu flexiblen Arbeitszeiten werden die gesellschaftlichen Abläufe neu koordiniert. Die neuen Arbeits-, Betriebs- und Öffnungs- zeiten beeinflussen immer stärker das städtische, ländliche und gesellschaftliche Leben. Vor allem die Individualisierung der Arbeitszeiten sowie der Arbeitsverhältnisse beeinflusst das soziale Leben und die gesellschaftliche Rhythmen. Forciert wird diese Entwicklung durch den Wandel von starren zur flexiblen Arbeitszeiten. Die Koordination von Arbeitszeit und Reproduktionszeit wird auf Grund der Flexibi- lisierung und Individualisierung immer schwieriger. Die Flexibilisierung der Arbeitszeit verlangt eine gewisse Flexibilität der Reaktion auf unerwartete Anforderungen der Familie. Durch flexible Arbeitszeiten und ausgedehnte 51 Betriebs-, und Öffnungszeiten wird gerade für Frauen die Vereinbarkeit von Familie bzw. Kind und Beruf immer komplizierter. Am Beispiel der Kinderbetreuung ist dieser Trend genau zu beobachten: Je flexibler und damit unplanbarer Zeit für die Eltern wird, desto schwieriger wird die Erhaltung einer konstanten Betreuung. Je weiter sich die Zeiten ausdifferenzieren, desto schwieriger wird es, einen Betreuungsplatz bzw. eine Betreuung zu finden. Paare oder Alleinerziehende, die nach 18 Uhr arbeiten, stehen vor dem Problem, diese Betreuungszeiten kindgerecht abzudecken. Angebote zur Kinder- betreuung sind primär auf die Tageszeiten ausgelegt. Kindergärten und Kindertages- stätten weisen zudem feste Anfangs- und Endzeiten auf, die der flexiblen Arbeitszeiten nicht entsprechen. Durch feste Zeitvorgaben bei den öffentlichen Einrichtungen und bei den sozialen Instituten bleiben den Beschäftigten nur geringe flexible Handlungs- spielräume. Für die Beschäftigten und Unternehmen resultieren daraus Konsequenzen: Die Beschäftigten, die mit den Betreuungsaufgaben belastet sind, werden von Arbeitsplätzen verdrängt und ausgeschlossen. Für die Unternehmen bedeutet das, dass sie bestimmte ökonomisch notwendige Arbeitszeitmodelle nicht einführen oder das ihnen zur Verfügung stehende Humankapital nicht effektiv einsetzen können (vgl. Kilz/Reh 1996; 160). Der Wandel von starren zu flexiblen Arbeitszeiten beeinflusst auch die sozialen Kontakte. Das gilt vor allem dann, wenn die betrieblichen Belange im Vordergrund stehen und dadurch die Interaktions- und Kommunikationsmöglichkeiten der Beschäf- tigten mit anderen Menschen außerhalb des Arbeitslebens stark eingeschränkt werden. Solche Situationen sind bei den Beschäftigten gegeben, die zu Zeiten arbeiten, in denen üblicherweise der Schwerpunkt der sozialen Kontakte liegt. Dadurch werden die Kon- takte zu anderen Menschen und auch innerhalb der Familie erschwert. Auch die Arbeitsverhältnisse, bei denen die Arbeitszeit kurzfristigen und nicht im Vorhinein kalkulierbaren Schwankungen unterliegt, führen zu Problemen bei der Wahrnehmung familiärer Aufgaben und sozialer Kontakte. Ein weiteres Feld, das ebenfalls von flexiblen Arbeitszeiten betroffen ist, ist die Freizeitorganisation bzw. Freizeitnutzung. Insbesondere sind Vereine und Bildungseinrichtungen, die ihre Veranstaltungen hauptsächlich in der zweiten Tageshälfte und in den Abendstunden anbieten, von dieser Entwicklung betroffen. „Die Individualisierung von Zeiten“ leistet den Individualsportarten Vorschub und verstärkt den Trend zu „organisationsfreiem” Sport (Jogging, Squash, Fitness usw.), der wiederum ein Zeichen der Individualisierung ist. Die Zahl der Fitness-Studios mit ihren weiten Zeitrahmen nimmt zu, während traditionelle Sportvereine häufig nur in der „klassischen” Freizeit, am Nachmittag, am Abend und am Wochenende, Angebote unterbreiten (vgl. Hans-Böckler-Stiftung 1999b; 12). Die Vereine reagieren auf diese 52 Entwicklung mit einer inhaltlichen und zeitlichen Flexibilisierung ihres Sportangebots, indem die Zeiten der Veranstaltungen den flexiblen Arbeitszeiten angepasst werden. Auch die Öffnungszeiten der öffentlichen sowie privaten Dienstleistungen, die über- wiegend ihre Dienstleistungen an den Normalarbeitszeiten orientieren und in der Zeit von 8.00 – bis 13.00 Uhr und in vereinzelten Fällen in Nachmittagszeiten anbieten, befinden sich in einem Wandel. Gerade die Beschäftigten, die flexible und ausgedehnte Arbeitszeiten haben, stehen vor dem Problem, solche Dienstleistungen nur noch sehr eingeschränkt in Anspruch nehmen zu können. Auch der öffentliche Verkehr befindet sich durch die Flexibilisierung von Arbeitszeiten und Individualisierung des Verkehrs in einem Wandel. Die Fahrgemeinschaft Bus zerbrach ebenso wie viele private Fahrge- meinschaften. Die Ausdifferenzierung der individuellen Arbeitszeitmuster führt zudem zu einer Individualisierung des Berufsverkehrs, was wiederum die Attraktivität des Pkw erhöht (vgl. ebenda; 16). Zusammengefasst kann festgehalten werden, dass durch den oben beschriebenen Wandel und die Individualisierung der Gesellschaft die kollektive Organisation von Zeit komplexer wird. Eine genaue Planung der Zeitnutzung wird im Arbeitsleben und im alltäglichen Leben immer schwieriger. Insgesamt haben die oben abgezeichnete Diskre- panz zwischen der Flexibilisierung der Arbeitszeiten, der soziokulturellen Rahmen- bedingungen sowie der gesellschaftlichen Infrastruktur und die daraus resultierenden Schnittstellenprobleme für die Menschen in ihrer Doppelrolle als Beschäftigte und als Mitglied der Gesellschaft Barrieren für weitere Flexibilisierung der Arbeitszeiten. Die Auswirkungen dieser Entwicklung auf Menschen und Gesellschaft, auf Verkehr, Energie und Umwelt gewinnen daher im Zusammenhang mit der Gestaltung von Arbeitszeiten immer mehr an Bedeutung. 1.5.5. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen Für die Arbeitszeitflexibilisierung sind auch die gesetzlichen Arbeitszeitregelungen richtungweisend. Seit 1984 wurde vor allem im Arbeitsrecht eine Vielzahl von Regelungen verändert, welche auf die Flexibilisierung der Arbeitszeiten einen direkten und auch indirekten Einfluss hat. Diese Neuregelungen unterscheiden sich insgesamt auf vier Ebenen:  die gesetzliche Ebene; 53  die tarifvertragliche Ebene;  die betriebsverfassungsrechtliche Ebene;  die einzelvertragliche Ebene. Zentrales Regelungswerk ist das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) vom 01.07.1994, welches die bis dahin gültige Arbeitszeitordnung (AZO) von 1938 abgelöst hat. Der Zweck des neuen Arbeitszeitgesetzes ist nach § 1 ArbZG die Gewährleistung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeitszeitgestaltung sowie die Verbesserung der Rahmenbedingungen für flexible Arbeitszeiten. Des Weiteren gilt nach § 1, Nr. 2 ArbZG die grundsätzliche Beibehaltung des Verbots der Sonntagsarbeit. Darüber hinaus gilt ein einheitlicher Schutz für Frauen und Männer bei Nachtarbeit. Das neue Gesetz überträgt den Tarifvertragsparteien auch mehr Verantwortung. Die Novellierung lehnt sich zwar an die bisherige Regelung durch AZO und GewO an aber in anderen Teilen enthält das ArbZG neue Vorschriften, wie z.B. die Festlegung eines flexiblen Ausgleichzeitraums für die werktäglichen Beschäftigungszeiten, die Möglich- keit der Bewilligung von Sonntagsarbeit aus wirtschaftlichen Gründen und schließlich eine stärkere Reglementierung der Nachtarbeit. Die wichtigsten rechtlichen Neuerungen bezüglich der Arbeitszeiten sehen im Einzelnen wie folgt aus: Die werktägliche Maximalarbeitszeit bleibt nach § 3, Satz 1 ArbZG unverändert auf acht Stunden begrenzt. Jedoch bleibt eine Verlängerungsmöglichkeit auf 10 Stunden wie im bisherigen Recht erhalten. Nur der Ausgleichszeitraum, innerhalb dessen eine solche Verlängerung auf die geforderte durchschnittliche 8-Stunden-Grenze zurück- geführt werden muss, wurde von ehemals 3 Wochen (§ 4 I AZO) auf nunmehr 24 Kalenderwochen erweitert (§ 3, Satz 2 ArbZG). Der Arbeitgeber kann auch einen kürzeren Ausgleichszeitraum wählen, nicht aber einen längeren. Dies ist durch Tarif- vertrag möglich. Soweit bei der Festlegung des Ausgleichszeitraumes der Betriebsrat mitzubestimmen hat (§ 87 I, 2 BetrVG), kommt dem betriebserfassungsrechtliche Wirkung zu. Eine Neuerung besteht auch in der Bestimmung in § 7 I, 1 ArbZG, wonach bei überwiegender Arbeitsbereitschaft die Tarif- bzw. Betriebsparteien, letztere nur bei entsprechender tarifvertraglicher Öffnungsklausel, die regelmäßige tägliche Arbeitszeit an bis zu 60 Tagen im Jahr ohne Zeitausgleich auf 10 Stunden pro Arbeitstag erhöhen dürfen (§ 3, Satz 2 ArbZG). Weitere Änderungsmöglichkeiten zu § 3 ArbZG ergeben sich aus §15 I, 1, 2 ArbZG durch aufsichtsbehördliche Genehmigung von Ver- längerungen der werktäglichen Arbeitszeit bzw. aus § 8 ArbZG, wonach im Falle gesundheitsgefährdender Arbeiten Verkürzungen durch Rechtsverordnung seitens der Bundesregierung / des Bundesrates für bestimmte Beschäftigungsgruppen möglich sind. Im Gegensatz zur bisherigen Regelung in der AZO gelten nach § 4 ArbZG einheitliche Pausenregelungen für Frauen und Männer: Nach einer Arbeitszeit von mehr als 6 54 Stunden sind 30 Minuten, nach mehr als 9 Stunden insgesamt 45 Minuten als Ruhepause zu gewähren. Eine Aufteilung auf Zeitabschnitte von mindestens 15 Minuten ist wie auch nach der AZO zulässig. Die in § 12 AZO vorgesehene Mindestruhezeit von 11 Stunden zwischen zwei Arbeits- schichten wurde insoweit auch in § 5 I ArbZG übernommen. Ausnahmeregelungen von lediglich 10 Stunden ununterbrochener Ruhezeit zwischen dem Ende der einen und dem Beginn der nächsten Arbeitsschicht sind gemäß § 5 II ArbZG für bestimmte Ein- richtungen wie Krankenhäuser, Pflegeanstalten, Gaststätten etc. erlaubt, wenn die Kürzung innerhalb eines Kalendermonats bzw. binnen vier Wochen durch ent- sprechende Verlängerung einer anderen Ruhezeit auf 12 Stunden ausgeglichen wird. Weitergehende Änderungen der Mindestruhezeiten gemäß § 5 I ArbZG sind durch Tarifvertrag bzw. bei entsprechender tarifvertraglicher Öffnungsklausel durch Betriebs- vereinbarung nach § 7 ArbZG möglich. Die umfassendsten Änderungen gegenüber der AZO betreffen die Regelungen zur Nacht- und Schichtarbeit, wobei unter Nachtzeit die Zeit zwischen 23.00 Uhr und 6.00 Uhr (§ 2 III ArbZG), unter Nachtarbeit jede Arbeit, die mehr als zwei Stunden der Nachtzeit umfasst (§ 2 IV ArbZG), zu verstehen ist. Völlig neu ist, dass die Festlegung der Arbeitszeit der Nacht- und Schichtarbeitnehmer nach den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschen- gerechte Gestaltung der Arbeit zu erfolgen hat (§ 6 I ArbZG). Dabei gilt als Nacht- arbeitnehmer derjenige, der entweder Nachtarbeit in Wechselschichten oder an mindestens 48 Tagen im Kalenderjahr leistet (§ 2 V ArbZG). Das Nachtarbeitsverbot für Frauen nach § 19 II AZO, das vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt wurde, ist aufgehoben. § 6 II ArbZG sieht auch für Nachtarbeitnehmer eine werktägliche Maximalarbeitszeit von 8 Stunden vor, die auf bis zu 10 Stunden verlängert werden darf. Neu ist auch die Bestimmung des § 6 III ArbZG, wonach den Nachtarbeitnehmern ein Rechtsanspruch auf vom Arbeitgeber zu finanzierende arbeitsmedizinische Eignungs- und Überwachungsuntersuchungen zusteht. Ein weiterer Schwerpunkt der wesentlichen Neuerungen des Arbeitszeitgesetzes ist in Abschnitt 3 des ArbZG (§§ 9-13 ArbZG) zusammengefasst. Zunächst gilt nach § 9 I ArbZG ein grundsätzliches Beschäftigungsverbot an Sonn- und Feiertagen zwischen 00.00 Uhr und 24.00 Uhr. Allerdings ist hierzu ein insgesamt 16 Fallgruppen umfassender Ausnahmekatalog vorgesehen (§ 10 I ArbZG). Gemäß § 9 II ArbZG können in Betrieben mit regelmäßiger Tag- und Nachtschichtarbeit Beginn oder Ende der Sonn- und Feiertagsruhe um bis zu 6 Stunden vor- oder zurückverlagert werden, wenn für die auf den Beginn der Ruhezeit folgenden 24 Stunden Betriebsruhe herrscht. Wenn aber bestimmte Arbeiten auch an Sonn- und Feiertagen erforderlich bzw. an Werktagen nicht durchführbar (§ 10 I, Satz 1 ArbZG) sind, ist Sonn- und Feiertagsarbeit 55 für eine Reihe von in § 10 I ArbZG zusammengefassten Branchen bzw. Tätigkeiten ohne behördliche Bewilligung zulässig. Für alle an Sonn- und Feiertagen Beschäftigten gilt schließlich nach § 11 I ArbZG ein Mindestarbeitszeitschutz, wonach 15 Sonntage im Kalenderjahr arbeitsfrei bleiben müssen. Neben dieser wichtigsten Rechtsquelle des Arbeitszeitschutzes enthalten weitere Gesetze über Jugendarbeitsschutz (JArbSchG), über Mutterschutz (MuSchG), über den Ladenschluss (LadschlG) sowie zur Altersteilzeit (ATG) weitere Arbeitszeitregelungen. Diese Regelungen errichten z.T. bestimmte Schutzkorridore für die Arbeitszeit in Form von Höchstgrenzen für die tägliche Arbeitszeit, Arbeitsverboten und Einschränkungen an Sonn- und Feiertagen sowie an Ruhe- und Pausenzeiten. Diese rechtlichen Arbeits- zeitvorschriften sind durch kollektiv-, mitbestimmungs- und individual-rechtliche Regelungen ergänzt. Kollektivrechtliche Regelungen betreffen die Beziehungen zwischen den Zusammenschlüssen von Arbeitgebern und Beschäftigten oder einzelnen Arbeitgebern und Betriebsräten. Die Rechtsquelle hierbei ist das Tarifvertragsgesetz (TVG). Die Tarifvertragsparteien schließen Tarifverträge zur Festsetzung von Rechten und Pflichten gemäß §§ 1, 2 TVG ab. Dazu gehört die Festlegung der Arbeitszeitdauer, immer unter Berücksichtigung der gesetzlichen Höchstgrenzen. Für Fragen der Verteilung der Arbeitszeit sind vielmehr die Betriebsvereinbarungen zwischen Betriebs- rat und Geschäftsleitung bestimmend. Die Tarifverträge enthalten auch Bestimmungen über Mehrarbeit und eine mögliche Zuschlagspflichtigkeit sowie Regelungen über Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit. Die Tarifverträge ordnen die Notwendigkeit der Zustimmung des Betriebsrates bei außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit liegenden Arbeitszeiten an. Diese Regelungen fallen unter sog. Mitbestimmungsrechtliche Regelungen. Zentrale Rechtsquelle dafür ist das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), welches den Beschäftigten, vertreten durch den Betriebsrat, Informations- und Mitbestimmungs- rechte einräumt. Die Regelung der Dauer der Arbeitszeit ist der Betriebsvereinbarung jedoch grundsätzlich nicht zugänglich, da diese tariflich geregelt oder üblicherweise tariflich geregelt ist (§ 77 III BetrVG). Von dieser Regelungssperre werden jedoch nicht die tarifvertraglichen Öffnungsklauseln erfasst, die den Betriebspartnern eine Flexibilisierung der Wochenarbeitszeit ermöglicht. Darüber hinaus räumt das BetrVG dem Betriebsrat Einflussmöglichkeiten auf die Arbeitszeitgestaltung durch erzwingbare Mitbestimmungsrechte ein. So hat dieser gemäß § 87 I, 2 BetrVG mitzubestimmen über die Lage der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage. Zudem besteht ein Mitbestimmungsrecht bei einer vorübergehenden Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit (§ 87 I, 3 BetrVG). Die Mitbestimmungsrechte aus § 87 BetrVG greifen allerdings aus- 56 drücklich nur unter der Voraussetzung, dass eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht existiert. Schließlich sei darauf hingewiesen, das der Betriebsrat Beratungs- und Unterrichtungsrechte bzgl. der Planung von Arbeitsverfahren, Arbeitsabläufen und - plätzen hat und rechtzeitig zu beteiligen ist in der Form, dass Vorschläge und Bedenken seitens des Betriebsrates bei der Planung berücksichtigt werden können (§ 90 BetrVG), also auch bei der Frage, ob ein neues Arbeitszeitsystem eingeführt werden soll. Individual-rechtliche Regelungen betreffen schließlich die Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Die Rechtsquelle ist hierbei der Arbeitsvertrag (bzw. Dienstvertrag). Bei der Bestimmung der Arbeitszeit besteht die Möglichkeit, diese durch einen Arbeitsvertrag zu regeln. In der betrieblichen Praxis findet sich jedoch nur selten eine einzelvertragliche Festlegung über Dauer und Lage der Arbeitszeit. In der Regel gilt die betriebsübliche, meist durch Tarifvertrag geregelte Arbeitszeit als vereinbart. Hier ist darauf hinzuweisen, dass arbeitsrechtliche Regelungen einer bestimmten Rangfolge unterliegen. Diese Rangfolge wird bestimmt durch das sog. Rangprinzip, welches für das gesamte Recht gilt. Im Arbeitsrecht gilt das Rangprinzip jedoch nur eingeschränkt. Nach dem sog. Günstigkeitsprinzip, d.h. abweichende Vereinbarungen vom Arbeitsrecht als zwingendes Recht sind dann möglich, wenn diese den Arbeitnehmer günstiger stellen, hat die nach dem Rangprinzip rangniedere Regelung vor der ranghöheren Vorrang, wenn diese einen für den Arbeitnehmer günstigeren Inhalt hat. Zum Beispiel bestimmt das Günstigkeitsprinzip im Tarif- vertragsgesetz (TVG), dass eine Abweichung von den tariflich vereinbarten Beding- ungen nur zugunsten des Arbeitnehmers zulässig ist (§4 Abs. 3 TVG). Solche Ab- weichungen sind üblicherweise ein höherer Lohn, eine längere Kündigungszeit, mehr Urlaubsgeld, eine zusätzliche Altersvorsorge usw. Der Arbeitnehmer kann auf den An- spruch auf die Mindestbedingungen des Tarifvertrages nicht verzichten. Selbst bei einer Vereinbarung über einen niedrigeren Lohn mit dem Arbeitgeber kann der Arbeitnehmer immer sein Recht auf den vollen Tariflohn geltend machen (vgl. Eekhoff 1998, 82). Seit 1996 spielt auch das Altersteilzeitgesetz bei der Gestaltung von flexiblen Arbeits- zeitmodellen eine zentrale Rolle. Das Altersteilzeitgesetz vom 23. Juli 1996 ist zwischenzeitlich durch das Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch - (SGB IX) Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19. Juni 2001 geändert worden. Durch Alters- teilzeitarbeit soll den älteren Arbeitnehmern ein gleitender Übergang vom Erwerbsleben in die Altersrente ermöglicht werden, wobei der gleitende Übergang in den Ruhestand durch Förderleistungen der Bundesanstalt für Arbeit unterstützt wird. Der Wechsel in Altersteilzeitarbeit ist sowohl Vollzeitbeschäftigten als auch Arbeitnehmern möglich, die teilzeitbeschäftigt sind. Der Einführung von Altersteilzeit liegt eine arbeitsrechtliche Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu Grunde. Das Arbeitsamt 57 fördert die Teilzeitarbeit von Arbeitnehmern, die ihre Arbeitszeit nach Vollendung des 55. Lebensjahres auf die Hälfte vermindern. Wie die Arbeitszeit verteilt wird, bleibt den Vertragspartnern überlassen. Der ältere Arbeitnehmer kann täglich mit verminderter Stundenzahl oder an bestimmten Tagen der Woche oder im wöchentlichen oder im monatlichen Wechsel arbeiten. Bedingung ist lediglich, dass über einen Gesamtzeitraum von bis zu drei Jahren die Arbeitszeit im Durchschnitt halbiert wird. Dieser Zeitraum kann auf bis zu zehn Jahre erweitert werden, wenn dies durch Tarifvertrag zugelassen ist. Die Altersteilzeitvereinbarung muss immer mindestens bis zum Rentenalter reichen. Die Voraussetzung ist, dass der Arbeitnehmer unmittelbar vor der Verminderung der Arbeitszeit als Voll- oder Teilzeitbeschäftigter in der Arbeitslosenversicherung ver- sicherungspflichtig beschäftigt gewesen sein muss. Er muss seine bisherige wöchent- liche Arbeitszeit auf die Hälfte vermindern und auch nach dieser Verminderung der Arbeitszeit versicherungspflichtig in der Arbeitslosenversicherung beschäftigt sein. In Kleinunternehmen mit nicht mehr als 50 Beschäftigten wird die Altersteilzeit auch dann gefördert, wenn aus Anlass der Altersteilzeit ein Auszubildender eingestellt wird. Die Leistungen durch das Arbeitsamt werden für bis zu sechs Jahre gewährt, und zwar längstens bis zum frühestmöglichen Bezug einer Altersrente ohne Minderung. Förder- leistungen erbringt die Arbeitsagentur für Arbeitnehmer, die mit der Altersteilzeitarbeit spätestens vor dem 1. Januar 2010 beginnen. Die Altersteilzeitarbeit ist auch Grundlage für die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit. Die Förderung der Altersteilzeitarbeit durch das Arbeits- amt setzt voraus, dass der ältere Arbeitnehmer das 55. Lebensjahr vollendet hat, inner- halb der letzten fünf Jahre vor Beginn der Altersteilzeitarbeit mindestens drei Jahre in der Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtig beschäftigt war und noch keinen Anspruch auf ungeminderte Rente hat. Diese Voraussetzungen erfüllen auch Arbeit- nehmer, die beim Übergang in die Altersteilzeitarbeit bereits älter als 55 Jahre sind, innerhalb der letzten fünf Jahre vor dem Übergang in die Altersteilzeitarbeit zeitweise Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder eine die Versicherungspflicht zur Arbeitslosen- hilfe begründende Entgeltersatzleistung (z.B. Krankengeld) bezogen haben. Die Vereinbarung über die Altersteilzeit soll sich zumindest bis zum Rentenalter erstrecken. Dabei kann der Einzelne frei entscheiden, ob er von der Möglichkeit der Altersteil- zeitarbeit Gebrauch machen oder weiter seine Tätigkeit im bisherigen Umfang ausüben will. Die Freiwilligkeit wird dadurch gewährleistet, dass zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine vertragliche Vereinbarung über die Reduzierung der Arbeitszeit getroffen werden muss. 58 Kapitel II Der Wandel der Arbeitszeiten Nachdem im ersten Kapitel die theoretischen Grundlagen entfaltet worden sind, wird nachfolgend die historische Entwicklung der Arbeitszeit und, als grobe Skizze, die Arbeitszeitpolitik der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände in der Metallindustrie dargestellt. Das Ziel der Darstellungen ist es, den Wandel der Arbeitszeiten, deren Ur- sachen, Konsequenzen und Folgen aufzuzeigen. In Anlehnung an den historischen Verlauf werden die wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklungen angesprochen, die meiner Meinung nach zum Wandel der Arbeitszeiten in Interaktion stehen und somit auch Gegenstand der Entwicklungen sind. Wie im Kapitel 1 ausführlich dargestellt wurde, steht der Wandel der Zeit bzw. Arbeitszeit in Kontext gesellschaftlicher Produktionsverhältnisse und verändert sich mit dem Umbruch der Arbeitsorganisation. Darüber hinaus beeinflussen die technologische Entwicklung, die Bewusstseinsentwicklung von Beschäftigten sowie gesellschafts- politischer Wandel die Organisation der Zeitstrukturen. In diesem Zusammenhang werden im 2. Kapitel die Entstehung der kapitalistischen Ökonomie der Zeit und ihre Entwicklung aus Sicht der Unternehmen, Beschäftigten und deren Organisationen dargestellt und auf die Forderungen der Tarifparteien einge- gangen. Darauf folgend wird die Entwicklung in der Metallindustrie differenzierter betrachtet und die ersten „Flexibilisierungen“ der Arbeitszeiten wie Einführung von Schichtarbeit und Überstunden sowie Arbeitsintensivierung durch Fließbandarbeit oder Akkordarbeit dargestellt. Anschließend erfolgt eine Darstellung der Arbeitszeitpolitik der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände in der Metallindustrie, die sich in der Tarifpolitik, in den Diskussionen und einzelnen Arbeitskämpfen ausgedrückt hat. So werden die theoretischen und praktischen Ambitionen aus einer historisch- syste- matischen Betrachtung nachgezeichnet, um die aktuellen und absehbaren Konflikte um die Arbeitszeitflexibilisierung bzw. Arbeitszeitgestaltung zu benennen und verständlich zu machen. Da die Arbeit nicht die Absicht hat, den historischen Verlauf der Arbeitszeit- flexibilisierung bzw. der Arbeitszeitentwicklung abschließend in seiner ganzen Komplexität zu behandeln, werden in diesem Kapitel nur die historischen Grundlagen entfaltet und zusammengefasst, die die empirisch-vergleichende Untersuchung der 59 Arbeitszeitpolitik von Gesamtmetall und IG Metall einleiten sollen. Denn die aktuellen und absehbaren Konflikte werden für die Arbeitszeitflexibilisierung bzw. Arbeitszeit- entwicklung in ihrer Gesamtheit und für die einzelnen Unternehmen und Beschäftigten auch in den nächsten Jahren weiterhin von großer Bedeutung sein. Zentraler Gesichtspunkt der folgenden Darstellung sind daher die Interessen und Motive der Unternehmen sowie der Beschäftigten bzw. deren Organisationen, die überwiegend die treibenden Kräfte bei der Arbeitszeitentwicklung gewesen sind und sein werden. 2.1. Der Wandel der Arbeitszeiten im historischen Verlauf Norbert Elias nannte Zeiterfahrung eine „soziale Beziehungsform“, die historisch- kulturell geprägt, gesellschaftlich organisiert und biografisch überformt wird. Unter- schiedliche historische und soziale Prozesse, Produktionsweisen sowie Gesellschafts- nd Organisationsformen begründeten somit unterschiedliche Formen der Zeiterfahrung. Elias stellte konkrete Bezüge spezifischer Zeitstrukturen mit sozialen und ökono- mischen Entwicklungsstandards von Gesellschaften dar: „Die menschliche Erfahrung dessen, was heute `Zeit` genannt wird, hat sich in der Vergangenheit verändert und verändert sich in der Gesellschaft weiter, und zwar nicht in einer zufälligen, sondern in einer strukturierten und gerichteten Weise“ (Elias 1984; 2). Betrachten wir die gesellschaftlichen, politischen, ökonomischen und technischen Aspekte der Zeit, so gelangen wir zur Erkenntnis, dass die Zeit für den Menschen und für die Gesellschaft eine bestimmte Rolle übernimmt und die Zeitstrukturen sich mit dem gesellschaftlichen Wandel verändern. Der Wandel lässt sich grob als Prozess der Entwicklung von einer aufgabenorientierten Zeit vorkapitalistischer Gesellschaften zur linearen Zeit des In- dustriekapitalismus, die Entstehung der kapitalistischen Ökonomie der Zeit beschreiben. 2.1.1. Von der aufgabenorientierten Zeit zur abstrakten Zeit des Handelskapitalismus Wie schon erläutert, wird in der Literatur die Zeitstruktur in Zusammenhang mit den unterschiedlichen Produktionsweisen beschrieben und definiert. So wird die Zeit in kapitalistischen Produktionsweisen mit Adjektiven wie „qualifiziert“, „linear“, „objek- tiviert“, „verräumlicht“ usw., und die Zeit in vorkapitalistischen Produktionsweisen als „natürlich“, „aufgabenorientiert“, „gelebt“ bezeichnet. Die Zeitstruktur der vorkapita- listischen Produktionsweisen, deren materielle Basis Agrarwirtschaft und Handwerk 60 bildeten, wird dahingehend charakterisiert, dass sie aufgabenorientiert und an natürlichen Arbeits- und Lebensrhythmen ausgerichtet ist (vgl. Thompson 1973; 83f). Eine aufgabenorientierte Zeitstruktur wird daher mit Gesellschaften ohne industrielle Produktionsweise identifiziert, die nicht oder kaum marktförmig organisiert waren. Im Zeitalter der vorkapitalistischen Produktion orientierten sich die Menschen nach dem Sonnenstand und dem natürlichen Rhythmus des Tages und des Jahres. So wurden produktive Tätigkeiten nicht durch abstrakte Zeitvorgaben bestimmt, sondern richteten sich nach einem natürlichen Zeitgeber, nämlich der Sonne. Die Klimaverhältnisse und die Jahreszeiten bestimmten Inhalt, Dauer und Intensität der bäuerlichen Arbeiten. Bestimmte Arbeiten müssten in einer bestimmten Jahreszeit oder zu einer bestimmten Tageszeit erledigt werden. Diese Zeiteinteilung, die sich zyklisch wiederholte und im Tagesverlauf am Sonnenaufgang bzw. Sonnenuntergang und im Jahresablauf an den Jahreszeiten orientiert war, bestimmte über den Arbeitsrhytmus hinaus den gesamten Lebensrhythmus der bäuerlichen Produzenten, ohne dass eine bewusste Trennung von Arbeitszeit und Nicht-Arbeitszeit vorgenommen wurde. Laut einer Untersuchung von Fel und Hofer betrug die reine Arbeitszeit in der mittelalterlichen Familienwirtschaft im Winter etwa 8 Stunden, im Frühjahr und Herbst 12 Stunden und im Sommer 12,5 bis 14,5 Stunden (vgl. Fel/Hofer 1972; 146). Die zeitliche Dauer der Arbeit hatte ihre Grenzen im Bedarf der bäuerlichen Produzenten selbst: „Der Zweck dieser Arbeit ist nicht Wertschöpfung - obgleich sie Surplusarbeit tun mögen, um sich fremde, i.e. Surplusprodukte, auszutauschen-; sondern ihr Zweck ist die Erhaltung des einzelnen Eigentümers und seiner Familie, wie des Gesamtgemeinde- wesens“ (Marx 1974; 375). Um 1500 hatten die Bauern und Handwerker nur marginale Beziehungen zu den städtischen Märkten und zur Geldwirtschaft. Selbstversorgung durch Haushaltsproduktion war in der Bauernwirtschaft ebenso üblich wie an Adels- höfen und im Meisterhaushalt des Handwerks. Die Zeitstruktur der Agrar- und Hauswirtschaft änderte sich im Feudalismus während der ersten Leibeigenschaft (8. bis 13. Jahrhundert) sowie während der zweiten Leib- eigenschaft (16. bis 18. Jahrhundert). Dadurch kam zur eigenen Arbeitszeit durch Einführung von Fronarbeit, Naturalabgaben und Geldrenten zusätzlich die fremd- bestimmte Arbeitszeit für den Feudalherrn. Durch den Zwang zur Mehrarbeit für den Feudalherrn waren die Bauern in ihrer Zeitdisposition zum Teil den herrschaftlichen Anordnungen der Feudalherrn (neben der Sonne als natürlicher Instanz waren sie eine zweite Instanz der Zeitstrukturierung) unterworfen. Die Zeitstruktur änderte sich insofern, als sich die Produktionszeit der Bauern jetzt auch an der Sättigung eines fremden Bedarfs orientieren musste (vgl. Scharf 1987; 30). Die Arbeitszeiten bzw. die 61 Zeitstruktur des mittelalterlichen Handwerks waren ähnlich wie von Bauern. Auch das Handwerk war zuerst auf Selbstversorgung ausgerichtet. Die handwerkliche Produktion basierte auf Bestellungen und nicht auf einen anonymen Markt. Die Zeitstrukturen des Handwerks waren mit den Zeitmaßen verbunden, die die künstlerische Gestaltung eines Werkes erforderte. Die Arbeit auf Bestellung und die Möglichkeit, den Rhythmus des unmittelbaren Arbeitsprozess selbst zu bestimmen, konstituierten eine aufgaben- orientierte Zeiteinteilung. Die Arbeit der Handwerker war auf die Erfüllung konkreter Aufgaben gerichtet. Sonnenaufgang und Sonnenuntergang bildeten den zeitlichen Rahmen. Die Dauer wie die Intensität der täglichen Arbeit wechselten mit dem Wetter, den Jahreszeiten, dem Arbeitsanfall und schließlich mit den Gewohnheiten des Meisters. Das Handwerk musste dabei die Vorgaben der Kirche, der städtischen Räte und der Zünfte berücksichtigen. Die Kirche bestimmte die Zeiten der Gottesdienste, Predigten und die Feiertage. Der Einfluss der städtischen Räte auf die Zeitstruktur des Handwerks war gegenüber der Kirche geringer. Nur die vom Rathaus aus festgelegten Öffnungs- und Schließzeiten der Stadttore hatten für die Austauschprozesse eine Bedeutung. Einen sehr großen Einfluss auf die Zeitstrukturen des Handwerks hatte die Zunft. Die Regeln der Zünfte, die sämtliche Zunftangehörigen erfassten, orientierten sich an Normen und Werten, die auf eine dem jeweiligen sozialen Stand entsprechende Existenzsicherung ausgerichtet waren. Die Arbeitszeit war normalerweise nicht aus- drücklich fixiert. Jedoch gab es schon im 13. Jahrhundert in bestimmten Textilstädten Werkglocken, welche die Arbeitszeit und die Pausen innerhalb der Stadt für bestimmte Gewerbe signalisierten. Die Werkglocken oder Weberglocken waren Symbole des politischen Gewichts der Zünfte. Werkglocken waren auch ein Hinweis auf die zunehmende Bedeutung städtischer Lohnarbeit. Denn die zunehmende Größe der Betriebe und die wachsende Zahl der Gesellen, die keine Chance hatten, je als Meister eine eigene Werkstatt zu betreiben, schufen eine wachsende Anzahl Taglöhner, die eine Konfliktpartei um die Arbeitszeit wurden. Mit der Herausbildung des Handelskapitalismus begann ein qualitativer Wandel der Zeitorganisation. Die Warenproduktion entwickelte sich zwischen dem 15. und 18. Jahrhundert und die Tauschorientierung der Produktion nahm zu. Das lag darin, dass in der Landwirtschaft sich eine Revolution vollzog, da die Entmachtung der alten Aristokratie die letzten feudalen Barrieren niedergerissen hatte, die einer markt- orientierten, auf freier Lohnarbeit und kapitalistischen Pachtverhältnissen beruhenden Wirtschaftsweise im Wege standen. Die Zunahme des Warentauschs verlangte nach einem selbständigen Ausdruck der Warenwerte. Geld, Arbeit und Zeit als Konstitutions- elemente der modernen Wirtschaftsgesellschaft gewannen enorm an Bedeutung. Die 62 zyklische Zeit des Mittelalters, in der sich mit dem Aufkommen von Waren auch schon die Momente einer Linearität herausgebildet hatten, wurde allmählich von einer abstrakten Zeit abgelöst. Diese neue Zeit hatte ihre ökonomische Grundlage in der Interessenorientierung der Kaufleute, die auf einen möglichst schnellen Umschlag ihres Kapitals abzielte. Ihre Zeitorientierung führte dazu, dass zuerst die Arbeitszeit der von ihnen beschäftigten Handlungsgehilfen und später auch die Arbeitszeit der in Abhängigkeit vom Handelskapital geratenden Handwerker verlängert wurde. Das führte zu einer gesellschaftlichen Neubestimmung der Zeitstruktur. Zeit wurde zu einer Ressource, die unter Effizienzgesichtspunkten bewirtschaftet werden sollte. Die Abhängigkeit vom Kaufmannskapital und damit die Orientierung an bestimmten Terminen an denen produzierte Waren abgeliefert werden sollten, verursachten die Verlängerung der Arbeitszeiten. Die Tendenz zur Arbeitszeitverlängerung entsprang der Form der Entlohnung. Sie richtete sich nach der Menge der abgelieferten Waren. Um die Handwerker zur Produktion von mehr Waren zu motivieren, wurden die Lohnsätze herabgesetzt. Denn die Handwerker produzierten freiwillig nur solange, bis sie meinten, mit dem erzielten Lohn ihre traditionellen Bedürfnisse befriedigen zu können. Bei niedrigen Stücklöhnen mussten sie mehr Waren produzieren, d.h. ihre Arbeitszeit verlängern: „Die Arbeitszeit findet in der konkreten Erfüllung des Bedürfnisses eines Kunden keine Grenzen mehr – im Auftrag des Kaufmanns, der am prinzipiell grenzenlosen Umschlag seiner Waren interessiert ist, wird sie immer kontinuierlicher und intensiver“ (Neckel 1982; 47). Die im 18. Jahrhundert in verstärktem Umfang festzustellende Tendenz zur Ökono- misierung der Zeit in der Form von Arbeitszeitverlängerung ergriff neben dem Handel und dem Handwerk auch den Bergbau und das Hüttenwesen. Im Bergbau war die Dauer der Schicht durch die Bergordnungen festgelegt. Da das Fahren von Doppelschichten verboten war, erfolgte eine Verlängerung bzw. Flexibilisierung der Arbeitszeiten in Form von meistens vierstündigen Nebenschichten im Anschluss an die normalen Schichten oder durch die Umwandlung von Weilschichten, d.h. der Zeit, die den Bergarbeitern zur Schürfung auf eigene Rechnung oder für den eigenen Kohlenbedarf eingeräumt war, in normale Arbeitsschichten. Diese Tendenz und die Ersetzung des Schichtlohns durch Akkordlohn deuteten eine Veränderung des Arbeitszeitprozesses an, mit denen auf eine kontinuierliche und intensive Nutzung der Arbeitszeit abgezielt war. Eine ähnliche Entwicklung zeigte sich auch im Hüttenwesen. Die technologische Entwicklung zwischen dem 15. und 18. Jahrhundert und die Entwicklung des Hoch- ofens führten zur Institutionalisierung des 2-Schichtsystems mit einer zwölfstündigen Arbeitszeit und einer kontinuierlichen Produktion an allen Wochentagen. 63 Eine besondere Form der Arbeitzeitverlängerung bzw. des Versuchs ihrer Durchsetzung seitens der Fabrikanten und Handwerksmeister und des Kampfes gegen die Ver- längerung der Arbeitszeiten seitens der Handwerker bzw. Arbeiter fand ihren Ausdruck im blauen Montag. In ihm drückte sich aus, dass eine neue Ära der Zeitstruktur beginnen sollte. Die Bräuche, Rituale und Feiern der Gesellen, insbesondere der im Anschluss an die Gesellenzusammenkünfte in der Herberge stattfindende Alkohol- genuss wurden von den Meistern und Stadträten zum Anlass genommen, gegen den blauen Montag insgesamt einzuschreiten. 1731 entschied der Reichstag die Beseitigung dieser arbeitsfreien Tage. Im Jahre 1771 wurden die ersten Partikulargesetze erlassen und der blaue Montag wurde als „Unfug“ bezeichnet. Bei Androhung von Geldstrafen, Arrest- und Zuchthausstrafen sowie vorübergehender Berufsverbote sollten die Gesellen an allen Montagen eben so fleißig und lange arbeiten, wie an den übrigen Werktagen. Zusätzlich enthielt der Beschluss einen ökonomischen Anreiz. Damit die Gesellen von der bisherigen Haltung desto besser abgehalten und zur Mehrarbeit ermuntert werden sollten, sollte für die verlängerte Wochenarbeitszeit ein entsprechend höherer Lohn gezahlt werden. Die Gesellen leisteten gegen diesen Beschluss praktischen Widerstand und hielten sich nicht an die Verordnungen. Das Verbot schaffte nicht die Beseitigung des blauen Montags. Zu Anfang des 19. Jahrhunderts wurde seitens der Meister und Stadträte immer wieder bestätigt, dass der blaue Montag von vielen Handwerkern, später auch von Fabrikarbeitern bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts hinein begangen wurde. Max Weber sah den Grund in der Natur des Menschen: „Der Mensch will »von Natur« nicht Geld und nicht mehr Geld verdienen, sondern einfach leben, so leben, wie er zu leben gewohnt ist, und soviel erwerben, wie dazu erforderlich ist“ (Weber 1973; 50). Erst im Prozess der Industrialisierung fand eine strenge Disziplinierung des menschlichen Verhaltens durch die Zeit auf breiter Front statt. 2.1.2. Die Arbeitszeitentwicklung in der Phase der Frühindustrialisierung Mit der Industrialisierung und mit der Möglichkeit der künstlichen Beleuchtung kam es zu Arbeitszeitregelungen, die sich durch Regelmäßigkeit, Zeitdisziplinierung und viele Arbeitsstunden auszeichneten. Und mit der Zeit verlagerte sich der Kampf um die Disziplinierung der Lebensführung und die Rationalisierung der Zeit von außen nach innen. Die Zeitdisziplin und die Anerkennung einer fremden Zeithoheit wurden zur Gewohnheit. Mit der Aufhebung der Feudalverfassung auf dem Lande und der Zunftverfassung in den Städten wurden die Voraussetzungen geschaffen, dass sich Kapital als industrielles 64 Kapital betätigen konnte. Sie griffen von der Zirkulationssphäre auf die Produktions- sphäre über und blieben nicht mehr nur eine Orientierung für die Handels- und Geld- kapitalisten, sondern bekamen Geltung für immer mehr gesellschaftliche Produzenten. Die Devise „Zeit ist Geld“ wurde zum Ausdruck des industriellen Kapitals. Zeit gehörte nicht mehr der Natur oder einem Gott, sondern denjenigen, die in der Lage waren, sie produktiv und möglichst rational zu kaufen und zu verkaufen (vgl. Olk/Hohn/ Hinrichs/ Heinze 1979; 163). Der Verkauf der Ware Arbeitskraft erfolgte aber immer zeitlich befristet, „denn verkauft er sie in Bausch und Bogen, ein für allemal, so verkauft er sich selbst, verwandelt sich aus einem Freien in einen Sklaven“ (Marx 1972; 182). Die gesellschaftliche Umstrukturierung, die ihre Basis im Gegensatz von Kapital und Lohnarbeit ausdrückte, erforderte einen Prozess des Wandels von Orientierungs- und Verhaltensweisen. Trotz der industriellen Entwicklung blieb bis in das 19. Jahrhundert hinein die Wirtschaft in Deutschland immer noch durch die Landwirtschaft bestimmt. Im 1875 waren 49 % der Erwerbstätigen in der Landwirtschaft beschäftigt. 30 % im Gewerbe und 21 % im Handel und in Dienstleistungen (vgl. Henning 1973; 20). Zwar waren zum Beginn des 19. Jahrhunderts deutliche Verschiebungen zu sehen. So waren 1882 in der Land- wirtschaft mehr Arbeiter tätig (5,9 Mio.). Aber die Zahl der Arbeiter, die in der Industrie und im Handwerk beschäftigt waren, erhöhte sich zusammen auf 4.1 Mio. (ebenda; 130). Von der Ausdehnung der Arbeitszeit betroffen war in der Frühphase der Industrialisierung nur ein kleiner Teil der lohnabhängigen Bevölkerung, überwiegend in der kapitalintensiven und großbetrieblichen Textilindustrie. Diese Phase der industriellen Revolution ließ sich auch durch die Veränderung der Arbeitszeitstruktur und durch Verlängerung der Arbeitszeit charakterisieren. Mit der Durchsetzung indus- trieller Produktion ging ein Abbau der Möglichkeiten individueller Arbeitszeitrege- lungen einher. Die Fabrikarbeit hatte die Verwandlung von Lebenszeit in reine Arbeitszeit zur Folge und führte zu einem Prozess der Reduzierung vielfältiger Dimensionen von Sinn und Bedeutungsgehalten sozialer Zeit auf die eindimensionale Rationalität der zeitlichen Anwendung von Arbeitskraft. Das Lohnarbeitsverhältnis bedeutete für die Fabrikarbeiter eine klare räumliche Trennung von Haushalt und Arbeit, von Wohnung und Arbeitsplatz. Diese räumliche Trennung erleichterte es den Fabrikanten, die Gesamtarbeitzeit, die die Fabrikarbeiter in der Fabrik verbrachten, in produktive Zeit für seine Verwertung zu verwandeln. Neben der Zeitdisziplin, die sich aus der technischen Logik begründete, führte die starre Bindung der Arbeitszeit an die Betriebszeiten im Anfang des Fabrikssystems zur über- mäßigen Ausdehnung der Arbeitszeit. Arbeitszeit und Betriebszeit wurden ineins gesetzt, die Arbeitsstrukturen wurden allein nach der technischen Logik der Anlagen 65 und nach der ökonomischen Logik der Entlohnungssysteme gestaltet. Dies führte zu Arbeitsbedingungen, die die Erfordernisse der physischen und der psychischen Repro- duktion der Arbeiter völlig außer Acht ließen. Demzufolge verstärkten sich die Ver- längerung der Arbeitszeiten und Veränderungen der Zeitstrukturen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Tägliche Arbeitszeiten von 14 bis 16 Stunden, die Ende des 18. Jahrhunderts in Manufakturen üblich waren, setzten sich auch in Fabriken und im Hand- werk durch. Meinert schätzt für die Zeit zwischen 1830 bis 1860 die durchschnittliche tägliche Arbeitszeit auf 14 bis 16 Stunden und die wöchentliche Arbeitszeit auf etwa 80 bis 85 Stunden (Siehe Abb. 7). Abb. 7: Durchschnittliche tägl. und wöch. Arbeitszeit in der Industrie von 1800 bis 1900 Jahr Tägliche Arbeitszeit (in Std.) Wöchentliche Arbeitszeit (in Std.) Um 1800 10-12 60-72 1820 11-14 66-80 1830-1860 14-16 80-85 1861-1866 12-14 78 1867-1870 12 78 1880-1886 11,5 72 1887-1893 11 66 1894-1901 10,5 63-65 1902 10,5 61-63 Quelle: Meinert 1958; 5ff Marx bezeichnete die Verlängerung der Arbeitszeit als eine Methode der Produktion des absoluten Mehrwerts und ordnete sie in erster Linie der Phase der formellen Subsumtion der Arbeit unter das Kapital zu. Somit wurde die Tendenz angelegt, den Arbeitstag zu verlängern, solange dem keine natürlichen und/oder gesellschaftlichen Schranken entgegenstehen. Arbeitszeitverlängerungen, Verbot des blauen Montags, 66 Verkürzungen der Essenpausen und die Ausschaltung anderer Betätigungen aus der Gesamtarbeitszeit waren deutliche Signale für die Durchsetzung der linearen Zeit. „Die Arbeiter in der Industrie führten anfangs – und teilweise bis über die Jahrhunderte hinaus – einen individuellen und informell- kollektiven Kampf gegen das neue Zeitregime. Auf vielfältige Weise versuchten sie, sich dem Totalitätsanspruch der Fabrikarbeit, die kein »Leben« außerhalb der Arbeit zuließ, zu entziehen, und sie verweigerten die Unterwerfung unter die liniearisierte, gegenüber der vorindustriellen Produktionsweise von natürlichen Rhtymen und entsprechenden Sinngehalten entleerte kapitalistische Zeitordnung, in der die Lebenszeit der Arbeitskraft nunmehr als berechenbare, beliebig teilbare, käufliche und verkäufliche Größe Eingang fand (vgl. Olk/Hohn/Hinrichs/Heinze 1979; 153ff). So verließen z.B. die Arbeiter häufig ihre Arbeitsstelle in der Fabrik, wenn der erzielte Verdienst ausreichte um wieder für einige Zeit in den angestammten, agrarisch geprägten Lebenszusammenhängen die Existenz zu gewährleisten; sie erschienen unpünktlich im Betrieb, und dort versuchte man, die produktive Ausnutzung der Anwesenheit durch Verlassen des Arbeitsplatzes, Herbei- führung von Maschinenausfall, exzessiven Alkholkonsum während informeller Pausen usw. zu sabotieren“ (Hinrichs 1988; 26). Die Unternehmen waren umso mehr bemüht, die Arbeitszeiten zu kontrollieren, die Pünktlichkeit immer restriktiver zu definieren und Verstöße gegen Zeitdisziplin zu bestrafen. So wurden z.B. bei der Kruppschen Gußstahlfabrik gegen die Delikte Geldstrafen verhängt (Siehe Abb. 8). Abb. 8 : Liste der Delikte bei Krupp im Jahr 1892 Delikte Anzahl der Bestrafungen Schlafen während der Arbeitszeit 79 Vorzeitige Beendigung der Arbeit 17 Wirtshausbesuch 8 Verlassen der Arbeit, Baden während der Arbeitszeit 28 Einschmuggeln von Brantwein 46 Betrunken zur Arbeit/Betrunken im Dienst - Arbeiter - Beamte 17 2 Quelle: Deutschmann 1985. Seite 91 67 Die Verlängerung der Arbeitszeiten schlug sich unter den Fabrikarbeitern und Handwerkern in Widerstand und Unmut nieder, als die materiellen Lebensumstände immer unerträglicher wurden. Als die Missernte von 1846 die Lebenshaltungskosten verteuerte und die Wirtschaftskrise im Jahre 1847 zu massenhafter Arbeitslosigkeit führte, organisierten die Arbeiter und Handwerker kollektive Kämpfe gegen die Interessen des Kapitals. Gegenüber den früheren einzelnen Streiks, in denen es hauptsächlich um Lohnerhöhungen ging, rückte nun die Arbeitszeit in den Mittelpunkt. Außer Streiks artikulierten die Lohnarbeiter ihre Arbeitszeitinteressen in Ver- sammlungen und schriftlich (Zeitungen, Flugblätter und Petitionen), ohne die Arbeit niederzulegen. Die Verkürzung der Arbeitszeiten sollte den Beschäftigten eine ver- besserte Reproduktion, Freizeit, Bildung und eine demokratische Mitwirkung in Staat und Gesellschaft bringen. Marx hatte diese Forderung bei der Gründung der Ersten Internationale in die Programmatik aufgenommen. Während des ersten Kongresses in Genf 1866 wurde sein Vorschlag als Grundsatz für die Bestrebungen der Internationale angenommen: 'Wir erklären die Beschränkung des Arbeitstages für eine Vorbedingung, ohne welche alle anderen Bestrebungen nach Verbesserung und Emanzipation scheitern müssen. Sie ist erheischt, um die Gesundheit und körperliche Energie der Arbeiterklasse, das heißt der großen Masse einer jeden Nation, wiederherzustellen und ihr die Möglichkeit geistiger Entwicklung, gesell- schaftlichen Verkehrs und sozialer und politischer Tätigkeit zu sichern. (...) Wir schlagen 8 Arbeitsstunden als gesetzliche Schranke des Arbeitstags vor. Diese Beschränkung wird bereits allgemein verlangt von den Arbeitern der Vereinigten Staaten Amerikas, und der Beschluß des Kongresses wird sie zur allgemeinen For- derung der Arbeiterklassen der gesamten Welt erheben“ (Marx 1962; 192). Der 8- Stunden-Tag wurde von Kommunisten zum Symbol für soziale und politische Freiheit der Beschäftigten erklärt. In unterschiedlichen mündlichen und schriftlichen Formen wurde die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung immer mehr zum Ausdruck gebracht. So wurden in einzelnen Fällen eine Verkürzung der täglichen Arbeitszeit auf 8 bzw. 10 Stunden und die Abschaffung der Sonntagsarbeit verlangt. Jedoch waren die Wirkungen solcher Kämpfe in den ersten Jahren der industriellen Entwicklung nicht so ausschlaggebend. Das lag zum einen daran, dass in den praktischen Bewegungen eine gemeinsame Interessen- definition und –artikulation fehlte und die Konkurrenz untereinander tendenziell nicht aufgehoben war und zum anderen bestanden zu der Zeit Koalitions- und Streiksverbote. Dagegen zu verstoßen bedeutete in der Regel den Verlust des Arbeitsplatzes und auch Sanktionen des Staates. Die erste Generation der industriellen Lohnarbeiter, insbe- sondere die Ungelernten aus der Landbevölkerung und den städtischen Unterschichten 68 (Landarbeiter, Kleinbauern und Heimarbeiter) waren nicht bereit die oben genannten Risiken einzugehen. Der Durchbruch zu Massenbewegungen unter gewerkschaftlicher Organisation vollzog sich zwischen 1860 und 1890. In den 1890er nahm die Zahl der Arbeitskämpfe und das Wachstum der Gewerkschaftsorganisationen enorm zu. Michels stellt in diesem Sinne fast, dass „die Verurteilung des Lohnarbeiters zu lebenslänglicher Zugehörigkeit zum Proletariat der festeste Kitt für das Klassenbewusstsein ist“ (Michels 1926; 267). Auch die Unternehmer waren nicht in der Lage ihre Interessen kollektiv durchzusetzen. Es gab zwar verschiedene lokal eingeschränkte Bestrebungen – durch Absprachen unter- einander – gemeinsam vorzugehen, die aber meistens bald wieder nicht mehr eingehal- ten wurden. „Dauerhaftes gemeinsames Vorgehen der Unternehmer (z.B. Verkürzung der täglichen Arbeitszeiten) kam deshalb nicht zustande, weil einerseits einzelne Unter- nehmen immer wieder darauf bestrebt waren, sich kurzfristige Vorteile zu schaffen und anderseits für die Einhaltung der Absprachen sowie Sanktionierung der Verstöße keine einheitliche Instanz existierte“ (Hinrichs 1988; 29). Die Streikbewegungen der Arbeiter und der dauerhaft hohe Organisationsgrad in den Gewerkschaften zwischen 1860 und 1890 waren für die Arbeitszeitentwicklung von historischer Bedeutung. So wurde die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung neben Lohnerhöhungen zur zweitwichtigsten Forderung in den Arbeitskämpfen. Mit den Forderungen für höhere Löhne und kürzere Arbeitszeiten sollten ausreichend Zeit für die Reproduktion der Arbeitskraft gewährleistet, durch die gleichmäßige Verteilung der vorhandenen Arbeit auf Beschäftigte und Arbeitslose zum Abbau der Arbeitslosigkeit beigetragen sowie über die Verringerung der industriellen Reservearmee (damit der Druck seitens der Reservearmee verringert wird), die Durchsetzung von Lohn- erhöhungen erleichtert werden. Zudem verlangte „die Rationalisierung der kapitalis- tischen Produktion durch Anwendung technisch-organisatorischen Fortschritts und der Übergang von extensiver zu intensiver Nutzung menschlicher Arbeitskraft eine kürzere, aber regelmäßigere Arbeitszeit als »subjektive Bedingung der Kondensation der Arbeit« (Marx 1972: 434). Und eine von den traditionellen Ansprüchen und Lebensweisen entwurzelte »modernisierte« Arbeiterschaft forderte kürzere Arbeitszeiten, um durch ausreichend lange und regelmäßige Regenerationsphasen ihre Marktgängigkeit zu erhalten und über ihre Rolle als personifizierte Arbeitszeit hinaus sich Freiräume für Aktivitäten außerhalb der Erwerbsarbeit zu schaffen“ (ebenda; 36). Der steigende Kapitaleinsatz und die wachsende Kompliziertheit der Maschinen erforderte eine hohe Regelmäßigkeit der Arbeitszeit und Berechenbarkeit des Arbeits- einsatzes, um die rationale Organisation des Betriebsablaufs zu gewährleisten. Dabei 69 spielten die diversen Maßnahmen der Unternehmen, um die Arbeiter zu stetiger Arbeitsleistung, Pünktlichkeit, Selbstdisziplin und Verantwortlichkeit zu erziehen, eine bedeutende Rolle. Gleichzeitig erforderte die technologische Entwicklung, die komplizierte Maschinen und Anlagen mit sich brachte, eine qualifizierte Facharbeit auf der Basis einer handwerklichen Lehre und/oder einer industriellen Ausbildung. Dementsprechend änderte sich die Personalpolitik der Unternehmen. In den 1880er Jahren waren die Unternehmen bemüht, die qualifizierten Arbeitskräfte langfristig zu binden und die hohe Fluktuation, ausgelöst durch Unzufriedenheit der Arbeiter zu verhindern. Eine hohe Fluktuation der Arbeitskräfte versprach keine effektive Produktion und Vorteile am Markt: Einige Großunternehmen setzten den Arbeitszeit- verkürzungsbestrebungen der Arbeiter bzw. ihren Organisationen nur wenig Widerstand entgegen, weil sie dadurch hofften, die besten und qualifizierten Arbeiter auf sich ziehen zu können oder deren Abwanderung in Betriebe mit bereits kürzerer Arbeitszeit zu verhindern sowie ihre Position am Markt gegen Neueindringlinge und leistungs- schwächere Betriebe zu behaupten bzw. zu verbessern. Dies wiederum war Initiator für die Bildung organisierter Kerne einer selbstbewussten Arbeiterschaft, die nicht mehr auf der Grundlage der traditionellen Gesinnung standen und mit den Verhältnissen zufrieden waren, sondern um Verbesserung der Lebenshaltung, Realisierung eines höheren Lebensstandards und um die Verkürzung der Arbeitszeiten kämpften. Hinrichs beschreibt diese Phase wie folgt: „Der Arbeiter muß den Gegensatz von »Arbeitszeit« und »Freizeit« selbst bewältigen und vermitteln. Dies erfordert die Ausbildung von Selbstkontrolle und- disziplin und führt zu einer immer weiter in die Zukunft ausgreifenden Rationalisierung und Systematisierung des Arbeits- und Freizeitverhaltens, das auf die Verbesserung der eigenen Lage und die individuelle und kollektive Bewältigung von Zukunftsrisiken gerichtet ist“ (Hinrichs 1988; 48). Allerdings muss hier festgestellt werden, dass die Arbeitszeitentwicklung ähnlich wie die Industrialisierung keinen homogenen, sondern einen heterogenen Verlauf hatte. Dabei spielten verschiedene einflussreiche Faktoren eine wichtige Rolle. Zum einen war die Proletarisierung innerhalb der Arbeiterschaft sehr unterschiedlich ausgeprägt. In Großunternehmen mit selbstbewussten Arbeiterschaft war die gewerkschaftliche Organisation und Interessenvertretung für den eigenen Standpunkt gegenüber kleineren und mittelständischen Unternehmen, in denen zum größten Teil weiterhin ungelernte Arbeitskräfte tätig waren, sowie in den Ballungszentren, gegenüber ländlichen Gegenden viel effektiver und fortgeschrittener. Zum anderen war auch die Heterogenität und der Konkurrenzkampf innerhalb der Unternehmen groß. Die Kleinbetriebe, die in der Regel nicht mit modernen Maschinen ausgerüstet waren und mit großen Unternehmen konkurrieren mussten, versuchten die Akkumulation ihres 70 Kapitals durch besonders lange Arbeitszeiten, durch niedrige Löhne und durch Einsparungen an den Arbeitsbedingungen auf Kosten der Arbeiter zu verbessern. Weitere Faktoren waren u.a. der Konkurrenzkampf innerhalb der Belegschaften, der Konkurrenzkampf der einzelnen Unternehmen untereinander um mehr Profit und um qualifizierte Arbeiter, die Kräfteverhältnisse zwischen den Unternehmen und der Arbeiter, der Organisierungsgrad der Arbeiter bei den Gewerkschaften in den einzelnen Gewerben, der Organisierungsgrad der Unternehmen in den einzelnen Gewerben sowie die staatlichen Regelungen und Beschränkungen. Hier ist es wichtig zu erwähnen, dass die Arbeitszeit bis 1891 auch von gesetzlichen Regelungen unbeschränkt blieb. Erst 1891 – nach der Streikbewegung von 1889 für die Einführung der 8-Stunden- Schicht im Bergbau - wurde ein Entwurf von der sozialdemokratischen Fraktion im Reichstag eingebracht, der die gesetzliche Einführung des Achtstundentages zum 1. Januar 1898 vorsah. Die Reduzierung der Arbeitszeit auf gesetzlichem Wege wurde jedoch im Reichstag abgelehnt. Die Ablehnung wurde mit der Argumentation, dass die Exportindustrie dadurch ihre Konkurrenzfähigkeit verlieren und in der Folge negative Auswirkungen auf die gesamte Industrie zu befürchten sei, begründet. Für notwendig wurde die Einführung eines Maximalarbeitstages von 10 bis 11 Stunden gehalten. Die Festlegung der Arbeitszeiten durch staatliche Regelungen wurde als Eingriff in die Vertragsfreiheit betrachtet: „Grundsätzlich sollten sich die Arbeiter die Verkürzung der Arbeitszeit selber erkämpfen, weshalb ihnen die unbedingte Koalitionsfreiheit garantiert werden müsse“ (Harms 1907; 36). So wurden im Rahmen des Arbeitsruheschutzes nur das Nachtarbeitsverbot für Frauen, die Sonn- und Feiertagsruhe sowie Dauer und Lage von Arbeitspausen geregelt. Ab 1890 gewann die Arbeitszeitentwicklung eine neue Dimension. Bis zu der Zeit wurden die Auseinandersetzungen und Verhandlungen um Arbeitszeitverkürzung hauptsächlich zwischen den Arbeiterkomitees und Unternehmer geführt. Ab 1890 wurden die Gewerkschaften, auch durch die Aufhebung des Sozialisationsgesetzes immer stärker und entwickelten sich zu Massenorganisationen. Auch die Unternehmen begannen ab 1890 sich in Arbeitgeberverbänden zu organisieren. Mit der Gründung von zentralisierten Zusammenschlüssen und Arbeitgeberverbänden auf lokalen Ebenen versuchten die Unternehmen die Forderungen der mittlerweile sehr stark gewordenen Gewerkschaften wirkungsvoll abzuwehren. „So »erleichterte« die Vereinigung von Arbeitgebern zu Verbänden mit hoher Verpflichtungsfähigkeit gegenüber ihren Mitgliedern den Gewerkschaften die Durchsetzung ihrer Forderungen, wenn und weil die daraus evtl. resultierenden Belastungen alle Unternehmen in annähernd gleichem Umfang traten. Denn die flächendeckende Vereinbarung kürzerer Arbeitszeiten schützte die beteiligten Unternehmen vor den Risiken unilateralen Vorpreschens oder Nach- 71 gebens gegenüber Gewerkschaftsforderungen, und sie bescherte ihnen darüber hinaus einen zeitlich begrenzten Arbeitsfrieden, damit Kalkulationssicherheit und auch die Ausschaltung der »Schmutzkonkurrenz«“ (Hinrichs 1988; 55). Als weiterer Indikator für die Durchsetzung des eigenen Standpunktes seitens der Gewerkschaften in einzelnen Branchen kann die Einführung und Durchsetzung von Tarifverträgen genannt werden. Ende der 1860er Jahre und in der ersten Hälfte der 1870er Jahre war die gewerkschaftliche Tarifpolitik zuerst auf die Druckindustrie, das Baugewerbe und das Metallhandwerk beschränkt. Ab 1885 durch die zunehmenden Streikbewegungen und durch die gewerkschaftliche Organisierung der Lohnarbeiter /innen nahm die kollektive Regelung der Arbeits- und Entlohnungsbedingungen in schriftlicher Form zu. Anfangs breitete sich das Tarifvertragswesen schwerpunktmäßig im Handwerk und in Klein- und mittelständischen Betrieben aus. Die Gewerkschaften konnten umso öfter Tarifverträge abschließen, je höher ihr Organisationsgrad war und je höher die Unternehmen in Arbeitgeberverbänden organisiert waren. Die Antwort der Unternehmen gegen die steigende Organisierung der Lohnarbeiter in den Gewerk- schaften fand ihren Ausdruck in der Gründung verschiedener wirtschaftspolitischer Interessen- und Arbeitgeberverbände. So wurden nach und nach der „Centralverband Deutscher Industrieller“ (CVDI), die „Hauptstelle Deutscher Arbeitgeberverbände“, der „Bund der Industriellen“ (BDI), der „Verein Deutscher Arbeitgeberverbände“ (VDA) sowie der „Gesamtverband Deutscher Metallindustrieller“ (GDMI) gegründet um die eigene Position gegenüber den Gewerkschaften als Tarifvertragspartei zu vertreten. 2.1.3. Die Arbeitszeitentwicklung in der Metallindustrie bis zum 2. Weltkrieg In der Metallindustrie sowie in der Eisen- und Stahlindustrie waren Umfang und Form der Arbeitzeiten wie in den anderen Branchen sehr unterschiedlich und die Entwicklung sehr heterogen. Diese Entwicklung war bedingt durch die unterschiedlichen ökono- mischen, sozialstrukturellen und machtpolitischen Bedingungen in den einzelnen Produktionszweigen und Regionen. Nach vielen Streikbewegungen für die Verkürzung der Arbeitszeiten in den 1890er Jahren setzte sich in der Metallindustrie der 10-Stunden–Tag als durchschnittliche tägliche Arbeitszeit durch. In vereinzelten Fällen waren ab 1895 auch Arbeitszeiten von 9 bis 9 ½ Stunden zu sehen. Die Obergrenze der täglichen Arbeitszeit lag bei 12 ½ Stunden. Hier ist es zu erwähnen, dass hinter diesen Durchschnittzahlen differenzierte Entwicklungen bezüglich Region und einzelnen Branchen der Metallindustrie zu sehen 72 waren. Eine Erhebung des Deutschen Metallarbeiter-Verbandes (DMV) im Jahre 1910, die in der gesamten Eisen- und Stahlindustrie durchgeführt wurde, verdeutlicht die Unterschiede in der Arbeitszeit zwischen den Regionen und den einzelnen Produktions- zweigen der Metallindustrie. Laut dieser Erhebung - durch die 1,6 Millionen Beschäftigte in 46 000 Betrieben und 1141 Orten erfasst wurden – arbeiteten in allen Städten mit mehr als 100 000 Einwohnern 24,9 % der Metallarbeiter bis einschließlich 54 Stunden. Eine wöchentliche Arbeitszeit zwischen 54 und 60 Stunden hatten in Großstädten 39,2 % der Metallarbeiter. Für 26,2 % galt eine 60-Stunden-Woche und 9,8 % arbeiteten mehr als 60 Stunden in der Woche (vgl. DMV 1911; 29f). Die Arbeitszeitverkürzung ging in den meisten Fällen mit der Einführung und zunehmenden Durchsetzung von Schicht- und Akkordarbeit einher. Der Autofabrikant Henry Ford war einer der wenigen, die schon früh die Nützlichkeit der Schichtarbeit erkannten. So wurde in seinen Werken in den USA die Neunstundenschicht im Januar 1914 in eine Dreimal-Achtstundenschicht geändert. Das Ziel war die Einführung der Fließbandarbeit. Dieses Modell der Arbeitsorganisation verkörperte eindeutig die Disziplin und zwang die Fabrikarbeiter zur Unterordnung unter ihre Zeit, ihre Konti- nuität und ihren Rhythmus. Hier ist zu erwähnen, dass der große Unterschied zwischen Taylorismus und Fordismus darin lag, dass die Werksleitung nicht länger zu erklären brauchte, wie die Planung und Koordination stattfindet, sondern es das Fließband war, das die Art und Weise der Produktion vorschrieb. Die intensive Arbeit verlief jetzt vollständig nach der Uhr und der Synchronisation der Arbeit. Die Tätigkeit des Arbeiters wurde jetzt zeitlich gesteuert, damit die Arbeiten auch zu einem sinnvollen Ganzen sich ordnen konnten. Technische und bürokratische Kontrolle entwickelten sich als neue Stufen in der Entwicklung kapitalistischer Produktionsprozesse. Der neue Produktionsprozess ging mit der Einführung der sog. englischen Arbeitszeit einher. D.h. bei kürze werdenden Arbeitszeiten (Schichtzeiten) wurden die Dauer der Pausen verkürzt, so dass ein Aussetzen der Arbeit nur durch die technisch bedingten Unterbrechungen der Maschinenlaufzeit möglich war. Bei Schichtarbeit wurden sogar in vielen Fällen die regelmäßigen Pausen ganz gestrichen. Die Einführung von Schichtarbeit mit 12-Stunden-Tag und Akkordarbeit war eine Antwort auf die Verkürzung der Arbeitszeiten. Das Zweischicht-System mit 12stündigen Schichten war in der Eisen- und Stahlindustrie sehr verbreitet. Im Jahre 1911 hatten von über 200.000 Beschäftigten 97,7 % eine Schichtzeit von 12 Stunden. Somit hatten die Beschäftigten in der Eisen- und Stahlindustrie einschließlich der Sonntagsarbeit eine wöchentliche Arbeitszeit von etwa 77 Stunden. Zudem hatten die meisten Beschäftigten noch nicht einmal regelmäßige Pausen. 73 Um derartige Verhältnisse aus der Welt zu schaffen versuchte der DMV mit einem Abkommen die Arbeitszeit auf zentraler Ebene zu regeln. So unternahm der DMV 1904 einen Versuch, allgemeine Normen zur Regelung der Arbeitsverhältnisse einzuführen. Die Begründung lautete: „Die fortschreitende Entwicklung der Technik, die weitere Ausdehnung industrieller Anlagen und Verkaufsstätten und die durch sie zum Teil hervorgerufene Entwicklung der Großstädte und Industriezentren zwingt den Arbeiter, in immer weiterer Entfernung vom Verkehrsmittelpunkt für Gewerbe und Handel, an der Peripherie der Stadt oder in Vororten zu wohnen und lässt selbst den, der eine größere Anstrengung infolge der größeren Intensität und Eintönigkeit der Arbeit, wie sie die Vervollkommnung der Technik ebenfalls mit sich bringt, nicht gelten lassen will, das Bestreben der Arbeiter nach Verkürzung der täglichen Arbeitszeit gerechtfertigt erscheinen“ (DMV, 1905; 34ff). Mit den Vertretern der Arbeitgeberseite konnte aber keine Vereinbarung erzielt werden. Demzufolge wurden die Vorteile der Arbeitszeitverkürzung, die in einzelnen Zweigen erzielt waren, für die Beschäftigten in vielen Fällen durch Einführung von Überstunden ausgeglichen. Verkürzungen der „regelmäßigen“ Arbeitszeiten waren somit nur Scheinerfolge, da die Beschäftigten oft Überstunden leisten mussten. Die Stahl- und Metallunternehmen zwangen im Konjunkturaufschwung ab 1910 die Beschäftigten zur Leistung von Überstunden. So leisteten im Jahre 1910 40 % aller in Preußen beschäftigten Eisen- und Stahlarbeiter Überstunden. Im darauf folgenden Jahr stieg dieser Anteil auf 48,5 %. So wurde in Berlin bei den Großbetrieben der Elektroindustrie während der Hochkonjunktur mit zahlreichen andauernden Überstunden bis zu 10 oder 11 Stunden täglich gearbeitet. (vgl. Heiß 1910; 172). Die Forderung nach Überstunden und Arbeitszeitverlängerung bzw. Intensivierung der Arbeit in kürzer werdenden Arbeitszeiten seitens der Unternehmen wurde mit der Argumentation begründet, dass die technologischen Bedingungen der Eisen- und Stahlproduktion zum großen Teil eine kontinuierliche Produktion und Intensivierung der Arbeit als Produktionsmethode bedingen. Diese neue Betriebsführung ging mit den technologischen und arbeitsorganisatorischen Veränderungen einher. Laut den Unter- nehmen erforderten die neuen Technologien eine größere Regelmäßigkeit, Zuver- lässigkeit, Pünktlichkeit und Disziplin der Arbeiter. Den oben genannten Interessen der Unternehmen stand die Forderung der Beschäftigten nach kürzeren Arbeitzeiten gegenüber. Diese Forderung ergab sich u.a. aus den neuen Freizeitinteressen der Beschäftigten. Die Lohnarbeit sollte zunehmend die materiellen Voraussetzungen zur Befriedigung sozialer und geistiger Bedürfnisse in der Freizeit sichern. Dem- entsprechend sollte die Freizeit möglichst lang und die Arbeitszeit möglich kurz sein. Die durch die Produktivkraftentwicklung bedingte Steigerung der Arbeitsproduktivität 74 wurde als Voraussetzung für die Verkürzung der Arbeitszeit angesehen, und umgekehrt sollten Arbeitszeitverkürzungen zu einer größeren Leistungsbereitschaft und –fähigkeit der Beschäftigten beitragen und die Unternehmen zu technischen und arbeitsorgani- satorischen Rationalisierungen veranlassen. So wurde die regelmäßige tägliche Arbeits- zeit vor dem Ersten Weltkrieg von durchschnittlich 11 auf 9 ½ bis 10 Stunden verkürzt. Dieser Entwicklung folgte die Einführung des früheren Arbeitsendes an den Samstagen. So verringerte sich auch die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von 66 auf 56 Stunden. Die Macht der Unternehmen und der Arbeitgeberverbände sowie deren Konzentrations- und Zentralisationsgrad einerseits, und die gewerkschaftliche Stärke, der Organisations- grad der Beschäftigten innerhalb der Gewerkschaften in einzelnen Unternehmen und die Fähigkeit der Gewerkschaften zur Durchführung von Tarif- und Streikbewegungen anderseits, waren also die entscheidenden Faktoren, die die Länge und Rahmenbedin- gungen der Arbeitszeiten in den einzelnen Produktionszweigen der Metall- und Stahl- industrie bis zum Ersten Weltkrieg bestimmten. Für Costas hatte diese Entwicklung bis zum 1. Weltkrieg folgende Determinanten:  „Eine hohe Kapitalintensität, die meistens mit einer hohen Konzentration und Zentralisation einherging, begünstigte lange Arbeitszeiten, Sonntagsarbeit und Überstunden, um die Umschlagszeit des eingesetzten Kapitals zu vermindern und die fixen Kosten auf möglichst viele Produkte zu verteilen.  Kontinuierliche Produktionsprozesse stellten häufig einen Anlass für die zwölfstündige Schicht und Feiertagsarbeit dar.  Das Qualifikationsniveau der zu verrichtenden Arbeiten war dafür verant- wortlich, ob es sich überhaupt für die Unternehmer lohnte, überlange Arbeits- zeiten durchzusetzen oder kürzer, aber präziser arbeiten zu lassen.  Die Konzentration und Zentralisation des Kapitals und die darauf basierende ökonomische, soziale und politische Macht der Unternehmer einerseits sowie  der gewerkschaftliche Organisationsgrad anderseits war maßgebend dafür, ob es den Arbeitern gelang, eine Reduktion der Arbeitszeit durchzusetzen“ (Costas 1981; 269). Diese Entwicklung, die sich hauptsächlich in der Verkürzung der regelmäßigen Arbeits- zeiten ausdrückte, kam in den Jahren des ersten Weltkrieges zum Stillstand. Als der Krieg ausbrach, stellte sich der überwiegender Teil der Gewerkschaftsführungen und der Unternehmer hinter die Regierung des kaiserlichen Deutschland. Kurz nach Kriegsbeginn beschloss die Vorständekonferenz der Freien Gewerkschaften am 2. 75 August 1914 alle Tarifbewegungen einzustellen. Mit dem sog. „Burgfrieden“ sollte von den Gewerkschaften keine Störung des Wirtschaftslebens ausgehen, sondern alles in den Dienst der politischen und organisatorischen Hebung und Stärkung der Widerstandskraft gegen die außenpolitischen Gegner gestellt werden. (vgl. Richter 1959; 39f). Durch diese Beschlüsse blieben tarifpolitische Verbesserungen und weitere Verkürzungen der Arbeitszeiten vollkommen aus. Im Gegenteil: es wurden viele Errungenschaften der Beschäftigten, insbesondere die Arbeitsschutzbestimmungen auf- gehoben oder gelockert. Der Kriegszustand brachte für die Rechtslage der Beschäftigten viele Nachteile. So wurden in vielen Betrieben und Regionen die Sonntagsruhe- vorschriften außer Kraft gesetzt, Überstunden sowie das Dreischicht-System eingeführt und die Arbeitsintensivität erhöht. Infolge der Einberufungen von Männern stellten viele Betriebe die Produktion ganz ein oder führten Kurzarbeit ein. Dies wiederum führte zur Massenarbeitslosigkeit bzw. zur Aufhebung von Beschäftigungs- beschränkungen für Frauen und Jugendliche. Mit dieser Regelung arbeiteten die Frauen in der Kriegs- und Rüstungsindustrie häufiger im Dreischicht-System und hatten einen Arbeitstag von 10 Stunden und mehr. Das Reichsamt des Innern veranlasste 1916 mit einem Rundschreiben an die Bundes- regierungen, dass angesichts fehlender männlicher Arbeitskräfte Frauenarbeit und Nachtarbeit von Frauen zur Deckung des Munitions- und sonstigen Heeresbedarfs verstärkt notwendig seien. Dadurch stieg der Anteil der Arbeiterinnen allein in der Metallindustrie zwischen 1914 und 1918 von 6,6 % auf 32,5 % auf (vgl. Preller 1978; 8). Eine Erhebung des DMV über die „Frauenarbeit in der Metallindustrie zeigt, dass zu der regelmäßigen Arbeitzeit noch für einen Teil der Arbeiterinnen Überstunden und Sonntagsarbeit hinzukamen. Laut dieser Erhebung zufolge leisteten 26 % der Frauen Überstunden und 13 % arbeiteten sonntags. Für die in der Metallindustrie beschäftigten Männer waren die Arbeitszeiten noch schlechter. Durch die Einberufung herrschte ein großer Mangel an qualifizierten Arbeitskräften, so dass die noch in einem Arbeits- verhältnis stehenden Arbeiter noch mehr Überstunden leisten mussten. In dieser Zeit war es üblich, dass die Frauen eine Schichtdauer von 8 Stunden und die Männer von 12 Stunden hatten. Die Einführung der Nachtarbeit für Frauen bot in wirtschaftlicher Hinsicht viele Vor- teile. Zum einen wurde dadurch eine bessere Ausnutzung der Maschinen ermöglicht. Zum anderen fiel durch die Einführung der Nachtarbeit für Frauen bzw. durch Aufhebung der Beschäftigungsbeschränkungen für Frauen die Höhe der Entlohnung der männlichen Arbeitskräfte und tendenziell auch der weiblichen Arbeitskräfte. Neben dem Arbeitskräftemangel bestimmten die Einsparung von Rohstoffen und Verhinderung von Abwanderung der Beschäftigten in der Kriegsindustrie die staatlichen 76 Bestimmungen, die unmittelbare Auswirkungen auf die Arbeitszeit hatten: „Die Maß- nahmen zur Begrenzung der Arbeitszeit während des Ersten Weltkrieges waren nicht aus sozialpolitischen, sondern aus Gründen der Kriegswirtschaft und der Roh- stoffknappheit bestimmt. Mit anderen Worten: Die staatliche Arbeitszeitpolitik bestand darin, erstens den infolge des imperialistischen Krieges eingetretenen Rohstoffmangel (sinkender Import, erhöhter Heeresbedarf) so zu verwalten, daß die Kriegsführung auf keinen Fall beeinträchtigt wurde und zweitens über Arbeitszeitverkürzungen ohne Lohnausgleich in bestimmten Branchen (Konsumgüterindustrie) einen Teil der dort Beschäftigten dazu zu nötigen, ihren Arbeitsplatz aufzugeben und in die Rüstungs- industrie abzuwandern“ (Scharf 1987; 345). Gegen die Bestimmungen und Maßnahmen leisteten die Gewerkschaften keinen Widerstand und wenn dann auf Druck der Beschäftigten. Die Beschäftigten richteten ihre Aktionen hauptsächlich gegen durch die kriegswirtschaftlichen Verhältnisse verursachte Nöte des täglichen Lebens. In Streiks und Protestaktionen bildete neben Lohnerhöhungen und Verbesserung der Ernährungs- situation auch die Verkürzung der Arbeitszeiten den Inhalt der Forderungen. Nach Kriegsende, angesichts der Kapitulation und der Gründung der ersten parlamentarischer Regierung mit Prinz Max von Baden als Reichskanzler, wurden die Schutz- bestimmungen und die Verkürzung der Arbeitszeiten wieder wirksam. Dabei spielten die revolutionären Ereignisse im 1918, ihre Auswirkungen auf Gewerkschaften und die Sorge der Gewerkschaftsapparate um ihre Führungsrolle eine wichtige Rolle. In diesem Zusammenhang legten die Gewerkschaften im Jahre 1918 ein „Sozialpolitisches Arbeitsprogramm“ vor, in dem sie ihre Vorstellungen zur Neugestaltung der Sozial- politik nach dem Kriege darlegten. Konkret wurde in diesem Programm die sofortige gesetzliche Einführung des 8- Stunden-Tages für die Jugendliche und Frauen und des 9-Stunden-Tages für erwachsene Männer gefordert. Begründet wurde die Forderung der Arbeitszeitver- kürzung für die Männer mit den Bedürfnissen nach ausreichendem Schlaf, körperlicher und geistiger Erholung und für die Frauen mit der Wahrnehmung ihrer Haushalts- pflichten. Für Frauen sollte neben der allgemeinen Arbeitszeitverkürzung auch der freie Samstagnachmittag eingeführt werden. Den Gewerkschaften gelang es, den 8-Stunden- Tag, der spätestens seit den 1. Mai Feiern im Jahre 1890 eines der zentralen Ziele der Beschäftigten war, durchzusetzen. Grundlage war die Vereinbarung der Zentralarbeits- gemeinschaft (ZAG), in der die Vertreter der Arbeitgeber und Gewerkschaften eine Arbeitsgemeinschaft bildeten. Mit dieser Vereinbarung wurden die Gewerkschaften zum ersten Mal seit ihrer Gründung von den Vertretern der Arbeitgeber anerkannt. Denn die Arbeitgeberverbände verweigerten bis zum Ersten Weltkrieg den Abschluss von Tarifverträgen mit den Gewerkschaften. 77 Die Einführung des 8-Stunden-Tages ab November 1918 sollte den Beschäftigten mehr Zeit für Erholung, Sport, Bildung, Familienleben, Naturerlebnisse, Hobbys, Vereins- und Gewerkschaftsarbeit ermöglichen. In der Literatur werden zu den Gründen der Einführung des 8-Stunden-Tages auch die Verhinderung der drohenden Überfüllung des Arbeitsmarktes infolge der Entlassung von ca. 6 Millionen Soldaten, das Bestreben der durch Überanstrengung im Kriegsdienst bzw. durch überlange und vielfach zu schwere Arbeit in den Rüstungsbetrieben sowie auf Grund der schlechten Ernährungslage während der Kriegsjahre entkräfteten Bevölkerung ein gewisses Maß an Schonung zuteil werden zu lassen, gezählt (vgl. Hinrichs 1988; 70). Der Widerstand der Unternehmen und Arbeitgeberverbände gegen die Einführung des 8-Stunden-Tages war nichtsdestotrotz sehr groß. Die Arbeitgeberverbände waren in der Meinung, dass längere Arbeitszeiten und eine bessere und effektive Ausnutzung der Betriebsanlagen zur Steigerung der Güter- erzeugung in der Notzeit nach dem Krieg unabdingbar seien. Die Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Lage und die Verpflichtung zu Reparationszahlungen vertragen sich nicht mit einer „Schablonisierung“ bzw. Verkürzung der Arbeitszeiten. Der Widerstand war auch deshalb groß, weil ein Ausweichen auf Überstunden von behördlichen Genehmigungen abhängig war. Die Unternehmen sahen sich durch diese Regelung in ihrer Flexibilität sehr stark eingeschränkt. Da aber die Gewerkschaften wegen der revolutionären Ereignisse sehr gestärkt waren, ihre Mitgliederzahl und Organisationsgrad sich im Vergleich zur Vorkriegszeit wesentlich erhöht hatte, waren die Unternehmen gezwungen, den Forderungen der Gewerkschaften nachzugeben. Die Arbeitgeber waren erst unter der Drohung des Umsturzes bereit, eine Höchstarbeitszeit von 8 Stunden für alle Beschäftigten zu akzeptieren und dies auch nur unter der Voraussetzung, dass die Gewerkschaften dafür Sorge tragen würden, den Achtstunden- tag international durchzusetzen. Bis 1922 hielten die Unternehmen das Abkommen über die Einführung des 8-Stunden- Tages und der 48-Stunden-Woche mit verkürzter Arbeitszeit am Samstag ein. Im selben Jahr aber fand gleichzeitig in mehreren Betrieben und Bezirken eine Wende statt, die zu massiven Arbeitszeitverlängerungen führte. Diese Arbeitszeitverlängerungen fanden in der Form statt, dass behördliche Bewilligungen für Überstunden immer mehr mit dem Hinweis auf die konjunkturelle Belebung begründet wurden. Die Forderung nach Verlängerung der Arbeitszeiten hatte einen „ökonomischen Hintergrund“: „Mit der Verschärfung der Inflation wurden die Arbeitskräfte so billig, daß die Anschaffung neuer Maschinen vollkommen unrentabel erschien. Zudem konnte durch den inflationären Druck auf die Reallöhne auch mit dem alten Maschinenpark aus den Arbeitern ein Höchstmaß an Arbeitsintensität herausgepresst werden. Gleichzeitig bleib 78 trotz dieses Verzichts auf technisch mögliche Rationalisierungen die eigene Konkurrenzfähigkeit auf dem Binnen- und Weltmarkt nicht nur erhalten, sondern konnte sogar mit Hilfe der Geldentwertung weitgehend verbessert werden. Hinter den Forderungen nach Arbeitszeitverlängerungen stand somit vorerst das Interesse, die Inflationskonjunktur bis zum äußersten auszunutzen.“ (Herzog 1975; 218). Die Beschäftigten waren unter dem Druck der Inflation auf die Mehrverdienste durch Überstunden angewiesen. Das wiederum führte immer wieder zu Konflikten zwischen den Beschäftigten bzw. Betriebsräten und Gewerkschaften. Das Interesse der Beschäftigten, mehr Geld zu verdienen und damit die Verluste, die durch die Inflation verursacht wurden, auszugleichen, widersprach dem Interesse der Gewerkschaften an der prinzipiellen Aufrechterhaltung des 8-Stunden-Tages. Die Gewerkschaften zogen die Betriebsräte, die ihre Einwilligung zur Überstunden gegeben hatten, zur Rechen- schaft und drohten mit Ausschluss aus dem Verband. Die Betriebsräte wollten sich dem Wunsch der Beschäftigten nicht entgegenstellen und waren gezwungen, aus ver- schiedenen Gründen notwendig gewordenen Überstunden zuzustimmen. Die „Hyper- inflation“ im Jahre 1923 entwertete die Löhne, die Ersparnisse und somit die finanziellen Rücklagen der Beschäftigten, so dass sie kaum in der Lage waren, sich und ihre Familien zu ernähren. Die „wirtschaftliche Krise“ führte zu Produktionsein- schränkungen und Betriebsschließungen. Dadurch stieg die Zahl der Arbeitslosen bzw. Kurzarbeitenden. Die Arbeitgeberverbände nutzten diese Situation und erhöhten ihren Druck, um den 8- Stunden-Tag zu beseitigen. Sie intensivierten ihre Kritik und verlangten zur Steigerung der Produktion die Verlängerung der Arbeitszeit. Die staatlichen Schlichtungs- und Aufsichtsbehörden gestatteten 1921/22 und 1923 die Ausdehnung der gesetzlichen 8- Stunden-Tag-Bestimmungen. Die Haltung der Arbeitgeber zur Arbeitszeitfrage wurde von VDA wie folgt erläutert: „Das Ziel der Arbeitszeitpolitik muß sein, in allen deutschen Unternehmen den höchsten Nutzeffekt für die Produktion zu erreichen. Wo dies nachgewiesenermaßen nur durch eine Verlängerung der Arbeitszeit erfolgen kann, oder wo nach der gegenwärtigen Beschaffenheit der Betriebe der technische und organisatorische Ausgleich für die ausgefallenen Produktionsstunden noch nicht gewährleistet ist, muß unsere Forderung zunächst auf eine Arbeitszeitverlängerung gerichtet sein“ (VDA 1924; 39). Um die Produktions- und Absatzmöglichkeit voll ausnutzen zu können, forderten die Arbeitgebervertreter nicht nur die Verlängerung der Arbeitszeiten, sondern auch eine verbreitete Flexibilisierung. So forderten sie eine Mehrarbeit durch einseitige Anforderung der Unternehmen von 150 Stunden im Jahr. Außerdem forderten sie, Mehrarbeit nicht nur durch behördliche Genehmigungen und durch Tarifverträge, sondern darüber hinaus durch Betriebsvereinbarungen zuzulassen. 79 Die Gewerkschaften waren nicht in der Lage, gegen diese Forderung gemeinsam Widerstand zu leisten. Den Arbeitgeberverbänden gelang unter diesen Umständen den 8-Stunden-Tag und die 48-Stunden-Woche zu beseitigen. So lag zwischen 1924 und 1928 die tatsächliche Arbeitszeit bis (über) 60 Stunden in der Woche und die tägliche Arbeitszeit betrug 9 bis 10 Stunden und in manchen Zweigen sogar über 10 Stunden. Zudem gelang den Unternehmen in einigen Produktionszweigen in der Stahlindustrie und im Bergbau das 2-Schichten-System einzuführen. Dabei spielte der Erlass der AZVO (Arbeitszeitverordnung) vom 1923 eine wichtige Rolle. Durch den Erlass der AZVO wurde der 8-Stunden-Tag als regelmäßige werktägliche Arbeitszeit durch diverse Ausnahmebestimmungen faktisch aufgehoben und durch den 10-Stunden-Tag als Maximalarbeitstag ersetzt. Nun war eine Überschreitung des 8-Stunden-Tages um 2 Stunden aus Gründen des „Gemeinwohls“ möglich. Ebenfalls waren 2 Stunden Mehrarbeit bei Arbeiten zur Bewachung der Betriebsanlagen, zur Reinigung und Instandhaltung, bei Vor- und Abschlussarbeiten und Verladearbeiten zulässig. Nach den Niederlagen im Kampf um die Arbeitszeit in den Jahren 1923 und 1924 akzeptierten die Gewerkschaften diese staatlichen Regelungen und verzichteten in den darauf folgenden Jahren darauf, in den Tarifbewegungen Forderungen nach Arbeitszeitverkürzungen aufzustellen. Sie beschränkten sich auf Lohnerhöhungen und auf Verminderung der Arbeitslosigkeit. Dennoch forderte der DMV in der Metallindustrie die Rückkehr zur 48-Stunden-Woche bei einem entsprechenden Lohnausgleich sowie die Einführung bzw. Erhöhung von Überstundenzuschlägen. Die Einkommenseinbußen, die durch Kurzarbeit und Arbeits- losigkeit bedingt waren, ließen bei den Beschäftigten das auf Sicherung und Erhöhung der Löhne gerichtetes Interesse gegenüber dem Interesse nach einer kürzeren Arbeitszeit in den Vordergrund treten. Dabei spielte die Verschärfung der Konkurrenz innerhalb der Beschäftigten eine wichtige Rolle. Die Arbeitsplatzunsicherheit, durch Lohn- differenzierungen und durch verschärfte betriebliche Leistungspolitik, die Arbeits- intensivierung, die aus arbeitslosen Menschen entstandene „Reservearmee“ erschwerten eine Vereinheitlichung der Interessen der Beschäftigten durch die Gewerkschaften und die organisierte Auseinandersetzung um die Arbeitszeit in Form einer Konkurrenz zwischen Arbeit und Kapital. Die Zurückhaltung der Gewerkschaften setzte sich bis zur „Stabilisierungsphase“ in den Jahren 1926/27 fort. Die Gewerkschaften nutzten die Stabilisierungsphase - die sich durch die rationalisierungsbedingte Steigerung der Arbeitsproduktivität und durch Stabilisierung geschaffenes gesellschaftlichen Reichtums kennzeichnen ließ – als Argument zur Wiedereinführung des 8-Stunden-Tages. Anfang 1927 stellte der sozialpolitische Experte des ADGB, Franz Spieldt fest, dass das Arbeitszeitproblem in 80 dieser Situation eine besondere Bedeutung gewann. Spieldt wies darauf hin, dass das Arbeitszeitproblem nicht nur ein kulturelles, sanitäres oder arbeitswissenschaftliches, sondern für alle Industrieländer auch ein immer ernsteres arbeitsmarktpolitisches Problem ist. Angesichts drohender Massenarbeitslosigkeit als Dauerzustand sollte geprüft werden „welche normale Arbeitsdauer erforderlich ist, um mit den vorhandenen Arbeitskräften das gegebene Produktionspensum durchführen zu können. Es ist ein einfacher ethischer Grundsatz, daß die Last der notwendigen Arbeit einigermaßen gerecht verteilt wird.“ (Tarnow 1928; 210). Die Gewerkschaften aktualisierten ihren traditionellen Anspruch, die drei grund- legenden Interessen der Beschäftigten gegenüber den Unternehmen zu vertreten:  Das Interesse an der Sicherheit des Arbeitsplatzes,  das Interesse an einem möglichst hohen Lohn,  das Interesse am Erhalt der Arbeitskraft. Die Wiedereinführung des 8-Stunden-Tages bzw. die Verkürzung der Arbeitszeiten sollte eine kompensatorische Funktion übernehmen und als Voraussetzung dafür angesehen werden, dass sich die Beschäftigten in kulturellen, sozialen und politischen Lebenszusammenhängen mehr engagieren. In den gewerkschaftlichen Ver- öffentlichungen wurde diese Vorstellung immer wieder vertreten: „Es bleibt eben hier kein anderer Weg, als die Arbeitszeit nach Möglichkeit zu verkürzen, damit die Arbeiterschaft Zeit hat, ihr eigenes Leben als Menschen neben der Arbeit, nach ihrer Beendigung zu führen. Unter diesem Gesichtspunkt gesehen ist der Kampf um den achtstündigen Maximalarbeitstag ein Kampf um ihr Menschsein, um ihr Familienleben usw.“ (Kranold 1925; 56). Durch veränderte arbeitspolitische Bedingungen sollten bei den Beschäftigten neue Lebensqualitäten geschaffen werden. Tatsächlich stiegen Mitte der 20er Jahre die Mitgliederzahlen bei den Arbeitervereinen wie Arbeiter-Turn- und Sportverein, Arbeitersängerbund, Arbeitersamariterbund, Touristenverein, Arbeiter- Radfahrerverein, Genossenschaften usw. Bis zur Weltwirtschaftskrise war die Arbeitszeitpolitik dadurch gekennzeichnet, die regelmäßige Arbeitszeit zunächst auf 48 Stunden zu begrenzen. Als weitere arbeitszeit- politische Forderung wurde eine Verkürzung der Arbeitszeit auf unter 48 Stunden mit Lohnausgleich als Notmaßnahme zur Entlastung des Arbeitsmarktes gestellt. Denn die ersten Anzeichen der bevorstehenden Krise zeigten sich im Verlauf des Jahres 1929, als die Zahl der Arbeitslosen auf 1,9 Millionen anstieg. Nach dem New Yorker Börsenkrach im Oktober 1929 wurden viele Betriebe und Unternehmen wegen fehlender Aufträge und sinkender Absatzmöglichkeiten stillgelegt. Dadurch stieg die 81 Arbeitslosigkeit kontinuierlich. 1930 waren über 3 Millionen, 1931 über 4,5 Millionen, 1932 über 5,6 Millionen Menschen bei den Arbeitsämtern als Arbeitslos gemeldet. Anfang 1933 stieg die Zahl der arbeitslosen Menschen sogar auf über 6 Millionen. Hinzu kam eine im Krisenverlauf kontinuierlich zunehmende Kurzarbeit. Die über ganz Deutschland verbreitete Kurzarbeit führte zu einem Rückgang der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit. So fiel die durchschnittliche Arbeitszeit von 46 Stunden im Jahre 1929 auf 41,5 Stunden im Jahre 1932. Dieser Rückgang der Arbeitzeiten bzw. der Mehrarbeit war dadurch bedingt, dass die Unternehmen angesichts der geringeren Auslastung der Produktionsanlagen auf die Ausschöpfung der zulässigen Möglichkeiten der Mehrarbeit verzichteten oder Kurzarbeit einführten. Die hohe Arbeitslosigkeit in den Jahren der Weltwirtschaftskrise wurde in den Gewerk- schaften zum Anlass genommen, den Zusammenhang von Arbeitszeit und Arbeits- losigkeit noch stärker hervorzuheben. So verlangte der ADGB 1929 unter anderem, dass „endlich energische Abwehrmaßnahmen gegen die Arbeitslosigkeit durchgeführt werden, wie sie von den Gewerkschaften seit Jahren vorgeschlagen worden sind, zu denen nunmehr auch weitere Verkürzung der Arbeitszeit notwendig wird.“ (ADGB 1930; 73). Dieser Forderung folgte eine eingehende Diskussion über die Forderung nach der 40-Stunden-Woche. Der ADGB Vorsitzende Theodor Leipart erklärte im Jahre 1930, dass bei einer Arbeitslosigkeit von über 3 Millionen die Verkürzung der Arbeitszeit für die Gewerkschaften zu einer bitteren Notmaßnahme wurde. Sie sei eine „Art Selbstversicherung der Arbeiterschaft gegen weitere Entlassungen und darüber hinaus ein Akt der Solidarität gegenüber den Arbeitslosen, denen dadurch die Möglichkeit geboten wird, früher wieder eingereicht zu werden, als sie es nach der bisherigen normalen Arbeitszeitdauer erwarten könnten“ (ADGB 1931; 188). Entsprechend forderte der DMV in Tarifverhandlungen in der Berliner Metallindustrie für alle Beschäftigten den 8-Stunden-Tag bei vollem Lohnausgleich. Neben dieser Forderung wurde eine Anhebung der Mindestlöhne und eine Erhöhung der Löhne für Frauen von 75 auf 85 % der Männerlöhne, die Einführung der 40-Stunden-Woche sowie entsprechende Neueinstellungen verlangt. Die Verhandlungen scheiterten nach der Reichstagswahl, bei der die SPD massive Stimmenverluste und die NSDAP einen sprunghaften Anstieg erzielte. Wie in Berlin scheiterten auch in anderen Tarifsgebieten Versuche des DMV, Verkürzungen der Arbeitszeit durchzusetzen. Insgesamt war in der Metallindustrie während der Weltwirtschaftskrise die regelmäßige 48-Stunden-Woche weit verbreitet.. Als die NSDAP 1933 die Macht ergriff, erhielt die Arbeitszeitentwicklung eine neue Dimension. Als erstes wurde die Gewerkschaften zerschlagen und somit die organisato- rischen und politischen Rahmenbedingungen für eine gewerkschaftliche Arbeits- 82 zeitpolitik total beseitigt. Trotzdem blieb bis Ende des 2. Weltkrieges die Arbeitszeit Gegenstand der politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auseinander- setzung. Die faschistische Diktatur war zu Beginn der Machtergreifung daran interessiert die Arbeitslosigkeit schnell wie möglich zu verringern, damit das Ver- sprechen „Hitler werde die Arbeitslosigkeit beseitigen“ nicht seine Glaubwürdigkeit verlieren sollte. So kam es in den ersten Jahren des Faschismus seitens des Staates und zahlreicher Unternehmen zur Neueinstellungen und Arbeitszeitverkürzungen. Infolge der Aufrüstung ab 1934 stieg die Zahl der Neueinstellungen und die Kurzarbeit nahm ab. Dadurch stieg die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit wieder auf 45 Stunden. Bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges hielt dieser Trend. Um die geplanten Produktionsziele für die Kriegsvorbereitung zu erreichen, wurden ab 1934 weitere arbeitszeitpolitische Maßnahmen ergriffen. Neben der Verlängerung der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeiten wurden Neben- und Überschichten sowie Sonntags- schichten eingeführt und Verordnungen erlassen, um Frauen wieder stärker als Arbeits- kraft einsetzen zu können. Je mehr die Kriegsvorbereitung forciert wurde, desto mehr wurden die Arbeitszeiten verlängert. Ende 1938 berichteten statistische Behörden, dass durch elastische Handhabung der Arbeitszeitverordnung die Wochenarbeitszeiten bis auf 65 Stunden angestiegen sind (vgl. Mason 1975; 847). Noch dramatischer wurde es, als es auf dem Arbeitsmarkt praktisch keine Reserven mehr gab. Der Mangel an weiteren Arbeitskräften führte zu weiteren Arbeitszeitver- längerungen, was allerdings zur folge hatte, dass in vielen Fällen die Beschäftigten die Mehrarbeit verweigerten. Die Behörden berichteten über Ermüdungserscheinungen und sinkende Leistungsfähigkeit der Beschäftigten. Trotz dieser Entwicklung wurden zum 1. September 1939 die Arbeitsschutzbestimmungen für Männer, Frauen und Jugendliche aufgehoben: Für Frauen und Jugendliche wurde die 56-Stunden-Woche zugelassen. Die Dauer der Arbeitszeit bei den Männern wurde unbeschränkt und bei den Frauen bis zu 10 Stunden am Tag. Die Zuschläge für Mehr-, Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit durften nicht mehr an die Beschäftigten, sondern mussten von den Unternehmen an das Reich abgeführt werden. Auch die Urlaubsregelungen wurden außer Kraft gesetzt. Es wurde weiterhin versucht durch propagandistische Maßnahmen die Beschäftigten für weitere Mehrarbeit zu mobilisieren. Besonders im Bergbau, in der Eisen- und Stahlindustrie sind intensive Anstrengungen unternommen worden, um die Arbeitsproduktivität zu steigern. So wurde im Frühjahr 1941 das Fahren von Pflichtschichten an Sonn- und Feiertagen angeordnet. Diese Pflichtschichten wurden mit Zuschlägen bis 150 % „belohnt“. Für Betriebe, deren Produktion als besonders kriegswichtig eingestuft war, wurde die Arbeitszeit freigegeben, so dass anschließend eine Mindestarbeitszeit von 60 Stunden in 83 der gesamten Industriewirtschaft existierte. Und in der Eisen- und Stahlindustrie wurde 1942 das Modell „2 für 3“ eingeführt. Ziel war es, in 3-Schicht arbeitenden Produktionsbereichen durch Schichtzeitverlängerungen eine Schicht einzusparen und die Arbeit von 3 Arbeitern durch 2 Arbeitern machen zu lassen. So sollte die Schichtzeit von 8 auf 12 Stunden verlängert werden. 1942 wurde bei der Herstellung von Panzerwagen, Zug- und Kriegsmaschinen eine tägliche Arbeitszeit von 12 Stunden zugelassen. Im Juli 1943 hob das Reichsarbeitsministerium für alle Arbeiter ab 18 Jahren alle noch bestehenden Beschränkungen der Arbeitszeit auf und gab den Unternehmen freie Hand bei der Arbeitszeitregelung. Im März 1944 ordnete der Minister für die Bewaffnung und Munition für die Luftfahrtindustrie eine wöchentliche Arbeitszeit von 72 Stunden für Männer und von 60 Stunden für Frauen und Jugendliche über 16 Jahren an. (vgl. Werner 1983; 247ff). Die allerletzte arbeitszeitpolitische Maßnahme des Faschismus war eine Verordnung vom 31. August 1944, wodurch alle Betriebe angewiesen waren, die regelmäßige Arbeitszeit für Männer auf 60 Stunden und für Frauen und Jugendliche über 16 Jahren auf 56 Stunden zu verlängern, sofern es der Arbeitsanfall und die Produktionsanlagen bedingen und dadurch eine Produktionssteigerung erreichbar wird. Dem faschistischen Regime gelang die oben genannten Arbeitszeitverlängerungen zum Teil mit materiellen Zugeständnissen wie Wiedereinführung von Mehrarbeitszuschlägen, Geldprämien, Sonderzuteilungen von Lebensmitteln usw. und später mit der Verschärfung der Disziplinierungsmaßnahmen. Da den Beschäftigten ihre Organisation zur Interessen- vertretung, die Gewerkschaft, Arbeitsniederlegungen und sonstige legale Kampfformen verwehrt waren, entwickelten sie neue Formen des betrieblichen Widerstandes. Diese neuen Ausdrucksformen widerständigen Verhaltens drückten sich in sinkender Arbeitsmoral und Arbeitsdisziplin, in Krankfeiern und in anderen Formen des passiven Widerstandes aus. 2.1.4. Die Entwicklung der Arbeitszeit nach 1945 bis 1984 Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurden der 8-Stunden-Tag und die 48- Stunden-Woche wieder eingeführt und die Arbeitszeitverordnung vom 30. April 1938 in Kraft gesetzt. 1945, gleich nach dem Krieg, war die regelmäßige Arbeitszeit angesichts der beschädigten und zerstörten Betriebs- und Produktionsanlagen, fehlenden Rohstoffen, Produktionsverboten und -einschränkungen durch die Besatzungsmächte auf 40 Stunden oder auch weniger festgesetzt. Auch der schlechte gesundheitliche Zustand der Arbeitskräfte, eine unzureichende Ernährungssituation und die allgemeine 84 Stimmung des deutschen Volkes spielten dabei eine Rolle. Diese nachkriegszeit- bedingte Situation führte zwangsläufig zu Arbeitszeitverkürzungen. Erst im 1948 durch die Währungsreform beschleunigten Wirtschaftsausschwung stiegen die durchschnittlichen täglichen und wöchentlichen Arbeitszeiten. Im September 1950 überschritt die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit die 48-Stunden-Grenze und erreichte mit 49 Stunden den Höchststand. Bei der Entwicklung bzw. Verlängerung der Arbeitszeiten auf der betrieblichen Ebene spielten neben den tariflichen Bestimmungen die Chronometrie und die Chronologie eine bedeutende Rolle, d. h. chronologisch durch Wegfall eines Arbeitstages bzw. der Samstagarbeit und chronometrisch durch Ver- kürzung der täglichen oder der wöchentlichen Arbeitszeit (vgl. Schudlich 1987; 16f). In der Nachkriegszeit dominierte zuerst die 48-Stunden-Woche bei einer 5-Tage-Woche. Nach einer Erhebung in Baden Württemberg hatten 1954 37,8 % der Betriebe und 35 % der Beschäftigten die 5-Tage-Woche sowie 57,6 % der Betriebe und 55,1 % der Beschäftigten die 6-Tage-Woche. Zu ähnlichen Ergebnissen kam im Jahre 1953 eine Erhebung der Landesvereinigung der industriellen Arbeitgeberverbände in der Metallindustrie Nordrhein Westfalens: Demzufolge existierte in 40 % der Betriebe die 5-Tage-Woche und in 59 % der Betriebe die 6-Tage-Woche. Die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit betrug in diesen Jahren 47,5 Stunden. 1955 führte das Statistische Bundesamt eine Erhebung über die Wochenarbeitszeiten durch. Danach arbeiteten 77,3 % der Beschäftigten 48 Stunden in der Woche. An der zweiten Stelle kam die 45-Stunden-Woche mit 10,7 %. 25 % der von der Erhebung erfassten Beschäftigten arbeitete in der 5-Tage-Woche und über 70 % dagegen in der 6- Tage-Woche. Eine Abweichung von der 48-Stunden-Woche nach oben bestand vor allem in der Eisen- und Stahlindustrie und in der Chemieindustrie. Beim Dreischicht- system arbeitete ein Teil der Beschäftigten auf Grund der Ausnahmegenehmigungen vom Sonntagsarbeitsverbot auch sonntags. Durch regelmäßige Überstunden arbeiteten im Durchschnitt die Beschäftigten 53,3 Stunden in der Woche. In den 1950er Jahren bildete den Schwerpunkt der Diskussionen die Dauer der Arbeitszeit. Die Gewerkschaften forderten 1952 offiziell die Einführung der 40- Stunden-Woche. Die Verkürzung der Wochenarbeitszeit von 48 auf 40 Stunden sollte nicht im Wesentlichen über eine Verkürzung der täglichen Arbeitszeit erfolgen, sondern über eine Verringerung der Zahl der Arbeitstage pro Woche. Dies galt besonders für berufstätige Frauen. Im Zusammenhang mit der Diskussion um die 40-Stunden-Woche, stellte der DGB–Vorsitzender von Berlin, Ernst Scharnowski folgendes fest: „Die Belegschaften vieler Betriebe und insbesondere die berufstätigen Frauen fordern die 5- Tage-Woche. Ihnen liegt daran, zwei zusammenhängende arbeitsfreie Tage zu haben, und sie sind, wie die Praxis beweist, gern bereit, dafür an anderen Tagen länger zu 85 arbeiten. Als Begründung wird angeführt, daß an einem verlängerten Wochenende bessere Erholungsmöglichkeiten gegeben seien, daß an dem freien Samstagvormittag bessere Einkaufsmöglichkeiten bestünden und behördliche Angelegenheiten sowie häusliche Arbeiten ohne Zeitnot erledigt werden könnten“ (Scharnowski 1954; 245). Seit dem 1. Mai 1952 und dem Beschluss des 2. Bundeskongresses des DGB im Oktober desselben Jahres gehörte die Forderung nach der 40-Stunden-Woche zur Programmatik der Gewerkschaften, damit das berechtigte Interesse der Beschäftigten nach einem langen Wochenende verwirklicht wird. Die Arbeitszeitverkürzung mit der 5-Tage-Woche bei 40 Stunden wurde zu Beginn der 1950er Jahre im wesentlichen mit arbeitswissenschaftlichen und sozial-, kultur- und freizeitpolitischen Argumenten begründet: „Die Beanspruchung des Menschen in der modernen industriellen Welt ist derart gestiegen, daß sie zwingend einen Ausgleich durch verlängerte Freizeit verlangt.“ (Friedrichs 1956; 537). Insbesondere der freie Samstag sollte größere Möglichkeiten zur geistigen und körperlichen Entspannung bringen sowie für kulturelle, sportliche, politische Betätigung und zur Festigung des Familienlebens die notwendige Zeit schaffen (vgl. DGB. Protokoll des BK 1956; 351). Die soziokulturelle Begründung wurde mit arbeitswissenschaftlicher Begründung ergänzt bzw. unterstützt. So schrieb Konrad Schayer vom DGB-Landesbezirk Nordrhein-Westfalen: „Ein seltsamer Wider- spruch kennzeichnet unsere gesellschaftliche Situation: Wir haben mehr zeitsparende Maschinen und Produktionsmittel und doch weniger Zeit als jemals zuvor in der Menschheitsgeschichte. Diese »Zeitnot«, an der die Menschen heute leiden, ist ein Teilaspekt der modernen Arbeitsfrage, die ebenfalls in der Geschichte nicht ihres- gleichen hat. (…) Arbeitszeitverkürzungen können die Voraussetzungen für ein »selbstbestimmtes Tun« schaffen. Erst dann bedeutet ein Mehr an Freizeit für den arbeitenden Menschen ein Mehr an eigenbestimmtem Leben, ein Mehr an Freiheit“ (Schayer 1956; 237ff). Der DGB-Vorsitzender Walter Freitag erklärte zum 1. Mai 1954, dass die Gewerk- schaften das Verlangen der Beschäftigten nach dem arbeitsfreien Wochenende mit allem Nachdruck unterstützen. So sei es die Aufgabe des DGB und seiner Mitglieds- gewerkschaften in der nächsten Zukunft, ihre besonderen Anstrengungen seiner Einführung zu widmen. Eine Ausdehnung der Ruhezeit am Wochenende sollte aber nicht dazu führen, dass zukünftig 48 Stunden in 5 Tagen gearbeitet wird. So traten die Gewerkschaften als prinzipielle Verteidiger des 8-Stunden-Tages auf, bis die 5-Tage- Woche, für die überwiegende Mehrheit der Beschäftigten verbunden mit einem arbeitsfreien Wochenende, zum Standard wurde. Zudem bekundeten die Gewerk- schaften hinsichtlich der Realisierung der 40-Stunden-Woche von Beginn an ihre Bereitschaft, eine stufenweise und den besondere Bedingungen jedes Industriezweiges 86 angepasste Arbeitszeitverkürzung zu akzeptieren. Hierbei ist es wichtig zu erwähnen, dass die Diskussion um die Arbeitszeitverkürzung innerhalb der deutschen Gewerk- schaften auch von der Grundsatzdebatte über die Funktion und Aufgabe der gewerkschaftlichen Tarifpolitik beeinflusst wurde. Zu Beginn der 1950er Jahre brach innerhalb der Gewerkschaften die Diskussion aus; inwieweit die deutschen Gewerk- schaften sich nun auch programmatisch zum Kapitalismus bekennen sollten. Bei den Diskussionen über die Grundsatzfragen gewerkschaftlicher Lohn- und Arbeitszeitpolitik trat an die Stelle systemkritischer Positionen nunmehr eine ausschließlich system- immanente Haltung. Demzufolge sollten sich die Tarifparteien am Produktivitäts- zuwachs als Grundlage für Kooperation und Kompromiss orientieren. Auf dieser Grundlage sollte der Produktivitätszuwachs die Interessen von Kapital und Arbeit gleichermaßen befriedigen. Ab 1955, mit der Debatte „Automation und ihre Auswirkungen auf dem Arbeitsmarkt“ wurde auch die Arbeitslosigkeit in den Diskussionen für Arbeitszeitverkürzung thematisiert. Dabei wurde der gewerkschaftlichen Tarifpolitik als eine weitere Aufgabe die Verhinderung und Abmilderung der Nachteile, die durch Automationsprozesse und Arbeitszeitverkürzungen verursacht wurden, zugewiesen. Der DGB versuchte in Spitzengesprächen mit der BDA eine gemeinsame Erklärung zu erreichen, in der den Tarifvertragsparteien empfohlen werden sollte, die Wochenarbeitszeit zu verkürzen. Die BDA reagierte auf dieser Forderung 1956 mit einem 10-Punkte-Programm. In diesem Programm verlangte sie eine strikte Kopplung der tariflichen Lohnerhöhungen und Arbeitszeitverkürzungen an Produktivitätssteigerungen. Zwar lehnte die BDA die Arbeitszeitverkürzung nicht mehr grundsätzlich ab, verlangte aber, dass die Arbeits- zeitverkürzungen (mit Lohnausgleich) und Lohnerhöhungen zusammen lediglich im Rahmen der „Steigerung der volkswirtschaftlichen Produktivität“ einhergehen musste, die durch Sachverständigenkommissionen festgestellt werden sollte. Zudem lehnte sie die gewerkschaftliche Forderung ab, dass sich die tarifliche Arbeitszeitverkürzungen auf jeden Fall auch effektiv auf die Arbeitszeit auswirken müssten. So hieß es im 10- Punkte-Katalog: „Da kein Betrieb oder eine Gruppe von Betrieben verpflichtet werden kann, eine solche überbetrieblich vereinbarte Arbeitszeitverkürzung einzuführen, bleibt es den Betrieben überlassen, soweit erforderlich, auch eine höhere effektive Arbeitszeit gegenüber der überbetrieblich vereinbarten durchzuführen.“ (BDA 1956; 124ff). Für den DGB und seine Einzelgewerkschaften waren diese Bedingungen unakzeptabel. Die Gespräche zwischen dem DGB und der BDA wurden daraufhin nicht mehr weiter- geführt und die Initiative für die Arbeitszeitverkürzungen vom DGB auf die Einzel- gewerkschaften übertragen. Ausschlaggebende Tarifergebnisse für den Übergang von der 48-Stunden-Woche zur 40-Stunden-Woche für einzelne Industrien waren die Tarifverhandlungen in der Metall- und Automobilindustrie. Das Ergebnis der Tarif- 87 verhandlungen für die rund 2,5 Millionen Metallarbeiter hatte Modellcharakter für andere Branchen. Nachdem auf zentraler Ebene die Gespräche scheiterten, startete die IG Metall 1956 für die Einführung von 40-Stunden-Woche bei 5 Arbeitstagen eine Kampagne mit der Parole „Samstags gehört Vati mir“. Zuvor, im Jahre 1955 hatte die IG Metall ein für das Wolfsburger Volkswagen-Werk entworfenes Konzept zur stufenweisen Einführung der 40-Stunden-Woche vorgestellt. Danach sollte im Frühjahr 1956 die 45 ½ Stunden-Woche mit 2 freien Samstagen im Monat eingeführt werden. Im Herbst 1956 sollte der Übergang zur durchgängigen 5- Tage-Woche bei 40-Stunden-Woche für Schichtarbeiter und bei 42 ½ Stunden-Woche mit einer 8 ½ stündigen Arbeitszeit für alle übrigen Beschäftigten erfolgen und ab Frühjahr 1957 für alle Beschäftigten die 40-Stunden-Woche gelten. Anschließend kündigte die IG Metall 1956 alle Tarifverträge in den wichtigsten Tarifgebieten der Metall- und Automobilindustrie und legte einen Stufenplan vor, nach dem 1956 die 45- Stunden-Woche, 1957 die 42 ½-Stunden-Woche und 1958 die 40-Stunden-Woche eingeführte werden sollte. Im ersten Jahr sollten die Tariflöhne um 10 % (einschließlich Lohnausgleich) erhöht werden. Gesamtmetall bot dagegen eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit von 48 Stunden auf 46 Stunden und eine Lohnerhöhung von 6,1 % an. Schließlich kam das sog. „Bremer Abkommen“ zustande. Das Abkommen sah eine Verkürzung der regelmäßigen Wochenarbeitszeit von 48 Stunden auf 45 Stunden und eine Erhöhung der Tariflöhne um 8 % vor. Das Abkommen trat zum 1. Januar 1957 in Kraft und war bis Ende Dezember 1957 gültig. Einige Monate vor Ablauf des Bremer Abkommens nahmen die Parteien Gespräche über weitere Arbeitszeitverkürzungen auf 44 Stunden und eine Erhöhung der Tariflöhne und Gehälter um 10 % einschließlich des Lohnausgleichs auf. Im November 1956 kam es zwischen IG Metall und Gesamtmetall zu Spitzengesprächen, in denen Gesamtmetall eine Verlängerung des Bremer Abkommens bis zum 30. Juli 1960, eine Erhöhung der Akkordlöhne um 2,7 % und die Einführung der 44-Stunden-Woche zum 1. Juli 1959 vorschlug. Demgegenüber ver- langte die IG Metall eine Befristung des Bremer Abkommens bis zum 1. Juli 1959, Inkrafttreten der Arbeitszeitverkürzung zum 1. Juli 1958 und die Erhöhung der Tarif- löhne und Gehälter ab 1. November 1957 um 8 %. Eine Einigung wurde erst erzielt, als der ehemalige Arbeitsminister von Nordrhein-Westfalen als Vermittler eingesetzt wurde. Das sog. Bad Sodener Abkommen beinhaltete:  eine Verlängerung des Bremer Abkommens bis zum 30. Juni 1960,  die Einführung der 44-Stunden-Woche zum 1. Januar 1959,  eine Erhöhung der Löhne und Gehälter um 2,3 % als Lohnausgleich und eine Erhöhung der Gehälter und Zeitlöhne um 6 % und der Akkordlöhne um 5 % ab 1. Januar 1958 mit einer Laufzeit bis zum 31. November 1958. 88 Die IG Metall kündigte das Bad Sodener Abkommen zum 30. Juni 1960 und nahm parallel mit Gesamtmetall Arbeitszeitverhandlungen auf. In den Verhandlungen mit Gesamtmetall erneuerte die IG Metall ihre ursprüngliche Forderung nach Einführung der 40-Stunden-Woche. Mit einem Stufenplan sollte die 40-Stunden-Woche zum 1. Januar 1964 eingeführt werden. Die IG Metall begründete ihre Forderung damit, dass die bisherige Verkürzung im Schnitt etwa eine Stunde pro Jahr betrug und es durchaus möglich sei, im gleichen Tempo zur 40-Stunden-Woche fortzuschreiten (Abb. 9). Abb. 9: Durchschnittliche tarifliche Wochenarbeitszeit von Arbeitern und Angestellten zwischen 1956 bis 1984 Jahr Arbeiter Angestellte 1956 47,1 47,5 1958 45,1 45,1 1960 44,1 44,5 1963 43,0 43,9 1965 42,0 43,1 1968 41,2 42,1 1971 40,5 41,0 1979 40,0 40,0 1983 40,0 40,0 Quelle: Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung 1984. Tabelle 4.1. Die Gesamtmetall lehnte die Forderung mit der Begründung „In Anbetracht der bisher in der Bundesrepublik erfolgten Arbeitszeitverkürzungen um 3 bzw. 4 Stunden in der Woche sowie der dabei erreichten Spitzenstellung im Vergleich zu anderen westeuropäischen Ländern, muß vorläufig von einer weiteren Arbeitszeitverkürzung grundsätzlich abgesehen werden“ ab. (vgl. Lobeck 1960; 42). Die Metallarbeitgeber konnten ihre ablehnende Haltung nicht länger durchsetzen und die Tarifparteien unterschrieben am 8. Juli 1960 das sog. „Bad Homburger Abkommen“. Das Abkommen beinhaltete endgültig die stufenweise Einführung der 40-Stunden-Woche. Das „Bad Homburger Abkommen“ diente zudem auch für die Arbeitszeitregelungen anderer Industriebranchen als Vorbild. Schließlich wurde die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit 89 mit Wirkung vom 1. Januar 1962 auf 42 ½ Stunden, 1. Januar 1964 auf 41 ½ und 1.Juli 1965 auf 40 Stunden verkürzt. Die Unternehmen nahmen aber Mitte der 60er Jahre die Abschwächung der Wachstumsdynamik zum Anlass und erreichten mit der Unter- stützung der Bundesregierung, dass die letzte Stufe der Arbeitszeitverkürzung zur 40- Stunden-Woche für die nächsten Jahre bis 1966 nicht erfolgte. Im Jahre 1966 wurde sie zum letzten Mal um ein Jahr verschoben und ist mit dem sog. 2. Erbacher Abkommen zum 1. Januar 1967 in Kraft getreten. Die IG Metall erklärte daraufhin, dass die tarifliche 40-Stunden-Woche in der metallverarbeitenden Industrie endgültig und unwiderruflich in Kraft getreten ist. Somit wurde ein wichtiges Teilziel des gewerk- schaftlichen Kampfes für den sozialen Fortschritt nach langjährigem Kampf erreicht. Die Auseinandersetzung zwischen den Tarifparteien um die Arbeitszeiten setzte sich auch in den 70er Jahren fort. Zu Beginn der 1970er Jahren reagierten die Unternehmen und ihre Verbände auf die Verkürzung der Arbeitszeiten auf 40-Stunden-Woche mit Intensivierung der Arbeit, Mehrarbeit, Rationalisierungsmaßnahmen, Überstunden und mit Einführung von neuen flexiblen Arbeitszeitmodellen wie Gleitzeit oder Teilzeit- arbeit. Die Gewerkschaften kämpften gegen das Auseinanderklaffen von tariflicher und tatsächlicher Arbeitszeit mit den Forderungen der Begrenzung der Mehrarbeit, der Sicherung der täglichen und wöchentlichen Höchstarbeitszeiten für geleistete Überstunden sowie dem Anspruch auf Freizeitausgleich. Diese Orientierung erfolgte anfangs unter dem Gesichtspunkt der Humanisierung der Arbeit und schließlich verstärkt dem der ansteigenden Arbeitslosigkeit. Im Rahmen der Diskussionen über eine Humanisierung der Arbeit wurde von den Gewerkschaften das Wechselverhältnis von Arbeitszeitverkürzungen und Intensivierung der Arbeit thematisiert. So wurden Über- legungen angestellt, die Lebensarbeitzeit durch Vorverlegung der Altersgrenze in der Rentenversicherung zu verkürzen und die Urlaubzeit zu verlängern. das Aktions- programm vom DGB im Jahr 1972 forderte unter dem Titel „Kürzere Arbeitszeiten und längerer Urlaub“, den 8 Stundentag und die 5 Tage-Woche mit vollem Lohn- und Gehaltsausgleich zu verwirklichen. Und die DGB-Konferenz zur „Humanisierung der Arbeit“ hatte sich im Jahr 1974 für die Verwirklichung der 40-Stunden-Woche für alle Branchen und für die Verlängerung des Urlaubs auf 6 Wochen ausgesprochen. Die Verlängerung des jährlichen Urlaubs auf mindestens 6 Wochen sollte die Gesundheit der Beschäftigten sichern und zusätzlich sollten für gesundheitsgefährdende und besonders schwere Arbeiten zusätzliche Urlaubsvereinbarungen getroffen werden. Auch die IG Metall beschloss Mitte der 1970er Jahre, „wegen des rasanten Anstiegs der Arbeitslosigkeit weitere Verkürzungen der Arbeitszeiten bei gleichzeitig definierten Arbeitsbedingungen zu fordern“ (Schmidt 1983; 28). Unter dem Humanisierungsaspekt forderte der 11. Gewerkschaftstag der IG Metall im Jahr 1974 in Hannover den Urlaub 90 auf mindestens 6 Wochen zu verlängern und Mindesterholungszeiten sowie Zeiten für persönliche Bedürfnisse zur menschengerechteren Arbeitsgestaltung zu ermöglichen. Neben der Verlängerung des Jahresurlaubs forderten die Gewerkschaften u. a. auch wegen steigender Arbeitslosigkeit seit Mitte der 1970er Jahre verstärkt auch die Ver- kürzung der Arbeitszeit. Auch an die Bundesregierung appellierten die Gewerkschaften, durch entsprechende Maßnahmen die Beschäftigungsmöglichkeiten der Beschäftigten zu verbessern. Seit 1974 befand sich die Bundesrepublik von der wirtschaftlichen Lage her in einer strukturellen Krise. Als das gesamtwirtschaftliche Wachstum ab 1976 keineswegs zu mehr Beschäftigung führte, legten der DGB und seine Mitgliedgewerk- schaften den Schwerpunkt ihrer Politik auf die Vermeidung von weiteren Entlassungen. So legte DGB im Jahre 1977 ein Programm mit dem Titel „Vorschläge zur Wieder- herstellung der Vollbeschäftigung“ vor. Mit der Verschärfung des Krisendrucks auf die Beschäftigten und mit der Abnahme der Beschäftigtenzahl rückte die Diskussion um eine weitere Verkürzung der Arbeitszeiten immer mehr in den Mittelpunkt. Die Arbeitgeberverbände und die Unternehmen formulierten gegenüber den Gewerk- schaften ihre Position entsprechend der veränderten Lage neu. Die Unternehmen machten von vorneherein klar, dass sie der Forderung nach Verkürzung der Wochen- arbeitszeit nicht zustimmen würden. Der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) vertrat 1977 die Ansicht, die Verkürzung der Wochen- und Jahresarbeitszeit sei kein geeignetes Mittel zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Er argumentierte damit, dass „bei jeder Arbeitszeitverkürzung über die Frage des Lohnausgleichs hinaus zusätzliche Personal- und Verwaltungskosten entstehen, so dass sich das Verhältnis zwischen gesamtwirtschaftlicher Produktivität und Personalkosten nochmals zu Lasten der ökonomischen Leistungskraft verschieben würde“ (Erdmann 1977; 547). Eine weitere Arbeitszeitverkürzung führe - so die Metallarbeitgeber – zu einer untragbaren Mehrbelastung der Unternehmen und damit zu Wettbewerbsnachteilen der deutschen Wirtschaft sowie zu mehr Arbeitslosigkeit. Ins Blickfeld der Unternehmen rückte mehr und mehr eine neue Arbeitszeitpolitik. Ihre Alternative zu den Vorschlägen der Gewerkschaften zielte hauptsächlich auf die Einführung neuer flexibler Arbeitszeiten und Regelungen ab. In einer gemeinsamen Publikation der Arbeitgeberverbände hieß es, dass der ökonomische Zwang wachse, Leerzeiten bei der Beschäftigung der Mitarbeiter zu vermeiden. Die Arbeitgeber- verbände waren der Meinung, dass Arbeitszeiten ohne Auslastung des Mitarbeiter- potenzials bei hohen Arbeitskosten den Ertrag und die Existenz des Unternehmens gefährden. Die hohen Arbeitskosten seien Grund für die Absicht, Mehrarbeit und Überstunden mit Vergütung in Form von Entgeltzuschlägen wenigstens zu vermeiden, wo flexible Arbeitszeitregelungen Beschäftigungsspitzen ohne Mehrarbeitszuschläge 91 auffangen können. Demzufolge würden flexible Arbeitszeitregelungen dazu beitragen, Fehlzeiten der Beschäftigten zu reduzieren (vgl. Gaugler 1983; 104f). Die Vorschläge der Arbeitgeber tendierten letztendlich dazu, die Arbeitszeitregelungen so zu gestalten, dass die Unternehmen den tatsächlichen Personalbedarf in seiner zeitlichen Dimension so kostengünstig wie möglich decken konnten. Zudem sollten die „kontraproduktiven Auswirkungen starrer Arbeitszeitregelungen – darunter auch die tariflichen Arbeitszeitregelungen – zugunsten der flexiblen Arbeitszeitgestaltung auf- gegeben werden. In einer Broschüre, die 1983 vom Bundesarbeitgeberverband der Chemie veröffentlicht wurde, wurden die betriebswirtschaftlichen Vorteile der flexiblen Arbeitszeiten für Unternehmen wie folgt beschrieben:  „Arbeitsspitzen sind leichter abzudecken und die Nutzungsmöglichkeiten von Anlagen können besser ausgeweitet werden.  Die Betriebszeiten können von den persönlichen Arbeitszeiten abgekoppelt und die Beschäftigten leichter an verminderte Arbeitsvolumina angepaßt werden“ (Bundesarbeitgeberverband der Chemie 1983; 11). Diese Flexibilisierungsvorschläge wurden in den kommenden Jahren von Arbeitgeber- verbänden und Unternehmen in zahlreichen Gesprächen mit den Gewerkschaften zum Thema gemacht. Zustimmung fanden sie damit allerdings erwartungsgemäß nicht. Gegen diese neue Arbeitszeitpolitik wurde seitens der Gewerkschaften der Einwand erhoben, sie sei ein Teil der unternehmerischen Rationalisierungsstrategie, die darauf abziele, durch Flexibilisierung und Individualisierung der Arbeitszeiten die Arbeit auf Kosten der Beschäftigten produktiver zu machen und die tarifliche Schutzfunktion der kollektiven Arbeitszeitnormen zu unterlaufen (vgl. Bosch 1984; 305f). Darauf folgend stimmte im Juni 1978 der Vorstand der IG Metall der Forderung nach Einführung der 35-Stunden-Woche im Bereich der Stahlindustrie zu. Auch die Industriegewerkschaft Druck und Papier stellte eine ähnliche Forderung. Die Große Tarifkommission der IG Metall stellte am 16. Juni 1978 der Öffentlichkeit die Forderung nach „Verkürzung der tariflichen wöchentlichen Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich mit dem Ziel die 35- Stunden-Woche (auch durch Freizeitausgleich) vor. Die Metallarbeitgeber lehnten jede weitere Arbeitszeitverkürzung aus Kostengründen und mit dem Hinweis, die Verkürzung der Arbeitszeit würde eher Arbeitsplätze gefährden als sichern, ab. Nach Kündigung des Lohn- und Gehaltstarifvertrages sowie des Ausbildungs- vergütungsabkommens fanden zwischen den Tarifparteien die ersten Verhandlungen über die Arbeitszeit statt. Als Arbeitgeber und Gewerkschaften nach mehreren Ver- handlungen ohne Ergebnis die Gespräche für gescheitert erklärten, beantragte die IG Metall die Urabstimmung für den Streik. Nachdem sich 86,9 % für den Streik 92 aussprachen und dadurch den Arbeitgebern bewusst wurde, dass die Situation eskalierte, lehnte der Arbeitgeberverband Eisen und Stahl zwar die Verkürzung der Arbeitszeit ab, signalisierte aber gleichzeitig Bereitschaft, über eine Verlängerung des Urlaubs vor Ablauf des geltenden Urlaubsabkommens mit sich reden zu lassen. Der Arbeitgeberverband der Stahlindustrie betonte, dass er den Abwehrkampf gegen den Marsch zur 35-Stunden-Woche stellvertretend auch für andere Wirtschaftsbereiche führen müsse (vgl. Arbeitgeberverband Eisen- und Stahlindustrie 1979; 34). Am 6. Januar 1979 einigten sich die Tarifparteien nach einem Streik, der 44 Tage dauerte, mit folgenden Ergebnissen:  Erhöhung der Einkommen um 4 % bei einer Laufzeit von 15 Monaten,  Stufenweise Verlängerung des Urlaubs auf 6 Wochen bis 1982,  Verringerung der Arbeitszeit von Nachtschichlern um 4 Freischichten 1979 und weitere Freischichten 1981,  Verringerung der Arbeitszeit von über 50jährigen Beschäftigten um 2 freie Tage 1979 und einen weiteren freien Tag 1981. Zwar konnte die IG Metall in der nordrhein-westfälischen Eisen- und Stahlindustrie ihre Forderung nach Verkürzung der tariflichen wöchentlichen Arbeitszeit bei vollem Lohn- ausgleich mit dem Ziel der 35-Stunden-Woche, auch durch Freizeitausgleich nicht erreichen. Aber diese Vereinbarung zwischen den Tarifparteien kennzeichnete deutlich eine Wende in den industriellen und tariflichen Beziehungen. Diese Wende führte im Frühjahr 1984 in der Metall- und in der Druckindustrie gleichzeitig zu den Arbeits- kämpfen um die 35-Stunden-Woche. Erstmals in ihrer Geschichte rief die IG Metall in zwei Tarifgebieten zum Streik auf. Sie führte den Arbeitskampf mit „Drei guten Gründen“ durch: 1. Arbeitsplätze sichern und schaffen: Die Verkürzung der Arbeitszeit bekämpft die Arbeitslosigkeit. Sie führt zu einer gerechten Verteilung der Arbeit. Unser Motto ist richtig: Statt Dauerarbeitslosigkeit für viele mehr Freizeit für alle! 2. Arbeit humanisieren: Der Stress muss weg. Die Arbeitskraft soll nicht verschlissen werden. Alle Menschen, die ihre Existenz durch eigene Arbeit sichern müssen, haben das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Kürzere Arbeitszeit macht die wachsende Arbeitsbelastung ein wenig Wett. 3. Leben und Gesellschaft gestalten: Die Arbeitnehmer brauchen mehr Zeit für sich und ihre Familien, für ihre Hobbys und für die Politik. Sie sollen mitmachen können bei der Gestaltung dieser Gesellschaft: Zeit haben für das 93 soziale, kulturelle und gesellschaftliche Leben. Mit Arbeitszeitverkürzung wird das leichter. Sie ebnet auch den Weg zu mehr Gleichheit von Frauen und Männern in dieser Gesellschaft. Partnerschaftliche Arbeitsteilung im Haushalt und bei der Kindererziehung wird leichter. Mit der so begründeten Forderung nach Einführung der 35-Stunden-Woche begann eine neue gesellschaftliche Auseinandersetzung um die Arbeitszeit, die zu einer Über- schreitung des Rahmens der bisherigen Arbeitszeitpolitik führte. 94 Kapitel III Die Positionen der Tarifparteien zwischen 1984 und 2000 Mit den einführenden Betrachtungen in den beiden ersten Kapiteln wurden der historische Wandel, die Entwicklung der Arbeitszeiten sowie deren Einflussfaktoren beschrieben. Im ersten Kapitel wurde ausführlich dargestellt, dass die Arbeitszeit- entwicklung durch vielerlei Einflüsse geprägt wird. Dabei korreliert die Arbeitszeit mit einer Machtkonstellation, welche Resultat der historischen Entwicklung ist und sich auf unterschiedliche Interessen der Beteiligten, im Wesentlichen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie der von ihnen jeweils gewählten Vertretungen beruhen. Die im zweiten Kapitel ausführlich beschriebene Herausbildung der Machtkonstellation zwischen Arbeit und Kapital und ihre Ursachen beeinflussen somit auch die Gestaltung der Arbeitszeiten. Aus den Ausführungen im 2. Kapitel geht deutlich hervor, dass die Flexibilisierung der Arbeitszeiten nicht erst seit Mitte der 1980er Jahre an Bedeutung gewann, sondern seit der Industrialisierung und dem Bestehen des Kapitalismus ein Thema bzw. Streitpunkt zwischen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften war. Basierend auf der oben beschriebenen Entwicklung ist der Schwerpunkt dieses Kapitels die Darstellung der arbeitszeitpolitischen Strategien von Gesamtmetall und IG Metall. Dabei wird sich das dritte Kapitel auf die Entwicklung seit 1980 konzentrieren und die Handlungen und Konzepte der Gesamtmetall und der IG Metall differenzierter betrachten. Die folgenden Ausführungen haben das Ziel, die Haltungen und Ein- stellungen der Tarifparteien strukturell zu erfassen und auszuwerten. Sie stellen zu- gleich eine Beschreibung des gegenwärtigen Diskussionsstandes im Bereich der flexiblen Arbeitszeitgestaltung dar. Die Datenerhebung basiert auf der Auswertung von Presseerklärungen, Stellungnahmen, Veröffentlichungen von Gesamtmetall- und IG Metall-Führung. Insgesamt werden somit die Grundhaltungen der Gesamtmetall, IG Metall und Beschäftigten dokumentiert und analysiert. Im Vordergrund steht nicht die statistische Erhebung von Positionen sondern vielmehr die Herasausarbeitung und Darstellung des Entwicklungstandes sowie des Entwicklungspotenzials, welcher die Basis der Diskussionen seit dem Tarifkompromiss im Jahre 1984 bildet. Bei der aus- führlichen Darstellung der Konzepte und Forderungen wird auf die unterschiedlichen 95 Konzepte, Modellen und Forderungen eingegangen. So werden auch die grundlegenden Rahmenbedingungen, Aspekte und Konfliktlinien der Arbeitszeitpolitik als auch die spezifischen Gestaltungsräume, Strategien und Interessen der Akteure herausgearbeitet. Ein weiterer Abschnitt wird sich mit den tarifpolitischen, wettbewerbsbedingten, technologisch-organisatorischen, beschäftigungspolitischen sowie soziokulturellen Aspekten der Diskussion detaillierter beschäftigen und abschließend wird auf die Aus- wirkungen und Folgen der Diskussionen eingegangen. Denn neben der Frage „wie die Arbeitszeiten zu flexibilisieren sind“, rückt auch die Aufstellung von allgemeineren Rahmenregelungen sowie betrieblichen und gesellschaftlichen Infrastrukturen zum Mittelpunkt der Diskussionen. 3.1. Tarifrunde 1984: Der neue Kampf um die Arbeitszeit Die Diskussion um die 35-Stunden-Woche und die ersten Tarifkämpfe für Ver- kürzungen der Wochenarbeitszeit unter 40 Stunden bilden den Beginn einer neuen Phase der Arbeitszeitentwicklung. Die neue Phase erreichte 1984 die Aufmerksamkeit der breiten Öffentlichkeit, als nach einem sechswöchigen Arbeitskampf in der Metall- und Druckindustrie die 38,5-Stunden-Woche durchgesetzt wurde. Im Vorfeld der Tarifrunde 1984 waren die unterschiedlichen Positionen so klar wie kontrovers: Auf der einen Seite die IG Metall, unterstützt durch den DGB und seine Einzelgewerkschaften sowie im Bundestag von den Fraktionen der SPD und der Grünen; auf der anderen Seite Gesamtmetall, unterstützt von der BDA sowie von den Bundestagsfraktionen der CDU/CSU und der FDP. Die Oppositionsparteien traten eindeutig für die Arbeitszeit- verkürzung während die Bundesregierung die 35-Stunden-Woche ablehnte. Bundes- kanzler Kohl nannte die Forderung nach Einführung der 35-Stunden-Woche „absurd und dumm“ (Hessische Allgemeine, 15.11.1983) und Bundeswirtschaftsminister Graf Lambsdorff sah darin die Gefahr von „wettbewerbsschädlichen und arbeitsplatzver- nichtenden Folgen“ für die Unternehmen (Handelsblatt, 21.11.1983). Die in der Mitte der 1970er Jahre begonnene und schnell in den Mittelpunkt der Auseinandersetzungen zwischen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften war zunächst durch starre Frontstellungen geprägt. Die Standpunkte der Arbeitgeber- verbände und Gewerkschaften erschienen im Hinblick auf Arbeitszeitregelungen in langjährigen Stellungs- und Positionskämpfen festgefahren. Die Tarifparteien beharrten zunächst auf dem Normalarbeitsverhältnis als beschäftigungspolitischem Maßstab. Erst mit dem Kompromiss im Jahr 1984 änderte sich diese Haltung und in die starren 96 Fronten kam Bewegung. Die Arbeitgeberverbände wie auch die Gewerkschaften drängten auf eine Neubestimmung der Arbeitszeitstrukturen. Im Mittelpunkt der Diskussionen standen zwei Forderungen: die „Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse“ und „Arbeitszeitverkürzung ohne (vollen) Lohnausgleich“. Dabei klafften die jeweiligen Ziele weit auseinander. Die Arbeitgeberverbände strebten eine weitere Flexibilisierung der Arbeitszeiten an, um Arbeits- und Kapitalkosten einzusparen. Den Gewerkschaften ging es um Arbeitszeiten, die die Arbeitsbelastungen verringern, das Beschäftigungsniveau erhöhen und individuelle sowie gesellschaftliche Wohlfahrt steigern (vgl. Joachim/Seifert 1991; 10). Der traditionelle Widerstand der Gewerkschaften richtete sich vor allem gegen die Arbeitszeitflexibilisierung und gegen Formen schleichender Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich sowie gegen die Ausweitung der Betriebszeiten auf die Wochenenden und steigende Überstunden. Schon seit Mitte der 1970er Jahre beklagten sich die Arbeitgeber sowie ihre Verbände über die wirtschaftliche Krise und über die seit Beginn der 1970er Jahre „sich verschlechternde Ertragslage“: Sie sahen den Grund für die Verschlechterung der Ertragslage in der lohn-, sozial- und steuerpolitischen Ent- wicklung. Um die Ertragslage zu verbessern und im nationalem sowie internationalem Wettbewerb Marktanteile zu sichern, wollten sie alle notwendigen Strategien zur Kostensenkung und Produktivitätssteigerung betreiben. Die Unternehmen konzen- trierten sich auf weitere Rationalisierungsinvestitionen, mit der Folge von rapidem Beschäftigungsabbau. Zudem wurden die Rationalisierungsbestrebungen der Unter- nehmen durch die veränderten technisch-organisatorischen Rahmenbedingungen ver- schärft. Der Abbau von Arbeitsplätzen und die steigende Arbeitslosigkeit ließen den Arbeitszeitkonflikt zum Mittelpunkt der Diskussionen zwischen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften rücken. Die Arbeitgeberseite formulierte gegen den von IG Metall geforderten tarifvertraglichen Arbeitszeitverkürzungen als Alternative eine Ent- koppelung von individueller Arbeitszeit und verlängerter Betriebsnutzungszeit. Sie war an der Anpassung der Arbeitskräftenutzung an Schwankungen der Marktnachfrage und Produktion sowie an der Anpassung der Möglichkeit höherer Leistungsverausgabung durch individuell verkürzte Arbeitszeiten interessiert, um höhere Produktivitätssteige- rungen zu gelangen und so die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen in internationalen Märkten zu verbessern. So legte die Gesamtmetall vor Beginn der Ver- handlungen ein Tarifvertragsangebot vor, das u.a. die Forderung nach einer flexibleren Arbeitszeitorganisation enthielt. Eine Flexibilisierung der Arbeitszeit war also die Grundbedingung für die Einwilligung zu Arbeitszeitverkürzungen. Diese Auseinandersetzungen waren kein neues Phänomen, sondern begleiteten die gesamte Nachkriegsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland. Schon seit den 60er 97 Jahren wurde die Arbeitszeit in verschiedenen Formen flexibilisiert. Die Schichtarbeit war in der Metallindustrie und Chemieindustrie seit Jahren eingeführt. In den 60er Jahren wurde die Gleitzeit zum Ersten mal eingeführt. Seit den 70er Jahren wurden die Ruhetage im Einzelhandel von den Arbeitnehmern abwechselnd genommen. Außerdem hat die Arbeitszeitverkürzung in Verbindung mit der Zunahme des Anteils der weiblichen Beschäftigten eine Vielzahl von Teilzeitarbeitsplätzen geschaffen. Aber durch die Einführung der 38,5 Stunden Woche erreichten die Auseinandersetzungen um die Ausgestaltung der Arbeitszeiten eine neue Dimension. Im Unterscheid zu den früheren Diskussionen über die Arbeitszeitgestaltung stellten nun die Dauer und Lage der Arbeitszeit den Schwerpunkt der Diskussionen um die Arbeitszeit dar. In den nachfolgenden Jahren gewann die Gestaltung und Flexibilisierung der Arbeitszeit in der Tarifpolitik und auf der betrieblichen Ebene zunehmend an Gewicht. Je kürzer die individuellen Arbeitszeiten wurden, desto aktueller wurde die Frage einer optimalen Maschinennutzungszeit. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass im Rahmen der neuen tarif- politischen Entwicklung die Arbeitszeitflexibilisierung in den arbeitszeitpolitischen Debatten immer mehr in den Vordergrund rückte. Die zentrale, im Folgenden zu unter- suchende Frage lautet somit: Welche Positionen nahmen die Tarifparteien vor und nach dem Tarifabschluss im Jahr 1984 ein bzw. welche Interessen wurden von den Tarif- parteien insbesondere seit den 1980er Jahren verfolgt? Welche Konzeptionen hatten die Tarifparteien in der Elektro-, und Metallindustrie und in welche Richtung haben sie diese Konzeptionen weiterentwickelt, auf welchen Feldern gab es gemeinsame sowie unterschiedliche Problemwahrnehmungen bzw. Problemdefinitionen? 3.1.1. Arbeitszeitflexibilisierung aus Sicht der Gesamtmetall Im Verlaufe der Tarifrunde 1984 und im Vorfeld setzten die Arbeitgeberverbände und die Gesamtmetall die individuelle Arbeitszeitflexibilisierung der gewerkschaftlichen Forderung nach der 35-Stunden-Woche entgegen. In einer umfangreichen Öffentlich- keitsarbeit versuchten sie die Gewerkschaften und insbesondere die Beschäftigten von der Arbeitszeitflexibilisierung als wirksamsten Weg zur Arbeitsplatzbeschaffung und Beschäftigungssicherung zu überzeugen und somit die Gewerkschaften weiter unter Druck zu setzen. Die Arbeitgeberseite erwartete von weiterer Arbeitszeitflexibilisierung einen erheblichen betriebswirtschaftlichen Rentabilitätsschub und eine Stärkung ihrer Position gegenüber den Gewerkschaften. 98 Schon im Vorfeld des Tarifkonflikts um die 35-Stunden-Woche, als die IG Metall die Einführung der 35-Stunden-Woche forderte, lehnten die Unternehmen und ihre Ver- bände diese Forderung strikt ab. Für die Arbeitgeberverbände war eine weitere Ver- kürzung der Arbeitszeiten kein geeignetes Mittel zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Gegen die Vorstöße zur Verkürzung der Arbeitszeiten sprach sich auch der Zentralverband des deutschen Handwerks (ZDH) aus. Beim 87. Deutschen Katholiken- tag in Düsseldorf lehnte der ZDH-Geschäftsführer Aberle die Verkürzung der Arbeits- zeiten ab. Er wandte sich dabei besonders gegen das Argument, mit einer verkürzten Arbeitszeit kann man die Arbeitslosigkeit bekämpfen. Er behauptete, dass die in der Vergangenheit erfolgte Verkürzung der Arbeitszeit die Zahl der Erwerbstätigen – allen gegenteiligen Behauptungen zum Trotz - nicht ansteigen gelassen, sondern deutlich verringert hätte. Die Kostensituation der Betriebe sei, so Aberle, inzwischen derartig kritisch geworden, dass ein weiterer Anstieg des Kostenniveaus, wie ihn eine Arbeits- zeitverkürzung zwangsläufig mit sich bringe, nicht mehr zu verkraften sei. (vgl. Deutsche Handwerks Zeitung, 24.9.1982). Der Hauptgeschäftsführer von Gesamtmetall erklärte im Jahr 1983, dass die Folge der Arbeitszeitverkürzung die Arbeitslosigkeit sei. Kirchner begründete seine Position, in einem Interview mit Handelsblatt mit den folgenden Thesen:  „Als 1960 im Homburger Abkommen Herbert van Hüllen und Hanns-Martin Schleyer mit Otto Brenner den Stufenplan zur Verkürzung der Wochenarbeits- zeit auf 40 Stunden vereinbarten, sind sich Arbeitgeber und Gewerkschaften einig gewesen, dass die Kosten der Arbeitszeitverkürzung nicht zu Lasten der Unternehmensgewinne gehen dürften, sondern durch einen entsprechenden Verzicht auf Lohnerhöhungen zu finanzieren sind. Die Ertragslage der Metall- industrie und ihre Investitionsfähigkeit sind intakt geblieben. Das und nicht die Arbeitszeitverkürzung hat die Vollbeschäftigung der 1960er Jahre gesichert.  Die gravierende Folge der Arbeitszeitverkürzung der 1960er Jahre ist gewesen, dass der Verlust an Arbeitszeit durch Millionen von Gastarbeitern ausgeglichen werden musste, und es sind eben Gastarbeiter, die heute unsere Beschäftigungs- probleme ganz entscheidend mitbestimmen.  Die Behauptung der IG Metall ist falsch, dass eine Arbeitszeitverkürzung mit Lohnausgleich zur Hälfte durch Neueinstellungen wettgemacht werden kann. Es gibt aus jüngster Zeit Untersuchungen, wonach bei einer Arbeitszeitverkürzung mit Lohnausgleich nicht einmal ein Beschäftigungseffekt von 15 % erreicht wird. Jedes Prozent Lohnerhöhung aber, das zu Lasten der Unternehmenserträge herausgeholt würde, könnte das Arbeitvolumen für 150 000 bis 200 000 Arbeits- 99 plätze vernichten. Der Lohnausgleich für eine Stunde Arbeitszeitverkürzung erhöht die Lohnkosten je Arbeitsstunde um gut 2,5 %. Geht dies zu Lasten der Erträge, bedeutet es die Vernichtung von fast einer halben Millionen Arbeits- plätzen.  Eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit auf 35 Stunden erhöht die Lohnkosten je Arbeitsstunde um 14,3 % oder durchschnittlich um 2,8 % je Stunde. Außer- dem muß mit Folgekosten von mindestens 0,7 % je Stunde für Einarbeitung, Umstellung, Rationalisierungsinvestitionen und auch Überstunden gerechnet werden. Demgegenüber kann man für die Produktivität, aus der allein sich diese höheren Kosten je Stunde ohne Auswirkung auf die Stückkosten ließen, mit einem Zuwachs von zwei bis höchstens drei Prozent rechnen.  Das bedeutet: Wenn die Einführung der 35-Stunden-Woche die Erzeugnisse nicht verteuern soll, dann müssten die Löhne um rd. 15 % sinken oder es könne parallel zum Produktivitätszuwachs in sechs bis sieben Jahren eine schrittweise Einführung der 35-Stunden-Woche ohne jede Lohnerhöhung in diesem Zeitraum erfolgen. Selbst bei einer Arbeitszeitverkürzung von nur einer Stunde kann es keine zusätzliche Lohnerhöhung mehr geben. Alles andere bedeutet höhere Stückkosten mit der Folge steigender Preise und weniger Beschäftigung.“ (Handelsblatt, 29.6.1983). Statt einer Verkürzung der Arbeitszeit wurde seitens der Gesamtmetallführung als Alternative eine flexible, an den betrieblichen Notwendigkeiten orientierte Beschäftig- ungspolitik ohne Einheitsrezepte vorgeschlagen. Dabei wurden seitens der Arbeitgeber nicht nur vereinzelte Reformen am Arbeitsmarkt als unabdingbare Voraussetzung für eine erfolgreiche Beschäftigungsentwicklung gesehen, vielmehr wurde die Notwen- digkeit einer Flexibilisierung der Arbeitsbedingungen insbesondere vor dem Hinter- grund des zunehmenden weltweiten Wettbewerbs betont. Als Alternative zur von der IG Metall geforderten tarifvertraglichen Arbeitszeitverkürzung wurde seitens der Gesamt- metall das Interesse an einer weitreichenden Entkoppelung von individueller Arbeits- zeit, verlängerter Betriebsnutzungszeit, an Schwankungen der Marktnachfrage orientierten Arbeitszeiten bekundet. Ein weiterer Streitpunkt zwischen den Tarifparteien waren die Kosten der Arbeitszeit- verkürzung. Die Gesamtmetall war der Meinung, dass die Einführung der 35-Stunden- Woche mit Lohnausgleich so viel wie eine Lohnerhöhung von mindestens 18 % kosten würde. Welche Folgekosten entstehen würden, wurde davon abhängig gemacht, wie die 100 Betriebe auf die Verkürzung der Wochenarbeitszeit reagieren werden. Die Vor- stellungen und Rechnungen der Gesamtmetall über die Folgekosten sahen wie folgt aus:  „Wenn die Betriebe passend zur Arbeitszeitverkürzung neue Arbeitskräfte ein- stellen, müssten lediglich Einstellungs- und Einarbeitungskosten in Höhe von 0,5 % hingerechnet werden (Gesamtkosten: plus 14,8 %).  Leider dürfte diese „billigste“ Lösung in der Praxis nur in wenigen Ausnahme- fällen möglich sein, weil bei einer Wochenarbeitszeitverkürzung keine Arbeits- plätze frei würden. Bei Ausgleich durch Überstunden kämen für Überstunden- zuschläge 4,3 % hinzu (Gesamtkosten: plus 18,6 %).  Würden die Unternehmen den Produktionsausfall hinnehmen, müssten im Regelfall sämtliche gleichbleibenden Kapital- und sonstige Fixkosten ebenso wie die Lohnkosten auf weniger Stunden umgelegt werden. Folgekosten (bezogen auf die Personalkosten 4,5 % (Gesamtkosten: plus 18,8 %).  Bei Neueinstellungen und für die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen würden die Kapitalkosten, während die Zahl der Arbeitsstunden unverändert blieb, steigen. Hinzu kämen Einstellungskosten. Folgekosten: 5,0 % (Gesamtkosten: plus 19,3 %).  Würde der Produktionsausfall durch Rationalisierung ausgeglichen, kämen sogar 7,4 % hinzu, weil den höheren Kapitalkosten in diesem Fall eine geringere Arbeitsstundenzahl gegenüberstünde (Gesamtkosten: plus 21,7 %).“ (Frank- furter Allgemeine Zeitung, 29.7.1983). Diese Positionen von Arbeitgeberverbänden fanden sich in einer Reihe, von Arbeit- geberverbänden in Auftrag gegebenen, Untersuchungen wieder, in denen die Einführung der 35-Stunden-Woche bzw. eine Verkürzung der Arbeitszeiten unter 40 Stunden aus betriebswirtschaftlichen Gründen abgelehnt wurde. Laut einer Studie, deren Ergebnisse in der Tageszeitung Handelsblatt (28.3.1983) veröffentlicht wurde, hätten die Folgekosten vor allem mittelständische Betriebe und das Handwerk getroffen. Die Studie kam zu dem Schluss, dass Arbeitszeitverkürzungen vor allem bei kleinen und mittleren Betrieben erhebliche Produktionsrückgänge nach sich ziehen und aufgrund von Personalkostensteigerungen die Marktchancen des Handwerks erheblich verschlechtern würden. Damit würden sich gerade Dienstleistungen für den Ver- braucher weiter verteuern, so dass die Gefahr bestehe, dass dadurch die Schwarzarbeit weiter zunehme. Zudem wäre bei Einführung einer 35-Stunden-Woche erst in Betrieben, die mindestens 14 Beschäftigte haben, nur rein rechnerisch eine zusätzliche Vollarbeitskraft erforderlich. Außerdem würden durch Arbeitszeitverkürzung im 101 Handwerk Steigerungen der Lohnkosten je Arbeitsstunde um bis zu 3 % zu erwarten sein. (Handelsblatt, 28.3.1983). Zu einem ähnlichen Ergebnis kam auch das von den Arbeitgebern finanzierte Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in seiner Broschüre „Die Verkürzung der Arbeitszeit“ aus: „Es müsse untersucht werden, welche Effekte kürzere Arbeitszeiten auf einzelne Unternehmen hätten. (…) Da zeigt sich nun aber, daß Produktion ausfällt und Kosten steigen, und zwar um jeweils rund 2,5 Prozent je gekoppelte Stunde Wochenarbeitzeit. Um den Produktionsausfall wettzumachen und höherer Stückkosten zu vermeiden, wird die überwiegende Mehrzahl der Unternehmen aber rationalisieren“ (Frankfurter Rund- schau, 16.7.1983). Das Ergebnis der Untersuchung zeigte eindeutig, dass die Arbeit- geberseite daran interessiert war, die Verkürzung der Arbeitszeiten um jeden Preis zu verhindern. Die kürzeren Arbeitszeiten, so die Arbeitgeberseite, würden nicht nur die Kosten und damit die Preise nach oben treiben, sondern auch die Wettbewerbsfähigkeit der bundesdeutschen Wirtschaft und ihr Wachstum gefährden. Die Arbeitszeitflexi- bilisierung wurde als eine institutionelle Stärkung der Angebotsbedingungen des Standortes Bundesrepublik Deutschland bewertet. Dabei wurde argumentiert, dass die USA, Japan, die Schweiz und Schweden sich gegenüber Deutschland wegen ihrer längeren Arbeitszeiten im Wettbewerbsvorteil befinden. Gerade für exportorientierte Unternehmen versprach insbesondere die betriebsnähere und flexiblere Gestaltung der Arbeitszeiten und dadurch erreichten Stückkostensenkungen im internationalen Wett- bewerb Vorteile. Statt Arbeitszeitverkürzung plädierte die Arbeitgeberseite die Ein- führung von neuen flexiblen Arbeitszeitmodellen. Demzufolge errechnete das IW, dass durch die Einführung flexibler Arbeitszeiten mindestens 370.000, im besten Fall sogar 3 Millionen Vollzeitarbeitsplätze geschaffen werden könnten. Daraus wurde der Schluss gezogen, individuelle und flexible Arbeitszeiten seien einer kollektiven Arbeitszeit- verkürzung gewaltig überlegen. (vgl. Burgdorff/Meyer-Lansen 1984; 179). Auch im „Jahresgutachten 1983/84“ des Sachverständigenrates wurde von einer Ver- kürzung der Arbeitszeiten abgeraten und dafür Flexibilisierung der Arbeitszeiten empfohlen. Im Gutachten vertrat der Sachverständigenrat die These, dass eine Arbeits- zeitverkürzung selbst vom Grundsatz her als beschäftigungspolitisches Instrument ungeeignet sei und dass insbesondere die Forderung nach Einführung der 35-Stunden- Woche wegen der damit verbundenen Kosten keinen Beitrag zur Verminderung der Arbeitslosigkeit schaffen könne, sondern die Arbeitsmarktprobleme nur noch ver- schärfen würde. (vgl. Der Arbeitgeber 1984). Von ausschlaggebender Bedeutung für alle arbeitszeitpolitischen Überlegungen wurde vom Rat die Notwendigkeit hervor- gehoben, dass der 1982/83 begonnene Prozess der „Verbesserung der Erlös-Kosten- Relation der Unternehmen“ fortgesetzt müsse, um über die Zunahme der Investitionen 102 wieder zu höherer Beschäftigung zu gelangen. Dies solle nicht nur kurzfristig und vorübergehend, sondern für eine auf mehrere Jahre angelegte stetige Lohnpolitik gelten. Aus diesem Grund empfahl der Rat in der Lohnpolitik, die Fortsetzung des Kurses, der zu einer Senkung der realen Kosten in der Volkswirtschaft beiträgt. Der Sach- verständigenrat hielt deshalb in der gegebenen Situation Arbeitszeitverkürzungen nur für vertretbar, wenn sie nicht zu einer Kostenerhöhung bei den Unternehmen führen. Aufgrund des Sachverhaltes, dass es eine kostenneutrale Einführung der 35-Stunden- Woche nicht geben kann, kam der Sachverständigenrat zu einer negativen Einschätzung der Wochenarbeitszeitverkürzung. Demzufolge sprachen sich die Arbeitgeberverbände statt einer Arbeitszeitverkürzung für eine Arbeitszeitpolitik aus, die nicht von vornherein die Gefahr zusätzlicher Kostenexplosion in sich birgt und die vor allem auch den individuellen Wünschen der Betroffenen entgegenkommt. Nach Auffassung der Arbeitgeberverbände sollten die flexiblen Arbeitszeitregelungen an der Spitze „offen- siver Arbeitszeitstrategien“ stehen, die den Unternehmen durch variable Gestaltung der Arbeits- und Betriebszeiten die Anpassung an konjunkturelle und strukturelle Ver- änderungen erleichtern (vgl. Der Arbeitgeber vom 1984). Unterstützt wurden derartige Thesen und Forderungen auch von Baden-Württembergs Ministerpräsident Lothar Späth, der aus sechs Millionen Stellen durch Teilzeitarbeit zehn Millionen zu machen versprach. (vgl. Frankfurter Rundschau, 16.7.1983). Der Unternehmenschef, damaliger Senator in Berlin und CDU-Politiker Elmar Pieroth erklärte zudem: „Ich als Unternehmer darf arbeiten, solange ich will, der Arbeitnehmer soll es auch können“ (Burgdorff/Meyer-Lansen 1984; 168). Der Bundesbankpräsident Karl Otto Pöhl warnte sogar die Gewerkschaften eindringlich davor, in der Verkürzung der Wochenarbeitszeit auf 35 Stunden ein Heilmittel gegen die Arbeitslosigkeit zu sehen. In einem Interview mit der Tageszeitung „Die Welt“ attackierte Pöhl die Haltung jener Gewerkschaften im DGB, die massiv für eine 35-Stunde-Woche eintraten. Er wies darauf hin, dass die Arbeitszeitverkürzung und die Einführung der 35-Stunden-Woche die Kosten steigern würde. Dadurch würde wiederum die Wettbewerbsfähigkeit vermindert und die Dauerarbeitslosigkeit erhöht (Die Welt, 29.10.1983). Die taktische Überlegung der Gesamtmetall-Spitze zielte darauf ab, die Öffentlichkeit davon zu über- zeugen, dass die flexiblen Arbeitszeiten einer verkürzten Arbeitswoche weit überlegen seien. So überreichte die Gesamtmetall bei dem zweiten Spitzengespräch am 17.04.1984 der IG-Metall ein Papier mit ihren Vorstellungen zur Flexibilisierung der Arbeitszeit. Zusammengefasst sah das „Flexi-Konzept“ der Gesamtmetall wie folgt aus: „1. Maßnahmen der Arbeitszeitverkürzung sind nur dann beschäftigungswirksam, wenn dadurch der Kostendruck nicht verschärft wird und die Verfügbarkeit von 103 beruflichen Qualifikationen nicht eingeschränkt wird, die aus dem Arbeitsmarkt nicht ersetzbar sind. Ziel einer Arbeitszeitverkürzung kann deshalb nicht sein, möglichst vielen Arbeitnehmern eine mehr oder weniger einheitliche Arbeitszeitverkürzung zu kommen zu lassen, da dann weder die Kostenneutralität gesichert noch Qualifi- zierungsdefizite zu vermeiden sind. 2. Das Flexi-Konzept der Arbeitgeber will die Arbeit nicht umverteilen, sondern Chancen für mehr Arbeit eröffnen. Es geht deshalb vom Prinzip der Kosten- neutralität aus. Es hat hinsichtlich seiner Wirkung einen zweifachen Ansatz: a. Es erlaubt eine Arbeitszeitverkürzung durch mehr bezahlte Freizeit, wenn und insoweit eine bessere Nutzung der Betriebsanlagen und –einrichtungen erreicht wird und dadurch die Mehrkosten der Arbeitszeitverkürzung durch Minderkosten im Kapitalbereich kompensiert werden können. Diese Form der Arbeitszeitverkürzung steht prinzipiell allen Mitarbeitern offen, sofern die Mitarbeiter zur flexiblen Arbeitszeitgestaltung bereit sind und dadurch die Kapazitäten regelmäßig besser ausgelastet werden können. b. Es kann gerade bei der Bekämpfung der heutigen Arbeitslosigkeit besonders wirksam sein, weil es zu Neueinstellungen führt, ohne daß zuvor neue Arbeitsplätze geschaffen werden müssen. Allerdings sind Neueinstellungen in aller Regel mit erheblichen Kosten für Einarbeitung oder Umschulung verbunden. (…) 3. Der mögliche Umfang der zusätzlichen bezahlten Freizeit ergibt sich aus der flexiblen Gestaltung der persönlichen Arbeitszeit als Folge der längeren Betriebszeiten. 4. Die Arbeitslosenzahl in der Bundesrepublik liegt gegenwärtig bei 2,2 Millionen (saisonbedingt). Die aus konjunkturellen Gründen unbesetzten Arbeitsplätze in der Wirtschaft werden auf rund 500 000 geschätzt, d.h. in dieser Größenordnung wäre ein Abbau der Arbeitslosigkeit durch eine bessere Konjunktur ohne Schaffung neuer Arbeitsplätze möglich. (…) Wahrscheinlich bedarf es dazu auch einer größeren regionalen Mobilität als bisher. Es bleibt also ein Kern an sog. `struktureller´ Arbeitslosigkeit in einer Größen- ordnung von ca. 1 Million Personen, für die in der Wirtschaft keine Arbeits- plätze mehr vorhanden sind. Ihre ehemaligen Arbeitsplätze sind entweder 104 technologisch überholt oder aus Kostengründen wettbewerbsunfähig geworden. Hierbei ist die Unwirtschaftlichkeit als Folge zu hoher Löhne hervorzuheben (sog. „Mindestlohn-Arbeitslosigkeit“). Außerdem hat die auf Ertragsschwäche beruhende `Investitionslücke´ der 70er Jahre dazu geführt, daß neue Arbeits- plätze nicht in ausreichendem Umfang geschaffen wurden. 5. Um 1 Million Arbeitsplätze neu zu schaffen, wäre ein zusätzliches Investitions- volumen von insgesamt ca. 200 Milliarden DM erforderlich. (…) Dieser Investitionsaufwand stellt eine sehr hohe Hürde für einen beschleunigten Abbau der Arbeitslosigkeit dar. (…) 6. Die mögliche Investitionsbarriere gegen den Abbau der strukturellen Arbeits- losigkeit könnte mit dem Flexi-Konzept unterlaufen werden, weil auf diesem Weg die Neueinstellung von Arbeitssuchenden ohne kostspielige Investitionen möglich wird, da an den vorhandenen Anlagen bei längeren Betriebszeiten und entsprechender Entkoppelung von menschlicher Arbeitszeit und Betriebszeit mehr Arbeitnehmer beschäftigt werden könnten. Die wäre noch effizienter, wenn gleichzeitig vermehrt Teilarbeitsplätze angeboten werden können, für die ein zunehmendes Interesse festzustellen ist…“ (Frankfurter Rundschau, 02.02.1984). Diese Stellungnahmen verdeutlichten eindeutig den Wunsch der Arbeitgeberseite, die sich gegen eine allgemeinverbindliche tarifvertragliche Arbeitszeitregelung stellte. Für die Arbeitgeberseite galt die Barrieren in den noch geltenden tariflichen Arbeits- zeitregelungen so schnell wie möglich zu beseitigen. So wurde seitens der Arbeitgeber eine Neugestaltung der Arbeitszeit gefordert, welche von drei Grundprinzipien getragen werden sollte:  Flexibilisierung  Differenzierung und Individualisierung  Verbetrieblichung. Als die Gewerkschaften sich von derartigen Forderungen nicht beeinflussen ließen und die Forderung nach Verkürzung der Wochenarbeitszeit mit dem Ziel der 35-Stunden- Woche ankündigten, offerierte Gesamtmetall in einer handlichen Broschüre „die bessere Strategie“, als einziges Angebot in Sachen Arbeitszeit die flexibleren Arbeits- zeitnormen mit individuell verkürzten und differenzierten Arbeitszeiten sei: „Kosten- neutral, den betrieblichen Gegebenheiten angepasst, den Wünschen der Arbeitnehmer entsprechend.“ (vgl. Schmid 1985; 14). Der Tarifkampf um die Verkürzung bzw. 105 Flexibilisierung der Arbeitszeiten in der Metallindustrie endete schließlich 1984 mit einer Schlichtung. Der am 1.2.1984 in Kraft getretener Tarifvertrag reduzierte die Wochenarbeitszeit von 40 auf 38,5 Stunden. Die von der IG Metall geforderte Verkür- zung der Arbeitszeit war von nun an mit deren Flexibilisierung möglich. Die Tarifparteien einigten sich, dass die Arbeitszeit differenziert und flexibel in Abhängig- keit vom jeweiligen Bedarf an Arbeitskapazität eingesetzt werden sollte. Das Kernstück der neuen Vereinbarung war, dass die Aushandlung von flexiblen Arbeitszeitregelungen durch die betrieblichen Verhandlungsparteien von nun an möglich war. Der Manteltarifvertrag der Metallindustrie sah vor, dass für einzelne Betriebsteile und Arbeitnehmergruppen durch Betriebsvereinbarungen eine wöchent- liche Arbeitszeit zwischen 37 und 40 Stunden (durchschnittlich 38,5 Stunden) verein- bart werden kann. Die Variation der Arbeitszeit wird einzig und allein durch `betrieb- liche Bedürfnisse´ bestimmt, um eine volle Ausnutzung, d.h. 40 Stunden wie bisher, der betrieblichen Anlagen zu ermöglichen Ziel war es, im Durchschnitt monatlich 38,5 Stunden Wochenarbeitszeit der Vollzeitbeschäftigten zu erreichen. Gelingt dies nicht, ist eine entsprechende Anpassung mit dem Betriebsrat zu vereinbaren, dem von Betriebsseite monatlich detailliert über die Arbeitszeiten der Beschäftigten zu berichten ist. (vgl. Manteltarifvertrag für Arbeiter und Angestellte in der Metallindustrie in Nord- württemberg/Nordbaden). Diese Öffnungsklauseln, die den Unternehmen die Mög- lichkeit boten mit den Betriebsräten die endgültigen und konkreten Arbeitszeiten zu vereinbaren, waren gleichzeitig Resultat der gewandelten unternehmerischen Strategie. Mit dem Tarifkompromiss erreichte die Arbeitgeberseite vorläufig ihr Ziel und konnte die flexiblen Arbeitszeiten, die von nun an auch kollektiv zu regeln waren, als Ins- trument zur Verbesserung der Kapitalrentabilität effektiv einsetzen und die Arbeits- zeiten je nach den betrieblichen Bedürfnissen flexibilisieren und gestalten (vgl. Schudlich 1987; 100). Das Besondere an dieser Tarifvereinbarung war, dass der Tarifabschluss für weitere Tarifverträge in anderen Bereichen als Grundlage dienen sollte. Somit wurden in fast allen ab 1984 abgeschlossenen Tarifvereinbarungen über die verkürzten Wochenarbeits- zeiten zugleich Regelungen zur Arbeitszeitflexibilisierung aufgenommen. Tatsache ist, dass der Tarifvertrag in der Metallindustrie die Flexibilisierungsmöglichkeiten, die es schon in vor 1985 wirksam gewordenen Tarifverträgen gegeben hatte, in den davon betroffenen Wirtschaftszweigen vergrößert hat. Er hat somit die vorher schon vor- handene Tendenz der individuellen und flexiblen Arbeitszeiten verstärkt. Weiterhin war es von nun an möglich, die individuelle Arbeitszeit entsprechend der unterschiedlichen Knappheit der Arbeitskräfte zu differenzieren sowie durch die Entkoppelung von Arbeits- und Betriebszeiten mit dem Ziel, die Maschinenlaufzeiten zu halten oder sogar 106 auszudehnen. In der Metallindustrie hieß es konkret, die Laufzeiten moderner und teurer Maschinen im Vergleich zu den älteren zu verlängern, um die Kapitalproduktivität und die Rentabilität von Investitionen in neue Technologien zu erhöhen. Auf der Arbeitgeberseite herrschte eine hohe Zufriedenheit über den Abschluss. Nach der Bekanntgabe des „Leber-Kompromisses“ erklärte BDA-Präsident Esser, das zufriedenstellende Ergebnis sei vor allem der Bereitschaft der Unternehmer zu verdan- ken, die Auseinandersetzung solidarisch mit der IG Metall durchzustehen. Die Tarif- einigung wurde seitens Arbeitgeber als ein neuer Anfang für die flexiblere Gestaltung der Arbeitsbedingungen insgesamt bewertet. Der damaliger Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, Norbert Blüm fasste die Bedeutung des neuen Tarifvertrags in einem Interview wie folgt zusammen: „Hier ist ein neues Kapitel in der Tarifpolitik aufgeschlagen worden. Das Ergebnis führt in seiner Bedeutung weit über die Arbeits- zeitfrage hinaus, weil sich die Gewerkschaften in eine Kooperation mit den Betrieben eingelassen haben. Und nur auf diese Weise läßt sich die unumgängliche Flexibilität ermöglichen. Wer glaubt, er könne alles von den Zentralen und mit Hilfe großflächiger Tarifvereinbarungen lösen, wird sich in die Sackgasse hineinmanövrieren. Andererseits können wir nicht die Tarifvereinbarungen so auflösen, daß jeder Betrieb macht, was er will, sondern es muß einen Hauptnenner geben. Diese Balance haben die Tarifparteien unter der sehr verdienstvollen Anleitung von Georg Leber versucht, nämlich, daß die Tarifpartner zwar den Rahmen festlegen, aber im Betrieb auf die besonderen Gegeben- heiten Rücksicht genommen werden können. Flexibilität braucht eine neue zeitliche Dimension: wir müssen raus aus dem engen Korsett Wochenarbeitszeit und brauchen längere Bemessungsspielräume. Zugleich aber verlangt Flexibilität eine neue räumliche Dimension: die Betriebe müssen die Vereinbarungen auf ihre Verhältnisse hin auslegen und anwenden können.“ (Die Zeit, 06.07.1984). Die Gesamtmetall beurteilte den Kompromiss insgesamt positiv und bewertete ihn als ein Gewinn für kreative und flexible Gestaltung der Arbeitszeiten. (vgl. Schudlich 1987; 99f). Auch in der vom Bundesverband Druck herausgegeben Presseerklärung wurde hervorgehoben, dass eine für die Druckindustrie „maßgeschneiderte“ Flexibilisierung gelungen sei. Faktisch hatte damit eine erhebliche Anpassungsmöglichkeit an den Markt durch die neuen Tarifvereinbarungen stattgefunden, so dass die Unternehmen dadurch die Chance bekamen, die Kosten weiter zu senken. Von nun an kam es für die Arbeitgeberverbände und deren Mitglieder darauf an, den Betrieben und Beschäftigten sowie der Öffentlichkeit klarzumachen, dass flexible Arbeitszeiten der richtige Weg für Arbeitsplatzbeschaffung, Beschäftigungssicherung und Wettbewerbsfähigkeit sei. Denn der Tarifabschluss, der zwar von beiden Seiten als befriedigend bewertet wurde, zeigte die Tatsache, dass es den Tarifparteien und dem Schlichter nicht gelungen war, eine 107 langfristige Lösung zu finden. Die im Vergleich mit den traditionellen Laufzeiten unge- wöhnlich kurze Laufzeit des neuen Manteltarifvertrags von 18 Monaten in der Metall- industrie wurde eher als Waffenstillstand bezeichnet. (vgl. ebenda; 100). In den darauf folgenden Jahren konzentrierten sich die Arbeitgeber einerseits die Beschäftigungseffekte tariflicher Arbeitzeitverkürzungen in Diskussion zu stellen und anderseits die Vorteile der Arbeitszeitflexibilisierung hervorzuheben. Werner Then, der Vorsitzende der Deutschen Management Gesellschaft und Vorstandsprecher des Bundesverbandes Zeitarbeit, schrieb in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: „Wir müssen kollektive Arbeitszeitverkürzungen, wie sie gegenwärtig diskutiert werden, hierzu zählt auch die Verkürzung der Lebensarbeitszeit, abwehren. Wir sollten dagegen die Freiräume im „System Arbeit“ erweitern und nicht Arbeitszeitrationalisierung ein- führen, was ja Arbeitsumverteilungs- und Arbeitszeitverkürzungsmaßnahmen bedeuten würde.“ (Frankfurter Allgemeine, 03.01.1985). In diesem Zusammenhang stellte „Das Institut der deutschen Wirtschaft“ kurz nach der Tarifvereinbarung eine Modellrechnung auf, in der die Vorteile der Arbeitszeit- flexibilisierung aufgezählt wurden. Das Institut machte geltend, dass die Arbeitszeit- flexibilisierung, wie sie in dem Tarifkompromiss der Metallbranche verwirklicht worden ist, den Wünschen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber nach einer flexibleren Handhabung der Arbeitszeit entgegenkomme. Die Modellrechnung des IW kam zu dem Ergebnis, dass die flexible Arbeitszeitregelung einen größeren Beschäftigungseffekt als die pauschale 38,5-Stunden-Woche bringe. Mit den flexiblen Arbeitszeitregelungen könnten nach Modellrechnungen des IW fünf, mit einer kollektiven Regelung aber nur drei zusätzliche ungelernte Arbeitnehmer eingestellt werden (vgl. Handelsblatt, 07.09.1984). Eine andere Untersuchung der Arbeitgeber, deren Ergebnisse im Jahr 1984 der Öffentlichkeit präsentiert wurden, konzentrierte sich auf die Auswirkungen verschiedener Formen der flexiblen Arbeitszeiten sowie der Teilzeitarbeit auf die soziale Sicherung und auf die Personalkosten. Laut vom „Internationale Institut für Management und Verwaltung/Arbeitsmarktpolitik des Wissenschaftszentrum Berlin“ durchgeführte Untersuchung sollten versicherungsrechtlicher Hindernisse ohne negative Folgen für Betriebe und Arbeitnehmer abgebaut werden. Dazu müssten vor allem die Regelungen von Renten, Kranken- und Arbeitslosenversicherung einander angeglichen und Bestimmungen, die Beschäftigte mit unkonventioneller Arbeitszeit unbillig benach- teiligen, geändert werden. Die gültigen sozialversicherungsrechtlichen Regelungen erhielten, laut der Untersuchung, erhebliche Barrieren, die eine Ausweitung von flexiblen Arbeitszeitformen und Teilzeitarbeit sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer erschwerten. Demgegenüber wurde der Staat aufgefordert, für Personen, die z.B. aufgrund ihrer familiären Verpflichtungen oder ihres individuellen Leistungs- 108 vermögens keine Vollzeitbeschäftigung ausüben könnten, die finanziellen Belastungen der Sozialversicherung zu senken (vgl. Handelsblatt, 06.11.1984). Gestützt auf diese Ergebnisse appellierte die Gesamtmetall, weiter auf die Arbeits- zeitflexibilisierung zu setzen und empfahl bei der Flexibilisierung der wöchentlich verkürzten Arbeitszeit auf drei Komponenten zu achten:  Die individuelle regelmäßige Arbeitszeit der Arbeitnehmer können unter- schiedlich zwischen 37 und 40 Stunden betragen, wobei im Durchschnitt des Betriebes 38,5 Stunden erreicht sein müssen.  Die individuelle regelmäßige Wochenarbeitszeit kann ungleichmäßig auf die Werkstage und Wochen verteilt werden, wobei die individuelle regelmäßige Wochenarbeitszeit des jeweiligen Arbeitnehmers im Durchschnitt von längstens zwei Monaten erreicht werden muss.  Die tatsächliche Wochenarbeitszeit kann weiterhin 40 Stunden betragen und die Arbeitszeitverkürzung durch „freie Tage“ bzw. „Freischichten“ gewährt werden (vgl. Handelsblatt, 16.10.1985). Auch bei den Tarifverhandlungen in der Metallindustrie im Jahr 1987 setzte sich die Gesamtmetall für flexible Arbeitszeitgestaltung ein. Die Forderung der IG Metall, die 35-Stunden-Woche mit vollem Lohnausgleich einzuführen, stieß bei der Gesamtmetall auf Widerstand. Die Arbeitgeber der Metallindustrie hielten diese Strategie für falsch und setzten stattdessen auf eine Politik der Kostenstabilisierung im Verbund mit einem Tarifvertrag, der den Betrieben einen möglichst großen Spielraum für weitere flexible Arbeitszeitgestaltung lässt. So erklärte der Vorsitzender der Gesamtmetall, Werner Stumpfe, dass nach knapp zwei Jahren praktischer Erfahrung die flexible Arbeitszeit- gestaltung aus künftigen Tarifverträgen nicht mehr wegzudenken sei (Wirtschaftsdienst Ausgabe 01/87). Angeregt durch die „positiven Auswirkungen“ konzentrierte sich die Gesamtmetall auf die Erweiterung von Flexibilisierungsmodellen. Die Gesamtmetall- führung war fest davon überzeugt, dass flexible Arbeitszeitgestaltung den Betrieben ein Bündel von Vorteilen bringt, wenn sie die tariflichen Rahmenbedingungen voll aus- schöpfen würden. (vgl. ebenda). Anschließend einigten sich IG Metall und Gesamt- metall in einem Spitzengespräch am 23. April 1987 in Bad Homburg auf eine weitere Verkürzung der Wochenarbeitszeit. Ab dem 1. April 1988 sollte die wöchentliche Arbeitszeit auf 37,5 Stunden um eine weitere Stunde verkürzt werden. Ab dem 1. April 1988 bis zum 31. März 1990 sollte die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit nur noch 37 Stunden betragen. Das Besondere an dieser Einigung war, dass die Arbeitszeitver- kürzung im Gegensatz zum „Leber-Kompromiss“ in zwei Stufen stattfand und eine 109 Laufzeit von 36 Monaten hatte. So konnte es den Arbeitgebern gelingen, die beiden Stufen de Arbeitszeitverkürzung mit relativ moderaten Lohn- und Gehaltsabschlüssen von 2,0 und 2,5 % zu verbinden. Der Präsident von Gesamtmetall, Werner Stumpfe erklärte in einem Gespräch mit Handelsblatt, dass vor allem die mittelständischen Unternehmen der Metallindustrie mit dem Ergebnis des Spitzengesprächs zufrieden sein könnten. Denn zum einen war es den Arbeitgebern gelungen, den Ausgleichzeitraum für ungleichmäßige Verteilung der Arbeitszeit von zwei auf sechs Monate zu verlängern, was ein wichtiger Flexibili- sierungsbeitrag vor allem für die kleinen und mittleren Unternehmen bedeutete. Zum anderen war es den Tarifparteien in der deutschen Tarifgeschichte erstmalig gelungen, einen Tarifvertrag mit einer Laufzeit von 36 Monaten abzuschließen, der die Kosten- kalkulation der Unternehmen auf einer sicheren Grundlage ermöglicht (vgl. Handels- blatt, 23.04.1987). Zwischen Gesamtmetall und IG Metall wurde auch im Grundsatz beschlossen, dass die Einzelheiten der Flexibilisierung in den weiteren Regional- verhandlungen beschlossen werden sollten, mit der Ausnahme des Ausgleichszeitraums, innerhalb dessen der einzelne Arbeitnehmer die durchschnittliche Arbeitszeit erreichen muss. Auch hinsichtlich der Differenzierung der Arbeitszeit gab es eine Einigung. Demzufolge sollte ab 01.04.1988 bis zum 31.03.1989 die durchschnittliche Arbeitszeit in den Betrieben 37,5 Stunden in der Woche, die längste Arbeitszeit 39,5 Stunden, die kürzeste 37 Stunden betragen. Für die Zeit vom 01.04.1989 bis 31.03.1990 sollte die kürzeste Arbeitszeit 36,5 Stunden, die durchschnittliche 37 Stunden und die längste 39 Stunden betragen. Diese Regelungen waren Ausgangspunkte für die weitere Veränderung der Arbeits- zeiten. Von nun an war es den Betrieben möglich die Arbeitszeiten variabler und flexibler zu gestalten und damit von Normalarbeitszeitstandards wegzukommen. Das Interesse an der Verlängerung der Betriebsnutzungszeiten sowie daran, die Arbeits- zeiten auf der betrieblichen Ebene zu regeln stellte zudem den Samstag und Sonntag wieder in den Mittelpunkt der Diskussion. Die Metallarbeitgeber und Produktions- betriebe waren bestrebt, den Samstag und später auch den Sonntag schrittweise wieder als normalen Arbeitstag ohne Zuschläge einzubeziehen. Dadurch konnte die maximale Auslastung der technischen, organisatorischen, natürlichen sowie menschlichen Ressourcen erreicht und die Senkung der Stückkosten sowie die Erhöhung der Kapitalrentabilität beschleunigt werden. In diesem Zusammenhang sollten die Betriebs- vereinbarungen über flexible Arbeitszeit dafür sorgen, die Zahl der Kernbelegschaft möglichst klein zu halten und zudem über die Kapazität des Arbeitsvolumens die volle Verfügungsfreiheit zu haben. 110 Die Arbeitgeber unternahmen zu Beginn der neunziger Jahre unter dem Vorwand der ökonomischen Krise weitere Schritte in Richtung der angestrebten Arbeitszeit- flexibilisierung. Mit der Begründung, die ökonomische Krise sei nicht auf eine bloße konjunkturelle Schwäche zurückzuführen, sondern auch durch tiefgreifende Struktur- probleme bedingt, drohten die Arbeitgeber mit weiterem Personalabbau und Massen- entlassungen in zahlreichen Branchen. Die Arbeitslosigkeit erreichte einen Anstieg bis zu einem Höchststand von über 4 Millionen gemeldeten Arbeitslosen. Vor diesem Hintergrund wurde noch stärker auf Arbeitszeitflexibilisierung als Instrument zur Sicherung von Beschäftigung zurückgegriffen. Obwohl auf der tariflichen Tages- ordnung keine Arbeitszeitregelungen standen, kam es 1993/94 in einer Reihe von westdeutschen Tarifbereichen zu Vereinbarungen über neue flexible Arbeitszeitmaß- nahmen mit dem Ziel der Beschäftigungssicherung. Mit der Einführung des Beschäfti- gungssicherungstarifvertrages in der Metall- und Elektroindustrie im Jahre 1994 gab es ein neues arbeitszeitpolitisches Instrument, mit dem die Flexibilisierung von Arbeits- zeiten nunmehr primär als temporäres einzelbetriebliches Kriseninstrument eingesetzt werden konnte, um ökonomisch prekäre Situationen ohne Beschäftigungsabbau über- winden zu helfen. So wurde u. a. ausgehandelt, dass die wöchentliche Arbeitszeit durch Betriebsvereinbarungen auf 30 Stunden ohne Lohnausgleich verkürzt werden kann. Allgemein erlaubten die tariflich neu geregelten flexiblen Arbeitszeiten den Arbeit- gebern, Produktionssysteme zu flexibilisieren, Produktions-, und Arbeitsabläufe zu optimieren und von der standardisierten Massenproduktion wegzukommen. Durch die neuen Tarifabschlüsse und die Verlagerung der Diskussionen auf die betriebliche Ebene konnten zwischen Betriebsleitung und Betriebrat unter Berücksichtigung der betrieb- lichen Bedürfnisse unterschiedliche Tages-, Wochen- und Jahresarbeitszeiten sowie individuelle Arbeitszeiten vereinbart werden. Zwar befriedigten die Tarifabschlüsse und die ersten Betriebsvereinbarungen die Wünsche der Unternehmen und ihren Verbände noch lange nicht. Aber die betrieblichen und tariflichen Öffnungsklauseln schufen gewisse Spielräume für weitere Flexibilisierungen der Arbeitszeiten und ansatzweise auch dafür, die Gestaltung der Arbeitszeiten auf der betrieblichen Ebene zu regeln. Es lässt sich also festhalten: Die Gesamtmetall konzentrierte sich in den 1990er Jahren darauf, die IG Metall von den neuen Handlungserfordernissen in der flexiblen Arbeitzeitpolitik zu überzeugen. Dabei kamen die rechtlichen und wirtschaftlichen Aspekte sowie die Informations- und Überzeugungsarbeit der IG Metall, Betriebsräte und Belegschaften an erster Stelle. Vor dem Hintergrund der oben skizzierten Haltung war die Gesamtmetall auch daran interessiert, die betrieblichen Bedürfnisse in den Vordergrund ihrer Bemühungen zu stellen. Als Aufgabe der Tarifvertragsparteien wurde das Schaffen eines größtmöglichen Gestaltungsspielraums für die betriebliche 111 Regelungssphäre definiert. Bezogen auf Arbeitszeitflexibilisierung und speziell auf betriebliche Gestaltung von Arbeitszeiten ergaben sich daraus die Überlegungen der Gesamtmetall, die Diskussionen über die Arbeitszeit auf die betriebliche Ebene zu verlagern und die Entscheidungen über die Arbeitszeitgestaltung der Unternehmens- leitung und dem Betriebsrat zu überlassen. Ende der 1990er Jahre, nachdem es Gesamtmetall gelungen war, in vielen Unternehmen flexible Arbeitzeitmodelle einzuführen, die Diskussionen auf die betriebliche Ebene zu verlagern und für Arbeitszeitflexibilisierung notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen, wurde die Forderung nach flexiblen Arbeitszeitkonzepten bekräftigt, indem betont wurde, dass die Unternehmen einen weiteren tariflichen Arbeitszeit-Korridor von 30-40 Stunden bräuchten. Dann könnten sich Unternehmensleitung, Betriebsrat und Mitarbeiter auf die Stundenzahl einigen, mit der sowohl die betrieblichen Erfordernisse als auch die unterschiedlichen Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen berücksichtigt werden. (Presseerklärung der Gesamtmetall am 08.05.1998). So kann abschließend festgestellt werden, dass im Vergleich zu den 1980er Jahren die Gesamtmetall sich in den 1990er Jahre stärker auf die Arbeitszeitflexibilisierung konzentrierte. Insgesamt lassen sich für die Arbeitszeitpolitik der Gesamtmetall in den 1980er und 1990er Jahre zwei Phasen unterscheiden. Die erste Phase, die bis Ende der 1980er Jahre reichte, war durch eine ablehnende Haltung zur Arbeitszeitverkürzung ge- kennzeichnet. In dieser Phase versuchte die Gesamtmetall mit allen Mitteln eine weitere Verkürung der Arbeitszeit zu verhindern. Die zweite Phase, die die Periode seit 1990 umfasst, ist durch eine Flexibilisierungswelle geprägt. Das Kennzeichen dieser Periode war die Verbreitung flexibler Arbeitszeitformen in der Metall- und Elektroindustrie. Hierbei vertrat die Gesamtmetall die Position, dass die aufeinander abgestimmte Gestaltung von Betriebszeit und Arbeitszeit sowohl für Großunternehmen als auch für Kleinbetriebe ein zentraler Bestandteil erfolgsversprechender Konzepte zur Erhöhung der Produktivität und zur Sicherung und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit sei. Die Umstellung auf flexible Arbeitszeiten bot für die Unternehmen eine Vielzahl von Vor- teilen, unabhängig von Branche, Betriebsgröße, Kundenstruktur und Besonderheiten im betrieblichen Leistungsprozess. 3.1.2. Die Haltung der Industriegewerkschaft Metall Die Gewerkschaften sehen es als zentrale gesellschaftspolitische Aufgabe der Arbeits- zeitpolitik, den Kampf gegen Massenarbeitslosigkeit und für Voll(zeit)beschäftigung so 112 zu führen, so dass durch kürzere Arbeitszeiten mehr Menschen wieder Arbeit finden, alle mehr vom Leben und attraktivere Arbeitsbedingungen haben. Die Forderung nach einer Kampagne für die 35-Stunden-Woche, die erst einmal innerhalb der Gewerk- schaften durchgesetzt werden musste, entstand vor dem Hintergrund der ab Mitte der 1970er Jahre sich verschärfenden Weltwirtschaftskrise und der in deren Folge zunehmenden Arbeitslosigkeit. Durch diese Entwicklung bedingt, setzte bei den Gewerkschaften ein verstärktes Suchen nach neuen Wegen ein. Des Weiteren bewegte das Auseinanderklaffen von tariflicher und tatsächlicher Arbeitszeit die Gewerkschaften dazu, die Arbeitszeitverkürzung beschäftigungspolitisch zu begründen. Dazu gehörte das Mehrarbeitsproblem durch stetig steigenden Überstunden oder auch die Zunahme von Arbeitsbelastungen durch Intensivierung der Arbeit. Dementsprechend wurde der Kampf um die Verkürzung der Wochenarbeitszeit aus „drei guten Gründen“ geführt: mehr Arbeitsplätze, mehr Humanisierung der Arbeitsbedingungen und mehr Freizeit. Um diese Ziele zu erreichen, forderte der 12. ordentliche Gewerkschaftstag der IG Metall in Düsseldorf neben anderen Formen der Arbeitszeitverkürzung, die Einführung der 35-Stunden-Woche mit vollem Lohnausgleich. Der 13. und 14. Gewerkschaftstag (1980 in Berlin und 1983 in München) bekräftigten diese Forderung. 1982 beschloss die IG-Metall-Spitze auf einer Klausurtagung in Ludwigsburg, den Kampf für die 35- Stunden-Woche auch praktisch aufzunehmen. Die IG Metall verwies in ihrer Forderung nach Verkürzung der Arbeitszeiten darauf, dass nur durch die Arbeitszeitverkürzung in den 1970er Jahren größere Arbeitslosigkeit verhindert werden konnte. Angesichts der steigenden Arbeitslosigkeit lautete die Devise: „In Überstunden stecken neue Arbeits- plätze“. Laut einer Rechnung der IG-Metall würde eine Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit von 40 auf 35 Stunden im Jahr 1984 das Heer der Arbeitslosen um rund 1,5 Millionen Menschen verkleinern. 1986 wären sogar nach dieser Berechnung bei jährlichem Nullwachstum und einer Steigerung der Produktivität um 3 % statt 5,6 etwa 4,1 Millionen Menschen ohne Arbeit (vgl. Frankfurter Rundschau, 16.07.1983). Die IG- Metall war der Meinung, dass eine gerechtere Verteilung der vorhandenen Arbeit durch die Verwirklichung der 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich möglich sei. Auch in Publikationen des DGB war zu lesen, dass bei einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden eine Verkürzung der Arbeitszeit um eine Stunde neue Arbeitsplätze schaffen. So kam der DGB rechnerisch auf 1,3 Millionen neuen Arbeitsplätzen, wenn die Wochenarbeitszeit von 40 auf 35 Stunden verkürzt würde. Allgemein ging es für die IG Metall bei der Diskussion über die Arbeitzeit darum, Verteilungsgerechtigkeit zu erkämpfen und individuelle und gesellschaftliche Perspektiven bei der Gestaltung von Arbeitszeit und Lohn aufzuzeigen und durch- zusetzen. Aus diesem Grund stand die IG Metall in den 1970er und Anfang der 1980er 113 Jahre der Arbeitszeitflexibilisierung prinzipiell durchaus aufgeschlossen gegenüber. Der DGB und die übrigen Mitgliedsgewerkschaften waren skeptischer gegenüber der Haltung der Arbeitgeber, die statt Arbeitszeitverkürzung die Flexibilisierung der Arbeitszeiten forderten. Die Gewerkschaften vertraten die Meinung, dass von den Arbeitszeitflexibilisierungen vor allem die Arbeitgeber profitieren würden. Laut den Gewerkschaften hätte die Flexibilisierung der Arbeitszeiten aus der Sicht der Arbeit- geber folgende betriebs- und personalwirtschaftliche Ziele:  Kostengünstiges Abfangen der Produktionsspitzen  Reduzierung der Stammbelegschaften auf ein Minimum  Einsetzen der aufrufbreite Teilzeitkräfte  Verbesserung der Kapazitätsauslastung durch Ausdehnung bzw. Abkoppelung der Betriebszeit von der tariflichen Arbeitszeit Für die Beschäftigten dagegen hätte die Arbeitszeitflexibilisierung folgendes bedeutet:  Abbau von Arbeitnehmerschutzrechten bzw. Aufhebung der der tarifver- traglichen Arbeitszeitregelungen sowie Aushöhlung des Tarifvertragssystems  „Runterverlagerung“ der Konflikte auf die betriebliche und individuelle Ebene  Leistungsverdichtung und Intensivierung der Arbeit  Übertragung des Organisations- und Beschäftigungsrisikos auf den kapazitäts- orientiert arbeitenden Arbeitnehmer. (vgl. Janßen 1987; 88). Vor allem wollte die IG Metall die Flexibilisierung der Arbeitszeiten nicht isoliert betrachten. Sie stand im Rahmen einer generellen Flexibilisierungsstrategie, die neben flexiblen Arbeitszeiten auch flexible Lohn- und Gehaltstarifverträge, flexible Ein- stellungs- und Kündigungsmöglichkeiten sowie flexible Einsatzmöglichkeiten der Arbeitnehmer in den Betrieben vorsah (ebenda; 89f). So lehnte sie das „Flexi-Konzept“ der Gesamtmetall ab und bezeichnete die Forderungen als inakzeptabel. In einer Erklärung hieß es, dass das Konzept auf die Disziplinierung der Arbeitsnehmer und die Schwächung der Gewerkschaft ziele: „Dieses Konzept legt die tatsächlichen Ziele von Gesamtmetall in der gegenwärtigen Tarifauseinandersetzung und über sie hinaus eindeutig offen. Es ist  der Missbrauch der Massenarbeitslosigkeit für die unternehmerische Tarif- politik,  die Unterordnung des Menschen unter die Maschine durch die unterneh- merische Flexibilisierungspolitik, 114  der vollständige Rückzug der Unternehmer aus jeder beschäftigungspolitischen Verantwortung.“ (Frankfurter Rundschau, 02.05.1984) Die IG Metall bezeichnete die ablehnende Haltung der Gesamtmetall als „politisch begründet“ und warf ihr vor, die positiven Beschäftigungseffekte einer generellen Wochenarbeitszeitverkürzung zu bestreiten: „Gesamtmetall behauptet, daß die Wochen- arbeitszeitverkürzung durch die fehlende `Verfügbarkeit von beruflichen Qualifi- kationen´ beschäftigungsunwirksam sei. Diese Gesamtmetall-These ist angesichts der aktuellen Massenarbeitslosigkeit auch qualifizierter Arbeitnehmer ein besonders übles Täuschungsmanöver. So hat die jüngste Strukturuntersuchung der Bundesanstalt für Arbeit gezeigt, dass von den amtlich erfassten Arbeitslosen fast 50 Prozent eine abgeschlossene Berufsbildung besitzen und mehr als 40 Prozent Facharbeiter und sog. gehobene Angestellte sind“ (ebenda). Die Position der Gesamtmetall, dass eine generelle Wochenarbeitszeitverkürzung durch zusätzlichen betrieblichen Kostendruck beschäftigungsunwirksam sei, wurde zurückge- wiesen und der Gesamtmetall eine bewusste Irreführung der Öffentlichkeit und Beschäftigten vorgeworfen. Hinter dieser Einstellung verbarg sich die Tatsache, dass seit 1981 die Tarifabschlüsse hinter den Preissteigerungsraten zurückgeblieben und die Produktivitätssteigerungen allein den Gewinnen zugute gekommen waren. Die IG Metall unterstrich insbesondere, dass die Einkommensverteilung in der Gesamt- wirtschaft und in der Metallverarbeitung – ganz im Gegensatz zu früheren Krisen- perioden – massiv zugunsten der Gewinne der Unternehmer und zu Lasten der Arbeit- nehmer verschoben worden sind und gleichzeitig die Zahl der abhängig Beschäftigten in der Gesamtwirtschaft um mehr als eine Million und in der Metallverarbeitung um mehr als 300 000 reduziert worden ist. Die IG Metall warf der Gesamtmetall vor, die gesellschaftlichen Kosten der Arbeitslosigkeit zu ignorieren und vielmehr die Massen- arbeitslosigkeit für den Ausbau unternehmerischer Herrschafts- und Verteilungspolitik politisch zu missbrauchen: „Gewollt ist nicht die Senkung der Arbeitslosigkeit, sondern der Kapitalkosten. (…) Ziel von Gesamtmetall ist die Verlängerung der Betriebszeiten. An die Stelle einer tarifvertraglichen Umverteilung der vorhandenen Arbeit nach den Interessen der Arbeitnehmer soll die individuelle Umverteilung der vorhandenen Arbeitszeit nach den Interessen der einzelnen Betriebe treten. (…) Ein solches Flexibilisierungs-Konzept läuft ausschließlich darauf hinaus, dass betriebs- wirtschaftliche Vorteile für das Kapital mit sozialen Nachteilen für die Beschäftigten erkauft würden: Das Ergebnis für die Arbeitgeber wären zusätzliche Rationalisierungs- gewinne aus sinkenden Kapitalkosten und steigender Produktivität. Das Ergebnis für die Arbeitnehmer wären zusätzliche Verluste an Lebensqualität durch mehr Schicht- und Nachtarbeit, durch mehr Samstag- und mehr Feiertagsarbeit.“ (ebenda). 115 Darüber hinaus herrschte bei der IG Metall die Ansicht, dass die Flexibilisierung der Arbeitszeiten die Konkurrenz zwischen qualifizierten und nicht qualifizierten Beschäftigten fördern und sie dazu bringen würde, niedrigere Bezahlungen zu akzeptieren. Die IG Metall sah darin eine Schwächung, eine Spaltung oder gar die Entsolidarisierung der Beschäftigten. Dadurch wäre die Gegenmacht der Beschäftigten gegenüber den Unternehmen stark geschwächt. Aus diesen Gründen bedeutete für die IG Metall der Kampf um die Wochenarbeitszeitverkürzung für alle Beschäftigten zugleich auch einen Kampf um den Erhalt der gewerkschaftlichen Handlungsfähigkeit und die Sicherung der gesellschaftlichen Reformfähigkeit. Somit legitimierte die IG Metall in den 1980er Jahren ihr Festhalten an kollektiv vereinbarten und allgemein gültigen Normen durch die Aufgabe, die in den vergangen Jahrzehnten erkämpften Schutz- und Mindeststandards auch im Bereich der Arbeitszeitpolitik vor der Aufweichung durch die Argumentation mit betriebswirtschaftlichen Kostenvorteilen zu bewahren. (vgl. Schudlich 1987; 90). Bei den Einwänden der Gewerkschaften gegen die Flexibilisierung von Arbeitszeiten handelte es sich durchaus um ernstzunehmende Bedenken und Sorgen. Auf einen Nenner gebracht, hießen die Ängste der Gewerk- schaften: „Flexibilisierung gefährdet Solidarität und Sozialstaat“. Aus dieser Über- legung heraus stand in allen gewerkschaftlichen Überlegungen die Wochenarbeitszeit- verkürzung als Fundament gewerkschaftlicher Arbeitszeitpolitik im Mittelpunkt. Die gesellschaftspolitischen Begründungen für diese Forderung waren in gewerk- schaftlichen Diskussionen weit verbreitet. Offen war die Frage, ob die 35-Stunden- Woche Endpunkt oder Zwischenstation in Richtung auf die 30-Stunden-Woche oder den 6-Stunden-Tag sein sollte. Jedoch ließ sich die Antiflexibilitätshaltung innerhalb der IG Metall auf Dauer nicht halten. Dabei spielte die Situation, dass die von IG Metall geforderte Arbeitszeit- verkürzung ohne die von Gesamtmetall geforderte Arbeitszeitflexibilisierung nicht durchgesetzt werden konnte, eine entscheidende Rolle. Zudem existierte unter den Beschäftigten auch eine positive Stimmung gegenüber der Arbeitszeitflexibilisierung, da die Unternehmen und die Flexibilisierungsbefürworter in der Öffentlichkeit des Öfteren publik machten, dass die Beschäftigten von nun ihre Arbeitszeiten selbst regeln konnten. Schließlich stimmte die IG Metall 1984 nach einem äußert hart geführtem Arbeitskampf einem Kompromiss zu, in dem die Reduzierung der Arbeitszeit auf 38,5 Stunden mit deren Flexibilisierung verknüpft war. Dabei hob die IG Metall die Arbeits- zeitverkürzung hervor und betonte, dass das Tabu der 40-Stunden-Woche endlich beseitigt war. (vgl. Die Quelle 1984; 387). 116 Die Zustimmung war auch mit Ängsten und Befürchtungen begleitet. Der damalige stellvertretende Vorsitzende der IG Metall fasste diese Ängste und Befürchtungen in einem Beitrag im Jahre 1987 wie folgt zusammen:  „Quantitativ geht es den Arbeitgebern darum, die Differenzierungsmöglich- keiten zu erweitern (d. h. die Anerkennung jedes Teilzeitarbeitsverhältnisses als „Regelarbeitszeit“) und damit die Auflösung jeglicher genereller Regelarbeits- zeit, sei es als abschließende Tarifnorm, sei es als Durchschnittsnorm zugunsten einer nur noch individuellen Regelarbeitzeit. Und es geht um die Ausweitung des Bezugszeitraumes, innerhalb dessen die individuelle Regelarbeitszeit er- reicht werden muß, auf mindestens ein Jahr mit Schwankungsmöglichkeit inner- halb der Grenzen der AZO (von 0 Stunden bis 48 bzw. 54 Stunden pro Woche).  Unter qualitativen Aspekten geht es dem Arbeitgeberlager um eine Verlän- gerung der Betriebsnutzungszeit an allen Tagen der Woche und während 24 Stunden am Tag, d. h. also konkret um den Pausendurchlauf bei sämtlichen Pausen (Pausen aufgrund von Erholzeiten, Pausen zur Esseneinnahme, AZO- Pausen), Einbeziehung des Samstages in die regelmäßige Arbeitszeit und Er- möglichung der Sonntagsarbeit in einer Vielzahl von Fällen. Damit soll der An- passung der Beschäftigung an das niedrigste Produktionsniveau und der Aus- gleich von Produktionsspitzen durch Verlagerung der regelmäßigen Arbeitszeit in diese Zeiträume, die Vermeidung der Mitbestimmungsmöglichkeiten und der Kosten, die sonst bei Mehrarbeit erforderlich sind, erreicht werden (Janßen 1987; 91). Mit der Flexibilisierung der Arbeitszeiten rückte für die IG Metall die Notwendigkeit in den Vordergrund, die Flexibilisierung der Arbeitszeiten sowie deren Bedingungen mitzugestalten. Nachdem in den 1980er und folgenden Jahren erste vorsichtige Öff- nungen in Richtung Arbeitszeitflexibilisierung stattfanden, waren die IG Metall und die anderen Gewerkschaften mit neuen Problemen konfrontiert. In vielen Betrieben waren mittlerweile flexible Arbeitszeitmodelle und Arbeitszeitkonten eingeführt worden. So kann festgehalten werden, dass die Gewerkschaften zu Beginn der Diskussionen die sämtlichen Vorstöße zu einer flexibleren Gestaltung der Arbeitszeit mit massiven Vor- behalten abgelehnt hatten, inzwischen für differenzierte Konzepte einer bedürfnis- gerechteren Arbeitszeitgestaltung eintraten, die den Beschäftigten mehr Zeitsouveränität bescheren sollten (Vgl. Seifert 1995; 16f). Zudem stellten Peter Joachim und Hartmut Seifert in einem gemeinsamen verfassten Beitrag fest, dass angesichts der prekären Arbeitsmarktlage die Gewerkschaften an ihren Forderungen nach einer weiteren Verkürzung der Arbeitszeit, in erster Linie der Wochenarbeitszeit festhielten und sich 117 mit der Arbeitszeitflexibilisierung intensiver beschäftigten: „Gleichzeitig haben sie ihr arbeitszeitpolitisches Konzept erweitert. Die in der Vergangenheit etwas zu kurz gekommene Gestaltung der Lage und Verteilung der Arbeitszeit rückt in den Vorder- grund. Ein Ziel dabei ist, das Ausmaß der wegen entweder ungünstiger Lagen (Nacht- und Wochenendarbeit) oder wegen erratischer, die private Lebensplanung erschwerender Verteilungsmuster (wie im Extremfall bei kapazitätsorientierten variablen Arbeitszeiten) belastend wirkender Arbeitszeitformen abzubauen. Zweitens sollen kollektivvertragliche Regelungen Spielraum für Abweichungen von der Normal- arbeitszeit erweitern, um gruppenspezifisch unterschiedlichen Anforderungen an die Arbeitszeit besser zu entsprechen. Und drittens geht es darum, bislang kollektiv- vertraglich unregulierte Arbeitszeitformen in die tarifvertragliche Gestaltung einzube- ziehen“ (Joachim /Seifert 1991; 24). Unter diesen neuen Bedingungen war die IG Metall daran interessiert, die gewerk- schaftliche Arbeitszeitpolitik neu zu formulieren und zu begründen. Die Tatsache, dass etwa 80 % der Beschäftigten durch tarifliche, betriebliche und einzelvertragliche Regelungen sowie durch Betriebsvereinbarungen über Team- und Gruppenarbeit flexible Arbeitszeit- und Entgeltregelungen hatten, zwang die IG Metall, die neuen Bedingungen aufzugreifen und zur Grundlage politischer Konzepte zu machen. Eine zukunftsorientierte Arbeitszeitpolitik musste also die Veränderungen der Arbeitswelt und des Arbeitnehmerbewusstseins reflektieren. Demzufolge bekamen die Bestimm- ungs- und Gestaltungsrechte sowie Wahlmöglichkeiten des einzelnen Beschäftigten in der Arbeitszeitpolitik einen höheren Stellenwert. Zudem beabsichtigte die IG Metall in Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen die Anspruchs- und Gestaltungsrechte der einzelnen Beschäftigten neu zu formulieren und unter den neuen Umständen auch erfolgreich durchzusetzen. Auch die Aufsichts- und Überwachungsfunktion des Betriebsrates zum Schutz der Beschäftigten sollte dadurch nicht überflüssig, sondern mit entsprechenden Regelungen ausdrücklich verankert werden. Dadurch hoffte die Gewerkschaft, dass die individuellen Wünsche und Ansprüche der Beschäftigten mehr respektiert und berücksichtigt werden. Für die IG Metall galt es vor allem, darauf hinzuarbeiten, dass tarifliche Regelungen und betriebliche Praxis sich nicht auseinander entwickeln, sondern zusammengeführt werden. So bemühte man sich darum, ergänzend zur Gestaltung der Arbeitszeit auch den betriebsinternen Aushandlungsprozess wieder stärker ins gewerkschaftliche Blickfeld rücken zu lassen. So sollten die Wünsche und Ziele der Beschäftigten sowie der Betriebsleitung differenzierter formuliert und gegebenenfalls auch im Konflikt gegeneinander gestellt werden, damit eine für alle Beteiligten befriedigende Lösung gefunden werden konnte. Denn unter dem Druck der Massenarbeitslosigkeit war es den Unternehmen gelungen, die Flexibilisierung der 118 Arbeitszeiten weit voranzutreiben, ohne Rücksicht auf die Arbeitszeitwünsche der Beschäftigten zu nehmen. Als weitere arbeitszeitpolitische Maßnahme wollte die IG Metall unter den Arbeit- nehmergruppen differenzierter vorgehen, damit die flexible Arbeitszeitgestaltung den unterschiedlichen Bedürfnissen der Beschäftigten gerecht werden konnte. Die Differenzierung zwischen verschiedenen Arbeitnehmergruppen sollte in allen arbeits- zeitpolitischen Regelungen einen legitimen Platz bekommen und tariflich geregelt werden. Dabei sollten, wie es die Arbeitgeber sich wünschten, nicht nur Qualifikations- und Arbeitsmarkterfordernisse eine Rolle spielen sondern auch die unterschiedlichen Belastungen in der Arbeit, die verschiedenen Lebenssituationen und -biographien der Menschen, ihre Qualifizierungswünsche und Lebensentwürfe. Denn die Erfahrungen zeigten, dass die wenigsten Menschen ihr Arbeitsleben von sich aus als eine gleich- mäßige Abfolge von 8-Stunden-Tagen gestalten. So setzte sich innerhalb der IG Metall die Position durch, dass die Arbeitszeitbedürfnisse der Beschäftigten abhängig vom jeweiligen Lebensentwurf und der biographischen Phase sind. Daraus ergab sich ein Bild großer Heterogenität. Es reichte deshalb nicht aus, die tariflichen Arbeits- zeitforderungen nach nur einem Muster - etwa orientiert am männlichen lebenslang berufstätigen Facharbeiter - aufzustellen. Die Komplexität der Motive unterschiedlicher Beschäftigtengruppen (wie z.B. Angestellte, Hochqualifizierte, Frauen, junge Menschen) erforderte differenzierte Antworten. Die Arbeitszeitpolitik musste auch die Verteilung von Erwerbs- und Nichterwerbsarbeit zwischen den Geschlechtern mit ein- beziehen. Dabei agierten die Gewerkschaften vorsichtiger und wollten nicht missverstanden werden. Es sollte nicht der Eindruck erweckt werden, dass die Gewerkschaften die Absicht hätten, alte gesellschaftliche Zeitmuster durch neue zu ersetzen, sondern gemeinsam mit den Beschäftigten dafür zu sorgen, dass der Einzelne bessere Möglichkeiten hat, seinen Zeitrhythmus, seine Vorstellung des Ineinandergreifens von Lebens- und Arbeitszeit umzusetzen. Die flexiblen Arbeitszeiten und die überlangen Arbeitszeiten verschlechterten die Lebensqualität, waren gesundheitsgefährdend und behinderten die Möglichkeit einer gleichberechtigten Aufteilung von Haus- und Familienarbeit zwischen Mann und Frau. Aus diesen Gründen forderten die Gewerk- schaften unter dem Titel „Zeit zum Leben“ „generelle Arbeitszeitverkürzungen (erleichtern die Vereinbarkeit von Erwerbs- und Familienarbeit, schaffen Raum für sonstige nützliche Tätigkeiten), flexible Lebensarbeitszeiten entsprechend dem persön- lichen Lebensentwurf (schaffen Spielräume für individuelle Wahlmöglichkeiten), mehr Zeitsouveränität der Beschäftigten bei der Gestaltung ihrer täglichen, wöchentlichen, monatlichen, jährlichen Arbeitszeit, Recht auf Sabbaticals und zeitweilige Teilzeit- 119 arbeit, Unterschiedliche Formen der Altersteilzeit bzw. des Vorruhestands (Erfahrung einbringen "ja", Stress, Leistungsdruck, Hektik "nein"), familiengerechte Zeitgestaltung öffentlicher und sozialer Einrichtungen, Erweiterte Möglichkeiten der selbstgewählten Freistellung für Fortbildung/ Qualifikation.“ (vgl. IG Metall 1998; 4f). Flexible Arbeits- zeiten kämen nur mit eigener Zeitsouveränität der Beschäftigten in Frage. Nur so hätten die „Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein Interesse an selbstbestimmten flexiblen Arbeitszeiten, weil sie so ihr Leben bei der (gleichberechtigten) Bewältigung ihrer Familienaufgaben; bei der Abstimmung unterschiedlicher Zeitstrukturen: Arbeit, Behörden, Ärzte, soziale und kulturelle Einrichtungen (Kindergärten, Schulen, Theater usw.); bei ihren Freizeitinteressen; bei ehrenamtlichen Tätigkeiten in Vereinen, Initiativen usw.; bei allen möglichen und unerwarteten "Wechselfällen des Lebens besser organisieren konnten“ (ebenda). „Zeitsouveränität“ bedeutete für die IG Metall konkret, dass  die Beschäftigten über Lage und Länge der Arbeitszeit nach ihren persönlichen Bedürfnissen entscheiden können,  die Beschäftigten ein Recht auf Teilzeit aus familiären Gründen haben,  die Freistellungsmöglichkeiten für Fortbildung und Qualifikation jederzeit vorhanden sind,  die Möglichkeiten für zeitweiliges Ausscheiden (Sabbatical) gegeben sind,  die Beschäftigten das Recht haben, Mehrarbeit vollständig durch Freizeit auszu- gleichen. Trotz dieser Forderungen geriet die IG Metall bei der Arbeitszeitfrage in die Defensive. Zwar stellte sie sich dem Strukturwandel in den Betrieben, befand sich aber gleichzeitig in einer extrem schwierigen Situation. Im Mittelpunkt gewerkschaftspolitischer Auseinandersetzungen um die Arbeitszeit stand traditionell die Frage der Arbeitszeit- verkürzung. Wie Anfang der 1980er Jahre galten weiterhin die „3 guten Gründe“ für Arbeitszeitverkürzung. Der Horizont der Argumente wurde aber immer enger. Der IG Metall war bewusst, dass die aktuellen betrieblichen Rahmenbedingungen gekenn- zeichnet durch ein hohes Ausmaß an Flexibilisierung und eine Tendenz zur Exten- sivierung der Arbeitszeiten waren. Denn die Realisierungsmöglichkeiten zukünftiger gewerkschaftlicher Arbeitszeitverkürzung hingen nicht zuletzt davon ab, wie groß die jeweilige Lücke zwischen tariflichem Arbeitszeitstandard und tatsächlich geleisteter Arbeitszeit ist. Auch die Mehrarbeit, sowohl in der bezahlten Form, als auch in Form von nichtkompensierten Überstunden entwickelte sich immer mehr zu einem zentralen Problemfeld. 120 Aus dieser Situation heraus versuchte die IG Metall in die Offensive zu gehen und die Arbeitszeitflexibilisierung aus einem kritischen Blickwinkel zu betrachten. So hieß es in einer von der IG Metall veröffentlichen Broschüre: „Flexibel sollst Du sein. Immer wenn die Firma es braucht, sollst Du auf der Matte stehen. Wenn Du Deine Leistung bringst, verzichtet Dein Arbeitgeber vielleicht sogar auf jede Zeitkontrolle. Das nennt sich "Vertrauensarbeitszeit", d.h. Du darfst freiwillig so lange arbeiten wie nötig. Oder einen Teil der Arbeit mit nach Hause nehmen“ (IG Metall 1998). Das Verschwinden der Grenzen zwischen Arbeitszeit, Freizeit und Familienzeit bereitete der IG Metall große Sorgen. Umso mehr stellte sie den Kampf für die Zeitinteressen der Beschäftigten und für eine gerechte Verteilung der Arbeit in den Mittelpunkt. Weil in vielen Bereichen die tariflichen Regelungen nicht mehr galten, waren neue Konzepte gefragt, damit die Zeit der Beschäftigten nicht nur dem Arbeitgeber gehören sollte, sondern auch den Beschäftigten selbst. Umso mehr versuchte die IG Metall sich für mehr Zeitsouveränität der Beschäftigten, für eine Gleichverteilung von Erwerbsarbeit und Familienarbeit zwischen den Geschlechtern und für eine familienfreundliche Arbeitszeitpolitik einzusetzen. Dass die flexiblen Arbeitszeiten bei den Beschäftigten Akzeptanz fanden, bedeutete für die IG Metall gleichzeitig die Überarbeitung der eigenen Position. Auch die Betriebsräte fanden durch Umfragen heraus, dass die Flexibilisierungsspielräume eine große Zustimmung der Beschäftigten erhielten. Obwohl die Unternehmen ganz offensichtlich weitaus mehr von den neuen Arbeitszeitmodellen profitierten, waren die Beschäftigten anscheinend bereit, für ein wenig Mehr an Zeitsouveränität durch Gleitzeiten und mehr freie Tage durch Ausgleich der Zeitkonten auf einen Großteil der Mehrarbeitszuschläge zu verzichten. Daraus schlussfolgerte die IG Metall, dass die Mehrheit der Beschäftigten den Wert der freien Zeit höher als den finanziellen Ausgleich der geleisteten Mehrarbeitsstunden schätzte. Die IG Metall sah hierbei Nachholbedarf. Denn nur wenige Betriebsvereinbarungen schrieben den ver- pflichtenden Freizeitausgleich vor und verboten die Auszahlung des gesamten Guthabens: „Obwohl immer häufiger der Freistellung Vorrang eingeräumt wird, hängt die Bereitschaft hierzu von der finanziellen Ausgangslage und dem sozialen bzw. familiären Rollenverständnis der Beschäftigten ab. (…) Manche Beschäftigte empfinden ihre derzeitige Lebenssituation als fast ausschließlich durch Arbeit(szeit) bestimmt. Eine typische Beschreibung könnte etwa lauten: „Wenn ich abends nach Hause komme bin ich so fertig, daß ich nur noch ‘was esse und dann ins Bett falle. Am nächsten Morgen geht’s dann wieder zur Arbeit.“ Tatsache ist, daß in einigen Bereichen (F & E, DV/IT-Branche) offenbar dauerhaft länger gearbeitet wird, bis hin zu dem Extremfall, daß Arbeits- und Lebenszeit sich nicht unterscheiden lassen. Gemeint sind 121 Beschäftigungsverhältnisse, die über das Mittel der Identifikation mit der Arbeit und dem Unternehmen eine Ausweitung der Arbeitszeit in die Abend- und Nachtstunden und am Wochenende zur Gewohnheit werden lassen, ohne daß dafür später ein Ausgleich in freier Zeit erfolgt.“ (ebenda; 12). Schließlich bedeutete die Koordinierung der individuellen Arbeitszeit mit anderen institutionalisierten Zeitgebern (wie z. B. Kindergärten, Schulen, Öffnungszeiten von Verwaltung und Geschäften) und dem persönlichen Lebensumfeld (Familie, Freunde) einen alltäglichen Balanceakt, der oftmals nur mit hohem Organisationsaufwand zu bewältigen ist. Aus diesem Trend formulierte die IG Metall folgende gemeinsame Zielsetzungen für die künftige gewerkschaftliche Arbeitszeitpolitik:  die Reduzierung der tatsächlichen Arbeitszeit (Durchsetzung der 35-Stunden- Woche im eigenen Organisationsbereich, insbesondere in Ostdeutschland sowie im Handwerk ) und  tatsächliche Zeitsouveränität durch erweiterte Autonomiespielräume der Be- schäftigten bei Lage und Verteilung der Arbeitszeit. Dies bedeutet eine verbind- liche tarifliche Absicherung der „Spielregeln“ bei flexiblen Arbeitszeitmodellen (z.B. Zusicherung freier Tage oder Freizeitblöcke), ohne die eine wirkliche individuelle Zeitsouveränität nicht realisiert werden könnte. (vgl. IG Metall 1998; 15). Die positive Einstellung der IG-Metall-Führung gegenüber Arbeitszeitflexibilisierung war in der Gewerkschaftsbasis und unter den Flexibilisierungsgegnern umstritten. Seit dem Tarifkompromiss vom 1984 war die Debatten innerhalb der IG Metall durch Kritik an die Politik der IG Metall Führung begleitet. Gerade aus kritischen Gewerkschafts- kreisen wurde der Führung vorgeworfen, ohne schlüssiges arbeitszeitpolitisches Konzept zu agieren. Dabei wurde auf die Gefahr aufmerksam gemacht, dass die IG Metall ohne weitere Arbeitszeitverkürzung durchzusetzen ein großes Stück ihres Profils und ihrer Gestaltungskraft verlieren würde. Demzufolge hieß z.B. in einem Rund- schreiben, der von mehreren Vertrauensleuten und Betriebsratmitgliedern unter- schrieben wurde, dass diese Situation dramatisch für die Organisation sei: „Die 35- Stunden-Woche war der tarifpolitische Erfolg der IG Metall der letzten zwanzig Jahre. Es war die Aktion, mit der die IG Metall wirkliche Gestaltungskraft in der Gesellschaft bewiesen hat – im Unterschied zu vielen anderen Gewerkschaften im In- und Ausland. (…) Natürlich war die 35-Stunden-Woche keine reine Erfolgsstory. Wie nicht anders zu erwarten haben die Arbeitgeber unmittelbar nach der Durchsetzung der 35-Stunden- Woche alle groben und feinen Hebel in Bewegung gesetzt, um diesen Erfolg der IGM zu unterminieren, auszuhöhlen und letztendlich wieder zurückzudrehen. Es gab 122 Probleme bei der Realisierung und es gibt Probleme in der heutigen Realität. Leistungs- verdichtung bei Zeitlöhnern und Angestellten, übermäßige Flexibilisierung und Ent- grenzug der Arbeitszeit, unbezahlte Arbeitszeiten, abweichende Arbeitszeiten.“ (Aus dem Flugblatt: Zuspitzung? Aber gerne!). Die kritischen Gewerkschaftler sehen das Thema Arbeitszeitpolitik als wichtigen Punkt für die Zukunft der IG Metall. Die Zukunftsfrage laute somit, wie die Gewerkschaften auf den Druck der Unternehmer reagieren, der sich in den Zeiten des europäischen Binnenmarktes, der einheitlichen Währung und der Globalisierung seit 1984 deutlich verstärkt hat. Je mehr die Arbeitgeber weitere Flexibilisierung der Arbeitszeiten fordern, desto stärker lehnten die kritischen Gewerkschaften weitere Flexibilisierungen der Arbeitszeiten ab. Gerade in den Kreisen, die in den Diskussionen als Gegner der Arbeitszeitflexi- bilisierung auftreten, wird die Auseinandersetzung um die Flexibilisierung der Arbeits- zeiten auf der Basis des Klassenkampfes geführt. Wie in der Einleitung angesprochen wurde, wird hier die Position vertreten, dass die Gewerkschaften ihre Co-Management- Rolle beiseite legen und eine kämpferische Gegenmachtposition einnehmen sollen. Es wird der offiziellen gewerkschaftlichen Politik vorgeworfen, die Arbeitszeitverkürzung bzw. Arbeitszeitflexibilisierung als simples Instrument der kapitalistischen Krisen- regulierung behandelt zu haben. So wurde nicht die Verschärfung der Ausbeutung aufgehalten, sondern erst ermöglicht. Diese Politik und die Strategien, mit denen das Kapital sich immer stärker die Verfügungsgewalt über die gesamte Zeit sichert, um die Arbeitnehmer immer mehr zu vereinzeln und intensiver ausbeuten zu können, werden grundsätzlich kritisiert und abgelehnt. Bei der Argumentation gegen Flexibilisierung der Arbeitszeiten wird u.a. auf Sennett verwiesen, der in seinem Buch „Der flexible Mensch“ auf die negativen Folgen der Arbeitszeitflexibilisierung hinweist. Sennett macht in seinem Buch auf die neue Kultur des neuen Kapitalismus, die sich durch die postfordistische Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse, erhöhten Mobilitätszwang, wachsende Arbeitsplatzunsicherheit, die Abhängigkeit von undurchschaubaren techni- schen Systemen und den permanenten Zwang zur Umqualifizierung bemerkbar macht. All dies führe zu einem Verlust historischer Erfahrung und kalkulierbarer individueller Perspektive im Sinne einer kohärenten Lebensgestaltung: „Die Erfahrung einer zusammenhanglosen Zeit bedroht die Fähigkeit der Menschen, ihre Charaktere zu durchhaltbaren Erzählungen zu formen“ (Sennett 1998; 37). Entscheidender Charakter- zug der flexiblen Persönlichkeit sei dagegen „die Fähigkeit, sich von der eigenen Vergangenheit zu lösen und Fragmentierung zu akzeptieren“ (ebenda; 80). Das heißt, dass der flexible Kapitalismus besonders jene Charaktereigenschaften in Frage stellt, die Menschen aneinander binden und dem Einzelnen ein stabiles Selbstwertgefühl ver- mitteln (vgl. Ebenda; 31). Das Resultat sei eine generalisierte Angst und eine nur 123 scheinbar paradox damit verbundene Verstärkung konservativer Orientierungen an Werten wie Disziplin, Autorität und persönlicher Leistung, die in einem klaren Wider- spruch zur sowohl beruflichen wie privaten Lebensrealität stehen. Es sei diese Mischung von Konservativismus und Angst, die die Menschen verstärkt an die bestehenden Verhältnisse kette. Der Gewerkschaftsführung wird auch vorgeworfen, den Standpunkt des ideellen Gesamtkapitalisten Deutschlands eingenommen zu haben. Dadurch hätten die einzelnen Gewerkschaften versucht, durch die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung die Bundes- republik Deutschland zum produktivsten Wirtschaftsstandort der Welt zu machen, ohne gravierende soziale Spaltungen wie in den anderen Industriestaaten heraufzube- schwören. Die Möglichkeit zur Durchsetzung dieser Strategie sahen die Gewerk- schaften in einer Flexibilisierung der Arbeitszeit, wie sie von den Unternehmen und deren Verbänden eingefordert wurde, um die Produktionsanlagen intensiver nutzen zu können. So enthielt die Forderung nach 35-Stunden-Woche von vornherein den Flexibilisierungsgedanken, der als Verhandlungsmasse eingebracht wurde. Die 35- Stunden-Woche sollte einen Anstieg der Arbeitslosigkeit verhindern, sie sollte funktional gemacht werden für eine moderne kapitalistische Lösung: kürzere Arbeits- zeit, längere Betriebszeiten, niedrigere Lohnstückkosten durch mehr Produktivität. Dadurch seien die Unternehmen bestrebt, generell die Arbeitszeiten wieder zu erhöhen. So sei die im Tarifabschluss zum Tragen gekommenen Flexibilisierungsstrategien ein Balanceakt gegen die Arbeiterklasse: zum einen zielten diese Strategien auf die Spaltung der Belegschaften ab und zum anderen sollten sie die Prekarisierung vorantreiben sowie die Bedingungen nach unten homogenisieren. Ganz im Gegensatz dazu stand die Auseinandersetzung um Lohn und Arbeitszeit im Zentrum des Klassenkampfs. Für die Gegner der Arbeitszeitflexibilisierung ging es dabei nicht nur um die absolute Länge des Arbeitstags, sondern darum, wieviel Arbeit während der festgelegten Arbeitszeit aus den Arbeitern herausgepresst wird und wie dies geschieht. Da der Kapitalist Arbeitskraft kauft, muss er im Arbeitsprozess durchsetzen, wieviel Arbeit tatsächlich verausgabt wird: „Während die Unternehmer die Produktivitätsfortschritte in den letzten Jahren weitgehend in die eigene Tasche stecken konnten, werden beim ersten Krisenzeichen sofort wieder Arbeitsplätze angegriffen. Von der Flexibilität, die gerne von den Arbeitgeberverbänden eingefordert wird, ist da wenig zu spüren. Als Gewerkschaft müssen wir entsprechend reagieren, dabei auf unsere einzig wirksame Antwort zurückgreifen und diese mit langem Atem wieder durchsetzbar machen: Arbeitszeitverkürzung.“ (Erklärung von 43 IG-Metall Funktionären auf der IG Metall Konferenz: Wem gehört die Zeit?) 124 Die Flexibilisierungsgegner in der IG Metall bezeichnen den Kampf um Arbeitszeitver- kürzungen als politische Ökonomie der Arbeiterklasse. Die gewerkschaftliche Argumentation müsse wieder korrigiert und die Arbeitszeitverkürzung in den Mittelpunkt der Auseinandersetzungen gestellt werden. Das Ziel für eine derartige Strategie sollte daher die 30-Stundenwoche mit vollem Lohn- und Personalausgleich sein. Mit einer neuen Offensive sollten die Gewerkschaften die Einführung der 30- Stunden-Woche erreichen. Dabei spielte die Arbeitszeitrealität, dass die Wünsche der Beschäftigten der betrieblichen Arbeitszeitregulierung unterworfen wurde und dass die arbeitszeitpolitische Handlungsfähigkeit der Gewerkschaften und Betriebsräte abge- nommen hat, eine dominierende Rolle für derartige Forderungen. Denn es gab Mitte der 1990er Jahre Anzeichen dafür, dass nach dem Themen- und Paradigmenwechsel von der Verkürzung zur Flexibilisierung der Arbeitszeit in bestimmten gewerkschaftlichen Kreisen – vor allem unter den Flexibilisierungsgegnern - wieder die Verkürzung der Arbeitszeiten Aktualität gewann. Betrachtet man die Entwicklung der Arbeitszeiten seit der Mitte der 80er Jahre und die defensive Haltung der Gewerkschaftsführung, dann zeigt sich, dass die erhoffte positive Auswirkung der Arbeitszeitflexibilisierung ausblieb und ganz im Gegenteil die durchschnittlichen tatsächlichen Arbeitszeiten zunahmen, obwohl die tariflichen Arbeitszeiten verkürzt wurden. Diese Tatsache, die auch der IG- Metall-Führung bekannt war, sorgte dafür, dass innerhalb der Gewerkschaft die Forderung nach einer weiteren Arbeitszeitverkürzung immer lauter wurde. Vor allem die Zunahme der unbezahlten Überstunden und Überstunden mit Zeitausgleich ließen die Grenzen bzw. den Übergang zwischen Flexibilisierung und Verlängerung der Arbeitszeit verschwinden. Aufgrund dieser Entwicklung wurde auch der Unmut der Beschäftigten größer. Denn gerade in den letzten Jahren sind die tatsächlichen Arbeitszeiten vor allem seit 1999 kontinuierlich auf über 44 Stunden pro Woche gestiegen. So berichtet in einer Konferenz Jürgen Peters, zu diesem Zeitpunkt zweiter Vorsitzender der IG Metall, dass die Beschäftigten oft grenzenlos und ohne Bezahlung arbeiten und die Zeitkonten überfüllt bis zum Anschlag sind. Dieser Trend soll durchbrochen werden: „Die Ziele der Arbeitnehmer sind klar: Tarifverträge müssen die tatsächliche Arbeitszeit regeln und dafür sorgen, dass die geleistete Arbeit auch bezahlt wird. Laut Umfragen spricht sich die Mehrheit der Bevölkerung für verkürzte Arbeits- zeiten aus. Viele Frauen können sich sehr gut eine 30-Stunden- bzw. Vier-Tage-Woche vorstellen.“ (IG Metall 2002; 6). Für den damaligen Vorsitzenden der IG Metall, Klaus Zwickel waren „die Folgen der Flexibilisierung, der weltweiten zeitlichen Entgrenzung und des gestiegenen Drucks in den Betrieben und der härteren internationalen Konkurrenz die Ausweitung der Wochenendarbeit, die Ausweitung der Nachtschichten und die trotz Konjunkturkrise 125 und vieler Arbeitsloser immer noch gigantischen Überstunden. Ob Gleitzeit-, Mehrarbeit- oder Langzeitkonten: Im Grunde sind alle diese Instrumente zur Arbeits- zeitregulierung bis zum Anschlag ausgeschöpft. Oder einfacher gesagt: Die Konten quellen über.“ (ebenda; 13). Zwickel erklärte zudem, dass zwar der sog. Leber- Kompromiss gewissermaßen die Geburtsstunde der flexiblen Arbeitszeit war, gab aber gleichzeitig zu, dass zum einen die Flexibilisierung der Arbeitszeiten weitgehend zu Lasten der Beschäftigten ging und zum anderen kaum jemand zurück zu starren Arbeitszeiten will, schon gar nicht, wenn die Möglichkeiten der flexiblen Arbeitszeit für mehr Zeitsouveränität der Beschäftigten genutzt werden. (ebenda; 10). Derartige Feststellungen wurden gerade von den Gegnern der Arbeitszeitflexibilisierung zum Anlass genommen, die im Tarifvertrag zur 35-Stunden-Woche bestehende Aus- nahmeregelung, die bis zu 18 Prozent der Beschäftigten eine Wochenarbeitszeit von 40 Stunden ermöglicht, zu beseitigen. Auch wenn der IG Metall-Führung die negativen Seiten der Arbeitszeitflexibilisierung bekannt waren, wurden derartige Forderungen mit Skepsis aufgenommen. Statt die entsprechende Klausel ersatzlos zu streichen, wollte sie die Arbeitszeit für die Beschäftigten planbar und beeinflussbar machen. Dement- sprechend konzentrierte man sich darauf, die Normal-Arbeitszeit neu zu definieren und die 35-Stunden-Woche mit individuell angepassten Arbeitszeiten auch im Arbeitsalltag als Standard zu etablieren. Hinter dieser Kontroverse steckte die Auseinandersetzung zwischen Befürwortern und Gegnern der Forderung nach einer generellen Arbeits- zeitverkürzung. In einer von Aktivisten der Gewerkschaftslinken verbreiteten Stellung- nahme wurde darauf hingewiesen, dass die Forderung nach einer Verkürzung der Arbeitszeit die einzig wirksame Antwort auf die fortgesetzte Arbeitsplatzvernichtung in den Betrieben sei. „Die 30-Stunden-Woche bei vollem Entgelt- und Personalausgleich bleibt unser Ziel“, hieß es in einer von 43 Funktionären aus dem Stuttgarter Raum unterzeichneten Erklärung. Zusammengefasst kann also festgehalten werden, dass bei der ganzen Diskussion um die Gestaltung von Arbeitszeiten innerhalb der IG Metall sich zwei Hauptgruppen herauskristallisieren: Zum einen die Befürworter von flexiblen Arbeitszeiten und zum anderen deren Gegner. Die Befürworter der flexiblen Arbeitszeiten sind in der Meinung, dass die Beschäftigten an flexiblen Arbeitszeiten interessiert sind, wenn sie die Möglichkeit haben, sie mitzugestalten. Anderseits heben die Gegner der Arbeitszeit- flexibilisierung hervor, dass bei der Implementierung von flexiblen Arbeitszeiten die Wünsche und Interessen der Beschäftigten nicht mitberücksichtigt werden, da die Unternehmen nur daran interessiert sind, je nach Auftraglage die Arbeitszeiten so zu gestalten, wie sie es ihnen passt, mit dem Ziel, mehr Profit zu erwirtschaften. Zugleich wird auch darauf hingewiesen, dass die Arbeitszeitflexibilisierung die Aushöhlung der 126 kollektiven tariflichen Regelungen beabsichtigt und zudem keine positive Auswirkung auf dem Arbeitsmarkt hat. Umso mehr fordern die Gegner der Arbeitszeitflexibi- lisierung weitere Arbeitszeitverkürzung statt Arbeitszeitflexibilisierung. 3.2. Die Tarifrunde 1993/94: Verlagerung der Diskussionen auf die betriebliche Ebene Wie in den vorherigen Abschnitten dargestellt wurde, handelte es sich beim Tarifkomp- romiss um einen nach dem Prinzip „Geben und Nehmen“ ausbalancierten Ver- handlungskompromiss, der gleichzeitig für die künftige Gestaltung der Arbeitszeit in Deutschland eine Schrittmacherfunktion bedeutete. Wie bei allen Tarifverhandlungen üblich, wurde ein Kompromiss zwischen den Interessen der Arbeitgeber und denen der Arbeitnehmer geschlossen. In den darauf folgenden Jahren gewann die Arbeitszeitflexibilisierung - die Mitte der 1980er Jahre mit der Verkürzung der tariflichen Arbeitszeit einherging - zu Beginn der 1990er Jahre an Eigendynamik. Dabei brachte die Zuspitzung der Beschäftigungskrise der 1990er Jahre Bewegung in die Fronten. Die Tarifverhandlungen 1993/94 fanden vor diesem Hintergrund statt. Die Gesamtmetall nannte die wirtschaftliche Lage der westdeutschen Metall- und Elektroindustrie „so schlecht wie noch nie“. (Gesamtmetall 1995; 49). Daraus folgerte sie, dass die Metallarbeitgeber vor allem durch die zu hohen Lohnkosten stark belastet seien und dass ohne ein Umdenken und Umschalten bei Qualität und Quantität der Tarifpolitik der Industriestandort Deutschland dauerhaft gefährdet sei. Der Forderungskatalog der Gesamtmetall zielte insgesamt auf eine deutliche Senkung der Arbeitskosten. Die Arbeitgeberseite wollte die Senkung der Arbeitskosten durch die Erweiterung der tariflichen Rahmenregelungen über die flexible Arbeitszeitgestaltung erlangen. Laut Gesamtmetall sollte für die Unternehmen die Möglichkeit geschaffen werden, durch Betriebsvereinbarungen oder Einzelarbeits- verträge die individuelle Wochenarbeitszeit auf 40 Stunden zu erhöhen. Außerdem wollte sie in Zukunft nicht die Wochen- sondern die Jahresarbeitszeit festlegen. Die Ausgleichszeiträume für die Verteilung der Arbeitszeit sollten von bisher sechs auf zwölf Monate ausgedehnt werden. Zuschlagspflichtig sollte nur noch diejenige Arbeits- zeit sein, die über 2088 Stunden pro Kalenderjahr (entspricht 40 Stunden pro Woche) hinaus geleistet wird. (vgl. ebenda; 51). Die Haltung der IG Metall stand im deutlichen Gegensatz zu denen der Gesamtmetall. Nach ihrer Auffassung hatte sich die IG Metall in den vorausgegangenen Jahren lohn- 127 politisch zurückgehalten, ohne dass dies von den Arbeitgebern beschäftigungspolitisch honoriert und genutzt worden sei. Der geforderte Verzicht auf Einkommensver- besserungen oder gar ein Absenken der Lohn- und Gehaltssumme sei im Übrigen auch deshalb beschäftigungspolitisch schädlich, weil ohne eine erhöhte Massenkaufkraft kein erhöhter Absatz und keine Überwindung der Rezession möglich seien. Daher wurde neben der Wiederinkraftsetzung der von der Arbeitgeberseite aufgekündigten Urlaubs- bestimmungen eine Erhöhung der Löhne und Gehälter zwischen 5,5 und 6 Prozent gefordert. Vor dem Hintergrund des dramatischen Stellenabbaus in der westdeutschen Metall- und Elektroindustrie stellte die IG Metall ihre Forderungen vorrangig auf beschäftigungspolitische Ziele ab. Sie betonte die dringende Notwendigkeit der Ver- kürzung und Umverteilung der Arbeitszeit und sah diese im sog. „VW-Modell“ in einer spezifischen Weise realisiert. Sie forderte einen besonderen „Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung“. Dafür schlug sie folgende Vereinbarungen vor:  Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen für zwölf Monate;  Vorziehen der 35-Stunden-Woche,  eine freiwillige Option auf Herabsetzung der Arbeitszeit für ältere Arbeit- nehmer,  Anspruch auf unbezahlte Freizeit und/oder Übergang in Teilzeit auf Wunsch des Arbeitnehmers mit Rückkehrrecht zur Vollzeit,  Einschränkung der Mehrarbeit, obligatorischen Freizeitausgleich statt Bezahlung von Mehrarbeit,  Qualifizierungsmaßnahmen während Kurzarbeitsphasen. Vergleicht man die Forderungspakete der beiden Tarifparteien, so fiel auf, dass die Forderungen auf konträren Grundüberzeugungen, Zielsetzungen und Begründungs- zusammenhängen aufbauten und entsprechend gegensätzlichen Handlungsstrategien verfolgten. Es war eindeutig zu sehen, dass die Tarifparteien wie 1984 vor einer schwierigen Tarifauseinandersetzung standen. Die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit zog aber diesmal die Tarifverhandlungen in der westdeutschen Chemieindustrie auf sich. Im Januar 1994 einigten sich die Tarifparteien in der chemischen Industrie auf einen Arbeitszeitkorridor zwischen 35 und 40 Stunden pro Woche. Die in der Chemieindustrie geltende tarifliche Arbeitszeit konnte dadurch von 37,5 Stunden nach Vereinbarung zwischen Geschäftsleitung und Betriebsrat um bis zu 2,5 Stunden verkürzt oder verlängert werden, ohne Mehrarbeitszuschläge bei Arbeitszeitver- längerung und ohne Lohnausgleich bei Arbeitszeitverkürzung. Eine Verlängerung der Arbeitszeit über 37,5 Stunden in der Woche hinaus wäre für den ganzen Betrieb oder 128 wesentliche Betriebsteile nur mit Zustimmung der Tarifparteien möglich. Schließlich forderten die Chemie-Tarifparteien in einer gemeinsamen „Erklärung zur Beschäf- tigungsförderung“ die Betriebsparteien auf, bei Beschäftigungsproblemen die tariflichen Möglichkeiten z.B. zur flexiblen Arbeitszeit, zur Begrenzung von Mehrarbeit oder zur Anwendung von Teilzeit oder Kurzarbeit zu nutzen. Die IG Metall erklärte daraufhin, dass ihr eine unverbindliche Erklärung nicht ausreichen würde und verlangte einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag gegen Arbeitsplatzabbau. Ein Tarifabschluss ohne eine beschäftigungspolitische Komponente war für die IG Metall nicht möglich. Gesamtmetall erklärte dagegen, dass in einer Marktwirtschaft kein Tarifvertrag eine Arbeitsplatzgarantie geben könne (Gesamtmetall 1995; 54) und lehnte den von der IG Metall geforderten Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen generell ab. Sie schlug stattdessen vor, eine zunächst auf zwei Jahre befristete Öffnung im Tarifvertrag zu vereinbaren, die den Betriebsparteien die Möglichkeit gewähren sollte, kürzere Arbeitszeiten bis zu 30 Stunden pro Woche als Regelarbeitszeit mit entsprechend verringertem Lohn bzw. Gehalt einzuführen bei gleichzeitiger Zusicherung der Unternehmen, den betroffenen Beschäftigten gegenüber keine betriebsbedingten Kündigungen auszusprechen. Gleichzeitig forderte sie aber auch, dass neben der Möglichkeit der Arbeitszeitabsenkung die Option eröffnet wurden müsse, betrieblich auch längere Arbeitszeiten, bis zu 40 Stunden pro Woche, zu vereinbaren. Die IG Metall lehnte jeder Form von Arbeitszeitverlängerung ab. Sie forderte im Falle einer betrieblichen Arbeitszeitabsenkung einen verbindlichen Lohn- ausgleich. Dies wurde von Gesamtmetall abgelehnt. Nach ihrer Auffassung hätte ein solcher Lohnausgleich im Ergebnis dazu geführt, dass die Beschäftigten mit abge- senkter Arbeitszeit einen höheren Stundenlohn erhalten würden als die Beschäftigten, die nicht unter diese Absenkung gefallen wären. Zudem hätte eine derartige Regelung – laut Gesamtmetall - die Lohnstückkosten erhöht und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen verschlechtert. Als sich bei den Verhandlungen keine Einigungsmöglichkeit abzeichnete, erklärte die IG Metall am 21.02.94 das Scheitern der Tarifverhandlungen. Anschließend wurde für das Tarifgebiet Niedersachsen die Durchführung der Urabstimmung beschlossen und der Beginn möglicher Warnstreiks für Anfang März 1994 angekündigt. Als in der Urabstimmung über 92 Prozent für den Arbeitskampf votierten und die IG Metall- Führung die Vorbereitungen für einen Streik traf, kamen die Führungsriegen der Tarif- parteien bei einem letzten Einigungsversuch drei Tage vor dem angekündigten Streik- beginn doch noch zu einem Ergebnis. Am Ende eines 14-stündigen Verhandlungs- marathons wurde in einer gemeinsamen Erklärung bekannt gegeben, dass die gemeinsam formulierte Zielsetzung einerseits Beschäftigung und Einkommen stabi- 129 lisieren und den weiteren Anstieg der Arbeitslosigkeit begrenzen, andererseits die Betriebe von Kosten entlasten und ihre Wettbewerbsfähigkeit verbessern sollte. Das Ergebnis enthielt im Wesentlichen folgende Punkte:  Die Vereinbarung zur Beschäftigungssicherung sah vor, dass die Betriebs- parteien durch freiwillige Betriebsvereinbarungen die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit auf eine Dauer von unter 36 bis 30 Stunden festlegen konnten.  Die Monatslöhne und Gehälter und von ihnen abgeleitete Ansprüche ver- minderten sich entsprechend der verkürzten Arbeitszeit. Eine betriebsbedingte Kündigung wäre frühestens mit Ablauf der jeweiligen Betriebsvereinbarung wirksam.  Absenken der Arbeitszeit für Betriebsteile bzw. Arbeitnehmergruppen: Würde die Arbeitszeit lediglich für Betriebsteile und Arbeitnehmergruppen abgesenkt, hätten die betroffenen Arbeitnehmer für die Laufzeit der Betriebsvereinbarung einen Teillohnausgleich erhalten. Betriebsbedingte Kündigungen wären in diesem Fall nicht ausgeschlossen (vgl. Richter/Spitzley 2003; 12). Zwar wurde das von der Gesamtmetall angestrebte Ziel einer generellen Verlängerung der tariflichen Arbeitszeit nach dem Muster der Chemieindustrie (die Schaffung eines Arbeitszeitkorridors zwischen 35 und 40 Stunden pro Woche ohne quotenmäßige Begrenzung) von der IG Metall abgewehrt. Aber gleichzeitig wurde die Möglichkeit der einzelvertraglichen Verlängerung der Arbeitszeit auf bis zu 40 Stunden pro Woche genehmigt. Darüber hinaus wurde auch verbindlich festgelegt, dass die verlängerte Arbeitszeit nicht mehr durch Freizeit auszugleichen, sondern zu vergüten ist. Die neue Regelung führte – auch wenn die IG Metall dies offiziell nicht zugab - zu einer tatsächlichen Verlängerung der Arbeitszeit. Diese Vereinbarung wurde anschließend in allen westdeutschen Tarifgebieten der Metall- und Elektroindustrie mit den üblichen Modifikationen übernommen. Die Gesamtmetall stellte in ihrer Gesamtbewertung heraus, dass den Betrieben aus den getroffenen Vereinbarungen im Jahre 1994 keine zusätzlichen Kosten erwuchsen. Von besonderer Bedeutung war für sie die Verlängerung des Ausgleichszeitraums für die ungleichmäßige Verteilung der Arbeitszeit von sechs auf zwölf Monate, die sie als großen Schritt zur betrieblichen Arbeitszeitflexibilisierung interpretierte (vgl. Arbeit- geberverband Gesamtmetall 1995; 71f). Auch die IG Metall bewertete die Vereinbarung positiv: „Wir haben – buchstäblich in letzter Minute – im Metall-Tarifkonflikt eine Lösung gefunden, die einen Streik vermeidet. (...) Wer dieses Ergebnis bewerten will, muss sich zunächst an die Ausgangslage erinnern: Wir wollten Beschäftigung sichern 130 und waren bereit, dafür Geld zu geben. Die Arbeitgeber wollten eine Minus-Runde, 10 Prozent Kostenentlastung, die Streichung des Urlaubsgeldes und die Kürzung der Urlaubstage. Das Ergebnis: 1. Urlaubsgeld und Urlaubstage bleiben, wie sie waren. Das von den Arbeitgebern gekündigte Urlaubsabkommen wird auf Punkt und Komma wieder in Kraft gesetzt. 2. Es wird eine Beschäftigungssicherung geben, die sich ein Stück weit an der VW-Lösung orientiert, die unter bestimmten Voraussetzungen die Arbeitszeit von 36 auf bis zu 30 Stunden pro Woche absenkt und die, ebenfalls unter bestimmten Voraussetzungen ein Kündigungsverbot vorsieht. (...) Darüber hinaus wird es eine grundsätzliche Übernahme für Auszubildende geben. (...) Im Gegenzug für diese Erfolge haben wir bei der Lohnerhöhung Federn gelassen. Das ist uns nicht leicht gefallen. Aber – ich sagte es schon – wir sind in dieser Runde angetreten für das Ziel: Beschäftigungssicherung gegen Geld. Da wir Beschäftigungssicherung bekommen haben, konnten wir logischerweise beim Geld keine großen Siege mehr feiern. (...)“ (Rede des IG Metall-Vorsitzenden, Klaus Zwickel, am 5.3.1994). Auch in den Medien und großen Teilen der Öffentlichkeit wurde die neue Vereinbarung positiv aufgenommen. Zum einen wurde der neue Tarifvertrag als notwendiger Schritt der Tarifparteien gewertet, um betriebsbedingte Kündigungen und das weitere An- wachsen der Arbeitslosigkeit zu verhindern und zum anderen wurde er als Zeichen wahrgenommen, dass die Tarifparteien willens und in der Lage waren, Tarifautonomie und Tarifbindung zu sichern: „Die Tarifpartner haben einen Vertrag unterschrieben, der an gemeinsamen Vorgaben für den ganzen Wirtschaftszweig festhält, und doch den einzelnen Unternehmen einen Freiraum eröffnet, der erheblich größer als bisher ist. Der Flächentarifvertrag wurde erhalten und zugleich reformiert.“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 7. März 1994). Die Süddeutsche Zeitung schrieb dazu: „Schrittmacher- funktion hat dieser Metalltarifvertrag für die künftige Gestaltung der Arbeitszeit in Deutschland. Galt vor zehn Jahren noch jegliche Abweichung von der 40-Stunden- Woche als republikerschütternde Gefahr für den Wohlstand, so steht heute die ‚30’ in einem Tarifvertrag. Dies macht die Arbeitsplätze ein wenig sicherer.“ (Süddeutsche Zeitung, 7. März 1994) Bei einer Gesamtbetrachtung fällt auf, dass die neue Tarifvereinbarung den Betriebs- parteien die Möglichkeit eröffnete, durch Betriebsvereinbarung die tarifvertragliche Arbeitszeit zu unterschreiten und mehr Spielraum für die Einrichtung und praktische Nutzung von Zeitkonten zu gewähren. Zudem wurde im Tarifkompromiss des Jahres 1994 auch eine andere wichtige Stellgröße der betrieblichen Arbeitsorganisation und Zeitpolitik verändert. Der Ausgleichszeitraum für die ungleichmäßige Verteilung der Arbeitszeit wurde von sechs auf zwölf Monate erweitert. Dies bedeutete, dass die Lage und Verteilung der Arbeitszeit neu geregelt und der Betriebsleitung ein erheblich 131 breiterer Freiraum für die Einführung und Ausgestaltung von Arbeitszeitkonten ein- geräumt wurde. Zusammengefasst ermöglichte die Tarifvereinbarung den Betriebs- parteien zwei Möglichkeiten:  Absenkung der Dauer und  Flexibilisierung von Lage und Verteilung von Arbeitszeiten. Zwar war die betriebliche Flexibilisierung der Arbeitszeitdauer „nach oben“ seit dem Tarifkompromiss von 1984 durchaus möglich. Neu war die Flexibilisierung der Arbeits- zeiten nach unten. Das bekannteste Beispiel eines betrieblichen Beschäftigungs- sicherungstarifvertrages lieferte Volkswagen, wo die Wochenarbeitszeit zur Sicherung von 30.000 Arbeitsplätzen ohne Lohnausgleich auf 28,8 Stunden in der Woche ab- gesenkt wurde. Die sog. „4-Tage-Woche“ erreichte eine breite öffentliche Aufmerksam- keit. Die konjunkturell bedingte Schrumpfung des Automobilmarktes führte VW in die Krise. Hinzu kamen strukturelle Anpassungsprobleme mit einem erheblichen Handlungsdruck in Richtung Produktivitätssteigerung und Kostensenkung. Im Krisen- jahr 1993 wurde dem gesamte Unternehmen ein Überhang von 30.000 Arbeitsplätzen prognostiziert. Als Alternative zu sonst nötigen Entlassungen setzte das Unternehmen auf eine drastische Arbeitszeitverkürzung auf 28,8 Wochenstunden ohne Entgelt- ausgleich. Für IG Metall und Betriebsrat hatten Beschäftigungssicherheit und Arbeits- platzerhalt die absolute Priorität, so dass im Grundsatz von vornherein Überein- stimmung herrschte (vgl. Promberger/Rosdücher/Seifert/Trinczek 1996; 13ff). Diese von den Tarifparteien vereinbarte „Arbeitszeitverkürzung“ bei Volkswagen hatte eine über den Einzelfall hinausgehende politische Bedeutung auch deshalb, weil im Krisenjahr 1993 von Gesamtmetall und der damaligen Bundesregierung die von der IG Metall geforderte Arbeitszeitverkürzung kategorisch abgelehnt und stattdessen eine weitere Arbeitszeitflexibilisierung gefordert wurde. Noch kurz vor Tarifvereinbarung hatte der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl seine ablehnende Haltung gegen Arbeitszeitverkürzung vertreten, vom „Freizeitpark Deutschland“ gesprochen und eine generelle Verlängerung der Arbeitszeiten gefordert. In den darauf folgenden Jahren wurden ähnliche Vereinbarungen auch bei Mercedes Benz und bei BMW geschlossen. So wurde im Jahr 1996 bei Mercedes Benz von den Tarifparteien vereinbart, von einem Zwei- zu einem Drei-Schicht-System überzugehen, wenn der Produktionsbedarf das erfordere. Die Flexibilität der täglichen Arbeitszeit blieb zwischen 7,5 und 9 Stunden unverändert. Als Gegenleistung für die Arbeitszeit- flexibilisierung wurden alle 17.500 Arbeitsplätze im Betrieb in Untertürkheim/Stuttgart bis Ende 2000 vor Entlassungen geschützt. Auch bei BMW wurde im selben Jahr ein Abkommen geschlossen, wonach die Arbeitszeitkonten häufiger benutzt werden sollten. 132 Als Ausgleich für flexible Arbeitszeiten wurden den Beschäftigten Arbeitsplatz- sicherheit, persönliche Arbeitszeitgestaltung durch Schichtpläne und feste Einkünfte zugesichert. Die Vereinbarungen zur Beschäftigungssicherung in der Metall- und Elektroindustrie eröffneten den Betriebsparteien die Option, durch freiwillige Betriebs- vereinbarung die Wochenarbeitszeit auf bis zu 30 Stunden zu verkürzen. Die verkürzten Arbeitszeiten konnten anschließend zu einem späteren Zeitpunkt durch vermehrte - über die tarifliche Regelarbeitszeit hinausgehende - Arbeitsstunden ausge- glichen werden. Die Tarifpartner in der Metall- und Elektroindustrie hatten einen Tarif- vertrag unterschrieben, der an gemeinsamen Vorgaben für den ganzen Wirtschaftszweig festhielt, und doch den einzelnen Unternehmen einen Freiraum eröffnete, der erheblich größer als bisher war. Zum einen wurde der Flächentarifvertrag erhalten und zum anderen reformiert. Die Gesamtmetall stellte in ihrer Gesamtbewertung des Tarif- vertrages positiv heraus, dass durch die Verlängerung der Ausgleichszeit größere Frei- räume zur Flexibilisierung der Arbeitszeiten eröffnet wurden. Dem betrieblichen Management wurden damit neue Möglichkeiten für die Einführung und Ausgestaltung von Arbeitszeitmodellen eingeräumt. Die neu geschaffene Option für flexible Arbeits- zeitmodelle wurde von der Gesamtmetall als Ansatz, den Flächentarifvertrag elastischer zu machen und dadurch zu sichern, bewertet. (vgl. Gesamtmetall 1995; 71f). In den folgenden Jahren setzte sich die Gestaltung und Flexibilisierung der Arbeitszeit in der Tarifpolitik und auf der betrieblichen Ebene zunehmend durch (vgl. Abb. 10). Abb. 10: Zeitpunkt der Einführung bzw. Ausweitung einer Arbeitszeitflexibilisierung nach Wirtschaftszweigen (in %) Quelle: DIHT 2000; 8 Von den Unternehmen , die Arbeitszeitflexibilisierung praktizieren, wurde diese in den Jahren ... eingeführt bzw. ausgeweitet 1993 oder früher 1994-1996 1997-1999 Industrie 15 20 65 Bauwirtschaft 6 13 81 Handel 16 19 65 Dienstleistungen 21 20 59 Insgesamt 15 20 65 133 Wie die Abbildung 10 zeigt, praktizierten im Jahr 1993 nur 15 % der befragten Industrieunternehmen Arbeitszeitflexibilisierung. Dies änderte sich in den folgenden Jahren nach oben und erreichte zwischen 1997 und 1999 die 65 %-Marke. Die neue Quantität brachte eine neue Qualität der Arbeitszeitpolitik hervor. Das lag darin begründet, dass die Betriebsparteien die Arbeitszeit nunmehr flexibel auf der betrieblichen Ebene gestalten konnten. Dies verlangte generell nach stärkerer und unmittelbarer Einbeziehung der Betriebe und Betriebsräte in die Ausgestaltung der Arbeitszeitregelungen. So wurden die Einzelheiten über die flexible Gestaltung der Arbeitszeiten im Allgemeinen stets auf Betriebsebene zwischen den unmittelbar betroffenen Parteien festgelegt. Mit dem Kompromiss zwischen Arbeitszeitverkürzung und Flexibilisierung der Arbeitszeiten entsprachen die Tarifparteien den veränderten Rahmenbedingungen. In den darauf folgenden Tarifauseinandersetzungen wie z.B. im Jahr 1999 wurden sogar für die Arbeitszeiten immer höhere Pluskonten und längere Ausgleichszeiträume festgelegt. Zwei Beispiele zeigten deutlich die Richtung:  1996 drohte Opel, 4 000 von 15 000 Arbeitsplätzen am Standort Bochum bis zum Jahr 2000 wegfallen zu lassen. Daraufhin unterzeichnete der Betriebsrat eine Vereinbarung, nach der die wöchentliche Arbeitszeit je nach Arbeitsanfall variieren kann und erst innerhalb von 36 Monaten ausgeglichen werden konnte. 12 zuschlagfreie Samstagsschichten gehörten dazu. Im Opel-Stammwerk Rüsselsheim schwankte die Arbeitszeit zwischen 30 und 38,75 Stunden.  Bei Ford Köln stimmte 1998 der Betriebsrat einer Erhöhung der Regel- arbeitszeit auf 37,5 Stunden für die Dauer von zwei Jahren zu - ohne dass die Beschäftigten dafür mehr Lohn bekommen, da die zweieinhalb Stunden Mehr- arbeit den Lohnverlust ausglichen, der durch Anrechnung der übertariflichen Zulagen auf die tarifliche Lohnerhöhung entstanden war. Zusätzlich mussten 70 Stunden auf ein Freischichtkonto gearbeitet werden, die erst später abgefeiert werden durften. Die Vereinbarung wurde gegen die Zusage geschlossen, den Standort Köln bis zum Jahr 2011 nicht aufzugeben - ohne dass die Zahl der Beschäftigten und die Art ihrer Arbeit festgelegt wurden. Allgemein erlaubten diese sowie die in den letzten Jahren abgeschlossenen Flächen- tarifverträge, die Arbeitszeiten nach Bedarf zu flexibilisieren, im Krisenfall gegen eine Beschäftigungsgarantie zeitweise bis auf 30 Stunden zu verkürzen oder Arbeitszeit- verlängerungen mit Lohnkürzungen auf Betriebsebene zu vereinbaren. So standen sich in den Konflikten um die Gestaltung und Flexibilisierung der Arbeitszeit bzw. Zeit zwei Positionen gegenüber: einerseits die Vorstellung, die Arbeitszeit an die Auftragslage zu binden; andererseits das Ziel, die Zeitsouveränität der Beschäftigten zu stärken. 134 Fasst man die vorstehenden Ausführungen über die Neugestaltung der Arbeitszeit allgemein und speziell die Einstellungen der Tarifparteien bezüglich der Arbeitszeit- flexibilisierung in wesentlichen Punkten zusammen, so zeichnen sich im Verlauf der dargestellten Entwicklung bis zur endgültigen Realisierung zwei gegenläufige Ziele und Anforderungen aus: 1. Arbeitszeitpolitik, um Beschäftigung zu sichern, Arbeit zu humanisieren und kulturelle Teilhabe zu ermöglichen und 2. Flexibilität, um Kosten zu sparen und individuelle Gestaltungssouveränität zur Verfügung zu stellen. Gleichzeitig dominierte von nun an eindeutig die Frage „welchen Beitrag die Arbeitszeitpolitik leisten sollte, um Beschäftigung zu sichern und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu erhöhen?“. Andere Begründungen und Ziele der Arbeitszeitpolitik wurden faktisch zu Nebenzielen. Mit der Flexibilisierung der Arbeitszeiten rückte für die Gewerkschaften und Arbeitgeber die Notwendigkeit in den Vordergrund, deren Bedingungen zu gestalten. Vor allem für die Gewerkschaften rückte die Notwendigkeit immer mehr in den Vordergrund, deren Bedingungen mitzugestalten. Denn viele Betriebe hatten mittlerweile flexible Arbeitszeitmodelle und Arbeitszeitkonten ein- geführt. Durch die Einführung von zahlreichen Arbeitszeitmodellen war der gestaltende Bezugsrahmen nicht mehr der Arbeitstag oder die Woche, sondern noch längere Zeiträume bis hin zu Lebensarbeitszeitmodellen. Der Weg zur 35-Stunden-Woche entwickelte sich zu einem deutlichen Bruch bei der Gestaltung von Arbeitszeiten. Zwar blieb die Verkürzung der Arbeitszeit weiterhin auf der Tagesordnung der deutschen Gewerkschaften. Gleichzeitig aber waren sie von nun an bemüht, die flexiblen Arbeits- zeiten mitzugestalten. Folge dieser Entwicklung war, dass die Arbeitszeitpolitik der 1980er sowie 1990er Jahre im Zeichen der Arbeitszeitflexibilisierung stand und die Meinungsführerschaft auf die Arbeitgeberseite überging. Dadurch gerieten die Gewerk- schaften in die Defensive und nahmen bei der Gestaltung von flexiblen Arbeitszeiten eher eine zurückhaltende Haltung ein. Zudem entwickelte sich der Weg zu flexiblen Arbeitszeitmodellen zu einem Wandel der gesellschaftlichen sowie betrieblichen Strukturen, ohne dass die Betroffenen auf diesen Wandel hinreichend vorbereitet waren. Es gab weder eine Konzeption noch hinreichend Instrumente, um die individuellen Risiken abzuwehren sowie die Chancen der Flexibili- sierung zu nutzen. Auch innerhalb der Arbeitgeberverbände existierte ein Durch- einander. Die Mehrzahl der kleinen und mittleren Betriebe war zunächst überfordert, während Flexibilisierung der Arbeitszeiten sich für die großen Unternehmen durchweg vorteilhaft auswirkte. Die Arbeitgeberverbände übten Kritik an der Haltung der 135 Gewerkschaften und Betriebsräte, statt die kleinen Betriebe bei der Umsetzung der Arbeitszeitpolitik zu unterstützen. Das führte dazu, dass viele kleine und mittel- ständische Unternehmen drohten, die Arbeitgeberverbände zu verlassen. Dazu gehörte das Unterlaufen ausgehandelter Normen, eine öffentliche Abwehrhaltung gegen die Arbeitszeitpolitik der Arbeitgeberverbände wie auch der Rückzug aus den Arbeitgeber- verbänden. Erst dann wurden die Arbeitgeberverbände aktiv und veröffentlichten zahl- reiche Handbücher und Konzepte zur Ein- und Durchführung von flexiblen Arbeitszeit- modellen und unterstützten auch die kleinen und mittelständischen Unternehmen bei der Ein- und Durchführung von Arbeitszeitmodellen. Denn gerade die neuen Konzepte, welche die großen Unternehmen zur Kostensenkung und Steigerung der Wettbewerbs- fähigkeit unter dem internationalen Konkurrenzdruck eingeführt hatten, hätten ohne die Zusammenarbeit zwischen kleinen, mittelständischen und großen Unternehmen nicht zum Erfolg geführt. Den Tarifparteien wurde auch bewusst, dass die Gestaltung der flexiblen Arbeitszeiten nicht nur in den Betrieben sondern auch im gesellschaftlichen Leben ihre Auswirkungen hat. So rückten neben der Gestaltung von Arbeitszeiten und Einführung von flexiblen Arbeitszeitmodellen, auch die ökonomischen, gesellschaftlichen Veränderungen, welche für die Gestaltung von flexiblen Arbeitszeiten mittlerweile relevant geworden waren sowie die (tarif)rechtlichen Aspekte in den Mittelpunkt der Diskussionen. Um die Defizite in diesem Zusammenhang auszugleichen, konzentrierten sich die Tarifparteien auch auf die Einflussfaktoren, deren Folgen und Auswirkungen für die flexiblen Arbeitszeiten immer wichtiger wurden. Neben den betriebswirtschaftlichen Aspekten wurden gerade die (tarif)rechtlichen, soziokulturellen, arbeitsorganisatorischen und wettbewerbsbedingten Aspekte und ihrer konkreten Auswirkungen auf die Gestaltung von Arbeitszeiten von Relevanz. 3.3. Die arbeitsorganisatorischen Aspekte der Diskussionen Die Auseinandersetzung um neue Konzepte der Arbeitszeitflexibilisierung geht mit der Entwicklung neuer Formen der Arbeitsorganisation und technischer Entwicklung einher. Mittlerweile ist die Entwicklung der Arbeitsorganisation untrennbar mit der Technikentwicklung verbunden. Der Grad der Technisierung, Automatisierung und Computerisierung von Produktion und Informationsverarbeitung bestimmt über Funktionsinhalt und Funktionsmasse der Aufgaben menschlicher Arbeit. 136 Demnach beziehen die Tarifparteien bei der Auseinandersetzung um die Gestaltung der Arbeitszeiten neben tarifpolitischen, wettbewerbsbedingten, beschäftigungspolitischen und soziokulturellen Aspekten auch die arbeitsorganisatorischen Aspekte mit ein. Beiden Seiten ist nämlich bewusst, dass die Gestaltung von Lage und Dauer der Arbeitszeit ein wichtiges Element der betrieblichen Arbeitsorganisation ist. Gerade hier aber unterscheiden sich die Vorstellungen und Vorschläge der Arbeitgeber sowie der Arbeitnehmerseite. Die Unternehmen versuchen einen Wandel zu erreichen, dessen innere Struktur durch ein klares Kunden-Lieferanten-Verhältnis geprägt ist. Das Unternehmen wird dabei in kleinen überschaubaren Unternehmenseinheiten organisiert. Durch die Delegation vieler Arbeitszeitentscheidungen an Gruppen oder Teams wird der Koordinierungsaufwand dezentralisiert. Eine der wesentlichen Aufgaben der Beschäftigten ist es daher, die Arbeits-, Urlaubs- und Freischichtzeiten zu regeln. Die sog. Fabrik in der Fabrik bedeutet für den einzelnen Beschäftigten Verantwortungs- bereiche mit der Notwendigkeit jeweils eine unternehmerische Denkweise an den Tag zu legen. Der Einsatz der modernsten Technologien unterstützt dabei das Vorhaben der Unternehmen, die Produktionsabläufe zu optimieren. Die neuen technischen Ent- wicklungen bringen für das moderne Zeitmanagement die Möglichkeit, die teuren und kapitalintensiven Anlagen und Maschinen optimal einzusetzen. Dabei sollen die Arbeitszeiten keine einheitlich vorgegebene starre Größe sein sondern Dauer und Lage der Arbeitszeit sollen vielmehr unterschiedlich und beweglich gestaltet werden. Die Arbeitgeberseite verlangt von den Beschäftigten, dass sie unternehmerisch denken und arbeitsorganisatorische „Verantwortung“ übernehmen. Denn die Orientierung an dem Kunden erfordert gleichzeitig eine Umstellung der Arbeitsorganisation. Die wachsende Produkt- und Dienstleistungsvielfalt und die Erfüllung besonderer Kunden- wünsche können nicht mehr mit zentralistischen Führungsstrukturen bewältigt werden. Aus diesem Grund werden Aufgaben zunehmend an Teams oder Arbeitsgruppen delegiert. Gleichzeitig müssen den Beschäftigten auch verständlich gemacht werden, dass sie mit neuen flexiblen Prozessabläufen ihre Ziele erreichen und den eigenen Arbeitsplatz sichern können. (vgl. Semlinger/Köhler/Moldaschl 1991; 65). Denn aus Sicht der Metallarbeitgeber geht gerade von dieser Wettbewerbssituation ein Zwang zur Entwicklung einer neuen Arbeitsorganisation aus. Die Modernisierung der Arbeitsorganisation wird für die Konkurrenzfähigkeit der Unternehmen als strategisches Muß beschrieben. Wer auf dem internationalem Markt erfolgreich sein will, der müsse in der Lage sein, einen Markt zu bedienen, der hochwertige Produkte, die von den Verbrauchern bestimmt werden, kurze Lieferzeiten und wettbewerbsfähige Preise verlangt. Es sind im Wesentlichen zwei Umstände, auf die reagiert werden müsse: der wachsende Konkurrenzdruck und das Vorhandensein neuer Technologien. Beides 137 verlangt nach einer besseren Nutzung des Humankapitals. Wie auch die Industriesoziologin Mag Wompel andeutet, haben die neuen Strategien ihre Wurzel nicht in einem neuen Menschenbild, sondern es ist das ökonomische Kalkül, das dazu zwingt, die Humanressourcen zu mobilisieren und die Produktivitätspotenziale, die in den Beschäftigten schlummern, zu wecken. (vgl. Wompel 1999; 120). Das plakative Motto lautete: Macht, was ihr wollt, aber seid rentabel. Tatsache ist jedoch, dass die arbeitsorganisatorischen Prozesse, die in der Produktion ein hohes Niveau sicherstellen sollen, immer mehr das Interesse der Unternehmen gewinnen. Das liegt darin, dass vor allem verschärfter Wettbewerb und zunehmender Kostendruck von den Unternehmen verlangen, ihre Produktivität zu steigern und noch effizienter zu werden. Für die international agierenden Unternehmen zählt zu der wichtigsten Triebkraft in Sachen flexibler Arbeitsorganisation die weltweite Kon- kurrenz. Dabei spielt statt Anlagekapital das Humankapital immer mehr eine wachsende Rolle. So ist für die Effizienz entscheidend, wie die Arbeitnehmerschaft für die Ver- besserung der Arbeitsorganisation eingesetzt wird. Gerade die neuen Arbeitsprozesse bzw. Produktionssysteme sollen den einzelnen Beschäftigten Orientierung und Hilfe- stellung geben und die „Kreativität und Mitbeteiligung“ der Beschäftigen fördern. Dem- zufolge sollen die Menschen am Band, so Carl Peter Forster, Vorstandsvorsitzender der Adam Opel AG, ihren eigenen Arbeitsplatz entwickeln. Für die international produzierenden Automobil-, Maschinenbau- und Elektrokonzerne soll diese Vorstellung entscheidende Bedeutung hinsichtlich einer verbesserten Qualität der Produkte haben. So heißt es in einer Presseerklärung der Gesamtmetall, dass ohne flexible Arbeitszeit- gestaltung neue Formen der Arbeitsorganisation nicht umzusetzen sind. Darüber hinaus gelte es, die bestmögliche Abstimmung zwischen den Interessen der Mitarbeiter, den Marktanforderungen und den gesetzlichen Rahmenbedingungen zu finden. (vgl. Gesamtmetall 1997a). Die Gewerkschaften und Betriebsräte beschreiben dieses Vorhaben als „Arbeiten ohne Ende“, „Arbeitskraftunternehmer“, „Rund um die Uhr- Gesellschaft“ etc. Sie sehen bei dieser Entwicklung eine grundlegende Veränderung im Verhältnis zwischen Arbeit und Arbeitszeit. Der Zugriff auf die Arbeitskraft erfolge dabei nicht nur in Bezug auf die Entfremdung der Arbeitszeit, sondern auch in Bezug auf Arbeitsorganisation und Unternehmenskultur. Die von den Unternehmen entwickelten Modelle führen nicht nur dazu, dass die Beschäftigten mehr unternehmerische Verantwortung übernehmen, sondern sie reorga- nisieren auch die arbeitszeitpolitische Ebene. Die unterschiedlichen Arbeitszeitmodelle geben den Unternehmen die Möglichkeit, verschiedene Beschäftigtengruppen zu unter- schiedlichen Arbeitszeiten einzusetzen. Studenten und Schüler arbeiten z. B. gerne abends und am Wochenende, Mütter mit Kindern zumeist nur zu Schul- und Kinder- 138 gartenzeiten oder abends und am Wochenende, wenn der Partner zu Hause ist. Da sich die Arbeitszeitpräferenzen differenziert haben, ist es für die Unternehmen leichter ge- worden, Freiwillige für sog. „unsoziale Arbeitszeiten“ zu finden. Eine solche Such- bewegung ist auch in der Automobilindustrie erkennbar. Die Neustrukturierung der Fertigung geht längst über die schlanke Produktion mit den bekannten Einspareffekten für Lagerhaltung und Kapitalbildung hinaus. Die Produktion soll mehr und mehr auf die Nachfrage ausgerichtet werden. Ziel der „atmenden Fabrik“ ist die flexible Fertigung, so dass ein bis zwei Wochen nach Bestelleingang und bei Vermeidung einer kosten- intensiven Lagerhaltung das kundenspezifische Produkt ausgeliefert wird. Durch weit- gehende Selbstregulierung sollen die Beschäftigten höchste Qualität garantieren. Fakt ist jedoch, dass die Arbeitgeberseite stark daran interessiert ist, neben der Aus- weitung von Betriebsnutzungszeiten, die verfügbare Arbeitskraft möglichst variabel an schwankende Betriebsanforderungen anzupassen mit dem Ziel die Leerzeiten bei der Nutzung der Arbeitskraft zu vermeiden. So soll die Arbeitskraft für auftrags- und/oder produktionsbedingte Kapazitätsschwankungen flüssig gehalten werden. Somit steht eine einheitliche Normierung des Arbeitstages mit fest stehenden Arbeitszeiten neuen Formen von solchen Arbeitsorganisationen entgegen. Für derartige Betriebs- anforderungen werden zunehmend neue Formen der Arbeitszeitgestaltung entwickelt. Im Einzelnen sind die Regelungen unterschiedlich. Aber der gemeinsamer Nenner ist meistens, dass die Arbeitszeit über die Woche und den Monat hinaus offen gehalten wird und in längeren Zeiträumen variabel regelbar sein soll mit der Perspektive auf variable Jahresarbeitszeitverträge. Entsprechend versuchen die Gewerkschaften, die gewerkschaftliche Betriebspolitik neu zu gestalten und mit zusätzlichen Inhalten bzgl. Arbeitsorganisation in Zusammenhang mit flexiblen Arbeitszeiten zu ergänzen. Denn in den meisten Betrieben gibt es mehrere Formen der Arbeitszeitgestaltung, die mit unterschiedlichen Formen von Arbeitsorganisationen und Produktionsprozessen kom- biniert und anschließend praktiziert werden. Das hat zum einen damit zu tun, dass technologische und arbeitsorganisatorische Vorgaben in der Arbeitszeitgestaltung berücksichtigt werden müssen und zum anderen die Beschäftigten unterschiedliche Wünsche bezüglich Arbeitszeit und Arbeitsform haben. Diese Bedingungen sind für eine erfolgreiche Umsetzungskonzeption von Arbeitszeitgestaltung nicht zu ignorieren. Zudem bedeutet für die Gewerkschaften die Flexibilisierung der Arbeitszeiten sowie Arbeitsformen auch eine Deregulierung des Arbeitsrechts bis zur Auflösung des Kün- digungsschutzes. Die Folge ist, dass dadurch untypische Arbeitsverhältnisse hervor- gerufen werden. Zwar lehnen die Gewerkschaften die flexiblen Formen nicht generell ab. Sie machen vielmehr darauf aufmerksam, dass die Flexibilisierung durchaus ein positives Element in der neuen Arbeitsorganisation sein kann, vorausgesetzt, dass die 139 Interessen der Beschäftigten in gleichem Maße berücksichtigt werden wie die des Unternehmens. Der DGB geht hierbei davon aus, dass die Arbeitsorganisation sich grundsätzlich an den Bedürfnissen der Menschen orientieren muss: „Gewerkschaften, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer suchen Formen der Arbeitsorganisation, die sich an der Würde des Menschen orientieren, gesundheitliche Risiken von Arbeits- und Produktionsprozessen vermeiden; Qualifizierungsprozesse ermöglichen und Spielräume für die Entfaltung von Kreativität, Selbstbestimmung und Selbstverantwortung schaffen; Entscheidungs-, Kommunikations- und Kooperationsmöglichkeiten beinhalten und berufliche Pers- pektiven eröffnen; der traditionellen Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen ent- gegenwirken und zur Erschließung neuer, qualifizierter Beschäftigungsfelder für Frauen beitragen.“ (DGB 1998; 6). Nur unter diesen Voraussetzungen ist die Veränderung der Arbeitsorganisation Teil eines umfassenderen Wandlungsprozesses, mit dem Ziel einer Humanisierung des Arbeitslebens. Zu diesem Ziel der Humanisierung zählt für DGB u. a. die Arbeitszeitverkürzung, der Gesundheitsschutz im Betrieb, die ergonomische Ge- staltung der Arbeitsplätze in der Produktion und in den Verwaltungen, eine ökologische Gestaltung der Arbeitsumwelt, die Übernahme einer größeren Verantwortung durch die Beschäftigten und somit der Abbau rigider Hierarchiestrukturen und ein positiver Beschäftigungseffekt auf dem Arbeitsmarkt. So hielt Ende der 1990er Jahre auch in der IG Metall die Erkenntnis Einzug, dass die betriebliche Wirklichkeit der post- industriellen Gesellschaft durch die zunehmende Flexibilisierung und Individualisierung der Arbeitszeiten von Risiken und Ungleichheiten sowie auch Chancen geprägt war. Umso mehr lautete die Frage für die gewerkschaftliche Arbeitszeitpolitik: was getan werden musste, damit die Arbeit nicht ständig verdichtet, sondern leichter wird (körperlich leichter, geistig weniger stupide, interessanter und weniger hierarchisch organisiert). Demgegenüber bekundete die IG Metall, dass durch die Humanisierung der Arbeit und Verbesserung der Arbeitsbedingungen einerseits die Erhöhung der Produktivität und die Verbesserung der Konkurrenzfähigkeit erzielt und andererseits der Krankenstand gesenkt und die Effektivität der Arbeitskraft erhöht werden könnte. So kann die Arbeitskraft für die Unternehmen langfristig genutzt werden, da die Beschäftigten nicht gezwungen wären, den Arbeitsmarkt aufgrund von Berufskrankheiten vorzeitig zu verlassen. Zudem waren die Gewerkschaften auch mit der Frage konfrontiert, wie die Verbesserung der Konkurrenzfähigkeit durch Veränderung der Arbeitsorganisation ohne Nachteile für die Beschäftigten zu realisieren war. Gerade in Zeiten von Massenarbeitslosigkeit haben die Beschäftigten ein Interesse an der Rentabilität ihres Unternehmens. Aus Sicht der Beschäftigten wird des Öfteren gefragt, wie die Situation 140 in der Arbeit verbessert werden kann und dabei gleichzeitig dem Unternehmen nicht schadet, sondern ihm im Gegenteil nutzt. Beeinflusst wird diese Fragestellung durch die Wettbewerbs- und Arbeitsmarktsituation in Europa und auf der Welt. Dabei besteht die Gefahr, dass die Angst um den eigenen Arbeitsplatz das Interesse an einer menschen- gerechten Arbeitsorganisation in den Hintergrund drängt. Andersherum formuliert: Die schlechte Arbeitsmarktlage beinhaltet auch ein erhebliches Erpressungspotenzial, das die Arbeitgeber zu ihren Gunsten nutzen. So wird seitens der Arbeitgeberverbände häufiger darauf hingewiesen, dass die Einführung neuer Arbeitsorganisation in den letzten Jahren aus Sicht des einzelnen Unternehmers auch mit dem Abbau von Arbeitsplätzen verbunden sei. Nur wenn die Rahmenbedingungen darauf zielen, die Beschäftigung zu fördern und zwar durch Senkung der indirekten Arbeitskosten, Steuer- senkung, Deregulierung, flexible Tarifverträge, hätten die Beschäftigten, die durch technologischen Fortschritt freigesetzt werden, überhaupt wieder eine Chance, Beschäftigung auf anderen oder neuen Gebieten zu finden. Dabei argumentieren die Arbeitgeber damit, dass die Veränderungen der Arbeitsorganisation nicht automatisch mit der Beschäftigungssituation verknüpft seien. Auf der Makroebene sei die mangelnde Schaffung von Arbeitsplätzen den Arbeitskosten, dem Steuersystem oder den exzessiven Beschränkungen durch den rechtlichen Rahmen geschuldet und keine Folge eines Wandels der Arbeitsorganisation. (vgl. Arbeitgeber. Nr. 5/2000; 37). Gegenüber dieser Position der Arbeitgeberverbände machen die Gewerkschaften und Betriebsräte auf die Tatsache aufmerksam, dass wenn die Unternehmen zunehmend neue Arbeitsmodelle praktizieren, die auf Selbstorganisation abheben und die Funktion der Kontrolle der Überführung von Arbeitsvermögen in Arbeitsleistung in erweiterter Form auf die Beschäftigten übertragen, das gleichzeitig eine verstärkte und vor allem explizite aktive Selbst-Steuerung und Selbst-Überwachung der eigenen Arbeit im Sinne allgemeiner Unternehmenserfordernisse bedeute. Zudem würde diese Selbstkontrolle durch technische Zeitkontrollhilfsmitteln wie die digitalen Kalender, Planer und Zeit- managementsysteme, Zeitplanungs- und Work-Flow-Organisationsprogramme im PC, Palm-Top-Organizer usw. unterstützt. Es wird daran auch verständlich, warum die zeitlichen Verfahren und Hilfsmittel, wie in der ersten Phase der Industrialisierung die Werksuhr oder ein persönlicher Chronometer für den Familienvater und später dann die Stopp- und Stechuhr sowie eine wahre Flut von Uhren im privaten Umfeld, zu auffälligen gesellschaftlichen Symbolen und nicht selten sogar zu persönlichen Modeartikeln für die besonders geforderten Beschäftigten in der Produktion und im Verwaltungsbereich wurde. Die Reduzierung unmittelbarer Kontrollen ist oft begleitet von massiven Steigerungen des Leistungsdrucks und vor allem von erweiterten und neuen Strategien indirekter 141 betrieblicher Steuerung. Eine derartige systematische Erweiterung von Selbstkontrolle der Beschäftigten gegenüber betrieblicher Fremdkontrolle vollzieht sich auf allen Ebenen der sozialen Steuerung von Arbeit (räumlich, sachlich, sozial, technisch usw.). In der Dimension der Zeit hat dies eine besondere Qualität. Diese neue Qualität des Zeithandelns bedeutet, dass die vom Betrieb gesetzte Vorgabe mittlerweile in der Erfüllung einer bestimmten Aufgabe besteht. Wie diese Erfüllung zeitlich organisiert wird bleibt im Wesentlichen der Selbstkontrolle der Beschäftigten überlassen. Bei der neuen Arbeitsorganisation wie Teamarbeit diktieren nicht mehr präzise Zeitgrenzen des Arbeitens, sondern die Erfüllung der gesamten Arbeitsaufgabe innerhalb eines bestimmten und durch einer „Zielvereinbarung“ gemeinsam festgelegten Zeitraumes. Ähnlich wie Deregulierung fixer zeitlicher Grenzen gilt für neue Regelungen mit weiterreichendem Zeithorizont wie Sabbatjahren oder -monaten, die mit erhöhter Arbeitsleistung „angespart“ werden können und auch für Modelle von Altersteilzeit. Auf betrieblicher Ebene finden die neuen Formen zeitlicher Selbstkontrolle ihren Ausdruck in der zunehmenden Implementierung von Arbeitszeitkonten mit unter- schiedlicher Reichweite und Regelungsform. Thema dieses Abschnittes war es, die Sichtweisen und Positionierungen der Tarif- parteien zu skizzieren. Dabei wurde in diesem Abschnitt speziell der Zusammenhang zwischen Arbeitszeit und Arbeitsorganisation beschrieben und analysiert. Dadurch konnte erstens gezeigt werden, dass größere Veränderungen der Arbeitszeit oft eine Umstrukturierung bzw. Neugestaltung der gesamten Arbeitsorganisation bewirken. Hierbei verfolgen die Unternehmen betriebswirtschaftliche Vorteile und wollen dementsprechende Veränderungen eintreffen. Da aber eine Veränderung der Arbeitszeit oder der Arbeitsorganisation weitreichende Folgen für Beschäftigte hat, konzentrieren sich die Gewerkschaften auf diese Punkte. Denn die Reorganisation der Unternehmen hat nicht nur Auswirkung auf den Produktionsmärkten, sondern auch auf das gesell- schaftliche Leben und auf dem Arbeitsmarkt. Trotz einer kritischen Haltung gelang es aber der IG Metall und den Betriebsräten nicht, die neuen Arbeitsorganisationsformen mit neuen Arbeitszeitmodellen zu Gunsten der Beschäftigten zu kombinieren und die neuen Modelle im Sinne von Tarifpartnerschaft in die Tat umzusetzen. Obwohl die Forderung nach einer weiteren Flexibilisierung von Arbeitsorganisation nach betrieblichen Bedürfnissen von der IG Metall und den Betriebsräten abgelehnt wird, weil sie dadurch die Humanisierung der Arbeit in Gefahr sahen, schaffte es die IG Metall ebenfalls nicht, die Unternehmen daran zu hindern, diese Modelle einzusetzen. 142 3.4. Die wettbewerbsbedingten Aspekte Die wettbewerbsbedingten Aspekte der Diskussionen um die Gestaltung von Arbeitszeiten werden von zwei Dimensionen begleitet. Zum einen durch Globalisierung der Märkte und zum anderen durch Europäisierung, d.h. durch wirtschaftliche und politische Integration in der Europäischen Union. Die Unternehmen und ihre Verbände vertreten die Ansicht, dass in Zeiten der Globalisierung der Märkte ein Höchstmaß an Flexibilität in den Produktions- sowie Beschäftigungsstrukturen hergestellt werden müsse. In diesem Sinne werden von beiden Tarifparteien flexible Arbeitszeitregelungen, Umstrukturierung der Arbeitsorganisationen und Lockerungen im Kündigungsschutz gefordert, damit eine deutliche Verbilligung und kapazitätsorientierte Anpassung der Arbeit erzielt werden kann (vgl. Bischoff/Detje 1989; 12). Die Diskussionen auf internationalem Umfeld werden dabei auf drei Ebenen geführt:  Wettbewerbsorientierte Diskussionen; Wettbewerbsorientierte Diskussionen sollen die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens durch eine Änderung der Arbeitszeitregelungen steigern. Dazu gehören Anpassungen an Nachfrage- schwankungen, eine Verlängerung der Betriebsnutzungszeiten sowie Öffnungs- zeiten.  Diskussionen über Maßnahmen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, die von den Arbeitgebern angestoßen werden, wenn sie bei angespannten Arbeitsmärkten nach neuen Wegen suchen, neues Personal einzustellen und an das Unternehmen zu binden. Zu den Maßnahmen gehören eine Reihe von flexiblen Arbeitszeitmodellen wie Arbeitszeitkonten, Teilzeit, Gleitzeit oder Heimarbeit, die auf alle Beschäftigten ausgedehnt wird, Bestimmungen über Sonderurlaub und freie Tage, Unterstützung bei der Kinder- betreuung sowie Initiativen in den Bereichen Gesundheit und Mitarbeiter- zufriedenheit.  Diskussionen über die Einführung von flexiblen Arbeitsmodellen, die eindeutig darauf zugeschnitten sind, den Arbeitszeitbedürfnissen und –präfe- renzen der Beschäftigten besser Rechnung tragen. Dabei sollen die Arbeitszeiten individuell vereinbart sowie die kollektiven tariflichen sowie rechtlichen Regelungen gelockert und internationalen Standards angepasst werden. 143 3.4.1. Die Globalisierung und die Positionen der Tarifparteien Unter dem Druck der sich beschleunigenden Globalisierung zeichnet sich eine neue Form der Wettbewerbsfähigkeit ab, die sich stärker auf die Beherrschung des Zugangs zu Technologien und Märkten, rasches Handeln, Attraktivität für Investoren und Gewinnerwartungen konzentriert. Die zunehmenden Verflechtungen der Weltwirtschaft und die durch diese Tendenzen verstärkende Liberalisierung des Welthandels führen zu einer wachsenden Globalisierung und Intensivierung des Wettbewerbs über die nationalen Grenzen hinweg. Die Globalisierung wird dabei im Wesentlichen von vier Kräften angetrieben: dem technologische Fortschritt, der unternehmerischen Dynamik, und dem finanzielle und institutionellen Umfeld. Dabei begünstigt die technologische Entwicklung die Globalisierung. Die Entwicklung der Informationsgesellschaft fördert sie, indem sie eine Vielzahl an Akteuren durch weltweite digitale Vernetzung verbindet. Die Informationsgesellschaft trägt damit dazu bei, eine neue auf Vernetzung und immateriellen Gütern beruhende Weltwirtschaft zu schaffen. Und das Entstehen von multinationalen Unternehmen hat die Globalisierung des Handels verstärkt. Um ihre Wettbewerbsposition zu verbessern, gliedern die Unternehmen bestimmte Tätigkeiten aus, verlagern ihre Fertigungen in Billiglohnländer und weiten den Vertrieb ihrer Produkte auf eine Vielzahl an Märkten aus. Dadurch konzentrieren die Unternehmen sich auf bestimmte Tätigkeiten, die an verschiedenen Standorten in verschiedenen Ländern ausgeführt werden. Gleichzeitig kommt es weltweit zu bedeutenden Zusammenschlüssen in Form von Fusionen, Übernahmen und strategischen Partner- schaften. Von diesen Entwicklungen bleiben auch die Unternehmen in Deutschland nicht ver- schont. Im neuen Umfeld der liberalisierten Märkte sehen sich die deutschen Unter- nehmen direkt einem Wettbewerb ausgesetzt, der die Grenzen zwischen Industrie- zweigen und Staaten überschreitet. Die mittelständischen Unternehmen orientieren sich am Binnenmarkt. Firmenübernahmen im Ausland gewinnen an Bedeutung, gleichzeitig nehmen Firmenübernahmen von ausländischen Unternehmen in der Bundesrepublik zu. Die Unternehmen vergleichen die Standortkosten und werden flexibler in ihren Stand- ortentscheidungen. Qualität, Schnelligkeit, Kundennähe, Produktimage und Kunden- dienst gewinnen an Bedeutung gegenüber den herkömmlichen Kostenfaktoren. Diese neuen Gegebenheiten erfordern häufig immaterielle Investitionen, beispielsweise in die Organisation, die Humanressourcen und die Forschung. Dies setzt gleichzeitig die deutschen Unternehmen seit Jahren unter einen beachtlichen Rationalisierungs- und Modernisierungsdruck, der sich eben auch darin niederschlug, dass die betriebliche Arbeitszeitgestaltung als eine wichtige Produktivitätsressource entdeckt wurde. Als 144 zentrale Ursache für die Notwendigkeit der Einführung flexibler Arbeitszeiten werden Schwankungen im Auftragseingang benannt, die von den Unternehmen nicht beein- flussbar sind. Während diese früher häufig über den Aufbau von Lagern und unter- schiedlich lange Lieferzeiten in ihren Auswirkungen auf den Personaleinsatz ausge- glichen wurden, schlagen sie heute angesichts veränderter Logistikkonzepte bei gleich- zeitig gestiegener Bedeutung der Liefergeschwindigkeit als Wettbewerbsfaktor stärker auf die Organisation der betrieblichen Abläufe sowie auf Arbeits- und Betriebszeiten durch. Prinzipiell existieren unterschiedliche Strategien, die auf die Schwankungen des notwendigen Arbeitsvolumen reagieren sollen: Gerade im internationalen Vergleich wird dabei häufig zwischen Strategien unterschieden, die die Anpassung des betrieb- lichen Arbeitszeitbedarfs durch Personalabbau- oder -aufstockung bewerkstelligen und solchen, die dies über eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten des vorhandenen Personals zu regulieren versuchen. Hinzu kommt, dass durch innovative Arbeitszeitmodelle zusätzlich Kosten gespart werden, wenn die Anpassung der Arbeitszeit an die Auftragslage ohne die Nutzung traditioneller arbeitszeitpolitischer Instrumente, wie etwa zuschlagpflichtige Mehrarbeit, bewerkstelligt werden kann. Darüber hinaus führt eine zeitflexible Anpassung der Produktion an die Auftragslage zu einer Kosten- entlastung, da Lagerbestände reduziert und Durchlaufzeiten verkürzt werden können. Durch diese Schritte verbessert sich die Termintreue von Unternehmen, und es kann besser und schneller auf Kundenwünsche eingegangen werden Ein weiterer Grund für die Forderung nach flexiblen Arbeitszeiten liegt in der zuneh- menden Kapitalintensität der Arbeitsplätze im produzierenden Gewerbe. Je höher die Kapitalintensität eines Arbeitsplatzes ist, desto wichtiger ist die Ausweitung der Maschinenlaufzeiten, um die Fixkosten pro produzierter Einheit zu senken und damit die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Hinzu kommt, dass durch die immer schneller voranschreitende Innovationsgeschwindigkeit und die immer kürzeren Innovations- zyklen der Fertigungstechnologien eine möglichst rasche Amortisation des Anlage- kapitals angezeigt erscheint. Eine Ausdehnung der Maschinenlaufzeiten und damit auch der Betriebszeiten durch eine Flexibilisierung der Arbeitszeit bietet somit die Möglich- keit, den Anstieg der Kapitalintensität pro Arbeitsplatz zu bremsen und die Sachkapital- rendite zu verbessern - und damit die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen zu steigern (vgl. Arbeitgeber Nr. 11; 4). Daraus folgend argumentieren die Arbeitgeberverbände, dass die Arbeitszeitpolitik sich in den letzten Jahrzehnten zu einem negativen Faktor für Wettbewerbsfähigkeit und Innovationsfähigkeit entwickelt habe. Die Situation hätte sich durch die europäische 145 Einheit, die Öffnung Osteuropas und den aufstrebenden Markt in Asien/Pazifik dramatisch verändert. Dadurch befänden sich die deutschen Unternehmen zu den östlichen und fernöstlichen Ökonomien nicht nur in einem Produktivitäts- und Qualitätswettbewerb, sondern auch in einem Wettbewerb um den Kostenfaktor Arbeitszeit (vgl. ebenda; 5). Dabei wird auch den tariflichen Regelungen eine negative Rolle zugespielt. Arbeitszeitverlängerungen seien mit Genehmigungen, Absprachen und Kostensteigerungen verbunden und daher ein Faktor, der sich zunehmend als Standortnachteil erweist. Die durch Wettbewerb und Währungsveränderungen ausgelösten Preissenkungen im Maschinenbau, in der Elektro- und Automobilindustrie können die Unternehmen mit ihren starren Kostenstrukturen nicht ausgleichen (vgl. ebenda; 6). Aus diesen Überlegungen geht deutlich hervor, dass die Arbeitgeberseite das Konzept der flexiblen Arbeitszeitmodelle sowie das Modell „atmende Fabrik“ unbedingt umsetzen wollte. Das bedeutete gleichzeitig, dass die Arbeitszeit flexibel zwischen 35 und 40 Stunden über das Jahr gefahren werden sollte, und dass ein hinreichendes Volumen von Jahresarbeitszeit zur Verfügung stehen müsste. Dabei wurde auch darauf hingewiesen, dass die Diskrepanz zwischen 2200 Stunden Jahres- arbeitszeit in Japan und 1250 Stunden in Deutschland nicht akzeptiert werden kann. Diese Differenzen seien durch die Produktivitätsdifferenzen und Qualitätsdifferenzen nicht mehr gerechtfertigt. Teilweise werde in den anderen mitkonkurrierenden Ländern in diesen Bereichen ein höherer Standard erreicht als in der Bundesrepublik Deutschland (ebenda; 5). Hier wurde des Öfteren die Argumentation ins Feld geführt, dass die unter Ratio- nalisierungsdruck stehenden deutschen Metallarbeitgeber zügig Maßnahmen umsetzen wollen, mit dem Ziel vergleichbare Wettbewerbsstrukturen zu schaffen. Anschließend wurde eine Verminderung der Nachteile in Produktivität und Qualität und Ausgleich der Kostennachteile durch eine höhere Flexibilität in der Arbeitszeit verlangt. Eine ähnliche Position vertrat auch die BDA. So hieß es in einer Studie, dass im Jahr 1997 die durchschnittlichen tariflichen Jahresarbeitszeiten der Beschäftigten des verarbeitenden Gewerbes in den westdeutschen Bundesländern mit 1573 Stunden im internationalen Vergleich am kürzesten waren. Der Abstand zu den wichtigsten Konkurrenzländern sei, wie die Abbildung 11 zeige, gravierend als deutlicher Wettbewerbsnachteil für die deutsche Wirtschaft zu werten (vgl. BDA 1998; 3). Das Ziel der Arbeitgeber war in diesem Sinne eindeutig: Die Arbeitszeiten sollten flexibilisiert, unter bestimmten Situation auch verlängert und die Schutzmaßnahmen aufgelockert werden. Gleichzeitig wurde von den Gewerkschaften und Betriebsräten erwartet, dass sie sich bei der Lohnfrage bescheidener und bei der Arbeitszeitfrage kooperativer verhalten und auf dem internationalem Parkett sich hinter die deutschen 146 Unternehmen stellen. Nur so könne es den deutschen Unternehmen gelingen, sich auf dem internationalen Markt zu behaupten und dadurch die Arbeitsplätze zu sichern. Gerade im Zeitalter der Globalisierung sei die Sozialpartnerschaft ernorm von Bedeutung (ebenda; 5). Abb. 11: Tarifliche Jahressollarbeitszeit für Arbeiter des verarbeitenden Gewerbes und Abstand zu Deutschland/West in Stunden, Arbeitstagen und –wochen (Stand 01.11.1997) Durchschnittliche Jahresarbeitszeit Abstand zu Deutschland/West Deutschland/West 1573 h Niederlande 1715 h 142 h 20 Tage 4 Wochen Italien 1736 h 163 h 23 Tage 4,6 Wochen Schweden 1752 h 179 h 25 Tage 5 Wochen Frankreich 1771 h 198 h 28 Tage 5,6 Wochen Großbritannien 1774 h 201 h 28 Tage 5,6 Wochen Schweiz 1844 h 271 h 38 Tage 7,6 Wochen USA 1904 h 331 h 46 Tage 9,2 Wochen Japan+ 1966 h 417 h 58 Tage 11,6 Wochen * Durchschnittlich geleistete Arbeitszeit 1996 in Unternehmen mit mindestens 30 Beschäftigten Quelle: BDA 1998, Tabelle 2 Gegenüber dieser Haltung vertritt IG Metall die Ansicht, dass Kern und Motor der Globalisierung die Ökonomie ist und die Gewerkschaften keine Globalisierungsgegner sind, sondern sich im Rahmen der Sozialpartnerschaft für politische Strategien einsetzen (Rede des IG Metall-Vorsitzenden Klaus Zwickel bei der Jahrestagung der Otto- Brenner-Stiftung am 30. Oktober 2002). Im Unterschied zu den Arbeitgeberverbänden vertreten die Gewerkschaften die Meinung, dass die Veränderungen der Arbeits- prozesse, Investitions- und Standortentscheidungen, Unternehmensumstrukturierungen oder gar der Verlust von Arbeitsplätzen unmittelbar die Beschäftigten treffen. Aus diesem Grund betrachten die Gewerkschaften die Gestaltung des Veränderungs- prozesses der Arbeitsbeziehungen – von Entgeltfragen bis zu den sozialen Sicherungs- systemen, von Bildung und Qualifizierung bis zur Mitbestimmung – als ihre zentrale gewerkschaftliche Aufgabe im Globalisierungsprozess, die sie nicht den Unternehmen 147 überlassen wollen. Die Gestaltung von Arbeitsbeziehungen wie auch die Beeinflussung der Wirtschaftspolitik wird als traditionelle Aufgaben der Gewerkschaften seit ihren Gründungen im nationalen sowie internationalen Rahmen betrachtet. Dementsprechend will die IG Metall sich gerade im Zeitalter der Globalisierung auf internationaler Ebene noch stärker einbringen. Gerade in den Branchen, in denen die Unternehmen im extremen Maße vom Export ihrer Produkte abhängig sind, wäre sie – nach eigener Aussage - schlecht beraten, wenn sie nicht die Vorteile offener Weltmärkte für die Sicherung der Arbeitsplätze würdigen würde. Wichtiges Element sei deswegen der Dialog mit anderen Gewerkschaften, sowohl aus Industrie- wie aus Schwellen- und Entwicklungsländern (ebenda). Fakt ist, dass den Gewerkschaften in dieser Situation eine Schlüsselrolle zu fällt. Denn als organisierter Vertreter der Beschäftigten besitzen sie die Durchsetzungsfähigkeit, um in einer Konzentration der Kräfte die Fundamente des Sozialstaats zu retten und die Erosion des Flächentarifvertrags mit den damit verbundenen massiven Lohnsenkungen auf allen Ebenen zu verhindern. (ebenda). In einem Positionspapier des DGB anlässlich der 4. Ministerkonferenz der WTO in Dohar, Katar im November 2001 heißt es, dass die deutschen Gewerkschaften für einen fairen und offenen Welthandel eintreten, dessen Ordnungsprinzipien zu Wohlstand und Prosperität für alle führt. Umso mehr wollen die Gewerkschaften neue, stärker durchdachte Gewerkschaftsstrategien, die auf gut vorbereiteten und begründeten Forderungen, einem großen Maß an Mitgliedsbewusstsein und der Einbeziehung bei Verhandlungen basieren, sowie auf erfahrene gewerkschaftliche Verhandlungsteams, die über das nötige Wissen verfügen, um der Haltung des Managements Argumente entgegenzusetzen. Insbesondere bei Verhandlungen mit multinationalen Konzernen wollen die Gewerkschaften auf internationale gewerkschaftliche Untersuchungen, Informationen und solidarische Unterstützung zurückgreifen. Denn eine der wichtigsten Auswirkungen der Globalisierung ist die Verlagerung eines Teils des Dialogs und der Verhandlungen auf die internationale Ebene. In nahezu allen Ländern ist es den Gewerkschaften bewusst, dass die Spaltung zwischen einer Kernbelegschaft mit gut bezahlten und ausgebildeten Beschäftigten und einer Randbelegschaft mit niedrig bezahlten und weniger qualifizierten Beschäftigten, sich vertieft. Dabei handelt es sich oft um Frauen, die von unsicheren und billigeren Arbeitsplätzen am meisten betroffen sind. Derartige Spaltungen sind vor allem in den Entwicklungsländern besonders ausgeprägt. Doch sie vergrößern sich auch in den Industrieländern. Unsicherheit und ständige Veränderungen stellen für alle Beschäftigten ein zunehmend ernstes Problem dar, insbesondere für diejenigen, die aufgrund ihres Geschlechts, ihres Alters, ihrer Religion, ihres ethnischen Hintergrundes, einer Behinderung oder ihrer sexuellen Orientierung Diskriminierungen ausgesetzt sind. 148 Um die oben dargestellte Ziele zu erreichen, bemühen sich die die internationalen Gewerkschaftsorganisationen trotz des Drucks durch verringerte finanzielle Mittel, mehr zu tun, um Kampagnen gezielt auszurichten und die Informationsflüsse zu be- schleunigen. Im Mittelpunkt steht eine Reihe miteinander verflochtener globaler Netz- werke für Solidarität. In diesem Zusammenhang wies Klaus Zwickel, Vorsitzender der IG Metall und Präsident des internationalen Metallgewerkschaftsbundes (IMB), auf der Arbeitszeitkonferenz im Jahr 1997 darauf hin, dass wenn sich die nationalen Gewerkschaften nicht auf eine gemeinsame Politik zur Arbeitszeit einigen können, die Konkurrenz der Standorte auf dem Buckel der Beschäftigten weitergehen werde. (Rede Klaus Zwickels auf der Arbeitszeitkonferenz 1997). 3.4.2. Die Europäisierung und die Einstellung der Tarifparteien Die wirtschaftliche und politische Integration in der Europäischen Union beeinflusst bis zu einem bestimmten Grad auch die unternehmerische und gewerkschaftliche Politik. Dies gilt besonders für die multinationalen Unternehmen, die ihre Tätigkeiten und Managementstrukturen umbauen und mit deren Hilfe Erzeugung, Verteilung und Vermarktung in ganz Europa integrieren wollen. In diesem Sinne vollzieht sich in Europa ein Wandel, indem versucht wird „sozialpart- nerschaftliche“ Politik zu europäisieren. Als Reaktion entwickeln sowohl die Gewerk- schaften als auch die Arbeitgeberverbände neue Strategien für die Durchsetzung der eigenen Interessen auf europäischer Ebene. Auf der Arbeitgeberseite veröffentlicht der Westeuropäische Metallarbeitgeberverband (WEM) monatliche Informationsblätter über „internationale Entwicklungen in der Sozialpolitik“, die auch Informationen über die neuesten nationalen Entwicklungen in Tarifverhandlungen sowie internationale Statistiken enthält, in denen Trends in den Arbeitsbeziehungen in der europäischen metallverarbeitenden Industrie verglichen werden. Im Allgemeinen ist die Position der Arbeitgeber dadurch gekennzeichnet, dass die Regelungen bezüglich der Arbeitszeiten individuell zu gestalten sind. Zwar sind sie entschieden gegen staatliche Eingriffe und für eine Deregulierung, doch unterstützen sie gleichzeitig die Dezentralisierung der Tarifverhandlungen und eine Erweiterung der Arbeitszeitagenda, die durch eine Intervention des Staates gefördert werden sollten. In Frankreich sind z.B. die Arbeit- geber in ihrer Gesamtheit Gegner der jüngsten Arbeitszeitgesetze, obwohl viele der Unternehmen auf betrieblicher Ebene bedeutende Vorteile festgestellt haben, als es in den anschließenden Verhandlungen um flexible Arbeitszeiten ging, so u. a. um Jahres- 149 arbeitszeiten, die zur Senkung der Überstundenkosten beigetragen haben. Auf ähnliche Weise erklärten die Sozialpartner in den Niederlanden, dass sie mit der Aufnahme der Gleitzeit in die Tarifvereinbarungen die ersten Schritte eingeleitet haben. Und in Italien sind einzelne Unternehmen oft sehr an Verhandlungen über flexible Arbeitszeiten interessiert, und auch die Arbeitgeberverbände befürworten die Einführung von Instrumenten (wie zum Beispiel Jahresarbeitszeiten), die es den Unternehmen erleich- tern, auf Nachfrageschwankungen zu reagieren. Für die Arbeitgeber geht es darum, durch Regelungen die erforderliche Flexibilität zu steigern, um Kosten zu senken und Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Die Arbeitgeberverbände nutzen die europäische Koordinierung dazu, um die Um- setzung produktivitätssteigernder Veränderungen an den Arbeitsbedingungen und Arbeitsmodellen in den lokalen, nationalen und auch internationalen Verhandlungen auf Unternehmensebene sicherzustellen. Dabei versuchen die Unternehmen, dort wo lokale Standorte einen Teil eines national oder international integrierten Produktionssystems oder vernetzten Unternehmens darstellen, für die betroffenen Betriebe ähnliche Lösungen umzusetzen. Parallel dazu wird auf die Gewerkschaften Druck ausgeübt, indem gedroht wird, die Fertigung in Länder zu verlegen, in denen „die Bedingungen“ besser sind. Auf einen Nenner gebracht können die Ziele der Unternehmen wie folgt beschrieben werden:  Verringerung der Kosten und Erhöhung der Produktivität durch grenzüber- schreitende Koordinierung  Erstellung von Leitlinien für die lokale Betriebsführung bezüglich Personal und Arbeitsbeziehungen sowie die Festlegung gemeinsamer Initiativen ver- schiedener Standorte.  Verbetrieblichung der Arbeitszeitpolitik auch auf europäischer Ebene Vor diesem Hintergrund setzen die Gewerkschaften die neuen Herausforderungen in Europa auf die Tagesordnung. Einerseits versuchen die Gewerkschaften zu verhindern, dass Gewerkschaften und Betriebsräte bei der Gestaltung von Arbeitszeiten in Europa gegeneinander ausgespielt werden und andererseits bemühen sie sich darum, die Verbetrieblichung der Arbeitszeitpolitik mitzugestalten. Durch den Druck der Unternehmen rückt das gemeinsame Handeln der Gewerkschaften und Betriebsräte auf europäische Ebene immer mehr in den Mittelpunkt. Das beinhaltet die Erarbeitung einer gemeinsamen Tarifpolitik bezüglich Zielen, Schwerpunkten, Forderungen und Ergebnissen sowie der Entwicklung gemeinsamer Mindeststandards (z.B. bei der Arbeitszeit. Lohn und Gehalt usw.). Auch branchenspezifische Kooperation, Informa- 150 tionsaustausch, Kontakte, Koordination und Solidarität rücken in den Mittelpunkt der gewerkschaftlichen Arbeit. Dabei wird auf zwei Organisationsformen zurückgegriffen:  Europäischer Gewerkschaftsbund (EMB) und  Europäische Betriebsräte (EBR) Der 19. Ordentliche Gewerkschaftstag der IG Metall beschloss im Jahr 1999, sich allen Versuchen zu widersetzen, den europäischen Integrationsprozess dafür zu nutzen, die europäischen Beschäftigten in den Wettbewerb um niedrigere Einkommen und schlechtere Arbeitsbedingungen und damit in eine Abwärtsspirale wechselseitiger Unterbietung zu treiben. Gleichzeitig beschloss der Gewerkschaftstag, mit allen Mitteln die Initiativen der europäischen Gewerkschaftsbünde und insbesondere des Europäischen Metallgewerkschaftsbundes (EMB) zum Aufbau einer gemeinsamen, koordinierten Tarifpolitik für die europäischen Industrien zu unterstützen. (vgl. IG Metall-Vorstand 1999; 3f). Umso mehr wurde die Initiativen der IG Metall-Bezirke zur tarifpolitischen Vernetzung mit den Nachbarländern und dem Austausch von Beobachtern bei Tarifverhandlungen begrüßt und die Gesamtmetall aufgefordert, den Westeuropäischen Arbeitgeberverband für die Metall- und Elektroindustrie (WEM) zur Aufgabe seiner Blockadehaltung zu bewegen und zu Gesprächen und Verhandlungen über europäische Rahmenvereinbarungen zu kommen.“ (ebenda; 3f). Vor diesem Hintergrund steht neben Fragen der Lohn- und Tarifpolitik im Mittelpunkt der Arbeit des EMB insbesondere die Arbeitszeitpolitik. So wurde im Juli 1998 nach zweijähriger Zusammenarbeit eine „Arbeitszeitcharta des EMB“ verabschiedet, in der die europäischen Metallgewerkschaften erstmalig den Versuch unternommen haben, sich auf europaweit gültige Mindeststandards zu einigen. Im Einzelnen enthielt die Arbeits- zeitcharta folgende Forderungen:  Die Bekräftigung des politischen Ziels der 35 Stunden Woche mit Lohn- ausgleich  Die Zurückweisung jeglicher Forderungen nach Arbeitszeitverlängerung  Die Einführung eines europäischen Mindeststandards in Form einer jährlichen Höchstarbeitszeit von maximal 1.750 Stunden. Bei der Definition dieser Höchstarbeitszeit orientierte sich der EMB dabei keineswegs an den Ländern mit den längsten Arbeitszeiten.  Eine Begrenzung der Überstunden, die ausschließlich durch Geld kompensiert werden, auf 100 Stunden pro Jahr (EMB 1998; 260f). 151 Durch die Arbeitszeitcharta des EMB zeigen die Gewerkschaften gegenüber den Arbeit- geberverbänden, dass sie auch im EU-Raum für gesetzlich oder tarifvertraglich geregelte Maßnahmen zur Gestaltung der Arbeitszeiten sind, sofern es um mehr Wahl- freiheit und um mehr Schutz im Bereich der Arbeitszeit geht. Die Arbeitgeberverbände und insbesondere die Gesamtmetall werden aufgefordert, die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) als Standard in allen international tätigen Unternehmen zu übernehmen. Um ein Europäisches System von Mindeststandards für Löhne und Arbeitszeit aufzu- bauen und der Verbetrieblichung der Arbeitszeitpolitik auch auf europäischer Ebene entgegen zu treten wird insbesondere auf Europäische Betriebsräte (EBR) gesetzt. Seit dem 22. September 1994 gibt es bereits eine Richtlinie der Europäischen Kommission zum Aufbau von Europäischen Betriebsräten in Unternehmen, die in mehreren Ländern der Europäischen Union Standorte oder Tochterunternehmen haben. Danach ist Voraus- setzung für die Bildung eines Europäischen Betriebsrates, dass die Unternehmen in mindestens 2 der EU-Länder jeweils mindestens über 150 Beschäftigte und insgesamt in der EU über mindestens 1.000 Beschäftigte verfügen. Auf Basis dieser Richtlinie wurden in der EU bislang über 800 Europäische Betriebsräte gebildet (vgl. Altmeyer 2003; 8). Da aber die EBR-Richtlinie kein detailliertes Regelwerk wie das deutsche Betriebsver- fassungsgesetz zur Verfügung stellt, stehen die Gewerkschaften vor einer schwierigen Situation. Wollen z.B. die deutschen Betriebsräte einen EBR gründen, so erlaubt die Richtlinie dem Betriebsrat keine Mitbestimmungsrechte. Die Richtlinie erlaubt den EBR nur die Unterrichtung und Anhörung. Die EBR sind dadurch ein Teil des unter- nehmerischen Entscheidungsprozesses, besitzen aber kein Vetorecht. Die Praxis zeigt jedoch, dass Arbeitnehmervertreter daran interessiert sind, sich über den durch die Richtlinie gesetzten Mitwirkungsrahmen hinauszubewegen und deshalb formelle Vereinbarungen mit den Konzernleitungen abgeschlossen haben. Folge dieser Entwicklung ist, dass sich bei der Gründung eines EBR zwei unterschiedliche Modelle herausgebildet haben, nämlich ein deutsches und ein französisches Modell. (siehe Abb. 12). Nach Berechnungen von Altmeyer wird europaweit der weitaus größere Teil, nämlich 63 % aller Europäischen Betriebsräte, nach französischem Modell gebildet. Es gilt als Vorbild auch für viele britische, amerikanische und japanische Konzerne. Nach französischem Recht ist der Betriebsrat ein gemischtes Gremium, dem auch Arbeit- gebervertreter angehören, die sogar den Vorsitz übernehmen können. (vgl. ebenda: 9f). Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass, obwohl die EBR-Arbeit vor Anlauf- schwierigkeiten steht, der EBR sich innerhalb der Unternehmen zu einer zunehmend 152 wichtigen Schnittstelle der Gewerkschaftskontakte und der gewerkschaftlichen Zusam- menarbeit auf europäischer Ebene entwickelt. Zwar beschränkt sich der Aufgaben- bereich der meisten EBR noch auf Information und Beratung, und nur in seltenen Fällen kommt ihnen auch eine Art Verhandlungsrolle zu. Aber die potenzielle Rolle, die der EBR bei Initiativen der Gewerkschaften zur Koordinierung der Tagesordnungen bei Tarifverhandlungen und grenzüberschreitender Forderungen in Bezug auf Arbeitsbe- dingungen und Entlohnung, spielt, nimmt stetig zu. Abb. 12: Das deutsche und französische EBR-Modell Deutsches Modell Französisches Modell Betriebsrat Betriebsrat besteht nur aus Arbeitnehmervertretern Betriebsrat besteht aus Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern Vorsitz Vorsitz liegt bei einem gewählten Arbeitnehmervertreter Vorsitz liegt beim Arbeitgeber, Arbeitnehmerseite wählt einen Sprecher (=Sekretär) Interne Angelegenheiten Interne Angelegenheiten werden in einer normalen Betriebsratsitzung besprochen Interne Angelegenheiten werden in einer Vorbesprechung der Arbeitnehmerseite besprochen Berichterstattung Arbeitgeber wird zu einzelnen Tagesordnungspunkten in die Sitzung eingeladen und erstattet Bericht Arbeitgeber lädt zur Betriebsratsitzung ein und erstattet Bericht Budget Betriebsrat rechnet alle notwendigen Kosten mit dem Arbeitgeber ab, Freistellung erfolgen nach Bedarf Betriebsrat erhält ein festes Jahresbudget und muss damit haushalten, Freistellungsumfang ist pro Person genau definiert Quelle: Altmeyer 2003; 10 Die Gewerkschaften stellen immer mehr fest, dass Vergleiche von EBR über Löhne, Arbeitsbedingungen und Beschäftigungspraxis beim Meinungsaustausch während der Tarifverhandlungen und Betriebsvereinbarungen eine immer wichtigere Rolle spielen. Tatsache ist jedoch, dass es den Gewerkschaften noch nicht ganz gelungen ist, den EBR für die Formulierung einer gemeinsamen Position zu gewinnen. Hinzu kommt noch, dass die Mehrheit der Arbeitnehmervertretungen nach wie vor skeptisch ist und die Bedeutung der Europäischen Betriebsräte für ihre Arbeit bezweifelt. Für eine effektive Arbeit ist es allerdings erforderlich, dass der Informationsfluss in beide Richtungen 153 funktioniert, sowohl von den nationalen Arbeitnehmervertretungen hin zu den Europäischen Betriebsräten, als auch in die entgegengesetzte Richtung, zur Akzep- tanzsicherung und zur Umsetzung der EBR-Politik. Hierbei ist aber wichtig zu erwähnen, dass schon in den Jahren vor der Verabschiedung der EBR-Richtlinie die europäische Gewerkschaftsbewegung Treffen von Arbeit- nehmervertretungen aus europäischen multinationalen Unternehmen organisiert haben. In den meisten Fällen fanden diese Sitzungen ohne die Anwesenheit der Unternehmens- leitung statt. Dadurch konnten die Gewerkschaften und Arbeitnehmervertretungen ihre Zusammenarbeit vertiefen, weil sie die Möglichkeit hatten, sich zu treffen. Die EBR- Richtlinie hat für diese multinationalen Treffen eine neue Basis geschaffen, insofern als sie auch Treffen mit dem Management vorsieht. Dazu kommen weitere Vorteile:  die Möglichkeit, Informationen direkt von der Konzernspitze zu erhalten,  die Möglichkeit, Meinungen mit der zentralen Unternehmensleitung auszu- tauschen,  die Möglichkeit, lokale Probleme direkt bei der zentralen Unternehmensleitung anzusprechen. Auch wenn die Gründung von EBR`s für die Standardisierung von Arbeitsnormen auf europäische Ebene der richtige Schritt ist, führt die wirtschaftliche Integration in Europa automatisch zu einem Druck zur Steigerung der Konkurrenzfähigkeit der Unternehmen. Diese Tendenz kommt am offensichtlichsten in den nationalen Verhandlungen zum Ausdruck in denen die Arbeitgeberseite in den Tarifverhandlungen von den Gewerk- schaften - zur Verbesserung der Konkurrenzfähigkeit - eine zurückhaltende Lohnpolitik verlangt. Zumindest für die Gewerkschaften schafft das eine widersprüchliche Situation. Denn einerseits streben die Gewerkschaften durch eine bessere europäische Koordi- nierung eine solidarische Tarifpolitik an, die in der Lage ist, die „Konkurrenz“ unter- einander einzuschränken, andererseits sind sie in nationale Wettbewerbsallianzen (wie Bündnis für Arbeit, Wettbewerbsfähigkeit und Ausbildung) eingebettet, die eine derartige europäische Konkurrenz eher verstärken. Zudem kommt, dass versucht wird, auf Kosten der europäischen Nachbarländer Wettbewerbsvorteile durch niedrigere Lohnabschlüsse zu erzielen. Dieses Lohndumping bewirkt aber nicht nur nationale Wettbewerbsvorteile, sondern auch einen „Arbeitsplatzklau“ im Nachbarland. Dies wiederum stellt die Gewerkschaften vor eine im Rahmen der institutionalisierten Tarifpolitik kaum lösbare Aufgabe. Des Weiteren ist festzustellen, dass die europäische Tarifpolitik noch in den Kinder- schuhen steckt. Zwar bemühen sich die Gewerkschaften darum, sich durch mehr In- 154 formationsaustausch, verbesserte Kommunikation und verstärkte Kooperation in Europa den neuen Herausforderungen zu stellen. Aus diesem Grund wird seitens der IG Metall eine verstärkte Europäisierung der Gewerkschaftspolitik gefordert. So soll zum einen der Einfluss der Gewerkschaften auf europäische Entscheidungen erhöht und zum anderen, die Kampagnenfähigkeit der Gewerkschaften in Europa nachhaltig gestärkt werden. Zudem unterstützt die IG Metall die Stärkung der europäischen Berufs- sekretariate, wobei deren Zuständigkeiten erweitert und konkret definiert werden sollten. So könnten europaweite Regulierungen durch europäische Betriebsräte erreicht werden. Parallel wird darauf Wert gelegt, die europäische Gewerkschaftsarbeit finanziell und personell zu stärken. Langfristig gilt es, die europäischen Gewerkschaften auszubauen und europäische Mitgliedsgewerkschaften aufzubauen. Die nationale Stärke der Gewerkschaften bleibt jedoch die entscheidende Voraussetzung für gewerk- schaftliche Stärke in Europa (vgl. http://www.igmetall.de/pressedienst/ 2002 /140.html). 3.5. Die tarifpolitischen Aspekte In den Regelungsbereich der nationalen Tarifverträge fallen auch die Arbeitszeitformen sowie die Gestaltung der Arbeitszeiten. Hierbei versuchen die Tarifparteien generell, ihre eigenen Interessen durchzusetzen und die Tarifverträge dementsprechend zu gestalten. Aus gewerkschaftlicher Sicht dokumentieren die Tarifverträge die Schutz- und Gestaltungsfunktion der Beschäftigten. Demzufolge sollen durch Tarifverträge die Beschäftigten in die Verteilungsspielräume der Unternehmen und die Gestaltung der Arbeitsbedingungen miteinbezogen werden. Zudem sollen Lohndumping und Konkurrenzvorteile über schlechtere Arbeitsbedingungen und niedrigere Vergütungen durch Flächen- bzw. Branchentarifverträge verhindert und die Macht der Arbeitgeber über ihre Beschäftigten trotz Massenarbeitslosigkeit, Globalisierung und staatlicher Deregulierung begrenzt werden. Für die Arbeitgeber schaffen die Tarifverträge während der Laufzeit eines Tarifvertrages Kalkulations- und Produktionssicherheit. Gleichzeitig sollen die Tarifverträge eine befriedigende und zwischen den Betrieben ausgleichende Ordnungsfunktion erfüllen, und Konflikte durch Aushandeln und Kompromiss- findungen regulieren. Durch Tarifverträge sollen auch arbeitskampfbedingte Arbeits- ausfälle verhindert werden. So war der Metalltarifvertrag von 1984 der erste Tarifvertrag, in dem Arbeitszeit- verkürzung und Arbeitszeitflexibilisierung miteinander kombiniert wurden. Diese tarifliche Regelung verursachte in den folgenden Jahren eine Schwerpunktverschiebung in der tariflichen Arbeitszeitpolitik. Während die Gewerkschaften versuchten, die 155 Beschäftigten vor Auswüchsen unternehmerischer Flexibilitätsanforderungen zu schützen, konzentrierten sich die Unternehmen darauf, durch neue flexible Arbeits- zeitmodelle die Betriebzeiten an Auftragsschwankungen anzupassen und/oder auszu- dehnen. Der neue Tarifvertrag brachte mit sich neue Aufgaben, Herausforderungen und Probleme für die Tarifparteien, die in den folgenden Jahren den Inhalt der tariflichen Auseinandersetzungen bestimmen sollten. Wie zu erwarten gewesen war standen die nächsten Tarifverhandlungen unter dem Zeichen verschärfter Auseinandersetzungen. Denn den Unternehmen wurden seitens der Gewerkschaften vorgeworfen, durch neue Regelungen die Normalarbeitszeit unterhalb tariflicher Standards auszuhöhlen. In der Tarifrunde 1995 verfolgte die Gesamtmetall das strategische Ziel, Lohnerhöhungen proportional mit Kostenentlastungen zu verknüpfen. Als Bedingungen wurden das Aus- setzen der bereits vereinbarten 35-Stunden-Woche und die Entlastung des Mittelstandes durch tarifpolitische Optionen formuliert. Die IG Metall akzeptierte diese Forderung nicht und erzwang durch einen elftägigen Streik im Pilotbezirk Bayern einen Tarif- erfolg: Bei einer Laufzeit von 24 Monaten wurde für vier Monate eine Einmalzahlung von je 152,50 DM, für sechs Monate eine Lohnerhöhung von 3,4 % und für vierzehn Monate eine weitere Lohnerhöhung von 3,6 % vereinbart. Dieser Abschluss setzte wichtige Orientierungsmarken für andere DGB-Gewerkschaften und durchbrach die Hegemonie des Kompensationsgedankens der Arbeitgeberverbände. In der Folge ergaben sich erhebliche Verbandsturbulenzen bei Gesamtmetall. Die Kritik am Flächentarif nahm zu und führte im März 1996 zu dem Vorschlag des neuen Haupt- geschäftsführers des Verbandes, Werner Stumpfe, eine Zweiteilung der klassischen Arbeitgeberverbände vorzunehmen. Nach seinem Modell sollte es künftig unter einem Dach Arbeitgeberverbände mit und solche ohne Tarifbindung geben. Diejenigen Unternehmen, die nicht bereit seien, die Tariflasten zu tragen, sollten den Tarifverband verlassen und einem Verband ohne Tarifbindung beitreten können. Diese neue Form des Arbeitgeberverbandes sollte ihren Mitgliedern alle Dienstleistungen eines Arbeit- geberverbandes wie steuer- und wirtschaftsrechtliche sowie politische Interessen- vertretung und Beratungsaufgaben eröffnen, ohne gleichzeitig die Verpflichtung zur Einhaltung der Tarifverträge zu begründen. Dahinter stand vor allem die Kritik von mittelständischen Unternehmen, dass die Flächentarifverträge den verschärften markt- wirtschaftlichen Zwängen nicht mehr gerecht würden und die Annahme, in Ver- handlungen auf der Betriebsebene günstigere Konditionen durchsetzen zu können. Viele Unternehmen wollten sich keiner Regulierung mehr unterwerfen und aus den Arbeitgeberverbänden austreten. Diese Position wurde damit begründet, dass nationale Tarifverträge im Zeitalter der Globalisierung vielmehr Standorthindernisse seien und durch zu hohe Löhne und Sozialleistungen Standortprobleme mit sich bringen. So wird 156 auf Arbeitgeberseite der Standpunkt eingenommen, dass in der Bundesrepublik tatsächlich ein Standortproblem existiert, weil viele Unternehmen sich in anderen Ländern durch bessere Bedingungen Wettbewerbsvorteile verschaffen. Dieser Haltung folgt anschließend die Forderung nach Senkung von Arbeitskosten, damit die Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen erfolgreich umgesetzt werden kann. Auf die strukturellen Veränderungen der letzten Jahre reagierten die Arbeitgeberverbände der Metall und Elektroindustrie mit dem Vorschlag „Reformprojekt Flächentarif“, der eine erhebliche Auswirkung auf die Tarifpolitik haben sollte. So sollte durch Reformen des Tarifvertrags die Kostensituation und Flexibilität der Unternehmen verbessert und somit die Grundlage dafür geschaffen werden, bestehende Arbeitsplätze zu sichern und neue zu schaffen. Des Weiteren enthielt der Flächentarifvertrag Mindestnormen, die von allen Mitgliedsfirmen des Arbeitgeberverbandes erfüllt werden mussten. Nach den Vor- stellungen von Gesamtmetall enthielt der Tarifvertrag der Zukunft folgende Regelungs- bestandteile:  einfachere Tarifverträge, die ein Regelwerk aus Mindestbedingungen darstellen;  eine Tarifpolitik, die nur das Wesentliche für die Betriebe einheitlich und verbindlich regelt;  neue Verfahren der Konfliktvermeidung oder Konfliktlösung, um die alten Kampfrituale zu überwinden. Aus diesen Regelungsbestandteilen wurden die Themen und die Ziele für die bevor- stehenden Reformgespräche mit der IG Metall abgeleitet. Zudem beabsichtigte die Gesamtmetall die Regelungskompetenz vielmehr ganz oder teilweise den Betrieben, also Unternehmensleitung und Betriebsrat zu überlassen. Dies sollte in unter- schiedlicher Weise geschehen:  durch Rahmenregelungen. Das heißt: Anstelle von detaillierten Vorschriften enthält dieser Teil des Tarifvertrages Grundsätze, Spannen und Richtwerte, die durch betriebliche Vereinbarungen umgesetzt werden.  durch Optionen. Das heißt: Der Tarifvertrag enthält mehrere, jeweils in sich abgeschlossene Regelungen. Aus diesen Alternativen wählen Unternehmens- leitung und Betriebsrat durch Betriebsvereinbarung die für den Betrieb passende Lösung.  durch Öffnungsklauseln. Das heißt: Ausdrückliche Ermächtigung im Tarif- vertrag, dass Unternehmensleitung und Betriebsrat durch eine Betriebsverein- barung tarifliche Regelungen ergänzen, abändern oder ersetzen können. 157 Die Metallarbeitgeber wollten nicht nur die Inhalte des Flächentarifvertrages refor- mieren, sondern strebten vielmehr auch eine grundlegende Reform der Tarifver- handlungen an. Sie plädierten dafür, dass bei den Tarifverhandlungen auch „neue“ Wege gegangen werden sollten. Dazu gehörte u. a. dass eine Konfliktlösung durch Arbeitskampf nicht mehr erfolgen sollte. Denn die Arbeitgeberseite wollte um jeden Preis die teuren Arbeitskämpfe vermeiden. Laut Gesamtmetall passten die Arbeits- kämpfe nicht in das Zeitalter der Globalisierung und bei globalem Wettbewerb und weltweiten Liefervernetzungen würden Produktionsunterbrechungen zu langfristigen Schäden führen, deren Folgen für die Beschäftigten Arbeitsplatzverluste bedeuteten. Durch zusätzlichen Flexibilisierungsbedarf im Flächentarifvertrag strebten die Arbeit- geber eine vorübergehende Verlängerung der Arbeitszeit ohne Lohnausgleich an, die wiederum weitere Kostensenkungen bedeuten würde. Ziel dieser Haltung war eine variable und flexible Tarifpolitik, die den Weg zu günstigeren Lohnstückkosten und damit zu mehr Wettbewerbsfähigkeit ermöglichen sollte. Demzufolge sollten die Tarif- parteien - laut Arbeitgeberseite - den Betriebsparteien größere eigene Gestaltungsspiel- räume belassen, sie in der Ausfüllung solcher Gestaltungsräume unterstützen und, wo nötig, Auffanglösungen anbieten. Hierbei schrieb die Gesamtmetall der Tarifpolitik eine neue Rolle zu, die vor allem das Verhältnis zwischen betrieblichen, tariflichen und auch staatlichen Gestaltungsspielräumen neu definieren sollte. In diesem Sinne musste ein moderner Tarifvertrag ermöglichen, so dass die Beschäftigten bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten die Wettbewerbsfähigkeit ihres Unternehmens, ihren Arbeitsplatz und ihr Einkommen auch durch vorübergehend verlängerte Arbeitszeiten ohne Lohn- ausgleich sichern können. Gestützt auf diese Überlegungen wollte Gesamtmetall die Tarifverträge um eine Betriebsklausel ergänzen, die abweichende betriebliche Regel- ungen zulässt. Darüber hinaus sollte der Tarifvertrag bestimmen, in welchen Fällen die jeweilige Regelung den Tarifparteien zur Zustimmung vorgelegt werden musste. Wenn eine der beiden Tarifparteien die Regelung ablehnen sollte, sollte eine Schnell- schlichtung erfolgen. Und als letztes wollte Gesamtmetall die im Tarifvertrag getroffenen Regelungen so umgestalten, dass sie für alle Unternehmen verkraftbar wären (ebenda). Auch für Ostdeutschland wollten die Metallunternehmen eine neue Regelung bezüglich des Tarifvertrages. Dabei wurde argumentiert, dass die Unternehmen der Metall- und Elektro-Industrie in Ostdeutschland sich noch immer in einer schwierigen Phase ihrer Konsolidierung befinden. Die Lohnstückkosten liegen, laut Gesamtmetall, im Durch- schnitt immer noch wesentlich höher als in Westdeutschland (vgl. Gesamtmetall 1996). Der wirtschaftliche Aufholprozess würde noch mehrere Jahre dauern. Zudem sei die Tarifflucht an der Tagesordnung und die Bindung des Flächentarifs lasse nach. Aus 158 diesem Grund solle die ostdeutsche Metall- und Elektro-Industrie tarifpolitisch eine neue Basis finden. Nur so werde es möglich sein, das verlorene Vertrauen in den Tarif- vertrag wieder aufzubauen und den Unternehmen wettbewerbsfähige Tarifbedingungen zu verschaffen. Aus diesen Formulierungen geht deutlich hervor, dass Gesamtmetall nicht daran interessiert ist, die Arbeitszeiten und tariflichen Bedingungen für die Gestaltung von Arbeitszeiten dem westlichen Niveau anzupassen. Ganz im Gegenteil sollen die Arbeitszeiten und tariflichen Regelungen unterschiedlich sein, damit die Beschäftigten im Osten und Westen gegeneinander ausgespielt werden können. Zudem lehnt Gesamtmetall eine Verkürzung der Arbeitszeiten im Osten strikt ab. Statt Arbeits- zeitverkürzung soll bei der Arbeitszeitdauer eine größere Bandbreite zugelassen werden. So forderte Gesamtmetall, durch eine neue Regelung die weitgehend starre Regelung durch einen tariflichen Arbeitszeitkorridor von 30 bis 40 Wochenstunden zu ersetzen, damit die Unternehmen innerhalb dieses Korridors im Einvernehmen mit den Mitarbeitern und dem Betriebsrat über die Dauer der Arbeitszeit im Einzelnen entscheiden können. Hierbei wurde damit argumentiert, dass gerade für den Osten die geringeren Lohnkosten und längeren Arbeitszeiten noch lange unverzichtbar für den Erhalt der Arbeitsplätze seien. Die Tarifpolitik, so Gesamtmetall, „müsse in Ost- deutschland ihre Rolle als Standortpolitik noch für eine Zeit weiterspielen“. Nur so könnten auf Dauer Arbeitsplätze in den neuen Ländern geschaffen werden. Schließlich seien die im Vergleich zu Westdeutschland niedrigeren Kosten für eine Arbeitsstunde „einer der wenigen Vorteile, die Ostdeutschland im Wettbewerb um Investitionskapital zur Schaffung neuer industrieller Arbeitsplätze derzeit hat“. (Gesamtmetall 2000). Zusammengefasst kann festgehalten werden, dass Gesamtmetall daran interessiert ist, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen noch mehr zu stärken. Dabei will sie als erstes die Tarifverträge so flexibilisieren, dass die Tarifverträge für die Ver- teilung der Arbeitszeiten weitere Korridorlösungen und Kontenmodelle eröffnen. Zudem soll das jeweilige Arbeitsvolumen an bestehende tarifvertragliche Tätigkeits- und Eingruppierungsmerkmale gekoppelt werden, damit eine Differenzierung nach Qualifikation als auch nach Einsatzbereich im Unternehmen erreicht werden kann. Das würde bedeuten, dass geringerqualifizierte Beschäftigte weniger und höherqualifizierte Beschäftigte mehr arbeiten würden. Des Weiteren sollen unterschiedliche Arbeitszeit- volumen mit einer erweiterten tariflichen Flexibilisierung verbunden werden, so dass die Beschäftigten im selben Unternehmen auch unterschiedliche tarifliche Arbeitszeiten haben können, die z.B. nach Qualifikation oder Alter bestimmt werden. Im Endeffekt soll der Tarifvertrag die Arbeitszeitregelungen vorstrukturieren, die dann über Tarif- optionen oder Öffnungsklauseln im Rahmen von Betriebsvereinbarungen für ganze 159 bzw. bestimmte Betriebsteile oder für einzelne Beschäftigtengruppen sowie auf Basis einzelvertraglicher Regelungen in detaillierte Regelungen umgesetzt werden sollen. So soll der Tarifvertrag einerseits eine Funktion als Vertrag über ökonomische und soziale Mindestbedingungen erhalten und andererseits Differenzierungs- und Flexibilisierungs- spielräume für die Unternehmen und ihre Beschäftigten beinhalten (ebenda; 96). Derartige Forderungen werden von der IG Metall und den anderen DGB-Gewerk- schaften nicht akzeptiert, da sie der Meinung sind, dass es in der Bundesrepublik Deutschland gar kein Standortproblem gibt, weil die Lohnstückkosten und Arbeits- beziehungen aufgrund der hohen Produktivität wettbewerbsfähig sind. Arbeits- platzvernichtung wird nicht in einen Zusammenhang zur Verlagerung von Produktion ins Ausland gestellt, sondern als Folge von Rationalisierungen und Profitstreben. Dabei legen die Gewerkschaften darauf Wert, dass betriebliche Arbeitszeitsysteme in den Diskussions- und Entscheidungszusammenhang der kollektiven Interessendurchsetzung eingebunden bleiben. Die Arbeitszeiten sollen weiterhin überschaubar bleiben, das heißt kontrollierbar und gestaltbar für die betriebliche Interessenvertretung, aber auch überschaubar und überprüfbar für den Einzelnen. Einen weiteren Schwerpunkt der gewerkschaftlichen Tarifpolitik bilden weiterhin Fragen der Arbeitszeitverkürzung und die Einführung von Arbeitszeitkonten. Einerseits wollen die Gewerkschaften weitere generelle Arbeitszeitverkürzungen durchsetzen und andererseits versuchen sie über die Frage der Einführung von Arbeitszeitkonten Lösungen zu finden. So hieß in einer IG- Metall Erklärung: „Die Schere zwischen Produktivitätsentwicklung und Wirtschafts- wachstum macht weitere Schritte der Arbeitszeitverkürzung notwendig, um die Arbeit gerechter zu verteilen und die Massenarbeitslosigkeit zu reduzieren. Durch die Regelung von Dauer und Lage der Arbeitszeit muss die Gesundheit der Beschäftigten vor vorzeitigem Verschleiß geschützt werden. Durch soziale Regulierung müssen beschäftigungsschädliche und familienfeindliche Auswüchse flexibler Arbeitszeiten verhindert und für die Beschäftigten ein hohes Maß an Autonomie in ihrer Arbeits- zeitgestaltung ermöglicht werden. Im Rahmen einer aktiven Verteilungspolitik ist eine kollektive Arbeitszeitverkürzung nur mit vollem Entgeltausgleich sinnvoll.“ (IG Metall 1999b; 11). Dass diese Forderung innerhalb der IG Metall nicht unumstritten ist, ist auch der Gewerkschaftsführung bekannt: „Trotz der positiven Ergebnisse gibt es auch Skepsis bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gegenüber weiterer Arbeitszeit- verkürzung. Die Gründe dafür müssen benannt und durch entsprechende tarifliche Forderungs- und Gestaltungskonzepte so weit wie möglich verringert werden. Ein erster Grund liegt wahrscheinlich in der Furcht vor Einkommensverlusten bei Arbeitszeitverkürzung. Dem muss dadurch begegnet werden, daß einerseits die weitere Arbeitszeitverkürzung mit vollem Lohnausgleich gefordert wird und daß andererseits 160 bis dahin den einkommenspolitischen Präferenzen der Arbeitnehmerinnen und Arbeit- nehmer Rechnung getragen wird. Ein zweiter Grund für die skeptische Haltung ist die Befürchtung vor weiterer Leistungsverdichtung und vermehrter Arbeitshetze. (...) Deshalb kommt es darauf an, leistungspolitische Bedenken positiv aufzugreifen, daraus denkbare Forderungen abzuleiten und in der Durchsetzungsphase stärker als bisher zu berücksichtigen, die Verknüpfung von Leistungs- und Arbeitszeitpolitik weiterzuentwickeln, beispielsweise für besonders belastete Beschäftigtengruppen durch eine Faktorisierung von ungüns- tigen Arbeitszeiten, und dadurch auch die Beschäftigungswirkungen einer Arbeitszeit- verkürzung zu erhöhen. Ein drittes Hemmnis ergibt sich aus den Erfahrungen mit der Arbeitszeitflexibilisierung, die parallel zur Arbeitszeitverkürzung neue Dimensionen erreicht hat. Dem muß dadurch begegnet werden, daß mit der Forderung nach Arbeitszeitverkürzung auch ein tariflicher Rahmen geschaffen wird, der betriebliche und individuelle Gestaltungs- möglichkeiten für die Verwendung, Verteilung und Gestaltung der Arbeitszeit eröffnet.“ (IG Metall 1999b; 12) Auch wenn die IG Metall mit diesen Überlegungen richtig lag, bestand das Problem darin, diese Gedanken in die Praxis umzusetzen. In diesem Sinne gewannen bei weiterer Verkürzung der Arbeitszeit Regelungen zur Verwendung, Verteilung und Gestaltung der Arbeitszeit zusätzlich an Bedeutung. Dazu schrieb IG Metall: „Dies ist auch ein wichtiges Gestaltungsfeld bei der Reform des Flächentarifvertrages. Wichtig ist hierbei vor allem, dass auf der einen Seite betriebliche und individuelle Gestaltungsmöglich- keiten eröffnet werden, und auf der anderen Seite durch tarifliche Rahmenregelungen und Konfliktlösungsmechanismen die Gefahr eines verstärkten individuellen und betrieblichen Konkurrenz- und Erpressungsdrucks verhindert wird. Bei den Verteilungs- und Gestaltungsnormen müssen insbesondere Höchstgrenzen für die tägliche und wöchentliche Arbeitszeit, für die Höchstzahl der Arbeitstage pro Woche sowie für Ausgleichzeiträume und für Zeiträume längerer Arbeitsunterbrechung festgelegt werden. Für eine ungleichmäßige Arbeitszeitverteilung müssen in jedem Fall folgende Eckpunkte festgelegt werden: die Regelarbeitszeit und die Schwankungsbreite, die Zahl und die Wochen für Regelarbeitstage, die Definition von Mehrarbeit, die Ent- scheidungsregeln bei Konfliktfällen. Zusätzliche Fragen sind für Arbeitszeitkonten, insbesondere für Langzeitkonten zu regeln. Dazu gehört: Vereinbarung von Höchst- grenzen, Insolvenzschutz, Verzinsung der Guthaben, Souveränität der Beschäftigten bei der Abgeltung von Zeitguthaben (...). Eine Möglichkeit der Verwendung von Arbeits- zeit, die ebenfalls beschäftigungspolitische Wirkungen hätte, ist die Verwirklichung 161 eines tarifvertraglichen Anspruchs auf Qualifizierungszeit. (...) Eine andere Möglichkeit zur Verwendung der Arbeitszeit sind Beteiligungszeiten z.B. im Zusammenhang mit Gruppenarbeiten und KVP. Auch Beteiligungszeiten erhöhen auf der einen Seite die Produktivität, sind aber andererseits beschäftigungswirksam, weil die direkte "Pro- duktionszeit" des einzelnen Beschäftigten verringert wird (vgl. IG Metall 1999b; 14). Der IG Metall-Führung war bewusst, dass innerhalb der Gewerkschaften weiterhin Befürchtungen bestanden, dass die Einführung von flexiblen Arbeitszeitmodellen sowie Arbeitszeitkonten zu einer stillschweigenden Verlängerung der Arbeitszeiten führen könnte. Auf der anderen Seite existierte zu diesem Punkt in einigen Unternehmenstarif- verträgen sowie in der Stahlindustrie bereits eine tarifpolitische Praxis der IG Metall. Dabei handelte es sich um die Ausgestaltung und Absicherung von Arbeitszeitkonten sowie um die Umwandlung von geleisteter Arbeitszeit in Versorgungskapital in Form von zusätzlichen Rentenbausteinen. Die IG Metall konzentrierte sich bei der ganzen Diskussion darauf, dass die Arbeitszeit für alle Beschäftigten planbar ist und jede geleistete Arbeitszeit ist in geeigneter Form zu erfassen und zu vergüten ist. In diesem Sinne hießen für die IG Metall bei der kollektivvertraglichen Arbeitszeitregulierung die zentralen Punkte wie folgt:  die Grauzone von Flexibilisierung und Verlängerung der Arbeitszeit bei der kollektivvertraglichen Arbeitszeitregulierung,  die Durchlöcherung der tarifvertraglichen Arbeitszeitbegrenzung durch einzel- vertragliche Arbeitszeitverlängerungen,  die Flexibilität der Arbeitszeiten nach oben, aber Starrheit nach unten. Bei der Beantwortung der Frage wie eine zukunftsorientierte tarifvertragliche Arbeits- zeitpolitik zu gestalten ist, versuchte die IG Metall die Veränderung der Arbeitswelt und des Arbeitnehmerbewusstseins mit den Forderungen der Unternehmen in Einklang zu bringen. Sie sah hierbei als vorrangigstes Ziel, die Anspruchs- und Gestaltungsrechte der einzelnen Beschäftigten in Tarifvertrag zu formulieren und durchzusetzen. Dabei galt, dass die Bestimmungs- und Gestaltungsrechte sowie Wahlmöglichkeiten des einzelnen Beschäftigten einen wesentlich höheren Stellenwert erhalten und dass die Aufsichts- und Überwachungsfunktion der Betriebsräte zum Schutz der Beschäftigten in entsprechenden Regelungen ausdrücklich verankert und verstärkt werden sollten. Die Forderung der Arbeitgeberverbände, dass eine Differenzierung der verschiedenen Arbeitnehmergruppen in tarifvertraglichen Regelungen einen legitimen Platz bekommen soll, wird aus einer solidarischen Arbeitszeit- und Einkommenspolitik her angegangen. So wird die tariflich geregelte Dauer sowie die Lage und Verteilung der Arbeitszeit in einem engeren Zusammenhang gesehen. In diesem Sinne war die IG 162 Metall auch bereit, die tariflich geregelte 35- oder 30-Stunden-Woche für weite Strecken des Arbeitslebens faktisch auf eine 40-Stunden-Woche zu verlängern, wenn dies mit Ansprüchen auf Sabbaticals, längeren Blöcken von Teilzeitarbeit ohne Ein- kommensminderung, früherem Ausscheiden aus dem Arbeitsleben bzw. vor dem Rentenbeginn verbunden werden könnte. Bei der Betrachtung der tarifpolitischen Aspekte kann also festgehalten werden, dass bei der Entwicklung seit 1984 eine Verbetrieblichung der Tarifpolitik vollzogen ist, bei der die Tarifparteien in Form von Öffnungsklauseln bestimmte Regelungsfunktionen direkt den Betriebsparteien übertragen haben. Diese Wandlung erhöhte die Bedeutung der betrieblichen Interessenvertretungen für die Gestaltung der Arbeitszeiten enorm und öffnete den Tarifvertrag für Anpassungen an die je spezifischen betrieblichen Ver- hältnisse, einerseits durch Differenzierung, indem für bestimmte Beschäftigtengruppen, Betriebe oder Teilbranchen unterschiedliche Tarifstandards etabliert wurden, und andererseits durch Flexibilisierung, bei der einheitliche tarifliche Regelungen und Konditionen für alle Beschäftigten und Unternehmen herabgesetzt werden. Dieser Wandlungsprozess erfolgte mit der Verkürzung und Flexibilisierung der Arbeitszeiten seit dem Tarifabkommen im Jahr 1984. Durch die Rezession in den Jahren 1992 und 1993 erreichten die Arbeitgeberverbände den vollständigen Einstieg in die Ver- betrieblichung der Tarifpolitik, die letztlich die wirtschaftliche Lage des einzelnen Unternehmens zum Maßstab machte und moderate Lohnsteigerungen sowie Ab- senkungen von Tarifstandards erzwang. Gleichzeitig definierten die Tarifparteien auf der überbetrieblichen Ebene bestimmte Konditionen, dadurch die betrieblichen Akteure von den tariflichen Standards abweichen konnten. Das Ziel dieser Regelungen sollte die betriebliche Nachsteuerung ermöglichen. Im Bereich der Arbeitszeitgestaltung bedeutete dies konkret eine ungleichmäßige Verteilung der Wochenarbeitszeit (z.B. durch Arbeitszeitkonten) über die befristete Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich bis zur dauerhaften Ver- längerung der Arbeitszeit (z.B. Überstunden, Gleitzeit usw.). Mittlerweile gehören solche tarifliche Öffnungsklauseln zum Normalfall. Eine repräsentative Befragung des WSI ergab für den Zeitraum 1999/2000, dass in jedem fünften Betrieb Öffnungs- klauseln genutzt werden. Bei der Nutzung von Öffnungsklauseln steht die Arbeitszeit- gestaltung im Vordergrund: In 48 % der Betriebe, die von Öffnungsklauseln Gebrauch machten, wurde die Möglichkeit der Arbeitszeitverlängerung, in 27% die der befristeten Arbeitszeitverkürzung genutzt. Bei den sonstigen Klauseln standen Regelungen über variable Arbeitszeiten (10%) im Vordergrund. Dabei spielte die Betriebsgröße eine entscheidende Rolle. In mittleren und kleineren Unternehmen dominierte die Arbeits- zeitverlängerung, während die Arbeitszeitverkürzung bei den großen Unternehmen 163 häufig genutzt wurde. (vgl. Bispinck 2001; 128). Zudem ist eine weitere Entwicklung auf der Seite der Unternehmen zu sehen: Viele Unternehmen, die mit derartigen Tarifverträgen nicht einverstanden sind, steigen aus den geltenden tarifvertraglichen Regelungen aus, sei es in Form eines offiziellen Austritts aus der Verbands- bzw. Tarifbindung, sei es durch betriebliche Vereinbarungen, die faktisch bestehende Tarifstandards unterlaufen. Auf der gewerkschaftlichen Seite konzentrierte sich die Entwicklung auf eine Reduzierung der tariflichen Arbeitszeit und Verbesserung der Lebensqualität der Beschäftigten. Vor diesem Hintergrund können die Ziele der IG Metall bei der tariflichen Arbeitszeitpolitik wie folgt beschrieben werden:  Die auseinanderklaffende Schere zwischen Produktivitätsentwicklung und Wirt- schaftswachstum durch weitere allgemeine Arbeitszeitverkürzung ausgleichen, um die verbleibende Arbeit gerecht zu verteilen.  Eine generelle Arbeitszeitverkürzung bei vollem Entgelt- und Personalausgleich. Dies gilt sowohl für die Wochenarbeitszeitverkürzung (30- oder 32-Stunden- Woche), als auch für Regelungen von verkürzter Jahresarbeitszeit (1400- Stunden-Jahr = Absenken der bisherigen Regelarbeitszeit um 10%) alternativ oder in Kombination.  Die Angleichung der Wochenarbeitszeit in den neuen Bundesländern an die 35- Stunden-Woche.  Die Verkürzung der Arbeitszeit für besonders belastete Beschäftigte (z. B. in Schicht- oder Wochenendarbeit) durch Verkürzung der wöchentlichen bzw. täglichen Regelarbeitszeit durch bezahlte Schichtpausen, Erholzeiten u. a.  Die tarifvertragliche Absicherung von Erfassungen der geleisteten Arbeitszeit.  Vergüten der geleisteten Arbeitszeit. Dem unbezahlten Verfall von Gleitzeit muss entgegengewirkt werden. Tarifliche Regelungen zu Arbeitszeitkonten, zum Zeitausgleich, zu Höchstgrenzen und Ausgleichszeiträumen sind dafür erforder- lich und anzustreben. Dabei wird darauf geachtet, dass Zeitkonten gegen Insol- venz gesichert werden und die Betriebsräte verbesserte Beteiligungsrechte und Mitbestimmungsmöglichkeiten über die Gestaltung von Zeitkonten und Personalausgleich erhalten.  Die tarifliche Fixierung von Mitsprache- und Mitbestimmungsrechten von Beschäftigten und Betriebsräten in Fragen der Leistungsabforderung, ins- besondere im Angestellten- und Zeitlohnbereich.  Die Fortsetzung der Politik zur Begrenzung von Regelarbeitszeit und Mehr- arbeit. Regelung für geleistete Mehrarbeit durch Freizeitausgleich. 164  Die Erhaltung und Sicherung des freien Wochenendes. Denn das von Regel- arbeitszeit freie Wochenende ist für die IG Metall weiterhin sozial, kulturell und gesamtgesellschaftlich von höchster Bedeutung. Eine weitere generelle Ver- kürzung der Arbeitszeit soll auf jedem Fall das von Regelarbeit freie Wochen- ende nicht gefährden (vgl. IG Metall 1999b; 26f). Abschließend kann festgehalten werden, dass die tariflichen Arbeitszeitregelungen in Deutschland unter massiven Druck geraten ist. Tatsache ist auch, dass überwiegende Mehrheit der Unternehmen die sog. tarifvertraglichen Öffnungsklauseln nutzen, die es ihnen gestatten, in bestimmten Situationen Betriebsvereinbarungen zu schließen, die von den Tarifnormen abweichen. Zudem nimmt unabhängig von derartigen legalen Formen die Unterschreitung tariflicher Standards auf betrieblicher Ebene zu, vor allem in Ostdeutschland, u.a. auch mit Zustimmung von Betriebsräten. Diese Tendenz führte auch dazu, dass die arbeitszeitpolitische Handlungsfähigkeit der IG Metall und ins- gesamt der Gewerkschaften abgenommen hat und gleichzeitig die Tarifverträge zu Gunsten der Unternehmen durchlöchert worden ist. Das oben ausführlich dargestellte Gesamtbild zeigt auch, dass die tarifpolitischen Diskussionen noch längere Zeit und Energie in Anspruch nehmen wird. Jedoch belegen die Ergebnisse dieser Studie, dass die Gewinner der bisher geführten Diskussionen eindeutig die Arbeitgeber waren, auch wenn die Gewerkschaften bemüht waren, die Interessen der Beschäftigten bei den Verhandlungen durchzusetzen. 3.6. Die beschäftigungspolitischen Aspekte Angesichts der anhaltenden Beschäftigungsprobleme stellt sich die Frage, ob durch flexible Arbeitszeitregelungen positive Beschäftigungseffekte zu erwarten sind. Tatsache ist, dass seit Jahren die Zahl der Erwerbstätigen ständig abgebaut wird und die Zahl der registrierten Arbeitslosen mittlerweile die 4-Millionen-Grenze überschritten hat. Die Lage und die Aussichten in der Metall- und Automobilindustrie sind ähnlich. Auch hier sind in den letzten Jahrzehnten mehr als 1 Millionen Arbeitsplätze weggefallen (siehe Abb. 13). Daraus ergeben sich enorme Kosten der Arbeitslosigkeit. Um diese negative Entwicklung in den Griff zu bekommen und die Massen- arbeitslosigkeit zu bekämpfen, werden seitens der Tarifparteien gemeinsame sowie getrennte Projekte ins Leben gerufen. Das von beiden Tarifparteien erklärtes beschäftigungspolitisches Ziel sei, die Vollbeschäftigung wiederzugewinnen und die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Bei der Erreichung dieses Ziels konzentrierten sich die 165 Tarifparteien in den letzten Jahrzehnten auf zwei Ebenen, die sich gegenseitig ergänzen sollen: 1. Das „Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit“ 2. Betriebliche Bündnisse zur Beschäftigungssicherung und Wettbewerbsfähigkeit Abb.13: Entwicklung der Beschäftigung in der Metall-, Elektro-, und Automobilindustrie zwischen 1993-1998 (in %) 3.6.1. Das Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit Die sich ständig verschärfende Beschäftigungskrise auf dem Arbeitsmarkt drängte Mitte der 1990er Jahre die Tarifparteien zum Handeln. So schlug der IG Metall Vorsitzende Klaus Zwickel im November 1995 das ,,Bündnis für Arbeit" vor, bei dem unter den ge- gebenen Rahmenbedingungen ein gesellschaftlicher Deal vereinbart werden sollte, der die Arbeitslosigkeit stoppen und neue Arbeitsplätze schaffen sollte. Zwickel schlug vor, dass sich die IG Metall 1997 mit Lohnabschlüssen in Höhe der Inflationsrate begnügen würde, wenn die Unternehmen im Jahr davor 100.000 Stellen schaffen würden. Im Quelle: IG Metall 1999; 17 166 Dezember 1995 weitete der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) den Zwickel- Vorschlag auf die gesamte Wirtschaft aus und bot ein ,,Bündnis für Arbeit“ auf allen Ebenen und in allen Branchen an. Im Januar 1996 verabredeten Bundesregierung, Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften ein ,,Bündnis für Arbeit und Standort- sicherung“. Das Ziel des Bündnisses war die Arbeitslosigkeit bis zum Jahr 2000 zu halbieren. Die damalige Bundesregierung versprach Steuern zu senken und die Sozial- beiträge unter 40 % zu drücken. Die Gewerkschaften sagten im Gegenzug Lohnzurück- haltung zu. Jedoch scheiterte das Bündnis bereits nach wenigen Verhandlungsrunden im April 1996. Die Gewerkschaften stiegen aus dem Bündnis aus und warfen der Regierung Wortbruch vor, weil diese trotz anderer Abmachungen die gesetzliche Lohnfortzahlung für Kranke auf 80 % kürzen wollten. Zudem kam, dass die Arbeitgeberverbände bereits im Jahr 1995 andeuteten, dass ein Beschäftigungspaket nur nach einer Revision der bereits ausgehandelten Lohnabschlüsse für 1996 erfolgreich sein könne. Sie forderten eine Einschränkung tariflicher Lohnzusatzkosten, wie z. B. der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall etc. Außerdem kündigten sie an, dass der Stellenabbau in der Metallindustrie im Jahr 1996 bei etwa 70.000 Arbeitsplätzen liegen werde. Zudem sei eine Beschäftigungszusage, wie sie wiederholt von den Gewerkschaften eingeklagt werde, nicht möglich sei. Kurze Zeit später verschärften die Arbeitgeber ihren Konfrontationskurs mit der Forderung nach einem „Drei-Säulen-Lohn“-Modell, das die Lohnentwicklung auf der Basis spürbar reduzierter Tariflöhne strikt an die einzel- betriebliche Gewinnentwicklung sowie an die - vom Arbeitgeber zu bestimmende – individuelle Arbeitsleistung zu binden versuchte. Darüber hinaus forderten Gesamt- metall und die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände eine Senkung der Arbeitskosten um 20 % als Vorbedingung für Bündnisgespräche. Nach den ersten Spitzengesprächen konnte kein Verhandlungsergebnis z. B. über den Abbau von Überstunden, Freizeitausgleich und dadurch Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze erreicht werden. Somit scheiterte der erste Versuch des "Bündnisses für Arbeit" im Jahr 1996 an der Blockadehaltung der Bundesregierung und der Arbeitgeber. Unüber- brückbare Interessenunterschiede konnten wieder einmal nicht ausgeglichen werden. Nachdem es am 27. September 1998 nach der Bundestagswahl zu einem Regierungs- wechsel kam und nach 16 Jahren die alte Regierung aus CDU/CSU und FDP von einer rot-grünen Koalition abgelöst wurde, verpflichteten sich die beiden Koalitionsparteien SPD und Bündnis 90/Die Grünen, zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ein ,,Bündnis für Arbeit und Ausbildung" zu organisieren, in dem alle gesellschaftliche Kräfte noch einmal mobilisiert werden sollten. Die neue Bundesregierung wollte gemeinsam mit Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden konkrete Maßnahmen vereinbaren, um die 167 Arbeitslosigkeit abzubauen und allen Jugendlichen einen Ausbildungsplatz zu sichern. Alle Beteiligten sollten ihren Beitrag dazu leisten: Die Gewerkschaften und Arbeitgeber sollten für eine beschäftigungsorientierte Tarifpolitik und für eine Neuorganisation der Arbeit (unter Berücksichtigung des Flexibilisierungsbedarfes der Unternehmen und dem Wunsch der Beschäftigten nach mehr Zeitsouveränität) gewonnen werden. Die neue Bundesregierung sollte für zukunftsfähige Arbeitsplätze und nachhaltiges Wachstum die Rahmenbedingungen schaffen. Dies beinhaltete eine umfassende Steuerreform, die Senkung der gesetzlichen Lohnnebenkosten, die Modernisierung der öffentlichen Verwaltung und eine Innovationsoffensive in Bildung, Forschung und Wissenschaft. Auf Einladung des Bundeskanzlers Gerhard Schröder trafen sich am 7. Dezember 1998 in Bonn die Tarifparteien und die Bundesregierung zu einem ersten Spitzengespräch über das ,,Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit". Im Unterschied zum ersten Versuch des ,,Bündnisses für Arbeit" wurde der Rahmen um die Bereiche Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit erweitert. Diese inhaltliche Erweiterung sollte zeigen, dass es den Beteiligten auch um die Ver- besserung der Ausbildungssituation der Jugendlichen und um den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft, insbesondere des Mittelstandes, geht. Die Beteiligten verständigten sich im ersten Gespräch, auf einen Abbau der Arbeitslosigkeit hinzuarbeiten und die Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig zu stärken. Die am ,,Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit“ beteiligten Parteien wollten vor allem folgende Ziele anstreben:  Eine dauerhafte Senkung der gesetzlichen Lohnnebenkosten und eine strukturelle Reform der Sozialversicherung  Eine beschäftigungsfördernde Arbeitsverteilung und flexible Arbeitszeiten, wodurch Überstunden abgebaut werden können (Arbeitszeitkonten) - Ausbau und Förderung der Teilzeitarbeit.  Ein Inkraftsetzen der Unternehmenssteuerreform insbesondere zur Entlastung der mittelständischen Wirtschaft zum 1. Januar 2000.  Weitere Verbesserung der Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der Unter- nehmen.  Flexibilisierte und verbesserte Möglichkeiten für das vorzeitige Ausscheiden im Rahmen der bestehenden gesetzlichen Altersgrenzen durch gesetzliche, tarif- vertragliche und betriebliche Regelungen.  Eine Tarifpolitik die den Beschäftigungsaufbau unterstützt. 168  Eine Verbesserung des Zugangs von kleinen und mittleren Unternehmen zu Chancenkapital.  Einen Ausbau der Möglichkeiten für Vermögensbildung und Gewinnbeteiligung der Beschäftigten.  Einen weiteren Abbau struktureller Hemmnisse für Gründung und Wachstum von Unternehmen.  Die Erschließung neuer Beschäftigungsfelder und Ausbildungsmöglichkeiten für gering qualifizierte Beschäftigte unter Erprobung und Einsatz neuer Instrumente.  Einen Ausbau des arbeitsmarktpolitischen Instrumentariums zur Bekämpfung von Jugend- und Langzeitarbeitslosigkeit. Die Instrumente der aktiven Arbeits- marktpolitik müssen stärker innovationsfördernd eingesetzt werden. (vgl. Benchmarking-Gruppe des Bündnisses für Arbeit, Ausbildung und Wettbe- werbsfähigkeit 2000) In einer gemeinsamen Erklärung von BDA und DGB zum Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit am 6. Juli 1999 hieß es: „Die anhaltende Arbeitslosigkeit in Deutschland und Europa, die Herausforderungen der demo- graphischen Entwicklung insbesondere für die sozialen Sicherungssysteme, Finanzier- ungsprobleme der öffentlichen Haushalte, der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und die Notwendigkeit, den Zusammenhalt unserer Gesellschaft zu wahren, fordern gemeinsame Anstrengungen, Verständigung und Kooperation. Es ist unser gemein- sames Ziel, die Arbeitslosigkeit deutlich und nachhaltig zu verringern, die Wettb- ewerbs- und Innovationsfähigkeit der Unternehmen zu stärken, neue Beschäftigungs- felder zu erschließen, den Sozialstaat zu modernisieren und seine Effizienz zu ver- bessern.“ (Gemeinsame Presseerklärung von BDA und DGB am 6. Juli 1999. unter www.gesamtmetall.de). Demzufolge wollten die Tarifparteien ein ganzes Bündel kurz- und mittelfristiger Maßnahmen in Angriff nehmen. Dabei wurde unterstrichen, dass schnell wirksame Patentrezepte für den Beschäftigungsaufbau nicht existieren. Da die Arbeitslosigkeit viele Gründe habe, würde eine nachhaltige Beschäftigungspolitik nicht von heute auf morgen wirken. Darum sollte auf allen Ebenen des sozialen und wirtschaftlichen Lebens eine auf mehrere Jahre angelegte Politik zur Stärkung von Wettbewerbs- fähigkeit und Beschäftigung entwickelt und praktiziert werden. Als Ziel setzten die Tarifparteien, das Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig zum Erfolg zu führen und die Arbeitslosigkeit deutlich und nachhaltig zu verringern und möglichst allen Arbeitssuchenden eine Beschäftigungschance in Voll- oder Teilzeit zu eröffnen. Dazu sei in den zentralen Feldern - der Haushalts-, Finanz-, Sozial- und 169 Tarifpolitik - jeweils eine gemeinsame, auf Beschäftigungsaufbau ausgerichtete Orientierung erforderlich. Bezüglich der Arbeitszeitpolitik wollten BDA und DGB für eine differenzierte und flexibilisierte Arbeitszeitpolitik und den beschäftigungs- wirksamen Abbau von Überstunden eintreten. Bei der Arbeitszeit standen die tariflichen Vereinbarungen von Arbeitszeitkorridoren, Jahresarbeitszeiten, die Schaffung von Jahres-, Langzeit- und Lebensarbeitszeitkonten sowie eine bessere Verknüpfung von Arbeit und betrieblicher Fort- und Weiterbildung im Mittelpunkt. Die Tarifvertrags- parteien sollten entsprechende Vereinbarungen anstreben und sich für die Schaffung von mehr Teilzeitarbeitsplätzen einsetzen. Des Weiteren sollten weitere Arbeits- zeitmodelle geprüft werden, die zusätzliche Anreize für Teilzeitarbeit schaffen. Auf der Grundlage von Tarifverträgen sollte die Arbeit sich auf betriebliche Regelungen konzentrieren und weitere Möglichkeiten zu betrieblichen Lösungen verstärkt ange- wendet werden. Dazu gehörte, dass die Langzeitarbeitskonten mehr genutzt werden. An die Bundesregierung wurde zudem appelliert, dass das Altersteilzeitgesetz, das im Rahmen des Bündnisses für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit erarbeitet wurde, bis Ende des Jahres in Kraft tritt. Im Positionspapier der Gesamtmetall zum Bündnis für Arbeit erklärten die Arbeitgeber, dass die Unternehmen der deutschen Metall- und Elektroindustrie mehr Arbeitsplätze in Deutschland wollen und sich für einen nachhaltigen Abbau der Arbeitslosigkeit einsetzen. Daher waren sie auch bereit eine Politik zur Stärkung von Wettbewerbs- fähigkeit zu unterstützen, die Arbeitsplätze schafft und sichert. Die Gesamtmetall appellierte an die Gewerkschaften, sich bei den bevorstehenden Verhandlungen von dem Prinzip leiten zu lassen, an das sich auch die Unternehmen halten wollten: Es müsse alles getan werden, was Arbeitsplätze schafft oder sichert, und alles unterlassen werden, was zu neuen Beschäftigungsrisiken führen könnte. An die erste Stelle setzte Gesamtmetall die Forderung nach einer differenzierten und flexiblen Arbeitszeitpolitik. Für die Arbeitgeber heißt das, das Arbeitszeitsystem aus Arbeitszeitkorridoren und Arbeitszeitkonten mit unterschiedlich langen Laufzeiten bis hin zur Lebensarbeitszeit weiter ausbauen. Zwar enthielten die Tarifverträge bei der Arbeitszeitgestaltung Spielräume für die Unternehmen, aber diese Regelungen betrafen in erster Linie die Verteilung der Arbeitszeit. In Bündnisgesprächen sollte darüber hinaus diskutiert werden, wie bei der Arbeitszeitdauer eine größere Bandbreite zugelassen werden könne, die die Vielfalt der praktizierten betrieblichen Lösungen erweitern würde. Gesamtmetall wollte die starre Regelung durch einen tariflichen Arbeitszeitkorridor von 30 bis 40 Wochenstunden ersetzen. Dann könnten die Unternehmen innerhalb dieses Korridors im Einvernehmen mit den Beschäftigten und dem Betriebsrat über die Dauer der Arbeitszeit im Einzelnen entscheiden. Zudem wurde eine generelle Arbeitszeit- 170 verkürzung in jeder Form abgelehnt, die bestehende Arbeitsplätze vernichten und die Schaffung neuer Arbeitsplätze verhindern werde. Die Gesamtmetall erklärte sich für beschäftigungswirksamen Abbau von Überstunden. Das würde heißen: Gutschriften auf Zeitkonten bis hin zu Lebensarbeitszeitkonten, um eine schnelle Neubesetzung von Arbeitsplätzen zu ermöglichen. Einer generellen Einschränkung von Überstunden werde die Gesamtmetall dagegen nicht zustimmen, weil sie dringend notwendige Flexibilität verhindere, die Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtige und Arbeitsplätze gefährde. Auch die Gewerkschaften gaben bekannt, dass sie die Arbeitslosigkeit bekämpfen wollen. Zudem wollten sie Lohnsenkungen, Sozialabbau und Abschaffung des Flächen- tarifvertrages stoppen, die seit Anfang der 80er Jahre immer wieder propagiert werden und mit denen ebenso lange eine Verbesserung der Arbeitsmarktlage beschworen wird. Das primäre Ziel dieser Politik sei dabei immer eine Umverteilung zu Lasten der Beschäftigten. Aus diesem Grund sahen der DGB und die Einzelgewerkschaften die Notwendigkeit einer grundlegenden Wende der Wirtschaftspolitik als unverzichtbare Bedingung an, um die Probleme auf dem Arbeitsmarkt zu lösen. Die Setzung anderer wirtschaftspolitischer Rahmenbedingungen und die gemeinsamen Anstrengungen von Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften im Rahmen des Bündnisses für Arbeit sollten dafür eine gute Grundlage bieten. Bei einer konsequenten Politik könne, so der DGB, die Zahl der registrierten Arbeitslosen in den kommenden Jahren unter die 3 Millionen- Marke gedrückt werden (vgl. DGB 1999). Der DGB vertrat dabei die Position, dass die Arbeitsumverteilung ein unverzichtbares Element der Beschäftigungspolitik sei. Die im Rahmen des Bündnisses für Arbeit getroffenen Vereinbarungen über eine differenzierte und flexible Arbeitszeitpolitik sowie eine beschäftigungsorientierte Verteilung der Arbeit müsse zügig umgesetzt werden. Das gelte auch für den Abbau von Überstunden, für eine quantitative und qualitative Verbesserung des Angebotes an Teilzeit- arbeitsplätzen, für verbesserte Rahmenbedingungen für Altersteilzeit und für ein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben. Bei den oben genannten Punkten existiert zwischen den Vorstellungen der Tarif- parteien ein Konsens. Der einzige Unterschied tritt bei der Frage über die Arbeitszeit- verkürzung auf. Gegenüber den Arbeitgeberverbände vertreten die Gewerkschaften die Ansicht, dass eine weitere effektive Verkürzung der Wochen- und/oder Jahresarbeitszeit nötig sei, damit die vorhandene Arbeit gerechter verteilt werden könne. Zudem sollten alle Formen von Arbeitszeitverkürzungen eine intelligente Arbeitszeitgestaltung nicht ausschließen. In der Verzahnung von Arbeitszeitpolitik und aktiver Arbeitsmarktspolitik sieht der DGB eine besonders vielversprechende Perspektive der Beschäftigungs- förderung. Verbesserte Übergänge von der Erwerbslosigkeit in die Beschäftigung sowie Arbeitszeitoptionen in Verbindung mit Weiterbildung, Familienzeiten und Sabbaticals 171 sollten dazu beitragen, Arbeitslosigkeit abzubauen, die Beschäftigungsfähigkeit zu erhöhen und gleichzeitig die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Freizeit zu verbessern. Insgesamt müssten in der Arbeitszeitpolitik immer mehr flexible Spiel- räume geschaffen werden, auch durch Jahresarbeitszeiten und Arbeitszeitkonten. Schon nach dem ersten Gespräch und auch im Vorfeld geäußerten Forderungen war zu sehen, dass auf Grund der vorhandenen Interessengegensätze die Gefahr bestand, dass die Gespräche wie beim ersten Mal ohne Erfolg enden könnten. Auch die Ergebnisse der ersten Gesprächsrunden blieben sehr vage und oberflächlich. Wie vage die einzelnen Umsetzungsschritte formuliert waren, ließ sich an der Formulierung „die ... beteiligten Seiten streben vor allem an“ erkennen. Die Verben „fordern“ oder „unterstützen“ hätten den Umsetzungswillen der Beteiligten verstärkt. So aber entstand gleich zu Beginn der Gespräche der Eindruck, dass die Parteien nicht den Willen hatten, gemeinsame Lösungen zu finden. Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Verhandlungen, die im Rahmen von Bündnisgesprächen stattfanden, erfolglos blieben. Sowohl die Forderungen und Begründungen der IG Metall als auch die Gegenargumente der Arbeitgeberseite ent- sprachen dem Diskussionsverlauf im ersten „Bündnis für Arbeit“. Die Tarifparteien warfen sich gegenseitig eine Blockadepolitik vor. Diese Vorwürfe wiederum verfestigten den Eindruck, dass es den Tarifparteien weniger um Gemeinsamkeit als darum ging, im Bündnis möglichst weitgehend die eigenen Interessen durchzuboxen. Im Jahr 2001, als die Gewerkschaften eine Bilanz der Bündnisgespräche zogen, waren die folgenden Fragen ausschlaggebend für den Erfolg:  Ist es gelungen, wie vereinbart, die Zahl der Überstunden deutlich zu reduzieren?  Konnten, wie beabsichtigt deutlich mehr Teilzeitarbeitsplätze geschaffen werden?  Gibt es, wie versprochen, mehr Arbeitsplätze? Alleine bei der Beantwortung dieser Fragen ist zu sehen, dass die Situation aus Gewerk- schaftssicht wenig erfreulich ist. Beim Abbau von Überstunden hat sich gezeigt, (genauso wie beim Aufbau von Teilzeitstellen), dass sich wenig bewegt. Zwar nehmen die Beteiligten nach wie vor die Termine für die Bündnisgespräche wahr, geändert hat sich aber seitdem weder auf dem Arbeitsmarkt noch in den Unternehmen, jedenfalls nicht für die Arbeitsuchenden und Beschäftigten. 1999 waren im Jahresdurchschnitt 4,098 Millionen Menschen arbeitslos. Davon 2,159 Millionen Männer und 1,939 Millionen Frauen. Ende Dezember 1998 waren 1,44 Millionen Menschen länger als ein 172 Jahr arbeitslos. Der Anteil der Vollzeitbeschäftigten, die ihre Arbeitszeit um 1/3 oder um die Hälfte verkürzen wollen ist in den vergangenen Jahren angestiegen und insgesamt rund 250 000 Menschen suchen eine Teilzeitstelle. Neueren Schätzungen zufolge lag die Gesamtzahl der bezahlten Überstunden im vergangenen Jahr bei rund 1,8 Milliarden. Rein rechnerisch entspricht das rund 1.250.000 Arbeitsplätzen. Bei einer Realisierungsquote von nur 40 % könnten, laut DGB, rund 500.000 neue Arbeitsplätze entstehen (vgl. DGB 2000, 4). Demzufolge erklärte am 10. Februar 2003 der Verdi- Chef Frank Bsirske in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung, dass „Das Bündnis für Arbeit“ keine Zukunft mehr haben wird. Bsirske erhob schwere Vorwürfe gegen die Arbeitgeber und erklärte zudem, dass das Vertrauen vieler Gewerkschafter in die Bundesregierung „tief gestört“ sei. Dies würde das Ende des Bündnisses bedeuten (Süddeutsche Zeitung, 10.2.2003). 3.6.2. Betriebliche Bündnisse zur Beschäftigungssicherung und Wettbewerbsfähigkeit Die seit Jahren in zahlreichen Betrieben vereinbarten Bündnisse zur Beschäftigungs- sicherung und Wettbewerbsstärkung schlagen beschäftigungspolitisch neue Wege ein. Beschäftigungssicherung, Standorterhaltung und Wettbewerbsstärkung werden explizite Verhandlungsgegenstände kollektivvertraglicher Vereinbarungen. Von der Praxis bisheriger Kollektivverträge unterscheiden sich die betrieblichen Beschäftigungs- bündnisse vor allem dadurch, dass sie nicht nur Lohn und Arbeitszeit spezifizieren, sondern auch im Rahmen von Beschäftigungsgarantien das Beschäftigungsniveau fest- legen. Vor allem Betrieben in prekärer Wirtschafts- und Beschäftigungssituation sollen sie Alternativen zu dem traditionellen Reaktionsmuster bieten, das darauf hinausläuft, den bei rückläufiger Nachfrage und sinkender Kapazitätsauslastung entstehenden Personalüberhang vorrangig durch Personalabbau anzupassen (vgl. Seifert 2000; 437). Bei den betrieblichen Bündnissen handelt es sich in aller Regel um beidseitige Abkommen. Sowohl die Arbeitgeber als auch die betrieblichen Interessenvertretungen verpflichten sich zu bestimmten Leistungen bzw. räumen Zugeständnisse gegenüber den tariflichen Standards ein. Die vereinbarten Inhalte, die der Beschäftigungssicherung und der Wettbewerbsstärkung dienen sollen, lassen sich grob nach drei Kategorien gruppieren: Vereinbarungen (1) zur Arbeitszeit, (2) zum Einkommen und (3) zu arbeits- organisatorischen Anpassungen. 173 Durch derartige Bündnisse auf der betrieblichen Ebene sollen die Tarifverträge und Betriebvereinbarungen die Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit positiv beein- flussen. Vor diesem Hintergrund vereinbaren die Tarifparteien Öffnungsklauseln oder Härtefallregelungen, die den betrieblichen Akteuren in unterschiedlichen Varianten neue Spielräume erlauben, damit sie bei der Regelung von Arbeitszeiten von den normierten Standards der Branchen- bzw. Flächentarifverträge abweichen und betriebs- spezifische Regelungen vereinbaren können. Hauptsächlich handelt es sich bei den betrieblichen Bündnissen um ein beidseitiges Abkommen. Sowohl die Arbeitgeber als auch die betrieblichen Interessenvertretungen verpflichten sich zu bestimmten Leistungen bzw. räumen Zugeständnisse gegenüber den tariflichen Standards ein. Die vereinbarten Inhalte lassen sich grob nach drei Kategorien gruppieren: Vereinbarungen zur Arbeitszeit, zum Einkommen und zu arbeitsorganisatorischen Anpassungen. Als Gegenleistung bietet die Arbeitgeberseite an, Zugeständnisse beim Einkommen, der Arbeitszeit oder der Arbeitsorganisation zu machen. Dabei handelt es sich um Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen oder die Zusage, das gegebene Beschäftigungsniveau zu halten. Überwiegend beziehen sich die zahl- reichen betrieblichen Bündnisse auf arbeitszeitliche Regelungen und definieren den Spielraum, den betriebliche Vereinbarungen für Abweichungen von den tariflichen Standards nutzen können. Die Unternehmensleitung und der Betriebsrat erhalten Optionen, die die Dauer der tariflichen Arbeitszeit befristet unter- und auch zu überschreiten. Außerdem sollen die Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen die Möglichkeit bieten, Arbeitszeitkonten einzurichten, um mit deren Hilfe die vereinbarte Regelarbeitszeit variabel verteilen zu können. Vorrangig soll es hierbei um Freizeit- ausgleich für Überstunden, Abbau von Mehrarbeit, Einführung von Altersteilzeit, Einführung von Teilzeitstellen handeln. So sollen bedrohte Arbeitsverhältnisse gesichert und auch neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Diese Ziele sollen einerseits durch betriebliche Umverteilung der Arbeit und durch Kostenreduzierung erreicht werden. Diese soll durch Wegfall von Zuschlägen für Mehrarbeit und Wochenendarbeit sowie durch Verlängerungen der Arbeitszeit erzielt werden, damit die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens verbessert, Produktion sowie Marktanteile gesteigert und anschließend die Beschäftigung gesichert werden kann (vgl. Seifert 2000; 438). Das bekannteste Bespiel für einen solchen Tarifvertrag stellte der „Tarifvertrag zur Beschäftigungsförderung in der niedersächsischen Metall- und Elektroindustrie (TVBFörd)“ dar. Als zur Jahresmitte 1998 die wenigen „Bündnisgespräche auf Bundes- ebene arbeitsmarktpolitisch keine konkreten Erfolge vorzuweisen hatten und ein konjunktureller Aufschwung nicht in Sicht war, begannen die IG Metall-Bezirksleitung Hannover und der Verband der Metallindustriellen Niedersachsens (VMN) Gespräche 174 über die Möglichkeiten eines Abbaus der Arbeitslosigkeit in der Region zu führen. Das Motto lautete: Wenn aktuell keine Aussicht auf eine Zunahme des Arbeitsvolumens besteht, muss die vorhandene Arbeit auf mehr Köpfe verteilt werden, damit Erwerbslose (wieder) eine Beschäftigung erhalten können. Mit dem im November 1998 abgeschlossenen „Tarifvertrag zur Beschäftigungsförderung in der niedersächsischen Metall- und Elektroindustrie“ (TVBFörd) schufen die Tarifparteien die Voraus- setzungen dafür, dass dieses Prinzip auf betrieblicher Ebene angewendet werden konnte. Kernelement des Modells, das die IG Metall als tarifgeschichtlich sehr bedeutend einstufte (vgl. IG Metall Bezirk Hannover 1999), war die Möglichkeit für Beschäftigte eines Betriebes, freiwillig ihre Arbeitszeit zu verkürzen. Im Gegenzug muss der Arbeitgeber im Umfang des dadurch freigewordenen Arbeitszeitvolumens Arbeitslose einstellen. Der Tarifvertrag, der die Regelungen der geltenden Flächen- tarifverträge unberührt ließ, trat am 1. Januar 1999 mit zunächst einjähriger Laufzeit in Kraft. Er sah im Einzelnen folgende Bestimmungen vor:  Der Abschluss einer freiwilligen Betriebsvereinbarung zwischen Geschäfts- leitung und Betriebsrat ermöglicht eine differentielle Absenkung der tariflichen Wochenarbeitszeit für einen Zeitraum von 6 bis maximal 24 Monaten. Abgesenkt werden kann die Arbeitszeit im gesamten Betrieb, in einzelnen Abteilungen, einzelnen Gruppen oder auch für einzelne Beschäftigte nach deren Wünschen um bis zu 50% der regulären Wochenarbeitszeit von 35 Stunden. Die Absenkungen erfolgen ohne Lohnausgleich.  Die entstehenden Netto-Einkommensverluste werden durch Zahlungen aus einem Prämienfonds, der von den Tarifvertragsparteien gemeinsam finanziert wurde, einkommensabhängig um bis zu 90% ausgeglichen. Der Prämienfonds wird vom eigens zu diesem Zweck gegründeten „Verein für Beschäftigungs- förderung e.V.“ (VBf) verwaltet.  Voraussetzung für die Zahlung der Ausgleichsprämie an die Beschäftigten ist, dass das durch den Teilverzicht auf Arbeitszeit freiwerdende Arbeitsvolumen durch die (befristete) Schaffung neuer Arbeitsplätze für Arbeitslose vollständig ausgeglichen wird.  Mit dem Ende der Betriebsvereinbarung arbeiten die an der Absenkung beteiligten Beschäftigten wieder Vollzeit. Für die befristet Eingestellten endet das Arbeitsverhältnis. Der Tarifvertrag gilt für alle Betriebe der niedersäch- sischen Metall- und Elektroindustrie mit rund 75.000 Beschäftigten. Allerdings 175 können weder Betriebsleitung noch Betriebsrat einen Abschluss gegen den Willen der anderen Seite erzwingen (vgl. Mehlis /Reinecke/Voss 2002; 14). Die Bezirksleitung der IG Metall Hannover, die schon beim Zustandekommen der 28,8- Stundenwoche bei VW und beim „Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung“ eine Schlüsselrolle gespielt hatte, übernahm beim Abschluss des TVBFörd erneut eine Vorreiterrolle in Sachen beschäftigungsorientierter Arbeitszeitpolitik. Zudem hatte die neue Vereinbarung gegenüber den vorangegangenen Vereinbarungen etwas Neues in sich: Während die vorangegangenen Vereinbarungen auf die Sicherung bestehender, gefährdeter Arbeitsplätze abzielten, ging es bei der neuen Vereinbarung um konkrete Schaffung neuer Arbeitsplätze durch Umverteilung der vorhandenen Arbeit. Die IG Metall Niedersachsen war der Meinung, dass der TVBFörd somit ein weiteres zukunftsfähiges tarifpolitisches Instrument sei, das bereits bestehende Instrumente ergänzt und die Forderungen nach weiterer genereller Arbeitszeitverkürzungen und nach Regelungen zur Begrenzung von Mehrarbeit zugunsten von Neueinstellungen flankiert (vgl. IG Metall Bezirk Hannover 1999). Durch die betrieblichen Bündnisse erhoffte sich die IG Metall, dass ein erfolgreicher Verlauf des Experiments auch Perspektiven für eine überregionale und branchen- übergreifende Ausweitung beschäftigungsfördernder Arbeitszeitverkürzungen eröffnen und damit die Debatte um Arbeitszeitverkürzungen wieder stärker in das Blickfeld der tarifpolitischen und gesellschaftlichen Diskussion rücken könnte. Der Tarifvertrag sollte wichtige Forderungen gewerkschaftlicher Arbeitszeitpolitik wie die Verkürzung der Arbeitszeit für mehr Beschäftigung, Teillohnausgleich für die Beschäftigten, die ihre Arbeitszeit reduzieren, und die Möglichkeit, Wünsche nach befristeter Teilzeitarbeit zu finanziell äußerst attraktiven Bedingungen realisieren zu können, erfüllen. Neben der IG Metall war auch der Verband der Metallindustriellen Niedersachsens bereit, in diesem Bereich einen neuen Weg zu gehen um die Arbeitslosigkeit zu verringern.. Für die Unternehmen war die Vereinbarung deswegen interessant, weil die Einführung von Teilzeitarbeit, die vollständige Kompensierung der verkürzten Arbeitszeiten durch Neu- einstellungen kostenneutral war und mit einer betrieblichen Anwendung die Möglich- keiten einer Flexibilisierung der Arbeitszeiten ausgeweitet werden könnten. Zudem hätten die Arbeitgeber die Teilzeitbeschäftigung nur dort einsetzen können, wo dies betriebswirtschaftlich möglich und sinnvoll war. Faktisch wurde das betriebliche Bündnis mit dem Auslaufen der letzten Betriebsverein- barungen im Januar 2002 beendet. Die Bilanz sah für die IG Metall nicht erfreulich aus. Durch Umverteilung der vorhandenen Arbeit wurde zwar auf betrieblicher Ebene neue Arbeitsplätze geschaffen, jedoch nur 18 von insgesamt 175 potenziellen Unternehmen 176 mit rund 75.000 Beschäftigten haben von der Maßnahmen gebrauch gemacht. Auch seitens der Beschäftigten waren nur 779 Beschäftigte bereit, ihre wöchentliche Arbeitszeit freiwillig befristet zu reduzieren. Dafür erhielten 184 Arbeitslose einen auf maximal drei Jahre befristeten Teilzeit-Arbeitsvertrag. Dabei spielte die Haltung der Unternehmensleitungen eine sehr wichtige Rolle. Denn die Unternehmensleistungen zeigten kein großes Interesse an einer breiten betrieblichen Anwendung dieser Maßnahme. Die Maßnahme wurde nur dort eingesetzt, wo das Unternehmen nur einseitig profitieren konnte. Denn die Unternehmen sind an derartigen Bündnisse nur dann interessiert, wenn sich ein solches Bündnis als flexibles Instrument für aktuelle und spezifische betriebliche Erfordernisse nutzen lässt und seine Anwendung nicht nur kostensparend ist, sondern auch konkrete wirtschaftliche Vorteile bringt. Diese Vorteile bot die Vereinbarung sehr wenig. Vor allem, da die Untermnehmen auch in die eigene Tasche greifen mussten. Wann derartige Bündnisse für Unternehmen interessant werden, kann anhand einer Nachricht in der Süddeutschen Zeitung gezeigt werden: Diese vermeldete am 21. September 1999, dass nach Mitteilungen des Betriebsrates von Daimler-Chrysler im Konzern allein 1999 mehr als 1,1 Millionen Überstunden geleistet worden waren, die weder durch Geld noch durch Freizeit abgegolten wurden. Sie waren, laut Betriebsrat schlicht verfallen. Der Betriebsrat wollte mit Hilfe der IG Metall dagegen klagen. (Die Süddeutsche Zeitung vom 21. 09.1999). Zudem gab die IG Metall bekannt, dass im selben Jahr bundesweit 2,4 Milliarden unbezahlte Überstunden geleistet worden sind. Das bedeutet, dass durch betriebliche Bündnisse so genannte betriebliche Notwendig- keiten vereinbart wurden, die sich auf das Verhältnis zwischen Normalarbeitszeit und Mehrarbeitszeit auf das ganze Jahr bzw. auf mehrere Jahre beziehen. Die Gewerk- schaften räumen den Unternehmen die Freiheit ein, nach eigenem Ermessen und mit einem großen Spielraum über Jahre hinaus über die Arbeitskraft ihrer Mitarbeiter zu verfügen. Darüber hinaus können die Unternehmen ständig mehr Überstunden verordnen und damit Arbeitskräfte einzusparen und weil dann wieder Arbeitskräfte fehlen, müssen mehr Überstunden abgeleistet werden. Die Gewerkschaften haben mehrmals vorgerechnet, wie viele Arbeitsplätze hätten entstehen können, wenn all die abgeleisteten Überstunden von zusätzlich eingestellten Arbeitskräften erledigt worden wären. Die Zahl pendelt zwischen 900.000 und 1 Million Beschäftigten (ebenda). 177 3.7. Die soziokulturellen Aspekte Wie die Ausführungen im Abschnitt 1.5.4. deutlich belegen, führt die Ausdifferen- zierung individueller Zeitmuster, hauptsächlich von Arbeitszeiten, zu sozialer Desyn- chronisation und damit zu sozialen Problemen. Die Koordination von Zeiten wird aufgrund der zentrifugalen Kräfte der Flexibilisierung und Individualisierung von Arbeitszeiten immer schwieriger. Daher muss die Umsetzung von Arbeitszeitverein- barungen auf betrieblicher Ebene sich an den jeweiligen gesellschaftlichen Voraus- setzungen und Strukturen orientieren und gleichzeitig die vielfältigen soziokulturellen Aspekte mitberücksichtigen. Die Veränderungen und die neuen Zeitstrukturen im Arbeitsleben bestimmen das soziale Leben innerhalb der Gesellschaft, die Wünsche der Beschäftigten, das Miteinan- derleben, das Familienleben und die Freizeitgestaltung. Denn seit der Industrialisierung übernimmt gerade die Erwerbsarbeit für gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Integra- tion eine Schlüsselrolle. Die Erwerbsarbeit ist die Grundlage des gesellschaftlichen Lebens. Die industrielle Gesellschaft hat spezifische Zeitstrukturen und Synchroni- sationsmethoden. Die Mitglieder dieser Gesellschaft setzen sich und anderen Mit- gliedern Termine und Fristen. Diese Elemente regeln die Zeitordnung einer Gesell- schaft, mit denen sich wiederum Normen und Sanktionen verbinden. Die Zeitstrukturen moderner Gesellschaften sind durch Aspekte wie Arbeitszeitgesetzgebung, Festlegung der Schul- und Semesterferien, Behörden-, und Ladenöffnungszeiten, Schutz der Sonn- und Feiertagsruhe, tägliche und wöchentliche Arbeits-, Betriebs und Öffnungszeiten und die daraus resultierenden gesellschaftlichen Rhythmen geprägt. In diesem Kontext werden individuelle Zeitsouveränität, die Etablierung neuer Zeit- institutionen, die Reorganisation von bewährten und traditionellen gesellschaftlichen Zeitstrukturen Elemente der Diskussionen, die zwischen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften geführt werden. Die Ergebnisse vieler Arbeitszeitforschungen zeigen, dass die zeitliche Dimension der Arbeit und die Varianten arbeitszeitpolitischer Maßnahmen für die Entwicklung von Lebensqualität sowie für die Akzeptanz von Modellen zur gesellschaftlichen Umverteilung von Arbeit überaus bedeutend sind. Daher zieht das Schlagwort der Flexibilisierung nicht nur öffentliche Aufmerksamkeit, sondern auch Beunruhigung auf sich. Im Mittelpunkt stehen somit die Veränderungen der Zeitnutzung sowie die Beantwortung der Frage, wie die Beschäftigten das Alltagshandeln im Betrieb und Leben miteinander kombinieren und welche Rolle Arbeitszeitverkürzung bzw. -flexibilisierung für die neue Lebensführung spielen. 178 Geht man von der Annahme aus, dass der Normalarbeitstag den Alltag der größten Bevölkerungsgruppe strukturiert hat, stellt man heute fest, dass er sich zunehmend auflöst. Im Prozess der betrieblichen Umstrukturierung verändern sich zugleich auch die gesellschaftlichen Zeitstrukturen. Nickel stellt in diesem Sinne fast, dass das gesell- schaftliche Zeitregime immer weniger vom relativ starren Zeitrhythmus der industriellen Produktion geprägt ist, sondern zunehmend dem flexibilisierten Zeit- rhythmus der Dienstleistungsproduktion und –nachfrage unterliegt. (vgl. Nickel 1999; 502). Erste Untersuchungen haben ergeben, dass die Einführung neuer Arbeitszeit- formen und insbesondere flexiblere Arbeitszeitmodelle sich besonders für Frauen und Männern mit familiären Verpflichtungen nachteilig auswirken, da sie nicht mehr selbst über ihre Arbeitszeit verfügen können. Die Pluralisierung der Arbeitszeitmodelle mit hunderten von unterschiedlichen Schichtmodellen, Arbeitszeitkonten und Gleitzeit- regelungen bringen massive Koordinationsprobleme innerhalb und außerhalb des Betriebs. Auch die private Koordination der Beschäftigten wurde erschwert, da ihre sozialen Beziehungen durch die unterschiedlichen Zeitmuster zerschnitten wurden. Vereinstätigkeiten sowie Sportaktivitäten sind nur mit gestiegenem Planungs- und Koordinationsaufwand möglich. Ähnliches gilt für Reisen, kulturelle Aktivitäten und soziales Engagement in Verbänden und Initiativen. Demnach müssen bestimmte außer- betriebliche Abläufe neu geregelt werden. Gerade wenn die betrieblichen Belange im Vordergrund stehen sollen, wird eine genaue Planung der Zeitnutzung im alltäglichen Leben immer schwieriger. Gerade die kurzfristigen Ankündigungen von Wochenend- arbeit, Mehrarbeit oder auch Freischicht sind mit hoher Unzufriedenheit verbunden. Solche kurzfristigen Änderungen machen spontane sowie langfristige Planungen im Privaten oftmals zunichte und schmälern die Akzeptanz für die Arbeitszeit- flexibilisierung. Zudem kommt, dass z.B. die Änderungen der Arbeits-, sowie Betriebszeit in den produzierenden und gewerblichen Branchen direkt oder/und indirekt die anderen Branchen beeinflussen und umgekehrt. So bringt die Abschaffung von gesetzlichen Ladenschlusszeiten in vieler Hinsicht aus Sicht der Beschäftigten die Möglichkeit, durch verlängerte Ladenöffnungszeiten Unsicherheiten in der Zeitplanung zu beseitigen und dadurch flexiblere Arbeitszeitmodelle in Anspruch zu nehmen. Für die im Einzelhandel beschäftigten Menschen könne die verlängerten Ladenschlusszeiten einen Willkürakt des Arbeitgebers hinsichtlich der zeitlichen Gestaltung der Arbeit und Verschiebung der Arbeitzeiten auf sozial unverträgliche Zeiten bis in die spätere Stunden des Abends oder auch Samstags- und Sonntagsarbeit bedeuten. Dies wiederum beeinflusst gerade Familien und Paare im negativen Sinne, wenn ein/e Partner/in in einer produzierten Unternehmen und der/die andere Partner/in in einem dienstleistenden 179 Unternehmen (z.B. Einzelhandel) arbeitet. Derartige Konstellationen erschweren für die angesprochenen Familien und Paare die Möglichkeit, gemeinsame soziale und kulturelle Aktivitäten zu unternehmen. Ähnlich wie die Ladenöffnungszeiten stellen die Öffnungszeiten von Behörden, öffentlichen und kommunalen Institutionen sowie von Arztpraxen, Krankenhäusern und anderen Einrichtungen eine Einschränkung hinsichtlich der starren Arbeitszeiten dar. Auf der anderen Seite ermöglichen es die flexiblen Arbeitszeiten den Beschäftigten, die Angebote in Anspruch zu nehmen und andererseits die Arbeitszeit mit Zeiten, die derartigen Besuche ermöglichen, in Einklang zu bringen. Die Arbeitszeitveränderung hat auch Auswirkungen auf das Familienleben. Das Familienleben der Beschäftigten ist weiterhin traditionell geschlechtshierachisch organisiert, so dass eine typische Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau stattfindet. Die Rollen zwischen den Eheleuten sind entsprechend der Trennung von Familien- und Erwerbsleben klar verteilt und organisiert. Die Hausarbeit wird weiterhin maßgeblich von den Frauen erledigt, und eine mögliche Umverteilung der Aufgaben wird weder von den Männern noch von den Frauen in Erwägung gezogen. Am Beispiel der Kindererziehung bzw. Kinderbetreuung wird es deutlicher. Je flexibler und damit kurzfristig planbarer Zeit für die Eltern wird, desto schwieriger wird die Erhaltung einer konstanten Betreuung. Vor allem die Beschäftigten, die des Öfteren übers Wochenende oder bis in die späteren Abendstunden arbeiten müssen, stehen vor dem Problem, diese Zeiten mit Betreuungszeiten zu kombinieren. Hier erfordern die flexiblen Arbeitszeiten zeitlich hochflexible Beschäftigte. Auch die Teilzeitarbeit, die ursprünglich für Frauen mit Kindern gedacht war, verändert sich unter dem Druck der Arbeitsmarktverhältnisse, so dass die klassische Vormittags- teilzeit sich hin zu Arbeitszeiten, deren Lage und Dauer nicht an den Bedürfnissen der Beschäftigten ausgerichtet ist, verschiebt. Eine Teilzeittätigkeit, in der die Arbeitszeit sich nach betrieblichen Belangen sehr kurzfristig ändern kann, ermöglicht es, Frauen gerade in Zeiten der Massenarbeitslosigkeit als eine „Reservearmee“ für unattraktive Arbeitszeiten ausnutzen. Des Weiteren erschwert die Flexibilisierung der Arbeitszeiten die Flexibilität der Reaktion auf unerwartete Anforderungen der Familie, wenn z.B. das Kind erkrankt oder wenn in der Schule Unterrichtsstunden ausfallen. Allein die Kosten, die Unternehmen durch Fehlzeiten aufgrund mangelhafter Kinderbetreuungsangebote entstehen, werden in den USA gegenwärtig auf drei Milliarden Dollar geschätzt. Je besser z.B. die Arbeitszeitgestaltung auf Anforderungen der Kinderbetreuung abge- stimmt ist, desto geringer sind dann teure Fehlzeiten der Beschäftigten. 180 Dazu kommt, dass die neuen Formen von Arbeitszeiten erhebliche Auswirkungen auf die Verkehrs- und Freizeitentwicklungen nach sich ziehen. Die Individualisierung von Arbeitszeiten führt zu einer Individualisierung des Verkehrs. Zum Beispiel führte die Ausdifferenzierung der Arbeits- und Betriebszeitmuster in Wolfsburg zu einer drastischen Reduzierung des öffentlichen Nahverkehrs geführt. Der öffentliche Personenverkehr zerbrach ebenso wie viele private Fahrgemeinschaften. Die Zahl der Abonnenten sank nach Einführung des „VW-Modells“ von 7.000 (1992) auf 3.000 (1996), ganze Berufsverkehrslinien wurden eingestellt. Die flexiblen sowie indivi- duellen Arbeitszeitmodelle führen zudem zu einer Entzerrung des Verkehrs, was wiederum die Attraktivität des Pkw erhöht. Die Veränderung des Arbeits- und Betriebs- zeitregimes beeinflusst also in erheblichem Maße die Verkehrsströme und die Verkehrsmittelwahl. Die Flexibilisierung der Arbeitszeiten betrifft auch das Urlaubs- verhalten der Beschäftigten. Die Zahl der „Lastminute-Urlaube“ nimmt zu, wovon insbesondere kurzfristige Angebote profitieren. Auch für die Städte hat die Arbeits- zeitflexibilisierung Auswirkungen. Vor allem in einer „globalisierten Ökonomie“ gilt es für Städte, sich für die Unternehmen, die auf flexible Arbeitszeiten setzen, attraktiver zu machen. In der sich daraus ergebenden Städtekonkurrenz werden sog. Standortfaktoren wie die Öffnungszeiten von Behörden und Institutionen, Inanspruchnahme von öffentlichen Verkehrsmitteln, kulturelle Einrichtungen, Freizeitaktivitäten usw. immer bedeutender. Gleichzeitig verlieren traditionelle Einrichtungen wie etwa Sportvereine und Vereine die gemeinnützig arbeiten, an Bedeutung. Generell geht der Anteil an Personen, die in Sportvereinen Mitglied sind, deutlich zurück. Demgegenüber nehmen individuelle Freizeiteinrichtungen wie Fitness-Centers zu. Die Folge ist, dass wenn die gesellschaftlichen Strukturen es nicht erlauben eine Umstrukturierung sich auf der betrieblichen Ebene vollziehen zu lassen, es sehr schwierig ist, die Beschäftigten von den Unstrukturierungen zu überzeugen. Hier stehen den betrieblichen Flexibilisierungs- und Rationalisierungsinteressen die gewandelten Werte und Interessen im alltäglichen Leben gegenüber. Veränderte Familien- und Lebensformen der Beschäftigten erfordern optionale, lebensphasenspezifisch anpass- bare Arbeitszeiten. Die Arbeitszeit ist einer der relevantesten Einflussfaktoren bei der Organisation des alltäglichen Lebens. Daher plädieren die Beschäftigten und die Gewerkschaften für eine stärkere Beteiligung an der Arbeitszeitorganisation und fordern ein höheres Maß an Zeitsouveränität und Verlässlichkeit. Vor allem die Gewerkschaften beschäftigen sich mit diesem Gebiet intensiver. Dabei geht es nicht nur darum, die Folgen der betrieblichen Arbeitszeitgestaltung auf dem gesellschaftlichen Leben zu untersuchen, sondern es geht auch darum, herauszufinden welche Änderungen im gesellschaftlichen Leben notwendig sind, damit die betrieblichen Veränderungen 181 erfolgreich umgesetzt werden können. Zudem zählt auch die geschlechtsspezifische Dimension. Denn Arbeitszeitmodelle müssen sowohl unter dem Aspekt der Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben für Frauen und Männer, als auch im Hinblick auf ihre jeweiligen Auswirkungen auf die tradierte geschlechtsspezifische Arbeits- teilung in der Gesellschaft überprüft werden. Vor diesem Hintergrund erklären die Gewerkschaften immer wieder, dass unter der veränderten Situation die ökonomischen und sozialen Ziele gleichwertig verfolgt werden müssen. Der IG Metall Vorsitzende Klaus Zwickel erklärte auf dem 19. ordentlichen Gewerk- schaftstag der IG Metall am 6. Oktober 1999, dass die Lebensverhältnisse völlig anders geworden seien und die Veränderungen der Bedürfnisse bei den Arbeitszeiten, den Ladenöffnungszeiten, beim Wohnen und usw. Chancen und Risiken mit sich bringen. Dieser Wandlungsprozess erzeugen bei vielen Beschäftigten auch eine große Ver- unsicherung und die neuen Möglichkeiten lösen neben Begeisterung auch Ängste aus. Das wiederum verlange politische sowie gesellschaftliche Gestaltung. Zwickel wies darauf hin, dass in dieser Situation auch die Gewerkschaften gefragt seien. Für die Gewerkschaften lauteten die Grundfragen wie folgt: wie soll eine an den Menschen orientierte Vorstellung zur Gestaltung des Alltagslebens unter den neuen Bedingengen aussehen? Wie wollen die Gewerkschaften die neue „Dienstleistungsgesellschaft“ ausgestalten? Zwickel erklärte zudem, dass die Gewerkschaften neue Antworten angesichts technischer Revolutionen, wirtschaftlicher Umbrüche und gesellschaftlicher Änderungen bräuchten. Vor allem müsse die Arbeitsgesellschaft der Zukunft allen Beschäftigten dreierlei ermöglichen: Erwerbsarbeit und Qualifizierung, Familien- und Freizeitleben sowie gesellschaftliches Engagement mit unterschiedlichen Schwer- punkten in verschiedenen Lebensphasen. Damit müsse auch eine größere Vielfalt neuer Arbeitsformen und neuer Arbeitsverhältnisse verbunden sein.. Auch der DGB- Bundesvorstand erklärte am 1. Februar 2001, dass eine wirksame und überzeugungs- kräftige Politik der Arbeitsumverteilung weitreichende gesellschaftliche Auswirkungen, etwa für die Rollenverteilung zwischen den Geschlechtern, für das Verhältnis zwischen betrieblicher Arbeitszeit und autonomer privater Zeit oder für die öffentliche Infrastruktur und gesellschaftliche Zeitrhythmen hat (vgl. DGB-Bundesvorstand 2001). Somit rückt für die Gewerkschaften in den Mittelpunkt der Diskussion der Zusammen- hang von Arbeitszeitflexibilisierung, kollektiven Zeitrhythmen, individuellen Zeit- wünschen und neuen Zeitverwendungsmustern der Beschäftigten. Zentral ist dabei die Frage, in welcher Weise die Beschäftigten „traditionelle“ Zeitinstitutionen wie das freie Wochenende und den Jahresurlaub mit neu entstehenden Freizeiten, den Blockfreizeiten oder freien Tagen, zu neuen Zeitmustern verknüpfen. Es soll untersucht werden, welche neuen Elemente von Zeitwohlstand diese - zum Teil freiwilligen, zum Teil er- 182 zwungenen - Zeitarrangements enthalten, die für die künftige Richtung der Arbeits- zeitpolitik wegweisend sein können und welche neuen Zeitnöte sich andeuten. Dabei handelt es sich darum, ob eine Balance zwischen Arbeit und Leben in der vor- anschreitenden Arbeitszeitflexibilisierung Potenziale für neuen Zeitwohlstand ermög- licht und ob es den Individuen gelingt, den überwiegend von betrieblichen Ansprüchen dominierten Arbeitszeitarrangements neue Spielräume für Lebensqualität abzu- gewinnen. Somit soll herausgefunden werden, wie die neuen Bedürfnisse und Interessen der Beschäftigten aussehen und sich gestalten. Die Ergebnisse aus der neueren Arbeits- zeitforschung zeigen, dass die maßgeblich in den 1990er Jahren einsetzende Dynamik der Arbeitszeitflexibilisierung, anders als zuvor oft behauptet, nicht die Freizeit, sondern die Arbeit immer mehr in den Mittelpunkt der Lebensführung der Menschen rückt, indem sie den Synchronisationsaufwand zwischen Arbeit und Leben erhöht. Zeit und der Umgang mit ihr erhalten dadurch einen immer größeren Stellenwert. Dabei werden traditionelle Zeitinstitutionen wie das Wochenende oder der Urlaub tendenziell aufgelöst, neue gruppen- und branchenspezifische sowie geschlechtsspezifische und an den individuellen Arrangements von Lebensführung orientierte Zeitverwendungsmuster kristallisieren sich heraus. Auch die Unternehmen und ihre Verbände sind mit der Frage konfrontiert, inwiefern die flexiblen Arbeitszeiten das Leben und die Akzeptanz von Beschäftigten beeinflussen und wie die Beschäftigten mit den „neuen“ Anforderungen von Zeit- und Lebens- planung umgehen. Im Vordergrund steht die Frage, ob die neuen flexiblen Arbeitszeit- modelle für die Beschäftigten, denen eher traditionelle Einstellungen und Verhaltens- muster zugerechnet werden, akzeptabel sind. Denn gerade sozialverträgliche und familienfreundliche Arbeitszeiten zahlen sich auch in ökonomischer Hinsicht aus. Je besser die Beschäftigten ihre Familie und den Beruf vereinbaren können, desto motivierter, engagierter und einsatzbereiter werden sie auch arbeiten. Dazu kommt, dass die Erwerbstätigkeit von Frauen aufgrund des „Arbeitskräftemangels“ eine immer wichtigere Rolle übernimmt. Gerade hier spielen sozialverträgliche Maßnahmen eine besondere Rolle um die Frauen als Arbeitskraft zu gewinnen. Viele Frauen und Männer wünschen sich eine familienfreundliche Arbeitszeit, um Familie und Beruf besser vereinbaren zu können. Gezielte familienfreundliche Maßnahmen des Arbeitgebers ermöglichen den Beschäftigten eine bessere Abstimmung familiärer und beruflicher Anforderungen. So können die zur Verfügung stehenden „Human Ressources“ optimal genutzt werden. Eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch Maßnahmen des Unternehmens soll bewirken, dass sich die Beschäftigten stärker mit dem Unter- nehmen und seinen Zielen identifizieren. 183 Eine Vereinbarkeit von Freizeit und Arbeitszeit beeinträchtigt auch die Produktivität der Beschäftigten und schlägt sich in minderer Qualität ihrer Arbeit nieder. In diesem Sinne können freundliche Maßnahmen für die Beschäftigten mehr Sicherheit schaffen und eine höhere Leistungs- und Einsatzbereitschaft bewirken. Zudem kann eine bessere Vereinbarkeit von Arbeitszeit und Freizeit generell die private Stressbelastung der Beschäftigten und vermeiden deren negative Folgen am Arbeitsplatz vermeiden. Trotz dieser Vorteile fehlen konkrete Maßnahmen, welche die betriebliche Belange und die Wünsche und Bedürfnisse der Beschäftigten in Einklang bringen sollen. Daher wäre eine Ausweitung des Engagements der Gewerkschaften wünschenswert. Im Rahmen von Tarifverhandlungen können sich Gewerkschaften aktiv für die Vereinbarkeit von Erwerbsarbeit mit außerbetrieblichem Leben einsetzen und umsetzbare Konzepte ins Leben rufen. Darüber hinaus können Gewerkschaften für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf eintreten, indem sie auf die Probleme und Hindernisse aufmerksam machen und anschließend konkrete Lösungen vorschlagen. Denn, wie auch der DGB feststellt, hat eine wirksame und daher überzeugungskräftige Politik der Arbeitsumverteilung immer auch weitreichende gesellschaftliche Auswirkungen, etwa für die Rollenverteilung zwischen den Geschlechtern, für das Verhältnis zwischen betrieblicher Arbeitszeit und autonomer privater Zeit oder für die öffentliche Infrastruktur und gesellschaftliche Zeitrhythmen (vgl. DGB-Bundesvorstand 2001). 3.8. Zusammenfassung: Konsequenzen des Tarifabschlusses 1984 Versucht man einmal, die seit 1984 in den Diskussionen geäußerten Vorstellungen und Stellungnahmen von Gesamtmetall und IG Metall im Zusammenhang mit neuen wirtschaftlichen, technologischen und gesellschaftlichen Entwicklungen zusammenzu- fassen und systematisch aufzuarbeiten, so kann folgende Ergebnisse aufgelistet werden: 1. Mit dem Tarifkompromiss im Jahre 1984 in der Metal- und Druckindustrie sowie durch weitere Abschlüsse anderer Gewerkschaften und Tarifbereiche wurde eine vehemente Diskussion ausgelöst. Diese bezog sich zum einen auf die konkrete Gestaltung von betrieblichen Arbeitszeitregelungen und deren Dimensionen, zum anderen auf die Rahmenbedingungen mit ihrer besonderen Problemfelder. Als der Konflikt um die Arbeitszeit eskalierte, fanden die Tarif- parteien nach zahlreichen Verhandlungen den Kompromiss: Verkürzung der Arbeitszeiten gegen weitere Flexibilisierung der Arbeitszeiten. Das wichtigste Ergebnis des Tarifkompromisses lag jedoch nicht in der Tarifvereinbarung 184 selbst, sondern darin, dass die IG Metall das Arbeitgeber-Tabu „40-Stunden- Woche“ gebrochen und den Einstieg in die „35-Stunden-Woche“, wenn auch mit vielfältigen Abstrichen wie Inkaufnahme von Reallohnverlusten usw., geschafft hat. Für die Gesamtmetall wurde das gewerkschaftliche Tabu der „flexiblen und individuellen Arbeitszeitflexibilisierung“ gebrochen und der Einstieg in die an den Bedürfnissen des Betriebes orientierte flexible Arbeits- zeitregelung erreicht. Dadurch wurden in den darauf folgenden Jahren in fast allen abgeschlossen Tarifvereinbarungen in der Metall- und Elektroindustrie sowie in anderen Branchen über die Arbeitszeitverkürzung zugleich Regelungen zur Arbeitszeitflexibilisierung aufgenommen. Von diesem Zeitpunkt an galt es für die Tarifparteien, ihre formulierten Ziele und Forderungen in der Arbeits- zeitfrage am wirksamsten durchzusetzen. Dies galt insbesondere für die betriebliche Gestaltung von flexiblen Arbeitszeitmodellen, für die Aus- wirkungen auf die Arbeits- und Lebensbedingungen der Beschäftigten, für die gesellschaftliche, tarifliche, rechtliche, beschäftigungspolitische sowie arbeits- organisatorische Folgen und Aspekte von flexiblen Arbeitszeitmodellen. 2. Entscheidend war für Gesamtmetall, den Entscheidungs-, und Regelungs- kompetenz auf die betriebliche Ebene zu verlagern. So konnte jedes Unter- nehmen im Rahmen von tariflichen Regelungen die Arbeitszeiten in Abstimmung mit dem Betriebsrat selbst bestimmen. Gesamtmetall erhoffte durch die Erweiterung von flexiblen Arbeitszeitmodellen und Verlagerung der Diskussionen auf die Betriebsebene ein Bündel von wirtschaftlichen Vorteilen. Von weiterer Arbeitszeitflexibilisierung erwarteten die Arbeitgeber vor allem eine Verbesserung der Arbeitsproduktivität, Senkung der Lohnstückkosten, Anpassung der Arbeits- und Betriebszeiten an die Auftragslage, bessere Über- brückung von Engpässen, Ausdehnung von Betriebs- und Maschinennutzungs- zeiten, Verringerung von zuschlagspflichtiger Mehrarbeit, Stärkung des Standortes Deutschland im internationalen Wettbewerb usw. Gegenüber diesen Zielen konzentrierten sich die Gewerkschaften auf beschäftigungspolitische Aspekte und erhofften für die Beschäftigten durch Einführung von flexiblen Arbeitszeitmodellen eine spürbare Verringerung von Arbeitslosigkeit, Sicherung von vorhandenen Arbeitsplätzen, und höherer Zufriedenheit der Beschäftigten. Um diese Ziele zu erreichen, verabschiedete sich die IG Metall von dem Ziel einer weiteren Arbeitszeitverkürzung und konzentrierte sich darauf, die flexiblen Arbeitszeiten mit Gesamtmetall gemeinsam zu gestalten. Was in den 1970er Jahren für die Gewerkschaften noch ein Tabu war, war seit dem Tarif- kompromiss 1984 möglich. Dabei spielte auch die Tatsache eine entscheidende 185 Rolle, dass die von der IG Metall geforderte Arbeitszeitverkürzung ohne die von Gesamtmetall geforderte Arbeitszeitflexibilisierung nicht durchsetzbar war. Aus diesen Gründen stimmte die IG Metall dem Kompromiss zu. Somit rückte für die IG Metall gleichzeitig die Notwendigkeit in den Mittelpunkt, die Arbeitszeitflexibilisierung und deren Bedingungen gemeinsam mit Gesamt- metall und den Betrieben zu gestalten. Denn auf der Gewerkschaftsseite existierte die berechtigte Angst von einem willkürlichen Umgang mit flexiblen Arbeitszeiten durch Unternehmen. Um das zu verhindern strebte die IG Metall an, die Rahmenbedingungen mit Gesamtmetall gemeinsam durchzuarbeiten, um den Beschäftigten mehr Zeitsouveränität und Schutz zu bescheren. 3. Neben der Diskussion über die Gestaltung von Arbeitszeiten rückten auch die arbeitsorganisatorischen, sozikulturellen, tarifpolitischen, wettbewerbsbedingten sowie beschäftigungspolitischen Aspekte in den Vordergrund der Auseinander- setzung. Um die Gestaltungsziele wirksam realisieren zu können, wurden Überlegungen angerissen, wie in diesen Bereichen eine verbesserte Konzeption zu strukturieren ist. Der inhaltliche Schwerpunkt der Diskussionen lag dabei primär auf zwei Tatbeständen: Zunächst versuchten Gesamtmetall und IG Metall verbesserte Rahmenbedingungen und Konzepte zu entwickeln, die den Rahmen für die betriebliche sowie gesellschaftliche Arbeitszeitpolitik bilden sollen. Hieran anknüpfend wurde der Versuch unternommen, die auf der jeweiligen Regelungsebene erkennbaren Barrieren und Widerstände, die den Prozess der Arbeitszeitgestaltung hemmen, abzubauen. Vor allem beziehen sich die Diskussionen auf die tarifpolitischen, sozikulturellen und beschäftigungs- politischen Aspekte. Es ist deutlich zu sehen, dass die Arbeitgeberseite und Gesamtmetall daran interessiert sind, spezifische Anreiz- und Förderungs- instrumente zu entwerfen, die die Beschäftigten für die flexiblen Arbeitszeit- modelle motivieren und gleichzeitig innovative Arbeitszeitmodelle einzuführen, welche den betrieblichen Interessen entsprechen. Denn für die Arbeitgeberseite sind Rahmenbedingungen wichtige Bestandeile von flexiblen Arbeitszeit- modellen, da nur durch gut funktionierende Rahmenbedingungen die neuen flexiblen Modelle zu einer ökonomischen Nutzensteigerung führen. Demgegenüber legt die IG Metall den Schwerpunkt der Diskussionen einerseits auf die Humanisierung der Arbeit und andererseits auf die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Der Diskussionsprozess und die notwendige Prioritätensetzung in der Arbeitszeitpolitik werden als ein zentraler Beitrag zur Zukunftsdebatte gesehen. Vor allem wird die Einführung von neuen Arbeitszeitmodellen als still- schweigende Verlängerung der Arbeitszeiten betrachtet. Diese Entwicklung wird 186 auf der Seite der Beschäftigten und Gewerkschaften mit Skepsis bewertet. Die betriebswirtschaftlichen Überlegungen der Unternehmen, die die menschliche Arbeit als Kostenfaktor berechnen und die sozialen Standards in den Betrieben absenken wollen, werden von der IG Metall heftig kritisiert. Vor dem Hintergrund dieser Sichtweise kommt die IG Metall zu dem Schluss, dass das größte Ziel flexibilisierter Arbeit darin liegt, Kosten und Risiken vom Arbeitgeber auf die Beschäftigten zu verschieben. Diese neue flexible Arbeit steigere die Unsicherheit unter den Beschäftigten und führe gleichzeitig zu einer Verschlankung des Unternehmens sowie zu einer Reihe von zeitlich befristeten Arbeitsverträgen. So wird seitens der IG Metall darauf hingewiesen, dass die betriebswirtschaftliche Effektivität, die im Gegensatz zu volkswirtschaftlichen Anforderungen steht, die längerfristigen Interessen der Beschäftigten nicht befriedigt. Alle flexiblen Arbeitszeitmodelle, die nur die Betriebs- bzw. Geschäftszeiten ausdehnen, haben laut IG Metall negative Folgen und Effekte. Aus diesem Grund fordert die IG Metall, die sich allerdings prinzipiell zu neuen Formen der Arbeitzeitgestaltung bekennt, dass die Gestaltung der flexiblen Arbeitszeiten der veränderten Arbeitswelt und den individuellen Freizeitbedürf- nissen der Beschäftigten Rechnung tragen solle. Der zentrale Grundsatz der Diskussion über die künftige Arbeitszeitpolitik und die Einführung von Arbeitszeitmodellen lautet somit: Arbeitszeit muss für die Beschäftigten planbar und beschäftigungspolitisch tragbar sein. Die Analyse der gewerkschaftlichen Arbeitszeitpolitik zeigt deutlich, dass die von der IG Metall angestrebten Ziele - mehr Beschäftigung insgesamt und mehr Zeitwohlstand für die Beschäftigten - nur dann erreicht werden können, wenn die kollektivvertrag- lichen Regelungen verschärft, die arbeitsorganisatorischen, betrieblichen sowie soziokulturellen Aspekte verbessert und die Wünsche und Belange der Beschäftigten mitberücksichtigt werden. 4. Betrachtet man die Diskussionen über die wettbewerbsbedingten, arbeitsorgani- satorischen, tarifpolitischen und soziokulturellen Aspekte differenzierter, so kann folgendes festgestellt werden:  Bei der Auseinandersetzung um die arbeitsorganisatorischen Aspekte, ver- sucht die Arbeitgeberseite die neuen Arbeitszeitmodellen mit neuen und alten Organisationsmodellen in Einklang zu bringen. Vor allem verlangen die Arbeitgeber von den Beschäftigten, unternehmerisch zu denken, arbeits- organisatorische „Verantwortung“ zu übernehmen und die Arbeitszeiten selbst zu regeln. Zudem geben die neuen flexiblen Arbeitszeitmodelle den 187 Unternehmen die Möglichkeit, verschiedene Beschäftigtengruppen zu unter- schiedlichen Arbeitszeiten einzusetzen. Konkret bedeutet dies auch, dass die hoch qualifizierten Vollzeitbeschäftigten immer länger arbeiten und die weniger qualifizierten Beschäftigten sowie die Teilzeitbeschäftigten immer kürzer. Vor allem „das „Arbeiten ohne Ende“ bereitet der IG Metall große Sorgen. Umso mehr ist sie daran interessiert, diesen Wandlungsprozess zu Gunsten der Beschäftigten zu gestalten, weiterhin das Arbeitsleben zu humanisieren und den oben beschrieben Trends Grenzen zu setzen.  Bei der Diskussion um die wettbewerbsbedingten Aspekte verfolgt Gesamt- metall das Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen durch eine Änderung der Arbeitszeitregelungen zu steigern. Dazu gehören Anpassungen an Nachfrageschwankungen, eine Verlängerung der Betriebsnutzungszeiten sowie Öffnungszeiten. Vor allem durch die Standortdebatte konnte es Gesamtmetall gelingen, die IG Metall massiv unter Druck zu setzen. Um die noch vorhandenen Arbeitsplätze zu sichern übernahm die IG Metall eher eine defensive Rolle. Zudem führte die zunehmende Lohn- und Niedrig- lohnkonkurrenz zwischen den Standorten zu einem massiven Druck auf Gewerkschaften und Betriebsräte, ihre Ansprüche zu reduzieren bzw. Tarif- und Sozialleistungen abzubauen. Hinzu kommt, dass die Arbeitgeberseite ständig versucht, auf Kosten der europäischen Nachbarländer Wettbewerbs- vorteile durch niedrigere Lohnabschlüsse zu erzielen. Die Gewerkschaften versuchen durch gemeinsame Initiativen zu verhindern, dass die Gewerk- schaften, Beschäftigten und Betriebsräte bei der Gestaltung von Arbeits- zeiten in Europa gegeneinander ausgespielt werden. Aber den Gewerk- schaften konnte es nicht gelingen, eine gemeinsame Tarifpolitik sowie Mindeststandards zu erarbeiten. Dabei spielte ihre defensive Haltung eine wichtige Rolle. Darüber hinaus fällt es den Gewerkschaften schwer, einerseits in nationalen Bündnissen mit Arbeitgeberverbänden den Standort und die vorhandenen Arbeitsplätze sicherzustellen und andererseits auf europäische Ebene Mindeststandards zu schaffen.  Geht es um die tarifpolitischen Aspekte, ist Gesamtmetall daran interessiert, die tarifpolitischen Rahmenbedingungen zu Gunsten der Unternehmen zu flexibilisieren. Durch zusätzlichen Flexibilisierungsbedarf in Tarifverträgen versucht Gesamtmetall, die Arbeitszeiten ohne Lohnausgleich zu verlängern, was wiederum weitere Kostensenkungen für Unternehmen bedeutet. Ziel dieser Strategie ist eine variable und flexible Tarifpolitik, die den Weg zu günstigeren Lohnstückkosten und damit zu mehr Wettbewerbsfähigkeit 188 ermöglichen soll. Demgegenüber sieht die IG Metall als vorrangigstes Ziel, die Anspruchs- und Gestaltungsrechte der einzelnen Beschäftigten in Tarif- verträgen zu formulieren und durchzusetzen. Vor allem sollen die Bestimm- ungs- und Gestaltungsrechte sowie Wahlmöglichkeiten des einzelnen Beschäftigten einen wesentlich höheren Stellenwert erhalten und die Aufsichts- und Überwachungsfunktion der Betriebsräte zum Schutz der Beschäftigten in entsprechenden Regelungen ausdrücklich verankert und verstärkt werden. Die Forderung der Arbeitgeberverbände, eine Differenzier- ung der verschiedenen Arbeitnehmergruppen in tarifvertraglichen Regel- ungen einen legitimen Platz zu bekommen, wird von einer solidarischen Arbeitszeit- und Einkommenspolitik her angerissen und abgelehnt. Darüber hinaus bereitet der IG Metall insbesondere der Vorschlag, durch Tarif- verträge den Betriebsräten mehr Gestaltungs- und Wahlmöglichkeiten zu eröffnen, großer Sorgen. Hierbei wird des Öfteren die Befürchtung geäußert, dass dadurch die Betriebsräte überfordert werden und der IG Metall entscheidender Einfluss verloren gehen wird. Auch in diesem Punkt sind die innergewerkschaftlichen Diskussionen noch lange nicht zu Ende geführt.  Die Diskussionen um die soziokulturellen Aspekte stecken noch in Kinder- schuhen. Gegenüber den wettbewerbsbedingten Aspekten ist die IG Metall in diesem Bereich viel aktiver und setzt sich mit den soziokulturellen Aspekten mehr auseinander. Der IG Metall ist bewusst, dass der durch die Einführung von flexiblen Arbeitszeitmodellen eingeleitete Wandlungs- prozess bei vielen Beschäftigten große Verunsicherung und Ängste veru- rsacht. Somit rückt für die IG Metall und anderen Gewerkschaften in den Mittelpunkt der Zusammenhang von Arbeitszeitflexibilisierung, kollektiven Zeitrhythmen, individuellen Zeitwünschen und neuen Zeitverwendungs- mustern der Beschäftigten. Dabei geht es vor allem darum, zu untersuchen, ob es möglich ist, gegenüber den Verwertungsansprüchen der Arbeitgeber- seite Zeitwohlstand und eine auf die Bedürfnisse der Beschäftigten orientierte Perspektive einer Balance von Arbeits- und Alltagskultur zu erringen. Hier wird innerhalb der IG Metall diskutiert, wie sich die Gewerk- schaften im Rahmen von Tarifverhandlungen aktiv für die Vereinbarkeit von Erwerbsarbeit mit außerbetrieblichem Leben einsetzen und umsetzbare Konzepte ins Leben rufen können. 5. Die Ergebnisse auf Basis der oben dargestellten empirischen Untersuchung können kurz und knapp in drei Aussagen zusammengefasst werden: 189  Erstens haben von den bisherigen Arbeitzeitflexibilisierungen vor allem die Arbeitgeber profitiert. Der Arbeitgeberseite konnte nach dem Tarifkompro- miss gelingen, seine Ziele und Wünsche durchzusetzen. Nach dem Tarif- kompromiss wechselte die Meinungsführerschaft in Sachen Arbeitszeitge- staltung von der IG Metall zu Gesamtmetall. Die Ausführungen dokumen- tieren zudem, dass die Motive für flexible Arbeitszeitgestaltung in dem Streben des Unternehmers nach Gewinnmaximierung wurzeln. Nebst der Steigerung der Produktivität war eine größere Flexibilität der Produktions- planung ein sehr wichtiges Motiv für flexible Arbeitszeitmodelle.  Zweitens ist es der IG Metall nicht gelungen, die Belange und Interessen der Beschäftigten bei der Gestaltung von Arbeitszeiten durchzusetzen. Das lag einmal daran, dass die Erwartungen der Beschäftigten und Gewerkschafts- führung an flexible Arbeitszeiten sehr hoch waren. So kam innerhalb der Gewerkschaften eine ausführliche inhaltliche Auseinandersetzung mit flexiblen Arbeitszeitmodellen nicht zustande. Zudem erhofften IG Metall und auch die anderen Gewerkschaften von flexiblen Arbeitszeitmodellen zum einen eine bessere Zeitsouveränität der Beschäftigten und zum anderen ein positiver Beschäftigungsschwung auf dem Arbeitsmarkt. Diese Position führte dazu, dass die IG Metall in die Defensive geriet und in vielen Punkten den Forderungen der Gesamtmetall zustimmte. Erst Ende der 1990er Jahre setzte sich die IG Metall-Führung intensiver mit der negativen Folgen der Arbeitszeitflexibilisierung auseinander und versuchte wieder in die Offensive zu gehen.  Und Drittens bleibt die Frage nach der Zukunft der Arbeitszeitflexibili- sierung nach wie vor interessant und spannend. Stützend auf die oben auf- gelisteten Aussagen bleibt insbesondere die Frage weiterhin aktuell, ob die an die Arbeitszeitflexibilisierung geknüpften Erwartungen von Gesamt- metall, IG Metall und Beschäftigten, nämlich  den betrieblichen Forderungen entgegenzukommen (seitens der Gesamt- metall)  mehr Zeitsouveränität für die Beschäftigten zu ermöglichen (seitens der IG Metall und Beschäftigten) sowie  den Arbeitsmarkt durch flexible Arbeitzeiten zu entlasten und einen Beitrag zur Lösung des Beschäftigungsproblems zu leisten (seitens der IG Metall) 190 miteinander vereinbar sind. Es ist auch aus der im ersten Kapitel beschriebenen Machtkonstellation sowie Widersprüchen zwischen Arbeit und Kapital sehr fraglich, ob die individuellen Interessen und Präferenzen der Beschäftigten mit betrieblichen Interessen überhaupt in Einklang zu bringen sind. 191 Kapitel IV Die Arbeitszeitwünsche der Beschäftigten sowie die betrieblichen und gesellschaftlichen Defizite aus deren Sicht In den vorherigen Abschnitten wurden die Positionen der Tarifparteien ausführlich beschrieben und diskutiert. Die Analyse der Ursachen für die gestiegenen Interessen an neuen Formen der Arbeitszeitflexibilisierung seitens der Betriebe und die Gründe für Mitgestaltung bzw. Ablehnung von flexiblen Arbeitszeiten auf gewerkschaftlicher Seite bedarf aber zugleich einer historisch-gesellschaftlichen Untersuchung und der Ausein- andersetzung mit den Interessen der Beschäftigten im Bezug auf Formen der Arbeitszeiten und Arbeitszeitgestaltung. So kann zum einen gezeigt werden, wie die Arbeitszeitbedürfnisse der Beschäftigten den Verlauf der Entwicklung beeinflussen und zum anderen kann gezeigt werden, welche Konsequenzen die Verbandstrategien für die Interessen der Beschäftigten haben. In diesem Sinne hat in den letzten Jahren eine Reihe von Untersuchungen und Erhebungen versucht, die Arbeitszeitwünsche der Beschäftigten zu erkunden. In den folgenden Ausführungen werden Ergebnisse einiger Untersuchungen vorgestellt sowie die Ergebnisse mit den Interviews, die im Rahmen dieser Arbeit durchgeführt worden sind, ergänzt. 4.1. Die Arbeitszeitwünsche der Beschäftigten Repräsentative Untersuchungen (Groß/ Munz 2000; Arbeitszeit 2000 in Nordrhein- Westfalen / Groß/Munz 2000; Arbeitszeit `99 / Bundesmann-Jansen/Groß/Munz 2000; Arbeitszeit 99 / Bauer/Groß/Munz/Sayin 2002; Arbeits- und Betriebszeiten 2001 / Bauer/Groß/Lehmann/Munz 2004; Arbeitszeit 2003 / IAT-Report 2002; Konvergenz der Arbeitszeitwünsche in Westeuropa), welche die Arbeitszeitwünsche von Beschäf- tigten in den Blick nehmen, belegen deutlich den Wunsch der Beschäftigten, Einfluss auf die Ausgestaltung ihrer Arbeitszeit nehmen zu können. Bei der Arbeitszeitge- staltung sind für die Beschäftigten die familiären und sozialen Motive ebenso 192 bedeutsam wie der Wunsch nach individueller Zeitsouveränität und der Reduktion von Belastungen aus der Erwerbsarbeit. Schon die ersten Erhebungen, die die Zeit zwischen 1900 und 1960 sowie die Wünsche und Interessen der Beschäftigten untersucht haben, belegen, dass die Beschäftigten daran interessiert waren, kürzer zu arbeiten und mehr Feizeit zu haben. Damit war gemeint, dass die Beschäftigten der chronometrischen Dimension der Arbeitszeit den Vorzug gaben. Rinderspacher sah in den neuen Interessen der Beschäftigten, dass immer weniger Menschen bereit waren, „sich den herrschenden Zeitstrukturen zu unter- werfen.“ (Rinderspacher 1981; 3). Auch Mertens stellte fest, dass die Beschäftigten an- hand ihrer wachsenden Bedürfnisse daran interessiert waren, mehr Selbstbestimmung und Eigenverantwortung zu übernehmen sowie mehr Lebensqualität zu erreichen. (vgl. Mertens 1983; 208). Ergebnisse der oben aufgelisteten Untersuchungen bestätigen Mertens Feststellung und belegen gleichzeitig, dass die meisten Beschäftigten ein starkes Bedürfnis zeigen, am Tag kürzer zu arbeiten und gleichzeitig vorrangig an zusammenhängenden Freizeit- blöcken interessiert sind. Die Verkürzung der täglichen sowie wöchentlichen Arbeitszeiten wird als Souveränität bei der Disposition über die eigene Zeit wahr- genommen. Mehr Freizeit bedeutet zugleich mehr Zeit für die Familie, die Aktivitäten zu Hause sowie in den Vereinen, Reisen und Weiterbildung. Eine Untersuchung, die vom Institut Arbeit und Technik gemeinsam mit Infratest Sozialforschung durchgeführt wurde, stellte die Frage nach Veränderungspotenzialen, die sich in den Arbeitszeit- wünschen der Beschäftigten sowie in den erwerbstätigen Männer und Frauen ausdrückten, in den Mittelpunkt. Die unter dem Titel „Konvergenz der Arbeitszeit- wünsche in Westeuropa. Konturen eines neuen Arbeitszeitstandards“ im Jahr 2002 veröffentlichte Untersuchung, an der sich 30.500 Personen beteiligten, wurde im zweiten Halbjahr 1998 in den 15 EU-Mitgliedsstaaten und Norwegen durchführt. Bei dieser Untersuchung kam heraus, dass rund die Hälfte der Beschäftigten ihre Arbeitszeit verkürzen, 12 % längere Arbeitszeiten wünschen und 39 % ihre Arbeitszeiten beibehalten wollte (vgl. Bosch/Wagner 2002; 2). Eine Befragung der Dubliner Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeits- bedingungen bestätigt dieses Bild: Demnach finden 71 % der in der EU Beschäftigten ihre tatsächlichen Arbeitszeiten zu lang. Fazit der Untersuchung ist, dass die reale Tendenz zur Ausdehnung der Arbeitszeiten und die Arbeitszeitwünsche weit auseinander klaffen und in allen 16 Ländern die Beschäftigten insgesamt kürzer arbeiten wollen. Wie die IAT-Untersuchung deutlich zeigt, werden die Arbeitszeitwünsche in hohem Ausmaß durch die tatsächlichen Arbeitszeiten geprägt. Allgemein gilt: Je länger 193 oder kürzer die tatsächliche Arbeitszeit, desto länger oder kürzer auch die tendenziell gewünschte Arbeitszeit (siehe Abb. 14). Abb. 14: Durchschnitte der gewünschten wöchentlichen Arbeitzeiten (in Stunden) in den 15 EU-Mitgliedsstaaten und Norwegen Quelle: Bosch/Wagner 2002; 6 Generell werden in allen EU-Ländern kürzere individuelle Arbeitszeiten gewünscht als praktiziert. Beschäftigte mit längeren Arbeitszeiten wollen ihre Arbeitszeit stärker verkürzen als solche mit kürzeren Arbeitszeiten. In allen Ländern lag der Durchschnitt der gewünschten Arbeitszeit deutlich unter dem Durchschnitt der derzeitigen tatsäch- lichen individuellen Arbeitszeiten. Durchschnittlich arbeiteten die Beschäftigten im Jahr 1998 39 Stunden pro Woche, während ihre Wunscharbeitszeiten bei durchschnittlich 34,5 Stunden lagen. Die durchschnittlichen Arbeitszeiten der Beschäftigten betrugen im Durchschnitt der 16 Länder 37,7 Stunden, der durchschnittliche Reduzierungswunsch lag damit bei 3,7 Stunden pro Woche (ebenda). Auch in der Bundesrepublik Deutschland sieht die Lage ähnlich aus wie im übrigen Westeuropa. Die Untersuchung „Arbeitszeit 2000 in Nordrhein-Westfalen“ kommt zu einem ähnlichen Ergebnis. Die Untersuchung, die durch Groß/Munz im Jahre 2000 durchgeführt wurde, kam zum Ergebnis, dass 49 % der Beschäftigten seine/ihre tatsächliche Arbeitszeit verkürzen, 35,3 % an ihr nichts ändern und nur 15,7 % sie verlängern möchte. (vgl. Abb. 15). In den darauf folgenden wurden an dieser Einstellung keine gravierenden Änderungen 194 beobachtet. Die Ergebnisse einer Untersuchung (Arbeitszeit 2003. Arbeitszeit- gestaltung, Arbeitsorganisation und Tätigkeitsprofile), die im Jahr 2003 durch Bauer/Groß/Lehmann/Munz durchgeführt wurde, bestätigt den Wunsch der Beschäftigten, die wesentlich kürzer arbeiten möchten. Abb. 15: Gewünschte Arbeitszeitveränderung bezüglich der tatsächlichen Arbeitszeit bei den Beschäftigten nach Geschlecht und Qualifikationsgruppen (in %) Beschäftigte Männer Frauen Qualifikation Insgesamt Niedrig Mittel Hoch Verkürzen 51,1 46,2 44,0 49,7 54,6 49,0 Verlängern 14,5 17,3 20,2 14,8 11,1 15,7 Genauso lassen wie bislang 34,4 36,4 35,8 35,5 34,3 35,3 Quelle: Groß/Munz 2000; 12 Dabei spielt die Entwicklung der letzten Jahre eine wichtige Rolle. Denn laut der Studie „Arbeitszeit 2003“ liegen die tatsächlichen wöchentlichen Arbeitszeiten der Beschäftigten durchschnittlich 2,5 Stunden über den vertraglichen Wochenarbeitszeiten. Vollzeitkräfte arbeiten im Durchschnitt rund 42 Wochenstunden (41,9 in West- deutschland und 43,0 in Ostdeutschland). Die tatsächlichen Wochenstunden liegen somit um knapp drei Stunden über der vertraglich vereinbarten. Während sich die durchschnittliche tatsächliche Arbeitszeit der Voll- und Teilzeitbeschäftigten seit 1999 kaum verändert hat, ergaben sich deutliche Veränderungen bei der Verteilung der Beschäftigten nach tatsächlichem Arbeitszeitvolumen. 2003 arbeiteten nur noch 45 % der Beschäftigten mit einer Wochenarbeitszeit zwischen 35 und 40 Stunden; 31 Prozent arbeiteten länger als 40 Stunden und 24 Prozent kürzer als 35 Stunden. Geschlechts- spezifisch betrachtet, arbeiteten Männer häufig länger als 40 Stunden und Frauen überdurchschnittlich häufig kürzer als 35 Stunden. Demnach wünschen sich die Vollzeitbeschäftigten eine deutliche Reduktion ihrer tatsächlichen Arbeitszeiten. Die gewünschte wöchentliche Arbeitszeit der befragten Beschäftigten lag durchschnittlich 3,6 Stunden unter der tatsächlichen Wochenarbeits- zeit (vgl. Bauer/Groß/Lehmann/Munz 2003; 12). Männer wünschen sich im 195 Wesentlichen einen Abbau der Mehrarbeit. Die Reduktionswünsche fallen umso höher aus, je größer der Umfang der Mehrarbeit ist. Die Reduktionswünsche der Frauen sind umfangreicher als die der Männer, da diese zusätzlich zu einem Abbau der Mehrarbeit im Durchschnitt auch an einer Reduktion der vertraglichen Arbeitszeiten interessiert sind. Die gewünschten Wochenarbeitszeiten liegen um 5,1 Stunden unter den tatsächlichen und um 3,1 Stunden unter den vertraglichen Arbeitszeiten. Die gewünschte Arbeitszeit aller Beschäftigten liegt durchschnittlich 3,6 Stunden unter der tatsächlichen Wochenarbeitszeit und entspricht damit exakt der durchschnittlichen vertraglichen Wochenarbeitszeit (ebenda). Bei differenzierter Analyse der Gründe für die Verkürzung der tatsächlichen Arbeits- zeiten kann festgestellt werden, dass über die Hälfte der Beschäftigten (52,6 %) als ausschlaggebenden Grund das Bedürfnis nach Zeitwohlstand bzw. Zeitgewinn angeben. Diesem Motiv folgen weitere Motive wie Reduktion der Arbeitsbelastungen (26, 4 %) sowie Solidarität mit Arbeitslosen (19,5 %) (Abb. 16). Abb. 16: Ausschlaggebender Grund für den Wunsch nach Verkürzung der tatsächlichen Arbeitszeiten bei den beschäftigten nach Geschlecht und Qualifikation (in %) Quelle: Groß/Munz 2000; 14 Bei der Frage, wie die Arbeitszeitverkürzung erfolgen soll, dominieren die freien Tage in Block. 51 % der Beschäftigten, die ihre tatsächliche Arbeitszeit verkürzen wollen, wünschen sich die Verkürzung in Form von freien Tagen umgesetzt, 26 % bevorzugt jeweils tägliche und 24 % wochenendnahe Arbeitszeitverkürzung. Der hohe Stellenwert von freien Tagen in Block oder zum Wochenende verweist auf das sogenannte Motiv des Zeitwohlstandes. Das Interesse an Freie-Tage-Regelungen ist dort am stärksten Abhängig Beschäftigte mit Wunsch nach Arbeitszeitreduktion Männer Frauen Qualifikation Insgesamt Niedrig Mittel Hoch Mir ist mehr Zeit wichtiger als mehr Geld 51,2 55,1 48,5 53,4 55,8 52,6 Ich würde gern kürzer Arbeiten, weil ich die Belastungen, die durch die Erwerbsarbeit entstehen, dann besser aushalten kann. 29,8 27,5 28,3 24,5 27,9 28,4 Ich möchte meine Arbeitszeit verkürzen, um einen Beitrag zum Abbau der Arbeitslosigkeit zu leisten 21,5 15,0 21,2 20,2 16,3 19,5 Oder gibt es einen anderen Grund? 1,4 1,4 2,0 1,8 - 1,4 196 ausgeprägt, wo die längsten tatsächlichen Arbeitszeiten bewältigt werden müssen. Dies zeigt sich auch an den geschlechtsspezifischen Einstellungen. 56 % der Männer wün- schen weitaus häufiger als ihre Kolleginnen (43%) freie Tage. Die Frauen bevorzugen dagegen weitaus häufiger (33%) als ihre Kollegen (21%) eine tägliche Arbeitszeitver- kürzung. Dies liegt in der sog. traditionellen Geschlechtsspezifik begründet: Frauen, die den Großteil der Kinderbetreuung und der Hausarbeit erledigen, versprechen sich von einer täglichen Arbeitszeitverkürzung mehr Entlastung als Männer (vgl. Groß/Munz 2000; 15). Die Ergebnisse der von Groß/Munz im Jahre 2000 sowie von Bauer/ Groß/ Lehmann/ Munz im Jahre 2003 durchgeführten Untersuchungen zeigen zudem, dass zu den ge- stiegenen täglichen wie wöchentlichen Arbeitszeiten auch die Überstunden der abhän- gig Beschäftigten stark gestiegen sind. Ergebnisse einer repräsentativen Betriebs- befragung, die im Jahre 2001 durch Bauer/Groß/Munz/Sayin durchgeführt worden ist, rechnete hoch, dass im Jahr 2001 in der Bundesrepublik Deutschland hochgerechnet insgesamt rund 1,6 Milliarden bezahlte Überstunden geleistet worden sind (Bauer/Groß /Munz/Sayin 2002; 15). Und laut Groß/Munz hat im Jahr 2000 jeder Beschäftigte in Nordrhein-Westfalen insgesamt 2,2 Überstunden pro Woche mehr geleistet als 1999. Zudem leisteten allein in Nordrhein-Westfalen 81,6% der befragten Beschäftigten in im März des Jahres 2000 Überstunden (Abb. 17). Abb. 17: Anteil der Überstundenbeschäftigten nach Geschlecht und Qualifikationsgruppe ( in %) Geschlecht Qualifikationsgruppe Insgesamt Überstundenarbeit Männer Frauen Niedrig Mittel Hoch Ja 87,1 74,0 72,2 83,6 91,4 81,6 Nein 12,9 26,0 27,8 16,4 8,6 18,4 Quelle: Groß/Munz 2000; 17 Groß/Munz schätzen bei dieser Entwicklung, dass durch Abbau von beschäftigungs- mindernden Überstunden ein Potenzial von ca. 500.000 Vollzeitarbeitsplätzen realisiert werden könnten: „Rein rechnerisch entspricht dem Volumen bezahlter und unbezahlter Überstunden ein beschäftigungspolitisches Äquivalent von rund 496.000 Vollzeit- arbeitsplätzen in NRW (6.648.000 [abhängig Beschäftigte] x 2,9 [beschäftigungsmin- 197 dernde Überstunden]: 38,8 [durchschnittliche vertragliche Wochenarbeitszeit eines/ einer Vollzeitbeschäftigten] = 496.887 [Vollzeitarbeitsplätze])“ (Groß/Munz 2000; 20). Auch die von Bauer/Groß/Lehmann/Munz durchgeführte Untersuchung kommt zu einem Ergebnis, dass die geschätzten beschäftigungswirksam abbaubaren Überstunden- volumen in einer Bandbreite von 219.00 bis 630.000 Vollzeitarbeitsplätzen liegen würden (vgl. Bauer/ Groß/ Lehmann/ Munz 2003; 14). Verstärkt wird dieser Anstieg der Überstunden durch die Einführung von Arbeitszeit- konten. Mit Zeitkonten verfügen die Unternehmen über ein effektives Instrument zu Überstunden. Die Zeitkonten bieten die Möglichkeit, kurzfristig auf Schwankungen des Arbeitsanfalls zu reagieren, ohne auf bezahlte oder auch unbezahlte Überstunden zurückgreifen zu müssen. Folge ist, dass die Verbreitung von Arbeitszeitkonten stetig zunimmt. Zwischen 1998 und 2001 stieg der Anteil der Betriebe, die Arbeitszeitkonten eingesetzt haben, um zehn Prozent, und der Anteil der Beschäftigten, für die ein Arbeitszeitkonto geführt wurde, um sieben Prozent. Im Jahr 2001 nutzten 29% aller Betriebe und Dienststellen Arbeitszeitkonten. Insgesamt wurde für 40 % aller Beschäftigten ein Arbeitszeitkonto geführt. Überdurchschnittlich häufig werden Arbeitszeitkonten im Verarbeitenden Gewerbe und insbesondere in der Investitions- güterbranche sowie in der öffentlichen Verwaltung eingesetzt. (vgl. BauerGroß/ Munz/- Sayin 2002; 22). Im Jahre 1999 waren noch 37% der Beschäftigten in irgendeiner Form von Arbeits- zeitkontenmodellen Die wesentlichen Einsatzgebiete von Arbeitszeitkonten liegen in der Verwaltung von Überstunden (In Westdeutschland 46% und Ostdeutschland 50%) und von gleitender Arbeitszeit (In Westdeutschland 36% und Ostdeutschland 26%). Auf die sonstigen Kontenmodelle entfallen 27% der Arbeitszeitkonten (In Westdeutschland 27% und Ostdeutschland 28%) (siehe Abb. 18). Groß/Munz/Seifert stellen in diesem Sinne fest, dass die Verbreitung von Arbeitszeitkonten stark mit dem beruflichen Status der Beschäftigten variiert. Demgegenüber spielen Arbeitszeitkonten im Bereich der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse nur eine geringe Rolle. Erwerbstätige, die einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen und deren vertragliche Arbeitszeit bei 15 Stunden liegt, verfügt nur zu 13% über ein Arbeitszeitkonto. Daraus kann abgeleitet werden, dass die Arbeitszeitkonten in der Regel für Vollzeit- und unbefristet Beschäftigten verwendet werden. Die Beschäftigten mit einem Arbeitzeitkonto nennen als Zweck des Arbeitszeitkontos die Anpassung der Arbeitszeit an betriebliche Erfordernisse (48%) und an den außerberuflichen Zeitbedarf (52%). Dies wird damit argumentiert, dass Frauen gerade in den Branchen, in denen am wenigsten mit Zeitkonten gearbeitet wird, wie dem Handel, den privaten Dienstleistungen und der 198 Konsumgüterindustrie, die größten Anteile bei der Gruppe der Arbeiterinnen stellen. (vgl. Groß/Munz/Seifert 2000; 221). Die größte Verbreitung von Arbeitszeitkonten ist im Angestellten- und Beamtenbereich zu beobachten. Auch die Altersteilzeit ist seit der Einführung von gesetzlicher Altersteilzeitregelung im 1996 gestiegen. Beim Betrachten der Interessen von Beschäftigten an Altersteilzeit, kann festgestellt werden, dass die Anspruchnahme von Altersteilzeit mit dem Alter steigt. Von den Beschäftigten, die älter sind wie 55, bekunden 62 % ein Interesse an der Altersteilzeit. Das Interesse an Altersteilzeit ist überwiegend durch das Interesse an Zeitwohlstand motiviert. Als ausschlaggebender Grund für das Interesse an Alters- teilzeit dominieren die auf Zeitwohlstand hindeutenden Motive. Abb. 18: Verbreitung von Arbeitszeitkonten und Kontenformen nach Geschlecht (in %) Quelle: Groß/Munz/Seifert 2000, Seite 220 Bei der Frage, welche Gründe beim Interesse an Altersteilzeit eine Rolle spielen, stehen das „Aussteigemotiv“ mit 91 % an oberste Stelle. An zweite Stelle kommt das „Zeitgewinnmotiv“ mit 89 % gefolgt vom „Hobbymotiv“ mit 85 %, „Solidarmotiv“ mit 79 %, und dem Motiv der stärkeren Zuwendung zur Familie mit 74% (vgl. Bundesmann-Jansen/Groß/Munz 2000; 32). Zusammenfassend kann also festgehalten werden, dass in oben skizzierten Unter- suchungen befragten Beschäftigten insgesamt kürzer arbeiten wollen. Vor allem möchte 199 die Mehrheit der Beschäftigten, die regelmäßig Überstunden leisten, gern die Über- stunden reduzieren oder gar keine Überstunden mehr leisten Bauer/Groß/Lehmann/ Munz 2003; 14). Bei der von Groß/Munz durchgeführten Befragung wird die Über- stundenarbeit von Mehrheit der Beschäftigten stark abgelehnt. 60, 5 % der befragten Beschäftigten möchten die Überstundenarbeit reduzieren oder gar aufgeben (vgl. Groß/Munz 2000; 21). Bei den Männern bedeutet das konkret die Reduzierung der Überstunden und die Durchsetzung normaler tariflicher Arbeitszeiten bis hin zu verkürzter Vollzeit. Bei den Frauen sind eher Arbeitszeitmodelle gefragt, die von der bisherigen marginalen Teilzeit hin zu kurzer Vollzeit wegführen. Aus diesen oben dargestellten Ergebnissen kann konstatiert werden, dass die Mehrheit der Beschäftigten kürzere Arbeitszeiten favorisieren und für günstigere Arbeitszeitregelungen plädieren. Daher verwundert es auch nicht, dass fast die Hälfte der Beschäftigten ihre tatsächlichen Wochenarbeitszeiten gerne verkürzen möchten. Das ausschlaggebende Motiv dafür besteht bei den Beschäftigten im Gewinn von Zeit oder Zeitwohlstand. Dieser wird benötigt, um lebensweltliche Anforderungen bewältigen und außerberuflichen Interessen nachgehen zu können. Der Wunsch nach Arbeitszeitverkürzung wird auch des Öfteren mit dem Abbau von Arbeitslosigkeit und der Belastungsreduktion begründet. 4.2. Defizite in der betrieblichen und außerbetrieblichen Zeitgestaltung aus Sicht der Beschäftigten Die neuen Zeitstrukturen haben negative Folgen für die Beschäftigten. Je nach Grad der Flexibilisierung nehmen gerade für die Beschäftigten aufgrund der damit einhergehenden Änderungen die konkrete Arbeitsplanung und die Planbarkeit des übrigen Arbeitsverhaltens ab. Dies nimmt stetig zu, wenn die Beschäftigten, ihre gesamte Lebensführung mehr oder weniger auf den konkret gegebenen Unternehmens- bedarf ausrichten müssen. Für die Beschäftigten bedeutet das konkret, hinsichtlich der Arbeitszeitflexibilisierung entstehendes Problem der Koordination beruflicher Tätigkeit mit dem privaten Leben zu lösen. Denn wo immer variable Arbeitszeiten auftreten, gibt es auch Interessenkonflikte zwischen den Interessen der jeweils Betroffenen und den Anforderungen der Betriebe. Aus diesem Grund soll in den nächsten Abschnitten gezeigt werden, welche Haltung die Beschäftigten bezüglich neuer Arbeitszeitmodelle einnehmen bzw. wo aus ihrer Sicht hier Defizite existieren. Bei der Darstellung von Sichtweisen der Beschäftigten werden zwei Hauptkriterien hervorgehoben und getrennt behandelt: Nämlich betriebliche Zeit- 200 gestaltung und die daraus resultierende außerbetriebliche Zeitgestaltung. Denn eine Auseinandersetzung mit Sichtweisen der Beschäftigten bedeutet auf jeden Fall nicht nur die Arbeitszeiten-, sondern auch die Lebensinteressen der Beschäftigten im Blick zu haben. Eine zukunftsorientierte Arbeitszeitpolitik muss die Veränderungen der Arbeits- welt, der Gesellschaft und des Arbeitnehmerbewusstseins gleichwertig reflektieren. 4.2.1. Defizite in der betrieblichen Zeitgestaltung Wie schon im Kapitel 3 ausführlich dargestellt ist, verlagert die Forderung der Arbeit- geberseite, dass jedes Unternehmen Arbeitszeitmuster nach Maß entwerfen müsse, die passgenau auf die betrieblichen Anforderungen zugeschnitten sind, die Diskussion immer mehr auf die betriebliche Ebene. Das gilt vor allem für die Lage und Verteilung der Arbeitszeiten in einzelnen Betriebsbereichen sowie für die einzelnen Beschäftigten. In diesem Zusammenhang beeinflussen viele betriebliche Maßnahmen und Verän- derungen die innerbetriebliche Gestaltung der Arbeitszeiten sowie die außerbetriebliche Zeitgestaltung. Konkret heißt das, dass der Veränderungsprozess nicht nur die unmittelbaren Interessen des Arbeitgebers berücksichtigen, sondern auch die Interessen der Beschäftigten ernst nehmen muss. Gerade Seitens der Beschäftigten gibt es unübersehbare Interessen, persönliche Zeit- wünsche bei der Lage und Gestaltung der Arbeitszeit einzubringen. Ein wesentlicher Teil solcher Zeitwünsche richtet sich auf die variable Gestaltung der Arbeitszeiten und des täglichen Arbeitsbeginns und Arbeitsendes. Dies hat auch zur Folge, dass die Koor- dinierung von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen und der damit verbundene Aus- gleich der unterschiedlichen Präferenzen stattfinden müssen. Aus diesem Grund erscheint es notwendig, zu untersuchen, ob die Interessen der Beschäftigten von den Tarifparteien sowie betrieblichen Akteuren berücksichtigt werden und was für eine Haltung die Beschäftigten gegenüber der Politik von Tarifparteien einnehmen. Die Arbeitsverdichtung, Flexibilisierung und unmittelbare Kostenkontrolle des einzelnen Arbeitsplatzes sind heute Bestandteile einer umfassenden und dynamischen Rationali- sierung, die ständig die Grenzen der Belastbarkeit von Beschäftigten neu auslotet. Damit verbunden sind Belastungen, welche die psychische und physische Leistungs- fähigkeit der Beschäftigten nachhaltig beeinträchtigen, auch zu Lasten ihrer Produk- tivität am Arbeitsplatz. Auch wenn Seitens der Arbeitgeber und ein Teil der Öffentlichkeit immer wieder der Eindruck erweckt wird, dass die Flexibilisierungswünsche der Unternehmen sich mit 201 ähnlich gerichteten Zeitpräferenzen großer Teile der Beschäftigten, wie sie in Umfragen ermittelt worden seien, durchaus in Einklang bringen ließen (vgl. z.B. Teriet 1977) zeigen die aktuellsten Untersuchungen (Bauer/ Groß/Munz/Sayin 2002; Arbeits- und Betriebszeiten 2001 / Bauer/Groß/ Lehmann/ Munz 2004; Arbeitszeit 2003 / Bosch/ Wagner; IAT-Report 2002; Konvergenz der Arbeitszeitwünsche in Westeuropa), dass tendenziell genau das Gegenteil vorhanden ist. Die Vorstellung der Unternehmen, dass durch Existenz von unterschiedlichen Arbeitszeitkontenmodellen die Regelarbeitszeit monatlich, jährlich oder über noch längere Ausgleichszeiträume noch flexibler geregelt werden soll, wird mittlerweile von den Beschäftigten nicht mehr akzeptiert. Die Arbeitszeiten an die schwankende Nachfrage anzupassen, wird seitens der Beschäftigten als Verlust der Zeitsouveränität bewertet. Die Beschäftigten vertreten die Position, dass die Flexibilisierung der Arbeitszeit nicht nur allein nach Unternehmer- wünschen folgen soll (vgl. Bauer/Groß/ Lehmann/ Munz 2004; 116). In diesem Zusammenhang wird das vorhandene Spannungsfeld zwischen den tatsäch- lichen Arbeitszeitbedingungen und den Arbeitszeitwünschen seitens der Beschäftigten deutlich, wenn die skizzierten Studien differenziert betrachtet werden. Die Euphorie über die flexiblen Arbeitszeitmodellen, die Anfang bis Mitte der 90er Jahre unter den Beschäftigten herrschte, wandelte sich in den letzten Jahren in Unzufriedenheit bzw. Unmut. Die Flexibilisierung von Arbeitszeiten erzeugt bei den Beschäftigten extrem negative Gefühle. Eine Untersuchung, die anhand einer Aktion des Betriebsrates der IBM Düsseldorf entstanden ist, belegt die Situation, in welcher sich die Beschäftigten befinden. Vor allem Zitate wie „Ich habe noch mehr Überstunden gemacht und konnte trotzdem abends nicht zufrieden nach Hause gehen. Irgendetwas Wichtiges blieb immer liegen.“, „Ich wache nachts auf und klebe mir schweißgebadet kleine gelbe Haftzettel an die Stirn, immer noch getreu meinem Glauben an das Zeitmanagement“, „Mein Chef begegnet mir. Beiläufig schaut er auf die Uhr. Schon habe ich ein schlechtes Gewissen. Gehe ich zu früh? Ich bin doch schon 9 Stunden hier. Unangenehme Situation“ zeigen, dass die Unzufriedenheit de Beschäftigten zugenommen hat (vgl. http://www. labournet.de/diskussion/arbeitsalltag/walsr.html). Die Ergebnisse der Studien „Arbeitszeit 2000 in Nordrheinwestfalen“, „Arbeitszeit 2003“ usw. zeigen, dass die mit der Gesundheit, dem Arbeitstempo und der Arbeitszeit zusammenhängenden Probleme in der Arbeitswelt sich verschärft haben (Groß/Munz 2000; 47f). Demnach verursacht höherer Arbeitsdruck und flexible Arbeits(zeit)formen eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen. Die Studien machen deutlich, dass der größte Teil der Beschäftigten während ihrer Arbeitszeit unter hohem Tempo und unter Termindruck arbeiten muss und dass sich die Arbeitsbedingungen nicht verbessert und in gewisser Hinsicht verschärft haben. Des Weiteren belegen die oben skizzierten 202 Studien, dass die flexiblen Arbeitszeitmodelle, die nur die Belange der Unternehmen berücksichtigen, häufig nicht mit den Interessenlagen der Beschäftigten in Einklang stehen. Ein ähnliches Bild der Arbeitszeitpräferenzen ergab sich auch aus den Gesprächen mit Beschäftigten aus unterschiedlichen Unternehmen, die im Rahmen dieser Arbeit durch- geführt wurde. Dabei wurde deutlich, dass Wunsch und Wirklichkeit dann überein- stimmen, wenn die Wünsche der Beschäftigten berücksichtigt werden. Die Gespräche zeigten zudem, dass nur ein geringer Teil der Beschäftigten mit ihrer jetzigen Arbeitszeit und mit den Arbeitszeitmodellen zufrieden sind. Vor allem eine dauerhafte Verlängerung der Arbeitszeiten stößt bei den meisten Beschäftigten auf Widerstand. „Wir haben hier die 37,5-Stunden-Woche, aber kein einziger von uns arbeitet 37,5 Stunden in der Woche. Das ist die Tatsache. 50 Stunden in der Woche sind mittlerweile normal. Entweder machst du jeden Tag Überstunden oder arbeitest an den Samstagen bis zu 10 Stunden. Das ist einfach so.“ erzählte ein DaimlerChrysler-Mitarbeiter aus Düsseldorf. Sehr unzufrieden mit den aktuellen Arbeitszeiten sind vor allem Beschäftigte, die regelmäßig an den Wochenenden arbeiten müssen. Bei dieser Gruppe, die eine Arbeitszeit von über 40 Stunden hat, entsprach dieses Arbeitszeitarrangement nicht den eigenen Vorstellungen. Der überwiegende Teil dieser Beschäftigten wünscht sich eine Arbeitszeitreduktion, der Grossteil davon in erheblichem Umfang. Eine weitere sehr unzufriedene Gruppe stellten die Beschäftigten dar, die permanent Überstunden leisten müssen. Dabei konnte festgestellt werden, dass die Realein- kommensverluste einen sehr starken Einfluss auf die geleisteten Arbeitszeiten haben. Aus den Gesprächen ging deutlich hervor, dass die Ausweitung der Arbeitszeit verstärkt mit den in den letzten Jahren eingetretenen Realeinkommensverlusten der Beschäftigten einherging. Viele der Beschäftigen, die unfreiwillig Überstunden leisten, tun dies um die Einkommensverluste durch Überstunden zu kompensieren. „Ich kann das Geld für die Überstunden gut gebrauchen“, heißt es oft. So waren Beschäftigte mit einem über- durchschnittlichen Einkommensverlust bereit, ihre Arbeitszeit eher auszudehnen. Auch Beschäftigte, die Angst um ihren Arbeitsplatz hatten, leisteten unfreiwillige Über- stunden und Wochenendarbeit. Die Beschäftigten sind zwar der Meinung, dass die neuen Arbeitszeitmodelle mit Arbeitszeitkonten mehr Spielraum bieten. Doch die angesparten Zeiten können häufig nicht mehr nach eigenen Wünschen und Bedürfnissen ausgeglichen werden. Zeitguthaben von 150 bis 200 Stunden sind nicht selten. Die Aussagen verdeutlichten zudem, dass die Grenze zwischen Arbeits- und Freizeit immer mehr verschwimmt. Aus diesen Gründen will die Mehrheit von allen befragten Beschäftigten am liebsten von Montag bis Freitag arbeiten. In Anbetracht der Tatsache, dass jedoch viele Befragte auch regelmäßig an Samstagen und Feiertagen arbeiten, kann 203 zunächst einmal festgehalten werden, dass Wunsch und Wirklichkeit in diesem Punkt keinesfalls deckungsgleich sind. Dass diese Ergebnisse keine Besonderheiten sind, wird im Übrigen von vielen Arbeits- zeitstudien bestätigt (Groß/ Munz 2000; Arbeitszeit 2000 in Nordrhein-Westfalen / Groß/Munz 2000; Arbeitszeit `99 / Bundesmann-Jansen/Groß/Munz 2000; Arbeitszeit 99 / Bauer/Groß/Munz/Sayin 2002; Arbeits- und Betriebszeiten 2001 / Bauer/ Groß/ Lehmann/Munz 2004; Arbeitszeit 2003 / IAT-Report 2002; Konvergenz der Arbeits- zeitwünsche in Westeuropa). Diese von ISO, IAT und Hans-Böckler-Stiftung geförder- ten Untersuchungen, die die Arbeitszeitwünsche von Beschäftigten in den Blick nehmen, bestätigen den Wunsch der Beschäftigten, mehr Einfluss auf die Ausgestaltung ihrer Arbeitszeit nehmen zu können. Zudem zeigen dieselben Untersuchungen, dass die Interessen an kürzeren und sozialverträglichen Arbeitszeiten zugenommen haben. Demnach wird eine Verlängerung von Arbeitszeiten auch zu einem großen Teil von denjenigen abgelehnt, die nicht samstags und sonntags arbeiten müssen. Rund zwei Drittel aller Wochenendbeschäftigten lehnen darüber hinaus Samstags- und Sonntags- arbeit ab und würden sie gern reduzieren bzw. ganz aufgeben (vgl. Bauer/Groß/ Schilling 1996). Tatsache ist, dass die Mehrheit der Beschäftigten mit der jetzigen Arbeitszeitgestaltung nicht zufrieden ist: „Modelle, die Arbeitszeiten so regeln, dass beide Seiten gleicher- maßen davon profitieren, gibt es nur auf dem Papier. Die Wünsche der Beschäftigten an die Arbeitszeitgestaltung sind zwar bekannt, werden aber nicht ernst genommen“, stellt ein Mercedes-Benz Mitarbeiter fest. Ein anderer Beschäftigter resümiert, dass die Beschäftigten sich geregelte Arbeitszeiten wünschen. Wie sie geregelt sein sollen, soll nicht nur durch den Arbeitgeber selbst bestimmt werden, sondern gemeinsam. Die Realität in den Betrieben sieht jedoch anders aus: “Die Zeitsouveränität der Beschäftigten gibt es nicht", ist die herrschende Meinung. Zudem “kann man in den Tarifvertrag und in Betriebsvereinbarungen reinschreiben, was man will. Der Arbeit- geber tut so oder so, was er will“. Wie der Alltag in den Betrieben aussieht, beschreibt ein Gruppensprecher bei der Visteon GmbH: „Der Abteilungsleiter und der Meister bestimmen je nach Auftragslage die Arbeitszeiten und wer wann arbeiten soll. Es wird versucht, die Arbeitszeit der Kollegen dem Anfall der Arbeit anzupassen. Letztlich hat er (der Meister) 3 Kollegen, die Frühschicht hatten, am Freitag um 10.00 Uhr nach Hause geschickt und zur Wochenendschicht von 6 bis 16 Uhr beordert. Wir werden nach Belieben geholt und heimgeschickt“. „Viele Kollegen erfahren kurzfristig, manchmal sogar am Donnerstag oder Freitag, dass sie am Samstag arbeiten sollen. Was sollen wir da für unsere Freizeit noch planen?“ fragt ein Beschäftigter bei Mercedes- Benz Lenkungen in Düsseldorf: „Von wegen Mitbestimmung. Der Chef entscheidet, 204 wann wir arbeiten sollen. Wir haben dann zu erscheinen. Wenn wir aber an diesem Samstag etwas Wichtiges zu erledigen haben oder Besuch kriegen, dann müssen wir dies wegen der betrieblichen Option absagen. Von wegen Verbesserung der planbaren Zeit“. Folge ist, dass die Stimmung in den Betrieben miserabel sei. “Wenn ich morgens aufstehe und an die Arbeit denke, dann fühle ich mich sehr unwohl“, sagt ein Beschäftigter aus Witte AG. Demzufolge schlägt sich die Euphorie in Wut und Enttäuschung um und bei den jüngsten Betriebsversammlungen brachten die Beschäftigten ihren Unmut deutlich zu Wort. In vielen Fällen erkläre einem der Meister oder der Vorgesetzte gerade dann, wenn man seine angesammelte Arbeitszeit frei nehmen will, dass das leider im Moment nicht möglich sei, weil die Aufträge bzw. Stückzahlanforderungen es nicht erlauben. Meist haben sie auch noch ein paar andere schwerwiegende Gründe parat. So muss man sich also den Sachzwängen des Betriebes beugen. Schließlich wolle der Arbeitgeber vor allem, teure Formen der Arbeitszeit durch billigere Formen ersetzen. Es gehe dabei vor allem darum, für Nacht-, Samstags- oder Sonntagsarbeit sowie für Arbeit über den 8- Stunden-Tag keine Zuschläge zu bezahlen. Sehe man sich die Entwicklung in den letzten Jahren an, werde einem bewusst, wohin die Reise geht. In diesen Aussagen kann eine ganz klare Absage festgestellt werden. Für die Mehrheit der interviewten Beschäftigten bedeutet diese Entwicklung gleichzeitig, „Einschleichen des Regel- samstags durch die Hintertür“. Ähnlich sieht es auch mit Arbeitszeitkonten und Abbauen von gesammelten Stunden. Dabei weisen die befragten Beschäftigten darauf hin, dass die Zeiterfassung nicht immer korrekt abläuft: „Ich kontrolliere immer, wie viel Stunden auf welchem Konto gebucht sind. Wir haben bei uns mehrere Konten, wo die Mehrarbeit gebucht wird. Du musst immer aufpassen, ob die Stunden korrekt gebucht werden. Wenn du nicht aufpasst, sind die Stunden weg. Die siehst du nie wieder“ erzählt ein Mercedes-Benz-Beschäftigter. Wann die gesammelten Stunden genommen werden können, darüber entscheidet wiederum der Arbeitgeber. Hier tendiert die Einstellung dahin, dass der Betrieb selbst entscheidet, wann die gesammelten Stunden genommen werden dürfen. Die Beschäftigten wollen aber über ihre Freischichten selbst mitbestimmen bzw. wenigstens gefragt werden. „Viele können sie nicht nehmen, weil sie gebraucht werden. Wegen Personalengpässen wird den – vor allem gut qualifizierten – Beschäftigten nicht erlaubt frei zunehmen“ sagt ein Gruppensprecher von Mercedes-Benz. Die Stammbelegschaft sei so ausgedünnt worden, dass dadurch die individuelle Zeitplanung auf der Strecke bleibe. „Auf diese Weise wird die Abhängigkeit der Kollegen von den Erfordernissen des Betriebes noch mal vergrößert. Wenn du gebraucht wirst, sollst du immer da sein und die volle Leistung bringen, ohne Rücksicht auf deine eigenen Wünsche. Und wenn 205 du `Nein´ sagst, wird damit argumentiert, dass du dich später erholen sollst bzw. kannst, wenn du aufgrund eingesparter Zeit etwa früher in Rente gehst“ sagt ein Beschäftigter von Mercedes-Benz Lenkungen GmbH und führ fort: „Aber vielleicht kommst du ja gar nicht mehr dazu, weil du dich bereits kaputtgeschuftet hast und auf dem Friedhof liegst. Lieber heute einen freien Tag als später eine Dauererholung auf dem Friedhof“. Bei vielen ist das Zeitguthaben inzwischen auf über 200 Stunden gestiegen. „Wo bleibt das Familienleben und unsere Gesundheit?“ heißt die berechtigte Frage. Auf die Frage, was sie wollen, wird geantwortet, dass die Beschäftigten es bevorzugen, lieber pünktlich Feierabend zumachen, den freien Samstag, das ganze Wochenende mit der Familie und Freunden zu genießen, statt endlos zu arbeiten. „Das Ziel der Arbeit- geber, die Produktionszeiten der Maschinen je nach Kapitaleinsatz zu verlängern und die Arbeitszeitrhythmen an die Markt- bzw. Kundenrhythmen anzupassen bedeutet gleichzeitig über seine Mitarbeiter zeitlich möglichst umfassend zu verfügen und möglichst wenig dafür zu bezahlen“ argumentiert ein Betriebsratsmitglied bei Mercedes-Benz Lenkungen und führt fort: „Er bestellt die Arbeiter immer dann zur Arbeit, wenn viel zu tun ist, und schickt sie dann nach Hause, wenn nichts oder weniger zu tun ist. So spart er Lohnkosten. Er braucht die Zeit nicht zu bezahlen, in der die Arbeiter nicht ausgelastet sind oder auf Aufträge warten“. Tatsache ist, dass während ein kleiner Teil der Beschäftigten von Arbeitszeitkonten profitiert (Angestellte mehr als Arbeiter, Männer mehr als Frauen), gibt der größte Teil der Beschäftigten an, dass sich durch Arbeitszeitkonten die Bedingungen für sie verschlechtert haben. Beschäftigte in höheren beruflichen Positionen profitieren häufiger von neuen Spielräumen, während Beschäftigte in unteren und mittleren beruflichen Positionen tendenziell eher in neue Abhängigkeiten geraten. Die längeren Arbeitszeiten werden auch als Gesundheitsschädigend bewertet. Viele Beschäftigte äußern eine stärkere körperliche Belastung. Überlange Arbeitszeiten erzeugen starke körperliche und seelische Belastungen sowie eine hohe Unfallgefahr (Bauer/Groß/ Lehmann/Munz 2004; 179f). Beschäftigte mit tatsächlichen Arbeitszeiten über 40 Stunden und Beschäftigte mit Schicht-, Nacht- oder Wochenendarbeit geben überdurchschnittlich häufig an, unter gesundheitlichen Beschwerden zu leiden. Dazu kommt, dass durch zu kurze Erholungszeiten oder ein Nichteinhalten von Rhythmen der Beanspruchung und Erholung Krankheiten ausgelöst werden können (vgl. Oppolzer 1993; 140f.). Stark belastend sind ebenfalls untypische Arbeitszeiten wie Nachtarbeit, die, sowohl kontinuierliche als auch in Wechselschicht ausgeübt, auf Dauer zu Gesundheitsschädigungen führt. Darüber hinaus führt eine untypische Lage der Arbeits- zeiten zu einer mangelnden Vereinbarkeit mit dem sozialen Umfeld, was ebenfalls belastet (vgl. Seifert 1995; 25). Angesichts der stärkeren Unzufriedenheit und der 206 größeren Beanspruchung durch die Arbeitintensivität sind diese Ergebnisse kaum überraschend. Demzufolge fordern viele Beschäftigte, dass durch verbindliche Regelungen und durch Betriebsvereinbarungen klare Bedingungen geschaffen werden sollen, die den individuellen und gesellschaftlichen Bedürfnissen der Beschäftigten ebenso zwingend Rechnung tragen, wie den Interessen der Arbeitgeber (vgl. Groß/ Munz 2000; 47). Aus diesem Grund sollen die Arbeitszeiten präzise erfasst und monatlich abgerechnet werden – genau wie der Lohn. In diesem Sinne fordern die Beschäftigten, dass die Arbeits- und Freizeit für die Beschäftigten wieder planbar werden müssen. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass durch die derzeitigen Arbeitszeit- regelungen in den Betrieben die Unzufriedenheit der Beschäftigten wächst. Tatsache ist, dass die Akzeptanz für weitere Flexibilisierung von Arbeitszeiten in den letzten Jahren deutlich gesunken und der Wunsch nach Verkürzung der Arbeitszeit erheblich gestiegen ist. Als Hauptursache für die Unzufriedenheit am Arbeitsplatz kann die zunehmend größer werdende Kluft gezeigt werden, die zwischen den Arbeitnehmerwünschen und der Arbeitsweltwirklichkeit besteht. Gefragt nach den Ursachen für Mehrarbeit, wird hauptsächlich „Zu wenig Personal“ genannt. Diese Aussage macht deutlich, dass die von Beschäftigten in den letzten Jahren verspürte Arbeitsverdichtung keine An- sammlung von Einzelfällen ist, sondern offenkundig ein strukturelles Problem darstellt. Hieraus die richtigen Schlussfolgerungen für die künftige Politik zu ziehen, ist eine wichtige Aufgabe für die Gewerkschaften und Betriebsräte. Denn gerade hier liegt der zentrale Punkt zur Verringerung des Spannungsverhältnisses zwischen der Arbeits- zeitrealität in den Betrieben einerseits und den Wünschen der Beschäftigten anderer- seits. Da aber die Unternehmen aus Kosten- und Wettbewerbsgründen an geringen Personal- kosten interessiert sind, ist nicht damit zu rechnen, dass die Zeitautonomie der Beschäftigten gestärkt wird. Viele Untersuchungen ergeben, dass in den seltensten Fällen die Zeitautonomie der Beschäftigten Auslöser für die Einführung neuer Arbeits- zeitformen war, sondern betriebliche Interessen. Diese Entwicklung wirkt sich besonders für Beschäftigte mit familiären Verpflichtungen nachteilig aus, da sie nicht mehr selbst über ihre Arbeitszeit verfügen können (vgl. Seifert 1998; 22f.). Entsprechend werden Arbeitszeiten am Abend, an den Wochenenden und nachts von den meisten Beschäftigten abgelehnt (vgl. Groß 1995; 137ff.). Der Wunsch der Arbeitgeber (die optimale Kapazitätsauslastung) bedeutet für die Beschäftigten eine zunehmende Vermischung von Arbeitszeit und Freizeit durch sogenannte Arbeitszeitflexibilisierung. In diesem Zusammenhang ist es schwer für die 207 Beschäftigten, ihre Wünsche und Interessen durchzusetzen. Dies gilt auch für den Freizeitausgleich, der für Mehrarbeit gewährt wird. Folge ist, dass immer weniger Beschäftigte den Schutz rechtlich und tariflich geregelter Arbeitsverhältnisse genießen. Für die Mehrheit gilt: Arbeit auf Abruf, regelmäßige Überstunden und Wochen- endarbeit, unkalkulierbare Arbeitszeiten. 4.2.2. Defizite in der außerbetrieblichen Zeitgestaltung Ein weiterer Gesichtpunkt, der bei der Einführung der Arbeitszeitflexibilisierung von Bedeutung ist, ist die konkrete außerbetriebliche Zeitgestaltung der Beschäftigten und die darauf basierende gesellschaftliche Infrastruktur. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage nach den möglichen Bedingungen, die die flexible Gestaltung der Arbeitszeit fördern bzw. hemmen. Für die Beschäftigten, die gerade flexible Arbeits- zeitmodelle haben, ist es immer schwieriger, die eigene und familiäre Lebensführung zu organisieren, wenn sie aufgrund der Arbeitszeit ihre Freizeit nicht ihren eigenen Wünschen gemäß nutzen können. Folglich wird aufgrund dieser negativen Aus- wirkungen das Niveau der Lebensqualität beeinträchtigt und damit die allgemeine Zufriedenheit nachteilig beeinflusst. Die Ergebnisse vieler Untersuchungen belegen, dass es einen deutlichen Zusammenhang zwischen der außerberuflichen Zeitgestaltung und der allgemeinen Arbeitszufriedenheit gibt. Also sind für die Arbeitszufriedenheit der Befragten nicht nur die direkten Arbeitsbedingungen und Arbeitszeitmerkmale verantwortlich, sondern auch die Zeit, die für außerberufliche Aktivitäten bleibt. Vor diesem Hintergrund wurden die Beschäftigten auch über ihre alltägliche Lebens- führung und die Folgen der betrieblichen Arbeitszeitgestaltung befragt. In diesem Zusammenhang wurden die interviewten Beschäftigten aufgefordert, ihre Besorgnisse und Wünsche anzugeben. Wichtigstes Ergebnis der Befragung war, dass die betriebliche Arbeitszeitgestaltung das Alltagsleben der Beschäftigten sowie deren Familien sehr stark prägt. Denn die Arbeitszeit ist der zentrale Zeitgeber für das Familienleben: Tages-, Wochen- und Jahresarbeitszeit entscheiden darüber, wie der Alltag in Familien verbracht wird. An der Verteilung der Lebensarbeitszeit hängt die Familienbildung ebenso wie der ganze Lebensverlauf. Ein weiteres Problem entsteht dann, wenn durch die individuelle Handhabung die Strukturen der Zeitabläufe der verschiedenen Familienmitglieder, der Freundeskreise oder anderer Gruppen sowie bestimmter Dienstleistungen, die in der Freizeit in Anspruch genommen werden, nicht mehr aufeinander abgestimmt werden können. 208 Darüber hinaus stellte sich heraus, dass unter der interviewten Beschäftigten nach wie vor traditionell geschlechtshierarchische Arbeitsteilungsmuster dominieren: Vor allem die Rollen zwischen den Ehepaaren sind entsprechend der Trennung von Familienleben und Erwerbsarbeit klar verteilt und werden nach der „Familienernährer/ Hausfrau“ Konstellation organisiert. Zwar sind durch flexible Arbeitszeiten leichte Auflösungs- tendenzen vorgegebener Rollenleitbilder zu beobachten, jedoch beteiligt sich nur ein geringer Teil der Männer intensiv an sämtlichen Familienarbeiten sowie der Kinder- betreuung. Weiterhin konnte festgestellt werden, dass die flexiblen Arbeitszeiten für das Familienleben unterschiedliche Effekte haben. Flexible Arbeitszeiten, die nur die Belange der Unternehmen berücksichtigen, erschweren die Vereinbarkeit von Familien- und Erwerbsleben und bringen mehr Belastungen mit sich. Vor allem stellen die Beschäftigten, die permanent an den Wochenenden arbeiten und regelmäßig Über- stunden leisten müssen, fest, dass das Familienleben wesentlich stressiger ist. Bei dieser Gruppe fällt die Koordination von Familienleben und Schichtarbeit allen Paaren deutlich schwerer. Wie das alltägliche Leben aussieht, beschreibt ein Mitarbeiter bei Witte AG wie folgt: „Wenn du Spätschicht hast, dann läuft nach der Arbeit nichts. Vor der Arbeit kannst du nichts unternehmen, höchstens einkaufen, Arztbesuch oder Sachen bei den Behörden erledigen. Wenn du Nachtschicht hast, dann kommst du nach Hause, wenn die anderen zur Arbeit fahren. Den halben Tag schläfst du. Dann passiert nicht viel. Kino, Freunde besuchen oder Sport ist nichts drin. Das schaffst du gar nicht. Und wenn du Frühschicht hast, dann bist du so kaputt, dass du gar nichts unternehmen willst. Nur an den Wochenenden kannst du mit der Familie was planen. Gemeinsam einkaufen gehen, Freunde besuchen, oder ins Kino“. Ähnlich geht es den anderen Beschäftigten, die auch Schichtarbeit haben. Die Organisation des alltäglichen Lebens wird durch die Schichtarbeit vor große Probleme gestellt. Wie oben erwähnt, ist nach der Spätschicht keine Freizeitaktivität möglich. Der freie Vormittag wird hauptsächlich spontan für Hausarbeiten, Einkaufen, Putzen und ähnliches geplant. Die Nachtschicht stellt für alle Beschäftigten ein besonderes Problem dar, vor allem die Umstellung von der Nachtschicht auf die Tagschicht oder umgekehrt: „Wenn ich eine Woche Nachtschicht habe, brauche ich für die Umstellung ein paar Tage. Bis ich mich an die Nachtschicht gewöhne, ist die Woche um. Dann habe ich entweder Früh- oder Spätschicht. Am Schlimmsten ist es, wenn ich anschließend Frühschicht habe. Dann passiert es mir des Öfteren, dass ich ohne viel Schlaf zur Arbeit fahre. Weil ich davor die Nacht sehr spät einschlafen konnte. Wenn ich dann Feierabend habe, dann will ich nichts tun. Manchmal liege ich stundenlang auf dem Coach und tue nichts“ sagt ein Beschäftigter bei der Visteon GmbH. Noch problematischer wird es, wenn die Lebensgefährtin auch berufstätig ist: „Zum Glück hat meine Frau feste Arbeitszeiten, so 209 dass sie sich um bestimmte Aufgaben kümmert. Wenn das nicht so wäre, wäre es noch schwieriger. Sonst ist nichts mit der Schichtarbeit. Wer sollte sich dann um Kinder kümmern.“ erklärt ein verheirateter DaimlerChrysler-Beschäftigter. Ein anderer Beschäftigter bei DaimlerChrysler hat da nicht so viel Glück. Denn seine Frau ist im Einzelhandel tätig: „Wenn ich Frühschicht habe, dann ist sie, wenn sie Spätschicht hat, erst um 21.00 Uhr zuhause. Oder wenn ich Spätschicht habe, dann geht sie morgens um 8.00 Uhr los. Wir sehen uns in der Woche sehr selten, wenn dann nur kurz. Nur am Sonntag können wir gemeinsam was tun, weil sie auch Samstag arbeiten muss“. Bei der gesamten Untersuchungsgruppe, die das 3-Schicht-Modell hat, ist eine gewisse Unzu- friedenheit mit ständig wechselnden Arbeitszeiten erkennbar. Auch die zunehmende Flexibilisierung der Arbeitszeit mit Einbeziehung des Wochen- endes wird zum größten Teil abgelehnt. Bei allen Befragten konnte festgestellt werden, dass die kurzfristig- oder langfristig angesagte Wochenendarbeit das Familienleben erschwert. In diesem Zusammenhang stellt Rinderspacher fest, dass besonders die Familie unter der Zeitnot leidet: „Innerhalb der Woche besteht kaum Zeit für mehr als die reine Regeneration und für Hausarbeit“ (Rinderspacher 2000; 52). Allgemein ist festzustellen, dass je mehr die Beschäftigten an den Wochenenden arbeiten, desto ausgeprägter für sie die negativen Auswirkungen der Wochenendarbeit sind: „Früher habe ich Fußball gespielt. Jetzt ist das nicht mehr möglich. Wenn ich des Öfteren an den Samstagen und ab und zu mal am Sonntag arbeiten muss, dann habe ich keine Zeit mehr für das Fußballspielen. Statt Fußballspielen, gehe ich nun gelegentlich angeln“ sagt ein Beschäftigter bei Witte AG. Für einen anderen Beschäftigten, der auch regelmäßig an den Samstagen arbeitet, hat sich die Freizeitgestaltung ähnlich radikal verändert: „Grundsätzlich plane ich nichts für Samstage. Weil ich nicht weiß, ob ich frei habe oder arbeiten muss. Bei uns muss normalerweise der Betrieb schon am Dienstag entscheiden, ob Samstag gearbeitet wird oder nicht. Aber keiner hält sich an diese Regelung. Die Meister kommen erst am Donnerstag oder sogar am Freitag und fragen „wer arbeiten will?“. Und wenn keiner sich meldet, dann entscheiden sie, wer arbeiten soll. Was soll man da großartig planen. Ich wollte mehrmals mit meiner Familie gemeinsam einkaufen gehen oder mit meinen Kindern lange Ausflüge machen. Und jedes Mal musste ich das abblasen. Weil der Betrieb mich „brauchte“. „Wenn ich frei habe, dann mache ich was mit der Familie oder besuche Freunde. Das alles wird immer spontan entschieden.“ erzählt ein Mercedes-Benz-Beschäftigter und deutet auf die Auswirkungen der Wochenendarbeit. Ein anderer Beschäftigter meint ironisch, dass seine Frau ihm mehrmals angeboten habe, nicht nach Hause zu kommen und nur noch im Betrieb zu leben. „Natürlich ist sie sauer, wenn ich immer öfter an den Samstagen arbeiten muss. Dann kann sie auch nichts planen oder muss sich um alles kümmern wie einkaufen, 210 putzen, um die Kinder kümmern“ sagt er und führt fort, „Manchmal, wenn ich so denke, bin ich ihr dankbar, weil sie immer noch mit mir verheiratet ist“. Durch Wochenendarbeit sind auch die Familienmitglieder betroffen. Zudem bleibt durch regelmäßiges Arbeiten an den Samtsagen nur der Sonntag für die Familie, soziale sowie kulturelle Aktivitäten übrig. Ein Visteon-Beschäftigter stellt in diesem Sinne fest, dass alle sozialen und kulturellen Aktivitäten sich auf Sonntag verlagern: „Mein Sohn spielt Fußball. Sie haben früher immer samstags vormittags gespielt. Jetzt spielen sie immer mehr am Sonntagvormittag. Und zwar deswegen, weil die Väter, die die Kinder zum Spiel fahren, am Samstag keine Zeit haben. Deswegen spielen sie jetzt am Sonn- tag. Der Sonntag ist dein einziger freier Tag. Da musst du die Kinder zum Spiel fahren, dann kommst du nach Hause und es ist schon Nachmittag. Dann willst du mit deiner Frau was tun, du besuchst Freunde oder gehst mit ihr ins Kino. Schon ist es Abend“. Aus den Befragungen geht deutlich hervor, dass das Wochenende von vielen Beschäftigten als Zeitraum für Entspannung und Familie betrachtet wird. Das bestätigen auch Studien, die die außerbetrieblichen Aktivitäten der Beschäftigten untersuchten (Groß/Munz 2000; Arbeitszeit `99 / Bundesmann-Jansen/Groß/Munz 2000; Arbeitszeit 99 / Bauer/Groß/Munz/Sayin 2002; Arbeits- und Betriebszeiten 2001 / Bauer/ Groß/ Lehmann/Munz 2004). Hervorhebenswert ist vor allem, dass das Wochenende ange- sichts der Arbeitsverdichtung eine wichtige gesundheitspolitische Aufgabe erfüllt. Zudem ist festzuhalten, dass Wochenendarbeit eine Reihe psychischer und physischer Belastungen mit sich bringt. Viele der befragten Beschäftigten berichten von Belastungen, die mit regelmäßiger Wochenendarbeit zusammenhängen: Die psychische Befindlichkeit, Zeitmangel, sozialer Kontaktverlust und die Entfremdung von der Familie und Freunde werden als Probleme genannt. Analog dazu klagen die Beschäftigten, dass sie sich durch Wochenendarbeit sozial isoliert fühlen. Über die Hälfte der Befragten kann sich gut vorstellen, dass sich die der- zeitige Situation auf die Partnerschaft langfristig negativ auswirken kann. Die Lebens- gefährtinnen sind durch die Wochenendarbeit unmittelbar und nachhaltig betroffen, besonders gravierend in ihrer Freizeit- und Alltagstagsgestaltung So ist der über- wiegende Teil der Partnerinnen in besonderem Umfang für die Erledigung sämtlicher familien- und haushaltsbezogener Tätigkeiten zuständig. Bei den Lebensgefährtinnen wird besonders häufig beklagt, dass der Partner zuwenig Zeit für die Familie hat und man sich unter der Woche und an den Wochenenden oft einsam fühlt. Fast die Hälfte der Befragten klagt darüber hinaus, dass für sie die zwischenmenschlichen Beziehungen zu kurz kommen und dass sie kaum Zeit für kulturelle und sportliche Aktivitäten sowie Reisen haben. Die vorliegenden Befragungen belegen deutlich die besondere Bedeutung 211 des Wochenendes. Die Beschäftigten legen an den Wochenenden besonderen Wert auf Gemeinsamkeit und auf den Wunsch, mit engen Freunden und Familienmitgliedern zusammen zu sein und gemeinsame Aktivitäten zu unternehmen. Angesichts der dar- gelegten Entwicklung ist die Bereitschaft unter den Beschäftigten, an den Wochenenden zu arbeiten, relativ minimal. In diesem Zusammenhang ist es nicht verwunderlich, wenn die Wochenendarbeit von der Mehrheit der Beschäftigten abgelehnt wird. Ähnlich sieht es mit Überstunden und deren Auswirkungen auf die außerbetriebliche Zeitgestaltung aus. Immer mehr wird der Feierabend aufgeschoben. Für viele Beschäftigten sind Überstunden an der Tagesordnung. „Dieses Jahr komme ich wieder auf rund 500 Über- stunden“, sagt ein Gruppensprecher bei Visteon und setzt fort: „So bleibt nicht viel Zeit für die Familie, zum Lesen, ins Kino gehen, Beziehungen und Freundschaften“. Aufgrund dieser Erfahrung sind 90% der befragten Beschäftigten nicht bereit, Über- stunden zu machen. Die Mehrheit der Beschäftigten gab zudem an, gezwungenermaßen länger zu arbeiten, weil der Arbeitgeber das will und sie dazu zwingt. Im Allgemeinen hat kein Beschäftigter gegen ein paar Überstunden Einwände. Ganz im Gegenteil leisten die Beschäftigten gerne Überstunden um mehr Geld zu verdienen. Diese Einstellung ändert sich erst, wenn die Überstunden immer mehr werden, so dass das soziale Leben darunter zu leiden beginnt. So erzählt ein Beschäftigter bei Daimler Chrysler, dass er bereit ist im Monat 10 bis 15 Überstunden zu machen: „Aber wenn ich jeden Tag 2 Stunden länger arbeiten muss und das monatelang, dann ist das sehr belastend. Ich bin dann 10 Stunden auf den Beinen und habe kaum Lust, wenn ich Feierabend habe, was zu tun. Das kann ich auch nicht, weil ich kaputt bin. Dazu kommt, dass ich ein oder zwei mal im Monat Samstags arbeiten muss. Was noch ärgerlich ist, dass ich dafür nichts kriege. Alles wird auf´s Konto gebucht und die Stunden kriege ich sowieso nicht, wenn ich sie brauche. Was nützen mir 100 bis 150 Stunden auf`m Konto, wenn ich nichts davon habe“. Ähnlich geht es den anderen Beschäftigten. Sie finden die kontinuierliche „Überstundenklotzerei“ sehr strapazierend und gesundheitsschädlich. Auch die Familie und der Freundeskreis leiden darunter, weil man keine Zeit und keine Lust für was Gemeinsames hat. Zudem kommt, dass durch spontan angeordnete Überstunden das außerbetriebliche Leben ständig umgestaltet wird: „Wie oft musste ich einen Arzttermin oder ein Treffen mit Freuden kurzfristig absagen“ sagt ein Beschäftigter bei Mercedes-Benz Lenkungen GmbH. Umgekehrt ist es, wenn die Beschäftigten aus betrieblichen Gründen die Überstunden abbauen müssen: „Du gehst um 6 Uhr zur Arbeit und stehst rum, weil da kein Material ist. Dann kommt der Meister und sagt, dass im Moment nicht zu tun ist und schickt dich entweder für den Tag oder für mehrere Tage nach Hause. Dann weiß man nicht, was man tun soll.“ erzählt ein anderer Mercedes-Benz Beschäftigter. Die Beschäftigten klagen darüber, dass sie nicht 212 selbst bestimmen können, wann sie die geleisteten Überstunden ausgleichen können. Auch bei der Gestaltung des außerbetrieblichen Lebens wollen die Beschäftigten eine gewisse Souveränität haben und selbst bestimmen, wann sie frei nehmen oder Urlaub haben wollen. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass in allen Betrieben die befragten Beschäftigten eine skeptische Einstellung gegenüber flexiblen Arbeitszeiten haben, die nur die betrieblichen Belange berücksichtigen. Durch die zunehmende Flexibilisierung von Arbeitszeiten sehen die Beschäftigten die außerbetrieblichen gesellschaftlichen Zeitinstitutionen zunehmend als bedroht und teilweise demontiert. Dies wird vor allem dann sehr negativ bewertet, wenn die Familiensituation oder das soziale Umfeld durch flexible Arbeitszeiten stark eingeschränkt werden. Vor allem das Wochenende und die Abende sind für die Beschäftigten wertvolle Zeiten, da diese nicht nur als Familien- zeiten, sondern auch für die weitere gesellschaftliche Teilhabe von Bedeutung sind. (vgl. Seifert 1995; 26). Das ist einer der wichtigsten Gründen, warum diese Zeiten von Beschäftigten als Arbeitszeiten meist abgelehnt werden. Diese bestehenden Zeit- institutionen sind vor allem für Familien wichtig, um gemeinsam Zeit verbringen zu können und einen sozialen Zusammenhalt zu ermöglichen. Für die Beschäftigten ist gemeinsam verbrachte Zeit für den Zusammenhalt von Familien nach wie vor sehr wichtig, So wollen sie mit der Familie gemeinsame Mahlzeiten oder Freizeitgestaltung haben. Tatsache ist jedoch, dass diese soziale Zeiten besonders unter der Flexibilisierung der Arbeitszeit und der Zunahme von Mehrarbeit in Abendstunden und Wochenendarbeit leiden. Die Studien belegen auch, dass regelmäßige Überstunden und Wochenendarbeit zu einer Reduzierung gesellschaftlicher Kontakte außerhalb der Familie führen, die in anderen Tageszeiten nicht kompensiert werden kann. Zudem werden feste Feierabendzeiten und langfristig planbarer Urlaub als Notwendigkeiten zur Regeneration bewertet. Demzufolge wollen die Beschäftigten statt flexibel lieber kürzer arbeiten. 71 von 102 Befragten wollen generell geregelte Arbeitszeiten haben und 83 Beschäftigte fordern, die Überstunden konsequenter abzubauen. Das entscheidende Motiv dafür ist Vereinbarkeit zwischen Arbeit und sozialem Leben sowie Gesundheitsschutz. Forderungen nach Flexibilität und dauernder Präsenz im Arbeitsleben belasten nach Einschätzung des Psychologischen Forums Offenbach Millionen Beschäftigte. „Millionen von Menschen leiden unter mangelhaften Möglich- keiten, sich mit Freunden zu treffen, privaten Interessen nachzugehen oder einfach nur ein Mal abzuspannen“, sagte René Klöpper, einer der drei Psychologen, die sich in dem Forum über die Folgen der Arbeitswelt auf die menschliche Psyche zusammen- geschlossen haben. Vielen Beschäftigten fehle die Zeit für eine sinnvolle Ausgleichs- tätigkeit und gemeinsame Unternehmungen mit Freunden oder Familie. Damit entfalle 213 ein großer Teil sozialer und emotionaler Unterstützung, die die Auswirkungen der Stress-Faktoren abpuffern könnten, mahnen die Fachleute. „Berufliche Arbeit am Wochenende wird - ohne dass davon gesellschaftliche Notiz genommen wird - schrittweise zur Norm. (…) Nicht selten bemessen Vorgesetzte die Leistungsfähigkeit, Einsatzfreude und Motivation eines Angestellten überwiegend anhand von dessen Präsenszeiten im Unternehmen“, betonen die Psychologen. (Tagesspiegel vom 30.09.1999). Die Beschäftigten sind also daran interessiert, eine bedürfnisgerechte Anpassung der Arbeitszeiten an die unterschiedlichen außerberuflichen Lebens- abschnitte zu besitzen. Aus den Befragungen geht deutlich heraus, dass die Mehrheit der Beschäftigten lieber kürzer und flexibler statt flexibler und länger arbeiten will. 4.2.3. Die geschlechtsspezifischen Defizite Im Folgenden soll nun die Flexibilisierung der Arbeitszeiten sowie deren Auswirkungen auf außerbetriebliche Zeitgestaltung aus frauenpolitischem Blickwinkel betrachtet werden. Dabei wird anhand aktueller Untersuchungen dargestellt, wie Interessen und Wünsche von Frauen in Bezug auf die Arbeitszeit aussehen, wo Defizite existieren und welche Lösungskonzepte seitens der Frauen vorgeschlagen werden. Dabei geht es überwiegend um die Reproduktionsarbeit und gemeinschaftliche Dimension der Zeit- gestaltung. Die Vereinbarkeit von Beruf und Karriere einerseits und Familie anderer- seits spielt hierbei eine zentrale Rolle. Es geht nicht nur darum, die Erwerbsarbeit, sondern auch die „Nichterwerbsarbeit“ gerecht zwischen Männern und Frauen zu verteilen. Zudem wollen die Frauen wie Männer mit familiären Pflichten verlässliche Arbeitszeiten. Die repräsentativen Umfragen liefern hinsichtlich der Flexibilisierung der Arbeitszeiten wichtige Erkenntnisse zur Akzeptanz über Flexibilisierungsformen vor: Demnach lehnen Frauen mehrheitlich Überstunden ab. Auch Wochenendarbeit möchten die meisten Frauen nicht leisten. (vgl. Bundesmann-Jansen/Groß/Munz 2000; 152). Die Arbeitszeitwünsche von Frauen spiegeln gleichzeitig die geschlechtshierarchische Arbeitsteilung in der Gesellschaft. So ist zum Beispiel Teilzeitwünsche von Frauen Ausdruck der Stellung vieler Frauen als „Zuverdienerin“, deren Verfügbarkeit für die Reproduktionsaufgaben des Partners und der Kinder mit ihrer Versorgung aus dem Einkommen des Partners korrespondiert. Die gegenwärtigen Arbeitszeitwünsche von Frauen sind somit zu einem Teil durch das „Ernährer/Zuverdienerin-Modell“ zu erklären, wenn auch dessen Wirkungskraft tendenziell nachlässt. Arbeitszeitinteressen von Frauen sind auch dadurch zu 214 charakterisieren, dass Frauen gegenüber Männer mit Arbeiten in der Familie intensiver beschäftigt sind und daher andere Arbeitszeiten wünschen. Bedürfnisse nach einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf werden besonders von Frauen gewünscht. Hierbei artikulieren Frauen auf der Basis der gegebenen geschlechts- hierarchischen Arbeitsteilung vehemente Defizite, welche die volle berufliche Verfüg- barkeit der Beschäftigten verlangt und die Vereinbarkeit mit anderen Lebensbereichen ausklammert. Viele Frauen haben aufgrund ihres Lebensalltags die Verbindung von beruflicher Arbeit und allen anderen Lebensbereichen stärker im Blick und leiten daraus Anforderungen an die tägliche Abstimmbarkeit der Zeiten und somit mehr Selbst- bestimmung in der Arbeitszeit ab. Die Forderung nach Überstundenabbau wird umso mehr von Frauen gewünscht. Wichtig ist dabei, dass der Abbau von Überstunden mit sozial unverträglicher Arbeitszeitlage, geringer Planbarkeit der Arbeitszeiten und dadurch zusätzlichen Belastungen verbunden werden sollen. Denn mit der Arbeitszeit- flexibilisierung entstehen unter Umständen neue soziale Ungleichheiten oder bestehende werden noch mehr verstärkt. Besonders im Rahmen von Flexibilisierungen verschlechtern sich die Arbeitszeiten von Frauen stärker als die der Männer. Die Vereinbarkeitsproblematik zwischen Familie und Erwerbsarbeit wird weiterhin im Wesentlichen von Frauen erfahren. Daran hat die zunehmende Integration von Frauen in den Erwerbsarbeitsmarkt nicht viel geändert. Denn einerseits wird im Betrieb mehr Zeit und Flexibilität beansprucht, und andererseits wird die außerbetriebliche Zeitgestaltung, insbesondere zu Hause immer hektischer und rationalisierter. Je länger der Arbeitstag dauert, desto mehr fühlen sich die Frauen gedrängt, sich zu Hause zu beeilen, zu delegieren, zu verschieben, zu verzichten, zu verteilen und die kostbare verbleibende Zeit für die Familie übermäßig durchzuorganisieren. (vgl. Hochschild 1999; 78). Der Übergang zwischen Erwerbs- und Hausarbeit ist für Frauen meist nahtlos. Sie müssen sofort mit der Hausarbeit beginnen oder werden von Familie bzw. Kindern beansprucht. Frauen richten auch die Lage ihrer Arbeitszeiten an familiären Verpflichtungen aus; was sich zum Beispiel in dem Wunsch äußert, mittags vor dem Mann zu Hause zu sein, um das Mittagessen zu bereiten oder Hausarbeit schon am Freitag erledigen zu können, um das Wochenende davon freizuhalten (vgl. Meiners 1992; 128ff.). Erwerbstätigen Familienfrauen fällt es daher oft schwer, „Zeit für sich“ zu nehmen. Daher werden Beschäftigungen, die wenige Wochenstunden umfassen und somit von der männlichen Normalarbeitszeit abweichen, bevorzugt. Daher wird die „Teilzeitarbeit“ immer frauenspezifischer, da Frauen in solch einer Beschäftigung die Vereinbarkeit mit der Familienarbeit besser verwirklichen können. 215 Die vermeintliche Zuständigkeit der Frauen für Reproduktionsarbeit führt zu einer begrenzten Verfügbarkeit für Erwerbsarbeit und somit zu tendenziell kürzeren Arbeits- zeiten für Frauen; spätestens bei der Geburt ihres ersten Kindes reduzieren diese meist ihre Erwerbsarbeitszeit, während Männer hingegen ihre Arbeitszeit verlängern und flexibilisieren (vgl. Bauer/Gross/Schilling 1996; 233ff.). Die Tendenz zur Polarisierung der Arbeitszeit nach der Geburt eines Kindes hat sich in den letzten Jahren noch verstärkt. Von gesellschaftspolitischer Bedeutung ist, daß mittlerweile 44 % der voll- zeitbeschäftigten Männer mit einem Kind unter drei Jahren im Haushalt ihre Arbeitszeit ausweiten wollten. Im Jahr 1993 wollte dagegen praktisch kein vollbeschäftigter Mann mit einem Kleinkind im Haushalt seine Erwerbsarbeit ausdehnen, aber nahezu zwei Drittel strebten eine Verkürzung an. Zudem ist die Verfügung über Zeit ein wichtiger Indikator für Machtbeziehungen. Wichtigster Taktgeber ist hier zunächst die Arbeitszeit des Mannes und andere öffentliche Zeitgeber wie Schulen, Kindergarten, Ämter etc. Um diese Zeiten herum gruppiert sich anschließend die Familienzeit und zum Schluss kommt meist erst die Arbeitszeit der Frau. Daher ist ein Kriterium für eine geschlechter- gerechte Arbeitszeitgestaltung die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht nur für Frauen, sondern auch für Männer. Hierbei werden die Verkürzung der Arbeitszeit und die Beteiligung der Männer an der Reproduktionsarbeit als wichtigste Voraussetzung bewertet. Weiterhin wichtig wäre die Abnahme von Zeitnot für Frauen und eine Zunahme von Zeitsouveränität im Sinne einer gleichen Verteilung von Zeitwohlstand zwischen Männern und Frauen. Zusammengefasst kann festgestellt werden, dass die Frauen bei der Gestaltung von Arbeitszeiten ähnliche Wünsche wie Männer äußern. Zwei der am häufigsten genannten Wünsche sind Arbeitszeitverkürzung und die Abschaffung von Mehrarbeit. Diese werden aus Gründen der Umverteilung von Beschäftigung und Einkommen, zur Reduzierung der arbeitsbedingten Belastungen und zur Ermöglichung einer stärkeren männlichen Beteiligung an Reproduktionsarbeiten befürwortet und gefordert. Um eine bessere Vereinbarkeit von Arbeitszeit mit Reproduktionsarbeit zu ermöglichen, müssten alle Beschäftigten auch die Lage und Verteilung der Arbeitszeit weitgehend selbst bestimmen können. Gerade bei der Vereinbarkeit mit dem Familienleben ist die Verlässlichkeit für die Organisation des Alltags von großer Bedeutung. Dabei sollten gemeinschaftliche Zeitinstitutionen wie der Feierabend und das Wochenende als gemeinschaftliche Zeiten geschützt und gesellschaftlich aufgewertet werden. Arbeits- zeiten müssen Freiräume lassen für die körperliche und seelische Erholung der Beschäftigten. Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer muss eine Balance finden können zwischen privatem Leben und Erwerbsarbeit. Das beinhaltet auch, „nachhaltig“ mit der eigenen Arbeitskraft umzugehen, so dass Gesundheit, Energie und Motivation 216 ein Arbeitsleben lang erhalten bleiben. Gleichzeitig muss die Arbeitszeitpolitik dazu beitragen, den Zugang von Frauen zur Erwerbsarbeit zu verbessern. In diesem Zusammenhang fordern die Frauen in der IG Metall, dass  die Arbeitszeiten für Beschäftigte planbar und beeinflussbar sein müssen,  die Männer von überlangen Arbeitszeiten entlastet werden müssen,  die Frauen aus ungeschützten Arbeitsverhältnissen in geschützte gelangen müssen und niedrige Wochenarbeitszeiten auf vollzeitnahe Arbeitsverhältnisse aufstocken können,  qualitative Aspekte von Arbeitszeit und ihrer Gestaltung verstärkt in den Blick gerückt werden müssen und  eine gerechte Verteilung der Erwerbs- und der „Nichterwerbsarbeit“ Beruf und familiäre Pflichten für Frauen wie für Männer leichter vereinbar machen muss. (vgl. Frauenauschuss der IG Metall 2002, 5f). Als Konsequenz fordern die Frauen in der IG Metall, die Einführung der 30-Stunden- Woche mit vollem Entgeltausgleich. Dies sei eine langfristige Vision. Zunächst sollte die 35-Stunden-Woche flächendeckend und im gesamten Organisationsbereich der IG Metall durchgesetzt werden. In der Metall- und Elektroindustrie könnte ein neuer Tarifvertrag dazu dienen, die faktischen betrieblichen Arbeitszeiten dem tarifpolitischen Stand anzugleichen. Generelle Arbeitszeitverkürzung soll auch weiterhin als Strategie zur besseren Verteilung der bezahlten Arbeit zwischen Erwerbstätigen und Arbeitslosen eingesetzt werden (ebenda; 8). 4.3. Fazit: Diskrepanz zwischen Wunsch und Realität Betrachtet man die in vorherigen Abschnitten dargestellten Sichtweisen der Tarif- parteien und Beschäftigten sowie die Ergebnisse von vielen Studien, fällt auf, dass die Diskrepanz zwischen den aktuellen Entwicklungen und Vorstellungen von Unter- nehmen und der Haltung von Beschäftigten bezüglich betrieblicher sowie außer- betrieblicher Zeitgestaltung sehr groß ist. Die in den skizzierten Untersuchungen und Befragungen deutlich gewordenen Differenzen zwischen tatsächlichen Arbeitszeiten und Arbeitszeitpräferenzen weisen auf ein Veränderungs-, möglicherweise auch Unzu- friedenheitspotenzial hin, das als Aufforderung an die Tarifparteien, zu handeln, 217 interpretiert werden kann. Auf einen Nenner gebracht, können die Forderungen der Beschäftigten wie folgt zusammengefasst werden:  Schutz vor übermäßig langen Arbeitszeiten  Allgemeine Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit  Mehr Mitbestimmungsrecht bei der Gestaltung von flexiblen Arbeitszeit- modellen Auf der anderen Seite werden die Arbeitszeiten überwiegend nach betrieblichen Belangen gestaltet und zum größten Teil die Wünsche der Beschäftigten ignoriert. Denn die Unternehmen Sind daran interessiert, über die Arbeitszeit der Beschäftigten möglichst frei zu verfügen bzw. diese wie im Fall der Arbeitslosigkeit gar nicht erst in Anspruch zu nehmen. Ökonomisch gesehen ist Zeit im kapitalistischen System ein knappes Gut, das aus Unternehmerseite möglichst „rational“ eingesetzt werden soll. Auf diesem Weg kann die Nutzung der Arbeitskraft intensiviert und der Mehrwert für die Unternehmen erhöht werden. In diesem Sinne sind Ausfall-, und Ruhezeiten sowie Ruhetage Störfaktoren im Wirtschaftsleben, da über diese nicht frei verfügt werden kann. Auch wenn von Seiten der Arbeitgeber und Teilen der Öffentlichkeit immer wieder behauptet oder jedenfalls der Eindruck erweckt wird, die Flexibilisierungs- wünsche der Unternehmen ließen sich mit ähnlich gerichteten Zeitpräferenzen großer Teile der Beschäftigten durchaus in Einklang bringen, zeigt die aktuelle Situation, dass genau das Gegenteil der Fall ist: “Die Durchsetzung individueller Zeitwünsche und - optionen wird zwar einigen wenigen Beschäftigten mit starker Verhandlungsposition im Ansatz möglich sein, für die Masse der Beschäftigten ist ihre Individualisierung gleichbedeutend mit Abhängigkeit, Machtlosigkeit und letztlich Unfreiheit” (Bäcker/ Seifert 1982; 248). Auch die Beschäftigten spüren mittlerweile, dass durch Flexibilisierungen die Arbeits- zeiten tendenziell noch familienfeindlicher geworden sind. Männliche wie weibliche Beschäftigte geraten seit geraumer Zeit nicht nur im Privatleben, sondern auch im Beruf massiv unter Druck. Die Arbeitsintensität ist immens gestiegen, und die Arbeitsplatz- sicherheit geringer geworden. Der Wunsch nach der schlanken Produktion will ja im Kern nichts anderes, als dass immer weniger Arbeitskräfte immer mehr Arbeit bewältigen müssen. Folge ist, dass die die Gewerkschaften und auch die Beschäftigten selbst umso mehr sozialverträgliche Arbeitszeiten fordern. Dabei wird darauf hinge- wiesen, dass sozialverträglich gestaltete Arbeitszeiten Chancen bieten, das ganze Leben alltäglich besser zu gestalten und zugleich ermöglichen, je nach Bedarf für persönliche 218 Zwecke frei zu nehmen oder Arbeitszeiten zu verlagern. Somit können Beschäftigte für sich wichtige Spielräume der Zeitgestaltung wiedergewinnen. Tatsache ist jedoch, dass es den Unternehmen gelungen ist, durch Flexibilisierung der Arbeitszeiten die Betriebsnutzungszeiten sowie Maschinenlaufzeiten zu verlängern und die Arbeitskräfte je nach Auftragslage einzusetzen. Für immer mehr Beschäftigte gilt: Arbeit auf Abruf, Leben in den Zeitnischen. Diese Deregulierung war unter anderem deshalb möglich, weil die Normalarbeitsverhältnisse auch von vielen Beschäftigten als zu starr empfunden wurden. Individualisierte Arbeitszeitwünsche wurden von den Unternehmen bereitwillig aufgenommen, die sich damit auch noch als die „wahren Interessenvertreter der Beschäftigten“ ausgaben. Folge ist, dass fast alle Beschäftigten seit Jahren eine drastische Ausweitung der realen Arbeitszeit einschließlich der Zeit für Arbeitswege und Reproduktion erleben. Der unternehmerische Wunsch nach optimaler Kapazitätsauslastung bedeutet für die Beschäftigten bezahlte wie unbezahlte Über- stunden und zunehmende Vermischung von Arbeitszeit und Freizeit durch sog. Arbeits- zeitflexibilisierung. Offiziellen Statistiken zufolge arbeiten zwar die Beschäftigten in Westdeutschland 37,4 und im Osten 39,4 Stunden in der Woche, aber viele Studien belegen gleichzeitig, dass nur noch die Hälfte der Beschäftigten feste Arbeitszeiten hat und dass Volumen und Verteilung der Arbeitszeiten von den betrieblichen Interessen diktiert werden. Dies gilt auch für den Freizeitausgleich, der für Mehrarbeit gewährt wird, was diese Mehrarbeit auch noch für die Unternehmen billiger macht. Die berechtigte Frage hierbei lautet somit: „Sind das die Interessen der Beschäftigten?“ Sicherlich kann behauptet werden, dass die optimale Kapazitätsauslastung der Lebens- zeit, immer unkalkulierbarer werdender Arbeitszeiten nicht die Interessen der Beschäftigten sein können. Die Beschäftigten können ihr Leben nicht mehr so planen, wie sie sich wünschen. Die Flexibilisierung der Arbeitszeiten lief in den letzten Jahren nur nach den Wünschen der Unternehmerseite, auch weil die Wünsche der Beschäftigten von den Gewerkschaften zu wenig ernst genommen wurden. Dabei spielen mit Sicherheit die defensive Haltung der Gewerkschaften und die von der Arbeitgeberseite durchgesetzte Tendenz, die Auseinandersetzung auf die betriebliche Ebene zu verlagern eine entscheidende Rolle. Das Ergebnis dieser Entwicklung ist, dass in vielen Branchen der Metall- und Elektroindustrie die meisten Beschäftigten seit Jahren unbezahlte Überstunden zur „Rettung“ von Arbeitsplätzen leisten, und ihre Arbeitszeit zu billig verkaufen sogar immer häufiger verschenken. Das ist nicht Lebenszeit, sondern wie Marx vor Jahrzehnten feststellte, die „reelle Subsumtion der Menschen unter das Kapital“. 219 Der Vorsitzende der Industriegewerkschaft Metall, Klaus Zwickel, kritisierte diese Ent- wicklung und forderte die Unternehmerseite auf, angesichts von 4 Millionen Erwerbslosen endlich Überstunden abzubauen und Neueinstellungen vorzunehmen. Doch warum sollten Unternehmen zusätzliche Arbeitskräfte einstellen, wenn sie mit dem gegebenen Kapitalaufwand für Betriebsanlagen, Fertigungsmaterial und Löhnen gute Betriebsergebnisse erzielen können, während höhere Kosten für weitere Arbeits- kräfte und damit auch Arbeitsplatzausstattungen nur die Profite schmälern? Dabei würde die von den Gewerkschaften mitgetragene tarifpolitische Entwicklung mit allen Klauseln der Arbeitskraftvernutzung über Stundenkonten im Rahmen des geltenden Arbeitszeitgesetzes, nicht einmal den Lohnaufwand für Überstundenzuschläge erhöhen. Denn die wöchentliche Mehrarbeit braucht bei weniger Arbeitsanfall nur gegen gerechnet zu werden. Zudem verkürzen dauerhaft und intensiv genutzte Maschinen und Anlagen ihre Abschreibungsfrist, d.h. der Kapitalaufwand amortisiert sich schneller über hochgetriebene und abgesetzte Stückzahlen - eine Voraussetzung, um möglichst bald in neue und effektivere Anlagen zu investieren und der Konkurrenz ein Stückchen voraus zu bleiben. Tatsache ist auch, dass die Forderung nach weiteren flexiblen Arbeitszeiten seitens der Arbeitgeber mit der Forderung nach weiteren Arbeitszeitverkürzungen seitens der Gewerkschaften stetig zugenommen hat. Schon 1923 kritisierten die Unternehmen den Schematismus des 8-Stunden-Tages und wehrten sich gegen die allgemeine Verbind- lichkeit dieser Regelung. Die Arbeitgeberseite forderte schon zur damaligen Zeit eine flexiblere Arbeitszeitgestaltung, die sich an den Bedürfnissen der einzelnen Branchen, der Produktionsabläufe und der ökonomischen Ausgangslage orientieren sollte. Sie wollte mit allen Mitteln die generelle Arbeitszeitverkürzung für alle Beschäftigten verhindern und stattdessen flexible Lösungen, die sich an den betrieblichen Erforder- nissen orientieren sollten. Notwendigerweise macht die Arbeitgeberseite sich darüber Gedanken, wie sie ihre Ziele mit einer zeitlich begrenzten Verfügbarkeit ihrer Arbeits- kräfte realisieren kann. Neben dieser Entwicklung versuchen die Unternehmen zur Sicherung und Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit auch die gesamte Organisation prozessorientiert zu gestalten, um Kundenwünsche optimal zu erfüllen. Gerade die flexiblen Arbeitszeiten erlauben den Unternehmen insgesamt, die Produktionssysteme und Arbeitsabläufe zu flexibilisieren und zu optimieren und dadurch von der traditionellen Massenproduktion wegzukommen. Hinzu kommt, dass viele Unter- nehmen die teuren Formen der Arbeitszeit durch billigere ersetzen. Es geht dabei vor allem darum, für Nacht-, Samstags- oder Sonntagsarbeit sowie für Arbeit über den 8- Stunden-Tag hinaus keine Zuschläge mehr zu bezahlen. 220 Zusammenfassend kann also festgehalten werden, dass der oben skizzierte Vergleich von unterschiedlichen Arbeitszeitwünschen den Eindruck bestätigt, der sich schon bei mehreren Arbeitskämpfen um die Arbeitszeit immer wieder aufdrängte: Von einer Interessenharmonie zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern kann keine Rede sein. Der Einwand gegen ein „harmonisches“ Verständnis der Interessenlage von Arbeit- gebern und Arbeitnehmern wird aus der strukturellen Machtasymmetrie zwischen Kapital und Arbeit am Arbeitsmarkt und aus der Besonderheit der „Ware“ Arbeitskraft abgeleitet. Diese Besonderheit besteht darin, dass der Arbeitgeber (der Käufer) mit ihr keine hinsichtlich Qualität und Quantität genau spezifizierte Leistung erwirbt, sondern nur Leistungsvermögen, das untrennbar an die Person des Arbeitnehmers (Verkäufer) gekoppelt ist. Der letztere hat als abhängig Beschäftigter ein Interesse an der Erhaltung seiner Reproduktionsfähigkeit, das dem betrieblichen Interesse an einer maximalen Nutzung der „gekauften Arbeitskraft“ im Prinzip entgegengesetzt ist (vgl. Offe/Hinrichs 1984; 58). Bezogen auf die Arbeitszeitproblematik bedeutet dies, dass während die Arbeitgeber daran interessiert sein müssen, Menge und Zusammensetzung des Personals dem jeweils aktuellen Arbeitsanfall bedarfsgerecht anzupassen, die Beschäftigten das gegenläufige Interesse haben, ihre Zeiteinteilung, wo immer möglich, gemäß eigenen, „betriebsfremd“ konstituierten Lebensinteressen vorzunehmen. Kollisionen sind somit vorprogrammiert, zumal wenn einheitliche und wohl starre, dafür aber wenigstens kalkulierbare Regelungen außer Kraft gesetzt werden. Kommt es bei der dann notwendig werdenden Neufestlegung der Arbeitszeiten zum Konflikt, droht bei Außerachtlassen von kollektiven Regelungen das arbeitgeberseitige Interesse, sich in der Mehrzahl der Fälle durchzusetzen. Fakt ist, dass der Versuch, die Maschinenlaufzeiten bzw. Betriebszeiten auf die ganze Woche auszudehnen, genauso alt wie das kapitalistische System selbst ist. Fakt ist auch, dass die Flexibilisierung der Arbeitszeiten nicht länger allein Unternehmerwünschen folgen darf. Denn dadurch wird die die menschliche Arbeitskraft endlich zu hundert Prozent der Kapitalverwertungslogik unterwerfen. Tatsache ist auch, dass flexible Gestaltung der Arbeitszeiten, welche sich ausschließlich dem Profitprinzip unterordnet, die Belange und Wünsche der Beschäftigten nicht berücksichtigen wird und kann. Diese Entwicklung, die auch ein Zurückfallen hinter den historisch erreichten Rahmen des Sozialstaats bzw. der „Sozialpartnerschaft“ und einen Rückschritt in die finstere Zeit des Manchesterkapitalismus bedeuten würde, beantwortet automatisch die Frage, „ob die Interessen von Arbeit und Kapital zu vereinen sind“ und „ob es den Tarifparteien gelingen könne, die Wünsche und Belange der Arbeitgeber und Arbeitnehmer in Einklang zu bringen“. 221 Aus diesem Grund ist es nicht überraschend, wenn innerhalb der Gewerkschaften die Forderung nach weiterer Arbeitszeitverkürzung wieder Gehör findet. Auf der Suche nach Wegen aus der Defensive haben kritische Gewerkschaftsmitglieder, die sich für eine Verkürzung der Arbeitseiten einsetzen, einen Antrag zum 20. ordentlichen Gewerkschaftstag der IG Metall verfasst, in dem gefordert wird, dass die Gewerkschaft sich für die Verkürzung der tariflichen Arbeitszeit auf 30 Wochenstunden bei vollem Entgeltausgleich einsetzen und diese in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung propagieren solle (vgl. www.labournet.de/diskussion/arbeitsalltag/az/igmetall.html). In diesem Antrag wird darauf hingewiesen, dass eine Arbeitszeitverkürzung mit vollem Entgeltausgleich kein Tabuthema mehr sein darf und es an der Zeit ist, dass sich die IG Metall mit aller Nachdrücklichkeit die Verkürzung der Wochenarbeitszeit auf die Fahnen schreiben soll, um eine Perspektive jenseits flexibilisierter Endlosarbeit wieder auf die Tagesordnung zu setzen. 222 Kapitel V Die aktuellen Trends und die Haltung der Tarifparteien Zu Beginn des neuen Jahrhunderts zeigen zwei Ereignisse, dass die Gestaltung der Arbeitszeiten weiterhin zu den zentralen ökonomischen und gesellschaftlichen Themen gehört. Im Kampf um Arbeitszeitverkürzung in Ostdeutschland und bei der Auseinan- dersetzung um die Arbeitszeitverlängerung auf 40 Wochenstunden ohne Lohnausgleich in zwei Siemenswerken in Westdeutschland prallten die Interessen von Kapital und Arbeit wieder aufeinander. Durch diese Ereignisse entflammte die Debatte über Verkürzung bzw. Ausweitung der Arbeitszeit wieder und bekam einen neuen Auftrieb. Die Ausführungen im Kapitel 3 belegen deutlich, dass die Haupttendenz in der Arbeits- zeitfrage mindestens seit dem Tarifkompromisses im Jahre 1984 die Flexibilisierung der Arbeitszeiten und Arbeitsverhältnisse ist. Sukzessive wurde in den darauf folgenden Jahren die Flexibilisierung der Arbeitszeiten vorangetrieben. Hinzu kam die Aus- breitung einer unregelmäßigen Verteilung der Arbeitszeit und Zunahme von Über- stunden. Durch diesen Veränderungsprozess wurde eine Situation geschaffen, in der die bisherigen betrieblichen Arbeitszeitstrukturen und die individuellen Zeitinteressen noch mehr auseinanderklafften. Umso mehr war die Verkürzung der Arbeitszeit lange kein tarifpolitisches Thema für die Gewerkschaften. Dies sollte sich mit Beginn des neuen Jahrhunderts ändern. So kündigte die IG Metall unter dem Motto „Die Zeit ist reif!“, die Durchsetzung der 35-Stunden-Woche für die ostdeutsche Metall-, Elektro- und Stahlindustrie an. Vor diesem Hintergrund wird im 5. Kapitel untersucht, ob es der IG Metall gelingen konnte, aus der defensiven Haltung herauszukommen und die Interessen der Beschäftigten gegenüber den Forderungen der Unternehmen durchzusetzen. Gleich- zeitig erhebt sich die Frage, in welche Richtung sich die Auseinandersetzungen um die Arbeitszeit weiterentwickelt und welche neue Vorschläge, Forderungen und Konzep- tionen Gesamtmetall und IG Metall dabei ins Feld gerückt haben? In den folgenden Ausführungen werden die Tarifverhandlungen knapp skizziert und anschließend durch eine grobe Darstellung der Ergebnisse Charakter und Richtung der geführten Auseinandersetzung verdeutlicht und bewertet. 223 5.1. Der Kampf um die 35-Stunden-Woche in Ostdeutschland Anfang des Jahres 2003 kündigte die IG Metall die Arbeitszeitbestimmungen in der ost- deutschen Metall- und Elektroindustrie auf. Zielsetzung war die Verkürzung der Wochenarbeitszeit von 38 auf 35 Stunden und damit eine Angleichung an das west- deutsche Niveau. Sollten die Tarifverhandlungen scheitern, kündigte die IG Metall an, im Mai mit Warnstreiks zu beginnen. „13 Jahre nach der deutschen Einheit ist jetzt ein weiterer Schritt zur Realisierung gleicher Arbeits- und Einkommensbedingungen in ganz Deutschland notwendig“, sagte der damalige IG-Metall-Vizechef Jürgen Peters (http://www.igmetall.de/pressedienst/2003/050.html). Auf einen Nenner gebracht musste - bei steigender Massenarbeitslosigkeit - die generelle Verkürzung der Arbeits- zeit wieder zu einem zentralen Instrument der Gewerkschaften werden. Zudem sollte mit der Durchsetzung der 35-Stunden-Woche in der ostdeutschen Metall- und Elektro- industrie der letzte Schritt in Sachen Angleichung gemacht werden. Die Forderung nach Einführung der 35-Stunden-Woche in der ostdeutschen Metall-, Elektro- und Stahlindustrie war nicht neu. Bereits seit einigen Jahren gab es innerhalb der IG Metall Diskussionen und Forderungen, den tariflichen Angleichungsprozess in Ostdeutschland auch bei der Arbeitszeit voranzutreiben. Während die tariflichen Löhne seit 1996 auf Westniveau angehoben waren, betrug die wöchentliche Arbeitszeit in Ostdeutschland weiterhin 38 Stunden und lag damit 3 Stunden über dem westdeutschen Metallstandard. (siehe auch WSI 2002, Tabelle 14). Zwar hatte es in der Vergangenheit mehrfach Gelegenheit zur Kündigung der entsprechenden Manteltarifverträge gegeben, doch wurden diese bis zu dieser Tarifrunde nicht genutzt. In der Tarifrunde 2002 wurde zwar über die Arbeitszeitangleichung gesprochen, aber letztlich nur eine Verhandlungs- verpflichtung für einige Tarifbezirke vereinbart. Auf der Arbeitszeitpolitischen Konferenz im Oktober 2002 formulierte die IG Metall in ihrer Diskussionsgrundlage als „Kernziel“ ihrer arbeitszeitpolitischen Initiative, die 35-Stunden-Woche „zum generellen Standard in Deutschland“ zu machen (IG Metall 2002; 2). Dadurch zielte die IG Metall darauf ab, arbeitszeitpolitische Gestaltungskraft zurück zu gewinnen (ebenda). Gleichzeitig bedeutete die Einführung der 35-Stunden-Woche eine Offensive gegen die längeren Arbeitszeiten und hohe Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland. Diese war im Januar 2003 mit 17,5 % in Berlin, 17,8 % in Brandenburg, 21,3 % in Mecklenburg- Vorpommern, 17,4 % in Sachsen, 19,7 % in Sachsen-Anhalt und 17,8 % in Thüringen unverändert hoch und fast doppelt so hoch wie im Westen. Aus diesem Grund wollte die IG Metall durch Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit die Arbeit auf mehr Schultern verteilten. Die 35-Stunden-Woche sollte verhindern, dass Menschen wegen 224 Rationalisierungsmaßnahmen entlassen werden. Weil die ostdeutschen Industriebetriebe der Metall-, Elektro- und Stahlbranche bereits bis zur Magersucht „verschlankt“ waren, sollte jede Verkürzung der tariflichen Arbeitszeit die Unternehmen zu Neueinstellungen zwingen. Würde die 35-Stunden-Woche in ganz Ostdeutschland gelten, rechnete die IG Metall mit mindestens dreimal soviel zusätzlichen Arbeitsplätzen. Die 35-Stunden- Woche war nach Ansicht der IG Metall der richtige Schritt, um die Ausbreitung der Erwerbslosigkeit einzudämmen und mehr Menschen in Beschäftigung zu bringen (vgl. IG Metall Bezirksleitungen Berlin-Brandenburg-Sachsen, Frankfurt, Hannover und Küste 2003; 8). Darüber hinaus war die Forderung nach 35-Stunden-Woche nicht nur für die Beschäftigten im Osten von großer Bedeutung, sondern auch für die Beschäftigten in Westdeutschland. Nach dem Tarifkompromiss im Jahre 1984 sollte der Kampf um die Arbeitszeitverkürzung als wirksamstes Mittel gegen die Arbeitslosigkeit – auch in Westdeutschland - wieder in den Mittelpunkt gestellt werden. Dieses Vorhaben wurde auch von den Gesamtbetriebsratsvorsitzenden der fünf großen westdeutschen Automobilhersteller unterstützt. In einer gemeinsam veröffentlichten Presseerklärung – unterzeichnet von Klaus Volkerts, Gesamtbetriebsratsvorsitzender Volkswagen AG, Manfred Schoch, Gesamtbetriebsratvorsitzender BMW AG, Uwe Hück, Gesamtbetriebsratvorsitzender Porsche AG, Erich Klemm, Gesamtbetriebs- ratvorsitzender DaimlerChrysler AG und Klaus Franz, Gesamtbetriebsratvorsitzender Adam Opel AG - hielten sie die Forderung der IG Metall für wirtschaftlich vertretbar und beschäftigungspolitisch notwendig. Gleichzeitig forderten sie die ostdeutschen Arbeitgeber der Metall- und Elektroindustrie auf, mit der IG Metall „zielgerichtet und lösungsorientiert“ über eine Tarifvereinbarung zu verhandeln, „um den Menschen eine Perspektive aufzuzeigen und ein Zeichen für die innere Einheit Deutschlands zu setzen: „Wir erklären ausdrücklich unsere Solidarität mit unseren Kolleginnen und Kollegen in den neuen Bundesländern und sichern unsere Unterstützung zu“, lautete die Erklärung der westdeutschen Automobil-Betriebsräte (Pressedienst der IG Metall, Nr. 62/2003). Die Forderung nach der 35-Stunden-Woche wurde seitens der Metallarbeitgeber als eine Provokation betrachtet. Denn seit dem Tarifkompromisses im Jahr 1984 in der westdeutschen Metall- und Elektroindustrie strebten sie eine Wende in der Arbeitszeit- politik an und hatten die Meinungsführerschaft übernommen. Schon im Vorfeld der Auseinandersetzungen wurde klar, dass die Forderung nach Einführung der 35-Stunden- Woche bei den Arbeitgebern keine Akzeptanz finden würde. Noch bevor die Forderung in der Öffentlichkeit diskutiert wurde, legte die Arbeitgeberseite, bestärkt durch die Erfolge in den Tarifrunden 1984 und 1987 in der Metall- und Elektroindustrie und er- mutigt durch die zu ihren Gunsten verschobenen gesellschaftlichen Machtpositionen und politischen Kräfteverhältnisse, ihr Veto gegen eine Wochenarbeitszeitverkürzung 225 ein. Die Metall-Arbeitgeber verurteilen die Forderungen der IG Metall nach einer Arbeitszeitverkürzung im Osten scharf. Die Arbeitgeberseite hatte sichtlich Angst, ihre Meinungsführerschaft zu verlieren, falls es der IG Metall gelingen würde, die 35- Stunden-Woche in Ostdeutschland einzuführen. Die Antwort auf die Forderung der IG Metall war deshalb eine gewaltige Offensive. Abgestimmt mit der Bundesregierung sowie arbeitgebernahen Medien wurde mit den zu hohen Kosten argumentiert, welche die Wirtschaftskrise zusätzlich verschärfen und damit Arbeitsplätze vernichten würden. Es wäre die falsche Forderung, am falschen Ort, zum falschen Zeitpunkt. Der neu gewählte Gesamtmetall-Präsident Martin Kanne- giesser sagte, dass die Reduzierung der Arbeitszeit um drei Stunden auf 35 Stunden für die Unternehmen eine Kostenbelastung von 8,6 Prozent bedeuten würde. Die Arbeit- geberseite versuchte die Einführung der 35-Stunden-Woche mit den gewohnten Argumenten zu verhindern: Standortvorteil, Wettbewerbsfähigkeit, Beschäftigungs- sicherung etc. und dass die deutschen Beschäftigten zu teuer seien. (Martin Kanne- giesser in einem Interview mit der Tageszeitung Morgenpost, Ausgabe 03.05.2003). Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel ging noch einen Schritt weiter und forderte eine Angleichung der Arbeitszeit im Westen an die längere im Osten. Der Bundes- wirtschaftsminister Wolfgang Clement wollte zudem, dass die Beschäftigten künftig auch an Feiertagen arbeiten sollten. Anschließend kündigten die Metallarbeitgeber unter Hinweis auf die angespannte wirtschaftliche Lage im Osten sowie den unveränderten Nachholbedarf gegenüber der westdeutschen Industrie den Manteltarifvertrag in Sachsen. In einem Schreckensszenario drohten die Arbeitgeber den möglichen Verlust von 20.000 Arbeitsplätzen infolge der beabsichtigten Arbeitszeitverkürzung an. Mit einem Appell wandte sich der Verhandlungsführer der sächsischen Arbeitgeber an die Öffentlichkeit und erklärte, dass die Forderung der IG Metall nicht in die Wirklichkeit passe und die Unternehmen überfordere. Nach seiner Meinung könnte die 35-Stunden- Woche nur über weitere Rationalisierung aufgefangen werden. Und dies würde Arbeits- platzabbau hießen (vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 02.06.2003). Die Metallarbeitgeber schlugen als Alternative zur gewerkschaftlichen Forderung vor, dass vor der Arbeitszeitangleichung eine wirtschaftliche Angleichung erfolgen müsse. Die ostdeutsche Metall- und Elektroindustrie dürfe ihren letzten Standortvorteil, die längeren Arbeitszeiten, nicht verspielen, die Folge wäre die Gefährdung von Arbeits- plätzen durch Standortverlagerungen (vgl. WSI 2003; 11). Anschließend unterbreitete die Arbeitgeberseite der IG Metall den Vorschlag, eine gemeinsame Expertengruppe zu benennen. Dieses Gremium sollte die Aufgabe bekommen, in halbjährlichem Turnus einen Anpassungsbericht anhand von vereinbarten Kriterien zu erstellen. Sollte das Gremium eine wirtschaftliche Angleichung feststellen, könnten anschließend die 226 tariflichen Arbeitszeiten angeglichen werden. Dieses Angebot lehnte die IG Metall mit der Begründung ab, dass diese Daten bereits vorlägen und dass es jetzt um die Bewertung durch die Tarifparteien gehe. In den darauf folgenden Verhandlungen konnten keine Fortschritte erzielt werden. Die Fronten verhärteten sich rasch. Nachdem sich die Arbeitgeberverbände weiteren Verhandlungen verweigerten, erklärte der IG Metall-Vorstand am 21.05.2004 das Scheitern der Verhandlungen für die Stahlindustrie und die Bereiche Berlin-Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Sachsen der Metallindustrie und beschloss Urabstimmungen für Sachsen und die Stahlindustrie. Die Zustimmung zu Arbeitskampfmaßnahmen lag in der Stahlindustrie über 80 % und in der Metall- und Elektroindustrie bei knappen 80 %. Nachdem die Beschäftigten in der ostdeutschen Stahlindustrie den Streik begonnen hatten, traten zunächst die Beschäftigten in der sächsischen, dann auch in der brandenburgischen Metall- und Elektroindustrie in den Arbeitskampf ein. Die Streiks konzentrierten sich zunächst auf die Zulieferer der Automobil und Maschinenbauunternehmen, erstreckten sich dann aber auch auf die großen Betriebe wie das VW-Werk in Zwickau. Die IG Metall organisierte die Streiks vor allem in der Automobilzulieferindustrie, so dass Ende Juni 2003 auch westdeutsche Automobil- konzerne wie BMW und Volkswagen zeitweise wegen Mangel an Zulieferteilen ihre Produktion einstellen mussten. Die Großkonzerne und vor allem die Automobilindustrie wollten aber die Einführung der 35-Stunden-Woche um jeden Preis verhindern und lehnten die Forderung der IG Metall strikt ab. Die Härte der Auseinandersetzung zeigte sich auch daran, dass die sächsischen Arbeitgeber Klage vor dem Arbeitsgericht Dresden einreichten, weil sie bezweifelten, dass tatsächlich eine hinreichende Mehrheit für den Streik zustande gekommen sei. Unterdessen wuchs die Skepsis innerhalb der IG Metall gegenüber dem Arbeitskampf. Auf einer Sitzung mit den Betriebsratsvor- sitzenden der Automobilunternehmen am 23.06.2004 erklärten diese sich zwar solidarisch mit den Streikenden, es wurde aber auch harte Kritik am Vorgehen der IG Metall geübt. Kurz darauf ging der Opel-Gesamtbetriebsratsvorsitzende Klaus Franz an die Öffentlichkeit und sprach sich für eine sofortige Beendigung des Streiks aus (Die Welt, 24.05.2004). Am 26.06.2004 trafen sich die Tarifparteien zu einem Sondierungsgespräch. Die IG Metall legte im Laufe der Verhandlungen einen Vorschlag mit folgenden Punkten vor:  Verringerung der Wochenarbeitszeit am 1.1.2004 auf 37 Stunden; spätestens am 1.1.2009 auf 35 Stunden. 227  Eine Option auf Verlängerung des Angleichungszeitraums, wenn wirtschaftlich begründet, sowie eine Regelung für Härtefälle.  Festlegung der einzelnen Anpassungsschritte entweder auf Basis eines betrieblich ausgehandelten Stufenplans oder anhand eines von den Tarifvertrags- parteien erstellter Angleichungsberichts über die Produktivitätsentwicklung.  Im Konfliktfall Entscheidung durch eine tarifliche Schlichtungsstelle.  Festlegung der betrieblichen Arbeitszeit durch die Betriebsparteien innerhalb eines Korridors zwischen 35 und 40 Stunden.  Ausgleich der Arbeitszeit über 38 Stunden über ein Arbeitszeitkonto in Freizeit. Im Konfliktfall entscheidet eine tarifliche Schlichtungsstelle. Die Gesamtmetall lehnte diesen Vorschlag ab und legte ihren eigenen Vorschlag vor, in dem sie folgende Forderungen formulierte:  Einen tariflichen Arbeitszeitkorridor von 35 bis 40 Stunden, innerhalb dessen die Betriebe über das Volumen der Arbeitszeit entscheiden können.  Den ersten Schritt zur Angleichung Ost zum 1.4.2005, in dem die Bezugsgröße für das Monatsentgelt von 38 auf 37 Stunden gesenkt und damit die Stunden- verdienste um 2,7 % erhöht würde.  Die Verschiebung der Einführung des gemeinsamen Entgeltrahmens (ERA) im Osten um drei Jahre.  Einen Tarifbonus für Investoren, die sich in den neuen Ländern niederlassen.  Laufzeit dieser Vereinbarung bis zum 31.12.2008. (vgl. WSI 2003; 13). Im Laufe der Verhandlungen stagnierten die Diskussionen und keine der Parteien wollte einen Kompromiss eingehen. Daraufhin wurden die Verhandlungen am Morgen des 28.06.2004 ergebnislos abgebrochen. Nach dem Scheitern der Verhandlungen sah sich die IG Metall nicht mehr in der Lage, den Streik wieder aufzunehmen und gestand ihre Niederlage ein. Die IG Metall-Führung entschied daraufhin, den Streik und damit die gesamte Tarifbewegung zu beenden. Zwar räumte die IG Metall-Führung Fehlein- schätzungen ein, machte aber die Blockadehaltung der ostdeutschen Arbeitgeber für das Scheitern verantwortlich: „Die Ost-Arbeitgeber wollten nicht nur die Einführung der „35“ verhindern. Sie setzen bewusst die Zukunft des Flächentarifvertrags in Ost- deutschland aufs Spiel“ (Metall aktuell Nr. 7, Juni 2003). Dies war der erste Streik seit 228 1954, den die IG Metall verloren hatte. Sie büßte damit auch ihren Ruf der Unbesieg- barkeit ein. Mit etwa 10 Unternehmen vereinbarte die IG Metall in Ostdeutschland Haustarifverträge zur Einführung der 35 Stunden-Woche. (vgl. WSI 2003; 12). Anschließend vereinbarte die IG Metall am 7. Juni 2003 die Angleichung der Wochen- arbeitszeit an die westdeutsche Stahlindustrie in drei Stufen. Am 01.04.2005 wird die Arbeitszeit um eine Stunde auf 37 Stunden, ab 01.04.2007 auf 36 Stunden und am 01.04.2009 auf 35 Stunden verkürzt. Die IG Metall stimmte auch einer von der Arbeit- geberseite geforderten Vorbehaltsklausel zu, nach der die Verkürzung der Arbeitszeit gemeinsame Feststellungen der Tarifparteien voraussetzt, dass die Maßnahmen wirt- schaftlich vertretbar sind. Diese Überprüfungsklausel bedeutete konkret wie folgt: Sollten sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen gravierend verschlechtern, können die Tarifparteien sechs Monate vor dem Inkrafttreten einer neuen Stufe darüber verhandeln, ob die Stufe um ein Jahr verschoben wird. Bei ausbleibender Einigung auf eine Verschiebung wird dann ein Schiedsgerichtsverfahren eingeleitet. Gleichzeitig wurde der Ausgleichszeitraum für das Erreichen der durchschnittlichen Arbeitszeit auf zwei Jahre ausgedehnt. (vgl. WSI 2003; 12).Trotz der Beilegung des Konflikts in der Stahlindustrie durch Staffelregelung und trotz des Übergangs zu einer 35-Stunden- Woche im Rahmen von Haustarifverträgen durch einzelne Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie, betonte die Arbeitgeberseite gleich nach den Tarifverhandlungen ihre Unzufriedenheit. Vor allem die Gesamtmetall äußerte erhebliche Bedenken gegen den Vorstoß der IG Metall (vgl. Gesamtmetall 2003). Zudem warf der Gesamtmetall- präsident Kannegießer der IG Metall vor, mit einem falschen Thema zur falschen Zeit und am falschen Ort in die falsche Auseinandersetzung gegangen sei. (Frankfurter Rundschau, 04.07.2003). Auf der anderen Seite zeigte die bereits erfolgte Übernahme der Arbeitszeitverkürzung in Haustarifverträgen, dass einzelne Unternehmen sehr wohl in der Lage zu einem solchen Schritt sind und dass die 35-Stunden-Woche auch im Osten durchsetzbar war. Aus diesem Grund lässt sich festhalten, dass es im Kern der Auseinandersetzung der Arbeitgeberseite darum ging, erstens zu verhindern, die Arbeitszeiten tariflich zu verkürzen und zweitens die tarifvertragliche Regelungen einzuschränken und weitere Öffnungsklauseln für betriebliche Regelungen zu schaffen. Denn gescheitert war nicht nur die Einführung der 35-Stunden-Woche im Osten, sondern auch der Flächen- tarifvertrag in der ostdeutschen Metall- und Elektroindustrie war de facto tot. Zudem wurde die Spaltung zwischen Ost und West vertieft. Auf dieser Basis wurden die Unternehmen ermutigt, ihre Offensive noch zu forcieren. Denn in den vergangenen Jahren wurden von den Unternehmen immer häufiger Arbeitszeitregelungen diktiert, die mit den tariflichen Arbeitszeitbestimmungen nicht mehr übereinstimmten. Die 229 Beschäftigten, Betriebsräte und Gewerkschaften wurden unter Druck gesetzt, den Forderungen der Unternehmen zuzustimmen. Zudem sollte die wachsende Zahl der Arbeitslosen weiterhin als Druckmittel eingesetzt werden, um die Gewerkschaften zu schwächen, den sozialen und staatlichen Schutz der Arbeitskraft aufzubrechen, Tarif- verträge auszuhebeln und den gesellschaftlich geschaffenen Reichtum noch weiter zu Gunsten der Unternehmen umzuverteilen. Die offensive Haltung ließ sich nicht lang auf sich warten. Nach dem die Arbeitgeber- seite mit der Niederlage der IG Metall im Osten einen strategischen Sieg errungen hatte, wurden die Forderungen in den eigenen Reihen nach Arbeitszeitverlängerung und einer möglichen 40-Stunden-Woche lauter. So wollte BDI-Präsident Rogowski zurück zu längeren Arbeitszeiten. „Ich plädiere dafür, die Wochenarbeitszeit pauschal auf 38 bis 40 Stunden anzuheben“, sagte er dem gegenüber der Tageszeitung „Handelsblatt“ (Handelsblatt, 03.09.2003). Dieser Forderung schlossen sich die Bundesregierung sowie die CDU/CSU an. In ihrem „Wachstumsprogramm“ wurden „insgesamt längere Arbeitszeiten“ für Deutschland eingefordert. CSU-Chef Stoiber setzte anschließend die 42-Stunde-Woche im Öffentlichen Dienst in Bayern durch. Einzelne CDU-Politiker dachten gar an die 48-Stunden-Woche. Dem SPD-Vorsitzenden des Wirtschaftsaus- schusses im Bundestag, Wendt, reichten dagegen 45 Stunden. Auch in SPD-geführtem Bundesland Nordrhein-Westfalen wurden im Öffentlichen Dienst die Arbeitszeiten verlängert. Der Angriff auf die Arbeitszeiten wurde immer massiver vorangetrieben. Vor allem die Niederlage der IG Metall wurde als wichtiges Signal für die weitere Arbeitszeit-Debatte in Deutschland gesehen. Die Verhinderung der gewerkschaftlichen Forderung nach Einführung der 35-Stunden-Woche im Osten wurde als Anlass genommen, um auch im Westen die Arbeitszeitpolitik der Gewerkschaften zurück- zurollen. Mit ihrem Stuttgarter Angebot vom 23.01.2004 verdeutlichten die Metallarbeitgeber ihre Haltung. Sie forderten einen Tarifvertrag, der eine Öffnungsklausel zur Regelung der wöchentlichen Arbeitszeit enthält: Die Betriebsleitung und der Betriebsrat sollten ohne Genehmigung der Tarifparteien die wöchentliche Arbeitszeit bis auf 40 Stunden erhöhen können und zwar ohne jeden Lohnausgleich (Die Welt, 24.01.2004). Anschließend einigten sich die Tarifparteien sich auf größere Spielräume unter anderem auch bei längeren Arbeitszeiten. Der neue Tarifvertrag sah vor, dass die Abweichungen von den Normen des Tarifvertrages immer noch von den Tarifparteien genehmigt werden müssen. Nach drei Jahren sollten die Klauseln noch einmal überprüft werden. Von nun an war insbesondere für besonders qualifizierte Beschäftigte eine längere Arbeitszeit möglich. Bislang durften nur 18 Prozent der Belegschaft vor allem in Forschung und Entwicklung bis zu 40 Stunden pro Woche arbeiten, künftig konnte die 230 Quote bis auf 50 Prozent erhöht werden. Zudem erhielten die Unternehmen die Möglichkeit, für die einzelnen Beschäftigten, Beschäftigtengruppen oder Betriebsteile die Arbeitszeit auf bis zu 40 Stunden zu verlängern, ohne dass Mehrarbeitszuschläge anfallen würden. Die Arbeitgeberseite gab sich mit den Ergebnissen zufrieden. Gesamtmetall-Präsident Kannegiesser sagte, die Arbeitgeber seien ihrem Ziel ein Stück näher gekommen, Betrieben mit Anpassungs- und Umstellungsproblemen bessere Möglichkeiten zu bieten (Süddeutsche Zeitung, 12.02.2004). Südwestmetall-Chef Otmar Zwiebelhofer erklärte, zwar sei bei der Tarifvereinbarung „nicht die große Lösung“ erzielt worden, dennoch sei ein wichtiger Schritt auf einem neuen, gemeinsamen Weg der Tarifparteien zur Sicherung von Arbeitsplätzen und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Betriebe gemacht. „Diese Regelung ist aus unserer Sicht ein Beitrag zur Sicherung von Arbeitsplätzen in Deutschland“, sagte Zwiebelhofer. Auch die IG Metall-Führung gab bekannt, dass sie mit den Ergebnissen zufrieden sei. Zu den Vereinbarungen über Arbeitszeitverlängerungen sagte IG-Metall-Bezirksleiter Jörg Hofmann, die geltende 35-Stunden-Woche bleibe auch weiter der Bezugspunkt. Nun würden aber neue Spiel- räume in den Betrieben geschaffen. Damit werde bewiesen, dass die Tarifautonomie kein starres Gebilde sei. (Süddeutsche Zeitung, 12.02.2004). Tatsache ist jedoch, dass die IG Metall durch ihre Zustimmung, die Tür zur weiteren Verlängerung der Arbeitszeiten weit öffnete. Denn mit der Tarifvereinbarung bekannte sich die IG Metall dazu, die Sinnhaftigkeit abweichender Tarifverträge zu prüfen, wenn dies dem Erhalt von Arbeitsplätzen sowohl bei drohender Insolvenz als auch in Phasen konjunkturell bedingter Unterauslastung dienen würde. Diese Regelung bedeutete nichts anderes als, die wöchentliche Arbeitszeit über Öffnungsklauseln flächendeckend zu verlängern. Kurz nach dem Abschluss des Tarifvertrags in der Metall- und Elektro- industrie machte Siemens den Anfang und wollte zur 40-Stunden-Woche zurückkehren. Siemens nutzte dabei die Öffnungsklausel, die es nun jedem Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie ermöglichte, mit dem Betriebsrat in bestimmten Fällen die wöchentliche Arbeitszeit von 35 auf 40 Stunden zu erhöhen. Nämlich dann, wenn sie Investitionen zusichern, um den Fortbestand der Arbeitsplätze zu garantieren. Diese Forderung stellte die IG Metall vor eine neue Herausforderung. 231 5.2. „Die Wiedereinführung der 40-Stunden-Woche“ bei Siemens Am 24. Juni 2004 schlossen IG Metall und Siemens zur Sicherung der Beschäftigung und der Standorte in Deutschland eine Rahmenvereinbarung ab. Kernstück der konzern- weiten Rahmenvereinbarung war die Verlängerung der Arbeitszeit auf 40 Stunden ohne Lohnausgleich. Weihnachts- und Urlaubsgeld wurden durch einen erfolgsabhängigen Jahresbonus ersetzt. Der Vertrag trat zum 1. Juli 2004 in Kraft und soll zwei Jahre gelten. Die Tarifparteien einigten sich auch darauf, dass es während der Laufzeit keine betriebsbedingten Kündigungen geben werde. Nach den zwei Jahren werde Siemens den Betrieb an dem Doppelstandort nicht einstellen, sagte der Siemens-Chef von Pierer. Die Überlegungen zur Verlagerung von rund 2000 Arbeitsplätzen nach Ungarn seien für mindestens zwei Jahre vom Tisch: „Ich wollte die Arbeitsplätze erhalten. Das ist gelungen.“ Dies sei ein gutes Beispiel, wie Flächentarifverträge zukunftsgerecht gestaltet werden könnten. Der Ergänzungstarifvertrag galt den Angaben zufolge für alle der mehr als 4.000 Mitarbeiter des Standorts, an dem Mobiltelefone und schnurlose Telefone gefertigt werden. Die Arbeitskosten wurden laut Siemens um 30 Prozent gesenkt, die Gesamtkosten pro Handy gingen um fünf Euro zurück. Auch die IG Metall teilte mit, dass das Ziel der Vereinbarung war, bestehende Arbeitsplätze in Deutschland langfristig zu sichern: „Es ist uns gelungen, Siemens von seiner Zielsetzung abzu- bringen, das Verhältnis von Inlands- zu Auslandsumsatz auch in der Beschäftigtenzahl abzubilden. Der drohende Abbau von 74.000 Stellen in Deutschland ist damit abgewendet“, erklärte der zweite Vorsitzende der IG Metall, Berthold Huber und signalisierte, dass die IG Metall für weitere Arbeitszeitverlängerungen gesprächsbereit sei, wenn es sich dabei umeinen Weg zur Absicherung von Arbeitsplätzen handele. Diese von der IG Metall signalisierte Bereitschaft mobilisierte zahlreiche Unternehmen, die die wöchentliche Arbeitszeit verlängern wollten. So berichtete die Tageszeitung „Welt am Sonntag“, dass weitere 100 mittelständische- sowie Großunternehmen konkrete Pläne für eine Ausweitung der Arbeitszeit angemeldet haben (Welt am Sonntag, 27.06.2004). Nach Siemens kündigten Daimler-Chrysler, Continental, der Tourismuskonzern Thomas Cook und die Deutsche Bahn Mehrarbeit ohne entsprechenden Lohnausgleich an. Die IG Metall bestätigte, dass bei der Gewerkschaft konkrete Ankündigungen eingegangen sind. Auch die Gesamtmetall rechnete mit Nachahmern: „Es wird eine ganze Reihe von Firmen geben, die über die Rückkehr zur 40-Stunden-Woche nachdenken“, sagte Hauptgeschäftsführer Hans Werner Busch der Tageszeitung „Die Welt“. Bernd Gottschalk, Präsident des Verbandes der Automo- bilindustrie (VDA), nannte Arbeitszeitverlängerungen „verantwortbare Schritte, die wieder Perspektiven eröffnen und uns aus Starrheit und Stagnation herausführen 232 können“(ebenda). Continental-Vorstandschef Manfred Wennemer bezeichnete es als „für jeden zumutbar, 40 oder 42 Stunden pro Woche“ zu arbeiten. Damit würde Deutschland seine Konkurrenzfähigkeit zumindest in der westlichen Welt entscheidend stärken können (ebenda). Auch auf der politischen Bühne wurde die Diskussion um längere Arbeitszeiten neu entfacht. Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel bezeichnete die Siemens-Einigung als „richtiges Signal“, CSU-Chef Edmund Stoiber sprach von einem „Zukunftsmodell“. Davor hatte schon Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) öffentlich Lob für den vereinbarten Siemens-Abschluss geäußert (Welt am Sonntag 27.06.2004). Auch die Arbeitsmarktexperten wiesen darauf hin, der in anderen Branchen bereits sichtbare Trend zu längeren Arbeitszeiten würde nun auch in der Metall- und Elektrobranche neue Impulse erhalten: „Wenn das ein so großes Unternehmen wie Siemens macht, hat das eine Signalwirkung“, sagte Harmen Lehment vom Kieler Institut für Weltwirtschaft (vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.06.2004). Die IG-Metall-Spitze betonte hin- gegen wie Pierer, dass das Siemens-Abkommen keinen Modellcharakter habe. „Der Abschluss ist weder ein Modell für andere Unternehmen oder andere Branchen, noch ein Modell für das Unternehmen Siemens. Das ist ein Abschluss, der unter ganz spezi- fischen und extrem schwierigen Bedingungen und unter einer akuten Standort- gefährdung zu interpretieren ist“, betonte deren Tarifexperte Armin Schild (ebenda). Der Siemens-Chef warnte davor, dem Konzern nun eine Vorreiterrolle zu unterstellen: „Das Wort Modellcharakter für Deutschland nehme ich nicht in den Mund.“ (ebenda). Für Gesamtmetall-Präsident Martin Kannegiesser bedeutete der Kompromiss, dass die im Frühjahr mit der IG Metall im Rahmen des Lohnabschlusses für die Metall- und Elektrobranche vereinbarten betrieblichen Möglichkeiten für Arbeitszeitverlängerungen nun erstmals von einem namhaften Großunternehmen genutzt werden. Bislang war von Firmen kritisiert worden, der von Kannegiesser ausgehandelte Tarifabschluss eröffne den Unternehmen nicht genügend Möglichkeiten, um die Kosten zu senken. Die Siemens-Vereinbarung wurde seitens der Gesamtmetall als wichtiger Schritt dafür, die tariflichen Entscheidungen stärker in die Betriebe zu verlagern und die Tarifparteien damit zu entmachten, bewertet. Bei einer Gesamtbetrachtung der Tarifvereinbarung bei Siemens fällt auf, dass nach der Arbeitszeitverlängerung auf 40 Wochenstunden ohne Lohnausgleich eine pauschale Verlängerung der Arbeitszeiten von beiden Tarifparteien abgelehnt wurde. Der stellvertretende VW-Gesamtbetriebsratsvorsitzende Bernd Osterloh wandte sich gegen eine pauschale Verlängerung der Arbeitszeit. Es gehe stattdessen um Flexibilisierung, wie sie der Autokonzern mit der Einführung der 4-Tage-Woche vorgemacht habe, meinte er im Deutschlandfunk. Auch die Bundesagentur für Arbeit warnte vor einer 233 „verkürzten Sichtweise“ in der Debatte. Man dürfe nicht nur „auf die tariflichen Regelarbeitszeiten“ schauen, argumentierte Eugen Spitznagel vom zur Bundesagentur gehörenden Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (Junge Welt, 30.06.2004). Die in Deutschland tatsächlich geleistete Arbeitszeit liege bei durchschnittlich knapp 40 Wochenstunden, was in etwa dem Durchschnitt der alten EU-Staaten entspreche. Überdies könnten Firmen hierzulande die Arbeitszeiten inzwischen wesentlich flexibler einteilen als im europäischen Ausland. (ebenda). Auch IG-Metall-Vize Berthold Huber sah in der Einigung bei Siemens keinen Freibrief für eine generelle Verlängerung der Arbeitszeit. Die Gewerkschaft werde auch in Zukunft jeden konkreten Problemfall anschauen, bewerten und entscheiden, ob und welche Maßnahmen notwendig seien, sagte er. Abweichende Regelungen vom Tarif- vertrag gebe es nur, wenn das Unternehmen eine Beschäftigungsgarantie ausspreche, eine nachhaltige Beschäftigungsentwicklung zusage, den Standort sichere und Investitionen für die Zukunft vornehme. Mit dem Arbeitgeberverband Gesamtmetall habe die Gewerkschaft im Tarifabschluss vom Februar dafür klare Regeln festgelegt. „Für tarifpolitische Trittbrettfahrer, die durch einen Griff in die Taschen der Arbeit- nehmer nur ihre Margen erhöhen wollen, gibt es keinen Platz“, betonte Huber. Unterstützung erhielt die IG Metall vom DGB. Der DGB erklärte, dass die Arbeits- zeitverlängerung bei Siemens kein Modell für die ganze Wirtschaft ist: 1. „Die Tarifvereinbarung mit Siemens basiert auf dem Tarifvertrag, der zwischen der IG Metall und den Metall-Arbeitgebern im Februar 2004 abgeschlossen wurde. Darin sind klare Regeln festgelegt, unter welchen Bedingungen kon- ditioniert Arbeitszeitverlängerung bzw. Arbeitszeitverkürzung stattfinden kann. 2. Es gibt in Deutschland keine wichtigen Branchen, für die nicht in Tarifverträgen substanzielle Öffnungsklauseln bestehen, welche eine Anpassung der tariflichen Regelungen und Leistungen an die betrieblichen Erfordernisse erlauben. Sie beziehen sich auf Löhne und Gehälter, Arbeitszeitdauer und -verteilung, Urlaubs- und Weihnachtsgeld und andere tarifliche Vorschriften. 3. Die Öffnungsklauseln erlauben betriebliche Flexibilität, das Verfahren bleibt aber in der Hand der Tarifparteien. Sie werden auch in Zukunft - wie in der Vergangenheit - jeden konkreten Problemfall prüfen und entscheiden, ob und welche Maßnahmen im Interesse der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen not- wendig sind. Die tariflichen Öffnungsklauseln regeln hierzu die Möglichkeiten und beinhalten ergänzende Konditionen wie zum Beispiel Beschäftigungs- garantien oder Standortsicherung. 234 4. Mit der pauschalen Forderung nach Verlängerung der Arbeitszeit wollen konservative Kräfte die Erfolge der Arbeitszeitverkürzung, die von den Gewerk- schaften in den letzten Jahrzehnten erkämpft wurden, wieder rückgängig machen (http://www.dgb-bw.de/sixcms/detail.php?id=6431). Zusammengefasst kann also festgehalten werden, dass die Gewerkschaften sich gegen eine pauschale Verlängerung der Arbeitszeiten stellten und gleichzeitig die flexiblen Arbeitszeitregelungen im Rahmen tariflich eröffneter Spielräume unterstützten. Die Forderung nach pauschaler Verlängerung der Arbeitszeit lehnten sie als wirtschafts- politisch falsch, gesellschaftspolitisch rückschrittlich und die Interessen der Arbeit- nehmer missachtend ab. Der DGB-Bundesvorstand forderte die Arbeitgeber und die Politik dazu auf, diese kontraproduktive Diskussion zu beenden. Insofern stimmten die Gewerkschaften mit dem Präsidenten des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall überein, der sich gegen eine generelle 40-Stunden-Woche ausgesprochen hatte: „Es kommt jetzt nicht darauf an, flächendeckend etwas zu schaffen, was viele gar nicht brauchen“. Es sei verantwortungslos, die Vereinbarung für zwei Siemens-Standorte als Argument für eine generelle Rückkehr zur 40-Stunden-Woche zu benutzen. Ob in der privaten Wirtschaft oder im Öffentlichen Dienst: Generelle Arbeitszeitverlängerung sei ein Programm zu massenhafter Jobvernichtung. (vgl. http://www.dgb.de/homepage_kurztexte/az_ ver- laeng). 5.3. Ein kurzes Fazit: Zurück zu längeren Arbeitszeiten? Vor 20 Jahren gelang in der Metall- und Druckindustrie der schrittweise Einstieg in die 35-Stunden-Woche. Zwanzig Jahre später, nach der jüngsten Vereinbarung bei Sie- mens, die längere Arbeitszeiten ohne oder nur mit Teillohnausgleich zur Verbesserung der Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit sowie der Sicherung der Beschäftigung er- möglichte, entbrannte die Diskussion, ob die „40-Studen-Woche“ generell zurückkehrt. Dennoch kann festgestellt werden, dass eine generelle Rückkehr zur 40-Stunden-Woche bei Gewerkschaften wie Arbeitgebern auf Ablehnung stieß. Der Präsident der Gesamt- metall, Martin Kannegiesser, erklärte: „Es kommt jetzt nicht darauf an, flächendeckend etwas zu schaffen, was viele gar nicht brauchen.“ (Rheinische Post, 29.06.2004). Auch IG-Metall-Chef Jürgen Peters meinte, die Einführung der 40-Stunden-Woche in Deutschland wäre „das größte Job-Vernichtungsprogramm“ (ebenda). Statt einer generellen Verlängerung von Arbeitszeiten plädieren die Tarifparteien weiterhin für flexiblere Arbeitszeiten (Rheinische Post, 29.06.04). Insofern kann die Einigung 235 zwischen Siemens und der IG Metall als gutes Beispiel für die Flexibilität, die der Tarifabschluss in der Metall- und Elektroindustrie ermöglicht, gezeigt werden. Zwar wird in der Öffentlichkeit der Eindruck erweckt, als gehe es gegenwärtig um die Wiederherstellung der 40-Stunden-Woche. Wenn man sich die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden in allen Branchen anschaut, dann kann festgehalten werden, dass sie in fast allen Branchen bereits seit Jahren existiert. Worum es bei den aktuellen Auseinandersetzungen in der Metallindustrie, aber auch in anderen Branchen sowie im Öffentlichen Dienst geht, sind flexible Arbeitszeiten je nach Konjunktur- und Auftragslage, bezahlt von den Beschäftigten. Das bedeutet künftig Produktion und Dienstleistungen mit noch weniger Beschäftigten und noch mehr Öffnungsklauseln. Die aktuelle Diskussion zielt daher, worauf auch Bundes- kanzler Schröder hingewiesen hat, auf eine weitreichende Flexibilisierung der Arbeits- zeiten. Er „hält es für falsch, sich generell über 35 Stunden oder 42 Stunden zu streiten. Das wird den unterschiedlichen Situationen in den Betrieben nicht gerecht. Ent- scheidend sei eine Flexibilisierung der Arbeitszeit. Dazu bietet das Tarifrecht vielfältige Möglichkeiten: und es zeige sich mehr und mehr, dass sie mit Zustimmung der Gewerk- schaften auch genutzt werden.“ (Financial Times Deutschland, 05.07.2004). Begründet wird die Tendenz zur weiteren Arbeitszeitflexibilisierung mit den Auftrags- lagen der Unternehmen. Durch Einschränkung von Tarifrechten sowie Erweiterung von betrieblichen Regelungen sollen die Arbeitszeitregelungen künftig „dem Bedürfnis der Unternehmen nach Flexibilität“ angepasst werden: „Entscheidend ist, dass wir betriebs- spezifische Lösungen finden“, sagt Thomas Klischan, Hauptgeschäftsführer des Unter- nehmensverbands Nordmetall. „Dazu gehört die Arbeitszeit bis zu 40 Stunden im Gesamtbetrieb oder in Betriebsteilen“ (Die Welt, 29.06.2004). Für mehr Flexibilität plädiert auch Jürgen Thies vom Hamburger Industrieverband. Seiner Meinung nach müsste eine Arbeitszeitverlängerung nicht im Flächentarifvertrag vereinbart werden. „Es gibt schon lange innerbetriebliche Vereinbarungen, die auch ohne Tarifvertrag längere Arbeitszeiten vorsehen.“ (ebenda). Für Thies ist das ein mögliches Arbeits- modell mit Zukunft. Wenn Bedarf ist, soll länger gearbeitet werden. Wenn nicht dann eben kürzer. Nur so können die Unternehmen langfristig wettbewerbsfähig bleiben. Demzufolge will die Arbeitgeberseite, dass die Gewerkschaften über Öffnungsklauseln und betriebliche Verabredungen das Tor weit öffnen. Prognostiziert werden kann als Folgewirkung dieser Entwicklung eine grundlegende Veränderung, bei der auf eine langfristige Gestaltung der zeitlichen Rahmenbe- dingungen des Wirtschaftslebens mehr und mehr verzichtet wird. Die Rahmenbe- dingungen sollen den Unternehmen erlauben, je nach Auftragslage die Arbeitszeiten 236 kurzfristig zu verlängern, zu flexibilisieren oder gar zu verkürzen: „Arbeit muß dann zügig abgewickelt werden können, wenn sie ansteht“, sagt Jürgen Thies, Geschäfts- führer des Industrieverbands Hamburg. Immer mehr Betriebe hätten sich auf die neue Wirklichkeit umgestellt. „Gebannt auf die Stundenzahl zu starren, löst das Problem der Unternehmen mit ihren zunehmend globalisierten Geschäften nicht.“ Das bestätigt auch Thomas Klischan, Hauptgeschäftsführer des Unternehmerverbands Nordmetall. „Arbeitgeber brauchen, was die Dauer der Arbeitszeit anbelangt, höchstmögliche Flexibilität.“ (Die Welt, 21.12.2004) Denn erst vor einem Jahr setzte Opel ein anderes Signal und verkürzte die wöchentliche Arbeitszeit. Im Jahr 2003 reagierte die Tochtergesellschaft des größten Autoherstellers General Motors mit kürzeren Arbeitszeiten auf die schwache Wirtschaftslage. Opel fing mit einem flexiblen Arbeitszeitmodell im Stammwerk Rüsselsheim die unbefriedigende Absatzlage. Vorstand und Betriebsrat einigten sich auf ein Modell, wonach die Wochen-Arbeitszeit von 35 Stunden auf 30 Stunden verkürzt wurde (vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 01.09.2003). Das Programm „30 plus" verkürzte die tarifliche 35- Stunden-Woche um weitere fünf Stunden. Das vom Betriebsrat unterstützte Konzept orientierte sich an der bekannten 28,8-Stunden-Woche bei Volkswagen. Zusammen- gefasst sollte sich die Arbeitszeit den Erfordernissen der Produktion anpassen. Das Fazit der oben skizzierten Entwicklungen und Tatsachen ist, dass die IG Metall und die deutschen Gewerkschaften mittlerweile vor dem Scherbenhaufen ihrer Arbeitszeit- politik stehen. Die Folgen der Defensivhaltung der IG Metall können wie folgt beschrieben werden:  Faktisch werden die Arbeitszeiten seit Beginn der 1990er Jahre wieder länger.  Die Arbeitslosigkeit ist seit dem Tarifkompromisses über die 4 Millionen-Marke gestiegen.  Laut Berechnungen von vielen wissenschaftlichen Untersuchungen quellen die Arbeitszeitkonten über, ohne dass es einen tariflichen Rahmen für sie gibt. Die Beschäftigten haben kaum eine Möglichkeit diese geleisteten Überstunden nach ihren Wünschen abzubummeln.  Wöchentliche Arbeitszeiten von 40 bis 50 Stunden sind die Zielmarke der Arbeitgeber. 237  Mit der Verlagerung der Diskussionen auf die betriebliche Ebene und der Auf- lockerung der kollektivverbindlichen Regelungen verlieren die Gewerkschaften an Stärke und die tariflichen Regelungen an Bedeutung. Fakt ist, dass mit immer neuen Öffnungsklauseln und einer defensiven Haltung zu mehr Flexibilität die IG Metall der Generaloffensive der Arbeitgeberseite den Boden bereitet hat. Noch vor 20 Jahren startete die IG Metall mit den sog. drei guten Gründen die Offensive für die 35-Stunden-Woche. Dadurch hoffte sie, für die Beschäftigten mehr Beschäftigung, mehr Zeitsouveränität und humane Arbeitsverhältnisse sowie Arbeits- zeiten erkämpfen zu können. 20 Jahre später sieht die Realität ganz anders aus. 238 6. Resümee und Ausblick Ziel der vorliegenden Arbeit war es, anhand einer empirisch-historischen Untersuchung über Einstellungen sowie Strategien von Gesamtmetall und IG Metall die Gestaltungs- spielräume flexibler Arbeitszeitmodelle zu bestimmen und gleichzeitig die Defizite herauszuarbeiten. Die Leitende Frage der Untersuchung war, ob es den Arbeitgeberver- bänden und den Gewerkschaften gelingen konnte, die Erfordernisse eines Betriebes und die Belange der Beschäftigten weitgehend in Übereinstimmung zu bringen? Und (wenn ja) unter welchen Voraussetzungen die neuen flexiblen Arbeitszeitsysteme mit den betrieblichen und außerbetrieblichen Interessen der Beschäftigten zu vereinbaren sind. Damit konzentrierte sich die Arbeit auf die Einstellungen von Tarifparteien sowie Beschäftigten in der westdeutschen Metall- und Elektroindustrie und auf die für die Gestaltung von Arbeitszeiten relevanten Rahmenbedingungen sowie Konfliktlinien der betrieblichen Arbeitszeitpolitik vor dem Hintergrund der spezifischen Arbeits- und Le- benssituation der Beschäftigten. Im Folgenden werden nun die Resultate in zusammen- gefasster Form dargestellt. I. Die Ausführungen im Kapitel 1 zeigen deutlich, dass der Arbeitszeitkonflikt zwischen den Tarifparteien, vor allem die Positionen von Gesamtmetall und IG Metall sowie die Haltung der Beschäftigten ihren Ausgangspunkt in den Produktions- und Repro- duktionsverhältnissen des kapitalistischen Systems haben. Die sich im historischen Prozess zu einer ökonomischen Ressource entwickelnde Zeit rückte im Verlaufe der Industrialisierung als Brennpunkt sozialer Konflikte zwischen Arbeit und Kapital immer mehr in den Mittelpunkt. Die Ökonomisierung der Zeit sowie die industrielle Produktionsweise brachte eine von den Unternehmen vorangetriebene Ausdehnung der Arbeitszeit mit sich. Die Ausweitung verwies auf eine neue Bedeutungszuschreibung der modernen Arbeitszeit, nämlich als wertschaffende Größe im gesamtwirtschaftlichen Produktionsprozess, während sie zugleich wichtiges Kriterium für die Lebens- und Arbeitsverhältnisse der neu entstandenen Arbeiterklasse wurde. Mit dem Fortschreiten des Kapitalismus entwickelte sich die Arbeitszeit für die Beschäftigten zu nahezu völlig fremdbestimmter Zeit. 239 Ideologisch gesehen, wollte der Kapitalist den Gebrauchswert der Arbeitskraft für einen Arbeitstag kaufen, dessen Länge er möglichst bis zur maximalen Schranke ausdehnen möchte, während der Arbeiter auf sein Recht der Erhaltung der Arbeitskraft pochte und die Länge des Arbeitstags auf die Minimalschranke begrenzen wollte. An diesen gegen- sätzlichen Interessen entstand auch der Verteilungskampf um die Zeit. Denn im Zuge der kapitalistischen Zeitformierung verloren die Beschäftigten ihre zeitliche Souveräni- tät in zweierlei Hinsicht: Erstens diktierten die betrieblichen Produktionserfordernisse mehr und mehr Zeitpunkt und Dauer, zu denen die Lohnabhängigen ihre Arbeitskraft anzubieten hatten. Zweitens verloren die Arbeitskräfte immer mehr die Möglichkeit zur eigenverantwortlichen zeitlichen Strukturierung des Arbeitsprozesses. Die Unternehmen nahmen sich „das Recht“ zur Festlegung der Dauer der Arbeitszeit (chronometrische Dimension), der Lage der Arbeitszeit (chronologische Dimension) und der Struktur der Arbeitszeit, d.h. der Abfolge von produktiver Arbeit und Arbeitsunterbrechungen in Form von Pausen (strukturelle Dimension). Dementsprechend verstärkte sich die Verlängerung der Arbeitszeiten, so dass in der Hälfte des 19. Jahrhunderts tägliche Arbeitszeiten von 16 Stunden keine Seltenheit waren. In dieser Zeit fand also eine massive Ausweitung der Arbeitszeiten, insbesondere in der industriellen Produktion statt. Die tagtägliche, aber auch die jahresrhythmische Zeitgestaltung wurden also ganz den Bedürfnissen der Kapitalverwertung untergeordnet. Die verschärfte Ausbeutung der Arbeitskraft durch permanente Erweiterung des Arbeitstages rief die Gegenwehr der Arbeiter hervor. Die Verkürzung des Arbeitstags wurde zur essentiellen Forderung im Kampf um Menschenwürde und Überleben. Je mehr die Arbeitgeber die Arbeitszeiten verlängerten, desto mehr organisierten die Beschäftigten kollektive Kämpfe gegen die Interessen des Kapitals. Für die Gewerk- schaften rückte immer mehr die Verkürzung der Arbeitszeiten in den Mittelpunkt der Arbeitskämpfe. Die erkämpfte Verkürzung der Arbeitszeiten brachte den Beschäftigten eine verbesserte Reproduktion, Freizeit und eine Verbesserung der Mitwirkungs- möglichkeiten in Staat und Gesellschaft. Der Kampf um die Bestimmung und Kontrolle der Zeit zwischen den Unternehmen und den Beschäftigten verschärfte sich mit dem Fortschreiten des Kapitalismus und verursachte nicht nur langfristige technologische und ökonomische Strukturver- änderungen, sondern auch Veränderungen in der gesellschaftlichen Infrastruktur und im Bewusstsein der Beschäftigten. Darüber hinaus führte diese Auseinandersetzung nicht nur zur Normierung der Arbeitszeit, sondern auch der Arbeitsleistung, sowie der Beteiligungsrechte von Beschäftigten. Sie waren Bestandteile des sog. „Normalarbeits- verhältnisses“. Dieses war immer umkämpft. Auf eine einmal erreichte Normierung war 240 also kein Verlass. Sie wurde zur Disposition gestellt, wenn sich die Machtverhältnisse oder auch technologische sowie gesellschaftliche Infrastrukturen änderten. II. Schon zu Beginn der 1900er Jahre kritisierten die Unternehmen den Schematismus des 8-Stunden-Tages und wehrten sich gegen die allgemeine Verbindlichkeit dieser Regelung. Die Arbeitgeberverbände fordern seit Beginn der Industrialisierung eine flexiblere Arbeitszeitgestaltung, die sich an den Bedürfnissen der einzelnen Branchen, der Produktionsabläufe und der ökonomischen Ausgangslage orientieren soll. Sie wollen statt einer generellen Arbeitszeitverkürzung für alle Beschäftigten flexible Lösungen, die sich an den betrieblichen und regionalen Erfordernissen orientieren sollen. Demgegenüber ist auch festzuhalten, dass die Unternehmen aufgrund gesetzlicher und tariflicher Bestimmungen immer eine Vielfalt von Möglichkeiten besaßen, die Arbeitszeiten nach betrieblichen Gestaltungsmöglichkeiten variabel zu organisieren. Diese Gestaltungsmöglichkeiten bezogen sich sowohl auf die Dauer als auch auf die Lage und Verteilung der Arbeitzeit. Folge dieser Entwicklung war, dass die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung seitens der Gewerkschaften in den meisten Fällen mit der Einführung und zunehmenden Durchsetzung neuer Arbeitszeitmodelle wie Schicht- und Mehrarbeit seitens der Arbeit- geber einherging. Die neuen Modelle verkörperten gleichzeitig die ersten Anzeichen für die Entkoppelung der Arbeitszeit von der Betriebszeit sowie für die Flexibilisierung von Arbeitszeiten, welche die Beschäftigten noch mehr zur Unterordnung unter ihre Zeit, ihre Kontinuität und ihren Rhythmus zwangen. Neben Schichtmodellen wurden andere Zeitformen wie Mehrarbeit, Akkordarbeit eingeführt, was wiederum zu einer weiteren Intensivierung der Arbeit führte. In den darauf folgenden Jahren kam es immer mehr zu einer Wechselwirkung zwischen Arbeitszeitverkürzungen und Intensivierung der Arbeit bzw. Flexibilisierung der Arbeitszeiten. So bildete den Schwerpunkt der Auseinander- setzungen zwischen den Tarifparteien die Dauer, Lage und Verteilung der Arbeitszeit. Im Kampf um Arbeitszeiten forderten die Gewerkschaften nicht nur eine Verkürzung der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeiten, sondern auch eine Verringerung der Zahl der Arbeitstage pro Woche. Im Zusammenhang mit der Diskussion um die 40- Stunden-Woche erlangten die Gewerkschaften auch die 5-Tage-Woche. Somit setzte sich die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung durch und die Beschäftigten hatten nun kürzere Arbeitszeiten und längere Ruhe- bzw. Freizeit. Die Unternehmen und ihre Verbände reagierten auf die weitere Verkürzung der Arbeitszeiten mit weiterer Intensi- 241 vierung der Arbeit, Mehrarbeit, Rationalisierungsmaßnahmen, Überstunden und mit Einführung von neuen flexiblen Arbeitszeitmodellen wie neuen Schichtmodellen, Gleitzeit oder Teilzeitarbeit. Um das Auseinanderklaffen von tariflicher und tatsächlicher Arbeitszeit zu verhindern, versuchten die Gewerkschaften die Mehrarbeit, durch Sicherung der täglichen und wöchentlichen Höchstarbeitszeiten für geleistete Überstunden sowie durch den Anspruch auf Freizeitausgleich zu begrenzen. Immer häufiger wurde von den Gewerkschaften im Rahmen der Diskussionen über eine Humanisierung der Arbeit, das Wechselverhältnis von Arbeitszeitverkürzungen und Intensivierung der Arbeit thematisiert. Unter dem Humanisierungsaspekt forderte die IG Metall zu Beginn der 1970er Jahre eine weitere Verkürzung der Arbeitszeit, Mindesterholungszeiten sowie Zeiten für persönliche Bedürfnisse zur menschengerech- teren Arbeitsgestaltung zu ermöglichen. Zudem ließ die steigende Arbeitslosigkeit den Arbeitszeitkonflikt wieder in den Mittelpunkt der Auseinandersetzung rücken. Im Gegensatz zu der These, dass die Flexibilisierung der Arbeitzeiten erst durch den Tarifkompromiss im Jahre 1984 ermöglicht wurde, belegt also die oben dargestellte Entwicklung, dass flexible Arbeitzeiten kein neues Phänomen waren, sondern bedingt durch den Kampf um die Zeit bzw. Arbeitszeit zwischen Arbeitgebern und Arbeit- nehmern seit der Geburt des Kapitalismus immer ein Thema bzw. Streitpunkt war. Bis zu Beginn der 1980er Jahre bestimmte nicht die Arbeitszeitflexibilisierung sondern die Arbeitszeitverkürzung die Tagesordnung der Diskussionen. Erst mit dem Tarifkomp- romiss wendete sich das Blatt und die Diskussionen um die Arbeitszeitflexibilisierung gewannen an Bedeutung und die Flexibilisierung der Arbeitszeit setzte sich als Paradigma der öffentlichen Debatte um die Arbeitszeiten durch. III. Das Ergebnis der neuen Auseinandersetzung um die Arbeitszeit war der 1984 ausge- handelte Leber-Kompromiss. Als den deutschen Unternehmen deutlich wurde, dass die Gewerkschaften stark an einer Verkürzung der Arbeitszeiten interessiert sind, rückte ins Blickfeld der Unternehmen mehr und mehr eine neue Arbeitszeitpolitik. Die Alternative zu den Vorschlägen der Gewerkschaften zielte hauptsächlich auf die Einführung neuer flexibler Arbeitszeiten und Regelungen ab. Die Vorschläge der Arbeitgeber tendierten dazu, einerseits eine weitere Verkürzung der Arbeitszeiten zu verhindern und anderer- seits die Arbeitszeitregelungen so zu gestalten, dass die Unternehmen den tatsächlichen Personalbedarf in seiner zeitlichen Dimension so kostengünstig wie möglich decken konnten. Zudem sollten die „kontraproduktiven Auswirkungen starrer Arbeitszeit- 242 regelungen – darunter auch die tariflichen Arbeitszeitregelungen – zugunsten der flexiblen Arbeitszeitgestaltung aufgegeben werden. Durch den Kompromiss entstand in den darauf folgenden Jahren ein ungeheurer Flexibilisierungsschub, der zu einem Anstieg von flexiblen Arbeitszeitformen und den hierin enthaltenen Arbeitszeit- modellen führte. Bezeichnend bei dieser Entwicklung ist, dass die Flexibilisierungsvorschläge bei den Gewerkschaften zuerst keine Zustimmung fanden. Gegen die Vorschläge der Arbeit- geber wurde seitens der Gewerkschaften der Einwand erhoben, dass die neue Arbeits- zeitpolitik mit neuen Flexibilisierungsvorschlägen ein Teil der unternehmerischen Rationalisierungsstrategie sei, die darauf abziele, durch Flexibilisierung und Individualisierung der Arbeitszeiten die Arbeit auf Kosten der Beschäftigten produktiver zu machen und die tarifliche Schutzfunktion der kollektiven Arbeits- zeitnormen zu unterlaufen. Die IG Metall und die Mitgliedgewerkschaften des DGB betrachteten als zentrale gesellschaftspolitische Aufgabe der Arbeitszeitpolitik, den Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit und für Vollbeschäftigung so zu führen, dass durch kürzere Arbeitszeiten mehr Menschen wieder Arbeit finden, alle mehr vom Leben und attraktivere Arbeitsbedingungen haben. So entstand auch die historische Forderung nach 35-Stunden-Woche innerhalb der Gewerkschaften aus dem Hintergrund der sich verschärften Weltwirtschaftskrise und der in deren Folge zunehmenden Arbeits- losigkeit. Allgemein ging es für die IG Metall bei der Diskussion über die Arbeitzeit darum, Verteilungsgerechtigkeit zu erkämpfen und individuelle und gesellschaftliche Pers- pektiven bei der Gestaltung von Arbeitszeit und Lohn aufzuzeigen und durchzusetzen. Aus diesem Grund standen die IG Metall und andere DGB-Gewerkschaften in den 1970er und Anfang der 1980er Jahre der Arbeitszeitflexibilisierung durchaus aufgeschlossen gegenüber. Sie waren jedoch skeptischer gegenüber der Forderung der Arbeitgeber, die statt Arbeitszeitverkürzung auf die Flexibilisierung der Arbeitszeiten setzten. Laut der IG Metall würden von der Arbeitszeitflexibilisierung vor allem die Arbeitgeber profitieren. Für die Beschäftigten dagegen hätte die Arbeitszeit- flexibilisierung einen Abbau von Arbeitnehmerschutzrechten bzw. Aufhebung der tarif- vertraglichen Arbeitszeitregelungen sowie die Aushöhlung des Tarifvertragsystems, Leistungsverdichtung und Intensivierung bedeutet. Auf einen Nenner gebracht, lauteten die Befürchtungen der Gewerkschaften: „Flexibilisierung gefährdet Solidarität und Sozialstaat“. Jedoch ließ sich die Antiflexibilitätshaltung innerhalb der Gewerkschaften auf Dauer nicht durchhalten. Dabei spielte die Situation, dass die von der IG Metall geforderte 243 Arbeitszeitverkürzung ohne die von Gesamtmetall geforderte Arbeitszeitflexibilisierung nicht durchgesetzt werden konnte, eine entscheidende Rolle. Schließlich stimmte die IG Metall 1984 nach einem äußert hart geführtem Arbeitskampf einem Kompromiss zu, in dem die Reduzierung der Arbeitszeit auf 38,5 Stunden mit deren Flexibilisierung verknüpft war. Somit begann eine neue Auseinandersetzung um die Arbeitszeit, die eine Überschreitung des Rahmens der bisherigen Arbeitszeitpolitik verursachte. Der sog. „Leber-Kompromiss“ beinhaltete gravierende Nachteile für die IG Metall, Betriebsräte sowie Beschäftigten, die sich in den darauf folgenden Jahren deutlich heraus- kristallisierten. Mit diesem Kompromiss wurde zum einen die Flexibilisierung in den Tarifverträgen und zum anderen Spaltungen in der Belegschaft festgeschrieben. Gerade die sog. Öffnungsklauseln beinhalteten genügend Optionen für die Verlängerung von Arbeitszeiten über die tariflich geregelte Wochenarbeitszeit von 38,5-Stunden hinaus. Zwar wurde durch den Tarifvertrag die Wochenarbeitszeit von 40 Stunden auf 38,5 Stunden verkürzt, aber der Tarifvertrag war so flexibel angelegt, dass die Aushandlung von flexiblen Arbeitszeitregelungen durch die betrieblichen Verhandlungsparteien von nun an möglich war. So wurde zum einen Kompetenz und zum anderen Konflikt- potenzial auf die betriebliche Ebene verlagert und zudem wurde der langjährige Arbeitszeitstandard abgelöst. In fast allen ab 1984 abgeschlossenen Tarifvereinbarungen über die verkürzten Wochenarbeitszeiten wurden zugleich Regelungen zur Arbeitszeit- flexibilisierung aufgenommen, die überwiegend den Interessen der Arbeitgeber entsprachen. Das Besondere an dieser Tarifvereinbarung war auch, dass der Tarifabschluss für weitere Tarifverträge in anderen Bereichen als Grundlage diente. Somit wurden in fast allen ab 1984 abgeschlossenen Tarifvereinbarungen über die verkürzte Wochenarbeits- zeiten zugleich Regelungen zur Arbeitszeitflexibilisierung aufgenommen. Tatsache ist, dass der Tarifvertrag in der Metallindustrie die Flexibilisierungsmöglichkeiten, die es schon in vor 1985 wirksam gewordenen Tarifverträgen gegeben hatte, in den davon betroffenen Wirtschaftszweigen vergrößert hat. Er hat somit die vorher schon vor- handene Tendenz zu flexiblen Arbeitszeiten verstärkt. Dazu gehörten die bessere Anpassung des Arbeitsvolumens an saisonale Schwankungen der Nachfrage, die Verbesserung der Arbeitszeitorganisation und damit eine Senkung von Leerzeiten. Die Ereignisse in den darauf folgenden Jahren belegen eindeutig, dass der Gewinner dieses Kompromisses die Arbeitgeberseite war. Vor allem durch die in den neunziger Jahren geführte Standortdebatte konnte es Gesamtmetall gelingen, die Beschäftigten, Gewerkschaften und Betriebsräte massiv unter Druck zu setzen. Die Arbeitgeber ging insbesondere mit der IG Metall scharf ins Gericht. Die Angriffe von Arbeitgeberseite erreichten in darauf folgenden Jahren den Höhepunkt. Mit immer neuen Öffnungs- 244 klauseln in Tarifverträgen, neuen Arbeitszeitmodellen - die gleichzeitig eine Verlängerung der Arbeitszeiten bedeutete - konnte die Arbeitsgeberseite;  erstens eine weitere Verkürzung der Arbeitszeiten verhindern und  zweitens für eine Generaloffensive zu Gunsten der flexiblen Arbeitszeitmodelle den Boden bereiten. Um die noch vorhandenen Arbeitsplätze zu sichern und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen zu verbessern übernahm die IG Metall eine defensive Rolle. Zudem führte die zunehmende Lohn- und Niedriglohnkonkurrenz zwischen den Stand- orten zu einem massiven Druck auf die Gewerkschaften und Betriebsräte, ihre Ansprüche zu reduzieren sowie weiteren Arbeitszeitflexibilisierungen zuzustimmen. Der IG Metall konnte aus dieser defensiven Haltung die Interessen der Beschäftigten nicht durchsetzen. Dabei spielte auch die widersprüchliche Haltung der IG Metall eine gravierende Rolle. Dazu folgendes Beispiel; Einerseits schloss die IG Metall mit den Arbeitgeber- verbänden zur Sicherung der vorhandenen Arbeitsplätze sowie Sicherung der Standorte nationale Bündnisse. Anderseits aber versuchte sie auf europäischer Ebene mit anderen nationalen Gewerkschaften ein System von Mindeststandards für Löhne und Arbeitszeit aufzubauen und der Verbetrieblichung der Arbeitszeitpolitik auch auf europäischer Ebene entgegen zu treten. Dies führte u. a. dazu, dass die einst von den Arbeitgebern so gefürchtete IG Metall zum Vorreiter der Arbeitszeitflexibilisierung wurde und zu Beginn des neuen Jahrhunderts vor dem Scherbenhaufen ihrer Politik steht. Denn 1984 forderte die IG Metall „Zeit zum Leben“, tariflich festgelegte Regelungen, um die Vereinbarkeit von Erwerbs- und Familienarbeit zu erleichtern und um sonstige nützliche Tätigkeiten Raum zu schaffen. Als zentrale gesellschaftspolitische Aufgabe der gewerkschaftlichen Arbeitszeitpolitik für die 35-Stunden-Woche nannte die IG Metall, den Kampf gegen Massenarbeitslosigkeit und für die Vollzeitbeschäftigung so zu führen, dass durch kürzere Arbeitszeiten mehr Menschen Arbeit finden und alle Beschäftigten mehr vom Leben und attraktivere Arbeitsbedingungen haben. Im Jahr 2004 belegen die aktuellsten Ereignisse, dass die IG Metall mit Zustimmung für weitere Öffnungsklauseln und defensiven Haltung der Arbeitgeberseite für die Generaloffensive den Boden bereitet hat. Gegenüber den Zielen vom 1984 sieht die Realität 20 Jahre später ganz anders aus: Die tatsächlichen wöchentlichen Arbeitszeiten werden insbesondere seit Beginn der 1990er Jahre wieder länger. Analog dazu steigt auch die Zahl der Arbeitslosen weiterhin. Statt neue Mitarbeiter einzustellen, sorgen die Unternehmen dafür, dass die Beschäftigten kräftig Überstunden leisten. Die Ergebnisse 245 der im vierten Kapitel dargestellten Untersuchungen belegen eindeutig, dass die Arbeitszeitkonten überquellen. Zudem haben die Beschäftigten kaum eine Möglichkeit diese geleisteten Überstunden nach ihren Wünschen abzubummeln. Abgesehen davon, dass sie sogar verfallen bzw. aus „Zeitnot“ nicht abgebummelt werden. IV. Mit der Flexibilisierung der Arbeitszeiten rückte für IG Metall und Gesamtmetall auch die Notwendigkeit in den Vordergrund, deren Rahmenbedingungen zu gestalten. Denn der Weg zu flexiblen Arbeitszeitmodellen entwickelte sich gleichzeitig zu einem Wandel der gesellschaftlichen sowie betrieblichen Strukturen. Betrachtet man die Aus- führungen im Kapitel 3 sowie die zahlreichen Erhebungen und Analysen der Studien, fällt auf, dass die Diskrepanz zwischen den Rahmenbedingungen und aktuellen Entwicklungen der Arbeitszeit sowie dem gesellschaftlichen Diskurs bezüglich Arbeits- zeit und Freizeit sehr groß war. Obwohl die Studien belegen, dass die Rahmen- bedingungen für die Gestaltung der flexiblen Arbeitszeiten eine enorm wichtige Rolle spielen, reagieren die Unternehmen wie auch Gewerkschaften sehr zurückhaltend. Denn die neue Situation verursacht auf beiden Seiten Unsicherheiten und Chaos. Viele der kleinen und mittleren Betriebe sahen sich überfordert, während die Flexibilisierung der Arbeitszeiten sich für die großen Unternehmen durchaus vorteilhaft auswirkte. Das führte dazu, dass viele kleine und mittelständische Unternehmen sich von der Position der Arbeitgeberverbände distanzierten, sogar drohten, die Arbeitgeberverbände zu verlassen. Dazu gehörte auch das Unterlaufen ausgehandelter Normen, eine öffentliche Abwehrhaltung gegen die Arbeitszeitpolitik der Arbeitgeberverbände wie auch der Rückzug aus den Arbeitgeberverbänden. Diese Haltung führte dazu, dass die Arbeitgeberverbände in den darauf folgenden Jahren immer aktiver wurden, zahlreiche Handbücher und Konzepte zur Ein- und Durchführung von flexiblen Arbeitszeit- modellen veröffentlichten und auch die kleinen und mittelständischen Unternehmen bei der Implementierung von Arbeitszeitmodellen unterstützten. Gerade die neuen Just-In- Time-Konzepte, welche die großen Unternehmen zur Kostensenkung und Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit unter dem internationalen Konkurrenzdruck eingeführt hatten, hätten ohne die Zusammenarbeit zwischen kleinen und großen Unternehmen nicht zum Erfolg geführt. So kann festgehalten werden, dass neben der Gestaltung von Arbeitszeiten und Ein- führung von flexiblen Arbeitszeitmodellen, auch die Rahmenbedingungen und außer- betrieblichen Einflussfaktoren in den Mittelpunkt der Diskussionen rückten. Trotz der Bedeutung der flexiblen Arbeitszeit fehlte es aber bis dahin an einer umfassenden und 246 detaillierten Auseinandersetzung der mit der Arbeitszeitgestaltung im Zusammenhang stehenden Rahmenbedingungen sowie Einflussfaktoren. Erst seit Mitte der 1990er Jahre setzen sich die Tarifparteien - vor allem die Gewerkschaften und gewerkschaftsnahe Institute – mit den Rahmenbedingungen, deren Folgen und Auswirkungen für die flexiblen Arbeitszeiten auseinander. Bei der Auseinandersetzung um die Rahmenbedingungen konzentrierte sich die Arbeit- geberseite darauf, die betrieblichen sowie außerbetrieblichen Faktoren, welche bei der Ein- und Durchführung von neuen flexiblen Arbeitszeiten eine hemmende Rolle spielten, zu beseitigen. Gesamtmetall ist vor allem daran interessiert, die Rahmen- bedingungen so zu gestalten, dass durch diesen Rahmenbedingungen die neuen flexiblen Modelle zu einer ökonomischen Nutzensteigerung führen. Die Ziele der der Unternehmen sind:  die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen zu steigern,  durch neue Organisationsmodelle sowie Arbeitszeitmodelle die unterschied- lichen Beschäftigtengruppen zu unterschiedlichen Arbeitszeiten einzusetzen,  durch variable und flexible Tarifverträge sowie Betriebsvereinbarungen den Weg zu günstigeren Lohnstückkosten und damit zu mehr Wettbewerbsfähigkeit zu ermöglichen,  und die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und Aspekte so zu gestalten, dass es den Beschäftigten nicht schwer fällt, rund um die Uhr zu produzieren. Durch die Standortdebatte konnte Gesamtmetall die IG Metall unter Druck zu setzen und die oben beschrieben Ziele weitgehend verwirklichen. Unter dem Vorwand, „die noch vorhandenen Arbeitsplätze zu sichern“ übernahm die IG Metall eher eine defensive Haltung. Zwar bemüht sie sich weiterhin darum, den Wandlungsprozess zu Gunsten der Beschäftigten zu gestalten, das Arbeitsleben zu humanisieren und dem oben beschriebenen Trend Grenzen zu setzen. Aber gleichzeitig zeigen die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit, dass die IG Metall nicht in der Lage war und weiterhin auch nicht ist, aus einer defensiven Haltung heraus die Arbeitszeiten zukunftsgerecht zu gestalten. Angesichts dieser Situation stellt sich damit die Frage, „ob es den Arbeitgeberver- bänden und den Gewerkschaften gelingen kann, die Erfordernisse eines Betriebes und die Belange der Beschäftigten weit gehend in Übereinstimmung zu bringen“, bzw. ob eine solche Interessenharmonisierung überhaupt möglich ist. Zudem zeigt die Siemens- 247 Einigung deutlich, unter welchen Bedingungen die neuen Arbeitszeitsysteme mit den betrieblichen und außerbetrieblichen Interessen der Beschäftigten, die statt flexibler lieber kürzer arbeiten wollen, zu vereinbaren sind. So ist es auch nicht verwunderlich, wenn innerhalb der Gewerkschaften ein Strategiewechsel gefordert wird, der den wachsenden Druck von Unternehmen und ihren Verbündeten begegnen und stoppen soll. Und zwar ein Strategiewechsel zu Gunsten der Beschäftigten mit dem Ziel, die Arbeitszeiten drastisch zu verkürzen, den Beschäftigten mehr Zeitsouveränität zu gewähren sowie mehr Vollzeit-Beschäftigung zu ermöglichen. V. In den letzten Jahren meldeten sich die Beschäftigten in vielen Befragungen und Studien zu Wort und legten ihre Interessen und Motive dar. Viele dieser repräsentativen Untersuchungen, welche die Arbeitszeitwünsche der Beschäftigten erkundeten, bestätigen vor allem den Wunsch der Beschäftigten, Einfluss auf die Ausgestaltung ihrer Arbeitszeit nehmen zu können. Denn auch für die Beschäftigten sind die Arbeits- zeiten ein Thema mit ökonomischen und gesellschaftspolitischen Folgen. Dement- sprechend zeigen viele Studien, dass für die Beschäftigten die familiären und sozialen Motive bei der Arbeitszeitgestaltung ebenso bedeutsam sind wie der Wunsch nach individueller Zeitsouveränität und der Reduktion von Belastungen aus der Erwerbsarbeit. Umso mehr sind die Beschäftigten anhand ihrer wachsenden Bedürfnisse daran interessiert, mehr Selbstbestimmung und Eigenverantwortung sowie mehr Lebens- qualität durch Humanisierung der Arbeit zu übernehmen. Ergebnisse vieler Unter- suchungen belegen auch in diesem Zusammenhang, dass die meisten Beschäftigten ein starkes Bedürfnis zeigten, am Tag kürzer zu arbeiten und gleichzeitig zusammen- hängende Freizeitblöcke zu haben. Die Verkürzung der täglichen sowie wöchentlichen Arbeitszeiten wurde als Souveränität bei der Disposition über die eigene Zeit wahrgenommen. Mehr Freizeit bedeutet zugleich mehr Zeit für die Familie, die Aktivitäten zu Hause sowie in den Vereinen und Qualifizierung. Vor allem die Mehrarbeit und die kurzfristig angesetzten Überstunden finden bei den Beschäftigten keine Akzeptanz. Allgemein gilt: Je länger die tatsächliche Arbeitszeit, desto kürzer auch die gewünschte Arbeitszeit. Bei genauer Analyse der Gründe für die Verkürzung der tatsächlichen Arbeitszeiten kommt heraus, dass die überwiegende Mehrheit der Beschäftigten als Grund für die kürzere Arbeitszeiten die soziokulturellen Faktoren wie Aufrechthaltung sozialer Kontakte, die gemeinsame Zeitverbringung in Ehe, Partner- 248 schaft oder Freundeskreis, ehrenamtliche Tätigkeiten in Vereinen und Hobbies nennen. Diesen Interessen folgen die lebensweltlichen Anforderungen wie Kinderbetreuung, Pflege pflegebedürftiger Personen, die Erledigung der täglichen Hausarbeit sowie das Gesundheitsmotiv bzw. die Reduktion von Belastungen. Zudem spiegeln die Arbeits- zeitwünsche auch die traditionelle geschlechtsspezifische Arbeitsteilung im Haushalt wider, wonach der Mann vorwiegend für den finanziellen Unterhalt der Familie zuständig ist und die Frau dagegen die Haus- und Familienarbeit übernimmt Daran hat sich auch über einen längeren Zeitraum nichts grundsätzliches geändert. Tatsache ist jedoch, dass in allen Untersuchungen die befragten Beschäftigten insgesamt kürzer arbeiten wollen. Bei den Männern bedeutet das die Reduzierung der Überstunden und die Durchsetzung normaler tariflicher Arbeitszeiten bis hin zu verkürzter Vollzeit. Bei den Frauen sind eher Arbeitszeitmodelle gefragt, die von der bisherigen marginalen Teilzeit hin zu kurzer Vollzeit wegführen sollen. Hier kann also festgehalten werden, dass die Mehrheit der Beschäftigten kürzere Arbeitszeiten favorisieren und für günstigere Arbeitszeitregelungen plädieren. Daher verwundert es auch nicht, dass fast die Hälfte der Beschäftigten ihre tatsächlichen Wochenarbeitszeiten gerne verkürzen möchten. Das ausschlaggebende Motiv dafür besteht bei den Beschäftigten im Gewinn von Zeit oder Zeitwohlstand, was auch auf eine Relevanzverschiebung im Verhältnis von immateriellen zu materiellen Gütern hindeutet. Dieser wird benötigt, um lebensweltliche Anforderungen bewältigen und außerberuflichen Interessen nachgehen zu können. Der Wunsch nach Arbeitszeitverkürzung wird auch des Öfteren mit dem Abbau von Arbeitslosigkeit und der Belastungsreduktion begründet. Auch bei der Gestaltung der Arbeitszeiten wollen die Beschäftigten eine gewisse Souveränität haben und chronometrische sowie chronologische Verläufe selbst bestimmen. Dabei wird auf die Vereinbarkeit zwischen Arbeit und sozialem Leben geachtet. Voraussetzung dafür war und ist eine gewisse Autonomie bei der Arbeitszeitgestaltung. An dieser Haltung hat die Einführung von verschiedenen flexiblen Arbeitszeitmodellen nicht viel geändert. Zwar gelang es vielen Unternehmen unter dem Druck der Massenarbeitslosigkeit, die Flexibilisierung der Arbeitszeit ohne Rücksicht auf die Arbeitszeitwünsche der Beschäftigten zu nehmen, voranzutreiben. Die Angst, bei mangelndem Engagement den eigenen Arbeitsplatz zu verlieren, ist ein Grund dafür, dass die Beschäftigten einer immer weiteren Flexibilisierung der Arbeitszeiten zustimmen. Zudem kann festgestellt werden, dass die Euphorie, die Mitte der 1980er Jahre unter den Beschäftigten herrschte, nicht mehr vorhanden ist. Denn viele Betriebe haben ein Interesse daran, durch eine stärkere Entkoppelung von individueller Arbeitszeit und verlängerter Betriebsnutzungszeit und der Anpassung der Arbeits- 249 kräftenutzung an Schwankungen der Marktnachfrage zu Produktivitätssteigerungen zu gelangen, um auf diese Weise ihre Weltbewerbsfähigkeit zu verbessern. Die Arbeitszeitpräferenzen der Beschäftigten werden dabei nur in beschränktem Maße akzeptiert bzw. wahrgenommen. Betrachtet man diese Entwicklung seit Mitte der 1980er Jahre, dann zeigt sich, dass die erhoffte positive Auswirkung der Arbeitszeitflexibilisierung ausblieb und ganz im Gegenteil die durchschnittlichen tatsächlichen Arbeitszeiten zunahmen, obwohl die tariflichen Arbeitszeiten verkürzt wurden. Auf Grund dieser Entwicklung steigt die Unzufriedenheit der Beschäftigten von Jahr zu Jahr. Vor allem wollen sich die Beschäftigten keine Ausdehnung der Arbeitszeiten unter dem Stichwort „Arbeits- zeitflexibilisierung“ aufzwingen lassen und wollen statt Arbeitszeitflexibilisierung Zeitsouveränität, kürzere und planbare Arbeits-, und Freizeit sowie den Abbau von Überstunden. Auch die Tatsache, dass die beschäftigungspolitischen Versprechungen von Gesamtmetall und IG Metall, durch flexible Arbeitszeiten neue Arbeitsplätze zu schaffen und die bestehenden Arbeitsplätze zu sichern, nicht eingelöst wurden, spielt für die ablehnende Haltung eine wichtige Rolle. So kann aus den Ergebnissen vieler Untersuchungen abgeleitet werden, dass die Mehrheit der Beschäftigten daran interessiert sind, kürzer und flexibler zu arbeiten und nicht flexibler und länger. Die steigende Unzufriedenheit der Beschäftigten gegenüber der flexiblen Arbeitszeit- gestaltung sowie schleichender Arbeitszeitverlängerung verschärften die Diskussionen innerhalb der Gewerkschaften, so dass die kritischen Stimmen immer mehr Gehör finden. Die Haltung der IG Metall-Führung wird von den kritischen Gewerkschaftern sowie von den Gegnern der Arbeitszeitflexibilisierung hart kritisiert. Seit dem Tarif- kompromiss im Jahre 1984 wird der IG Metall-Führung auch vorgeworfen, ohne schlüssiges arbeitszeitpolitisches Konzept zu agieren. Je mehr die Arbeitgeber die weitere Flexibilisierung der Arbeitszeiten fordern, desto stärker lehnen die kritischen Gewerkschaftler weitere Flexibilisierungen der Arbeitszeiten ab. Gerade in den Kreisen, die in den Diskussionen als Gegner der Arbeitszeitflexibilisierung auftreten, wird die Auseinandersetzung um die Arbeitszeitflexibilisierung auf der Basis des Klassen- kampfes geführt. Dabei wird die Position vertreten, dass die Gewerkschaften ihre Co- Management-Rolle aufgeben und eine kämpferische und kritische Haltung einnehmen sollen. In diesem Sinne wird seitens der Flexibilisierungsgegner der IG Metall-Führung auch vorgeworfen, den Standpunkt des ideellen Gesamtkapitalisten Deutschlands eingenommen zu haben. Dementsprechend wird der im Tarifabschluss zum Tragen gekommene Flexibilisierungsstrategie als ein Balanceakt gegen die Arbeiterklasse bewertet. Statt Arbeitszeitflexibilisierung wird aus diesen Kreisen der Kampf um 250 Arbeitszeitverkürzung verlangt. Das Ziel für eine derartige Strategie heißt „30-Stunden- Woche mit vollem Lohn- und Personalausgleich“. Mit einer neuen Offensive soll die Einführung der 30-Stunden-Woche erreicht werden. Aus diesen Überlegungen kann abgeleitet werden, dass die Diskussion um die Arbeitszeit nach wie vor von verschiedenen, meist gegensätzlichen Interessen geprägt ist: Auf der Beschäftigtenseite zielt die Arbeitszeitflexibilisierung nach wie vor auf Zeitsouveränität: d.h. auf eine bessere Vereinbarkeit der Arbeitszeit mit allen Aktivitäten außerhalb der Arbeitszeit ab. Demgegenüber stellt die Arbeitgeberseite den betriebswirtschaftlichen Aspekt in den Vordergrund. D.h. die Anpassung der Arbeitszeit an den tatsächlichen Arbeitsanfall. So soll durch aufeinander abgestimmte Gestaltung von Betriebszeit und Arbeitszeit die Erhöhung der Produktivität und die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit erzielt werden. VI. Betrachtet man diese einander entgegen gesetzten Zielsetzungen, kann mit Sicherheit unterstellt werden, dass auch in den nächsten Jahren die Auseinandersetzung um Arbeitszeitflexibilisierung nach wie vor spannend bleiben wird. Insbesondere die Frage, ob die an die Arbeitszeitflexibilisierung geknüpften Erwartungen von Gesamtmetall, IG Metall und Beschäftigten miteinander in Einklang zu bringen sind, wird ihre Aktualität über Jahre hinaus bewahren. Alleine aus der im ersten Kapitel beschriebenen Machtkonstellation sowie dem Widerspruch zwischen Arbeit und Kapital ist es sehr fraglich, ob die individuellen Interessen und Präferenzen der Beschäftigten mit betrieblichen Interessen überhaupt in Einklang zu bringen sind. Wie sich diese Entwicklung weiter gestalten wird, kann zwar nicht beschrieben werden. Deutlich ist aber, dass je weniger die Zeitsouveränität der Beschäftigten wird, desto mehr sie sich von flexiblen Arbeitszeitmodellen distanzieren werden. Die Konsequenz dieser Entwicklung könnte sein, dass die Bereitschaft und Motivation der Beschäftigten bezüglich flexiblen Arbeitszeiten weiter zurückgehen wird. Das wird sich auch in den Unternehmen bemerkbar machen. In dieser Hinsicht kann auch eine Trennung der Diskussion zwischen betrieblichen und außerbetrieblichen Zeitgestaltung nicht erfolgen, da die sozialen oder naturgebundenen, zyklischen Vorgänge die betriebliche Zeitgestaltung mitgestaltet. Ausschlaggebend für die zukünftige Diskussion wird die Beantwortung der Frage: „Flexibilität für wen und auf wessen Kosten?“ sein. Denn es ist nicht im Interesse der Beschäftigten, flexibel zu arbeiten sondern mehr Freiräume zu haben in der Arbeit und mehr Möglichkeiten individueller Zeitgestaltung, 251 die nicht ständig eingebunden oder abhängig sind von ökonomischen Interessen und von politischen Herrschafts- und Machtstrukturen. Zudem ist es fraglich, ob mit der Herausbildung einer neuartigen strategischen Interessenbalance zu rechnen ist, wenn für die Unternehmen die Erhöhung der Wett- bewerbsfähigkeit weiterhin die hauptsächliche Triebkraft für neue Arbeitszeitsysteme bleibt. So kann davon ausgegangen werden, dass es auch in absehbarer Zeit den Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften nicht gelingen wird, die Erfordernisse eines Betriebes und die Belange der Beschäftigten weitgehend in Übereinstimmung zu bringen, solange die soziokulturellen, arbeitsorganisatorischen und beschäftigungs- politischen Defizite nicht beseitigt sowie die Wünsche und Forderungen der Beschäftigten ignoriert werden. Darüber hinaus kann auch mit Sicherheit davon aus- gegangen werden, dass die Streiks im Jahre 1984 in Westdeutschland sowie im Jahre 2003 in Ostdeutschland nicht die letzten Kämpfe der Beschäftigten waren um ihre Interessen und Forderungen bezüglich der Arbeitszeiten durchzusetzen... 252 7. Quellenverzeichnis 7.1. 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