2 Zur Relevanz eines handlungsorientierten Unterrichts

2.1 Handlungsorientierter Unterricht

Die theoretischen Argumente zur Begründung des Prinzips der Handlungsorientierung im Unterricht müssen sich an dem Kern des Bildungsgedankens, der Erziehung zu Selbständigkeit und Selbstbestimmtheit messen lassen. Die Forderung, die sich daraus ableiten läßt, ist das Moment der Selbststeuerung durch den Schüler. Schüler müssen die Möglichkeiten erhalten, mit selbstgewählten Mitteln selbstgewählte Ziele zu erreichen und ihre Lernergebnisse durch eigene Kontrollverfahren zu überprüfen. Das entläßt jedoch den/die LehrerIn nicht aus der Pflicht, diese Kontrollverfahren mit den Schülern zu reflektieren und ggf. Korrekturen zu diskutieren und anzubringen, wenn die Zustimmung erreicht ist. Dabei geht es nicht nur um das Erreichen individueller Lernleistungen oder Lernresultate, es geht um kontextbezogene, auf den Alltag und die Problemlagen der Schüler eingehende sowie beziehungsorientierte Lernsituationen, in denen konkrete Lernerfahrungen gemacht werden können. Diese Erfahrungen und die Lernatmosphäre sind bestimmend für den Kompetenzerwerb sowie die Bereitschaft und Fähigkeit, sich in die Einstellung anderer Menschen einzufühlen. Sie sind Voraussetzung für gedächtnisrelevante, individuelle Lernresultate. „Aneignungstheorien1 und kognitive Handlungstheorien2 belegen, daß alles Lernen im Grunde auf Handeln zurückzuführen ist. Auch das begriffliche Lernen ist letztlich geistiges Handeln. Im Mittelpunkt der Lern- und Motivationspsychologie steht, wie Gudjons es nennt, eher eine Sammlung von Argumenten zur Begründung handlungsorientierten Lernens, als eine in sich geschlossene Theorie: „Die Bedeutung der Sinne für das Lernen, die Gedächtniswirksamkeit des Handelns, der Bewegungsaspekt beim Lernen und die Förderung der Lernmotivation durch Handlungselemente.“3

Sinnliche Erfahrungen

Die Entwicklung der intellektuellen Leistungsfähigkeit wird in hohem Maße durch sensorische und motorische Aktivitäten beeinflußt.4 Die Reize, die von verschiedenen Sinnesorganen ausgehen, z.B. Tast-, Geruch-, Geschmacks-, Hör-Seh- und Fühlreize, erregen ein bestimmtes Teilgebiet des Hirnstammes (Formatio reticularis). Durch diese Erregung wird auch das Großhirn aktiviert und setzt Energie frei, die eine erhöhte Aufmerksamkeit und Aufnahmebereitschaft ermöglicht, als Voraussetzung z.B. Von Lernen. Bleiben die Sinnesreize aus und befindet man sich in Reizarmut mit einförmigen Tätigkeiten, kann es zu Lustlosigkeit und Ermüdungserscheinungen aufgrund mangelnder Beanspruchung kommen.5 Jeder kennt aus seiner eigenen Schulzeit das Phänomen der sich langsam einschleichenden bleiernden Müdigkeit, wenn man sich über einen längeren Zeitraum nicht mehr aktiv am unterrichtlichen Geschehen beteiligt hat. Der Wunsch, einfach nur die Augen zu schließen oder sich gar hinzulegen wird übermächtig. Man kann sich diesem Bedürfnis entziehen, wenn man seine Sinne wieder aktiviert, neugierig in die Runde schaut, seinen Nachbarn etwas fragt, den Vortragenden aufmerksam ansieht, Fragen stellt und sich an der bestehende Diskussion beteiligt. Noch besser ist es aufzustehen, das Fenster zu öffnen oder am Tafelbild weiter zu schreiben. Diese sinnlichen und körperlichen Aktivitäten machen wieder munter. Handeln mit allen Sinnen ist ein wacher Zustand. Damit wird deutlich, daß Lernen und Sinneserfahrungen unmittelbar zusammengehören.

Horst Rumpf mahnt die „übergangene Sinnlichkeit“ an , wenn er meint, daß Schüler (wie Lehrer) ihre Körper nur noch als „Prothesen für redende Münder, hörende Ohren, lesende Augen, schreibende Hände“ in den Unterricht einbringen.6 Auch beim Autofahren auf langen Strecken kennt man es, daß reizarme Situationen und keinerlei körperliche Betätigung zu Müdigkeit und Konzentrationsmangel führen.

Für die Schule ergibt sich daraus die Forderung, den Anteil des monotonen Frontalunterrichts deutlich zu reduzieren oder besser ganz zu „streichen“ und die Sinne bewußter und vielseitiger anzuregen. Kleingruppenarbeit fördert die sensorische Aktivierung vieler Sinne. Es sind gleichzeitig mehr Schüler an Diskussionen und kleineren Aktivitäten beteiligt.

Strukturiertes Handeln

Bezogen auf die Gedächtniswirksamkeit des Handelns zitiert Witzenbacher die Untersuchung der „American Audio-Visuell Society“ über menschliche Behaltensleistungen: “Danach behalten wir 20% von dem was wir hören, 30% von dem was wir sehen, 80% von dem was wir selber formulieren können und 90% von dem was wir selber tun.“7 (... und, flachsig ausgedrückt: 100% von dem, was wir in den Sand gesetzt haben.)

Von besonderer Bedeutung für den Behaltensprozeß und die Aufmerksamkeit sind die Nebeninformationen, neben der Hauptinformation. Persönliche Erinnerungen und Erlebnisse erwecken Neugierde an dem Neuen und erhöhen die Wahrscheinlichkeit, daß man sich später wieder erinnert. Selbst abgeleitete Sinnzusammenhänge aus den Informationen, die sowohl auf schon vorhandenem Wissen basieren, wie auf der Struktur eigener Problem- und Interessenlagen, erhöhen die Gedächtnisbildung erheblich. Etwas interessantes Neues wird alten bekannten Strukturen passend zugeordnet, die einzelnen Elemente werden zu einer sinnvollen neuen Gestalt verbunden (in den Begriffen der Gestalttheorie), eine selbstgefundene Idee ist geboren. Dieses Neue, aus bekannten und unbekannten Einzelelementen zusammengesetzte Wissen, ist eine geistige Erfahrung und Handlung und somit wirksamer, als auswendig gelerntes, isoliertes Einzelwissen.8

In den 70er Jahren wurde der „Nutzen-Ansatz“ des Handelns aufgezeigt und in Richtung auf die Konzeption eines aktiv realitätsverarbeitenden Subjekts hin weiterentwickelt. Danach ist menschliches Handeln nicht als Reaktion auf etwas zu verstehen, sondern als subjektive Bedeutungskonstruktion. Die Aktivität äußert sich darin, daß Angebote zum Handeln auf dem Hintergrund individueller Ziele und Wertungen wahrgenommen werden.9

Die Bedingung von Handeln ist demnach das Verfolgen einer Intention. Nur eine Tätigkeit, die als Voraussetzung über eigene Bedingungen und Grundlagen verfügt oder diese hervorgebracht hat, kann Handeln genannt werden. D.h., daß ein handelnder Mensch über sich selbst bestimmt und das, was geschieht, beeinflussen und kontrollieren kann. Wenn jemand auf der Straße ausrutscht, gilt das in diesem Sinne nicht als Handeln, sondern als Geschehen. Wenn er wieder aufsteht, beginnt sein Handeln. Man muß also zwischen Vorgängen, die geschehen und dem Handeln, das zielgerichtet ist, unterscheiden. Das Handeln zeichnet sich aus durch das Ausmaß der Autonomie gegenüber der Lage, in der man sich befindet. Handlungen werden nicht nur vollzogen. Handlungen kann man planen, in ihnen stecken selbstgefundene Ideen. Man kann sie anderen erklären und diese auffordern, an ihnen teilzuhaben. Insofern hat das Handeln eine absichtsvolle Bedeutung und eine geplante Struktur.

In dieser Erkenntnis verbirgt sich der Handlungsbegriff des Projektunterrichtes, den Gudjons wie folgt beschreibt: „Bloße »Tätig­keiten«, das Ausführen vorgegebener Anweisungen oder das sinnlich, anschauliche Erfahren und Erleben allein genügen letztlich nicht, weil ihnen die kohärente Struktur, (d.h. Ein genau zu bestimmendes Beziehungselement, R.N.) einer Handlung fehlt. Ein Projekt hingegen lebt vom übergreifenden Handlungszusammenhang, in dem Einzelelemente wie Ziel, Handlungsplan, Lö­sungsversuche, Teilhandlungen, Ergebnis, Produkt, Reflexion usw. Ein beziehungs­reiches Ganzes bilden. Im Unterschied zum ausschließlich lehrerzentrierten Unterricht gestalten die Schüler im Projektunterricht durch Eigenaktivität ihre Einsicht in dieses kohärente Ganze zunehmend selbst.“10

In einem integrierten Kunst/Sozialkunde Unterricht habe ich 1978 zum Rahmenthema - Massenmedien am Beispiel Fernsehen - mit einer 8. Klasse eines Gymnasiums ein 50 Minuten Schüler-Magazin auf Video produziert:

Mit dieser Videoproduktion konnten die Schüler auf ganz unterschiedlichen Feldern zu eigenen Erfahrungen und Erkenntnissen gelangen. Neben den inhaltlich-thematischen Aspekten, die sie in ihrer Freizeit recherchierten, konnten sie lernen, wie man mit formalästhetischen Mitteln - Bildgestaltung, Licht, Hintergrund - sowie technisch und dramaturgisch die Aussage und Wirkung von Nachrichten- und Unterhaltungssendungen manipulativ steuern kann.

Sie wählten vier Themenblöcke: Jugend, Unterhaltung, Schule und Freizeit, zu denen sie unterschiedliche Beiträge entwickelten. Sie hatten herausgearbeitet, daß es wichtig sei, zwischen Nachricht, Kommentar, Information und Unterhaltung zu unterscheiden. Diese vier unterschiedlichen Stilformen, zu denen sich vier Arbeitsgruppen bildeten, wurden zur Grundlage für die Ausarbeitung der Beiträge der vier Themenblöcke.11

In Kleingruppenarbeit während der Unterrichtszeit und am Nachmittag zu Hause wurden 20 verschiedene alltagsorientierte und sozialkundliche Themen bearbeitet. Aus den inhaltlichen Recherchen entstanden Nachrichten-, Kommentar- oder Informationstexte sowie zahlreiche Tonband- und Videointerviews, die eine Redaktion abnehmen mußte. Natürlich durften die selbstproduzierten Musikplaybacks der englischen und amerikanischen Hitparade in den Unterhaltungsblöcken nicht fehlen. Nach fünf Monaten wurde das Schülermagazin auf dem Sommerfest der Schule mit großem Erfolg der Öffentlichkeit vorgeführt.12

Weitere Projekte folgten, die durch Eintrittsgelder und kleinere Spenden finanziert wurden, u.a. Die Medienprojekte: „Gebrauchswert und Warenästhetik“, „Variationen zum Thema Schule“, „Raumflug“, „1848 - Entwicklung der Parteien“.

Das herausragende Merkmal des Projektunterrichts sind selbstbestimmte, eigenverantwortliche Aktivitäten und Handlungen in Bezug zu den Interessen der Schüler, die sie als subjektiv bedeutsam empfinden. Bedeutsames Handeln orientiert sich an Fragen der Bewältigung der Alltagsrealität. Die Grundfrage lautet, wie H. DAUBER sie in dem Kategorienschema der humanistischen Pädagogik formuliert: Was tun wir? Wie tun wir es und welchen Sinn, welche B e d e u t u n g verleihen wir unserem Handeln? 13 Unter dieser Fragestellung entspricht der Projektunterricht den zentralen Voraussetzungen für subjektiv bedeutsame, gedächtnisrelevante Lernprozesse.

Motivation

Handelndes Verhalten setzt gegenüber inaktivem Verhalten besonders dann bedeutende Motivationskräfte frei, wenn Sinn und subjektive Bedeutsamkeit dem Handeln zugrunde liegen. Diese Erkenntnis wurde im Abschnitt „Sinnliche Erfahrungen“ mit der hohen Bedeutung sensorischer und motorischer Aktivitäten dargestellt. Mit Blick auf handlungsorientierte Pädagogik stellt sich die Frage nach den Motiven von Handeln. Welche Form der Motivation liegt sinnhaftem Handeln zugrunde? Gibt es spezifische Sozialisationsfelder, die selbstmotivierenden Charakter haben? Der Projektunterricht lebt in seinen verschiedenen, aufeinander aufbauenden Phasen von der Motivationsbereitschaft der Schüler, sich selbständig und selbstkontrollierend auf unterschiedliche Prozesse des Handelns einzulassen.

„Neuere Motivationstheorien betonen, daß es ein grundlegendes Motiv des Menschen ist, seine Kompetenz zu steigern, in neuen Situationen zu bewähren und sich selbst zu erfahren als Wesen, das seine Welt gestalten und beherrschen kann. Diese „Kompetenzmotivation“ bringt uns zum Lernen, um leistungsfähiger zu werden, sie ist damit auch von enormer Bedeutung für das Selbstvertrauen und das Selbst­bewußtsein, zumal dann, wenn ein Produkt des Projektunterrichts z. B. Die Erfahrung vermittelt, etwas bewirkt zu haben, ein Stück gesellschaftlicher Realität verändert oder eine unbefriedigende Situation verbessert zu haben. ... Die motivierende Stärke dieses Wirkungsaspektes darf nicht geringgeschätzt werden. Kompetenzmotivation ist intrinsisch, also in sich selbst sinnvoll, lohnend und befriedi­gend, unabhängig von äußeren, sachfremden Anreizen oder gar Zwängen wie Noten, Strafen, Leistungsbewertungen usw. (= extrinsische Motivation).“14

Untersucht man die verschiedenen Tätigkeiten, die Schüler in der Schule ausführen, fällt auf, daß die Handlungen bevorzugt werden, die in ihrem Kern gestalterisch, kreativ und bewegungsbedingt sind. Also Handlungen, die die Sinnes- und Bewegungsorgane beanspruchen und sinnliche Reize auslösen. Der Aspekt der Selbstbestimmung ist dabei von großer Bedeutung.

Zusammenfassend (und als Forderung) läßt sich sagen, daß die selbstbestimmten, auf Gestaltung abzielenden Aktivitäten, die Erfolgsaussichten und Kompetenzzuwachs versprechen, herausragende Handlungselemente sind, um Motivation zu entwickeln und Lernprozesse zu fördern.

In selbstgesteuerten Aktivitäten entdecken und entwickeln die Schüler eigene Problemlösungen und bestimmen den Lernprozeß selbst. Sie haben eine Zielperspektive15 vor Augen, auf die sie in dem Handlungsprozeß zusteuern. In diesem Prozeß lassen sich Mißerfolge leichter ertragen, da sie einerseits ihre Resultate eigenverantwortlich überprüfen müssen (gemeinsame kritische Selbstkontrolle), andererseits, mit selbstgewählten Mitteln neue Wege zum Ziel zu kommen, von ihnen definiert werden können, die Erfolg und Kompetenz versprechen. Insofern sind Mißerfolge nicht unnütz, sondern als neue Anstöße zum Handeln und Lernen innerhalb einer Handlungs- und Lernspirale zu verstehen. So kann Motivation auch aus zeitweiligen Mißerfolgen erwachsen, wenn durch Erfahrung sich das Selbstbewußtsein und die Frustrationstoleranz der Schüler soweit entwickelt hat, daß ein Mißerfolg als Herausforderung angenommen wird.

Für gleiche, selbstbestimmte Handlungsprozesse in einem Projekt kann die Motivation bei Schülern jedoch unterschiedlich gelagert sein, auch wenn sie die o.g. Forderungen erfüllen.
Die Motivation der deutschen und zimbabwischen Schüler im „Zimbabweprojekt“ in Bezug auf ihr Handeln, hat sich von Workshop zu Workshop verändert und war sowohl unter Jungen und Mädchen wie auch in Bezug auf ihre Nationalität nicht identisch. (siehe Kap. 5.7, 6.2)

Während die zimbabwischen Mädchen und Jungen ihr Handeln in erster Linie auf sich selbst bezogen, sie also für sich selbst im gemeinsamen Produktionsprozeß gehandelt haben, haben die deutschen Jungen zu Anfang mit Blick auf ihre eigene Klasse und auf die der Partnerklasse gehandelt. Die deutschen Mädchen hatten zu Beginn der Workshops die Schüler der Partnerschule und die Öffentlichkeit Zimbabwes im Blickfeld. Am Ende der Workshops hatten die deutschen Jungen sich selbst und die eigene Klasse im Blick, die deutschen Mädchen ihre eigene Klasse sowie die Schüler der Partnerklasse, dann erst benannten sie sich selbst.

Bezogen auf das Zimbabweprojekt kann man sagen, daß die Motivation für Handeln sowohl unterschiedlich bezogen auf den Kontext war, wie auch unterschiedlich zwischen Jungen und Mädchen. Es gab sowohl intrinsische, wie extrinsische Momente für die Motivation von Handeln, bezogen auf gleiche Handlungs- und Prozeßsituationen.

Bedeutende Sozialisationsfelder bei Schülern und Jugendlichen sind u.a. Fernsehen, Video und Rock- /Popmusik.16 Die Popmusik17, ob als Compact Disc(CD), Musikkassette oder als Videoclip, ist als wesentliches subkulturelles Ausdrucksmittel eng mit dem Lebensgefühl und der alltäglichen Lebenswelt der Jugendlichen verbunden und hat einen beträchtlichen Stellenwert bei der Selbststilisierung, Identitäts- und Orientierungssuche.18

Nicht zuletzt durch diese Medien werden ihre Werte, Weltbilder und Lebensgefühle geprägt. Bietet man Schülern diese Medien als Produktionsmedien an, mit denen sie sich selbst, ihre Geschichten, Bilder und Phantasien darstellen können, beziehen sie auch einen Teil der Glorifizierung, den diese Medien ausstrahlen, auf sich selbst. Gleichzeitig erleben sie durch das Selbermachen auch ein Stück Entmystifizierung der Medien.

Prägende Erlebnisse zur Motivationskraft dieser Medien erfuhr ich 1972, als meine medienpädagogische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen in einem Jugendzentrum in Kassel-Bettenhausen begann19:

Das Jugendzentrum lag am Rande einer ehemaligen Obdachlosensiedlung am Ostrand von Kassel. Äußere Kennzeichen dieses sozialen Brennpunktes: Gettocharakter der Barackensiedlung, Arbeiter, Hilfsarbeiter und Sozialhilfeempfänger, ca. 600 Bewohner, davon 70% unter 21 Jahre, über 60% Sonderschulanteil bei den Schülern. Aus der sozialen Benachteiligung der Kinder und Jugendlichen ergab sich für diese unterprivilegierte Schicht der Arbeitsansatz im Jugendzentrum: Abbau von Angst und Isolation, der Versuch, Beziehungsdefizite durch personale Angebote auszugleichen, sinnliche, emotionale, soziale und intellektuelle Lernerfahrungen zu ermöglichen, vermitteln von Kommunikations- und Handlungskompetenz.

In der ersten Kinderfilmgruppe waren neun Kinder zwischen 10 und 13 Jahren. Von ihnen besuchte ein Junge die Hauptschule, die anderen vier Jungen und vier Mädchen gingen zur benachbarten Sonderschule. Nach kleineren Super 8 mm Filmprojekten zu Themen wie: Krach in der Familie, Freundschaft, Schule, Autodiebstahl - Autobruch sowie Gewalt, entstand 1973 das aus dem medienkritischen, analytisch-produktiven Ansatz20 heraus entwickelte Kinderwesternprojekt - „Bellende Fäuste21 -.

Dieser Filmproduktion folgte mit einer Gruppe von 12 Kindern und Jugendlichen, wiederum nach kleineren Zwischenprojekten, das auf eine Dauer von zwei Jahren geplante Western-Großprojekt - „Goldspur des Todes“-.

Der polytechnische Aspekt hatte in dieser Medienproduktion einen sehr hohen Stellenwert, da alle Kostüme, Requisiten, Waffen, Trommeln, Marterpfahl sowie die Fronten einer Blockhütte von den Kindern und Jugendlichen selbst angefertigt werden mußten. Eine weitere Besonderheit war ein sechsmonatiges, pädagogisches Reittraining mit der Gruppe, um für die Reitaufnahmen im Film „fit“ zu werden. Für den Abschluß der Filmstory haben an einem Indianerlager über 60 Kinder und Jugendliche aus verschiedenen Arbeitskreisen des Jugendzentrums teilgenommen. Auch an der Organisation des Indianerlagers waren Kinder und Jugendliche beteiligt. So haben sie z.B. Von sich aus und allein in der Siedlung, bekleidet in ihren Kostümen, einen Umzug organisiert, um Statisten für den Film anzuwerben.22

In den sechziger und siebziger Jahren war der Italo-Western23 ein beliebtes Filmgenre. An diesen Filmen, die durch ihre „dreckigen und verletzbaren“ Helden, stereotypen Inhalten und glorifizierenden Darstellungen von Gewalt auf Kinder und Jugendliche so faszinierend wirkten, ließen sich medienkritische Ansatzpunkte, western- und realtypische Konfliktlösungsmöglichkeiten und eigene Verhaltensweisen mit einem hohen Reflexionsgrad im filmischen Spiel nacherleben und bearbeiten24.

Gerade für Sonderschüler, die unter schulischen Bedingungen weder zum Lesen und erst recht nicht zum Schreiben zu motivieren sind, ist es außerordentlich bemerkenswert, wenn sie freiwillig in die Bibliothek gehen, um Bücher über Indianer auszuleihen, nachmittags zu Hause freiwillig zwei bis drei Seiten Indianergeschichten schreiben und daraus Drehbücher entwickeln. Wenn sie wochenlang Requisiten bauen und Kostüme schneidern, selbständig Produktionsprozesse organisieren, sich gegenseitig helfen und andere Gruppen in ihre Aufgaben und Rollen einweisen - unterbrochen wurden diese Phasen durch kleine Mini-Filmprojekte mit typischen Westernszenen -, und nach zwei Jahren Arbeit von 12 Schülern immer noch 11 Schüler im Projekt waren, läßt sich erahnen, welche Motivationskraft von audio-visuellen Produktionsmedien ausgeht und von dem übergeordneten Ziel, eine große Filmproduktion zu erstellen, „Ihren Film“.

Es geht eine große Faszination von den Selbstdarstellungsmöglichkeiten und den kreativen Arbeitsprozessen dieser Medien aus, die vielfältige sinnliche Möglichkeiten und Aktivitäten bieten. Nicht zuletzt durch diese Motivation, als den Motor für Engagement, entwickeln Schüler unglaubliche Arbeits- und Kreativpotenziale, die man bei ihnen aus normalen, unterrichtlichen Prozessen nicht kennt. Sie sind Voraussetzung für gedächtnisrelevante Lernprozesse. Das sollten die letzten drei Abschnitte „Sinnliche Erfahrung“, „Strukturiertes Handeln“ und „Motivation“ aufzeigen. Motivation entwickelt sich nicht aus dem „Lernen müssen“, sondern an bedeutenden, sinnstiftenden Fragen und Handlungen, die das Lernen und Wissen begreifbar machen, innere Gestalt und äußere Kontur geben. Für den handlungsorientierten Unterricht ergibt sich auf der Grundlage dieser Ausführungen jedoch keine besondere didaktische Theorie, sondern die Auffassung, daß er als ein Lehr- und Lernprinzip zu verstehen ist, der theoretisch begründbar und in verschiedenen unterrichtlichen Zusammenhängen konkretisierbar ist.25 Dabei wird z.B. Das zeitweilige Unterrichtsprinzip des Referates durch Lehrer oder Schüler überhaupt nicht ausgeschlossen. Es ist eine Frage des Zeitpunktes, der situationsbedingten Entscheidung für den Unterrichtenden zu erkennen, wann Schüler in einem Arbeitsprozeß an einem Punkt angekommen und motiviert sind, strukturierte Information aus einem Referat aufzunehmen. Im Kapitel „Projektunterricht“ werde ich dazu Beispiele benennen.

Pädagogische Prinzipien

Selbsttätigkeit in einem handlungsorientierten Unterricht heißt nicht zwangsläufig auch Selbständigkeit. Um diese zu entwickeln, müssen die Schüler zu einem hohen Maß beteiligt sein an der Themenplanung, Organisation, Ausarbeitung, Durchführung , Präsentation und Auswertung der Handlungsprozesse. Sie müssen lernen, gegenüber der Zielperspektive des Rahmenthemas Verantwortung zu übernehmen, der Struktur ihrer Aktivitäten und Handlungsprozesse, die auch die Erkenntnis- und Kompetenzprozesse beinhalten. Besonderes Gewicht gilt den gruppendynamischen Prozessen, der sozial-emotionalen Ebene, der Teamfähigkeit der Arbeitsgruppen, der Toleranzfähigkeit untereinander, der Einhaltung von Verbindlichkeiten und Einbindung aller Beteiligten in den Arbeitsprozeß.

Sprache kann man als das Medium des Denkens bezeichnen. Ihr Ursprung, so vermutet man, entwickelte sich aus dem Handeln. Wird die manuelle Tätigkeit jedoch über das Reden und Diskutieren gestellt, negiert man die Ergebnissen der kognitiven Handlungstheorie.

„Zur Aneignung von Kultur gehört auch die verbalargumentative und -kommunikative Kompetenz. Weil Sprache einen Schatz an Welt-Strukturierung enthält und zentrales Kommunikationsmedium in Handlungsprozessen ist, ist sprachliches Lernen unverzichtbarer Bestandteil handlungsorientierten Unterrichts.“26

Sprachliche Handlungskompetenz ist die Voraussetzung im Kontext der gemeinsamen Alltagswelt, situationsgerecht und partnerschaftlich zu kommunizieren mit dem Ziel, sich über bestimmte Inhalte zu verständigen und damit bestimmte Absichten zu verfolgen. Der Begriff des „Handeln“ verweist noch mehr als der Begriff der „Kommunikation“ darauf, daß sprachliche Auseinandersetzungen Konsequenzen haben, die verantwortet werden müssen. Die schriftliche Fixierung der Gesprächsinhalte ist von daher kein Training einer Kulturtechnik, sondern eine, für alle am Arbeitsprozeß Beteiligten notwendige Orientierungsgrundlage für verbindliches, gemeinsames Handeln im Kontext der inhaltlichen Fragestellung.

Umfassen kann dieses: die gemeinsame Erarbeitung und Differenzierung der Problemstellung, Zusammenfassungen inhaltlicher Recherchen, Vorstellungen der Problemlösungen als Zielperspektive, der Entwicklung inhaltlicher Entwürfe und der Bildung von Strukturen für die Arbeitsvorhaben der Arbeitsgruppen, wie: Aufgabenverteilung und Verantwortlichkeiten, Organisationspläne für das Handeln, das Erstellen der Handlungsprodukte, die Dokumentationen der Arbeitsprozesse und ihre inhaltlichen Auswertungen. Dieses dient der gemeinsamen inhaltlichen und organisatorischen Überprüfung des eigenen Handelns, der Absprachen untereinander, der Zwischenergebnisse und ihrem Stellenwert im Gesamtprozeß, der Zielperspektive generell.

Traditioneller Unterricht befaßt sich im allgemeinen nicht mit seinem eigenen Scheitern. Das ist sein großes Manko. Das Erreichen der Lernziele hat den einzelnen Schüler im Blick, der für sich individuell auf die Klassenarbeit oder den Test hinarbeitet. Gefragt sind dabei Fähigkeiten für kurzzeitlich wirksame Lernleistungen. Versagen die Schüler, liegt es - so sagt man - an ihnen selbst, ihren intellektuellen Fähigkeiten, ihrem Fleiß, ihrer Motivation. Es gibt auch gute Schüler, die sich diesem Lernsystem angepaßt und besondere Fähigkeiten entwickelt haben. Die sind letztlich der Maßstab für die Qualität traditionellen Unterrichts.

Handlungsorientierter Unterricht hingegen schließt das Scheitern eines Handlungsprozesses nicht aus. Neben Einzelleistungen und -fähigkeiten sind vor allem auf aktives gemeinsames Handeln ausgelegte Gruppenleistungen gefragt. Handlungsaktivitäten unterliegen vielfältigen Abhängigkeiten. Oft sind die Auswirkungen des Handelns vorher nicht absehbar. Sei es, daß die Fähigkeiten und Fertigkeiten für das spezielle Handeln nicht genügten, um das gewünschte Ziel zu erreichen. Sei es, daß das gemeinsame Ziel nicht mehr von allen gemeinsam getragen werden konnte. Oder seien es auch „nur“ technische Pannen mit den Produktionsmedien, Schwierigkeiten bei der Themenrecherche, der Beschaffung und Auswertung von Informationen, Krankheiten von Schülern und schließlich auch zeitweiliges Desinteresse von Schülern während bestimmter Arbeitsphasen.

Im herkömmlichen Unterricht wird im allgemeinen von gleicher Stoffülle, gleichen Zielen, gleichen Arbeitsprozessen und gleichem Lerntempo für alle Schüler ausgegangen. Binnendifferenzierung im Unterricht stellt eine Ausnahme im Schulalltag dar.

Handlungsorientierter Unterricht präsentiert sich ganz anders.

Ziele und Merkmale handlungsorientierten Unterrichts
Zentrale Ziele des handlungsorientierten Unterrichts sind: Individuelle, fachliche und soziale Handlungsfähigkeit und -kompetenz, die Individualisierung und Differenzierung der z.T. Komplexen interdisziplinären Arbeits- und Lernprozesse, sowie die kritische Urteilsfähigkeit und Auseinandersetzung mit der eigenen Alltagsrealität und der subjektiven Interessen- und Bedürfnislage.

Die in diesen Zielen enthaltenen Merkmale focussieren sich auf:

 

2.2   Projektunterricht

In einigen Beispielen hatte ich die Unterrichtsform „Projektunterricht“ schon angedeutet und Elemente beschrieben. Er entspricht in allen Zielen und Merkmalen den pädagogischen Zielsetzungen und Anforderungen an einen handlungsorientierten Unterricht. Er ist konzeptionell in seinen Merkmalen und Grundmustern gleichermaßen offen, wie in sich strukturiert. Er orientiert sich von der Aufgabenstellung her an den Interessen der Lernenden und knüpft an deren Erfahrungen an, die auf diese Weise für den fachtheoretischen Unterricht nutzbar gemacht werden können. Insofern sind Projekte die Idealform für handlungsorientierten Unterricht.

Projekte stellen ein beziehungsreiches, auf unterschiedliche und übergreifende Handlungszusammenhänge abzielendes Ganzes dar. Es ist entscheidend für den Erfolg eines Projektes, ob bei den Schülern ein gemeinsamer Wille entsteht, das Projekt zu ihrem eigenen Anliegen zu machen.

Die für die Schüler subjektive Bedeutsamkeit erhalten Projekte dadurch, daß der Situationsbezug des Projektthemas einerseits an den bisherigen Erfahrungen der Schüler anknüpft, ihre Interessen- und Problemlagen aufgreift und andererseits soviel Neues und Spannendes bietet, daß sich daraus eine Herausforderung, ein „neues“ Problem darstellt, für dessen Lösung sie selbst Verantwortung tragen.27

Voraussetzung dafür ist die Einbeziehung der Selbstorganisation und Mitverantwortung der Schüler in alle Projektphasen, d.h. Die Möglichkeit der Selbstbestimmung und der Selbststeuerung.

Bevorstehende Erfahrungen können nicht oder nur zu einem geringen Teil pädagogisch organisiert werden. Allenfalls läßt sich die Richtung der Lernhandlung und Lernerfahrung benennen, sowie die Kontexte, die dafür geeignet sind. Die Handlungsorientierung steht dabei im Zentrum aller pädagogischen Überlegungen.

Die Schüler sollen einerseits themenbezogen auf ein präsentierbares Produkt hinarbeiten (Produktorientierung) und andererseits in der selbstorganisierten Gruppenarbeit ihre sozialen Beziehungen zueinander klären und gestalten (Beziehungsorientierung).

Die konkreten Lernerfahrungen in diesen Prozessen und die Lernatmosphäre sind bestimmend für den Empathie-Erwerb. Die Forderung nach Selbstverantwortung und Selbstorganisation der Schüler steht dabei nicht im Widerspruch zur vorausgehenden Planung des Lehrers. Die Verantwortung für die Planung der Selbstplanung der Schüler hat der Lehrer.28 Projektplanungen müssen jedoch immer offen und korrekturfähig sein.

Die komplexen Handlungszusammenhänge in der Projektarbeit sind auf eine Zielperspektive hin ausgerichtet und nicht auf ein definiertes Ziel. Die Erfahrungen aus den Handlungen, die nicht vorhersehbar sind, sowie die Zwischenergebnisse bestimmen den weiteren Verlauf und die Vorgehensweise. Unfruchtbare Wege oder Fehlentwicklungen und Entscheidungen müssen revisionsfähig sein. Die kritische Reflexion der eigenen Handlung und seiner Ergebnisse stehen im Vordergrund der Projektarbeit.

Das Grundmuster eines Projektes umfaßt in der Regel folgende Phasen:

1.    Themenfindungsphase
Für die Ideenfindung gibt es verschiedene Wege:
> freie Assoziationen, keine Themenvorgabe
> freie Assoziationen zu Alltagserfahrungen aus dem Familien- , Schul-, und Freizeitbereich, die die Schüler entwickeln (z.B. Streß, Leistung Ablehnung, Anerkennung, Gewalt, Zuneigung, Freunde, Liebe, etc.)
> offene Vorgaben: Schlagzeile, Buchtitel, Musiktitel, Stichwort, (z.B. Freiheit) > aktueller Anlaß aus dem Alltag: Familien-, Schul- und Freizeitbereich.
> enge thematische Vorgabe: Zeitungsmeldung, Kurzgeschichte, Gedicht

Auf der Basis einer vorbereiteten Projektplanung, (inhaltliche Vorgehensweise s.o. Und organisatorische Projektskizze) des Lehrers oder der Lehrerin, die den Schülern zur Diskussion vorgestellt wird, beginnt die kooperative Planungsphase. Es wird eine vorläufige Entscheidung, z.B. Durch ein Brainstorming, über das Arbeitsthema getroffen sowie den zeitlichen Rahmen. Verfügbare Medientechnik Medienprodukte wie Videofilm, Popmusiksong, Theater/Kabarett, Fotoausstellung, Ton-Dia-Produktion, Radiosendung, Zeitung, Web-Seite, öffentliche Aktion mit Ausstellung, Dokumentation etc., werden zu Beginn der Themenfindungsphase vorgestellt und diskutiert.

Das Ende des Projektes, die Präsentation, muß terminlich definiert werden. Die Präsentationsform und der entsprechende Rahmen werden diskutiert. Ab jetzt wissen die Schüler, mit welchem Thema, auf welches zeitliche Ziel sie in diesem Projekt hinarbeiten werden.

2.    Vorbereitungsphase
Die Schüler untergliedern das generelle Arbeitsthema in Unterthemen und bilden dazu entsprechende Arbeitsgruppen. Die Arbeitsgruppen besprechen und skizzieren die Zielperspektive ihres Unterthemas, finden Schlagworte, Thesen, Begriffe und entwickeln dazu in einem ersten Schritt inhaltliche Ideen, die sie in Form verkürzter Geschichten, z.B. Wie eine Zeitungsmeldung, niederschreiben.

3.    1.Transparenzphase
Die Arbeitsgruppen stellen dem Gesamtplenum ihre Geschichte als Rahmenentwurf vor, erläutern und diskutieren die inhaltlichen Aussagen bzw. Überschneidungen oder inhaltlichen Lücken zu anderen Gruppen. Es wird Zwischenbilanz gezogen, die Schüler können Abstimmungen und Koordinationen besprechen, neue Varianten vorschlagen, Entscheidungen, neue Ideen und Hilfen bei Problemen geben. Wenn nötig, werden Korrekturen als Arbeitsaufträge an die Arbeitsgruppen zurückgegeben.

4.     Einstiegsphase (inhaltliche Konkretisierung)
Die Arbeitsgruppen recherchieren ihr Unterthema ( Sachbücher, Tageszeitungen, Zeitschriften, Magazine, Internet, Life- und Telefoninterviews bei Vereinen, Institutionen und Behörden, etc.), werten die Informationen aus, fassen sie zusammen, konkretisieren oder relativieren die Geschichten ihrer Alltagserfahrungen, vergewissern sich gemeinsamer Ziele. Sie erstellen einen Arbeits- und Organisationsplan für die notwendigen Handlungs- und Produktionsprozesse und verteilen, wenn nötig, die Aufgaben an Kleinstgruppen.

5.     1.Produktionsphase
Auf der Basis des Arbeits- und Organisationsplanes werden von allen Arbeitsgruppen mit Hilfe unterschiedlicher Medien die geplanten Handlungsprodukte erstellt. Voraussetzung dafür ist eine grundlegende Einführung in die jeweils spezifische Medienpraxis in Form von Kurzlehrgängen, um die technischen und dramaturgischen Aspekte ihres Produktionsmediums zu erlernen. Eine ausreichende Medienkompetenz des Lehrers oder Medien-Teamers zur Beratung der Schüler und bei der Hilfe technischer Probleme und Pannen ist in dieser Phase von großer Bedeutung.

6.    2.Transparenzphase

Wenn die Zeit reicht, ist es sinnvoll, erste Zwischenergebnisse der Medienprodukte der einzelnen Gruppen im Plenum vorzustellen. Auf diese Weise erfahren die Gruppen von einander, woran sie gerade arbeiten, man kann Ideen austauschen, Ratschläge geben oder eventuell sich gegenseitig helfen. Ein möglicher Konkurrenzdruck, wenn er sich liebevoll ausdrückt, kann die Gruppenarbeit beflügeln. Beleidigende oder kränkende Bemerkungen müssen besprochen werden.

7.    2. Produktionsphase

Die Medienprodukte der Arbeitsgruppen werden fertiggestellt. Die Gruppen treten in einen Dialog über ihre Einzelprodukte und stellen sie, wenn nötig, zu einer Gesamtproduktion zusammen und bereiten die Präsentation vor.

8.     Präsentation
Wesentliches Merkmal für ein Projekt ist die Veröffentlichung der Ergebnisse. Die Arbeitsgruppen müssen sich mit ihrem Produkt den anderen Gruppen und wenn es möglich ist, der Schulöffentlichkeit zur Beurteilung, Kritik und Vergewisserung der Botschaft ihrer Geschichte stellen. Die Vorführung ihrer Produktion erweitert ihre Kommunikations- und Interaktionsfähigkeit und bietet zugleich die Möglichkeit, den eigenen Standpunkt in der Auseinandersetzung mit anderen zu vermitteln und zu reflektieren.

Die Produkte, die erarbeiteten Problemlösungen und Geschichten werden damit an der Wirklichkeit überprüft. Je größer das Publikum ist und je festlicher der Rahmen der Präsentation, desto größer ist auch der Ernstcharakter der Vorführung für die Schüler. Wichtig ist dabei jedoch nicht nur die notwendige Kommunikation mit den Zuschauern und die Anerkennung für ihre geleistete Arbeit. Es ist auch Ausdruck der Achtung des Lehrers gegenüber der Arbeit und dem Engagement der Klasse und jedem einzelnen Mitglied. Für die Schüler, die noch nie in solchen Projekten gearbeitet haben, ist es oft das erste Mal, öffentlich Lob für das zu bekommen, was sie gemacht haben. Es ist ein Feedback für ihre Selbstwirksamkeit 29, das sie von den Zuschauern bekommen. Gemeinsam zu arbeiten und zu reflektieren, Gemeinsamkeiten zu entdecken, war ein Ziel dieses Projektes. Die Reaktion der Zuschauer ist daher auch ein Feedback für ihre erfolgreiche gemeinsame Arbeit.

9.     Auswertung
Am Ende der Projektphase steht eine inhaltlich kritische Auswertung des Projektes im Sinne eines rückbezogenen Vergleiches mit dem Projektthema und der Zielperspektive, bezogen auf die konkreten Ergebnisse sowie einer Analyse des Projektverlaufs und einzelner Handlungsprozesse. Anhand einer vereinbarten Auswertungsstruktur erarbeiten die einzelnen Arbeitsgruppen ihre Auswertung, die im Plenum vorgetragen und diskutiert wird. Geeignet ist zusätzlich ein Fragebogen, um inhaltliche und organisatorische Schwächen und Probleme in der Zusammenarbeit zwischen Lehrer und Schülern sowie zwischen Schülern und Schülern aufzudecken. Zu klären wäre z.B. Die Frage zur Qualität dieser Unterrichtsform. Erachten die Schüler diese Art des Lernens, der aktiven Auseinandersetzung mit Problemstellungen und ihre gegenständliche Präsentation als motivierender und auch ertragreicher gegenüber einem „normalen“ Unterricht? Wo gab es aus ihrer Sicht eventuell Informationsdefizite und wo fühlten sie sich inhaltlich, thematisch überfordert? Zu welchem Zeitpunkt wäre z.B. Eine systematische Informationsvermittlung in Form eines Referates sinnvoll gewesen?

Umwege

Es ist ein wesentliches Merkmal des Projektunterrichts, daß Schüler selbständig und selbstbestimmt ihre Wege des individuellen Wissenserwerbs finden. Umwege sind oft sinnvoller, als der gerade Pfad, weil gerade sie zu Erfahrungen führen können, die für die weitere Problembearbeitung notwendig sind. Die Logik von Erwachsenen ist nicht die gleiche, wie die von Schülern. Schüler und nicht nur sie haben ihre spezifischen Interessen und sehen Sachverhalte zuerst aus ihrer Perspektive. Ihre unkonventionelle Art, Fragen zu stellen, basiert auf ihren Vorerfahrungen, ihren Interessen und ihrer Motivation gegenüber dem Thema. Vielleicht ist ein Umweg aus ihrer Sicht gar kein Umweg und viel interessanter als ein gerader, zeitsparender Weg und mit lustvollen Erlebnissen versehen, die Erwachsene erst einmal nicht nachvollziehen können. Sie müssen auch selbst bestimmte Verfahren der Informationssuche lernen, um Umwege, falls sie denn welche waren, nicht noch einmal zu gehen. Diese Lernerfahrung darf man Schülern nicht vorenthalten. Früher oder später werden sie wieder vor dem gleichen Problem stehen und sich dann aufgrund von Erfahrungen entscheiden.30

Referat

Inhaltliche Unsicherheiten machen sich spätestens dann bemerkbar, wenn der Sachverhalt anderen verbal erklärt werden muß. In der 1. und 2. Transparenzphase kommen die Schüler an diesen Punkt .Hier gilt es für den Lehrer und für die Schüler zu entscheiden, ob ein Referat als gezielte Information sinnvoll ist, wenn es die ganze Klasse oder eine größere Lerngruppe betrifft, oder Hinweise für weitere Recherchen ausreichen.

Das Referat im Projektunterricht ist dort angebracht, wo der Zeitbedarf für die Informationsbeschaffung, z.B. Durch schwierige und aufwendige Quellensuche, nicht mehr im Verhältnis zum zeitlichen Gesamtaufwand des Projektes steht, oder diese Quellen für Schüler nicht zugänglich oder unverständlich sind, weil inhaltlich weit über ihrem Wissensniveau oder sprachlich zu fachwissenschaftlich.

Die Ergänzung durch ein Referat kann aber auch dort sinnvoll sein, wo eigene Erfahrungen und Erkenntnisse mit fremden Erkenntnissen und Forschungsergebnissen verglichen werden können. Das trägt zu einer systematischen Erweiterung der Erkenntnisse bei und auch zur Relativierung oder Korrektur der eigenen Ergebnisse.31 In jedem Fall sollte man sensibel auf die Signale der Schülern achten, wann sie in einem Arbeitsprozeß an einem Punkt angekommen sind, strukturierte Informationen aus einem Referat aufzunehmen.

Meine Praxis-Erfahrungen in vielen Projekten haben gezeigt, daß sich Schüler dieses Unterrichtsprinzip zu bestimmten Zeitpunkten sogar wünschen. Dieser „Wunsch“ läßt sich auch „provozieren“, wie die folgende Geschichte zeigt:

Ich hatte im Schuljahr 1978 mit einer Klasse 9 an einem Gymnasium im Fach Kunst eine Unterrichtseinheit geplant zum Rahmenthema „Werbung, Ästhetik und Illusion“ und folgte damit dem Konzept der „Visuellen Kommunikation“32, im Unterricht ideologiekritische Medienanalyse zu betreiben. Medienarbeit bedeutete damals für mich aber schon weit mehr, als nur Analyse zu betreiben oder sie auf die Umsetzung und Sicherung von Unterrichtsergebnissen zu reduzieren. Handlungsorientierter Projektunterricht war der eigentliche Schwerpunkt und Focus meiner medienpädagogischen Intentionen, um schulische Lernarbeit mit Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit zu verbinden und soziales Lernen zu fördern. Aus der damaligen Sicht lag es für mich auf der Hand, daß AV-Medien selbst zum Unterrichtsgegenstand wurden, zumal im Fach Kunst. Daher hatte ich auch schon ein Schuljahr vorher mit dieser Klasse ein Fernseh-Schüler-Magazin produziert (siehe Kapitel 2.1). und mit einer weiteren Klasse 8 ein Filmprojekt „Variationen zum Thema Schule“ bearbeitet, mit dem ich bei den Schülern unterschiedliche Filmgenres erfahrbar werden ließ.

Als inhaltlichen Einstieg benutzte ich Werbung aus Print-Medien, die die Schüler mitgebracht hatten, Werbesendungen aus dem Fernsehen, die Selbstdarstellung einer Werbeagentur sowie u.a. Einen Comic über Werbung, Sinnlichkeit, Illusion und Konkurrenz.

Der traurige Held in dem Comic, voller Liebeskummer und ohne Geld, wollte, von der Werbung dazu animiert, wie alle anderen in seiner Clique auch, schöne Klamotten haben und eine HiFi-Anlage um beachtet zu werden und seiner Freundin zu imponieren. Da er keine Arbeit finden konnte und ihm niemand Geld leihen wollte, verübte er mehrere Einbrüche, wurde von der Polizei erwischt, verurteilt und mußte hinter Gitter.

Eigentlich wollte ich nach der Analyse der Materialien den Schülern vorschlagen, ein paar witzige Werbeplakate zu entwickeln und einen kleinen Werbefilm zu produzieren.

Der Comic weckte bei den Schülern aber ein so starkes Interesse, daß die Klasse mich bat, mit ihnen ein größeres Medienprojekt durchzuführen und wie die Comic-Geschichte, mit ihnen einen Spielfilm zu drehen.

Wir einigten uns nach längerer Diskussion auf einen Kompromiß und das Rahmenthema „Entwicklung der Warenproduktion, Geschichte und Wirkung der Werbung „. Dazu sollten Spielfilmteile gedreht werden. Mir schwebte ein interdisziplinäres Projekt vor. Um historische und ökonomische Fragestellungen stärker in das Thema einzubinden, war der Aspekt der Warenproduktion und der Verkauf von mir sehr stark favorisiert worden, die Geschichte und Wirkung der Werbung stärker von den Schülern.

Am Ende der Themenfindungsphase hieß das fächerübergreifende Kunst-Geschichte-Sozialkunde-Projekt: „Geschichte der Warenästhetik“.33 Wie sich mit fortlaufender Entwicklung der Filmgeschichte und des Drehbuchs herausstellte, sollten durch die notwendigen Requisiten und den Bühnenbau große polytechnische Anforderungen an die Schüler gestellt werden, so daß sich für mich damit ein viertes Unterrichtsfach dazugesellte, das ich in meinem ersten Studium studiert hatte.

Nach der gemeinsamen Analyse der unterschiedlichen Materialien hatten sich verschiedene Arbeitsgruppen gebildet zu den Unterthemen: Sprache der Werbung, Verpackung, Illusion, Verkauf, Werbegeschenke und Bezahlung.

Damit war zwar inhaltlich die äußere Erscheinungsebene der „Warenästhetik“, das Warenschöne, angedeutet, nicht aber die historischen, ökonomischen und politischen Hintergründe. Mit Blick auf die historisch-ökonomischen Hintergründe sollten aber beide Bereiche inhaltlich aufgearbeitet werden, um daraus eine Filmstruktur zu entwickeln.

Die Schüler wollten zu den fehlenden historischen Aspekten Tonbandinterviews machen, um diese später im Film zu verarbeiten. Die Interviews wollten sie auf der Straße, bei einer Werbefirma, bei Geschäftsleuten und bei sich zu Hause aufnehmen. Einige der Schüler kamen aus handwerklichen und landwirtschaftlichen Betrieben. Ich war nicht begeistert von dieser Idee der Recherche und begründete das damit, daß sie wahrscheinlich nicht viel Neues erfahren werden.

Als Alternative bot ich ihnen eine gemeinsame Referat-Reihe zu einigen Kapiteln aus Wolfgang Fritz HAUG´s „Kritik der Warenästhetik“34an. Zur Information hatte ich die Einleitung und das Inhaltsverzeichnis kopiert. Nach einem kurzen Einführungsreferat von mir, sollten sie gruppenweise die wichtigsten Thesen der Kapitel referieren. Das schien ihnen jedoch viel zu trocken und unverständlich, sie wollten lieber Interviews machen. Ich ließ sie gewähren und dachte mir, die werden schon kommen.

So besorgte ich die transportablen Tonaufnahmegeräte und war gespannt auf die Ergebnisse. Nach vier Tagen, an denen sie nachmittags die Interviews aufgenommen hatten, kamen sie ziemlich frustriert zurück. Auf ihre Fragen, was Warenästhetik sei und wie sie sich entwickelt hätte, bekamen sie von den Befragten entweder den Hinweis auf „schicke“ Werbung, die ansprechend sein muß, oder ein Achselzucken. Oft wurde auch mit der Gegenfrage geantwortet, ob sie das denn nicht selbst wüßten und was das für ein Lehrer sei, der seine Schüler mit diesen Fragen auf die Straße schickt.

Fazit dieser Erfahrung war, daß nun von den Schülern der Vorschlag für die Referat-Reihe kam. Verteilt auf Vortragsgruppen wurden die Themen: Herstellung von Werkzeug und Waren, Tauschen – Tauschverhältnis – Tauschwert, Gebrauchswert – Gebrauchswertversprechen, Warenproduktion – Gebrauchswert – Erscheinung des Gebrauchswertes, Geld als Tauschwert. Bis auf wenige Ausnahmen, folgten die Schüler mit Interesse den Referaten, stellten weitergehende Fragen zu den verteilten Textkopien und schrieben aufmerksam mit.

Als Filmstruktur wurde von den einzelnen Arbeitsgruppen ein historischer Abriß entwickelt, erzählt in einzelnen Geschichten und Bildern, die die Schüler in verteilten Rollen spielten und zu dem sie die Requisiten (Kleidung, Werkzeuge, Waffen, Behausung, Hocker etc.) anfertigten:

Drehbuchstruktur:

Leben der Höhlenmenschen (die Schüler, gekleidet in Felle, spielten eine Großfamilie, Werkzeuge wurden hergestellt und getauscht, Drehort war eine Höhle im Wald), seßhafte Bauern, Fischer und Jäger beim Tauschen vor einer selbst gebauten Hütte am Waldrand, (die Hütte mußte ohne Nägel, nur mit Seilbindungen hergestellt werden, wie auch die Sitzhocker) ein Goldsucher beim Schürfen und Warentausch mit einer Bäuerin, eine Keksfabrik: In Fließbandarbeit werden Kekse produziert und unterschiedlich verpackt, im Kästchen mit Schleife und wenig Inhalt, in einer Tüte mit viel Inhalt. Zwei Verkaufsstände für Kekse und die große Überraschung: Für viel Geld schön verpackt wenig Kekse, für wenig Geld in einer Tüte viele Kekse, eine Schulklasse, die Werbeslogans lernt und den Zuschauer abfragt, verschiedene Werbefilme: Illusionen, Versprechungen und die tatsächliche Wirkung, Interviews auf der Straße zu Werbung, Werbekosten, Kaufverhalten, Markenartikel, Produktgarantie (Tonbandinterviews, Fotos, Filmsequenzen).

Das Projekt dauerte drei Monate. Der Klasse standen für die Projektarbeit vier ganze Vormittage zur Verfügung, an denen meine Unterrichtsstunden mit Kollegen getauscht und zusammengelegt worden waren sowie zwei Projekttage, davon ein Wandertag. Alle anderen Projektaktivitäten wurden an freien Nachmittagen und an zwei Wochenenden realisiert. Einige Eltern halfen mit bei Transportproblemen und bei der Verpflegung der 34 Schüler.

Der Super 8 Film, Lauflänge 30 Minuten, wurde beim Schulfest mit großem Erfolg uraufgeführt, an anderen Schulen gezeigt und in der Lehrer- und Sozialarbeiterausbildung eingesetzt.

Der Titel lautete:  Von Tauschern zu Täuschern oder die Blütezeit der Tara

 

2.3 Aktive Medienarbeit

Ausgehend von der Rückbesinnung auf die Wurzeln meiner Tätigkeiten als Medienpädagoge vor 27 Jahren, versuche ich in diesem Kapitel eine Standortbestimmung meiner pädagogischen und medienpädagogischen Positionen. Ich werde den besonderen Stellenwert der Aktiven Medienarbeit als den „Königsweg“ handlungsorientierten Projektunterrichts herausarbeiten und stelle zum Schluß die Aktive Medienarbeit in den Kontext einer qualitativen interkulturellen Begegnungspädagogik. Mit Beginn der siebziger Jahre waren Tonbandgeräte und Schmalfilm (Super 8 Film) als Massenprodukte technisch soweit entwickelt, daß sie relativ einfach zu bedienen und kostengünstig zu kaufen waren. Die stationäre und später die tragbare Videotechnik folgte einige Jahre danach. Damit waren finanziell erschwingliche audiovisuelle Produktionsmittel auf dem Markt, die es ermöglichten, im Freizeit- und Bildungsbereich Medienproduktionen selbst herzustellen. Während die Hobbyfilmer im wesentlichen Familie, Urlaub und Festlichkeiten dokumentierten, begann man zuerst in der außerschulischen Bildung und ab Mitte der siebziger Jahre auch vereinzelt in der Schule, diese Medien zielgerichtet in der Bildungsarbeit und im schulischen Unterricht als „aktive Medien“35 zum Selbermachen von Kurzfilmen, Filmclips und kleinen Dokumentar- und Spielfilmen zu verwenden. Die Themen zu diesen Produktionen wurden selbst entwickelt. Im Gegensatz zur „rezeptiven Medienarbeit“36, die die Medien selbst zum Inhalt und zum Unterrichtsstoff machte und die Schüler zu kritischen und bewußten Rezipienten erziehen „sollte“.

Zwei Richtungen

In der Aktiven Medienarbeit bildeten sich aufgrund unterschiedlicher Motive und Ziele im wesentlichen zwei Richtungen heraus: Zum einen mit Ideologie- und gesellschaftskritischen Positionen37, die - infolge der Studentenrevolte am Ende der sechziger Jahre - die Schule auch mit der verfügbaren modernen Medientechnik zum Forum der politischen Gegenaufklärung machen wollte.38 Ziel war der kritische Rezipient, der die ideologischen Botschaften der Medien durchschaut und mit eigenen Produktionen Gegenöffentlichkeit erzeugt.

Die andere Richtung definiert sich aus den Zielen der Reformpädagogik. Mit Aktiver Medienarbeit, so diese Position, sollen ganzheitliche und erfahrungsoffene Lernprozesse gefördert werden.39 Die ideologiekritische Position, wollte einerseits mit der Medienarbeit vorwiegend Medienkritik ausüben, so daß „über die sprachliche und semiotische Analyse der Massenmedien (...) deren Ideologie entlarvt“40 werden sollte. Andererseits wurde in Abgrenzung zur Verteufelung der Massenmedien von der gesellschaftskritischen Position die Forderung nach Meinungsfreiheit und das Partizipationsgebot an den gesellschaftlichen Entwicklungen sowie die aktive Beteiligung an der öffentlichen Diskussion durch „Gegenproduktionen“ in den Vordergrund gestellt. Oskar Negt und Alexander Kluge forderten in ihrem berühmt gewordenen „Plädoyer für eine proletarische Öffentlichkeit“, daß „bloß schriftliche und mündliche Kritik (...) gegenüber wirklichen Produkten eines industriellen Großapparats fast immer unwirksam bleiben. Produkte lassen sich wirksam nur mit Gegenprodukten widerlegen.“41 Reent Schwarz erweiterte diese Überlegungen auf die Schule und forderte, daß die Schüler zur „Übernahme der Sender-Rolle in der Massenkommunikation“ angeleitet werden sollen, „besonders im Bereich der Kinder- und Jugendprogramme.“42

Diese in ihrem Kern wichtigen Positionen aber mit z.T. Utopisch anmutenden Zielen blieben jedoch auf der theoretisch-analytischen Ebene stehen. Sie zielten zwar auf Veränderung des Handelns, konnten diese Forderungen aber für ein real praktisches Tun mit entsprechenden Handlungszielen nicht konkretisieren.43 Die daraus weiterentwickelten handlungsorientierten Ansätze einer aktiven Nutzung der AV-Medien blieben bei einer kritischen, z.T. Handlungsorientierten Aufklärung massenmedialer Inhalte stehen.44 Diese Positionen und Konzepte waren einer Verordnungspädagogik noch eng verbunden und mußten letztlich, auch aufgrund der Diktion ihrer intellektuellen Inhalte, die die eigene Betroffenheit und Bedürfnislage der Autoren widerspiegelte, scheitern. Den Unlustgefühlen ihrer Adressaten gegenüber theorielastigen Themen hatten sie konzeptionell nichts entgegenzusetzen.

Die wohl wichtigste Bedingung für anhaltende Motivation in Handlungs- und Lernprozessen ist von ihnen nicht berücksichtigt worden:

Ihre Konzepte hatten die Alltagserfahrungen und die eigentlichen Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen nicht zum Ausgangspunkt.
Kinder und Jugendliche haben eigene generative Fragen. Sie formulieren ihre Bedürfnisse aus den Erfahrungen der eigenen Lebenswelt, die auch mit Ängsten, Sehnsüchten, Hoffnungen, Gewalt, Liebe, dem Wunsch nach Vertrauen und Selbstwirksamkeit zu tun hat, in der Medien, vor allem Fernsehen und Computer, eine wichtige Rolle spielen, aber nicht die einzige.

Dieser Bedürfnislage von Kindern und Jugendlichen fühlte und fühlt sich noch heute die andere Richtung der Aktiven Medienarbeit mehr verpflichtet. Sie sieht neben dem Auftrag einer kritischen Wissensvermittlung auch den auf Selbstbestimmung und Selbständigkeit abzielenden Bildungsauftrag.

Den medienkritisch analytisch/ produktiven Ansatz von Negt/Kluge, Ehmer, Hartwig u.a. hatte ich Mitte der 70iger Jahre inhaltlich um wesentliche Aspekte erweitert: Selbstbestimmung und Erfahrungsoffenheit aus der Sicht der Teilnehmer, thematische Anbindung an Alltagsrealität und Alltagserfahrungen, dialogische reflexive Prozesse, kreative, ästhetische und polytechnische Verfahren und Inhalte sowie die Fokussierung auf eine angemessene öffentliche Präsentation, in der sich die Gruppenteilnehmer mit ihrem gemeinsamen Medienprodukt in einem dialogischen Prozeß den Zuschauern mit der Sicht ihrer Wirklichkeit stellen müssen.

Im Vordergrund einer emanzipatorischen Pädagogik, so Fred SCHELL45 unter Berufung auf SCHIEFELE46, „steht das Individuum als gesellschaftliches Subjekt, das nicht durch vorgegebene Verhältnisse determiniert ist, sondern grundsätzlich eigene gesellschaftliche Handlungs- und Gestaltungsfähigkeit besitzt. Primäre Aufgabe pädagogischen Handelns ist es demnach, Reflexion und Veränderung gesellschaftlicher Zustände zu ermöglichen. Dies verweist auf die Zielvorstellung von Menschen, die als Individuen selbstbestimmt sind und als gesellschaftliche Subjekte die Zwänge, die die Autonomie be- oder verhindern, erkennen und beseitigen können. Diese Zielvorstellung ist mit den Begriffen ‚Mündigkeit‘ und ‚Emanzipation‘ genauer zu fassen. Mündigkeit bezeichnet die erlernbare Fähigkeit, gesellschaftliche Bedingungen, Normen und Wertvorstellungen zu erkennen, sie zu hinterfragen und zu beurteilen und daraus sich selbst und sein eigenes Handeln zu definieren. In dieser, auf Befreiung von Unterdrückung und Selbstbestimmung des Individuums abzielenden Definition, läßt sich - bei aller guten Absicht - gleichwohl der Ton einer Weisung nicht überhören. Der „Erkenntnisgewinn“ und die „Befreiung“, von der hier die Rede ist, wirkt unecht und akademisch doziert. Diese Zielvorstellung entspringt der Überzeugung eigener Subversivität. Das geheime Lernziel ist eher narzistischer Gewinn und erhofftes Schulterklopfen. „Sei mündig“ ist ein klassisches double-bind.

Die Interessen der Menschen, hier als gesellschaftliche Subjekte umschrieben, definieren sich nicht alleine aus den äußeren, gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, sondern - und nicht zuletzt - aus inneren Bedürfnissen, den eigenen Bedeutsamkeiten, dem Wunsch nach leibhaftigem, an den Sinnen orientierten Erleben47, an den Erfahrungen eigener Wirksamkeit. Erst in diesem ganzheitlichen Sinne können wir unser Verständnis, dessen, was wir erfahren und tun, erweitern.

Erst aus der Erkenntnis der Diskrepanz zwischen inneren Bedürfnissen und äußeren Bedingungen sind wir in der Lage Zielvorstellungen für Veränderungen zu definieren.

Die Bedeutsamkeit der Erkenntnis eines Sachzusammenhanges oder einer Handlung ist jedoch nicht alleine zu begründen aus dessen Machbarkeit und Verkäuflichkeit.48 Bedeutsame Erkenntnisse haben Rückwirkungen nicht nur auf den Einzelnen, sondern immer auch auf die Gemeinschaft, in die dieser mit seiner Erkenntnis wirkt. Insofern liegt dem Begriff der Bedeutsamkeit eine sozial verantwortliche und gestaltende Komponente zugrunde.

Lernen durch Handeln und Erfahrung an bedeutungsrelevanten, sinnstiftenden Themen der Alltagswelt ist das übergreifende Konzept Aktiver Medienarbeit.

Erfahrungs- und Handlungsräume öffnen

Wichtig für ein Verständnis dieser Richtung der Aktiven Medienarbeit ist, daß Kinder und Jugendliche nicht mehr verstanden werden als abhängige Individuen voller Defizite, sondern daß man sie als differenzierungs- und handlungsfähige Personen ernst nimmt.49 Daß sie Dinge, Situationen und Menschen deuten und bewerten können, ihre eigenen individuellen und kulturellen Erfahrungen haben, die sie im Gleichklang und im Widerspruch zu ihren Vorstellungen und Erfahrungen von Gesellschaft selbst erproben müssen und daß die daraus entstehenden Anstöße und Anregungen der Weiterentwicklung ihres Alltagswissens, ihrer Identität und sozial-kulturellen Kompetenz dienen. Es geht nicht um das Formulieren von Imperativen zur Partizipation50, sondern darum herauszufinden, welche Gemeinsamkeiten und Verschiedenheiten Heranwachsende bei sich entdecken, um sich verstehen und tolerieren zu lernen und unter welchen Bedingungen dieser Austausch auch zwischen den Generationen und den verschiedenen Kulturen stattfinden kann.

Damit wird angedeutet, daß Aktive Medienarbeit sich nicht vorrangig auf die Medien und den Umgang mit ihnen fixiert, sondern zuerst einmal Erfahrungs- und Handlungsräume und Zeit schaffen will, in der Kinder und Jugendliche besser als im traditionellen Unterricht, aber auch besser, als alleine gelassen mit den neuen Medien der Konsumindustrie, ihre Neugier, Kreativität und Alltagskompetenzen zur Wirkung bringen können. Agieren und Gestalten mit Hilfe von Medien kann in diesen Lernräumen neue Wahrnehmungs-, Handlungs- und Darstellungsweisen erschließen und ästhetische Erfahrungen öffnen, die - sofern sie bedeutungsvoll sind - bei den Beteiligten außerordentliche Motivationskräfte auslösen können.

Dabei sind es nicht die Medien selbst, auch nicht die technische Faszination, die von ihnen ausgeht, sie ist oft nur von kurzer Dauer51, sondern die Art und Weise, mit der die Medien als Auslöser Handlungs- und Dialogprozesse initiieren und in Lernprozesse umwandeln, ohne daß man sich ihrer bewußt wird.

Übergreifende Ziele

Medienarbeit hat das Bestreben, “praktisches Tun und kognitive Einsicht, Abstraktion und Sinnlichkeit, Phantasie und Systematik, soziales Lernen und individuelle Anstrengung, bereits erworbene Kenntnisse und Fertigkeiten und neue Herausforderungen, die nicht sogleich dosiert und didaktisiert sind, sondern in ihrer alltäglichen Vielschichtigkeit und Unwägbarkeit zu bewältigen sind, miteinander zu verbinden.“52

Kommunizieren, Analysieren, Handeln und kreatives Gestalten sind die Elemente der Aktiven Medienarbeit. Sie skizzieren den Weg zu dem Ziel, an dessem Ende ein Produkt steht, das aus einer Vision entstanden ist. Die Medien sind nur die Werkzeuge, dem Produkt die Form zu geben. So sind nicht die Medien bestimmend für die Botschaften, sondern der Kopf, die Hände und alle Sinne, die sie führen, um eine Botschaft zu formen.

Das ist der Kern der Aktiven Medienarbeit: Alle Sinne, die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Beteiligten anzusprechen und Erfahrungssituationen zu schaffen, in denen spielerisch kreative, kritisch analytische, systematisch technische, emphatisch kommunikative und beziehungsorientierte Handlungsprozesse als Lernprozesse entwickelt und miteinander verbunden werden, in denen der Umgang mit Medientechniken nicht Konfrontation zu traditionellen Kulturtechniken ist, sondern Integration.

2.4 Königsweg des Projektunterrichts

Aktive Medienarbeit gilt nach Kübler53 als der Königsweg medienpädagogischen Handelns und ist gleichsam das Ideal für einen Projektunterricht, wenn die thematischen Schwerpunkte der Aktiven Medienarbeit der Alltagsrealität der Schüler entstammen, ihre Erfahrungen und Bedürfnisse einbezieht und das gemeinsame Handeln für ihren Alltag sich als bedeutsam erweist.

Die Arbeitstätigkeiten und Arbeitsformen wiederholt wechseln und möglichst alle Fähigkeiten, Sinne und Bedürfnisse berücksichtigt und gefordert werden. Am Ende des Projektes ein vorzeigbares Produkt steht, das den gemeinsamen Lern  und Arbeitsprozeß verkörpert.

Kübler begründet den Begriff „Königsweg“ im Kontext medienpädagogischen Handelns in der Projektarbeit damit, daß sich in die o.g. Arbeits- und Lernformen in der Auseinandersetzung mit Alltagserfahrungen die Bestrebungen und Inhalte der reflexiven und analytischen Medienpädagogik in Form sogenannter „didaktischer Schleifen“ integrieren lassen, so daß sie dem Ideal ganzheitlichen und handlungsorientierten Lernens vielfach nahe kommen. Als didaktische Schleifen benennt er reflexive und analytische Aufgaben, die an entsprechend geeigneten Stellen in den Arbeitsprozeß eingeschoben werden.54

Ich begründe den Begriff des Königsweges darüber hinaus und fokussiere den Blick auf die verschiedenen horizontalen Ebenen impliziter Metadiskussion in und zwischen den aufeinander aufbauenden vertikalen Prozeßphasen eines Projektunterrichts mit Aktiver Medienarbeit. Dabei handelt es sich nicht nur um das ganzheitliche Reproduzieren eigener Erfahrungen und Bedürfnisse der Alltagsrealität mit integrierten, als Aufgaben formulierten, „didaktischen Schleifen“.

Die Alltagserfahrungen müssen umgeformt werden in Geschichten, in gemeinsame Geschichten mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Die Schüler müssen sich diese Geschichten erzählen sich dabei über einen gemeinsamen Horizont verständigen, indem sie sich ihre Geschichten gegenseitig verständlich machen auf einer weiteren Metaebene transformieren in gemeinsame Aussagen, ein gemeinsames Skript für eine mediale ( filmische, theatermäßige, textliche, kompositorische ) Umsetzung erarbeiten. Sie müssen zum Schluß in einer Präsentation ihr gemeinsames Produkt einer Öffentlichkeit vorstellen und in einem dialogischen Prozeß mit dem Publikum die Sicht ihrer Wirklichkeit ihrer Geschichten und Botschaften überprüfen.

Dieses sind verschiedene selbst bestimmte Schritte von impliziter Metadiskussion über den Prozeß gemeinsamen Handelns. Der Ablauf der Schritte ist metatheoretisch von einer Ebene zur nächsten erkenntnistheoretisch in folgende Vorgänge und Phasen gegliedert:

Ausgehend von den eigenen Alltagserfahrungen, über die Selbstvorstellung und Verständigung gemeinsamer Symbole und die Entwicklung gemeinsamer Aussagen, über die verschiedenen ineinandergreifenden gemeinsamen Handlungsprozesse bis zur Präsentation ihrer gemeinsamen Produktion am Ende. Auf diesen Wegen zwingt sie das Medium fortwährend zur Durcharbeitung eigener Erfahrungen. Diese werden aus einer exentrischen Position heraus noch einmal angeschaut und immer wieder auf einer neuen, internen und externen Ebene reflexiv im Konsens hinterfragt.

Das Medium, die Aktive Medienarbeit, ist Vermittler auf diesen komplexen metakommunikativen Ebenen, die in anderer Weise, in dieser Form und Art, ohne Medien nicht erschließbar sind. Erst in diesem erweiterten Sinne ist Aktive Medienarbeit der „Königsweg des Projektunterrichts“. ( siehe auch Kap. 9 )

Bedingungen im Kontext Schule

Der Projektunterricht ist gleichsam die „Hochform“55 handlungsorientierten Lehrens und Lernens ist. Aktive Medienarbeit ist, wie handlungsorientierter Unterricht, keine didaktische Theorie, sondern wird aufgefaßt als ein Unterrichtsprinzip mit bestimmten Merkmalen, ist theoretisch begründbar und in verschiedenen Unterrichtszusammenhängen zu realisieren.56

Unterrichtsprojekte, vor allem im gesellschaftskundlichen, sachkundlichen, sprachlichen und künstlerischen Bereich, kommen ohne Medienarbeit nicht aus, besonders wenn Projektergebnisse präsentiert werden sollen, was unabdingbar ist für die Realisation und den Abschluß eines Projektes. Die inhaltliche Bearbeitung eines selbstgewählten Themas, die thematische Einbeziehung der Alltagserfahrungen, Problemlagen zu erkennen und in dialogischen Prozessen gemeinsam zu reflektieren, Wege zu Problemlösungen medial zu bearbeiten und schließlich der Öffentlichkeit im Dialog zu präsentieren, stellt den didaktisch methodischen Bezugsrahmen dar. Auf diesen Bezugsrahmen muß sich Medienarbeit beziehen. Sie stellt von daher spezielle methodische und medientechnische Anforderungen an die Lehrer wie an die Schüler.

Jedes Medium, ob Video, Theater/Kabarett, Pop-Musikproduktion, Hörspiel/Hörbild, S/W-Foto, Ton-Dia, Zeitung oder Multimedia-Produktion hat seine medienspezifische Dramaturgie, die auf einem dazugehörigen dramaturgischen (grammatikalischen) Regelwerk basiert, so wie Sprache und Schrift ein eigenes Regelwerk hat. Prinzipiell läßt sich jedes Thema mit einem dieser Medien bearbeiten.

Mehr als 400 Medienproduktionen in den letzten 20 Jahren mit Studentengruppen belegen dieses sehr eindrucksvoll, wobei in jedem der neuntägigen Medienworkshops, in denen diese Medienproduktionen entstanden sind, immer gleichzeitig zu einem Thema mit fünf bis sechs unterschiedlichen Medien (Video, Fotografie, Kabarett, Ton-Dia, Pop-Musik ) gearbeitet wurde.57

Es ist wichtig, die generelle Charakteristik eines Mediums zu beachten. So können bestimmte Medien z.B. ein leises, emotionales Thema buchstäblich überschreien, was ja beabsichtigt sein kann, oder schwarz/weiß Fotos können eher thema-adäquat sein als farbige Fotos. Ist ein Techno-Videoclip z.B. besser geeignet als ein kleiner Spielfilm zur gleichen Thematik oder ein Kabarett-Stück?

Wichtig ist auch der Zeitfaktor in einem Projekt. Es gibt, bezogen auf die Erreichbarkeit von Ergebnissen, schnelle Medien, wie z.B. Video oder Kabarett, oder langsamere Medien, wie S/W Fotografie, Ton-Dia oder Pop-Musikproduktionen, was über die Qualität der Endproduktion jedoch nichts aussagt. Die Präsentationsqualität ist ein weiterer Aspekt. Eine Fotoausstellung kann z.B. Wochenlang in der Schule präsent sein, die Präsentation einer Ton-Dia-Produktion ist immer mit technischem und organisatorischem Aufwand verbunden. Das schließt auch die Frage ein nach dem zur Verfügung stehenden Medienequipment, das u.U. auch an einer anderen Schule ausgeliehen werden kann. Nicht zuletzt und nicht weniger von Bedeutung für das Gelingen eines Medienprojektes ist die Frage, welche Medienkompetenz die Lehrer und die Schüler haben.

Die guten Absichten von Lehrern, ihren Unterricht mit Aktiver Medienarbeit zeitgemäßer zu gestalten, kann sie nicht davon entbinden, sich vor Beginn des Projektunterrichts die technisch-dramaturgischen Kompetenzen für zumindest ein Medium anzueignen.

Karin Dehnbostel, Lehrerin und Medienpädagogin, arbeitet im Weiterbildungsverein „Medien und Kulturarbeit e.V. Hamburg“ und meint dazu:

„Bei den konventionellen Kulturtechniken machen alle Schüler (und Lehrer, R.N.) die Erfahrung, daß erst ein langwieriger Lernprozeß zu einem befriedigenden Ergebnis führt.(...) Erstaunlich ist, daß nicht nur Schüler, son­dern auch die meisten Lehrerinnen und Lehrer sich nicht bewußt machen, welche technischen und kul­turtechnischen Voraussetzungen für den Umgang mit Tönen und Bildern notwendig sind. In anderen Unterrichtsfeldern und in künstlerisch kreativen Bereichen ist es völlig selbstverständlich, sich über lange Zeit Wissen und Vermittlungsqualifikationen anzueignen. Jede/r kennt diese Erfahrung vom Schreiben und erfährt dabei die eigenen Möglichkeiten und Grenzen.(...) Während LehrerInnen selbst Texte oder Gedichte geschrieben (...)haben, bevor sie andere anleiten, ist es bei Pädagogen, die mit Video und anderen tech­nischen Medien arbeiten, anders. Sie kennen sich in der Rezeption und Analyse von Filmen und in der Gerätetechnik aus, haben aber in der Regel selbst keine eigenen filmischen oder auditiven Produkte gestaltet. (...) Ästhetische Bearbei­tungsformen fallen unter den Tisch. Demzufolge gibt es auch kaum Medienprojekte, in denen sinn­lich konkret mit Bildern, Tönen und Klängen gear­beitet wird.“58

Manche Lehrer wissen sich nicht anders zu helfen, als daß die Schüler, um sie „authentisch“ arbeiten zu lassen, alles in Eigenverantwortung und eigener Regie „erledigen“ sollen, sie lassen sie „wursteln“ weil sie ihre eigenen „Seh- und Hörgewohnheiten“ haben. Die technisch-dramaturgisch und dadurch auch inhaltlich oft unzureichenden Produktionen, bedingt durch fehlende Anleitung, die die Schüler in solchen Fällen anderen Mitschülern schon gar nicht mehr zeigen wollen, vermiesen ihnen das weitere Interesse an der Medienarbeit. Sie sehen Medienarbeit als Spielerei und Kinderkram an. Das kritische Bewußtsein gegenüber ihren Ergebnissen ist bei Schülern oft schärfer ausgebildet, als bei den Lehrern. In diesen Fällen wäre es sinnvoller gewesen, vorher zwei kurze Medienproduktionen selbst herzustellen oder sich kompetenten Rat zu holen, als sich auf den Trick vom Kind als „geborenen Künstler“59 zu verlassen.

Aus diesem Grunde haben im Zimbabweprojekt in allen Medien-Arbeitsgruppen bei den internen Lehrerfortbildungen für Medientechnik und -dramaturgie sowie während der Schülerworkshops auch Medienexperten des Fachbereichs Sozialwesen der Universität Gesamthochschule Kassel als Teamer mitgearbeitet. Die Fachleute für Theater waren an den Schulen vorhanden.

Die Aktive Medienarbeit, wie sie hier dargestellt wurde, sollte in der Schule keine Eigenständigkeit haben, weder in personeller noch in fachdidaktischer Hinsicht. Als Unterrichtsprinzip muß sie einleuchtend und stichhaltig in die entsprechenden Fachdidaktiken eingebunden werden. Sie sollte nicht nur als pädagogische Besonderheit in der letzten Woche vor den Sommerferien, wo ohnehin nichts mehr „läuft“, den Schulalltag bereichern, aber auch nicht nur als unterrichtliches Zusatzangebot im Wahlpflichtbereich, als zwar attraktives, aber neben weiteren Angeboten dennoch beliebiges Lernangebot aufgefaßt werden. In verschiedenen Fachdisziplinen, vor allem im historisch-, geografisch- sozialwissenschaftlichen Bereich, in Germanistik, den Fremdsprachen, Kunst, Ethik und Sachunterricht ergeben sich vielfältige interdisziplinäre Themen und Fragestellungen, die, wenn sie zeitgemäß und für die Schüler bedeutungsvoll sein sollen, handlungs- und erfahrungsorientiert mit Aktiver Medienarbeit bearbeitet werden können.

Projektunterricht und Aktive Medienarbeit ist im Kontext der Projektidee nicht planbar, wenn unter methodischer Planung eine tragfähige, überall einsetzbare, festgelegte Form des Vorgehens, unabhängig von Situation, Raum und Zeit verstanden wird. Planbar ist, ausgehend von den Alltagserfahrungen der Schüler, die inhaltlich, thematische Dimension, die sich aufeinander aufbauenden Projektphasen (siehe Kap. 2.2), sowie ein generelles Verfahren als Spurensuche, was ein sehr genau planbares und gleichzeitig offenes Vorgehen darstellt..

Projektunterricht hat jedoch zuweilen dort seine Grenzen, wo das Gelernte der Projektarbeit sich auch auf die Systematik spezifischer Fachgebiete beziehen muß, um eigene Erfahrungen und Erkenntnisse in einen größeren systematischen Zusammenhang zu stellen, auch um den Anschluß an den vom Lehrplan vorgesehenen Kanon von Fachinhalten zu gewährleisten.60

„Aufgeklärtes Handeln ist angewiesen auf solche grenzüberschreitenden, systematischen Erweiterungen. Insbesondere die Unterrichtsform des „Lehrganges“ (...) wird als Ergänzung von Projektlernen unverzichtbar, denn im Lehrgang werden Wissensgebiete unter didaktischen Gesichtspunkten systematisch erschlossen.“61

Im Kapitel „Projektunterricht“ habe ich diesen Aspekt schon einmal dargestellt. Motivierte Teilnahme der Schüler an der Lehrgangsform ist dann gegeben, wenn sie aus dem momentanen Arbeitsprozeß heraus dem Thema des eingeschobenen Lehrgangs eine subjektive sinnstiftende Bedeutung beimessen können, z.B. sich für sie ungelöste, bedeutungsvolle Fragen ergeben, oder sich Hinweise für interessante Ideen, neue Zwischenlösungen und weitere Arbeitsschritte eröffnen.

 

2.5 Aktive Medienarbeit als herausragende Form für interkulturellen Dialog

Der gemeinsame Grund

Um den Begriff „Dialog“, wie ich ihn hier verwenden möchte, besser zu verstehen, ist es nützlich, mit der Erörterung des Wortes „Kommunikation“ zu beginnen.

Die etymologische Ableitung kann helfen, eine tiefere Bedeutung zu erschließen: Kommunikation kommt aus dem lateinischen Wort „communicare“ und heißt soviel wie: Teilen, geben, empfangen, und „auf dem gleichen Grund stehen“, was auch soviel bedeuten kann wie „etwas einander mitteilen“. Das könnte z.B. Heißen, so exakt wie möglich Informationen oder Wissenswertes von einer Person an eine andere Person weiterzugeben, Anweisungen zu empfangen oder mitzuteilen, wie ein bestimmtes Verfahren umgesetzt werden soll. In der Arbeitswelt herrscht diese Art der Kommunikation vor und ist von entscheidender Bedeutung. Diese Be-Deutung des Wortes deckt jedoch nicht alles ab, was mit dem Wort zum Ausdruck gebracht werden kann.62

Wenn in einem Dialog jemand etwas äußert, „wird die Erwiderung des Gesprächspartners im allgemeinen nicht von genau derselben Bedeutung ausgehen, die die erste Person im Sinn hatte. Die Bedeutungen sind vielmehr nur ähnlich und nicht identisch.63(...) Beim Nachdenken über diesen Unterschied wird vielleicht das Erkennen von etwas Neuem möglich, das sowohl für die eigene Sichtweise wie auch für die Sichtweise des Gesprächspartners relevant ist. Und so kann es hin- und hergehen, während ständig neue Inhalte entstehen, die beiden Gesprächspartnern gemeinsam sind.

In einem Dialog versuchen also die Gesprächsteilnehmer nicht einander gewisse Informationen mitzuteilen, die ihnen bereits bekannt sind. Vielmehr könnte man sagen, daß die beiden etwas gemeinsam machen, d.h., daß sie zusammen etwas Neues schaffen.64 Dieses „Neue“, auch wenn es aus der Perspektive des Einzelnen nichts „Neues“ darstellt, definiert sich über die Entdeckung der „Gemeinsamkeit“ als neu. Voraussetzung dafür ist ein dialogischer Perspektivwechsel.

Empathie

Im Kontext interkultureller Begegnung stellen gegensätzliche Wortdeutungen, Wahrnehmungen und unterschiedliche Interpretationen zu Mimik und Gestik den Dialog vor ein besonders sensibles Problem gegenseitigen Verstehens.

Das erfordert eine besondere Haltung des „Hinspürens“, der Fähigkeit, sich in die Einstellung des „Anderen“ einzufühlen (Empathie). In einem Dialog muß man mit seinen Sinnen aufmerksam sein für das, was man in dem Augenblick, im Hier und Jetzt, sieht, hört, fühlt und denkt. Das betrifft sowohl die eigenen Signale und Empfindungen, wie die Signale des „Anderen“.65 Diese „personalen und sozialen Kompetenzen“66 kann man nicht in kurzen Ausbildungsprogrammen lernen, sie können nur in längeren Bildungsprozessen erworben werden, in deren Mittelpunkt die Veränderung der persönlichen Denk- und Fühlmuster für ein verändertes Handeln steht.67

In einem Dialog spielt sich ein gemeinsamer prozeßhafter Vorgang ab, der mehr ist als ein Wechseln von Worten, wie es auf der schriftlichen Ebene (z.B. Mit elektronischen Medien im Internet) in der Regel praktiziert wird. Der als ganzheitlich zu bezeichnende, dialogische Prozeß, hat verbale, non-verbale, emotionale und sinnliche, d.h. Die Sinne aktivierende und gesturale Anteile und setzt eine persönliche Begegnung voraus. In diesem Sinne verstehe ich einen interkulturellen Dialog als einen Prozeß der bedeutsamen persönlichen Begegnung.

Ziele

Das Ziel eines interkulturellen Dialogs ist es, zu lernen, sich gegenseitig zu tolerieren und zu verstehen, trotz aller Unterschiede, gegensätzlicher Ansichten und kultureller Verschiedenheiten. Es soll die Bereitschaft entwickelt werden, die eigenen Ansichten, (Vor)-Urteile und Standpunkte gemeinsam zu reflektieren.

Dieser Prozeß soll die gemeinsamen, verbindenden Erfahrungen entdecken, den „gemeinsamen Grund“. Weisbord nennt das „discovering the common ground “, die Voraussetzung, um Visionen zu teilen und gemeinsam Ziele zu bearbeiten.68

„ Bei der Entdeckung des gemeinsamen Grundes erkennen die (Teilnehmer, R.N.) (...) eine neue Perspektive, statt sich – wie gewohnt - auf die Unterschiede und Differenzen zu konzentrieren, lernen sie es, die Gemeinsamkeiten als Anstoß für Wandlungsprozesse zu nutzen. Die überraschende Erkenntnis, daß es mehr Gemeinsamkeiten gibt, als der einzelne oder die (...) Gruppe glauben, kann als ein wichtiger Innovationsimpuls ( für gemeinsames Handeln, R.N.) wirken.“69

Aktive Medienarbeit ist eine herausragende Form, Visionen und Erfahrungen zu teilen, Lernräume als Erfahrungs- und Handlungsräume zu bilden, um sich mit bedeutsamen Fragen und Problemen in einen gemeinsamen dialogischen, konzeptionellen, ganzheitlichen Arbeitsprozeß einzubringen und durch das Herstellen eines Medienproduktes ein gemeinsames Ziel zu erreichen: Einen Videofilm, ein Theaterstück, Kabarett-Nummern, eine Pop-Musikproduktion oder eine gemeinsame HomePage etc. .

Im dialogischen Prozeß der gemeinsamen Arbeit und in den Botschaften dieser Produktionen manifestiert sich ein Stück der Gemeinsamkeit. Die Themen müssen den Alltagserfahrungen der Teilnehmer entstammen und mit ihren Einstellungen, Wünschen, Ängsten, Hoffnungen, Visionen und Zielen zu tun haben, um bedeutsame Ansichten, Vor-Urteile und persönliche Standpunkte zu reflexiv zu bearbeiten und zu teilen. Das ist ein wesentliches Ergebnis aus dem Zimbabweprojekt.

Im Prozeß der Themenfindung, in den Gesprächen, Abklärungen und Kompromissen über Ziele, Inhalt und Dramaturgie der Produktion, entdecken die Teilnehmer in ihren persönlichen Geschichten die gleichen grundsätzlichen Erfahrungen und Probleme, entwickeln ein Verständnis füreinander und können bedeutsame Fragen formulieren.

Die gemeinsamen Aktivitäten in den übergreifenden Handlungszusammenhängen formen aus einer eher informellen Gruppe ein Arbeitsteam, das einerseits individuelle Freiheiten und Spaß für „Lieblingstätigkeiten“ offen läßt, andererseits zu gemeinsamen Tätigkeiten, zu Selbstdisziplin, Kompromissen und zum Konsens anhält.

Medienproduktionen haben sehr viel mit Spiel zu tun, Spielen im doppelten Sinne. Gespielt wird, um gestalterische Elemente und Techniken zu erproben: Mimik, Gestik, Sprache, Bewegungen, Melodien, Improvisationen. Gespielt werden die eigenen und die „fremden“ Erfahrungen, die eigenen und „fremden“ Geschichten. Das bedeutet das sinnliche und körperliche Teilhaben an den Geschichten der „Anderen“, indem man in eine Rolle dieser Geschichte, in die „Gestalt gewordene Erfahrung“ hinein- schlüpft und sie vermischt mit Teilen der eigenen Geschichte/n und Erfahrungen. So kann man Zeuge seiner eigenen Geschichte/n werden. Im Idealfall wird man im Moment des Spielens ein Spiegelbild des anderen, dessen Rolle man gerade spielt und wird für kurze Zeit ein Teil von ihm.

Das trägt zur Sensibilisierung gegenüber der eigenen Geschichte und Geschichten bei, der subjektiven Wahrnehmungsmuster für die eigene Kultur, der Standortbestimmung und Identität. Ein tiefes Verständnis zu dem anderen mit emotionaler Nähe wird möglich, wenn die „fremden“ Erfahrungen „Gestalt“ bekommen, in denen ich eine/meine „Rolle“ spiele.

Diese Überlegungen sollten verdeutlichen:
Nicht die Medien und ihre technische Gestaltung stehen im Zentrum eines interkulturellen Dialogs. Der prozeßhafte, beziehungsorientierte Weg ist das eigentliche Ziel einer interkulturellen Begegnung. Das Medienprodukt ist das gegenständliche, vorzeigbare Ergebnis, die materielle Manifestation dieses Weges auf der Suche gemeinsamer Erfahrungen und Visionen. Aktiver Medienarbeit kommt hierbei eine durch nichts zu ersetzende Vehikelfunktion zu, ohne die diese Prozesse nicht initiiert, be-greifbar, fühlbar und sichtbar gemacht werden können.
Überprüfbar am materiellen Ergebnis, am „Gebrauchs- und Mitteilungswert“ ist dieses Ziel jedoch selten.

 

weiter zu Kapitel 3

                                                                   

1 Der Begriff der Aneignung verweist ... auf die grundsätzlich gesellschaftliche Natur menschlicher Lernprozesse und ist der Schlüsselbegriff zur Entwicklung eines han­delnden Unterrichts. Werkzeuggebrauch, Sprachentwicklung und Ausbildung geisti­ger Handlungen sind z. B. Formen, in denen die Aneignung gesellschaftlich verdicht­eter Erfahrungen vollzogen wird und in denen sich die Gesellschaft reproduziert. Aneignung kennzeichnet das spezifisch menschliche Lernen im Unterschied zu dem des Tieres, das sich anpaßt. Beim Tier gibt es weder den Prozeß der Interiorisierung, »das heißt die allmähliche Umbildung äußerer in innere, geistige Handlungen« (A.N.LEONTJEW, Probleme der Entwicklung des Psychischen, Berlin 1975, S.243) als Aneignungselement, noch den entgegengesetzten Vorgang der Exteriorisierung, also die Entäußerung bereits angeeigneter (Denk )Tätigkeiten in neuer, schöpferischer Form, ihre Vergegenständlichung z. B. in materiellen Produkt­en oder in Sprache. Beide Prozesse   Intertorisierung und Exteriorisierung   bilden im Aneignungsprozeß eine Einheit: Der Mensch wird nicht nur in der Aneignung gesellschaftlicher Verhältnisse geformt, »sondern gleichzeitig ist er derjenige, der diese Verhältnisse schafft und verändert, sich dabei selber verändert und entwickelt und neue Fähigkeiten entfaltet« (B.ROHR, Handelnder Unterricht, Heidelberg 1982, 2. Auflage, S.97). In: Herbert GUDJONS, Handlungsorientiert lehren und lernen, Schüleraktivierung, Selbsttätigkeit, Projektarbeit, 4. Auflage, Bad Heilbrunn 1994, S. 39

2 Wird menschliches Tun als Handlung aufgefaßt, dann wird auf der Basis eines umgangssprachlich sich auseinandersetzenden Personen-Umwelt-Modells nicht mehr nur das Verhalten (als eher re-aktiv, passiv, sich anpassend) des Menschen erklärt, sondern die gesamte Auseinandersetzung des Menschen mit seiner Umwelt, sein aufgrund von Zielvorstellungen geordnetes und reguliertes Tun, seine kognitiven Leistungen, letztlich also menschliche Subjektivität kommen in den Blick.

3 Herbert GUDJONS, 1994, a.a.O. S. 48

4 vgl. K. MÖLLER, Lernen durch Tun, Frankfurt/M. 1987, S.113 in: GUDJONS, 1994, a.a.O., S.49

5 vgl. Herbert GUDJONS, 1994, a.a.O. S.48

6 Horst RUMPF, Die übergangene Sinnlichkeit, München 1981, S. 7, in Herbert GUDJONS, 1994,

a.a.O. S. 49

7 K. WITZENBACHER, Handlungsorientiertes Lernen in der Hauptschule, München 1985, S.17,

in: Herbert GUDJONS, 1994, a.a.O. S. 50

8 vgl. i.d.S. Herbert GUDJONS, 1994, a.a.O. S.51

9 vgl. Karsten RENCKSTORF, Alternative Ansätze der Massenkommunikationsforschung, in: Rundfunk und Fernsehen, 21.Jg. 2/3 1973, S.183-197, Willi TEICHERT, „Fernsehen“ als soziales Handeln, in: Rundfunk und Fernsehen, 20.Jg. 4/1972, S.421-439, und 21.Jg., 4/1973, S.356-382

10 Herbert GUDJONS, 1994, a.a.O. S. 51

11 Nachricht Kommentar Information Unterhaltung
Schulstreß Schulstreß Jugendzentrum Hitparade Engl.
Schulnachrichten Jugendarbeitslosigkeit Wartezeiten Hitparade USA
Jugendarbeitslosigkeit Kneipen Schülerrechte Playbacks
Arbeitsamt Streit mit Eltern Ärger mit Busverbindungen Sketche­ Schulwitze
Schülerrechte Klassenfahrten Kino/TV Vorschau

12 vgl. Reinhard NOLLE, Projektorientierte Medienarbeit vor dem Hintergrund musisch-technischer, sozialer sowie interessen- und bedürfnisorientierter Lernziele im integrierten Kunst/Sozialkunde Unterricht einer Klasse 8. Pädagogische Prüfungsarbeit zur Erlangung der zweiten Staatsprüfung für das Fach Kunst/Visuelle Kommunikation sowie Gesellschaftslehre, Studienseminar I, Kassel 1979, S.20 - 35

13 Heinrich DAUBER, Grundlagen humanistischer Pädagogik, Intergrative Ansätze zwischen Therapie und Politik, Bad Heilbrunn 1997, S.185

14 Herbert GUDJONS, 1994, a.a.O. S.53

15 vgl. Wolfgang GEIGER, Lernziel und pol. Unterricht, Gegenwartskunde 1/74,Opladen 1974, S.17

16 Von gesellschaftstheoretischer Warte aus, etwa aus der Sicht der Sozialisationsforschung, fungieren Schule und (Massen)Medien als die beiden verbreitetsten und einflußreichsten Instanzen der sekundären Sozialisation (nach der primären der Familie), wobei die Massenmedien zudem in die Privatheit der Familie, in die alltäglichen Lebenszusammenhänge von Eltern und Kindern ständig hineinwirken und Kinder von frühen Lebensjahren an erreichen, vgl. Hans-Dieter KÜBLER, Schule und Medien, in: Grundbegriffe Medienpädagogik: Hüther J./ Schorb B ./ Brehm-Klotz C.,KoPäd, München 1997, S. 215, siehe auch N. BONFADELLI: Die Sozialisationsperspektive in der Massenkommunikationsforschung. Neue Ansätze, Methoden und Resultate zur Stellung der Massenmedien im Leben der Kinder und Jugendlichen, Berlin 1981. Hurrelmann, K.[Ulich, D. (Hg.): Neues Handbuch der Sozialisationsforschung, Weinheim 1991. Hüther, J.: Sozialisation durch Massenmedien, Opladen 1975.

17 Populäre Musik wird hier als Sammelbegriff für die aktuell moderne Musik gebraucht, deren Wurzeln in der afroamerikanischen Musik sind. Vgl. auch Ole SEELENMEYER, Verlag Musiker Express, 1. Auflage, Lüneburg 1995

18 In der Gruppe der 14-19 jährigen Jugendlichen rangiert Popmusik als Mediennutzung und Freizeitbeschäftigung mit 77,7% an dritter Stelle, neben Fernsehen mit 93,7% und Radiohören (zum großen Teil auch Popmusik) mit 86,9%. Quelle: Mediennutzung und Freizeitbeschäftigung 1995, aus Media Perspektiven/Basisdaten 1995, S.69 in: Brinkmöller-Becker (Hrsg.) Die Fundgrube für Medienerziehung in der Sekundarstufe I und II, Cornelsen, Berlin 1997, S.22

19 Jugendzentrum Haus Forstbachweg, eine Einrichtung der Stadt-Jugendpflege Kassel. Nebenamtliche Tätigkeit als Medienpädagoge von 1972-1979.

20 zum medienkritischen, analytisch-produktiven Ansatz, s. Kap. 2.3

21 vgl. Reinhard NOLLE, Elisabeth ACKERMANN, Volkhardt STRUTWOLF, Informationen zum Kinderfilm “Bellende Fäuste“, Haus Forstbachweg, Kassel 1973, unveröffentlichtes Manuskript
Der Film wurde am dritten Weihnachtstag 1973 in der ARD mit einem Beifilm gesendet und 1974 mit einem Preis für „modellhafte Arbeit in sozialen Brennpunkten“ vom Hessischen Sozialminister ausgezeichnet.

22 vgl. Reinhard NOLLE, Kassel 1979, a.a.O. S.15/16

23 vgl. Horst KÖNIGSTEIN, Es war einmal ein Western: Stereotyp und Bewußtsein. In: Hermann K.EHMER (Hrsg.), Visuelle Kommunikation, Beiträge zur Kritik der Bewußtseinsindustrie, 6.Aufl., Köln 1975, S.299 ff., sowie Georg SEEßLEN, Claudius WEIL, Western-Kino, Geschichte und Mythologie des Western-Films, rororo Hamburg 1979, S. 178 ff. und Knut HICKETHIER, Wolf D. LÜTZEN, Krimi-Unterhaltung, in: Helmut HARTWIG (Hrsg.), Sehen lernen, Kritik und Weiterarbeit am Konzept Visuelle Kommunikation, Köln 1976, S.321 ff.

24 Besonders Kinder und Jugendliche dieser Randgruppe, die täglich in ihrem unmittelbaren Umfeld, im Elternhaus, in der Schule und in ihrer Freizeit Brutalität und Gewalt als einer Art „Kommunikation“ erleben, ahmen dieses Verhalten bei der Durchsetzung ihrer Interessen nach.

25 vgl. Herbert GUDJONS, 1994, a.a.O.S.9

26 Herbert GUDJONS, 1994, a.a.O., S.58

27 vgl. Herbert GUDJONS, 1994, a.a.O. S. 68

28 vgl. Johannes BASTIAN, Lehrer im Projektunterricht. Plädoyer für eine profilierte Lehrerrolle in schülerorientierten Lernprozessen. In: Westermanns Pädag. Beiträge, H6/1984, S.294, in: Herbert GUDJONS, 1994, a.a.O. S.72

29 In der psychologischen Fachliteratur wird das Streben nach Selbstwirksamkeit als Selbstwirksamkeitserwartung beschrieben. Diese Theorie von Albert BANDURA besagt, daß Leistungen wesentlich von den subjektiven Wahrnehmungen der eigenen Fähigkeiten und Ressourcen abhängen, die Denken, Fühlen und Handeln beeinflussen. Erst der Eindruck, etwas bewirken zu können, wird den Jugendlichen dazu bewegen, sich auch größeren Anforderungen zu stellen. Bewältigt er diese, beginnt er ein stabiles Selbstvertrauen aufzubauen. Vgl. Albert BANDURA, Self-efficacy mechanism in human agency. American Psychologist 37,1982, S.122-147 In: Publikationen zu wissenschaftlichen Filmen, Jugendprobleme, Erscheinungsformen und Verhaltensmodifikationen, Institut für den wissenschaftlichen Film Serie 4,Nr.8, Göttingen1988, S.5

30 vgl. auch Friedrich W. KORFF, Der Kübel Nichts, in: Auswege, Frankfurt 1985, S.44 ff.

31 vgl. Herbert GUDJONS, 1994, a.a.O. S.78

32 vgl. Hermann K. EHMER (Hrsg.), Köln 1975, a.a.O. S.179 f.

33 Warenästhetik „bezeichnet einen aus der Warenform der Produkte entsprungenen, vom Tauschwert her funktionell bestimmten Komplex dinglicher Erscheinungen und davon bedingter sinnlicher Subjekt-Objekt-Beziehungen. ... Darin, daß die behandelten Erscheinungen aus den grundlegenden Funktionszusammenhang der Warenproduktion hergeleitet werden, unterscheidet sich die Kritik der Warenästhetik ... auch von Darstellungen, die – in der Regel – einzelne Erscheinungen aus dem Komplex der Warenästhetik – etwa Werbung oder Design – für sich behandeln.“ Wolfgang Fritz HAUG, Kritik der Warenästhetik, 6.Auflage, Suhrkamp, Frankfurt /Main, 1977, S. 10

34 Wolfgang Fritz HAUG, 1977, a.a.O.

35 vgl. Jürgen HÜTHER, Medienpädagogische Konzepte in der Bildungsarbeit mit Erwachsenen, in: Susanne HIEGEMANN, Wolfgang H.SWOBODA, Handbuch der Medienpädagogik, Opladen 1994, S.297, s.a.:Gerd BRENNER, Horst NIESYTO (Hrsg.), Handlungsorientierte Medienarbeit, Weinheim/München 1993, S.9 ff.

36 vgl. Jürgen HÜTHER, 1994, a.a.O. S.296

37 vgl. Fred SCHELL, Aktive Medienarbeit mit Jugendlichen, Opladen 1989, S.22 ff.

38 vgl. Hans Dieter KÜBLER, Didaktik und exemplarische Praxis der Medienpädagogik, in: Medien und Kommunikation, Konstruktionen von Wirklichkeit, Funkkolleg, Studienbrief 12, Belz Verlag, Weinheim/Basel 1991, S.43

39 vgl. Hans Dieter KÜBLER, 1991, a.a.O. S.44

40 Fred SCHELL, 1989, a.a.O. S.23

41 Oskar NEGT/Alexander KLUGE, Öffentlichkeit und Erfahrung. Zur Organisationsanalyse von bürgerlicher und proletarischer Öffentlichkeit. 6. Auflage, Frankfurt 1978, S.181 f.

42 Reent SCHWARZ, Schule und Massenmedien, in: Reent SCHWARZ (Hrsg.), Manipulation durch Massenmedien – Aufklärung durch die Schule?, Didaktik der Massenkommunikation Bd.1, Stuttgart 1974, S.19, in: Hans Dieter KÜBLER, 1991, a.a.O. S.43

43 Das Standardwerk der Kunsterzieherausbildung der damaligen Zeit war das von Hermann K. Ehmer herausgegebene Werk „Visuelle Kommunikation“. Es wurde die Einbeziehung der ganzen Vielfalt des Angebots der Massenmedien in den Unterricht gefordert, die sich jedoch vorwiegend auf die Analyse der massenmedialen Inhalte beschränkte. Vgl. H.K.EHMER, 1971 a.a.O.

44 Nachdem die Defizite pädagogischen Handelns in diesem Konzept aufgedeckt wurden, kam mit dem von Hartwig herausgegebenen Werk „Sehen Lernen“ die konzeptionelle Weiterentwicklung dieses Ansatzes. Durch die aktive Nutzung von AV-Medien im Unterricht sollte ästhetisches und visuelles Lernen gefördert werden, unter Beibehaltung ideologie- und gesellschaftkritischer Aufklärung an Beispielen massenmedialer Inhalte. Bezüge zur persönlichen Alltagswelt der Schüler außerhalb der Medienwelt wurden dabei vernachlässigt. Vgl. Helmut HARTWIG (Hrsg.), Sehen lernen, Kritik und Weiterarbeit am Konzept „ Visuelle Kommunikation“, Köln 1976

45 Fred SCHELL, Aktive Medienarbeit in: Hüther/Schorb/Brehm-Klotz (Hrsg.), Grundbegriffe Medienpädagogik, KoPäd Verlag, München 1997, S.11

46 vgl. SCHIEFELE, H.: Lernmotivation und Motivlernen. Grundzüge einer erziehungswissenschaftlichen Motivationslehre, München 1974.

47 vgl. Heinrich DAUBER, 1997, a.a.O. S.185

48 vgl. Hartmut v. HENTIG, Kreativität, Hohe Erwartungen an einen schwachen Begriff, München, Wien 1998, S.65

49 vgl. Heinz HENGST, Medien und Kulturarbeit, in: Karin DEHNBOSTEL, Heinz HENGST u.a., Lernziel Praxis, KoPäd, München 1995, S.10

50 vgl. Heinz HENGST,1995, a.a.O., S.9

51 Die Fazination an Technik verliert schnell ihren Reiz, wenn sie nicht permanent aus sich heraus etwas Neues bietet, entweder auf der visuellen und funktionalen Ebene oder durch neue kreative, technische Gestaltungsmöglichkeiten und Erfolgserlebnisse. Technisches Spielzeug, wie etwa eine Modelleisenbahn oder ein Aufziehauto sind dafür ein bekanntes Beispiel, ebenso Computerspiele. Sie verlieren schnell ihren Reiz, wenn sie nichts spannendes mehr bieten können. Der Reiz scheint darin zu liegen, die Funktionalität für selbstbestimmte, kreative Gestaltungsprozesse zu nutzen.

52 Hans Dieter KÜBLER, 1991, a.a.O. S.44

53 vgl. ebd. S.44

54 vgl. ebd. S.44

55 vgl. Herbert GUDJONS, 1994, a.a.O. S. 93

56 vgl. ebd., S. 9

57 Das Seminar „Medienwerkstatt“ ist eine neuntägige Blockveranstaltung, die ich zusammen mit zwei Kollegen einmal pro Semester seit 1979 an der Universität Gesamthochschule Kassel für Studentinnen und Studenten der Fachbereiche Erziehungswissenschaft/ Humanwissenschaften und Sozialwesen anbiete.

In der Regel bieten wir folgende Medien und Gruppen an:
Videoproduktion - 3 Gruppen / Fotografie Schwarz-Weiß - 1 Gruppe / Ton Dia - 1 Gruppe / Theater-Kabarett - 1 Gruppe, / Pop-Musikproduktion - 1 Gruppe / Produktion einer Internet-Homepage – 1 Gruppe (seit 1998/99)
Alle Arbeitsgruppen (max. 6-9 TeilnehmerInnen pro Gruppe.) arbeiten inhaltlich an einem verbindlichen Rahmenthema, das einen sozialpolitischen regionalen Bezug hat. Jede Gruppe wird von einer/m professionellen Teamerin oder Teamer angeleitet. Vorkenntnisse in Medienarbeit sind nicht Bedingung. Vermittelt werden technische und dramaturgische Grundkenntnisse in der jeweiligen Produktionstechnik, projektorientiertes Lernen in einem abgeschlossenen Projekt, die Methodik der Produktionsschritte von der Idee bis zur Präsentation, Aspekte handlungsorientierten Lernens sowie Beispiele einer Aktiven Medienarbeit in Bildungsprozessen schulischer und außerschulischer Bildung. Die „Medienwerkstatt“ endet mit einer öffentlichen Präsentation der Ergebnisse sowie mit einer Reflexion im Plenum. Vgl. Reinhard NOLLE, Das Seminar Medienwerkstatt, FB Erziehungswissenschaft/Humanwissenschaften, Universität Kassel 1998, unveröffentlichtes Manuskript

58 Karin DEHNBOSTEL, Pädagogik-Technik-Ästhetik,in:Karin DEHNBOSTEL, Heinz HENGST u.a., Lernziel Praxis, KoPäd, München 1995, S.15

59 Karin DEHNBOSTEL,1995, a.a.O. S.15

60 vgl. Herbert GUDJONS, 1994, a.a.O. S.78

61 Herbert GUDJONS, 1994, a.a.O. S.78; KÜBLER gebraucht dafür den Begriff „didaktische Schleifen -, wenn man den Produktionsprozeß an geeigneten Stellen anhält und reflexive und analytische Aufgaben dazwischen schiebt.“ Hans Dieter KÜBLER, 1991, a.a.O. S.44

62 vgl. David BOHM, 1998, a.a.O. S.27

63 siehe Kap. 10, Möglichkeiten und Grenzen interkultureller Kommunikation

64 David BOHM, 1998, a.a.O. S.27

65 vgl. Heinrich DAUBER, Der Lehrer in der Schule der Zukunft: Coach oder Pädagoge, in: Heinrich DAUBER, Dietfrid KRAUSE-VILMAR(Hrsg.), Bad Heilbrunn 1998, a.a.O. S.32

66 „Personale Kompetenz“ ist die Fähigkeit der Person, sich selbst und andere realistisch wahrzunehmen, ihre Bedürfnisse und Interessen verantwortlich und adäquat zu regulieren und ihre Potentiale zu erhalten und zu entfalten. „Soziale Kompetenz“ setzt die personale voraus und ist die Fähigkeit der Person, komplexe soziale Situationen adäquat wahrzunehmen und auf sie angemessen zu reagieren. Sie schließt die Fähigkeit ein, soziale Situationen aufzubauen und in ihnen kooperativ zu handeln. vgl. Richtlinien über Ziele, Gestaltung und Organisation der Ausbildung im Vorbereitungsdienst für die Lehrämter an Hamburger Schulen. 24.Januar 1996, Behörde für Schule, Jugend und Berufsausbildung, Hamburg, S.6

67 vgl. Olaf-Axel BUROW, Gestaltpädagogik, Trainingskonzepte und Wirkungen. Ein Handbuch. Paderborn 1993.

68 vgl. Marvin R. WEISBORD, San Francisco 1992, a.a.O.

69 Olaf-Axel BUROW, Das Future-Search-Konzept: Ein Leitfaden zur Entdeckung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft meiner Praktikumsschule, in: Heinrich DAUBER, Dietfrid KRAUSE-VILMAR(Hrsg.), Bad Heilbrunn 1998, a.a.O. S.98