Magistraarbeit im Fach Mittlere und Neuere Geschichte Lebensgeschichte und literarisches Werk als Wechselbeziehung Zur Frage der Geschlechter in den Texten der Dichterin Christiana Mariana von Ziegler (1695-1760) Verfasserin: Susanne Schneider Dalwigkstraße 3 34130 Kassel Betreuerin: Prof. Dr. Heide Wunder Universität Gesamthochschule Kassel Fachbereich 5 Kassel, den 16. Mai 1997 Abb. 1 Inhalt 1. EINLEITUNG 5 1.1 FRAGESTELLUNG 5 1.2 MATERIALGRUNDLAGE 9 1.3 METHODISCHES VORGEHEN 10 1.4 FORSCHUNGSSTAND 12 2. DIE MORALISCHEN SENDSCHREIBEN: CHRISTIANA MARIANA VON ZIEGLER ALS SITTENLEHRERIN 19 2.1 BRIEFE ALS MORALISCHE SENDUNG 20 2.2 FORM UND AUFBAU DER SENDSCHREIBEN 26 DIE TEXTFORM 26 DER AUFBAU 30 2.3 DIE SENDSCHREIBEN DER CHRISTIANA MARIANA VON ZIEGLER 38 DIE ZENTRALEN BEGRIFFE 38 DIE THEMENKREISE 42 2.4 "ES KOMMT GANTZ OHNSTREITIG AUF DIE KINDERZUCHT DAS MEISTE AN": EXEMPLARISCHE ANALYSE DES THEMENKREISES ERZIEHUNG 50 DIE ELTERN 50 DIE ERZIEHUNG DER SÖHNE 53 DIE ERZIEHUNG DER TÖCHTER 56 3. CHRISTIANA MARIANA: LEBEN UND LEBENSERFAHRUNG 66 3.1 DIE TOCHTER 66 HERKUNFT: VATER UND MUTTER 67 DER ‘FALL’ DES VATERS ALS BÜRGERMEISTER (1705) 73 DIE FOLGEN FÜR DIE FAMILIE 77 3.2 DIE EHEN 84 3.3 LEBENSERFAHRUNG UND MORALISCHE SENDSCHREIBEN 87 ERFAHRUNGEN ALS TOCHTER UND RATSCHLÄGE ZUR ERZIEHUNG 87 ERFAHRUNGEN ALS EHEFRAU 90 4. DIE ZIEGLERIN 93 4.1 OFFENE UND VERFAßTE ZUSAMMENKÜNFTE DER GEHOBENEN STÄNDE 94 DER SALON ALS SITTENSCHULE 95 DIE DEUTSCHE GESELLSCHAFT 99 DIE VERKNÜPFUNG ZWISCHEN SALON UND DEUTSCHER GESELLSCHAFT 102 4.2 DIE DICHTERKRÖNUNG: POETA LAUREATA 106 4.3 DIE BEZIEHUNG ZWISCHEN ZIEGLER UND GOTTSCHED 112 5. ERGEBNISSE UND THESEN 118 6. QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS 125 6.1 SCHRIFTENVERZEICHNIS DER CHRISTIANA MARIANA VON ZIEGLER 125 6.2 UNGEDRUCKTE QUELLEN 125 6.3 GEDRUCKTE QUELLEN 127 6.4 LITERATUR 131 ANHANG 1. Einleitung 1. Einleitung 5 1.1 Fragestellung Ziel der Untersuchung ist die Analyse der Wechselbeziehungen zwischen Lebens- geschichte und literarischem Werk bei Christiana Mariana von Ziegler. Als besonders begabte und gelehrte Frau nahm sie eine exponierte Stellung ein, mit der sie bei ihren Zeitgenossen sowohl Bewunderung als auch Ablehnung hervorrief. Sie war nicht nur ‘im Stillen’ dichterisch tätig, sondern beteiligte sich durch die Veröffentlichung ihrer Texte an den gelehrten Diskursen ihrer Zeit, ihre Gedichtbände wurden in verschie- denen Zeitungen rezensiert und hoch gelobt. Darüber hinaus war sie Initiatorin und Mittelpunkt eines literarischen Salons in ihrer Geburtsstadt Leipzig. Ihre Person bietet sich an, den Zusammenhang von Leben und Werk einer Frau aus dem gelehrten Bürgertum des frühen 18. Jahrhunderts aus sozialgeschichtlicher Perspektive zu ermitteln. Die Untersuchung geht über bisherige Fragestellungen anderer Disziplinen hinaus. Die literaturwissenschaftliche Forschung stellt in der Regel das Werk in den Mittelpunkt und benutzt den zeitgenössischen Kontext eher im allgemein kulturgeschichtlichen denn im sozialgeschichtlichen Sinn.1 Geschichtliche Aspekte werden dabei mittelbar berück- sichtigt, um zu erkennen, in welchem gesellschaftlichen Rahmen ein Text entstanden ist, wie sich dieser im Text niederschlägt und auf welche Weise das literarische Arbeiten der Dichterpersönlichkeit beeinflußt wird. In literaturwissenschaftlichen Ar- beiten mit geschlechtergeschichtlichem Blick geht es entweder um eine ästhetische Wertung der Literatur von Frauen oder um ‘weibliches Schreiben’ als spezifische Äußerungsform.2 Dabei wird häufig eine Einordnung von Dichterin und Werk aus der Perspektive des Emanzipationsbegriffs der modernen Frauenbewegung vorgenommen. 1 Vgl. dazu Müller, Jan-Dirk: Die hovezuht und ihr Preis. Zum Problem höfischer Verhaltensregu- lierung in Ps.-Konrads ‘Halber Birne’, in: Jahrbuch der Oswald von Wolkenstein Gesellschaft, Bd. 3, (1986), S. 281-311, der auf die Problematik der Verwendung zur Erschließung mittelalterlicher Texte für die Realienkunde hinweist. Vgl. dazu auch das Kapitel ‘Literatur und Biographie’ in Wellek, Renè/Warren, Austin: Theorie der Literatur, Frankfurt am Main und Berlin 1969, S. 60-66. 2 Brinker-Gabler fordert dagegen die "Variationsbreite und die Gebrauchssituationen von Literatur" zu berücksichtigen. Sie will untersuchen, inwieweit Frauen an "historischen Verständigungsprozessen" beteiligt waren, und welche "Möglichkeiten bzw. welche Grenzen ihnen zur Verständigung und Selbstverständigung" gegeben waren. Brinker-Gabler, Gisela: Einleitung, in: Deutsche Literatur von Frauen, Bd. 1: Vom Mittelalter bis zum Ende des 18. Jahrhundert, hg. von Gisela Brinker-Gabler, München 1988, S. 11-36, hier S. 14. 1. Einleitung 6 Geschichtswissenschaftliche Arbeiten aus der Perspektive der Frauen- und Geschlechtergeschichte, die sich mit herausragenden Frauen beschäftigen, sind von dem Interesse geleitet, das Handeln von aus ihrer Sicht fortschrittlichen und ‘kämpferischen’ Frauen oder auch solchen, die zum Beziehungsnetz herausragender Männer gehörten, zu erforschen.3 Diskursanalytische Studien setzen den Schwerpunkt auf normative Konzepte von Geschlechterrollen, ohne deren soziale Kontexte im einzelnen einzu- beziehen. Während diese Ansätze jeweils das Werk oder das Leben der Protagonistin in den Blick nehmen, gewichtet die vorliegende Untersuchung Werk und Lebensverlauf in gleichem Maße. Darüber hinaus wird eine Verknüpfung vorgenommen, die bisher weder von geschichtswissenschaftlichen noch literaturwissenschaftlichen Arbeiten geleistet wurde: Um die Ziele und Intentionen der Autorin, ihr Menschenbild und ihre Vorstellungen von der ‘menschlichen Gesellschaft’ erfassen zu können, untersuche ich nicht nur die Struktur und den Aufbau ihres literarischen Werkes. Vielmehr begreife ich das Werk der Dichterin als geschichtswissenschaftliche Quelle, die ich unter sozialgeschichtlichen Fragestellungen anstelle ästhetischer und literaturtheoretischer Kriterien analysiere.4 Auf diese Weise soll sowohl überprüft werden, ob das Werk lebensgeschichtliche Rückschlüsse zuläßt, als auch inwieweit lebensgeschichtliche Erfahrung und soziale Position das Themenspektrum und die Aussagen des Werks beeinflußt haben. Hierbei lege ich einen erweiterten Werkbegriff zugrunde, in dem das Werk nicht auf die produ- zierten Texte begrenzt, sondern - soweit faßbar - das zielgerichtete soziale und kul- turelle Wirken der Dichterin insgesamt einbezogen wird. Unter Wirken in diesem Sinne wird die Ausrichtung auf die bewußte Gestaltung gesellschaftlicher Verhältnisse in der Setzung neuer Normen und Werte verstanden.5 Aus dem Spektrum ihres Werkes 3 Siehe dazu Röckelein, Hedwig: Historische Frauenforschung. Ein Literaturbericht zur Geschichte des Mittelalters, in: Historische Zeitschrift 255 (1992), S. 377-409; Habermas, Rebecca: Geschlechter- geschichte und "anthropology of gender". Geschichte einer Begegnung: Ein Literaturbericht, in: Historische Anthropologie 1 (1993), S. 485-509. 4 Es ist keine literaturgeschichtliche Einordnung des Werkes beabsichtigt. Diese ist auch von Seiten der Literaturwissenschaft erst in Ansätzen erfolgt. Vgl. Heuser, Magdalene: Das Musenchor mit neuer Ehre zieren. Schriftstellerinnen zur Zeit der Frühaufklärung, in: Deutsche Literatur von Frauen, Bd. 1: Vom Mittelalter bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, hg. v. Gisela Brinker-Gabler, München 1988, S. 293-313. 5 Mein Werkbegriff stützt sich auf den erweiterten Literaturbegriff von Brinker-Gabler, wird aber um das soziale Handeln der Dichterpersönlichkeit erweitert. Brinker-Gabler geht von einem Literatur- begriff aus, der sich weder auf Literatur als ästhetisches Kunstwerk noch auf ‘weibliches Schreiben’ beschränkt, sondern Literatur als Prozeß betrachtet, der durch wechselnde Kommunikationsräume und 1. Einleitung 7 werden ihre Sendschreiben ausgewählt. Sie erscheinen für dieses Vorhaben besonders ergiebig, weil in diesen Texten der Bezug zur Lebenswirklichkeit am konkretesten ist.6 Bei der Erarbeitung der Lebensgeschichte Christiana Mariana von Zieglers soll deren Einbindung in familiale und gesellschaftliche Rahmenbedingungen und Handlungs- und Kommunikationszusammenhänge ermittelt werden, was über die Rekonstruktion aneinandergereihter Lebensdaten und Ereignisse hinausgeht.7 Dazu gehört zum einen die Verknüpfung der Biographie Zieglers mit den Lebensverläufen verschiedener für sie wichtiger Personen. Eine auf diese Weise verdichtete Lebensgeschichte kann Aufschluß darüber geben, welche Ereignisse, Begegnungen oder andere Konstellationen dem Leben der Dichterin seine spezifische Richtung gaben, also indirekt die Ausprägung ihres Werkes und ihr kulturelles Wirken beeinflußten. Zum anderen rekonstruiere ich ihre zentralen sozialen Beziehungen. Bei den familialen und freundschaftlichen Beziehungen gehe ich von keiner Hierarchie aus, sondern betrachte diese als gleichwertig. Um vor allem die Interaktion Zieglers mit ihrem sozialen Umfeld in die Untersuchung einbeziehen zu können, nehme ich ihre Kommunikationssysteme in den Blick. Darunter verstehe ich gesellschaftliche Gruppen mit gemeinschaftlichen Interes- sen, Aufgaben und Interaktionsmustern wie z.B. familiale Netze, literarische Salons oder herausragende Bezugspersonen wie Johann Christoph Gottsched.8 Kommunikationsweisen bestimmt ist. Brinker-Gabler, Einleitung, S. 14f. Dabei handelt es sich aber immer noch um eine Beschränkung auf die schriftliche Produktion. 6 Im Gegensatz zu ihrem dichterischen Werk ist bei den Sendschreiben für die geschichtswissenschaft- liche Analyse kein "poetisches Sprechen" zu entschlüsseln. s. dazu Liebertz-Grün, Ursula: Ordnung im Chaos. Studien zur Poetik der Bettine Brentano-von Arnim, Heidelberg 1989, S. 3. 7 Damit wird berücksichtigt "wie der Mensch in ständiger Auseinandersetzung mit den je besonderen Bedingungen seines Lebens [...] sein eigenes, unverwechselbares Wesen oder seine Identität hervor- bringt und im Wechsel der Rollen, die er im sozialen Kontext des Lebens zu spielen genötigt ist, be- wahrt und neu bestimmt. Aus dem was dem einzelnen Menschen im Verlauf seines Lebens widerfährt aus dessen Handlungen und Begegnungen mit anderen entsteht seine Lebensgeschichte." Maurer, Friedemann: Lebensgeschichte und Identität, in: Lebensgeschichte und Identität. Beiträge zu einer biographischen Anthropologie, hg. v. dems. Frankfurt am Main 1981, S. 105-133, hier S. 8 8 Ich lehne mich zwar an das von Ceranski entwickelte Sphären-Konzept an. Ceranski, Beate: "Und sie fürchtet sich vor niemanden." Die Physikerin Laura Bassi (1711-1778), Frankfurt am Main / New York 1996, S. 14. Ceranski engt den Sphärenbegriff jedoch auf Gruppenbildungen ein, die auf gelehrter Freundschaft basieren. Damit ist der Bezugspunkt immer die Wissenschaft. Das von mir verwendete Konzept der Kommunikationssysteme bezieht dagegen vielfältige Formen der Ver- trautheit und Verbindlichkeit mit ein. 1. Einleitung 8 Aufgrund dieser Vorüberlegungen ist die Untersuchung gegliedert in die Analyse und Interpretation des literarischen Werks (1), dessen Verknüpfung mit der Lebens- geschichte (2) und der Umsetzung daraus resultierender ethisch-moralischer Werte in die Lebenswirklichkeit der Gelehrtengesellschaft und des literarischen Salons (3). 1. Aus dem literarischen Werk soll das Menschenbild Christiana Mariana von Zieglers herausgearbeitet werden, ihr Frauen- und Männerbild und ihre Vorstellungen vom Verhältnis der Geschlechter zueinander. Es soll danach gefragt werden, auf welche Weise Ziegler geschlechtsbezogene Themen aufgreift und diskutiert und inwiefern sich daraus für die geschichtswissenschaftliche Analyse reale Möglichkeiten und Begren- zungen von Frauen und Männern der gehobenen Stände ihrer Zeit ableiten lassen.9 Die Motivation und die Zielsetzung der Dichterin für das Schreiben und das Veröffentlichen der Sendschreiben sollen herausgearbeitet werden. Sendschreiben als Textform werden begrifflich diskutiert, zeitgenössisch verortet und nach den Vorbildern der Ziegler für diese Textform gefragt. Für die qualitative Auswertung der Sendschreiben werden zentrale Begriffe und Themenkreise herausgearbeitet. An einem exemplarischen Themenkreis soll dann aufgezeigt werden, wie die Autorin die Begriffe füllt. 2. In einem weiteren Schritt sollen die familialen Beziehungen Zieglers sichtbar ge- macht und ihre Familie im sozialen Gefüge der Stadt Leipzig verortet werden. Die Handels- und Universitätsstadt Leipzig war ihr zentraler Lebensort. Es stellt sich daher die Frage, in welcher Weise das kulturelle und literarische Milieu dieser Stadt an der Wende zum 18. Jahrhundert das Leben der Dichterin prägte. Einen Schwerpunkt dieses Abschnittes wird die Lebensgeschichte von Franz Conrad Romanus, dem Vater Zieglers, bilden. Über die lebensgeschichtliche Rekonstruktion hinaus werden konkrete Verknüpfungen zwischen Werk und Leben ermittelt. 3. In diesem Untersuchungsabschnitt sollen die außerfamilialen sozialen Beziehungen Zieglers und ihre Vernetzung mit der gelehrten Welt Leipzigs erarbeitet und nach dem Handlungsrahmen und Strategien der Ziegler in ihrer zweiten Witwenzeit gefragt werden. Dabei ist herauszuarbeiten, ob sie sich mit ihrem - für Deutschland frühen - literarischen Salon in Leipzig an französischen Vorbildern orientierte und welches ihre persönlichen Gestaltungsanteile waren. Besondere Berücksichtigung findet dabei 9 Vgl. auch Ceranski, S. 13. 1. Einleitung 9 Zieglers Platz als Frau ihrer Zeit im Geschlechtergefüge der gelehrten Gesellschaft und ihre Anteile an deren Praxis. Dabei ist zugleich - über die Person der Dichterin hinaus - beabsichtigt, den Einfluß der philosophischen Gedanken der deutschen Frühauf- klärung10 in der "formativen Phase des Bürgertums" auf ihre Konzepte zu ermitteln.11 1.2 Materialgrundlage Den Untersuchungsfeldern Lebensgeschichte und literarisches Werk entsprechen un- terschiedliche Quellen. Von Ziegler sind keine Selbstzeugnisse überliefert. Die Rekonstruktion ihrer Lebensgeschichte konnte aber auch nicht allein auf Angaben in der Forschungsliteratur basieren. Um die Angaben zu Personen und Ehen zu vervollständigen wurden von mir einerseits biographische Angaben in ihrem Werk auf- gespürt, andererseits anhand von Leipziger Tauf-, Trau- und Ratsleichenbüchern und den Beständen weiterer Pfarrarchive ermittelt. Für die Erarbeitung der Sachverhalte, die zur Verhaftung des Vaters führten, wurden neben der einschlägigen Fachliteratur auch Akten des Dresdner Haupt- und Staatsarchivs benutzt. Ergänzend dazu habe ich die Leipziger Universitätsmatrikel sowie Akten aus der Leipziger Stadtverwaltung wie Bürgerbuch, Schossbücher, Tutorienbuch, Akten die Ratswahl betreffend und das Hauptbuch zum Opfer- und Wächtergelde herangezogen. Ein Nachlaß Zieglers konnte nicht ermittelt werden. Dagegen konnten die Briefe der Dichterin an den Hallenser Professor der deutschen Beredsamkeit Johann Ernst Philippi für die Ermittlung personaler Netze und die Verdichtung ihrer Lebensdaten herangezogen werden.12 Zentraler Korpus der Untersuchung des Werkes der Ziegler sind die 1731 veröffent- lichten "Moralischen Sendschreiben", die ich in Einzelfragen durch Texte aus den 1728/29 veröffentlichten "Versuch in gebundener Schreibart" und den 1739 ver- öffentlichten "Vermischte(n) Schriften in gebundener und ungebundener Rede" ergänze. Bei der Einordnung in die vergleichbare zeitgenössische Literatur und in den sozial- und begriffsgeschichtlichen Referenzrahmen der Zeit stütze ich mich überwiegend auf gedruckte Quellen. 10 In ihrem Leipziger Umfeld arbeitete zeitgenössisch z.B. Christian Thomasius. 11 Maurer, Michael: Die Biographie des Bürgers. Lebensformen und Denkweisen in der formativen Phase des deutschen Bürgertums (1680-1815), Göttingen 1996. 12 Dreßler, I. Friedr.: Philippi’s geheimer Briefwechsel. Liskov’s Schatten zugeeignet. In: Beyträge zur Belehrung und Unterhaltung in vermischten Aufsätzen herausgegeben von J.C. Giesecken. Zweites Bändchen, Wittenberg 1791, S. 40-102. 1. Einleitung 10 1.3 Methodisches Vorgehen Die verschiedenen Abschnitte der Untersuchung erfordern jeweils eigene Methoden. Das Werk der Dichterin wird mit den Methoden der Literaturwissenschaft, besonders der Texthermeneutik, auf Äußerungen zu ihrem sozialen Hintergrund, auf ihre Ziele und die Funktion des Textes hin untersucht.13 Da es sich bei Texten um Stilisierungen von Realitäten handelt, muß hier besonders kritisch vorgegangen und der Realitätsgehalt der Aussagen überprüft, also eine Quellenkritik im geschichtswissenschaftlichen Sinne vorgenommen werden. Mit Hilfe der Strukturanalyse soll das Werk auf seine konstituierenden Bestandteile untersucht und diese in einem zweiten Schritt zueinander in Beziehung gesetzt werden. Struktur und Themenschwerpunkte der Sendschreiben sind systematisch zu erfassen und auszuwerten.14 Ziel dieser quantifizierenden, EDV- gestützten Auswertung ist es u.a., die Adressaten der Sendschreiben nach Geschlecht und Stand zu unterscheiden, und Häufungen festzustellen. Im Rahmen der Unter- suchung der thematischen Schwerpunkte werden zentrale Begriffe herausgearbeitet und Kategorien entwickelt.15 Die Erarbeitung des Lebensverlaufs der Dichterin erfolgt mit den Methoden der Biographieforschung. Die traditionelle Biographieforschung16 hat einen ereignisge- schichtlichen Ansatz, indem sie vor allem familiale Daten und solche, die sich auf die Karriere einer Person beziehen, erarbeitet, während die neuere Biographieforschung das Konzept der kontextuellen Biographie17 verwendet. Bei dem ereignisgeschichtlichen Ansatz bleibt die Bedeutung des sozialen Beziehungsgeflechts und seine Auswirkungen 13 Hier beziehe ich mich auf den Ansatz Diltheys, wie er bei Rüdiger beschrieben ist: "Diese Kunstlehre des Verstehens schriftlich fixierter Lebensäußerungen nennen wir Hermeneutik". Rüdiger, Horst: Zwischen Interpretation und Geistesgeschichte, in: Methodenfragen der deutschen Literaturwissen- schaft, hg. v. Reinhold Grimm u. Jost Hermand, Darmstadt 1973, S. 101-125, hier S. 104. 14 Dazu grundsätzlich aus feministischer Perspektive Becker-Cantarino: "Gegenüber dem Rekon- struktionsanspruch von vergangener ‘Realität’ in der Geschichtswissenschaft stehen in der Literaturwissenschaft neben der philologischen Edition der Texte und der Aufarbeitung von Biographien und sozialhistorischem Kontext zunehmend die komplexe Bilderwelt der Texte, die ‘imaginierte Weiblichkeit’, und das vielschichtige und umstrittene Verstehen der Texte" im Zentrum der Forschung. Becker-Cantarino, Barbara: ‘Dames de Lettres’ und die ‘Ordnung der Geschlechter’. Neue Forschung zu Frauen und Geschlecht in der Frühen Neuzeit, in: Daphnis. Zeitschrift für Mittlere Deutsche Literatur, Bd. 23 (1994), S. 469-481, hier S. 471f. 15 Für quantitative und qualitative Auswertungen wurde eine Datenbank mit Hilfe des Datenbanksys- tems KLEIO erstellt. 16 Die traditionelle Biographik versteht das Individuum als autonomes Subjekt. Gestrich, Andreas: Einleitung: Sozialhistorische Biographieforschung, in: Biographie - sozialgeschichtlich. Sieben Beiträge, hg. v. Andreas Gestrich / Peter Knoch / Helga Merkel, Göttingen 1988, S. 5-28, hier S. 14. 17 Die kontextuelle Biographik hat ihren Schwerpunkt auf den zeitgenössischen Entwicklungen, die für das Verständnis einer Biographie von Belang sind. Ceranski, S. 12. 1. Einleitung 11 auf Leben und Werk der zu untersuchenden Person weitgehend unberücksichtigt. Die kontextuelle Biographie hat ihren Schwerpunkt auf eben diesen Beziehungsnetzen, ohne jedoch die Wirkung von elementaren Lebensereignissen wie Geburt, Heirat und Tod zu beachten. Meiner Untersuchung soll daher das Konzept sozialgeschichtlicher Biogra- phieforschung zugrunde gelegt werden, in dem beide Ansätze vertreten sind.18 Darüber hinaus habe ich mit Hilfe der geschichtswissenschaftlichen Hermeneutik Aussagen zu Zieglers Leben aus ihren Texten ermittelt. Dabei geht es mir nicht wie in der Biographik um eine vollständige Rekonstruktion des Lebensverlaufes, sondern um die Aufarbeitung für die Fragestellung notwendiger Lebensereignisse.19 Zur Rekonstruktion der sozialen Verortung der Dichterin in ihren vielfältigen Beziehungsnetzen wurden die Strukturen der personalen Vernetzungen der Dichterin mit ihren Bekanntschaftskreisen (Verwandte, Freunde, Förderer, Briefpartner etc.) erkennbar gemacht. Auch dieser Arbeitsschritt erfolgte EDV-gestützt.20 Die Analyse des literarischen Werkes wie die Erarbeitung des Lebensverlaufes der Dichterin legen den Grund für die Untersuchung der Wechselbeziehung von Leben und Werk. Die Beziehungen zwischen Leben und Werk sollen mit Hilfe der Historischen Methode im Sinne Rüsens aufgezeigt werden.21 Es wird davon ausgegangen, daß Norm und Realität nicht deckungsgleich sind, aber in einer Wechselbeziehung zueinander stehen, da literarische Produktion in konkreten politischen, sozialen, ökonomischen und ästhetischen Situationen entsteht.22 Dabei sollen besonders die strukturellen Bedingun- gen, die sowohl im Status als auch in den personellen Bindungen der Dichterin bestehen, berücksichtigt werden. 18 Zur sozialgeschichtlichen Biographik vgl. Gestrich; Zu der Hauptquellengruppe der Biographik Schulze, Winfried: Ego-Dokumente: Annäherung an den Menschen in der Geschichte? Vor- überlegungen für die Tagung "Ego-Dokumente", in: Ego-Dokumente: Annäherung an den Menschen in der Geschichte, hg. v. Winfried Schulze, Berlin 1996, S. 11-30. 19 Zu Methoden der Biographik vgl. Gestrich. 20 Wichtige Anregungen hierfür konnte ich der im Forschungsprojekt "Konfession, Religiosität und politisches Handeln von Frauen vom ausgehenden 16. bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts" gefördert von der VW-Stiftung, Universität Gesamthochschule Kassel, FB 05 entwickelten ‘Personendaten- bank’ entnehmen. 21 Historische Methode wird hier im Sinne Jörn Rüsens verstanden. Nach Rüsen verläuft die historische Forschung in dreifacher Weise: Mit Hilfe der Hermeneutik werden Zeitverläufe "nach Gesichts- punkten von Sinnzusammenhängen", die aus den Absichten der Beteiligten folgen, rekonstruiert. Die Analytik rekonstruiert Zeitverläufe "nach Gesichtspunkten von Wirkungszusammenhängen, die aus strukturellen Bedingungen folgen" unter denen gehandelt wird. Anschließend wird dialektisch das Wechselverhältnis zwischen "Absichten und strukturellen Bedingungen" zu komplexen Zusammen- hängen vermittelt. Rüsen, Jörn: Historische Methode, in: Historische Methode, hg. v. Christian Meier / Jörn Rüsen, München 1988 (=Theorie der Geschichte, Beiträge zur Historik; 5), S. 62-80. 22 Schulte-Sasse, Jochen: Literarische Struktur und historisch-sozialer Kontext. Zum Beispiel Lessings "Emilia Galotti", Paderborn 1975, S. 14. 1. Einleitung 12 Die Untersuchung des Verhältnisses zwischen Ziegler und Gottsched wirft wegen der fehlenden Schriftzeugnisse ein methodisches Problem auf, das von mir durch die genaue Ermittlung der Chronologie der Ereignisse in Leben und Werk gelöst wurde. Insbesondere die Transformation zahlreicher unterschiedlicher Daten in eine Grafik zur Visualisierung der Verknüpfung ihrer Lebensläufe ermöglicht es, die Qualität und Ver- änderung der Beziehung zu ermitteln. 1.4 Forschungsstand Diese Arbeit berührt Forschungen zur Sozialgeschichte, Geschlechtergeschichte, Histo- rischen Frauenforschung, Biographik, Kulturgeschichte, Musikgeschichte und zur Literaturwissenschaft.23 Zu Person und Werk der Christiana Mariana von Ziegler gibt es bisher keine grundlegenden sozial- oder geschlechtergeschichtlichen Untersuchungen. Da von Ziegler kaum Selbstzeugnisse wie Briefe o.ä. überliefert sind, wurde sie von der an Frauenforschung interessierten Biographieforschung bisher nicht berücksichtigt. Teilaspekte zum Werk und der Person Zieglers werden in kleineren Arbeiten der jeweiligen Disziplinen behandelt. In einer Studie aus erziehungswissenschaftlicher Perspektive werden Zieglers Ansichten zur Mädchenerziehung in einem Abschnitt dargelegt.24 In einem neueren Standardwerk zur Bildungsgeschichte wird sie hingegen lediglich erwähnt.25 Literaturwissenschaft- liche Untersuchungen aus dem 19. Jahrhundert behandeln die Ziegler in Verbindung mit 23 Die Philosophiegeschichte wählt meist einen biographischen Ansatz und beschäftigt sich ausgehend von den "großen Denkern" Leibniz, Thomasius, Wolff und Kant fast ausschließlich mit deren Werken und Schulen, ohne die philosophischen Probleme und Leistungen der Epoche ausreichend zu berück- sichtigen. Daher können aus dieser Disziplin kaum Anregungen für die vorliegende Untersuchung entnommen werden. Bödeker, Hans Erich: Von der "Magd der Theologie" zur "Leitwissenschaft". Vorüberlegungen zu einer Geschichte der Philosophie des 18. Jahrhunderts, in: Das Achtzehnte Jahrhundert. Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für die Erforschung des 18. Jahrhunderts, Jg. 14, Heft 1: Popularphilosophie im 18. Jahrhundert, Wolfenbüttel 1990, S. 19-57, hier S. 19f. 24 Brokmann-Nooren, Christiana: Weibliche Bildung im 18. Jahrhundert. "gelehrtes Frauenzimmer" und "gefällige Gattin", Oldenburg 1994, S. 212-222. Diese Studie aus feministischer Sicht hat mehr beschreibenden Charakter und stützt sich auf eine schmale Materialbasis. 25 Niemeyer, Beatrix: Ausschluss oder Ausgrenzung? Frauen im Umkreis der Universitäten im 18. Jahrhundert, in: Geschichte der Mädchen- und Frauenbildung, Bd. 1: Vom Mittelalter bis zur Aufklärung, hg. v. Elke Kleinau / Claudia Opitz, Frankfurt am Main / New York 1996, S. 275-294, hier S. 280, 282f., 293, in Zusammenhang mit ihren Vorstellungen über Mädchenerziehung u. Niemeyer, Beatrix: Der Brief als weibliches Bildungsmedium im 18. Jahrhundert, in: ebd., S. 440- 452, hier S. 449, mit den Sendschreiben. 1. Einleitung 13 Gottsched. Dabei handelt es sich um überwiegend deskriptive Arbeiten, die die wich- tigsten Ereignisse ihres Lebens aufzählen und ihr Werk nur erwähnen.26 Eine umfassende Literaturgeschichte aus geschlechtergeschichtlicher Perspektive steht noch aus. Überblickhafte Darstellungen zeigen die Vielzahl von Dichterinnen in ihren Unterschieden und Gemeinsamkeiten und behandeln zwar die einzelnen Epochen unter verschiedenen Aspekten, doch es stehen fast ausschließlich bereits bekannte heraus- ragende Frauen im Zentrum der Analysen. Durch den biographischen Ansatz dieser Arbeiten kann der Anteil von Frauen und ihre Bedeutung für die Literaturgeschichte nicht ausreichend erfaßt werden.27 26 Eine Ausnahme ist Waniek, Gustav: Gottsched und die deutsche Literatur seiner Zeit, Leipzig 1897, S. 235-261, der in Ansätzen die Beziehung zwischen dem Ehepaar Gottsched und Ziegler analysiert. Bei Waniek ist das Anfangsjahr von Zieglers zweiter Witwenschaft mit 1731 falsch angegeben. Dieses Datum findet sich ebenso wie die falsche Angabe des Todesjahres mit 1752 auch in anderen Publikationen, die sich im allgemeinen auf Meusels Lexikon berufen; Dessen Angaben sind dem Artikel "Deutschlands Dichterinnen", abgedruckt in Wielands "Neuen Teutschen Merkur" entnom- men. Wolff, Eugen: Gottscheds Stellung im deutschen Bildungsleben, Bd. 2, Kiel / Leipzig 1897, S. 116-119 u. 156-174, geht recht ausführlich auf die Ereignisse um Zieglers Vater ein. Die Vorgänge um Christiana Mariana von Ziegler beschreibt er sehr detailliert und kenntnisreich. Eine breite überblickhafte Darstellung liefert Hanstein, Adalbert: Die Frauen in der Geschichte des deutschen Geistesleben des 18. und 19. Jahrhunderts, 2 Bde., Leipzig 1899-1900, S. 91-99 u. S. 130-139. Dabei handelt er Ziegler ausgehend von Gottsched ab. Er spricht von den "Genossinnen Gottscheds". Während es sich bei den Arbeiten von Waniek und Wolff um Biographien Gottscheds handelt, be- schäftigt sich Hanstein mit der Geschichte der Frauen im deutschen Geistesleben. Eine neuere Arbeit zu Gottsched, die sich auch mit seinem Leben beschäftigt, erwähnt Ziegler lediglich als Ehefrau ihres dritten Ehemannes Wolf Balthasar Adolf von Steinwehr. Mitchell, Philipp Marshall: Johann Christoph Gottsched (1700-1766). Harbinger of German Classicism, Columbia 1995, S. 26. Erwähnt wird Ziegler auch mit ihren Beiträgen in den "Vernünftigen Tadlerinnen". Krull, Edith: Das Wirken der Frau im frühen deutschen Zeitschriftenwesen, Diss. Charlottenburg 1939, S. 18-22; Lachmanski, Hugo: Die deutschen Frauenzeitschriften des 18. Jahrhunderts, Diss. Berlin 1900, S. 18. In diesem Zusammenhang werden auch ihre dort verwandten Pseudonyme behandelt. Besonders dazu Krull, S. 18-20; Wolff, S. 116-119. In dem Standardwerk von Martens, Wolfgang: Die Botschaft der Tugend. Die Aufklärung im Spiegel der deutschen Moralischen Wochenschriften, Stuttgart 1968, zu Moralischen Wochenschriften, welches auch ausführlich die "Die Vernünftigen Tadlerinnen" behandelt, wird Ziegler nicht erwähnt. 27 Gnüg, Hiltrud / Möhrmann, Renate (Hg.): Frauen Literatur Geschichte. Schreibende Frauen vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Stuttgart 1985 gibt einen Überblick über die Frauenliteratur verschiedener Nationalliteraturen. Einen sehr nützlichen Überblick, gibt ein Sammelband, in dem jedem Kapitel eine Einleitung vorangestellt ist. Allerdings werden auch hier nur wieder ‘herausra- genden’ Frauen beispielhaft abgehandelt. Brinker-Gabler, Gisela (Hg.): Deutsche Literatur von Frauen, Bd. 1: Vom Mittelalter bis zum Ende des 18. Jahrhundert, München 1988; Grundsätzlich dazu auch Becker-Cantarino, Barbara: Der lange Weg zur Mündigkeit. Frau und Literatur (1500-1800), Stuttgart 1987. 1. Einleitung 14 In der Literaturwissenschaft, die sich mit dem 18. Jahrhundert beschäftigt, liegt der For- schungsschwerpunkt auf der Klassik und der Aufklärung in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Die Frühaufklärung wird zwar zum Teil berücksichtigt, eigenständige Untersuchungen stehen allerdings noch aus.28 Für die geschichtswissenschaftliche Untersuchung entsteht ein Problem daraus, daß die Literaturwissenschaft und die Philo- sophiegeschichte unterschiedliche Periodisierungen vornehmen. Während literaturwis- senschaftliche Untersuchungen zur Frühaufklärung die Literatur des Spätbarock zum Gegenstand haben29, faßt die Philosophiegeschichte mit Frühaufklärung auch die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts. Ziegler wird keiner dieser Einteilungen zugeordnet: Für die literaturwissenschaftliche Periodisierung entstanden ihre Werke zu spät, die philoso- phiegeschichtliche Forschung nimmt sie nicht zur Kenntnis. Eine neuere Arbeit ordnet die Ziegler - ausgehend von einigen Gedichten - aus sozial- und geschlechtergeschichtlicher Perspektive der Querelle des Femmes zu.30 Mit dem Ziel, die Gedichte Zieglers literaturhistorisch einzuordnen, werden ansatzweise die Weiblichkeitsbilder der Ziegler analysiert und interpretiert. Die Grundlage für diese Untersuchung bildet jedoch nur ein einzelnes biographisches Gedicht, das von der Autorin nicht in das Gesamtwerk eingeordnet wird.31 28 Zwei Überblicksdarstellungen versuchen jedoch diesem Mangel abzuhelfen. Glaser; Hanser. Besonders Hanser bezieht detailliert und kenntnisreich die Frühaufklärung mit ein. 29 Den Anteil von Frauen am literarischen Leben der Frühaufklärung dokumentieren die zeitge- nössischen Frauenzimmerlexika, z.B. Ebertis "Cabinett des gelehrten Frauenzimmers". Die Er- schließung der Werke von Dichterinnen aus dem Barock leistet Fürstenwald/Woods. 30 Wunder, Heide: „Das andere Geschlecht“. Geschlechterperspektiven in der Frühen Neuzeit, in: Geschichte und historisches Lernen. Jochen Huhn zum 65. Geburtstag, hg. v. Gerhard Henke- Bockschatz, Kassel 1995, S. 229-245. 31 Simon, Sunka: „Als sie ihr Bildnis schildern sollte“. Die sprachliche Struktur der Innen- und Außenporträts in der Lyrik Christiana Mariana von Zieglers, in: Daphnis. Zeitschrift für Mittlere Deutsche Literatur, Bd. 19, H. 2 (1990), S. 247-265, hier S. 248-265. Es handelt sich dabei um das Gedicht „Als sie ihr Bildnis schildern sollte“. Dabei benutzt sie die in Ziegler, Christiana Mariana: Vermischte Schriften in gebundener und ungebundener Rede, Göttingen 1739, S. 293-294 veröffentlichte Fassung. Die erweiterte Variante aus Zieglers Briefwechsel, abgedruckt in Dreßler, S. 50f. ist ihr offenbar nicht bekannt. 1. Einleitung 15 Unter literaturästhetischen und emanzipatorischen Kriterien behandelt die feministische Literaturwissenschaftlerin Silvia Bovenschen das Werk Zieglers.32 Frauen werden von ihr als "Ausgeschlossene" bezeichnet, die auf Freiräume angewiesen sind, in denen sie kulturell agieren können.33 Aus diesem Kontext heraus kommt sie zu einer sehr negativen Einschätzung von Zieglers Werk, welches sie in bezug auf Frauen- emanzipation als "seichten Kompromiß"34 bezeichnet.35 Feministische Arbeiten aus den 80er Jahren stellen die Literaturtradition von Frauen in den Mittelpunkt, erarbeiten aber auch ansatzweise den sozialgeschichtlichen Rahmen. So benutzt die Literaturwissen- schaftlerin Barbara Becker-Cantarino literarische Texte als sozialgeschichtliche, allerdings überwiegt in ihrer Untersuchung der deskriptive Teil.36 Schwerpunkt einer weiteren Arbeit bildet das Werk Zieglers, in dem zwar die soziale Stellung der Dichterin berücksichtigt wird, die persönlichkeitsprägenden Ereignisse in deren Leben hingegen vernachlässigt werden.37 32 Obwohl diese Studie vor 18 Jahren veröffentlicht wurde, zählt sie immer noch zu den Standardwerken und gilt nicht als überholt. Bovenschen. 33 Bovenschen, S. 261. 34 Bovenschen, S. 133. 35 Bovenschen steht damit in der Tradition der "Unterdrückungsgeschichte". Dieser Untersuchungs- ansatz wurde jedoch inzwischen von neueren Forschungen weitestgehend abgelöst. Bovenschen, S. 129-134, Habermas bietet in ihrem Literaturbericht einen Überblick über die Entstehung der Ge- schlechtergeschichte und geht auch auf die ‘Unterdrückungsgeschichte’ ein. Habermas, Geschlechter- geschichte. 36 Darüber hinaus behandelt Becker-Cantarino Ziegler im Zusammenhang mit Gottsched und seinem Bildungsprogramm und legt ihren Schwerpunkt auf die Beziehung der beiden. Becker-Cantarino, Der lange Weg zur Mündigkeit, S. 261-266. Eine weitere Arbeit zu Ziegler bringt einen kurzen Abriß ihrer Lebensgeschichte und einige Gedichte. Brinker-Gabler, Gisela (Hg): Deutsche Dichterinnen vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Gedichte und Lebensläufe, Frankfurt am Main 1978, S. 112-119. 37 Heuser, Musenchor, S. 295-302. 1. Einleitung 16 Literaturwissenschaftliche Studien zu literarischen Salons beschäftigen sich in erster Linie mit den französischen ‘Salonieres’ des 17. oder mit den deutschen jüdischen Salons in Berlin zu Beginn des 19. Jahrhunderts.38 Eine grundlegende Untersuchung stellt französische Salons in den Mittelpunkt und behandelt deren Tradition.39 Die Salongeselligkeit im frühen 18. Jahrhundert in Deutschland ist bisher kaum erforscht und Studien zu einzelnen Salons fehlen bisher.40 So wird zwar der Zieglersche Salon in zahlreichen Veröffentlichungen erwähnt, aber lediglich in einer Studie etwas ausführlicher dargestellt.41 Die Musikwissenschaft hat sich mit Ziegler als Kantatendichterin Bachs auseinander- gesetzt42 und sie in bezug auf das Leipziger Musikleben erwähnt.43Von Bedeutung ist eine Studie, die sich ausführlich mit der Person Zieglers und ihrem Werk beschäftigt. Zwar wurden darin unkritisch Stellen aus den Sendschreiben als Belege für die Biographie Zieglers übernommen, und eine Vielzahl der angegebenen Belege sind 38 Bei Hertz fehlt bei der deutschen Übersetzung der wissenschaftliche Anmerkungsapparat, daher ist diese Veröffentlichung nur bedingt zu benutzen; Dulong, Claude: Salonkultur und Literatur von Frauen, in: Geschichte der Frauen, hg. v. Georges Duby /Michelle Perrot, Bd. 3: Frühe Neuzeit, hg. v. Arlette Farge / Natalie Zemon Davies, mit einem Nachwort für die deutsche Ausgabe von Rebecca Habermas / Heide Wunder, Frankfurt am Main 1994, S. 415-440; Baader, Renate: Dames de Lettres. Autorinnen des preziösen, hocharistokratischen und "modernen" Salons (1649-1698): Mlle de Scudéry - Mlle de Montpensier - Mme d’Aulnoy, Stuttgart 1986. Einen Forschungsüberblick zu Salons im 19. Jahrhundert gibt Seibert. Seibert, Peter: Der literarische Salon. Ein Forschungsüberblick, in: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur, 3. Sonderheft: Forschungsreferate (1993), S. 159-220; Schnegg, Brigitte: Soireen, Salons, Sozietäten. Geschlechtsspezifische Aspekte des Wandels städtischer Öffentlichkeit im Ancien régime am Beispiel Berns, in: Frauen in der Stadt, hg. v. Anne-Lise Head-König / Albert Tanner, Zürich 1993, S. 163-183. 39 Seibert, Peter: Der literarische Salon. Literatur und Geselligkeit zwischen Aufklärung und Vormärz, Stuttgart 1993. Eine überblickshafte Darstellung der Salons von der Antike bis ins 19. Jahrhundert ist wegen ihres breiten thematischen Spektrums zu oberflächlich. Gradenwitz. 40 Schnegg schildert den Wandel der Geselligkeit in Bern an der Wende zum 18. Jahrhundert. Als Höhepunkt nennt sie Julie Bondelis Salon. Schnegg. 41 Der X. Abschnitt in der Arbeit Wanieks trägt den Titel "Der Literatursalon der Christiane Mariane von Ziegler." Allerdings wird der Salon nur kurz abgehandelt, der überwiegende Teil dieses Ab- schnitts beschäftigt sich mit Gottscheds Philosophie. Waniek. 42 Zander ordnet die von der Zieglerin verfaßten Bachkantaten zeitlich ein. Darüber hinaus vertritt er die These, daß zwei bisher unveröffentlichte Kantaten, die Bach vertonte, von Christiana Mariana von Ziegler stammen. Zander, Ferdinand: Die Dichter der Kantatentexte Johann Sebastian Bachs. Unter- suchungen zu ihrer Bestimmung, in: Bach-Jahrbuch, 54 Jg. (1968), S. 9-64, hier S. 24f., 34, 56, 62. 43 Schering, Arnold: Musikgeschichte Leipzigs in drei Bänden. Bd. 3: Johann Sebastian Bach und das Musikleben Leipzigs im 18. Jahrhundert. Der Musikgeschichte Leipzigs dritter Band von 1723 bis 1800, Leipzig 1941, S. 86, 133, 230, 235 u. 321-323, geht besonders auf Zieglers Bedeutung im Musikleben Leipzigs und ihre Matronagefunktion ein. 1. Einleitung 17 fehlerhaft, dennoch ist dieser Aufsatz trotz seiner Mängel grundlegend, da der Autor als einziger seine Aussagen auf archivalische Quellen stützt.44 Die Vielzahl der stadtgeschichtlichen Untersuchungen ermöglicht es, Leipzig als herausragenden kulturellen Ort des 18. Jahrhunderts einzuordnen.45 Wichtig für die allgemeine Einordnung ist in diesem Zusammenhang ein neuerer Sammelband aus li- teraturwissenschaftlicher Sicht der sich ausführlich mit der ‘Gelehrtenrepublik Leipzig’ beschäftigt. Zahlreiche Gelehrte werden aufgezählt und beschrieben, doch auch in dieser Gelehrtenrepublik bleiben die Frauen praktisch unerwähnt. Ziegler wird lediglich in einem Nebensatz als "Frau der Feder" genannt.46 Auch in anderen kulturgeschicht- lichen Beiträgen zu Leipzig wird Ziegler meist nur beiläufig erwähnt47 und weder in den älteren48 noch in den neueren49 Arbeiten zur Stadtgeschichte thematisiert. In den Forschungen zur Stadtgeschichte Leipzigs wird Christiana Mariana von Ziegler kaum erwähnt, häufig hingegen ihr Vater. Die aufsehenerregende Haft ihres Vaters, Franz Conrad Romanus findet besonderen Niederschlag in der Literatur des 19. 44 Spitta, Philipp: Marianne von Ziegler und Joh. Sebastian Bach. (Ernst Curtius gewidmet zu seinem 70. Geburtstage, dem 2. September 1884), in: Spitta, Philipp, Zur Musik. Sechzehn Aufsätze, (Berlin 1884) ND Hildesheim / New York 1976, S. 93-118, geht nicht nur ausführlich auf Zieglers Person ein, sondern auch auf ihr Werk, wobei ihre geistlichen Kantaten besonders berücksichtigt werden. 45 S. u.a. Czok, Karl: Das alte Leipzig, Leipzig 1985, 2. verb. Auflage; Witkowski, Georg: Geschichte des literarischen Lebens in Leipzig, Leipzig / Berlin 1909; Schulze, Friedrich: Aus Leipzigs Kulturgeschichte, Leipzig 1956 (=Leipziger stadtgeschichtliche Forschungen; 5); Mühlpfordt, Günter: Gelehrtenrepublik Leipzig. Wegweiser- und Mittlerrolle der Leipziger Aufklärung in der Wissen- schaft, in: Zentren der Aufklärung III. Leipzig. Aufklärung und Bürgerlichkeit hg. v. Wolfgang Martens, Heidelberg 1990, S. 39-101; Kroker, Ernst: Handelsgeschichte der Stadt Leipzig. Die Entwicklung des Leipziger Handels und der Leipziger Messen von der Gründung der Stadt bis auf die Gegenwart, Leipzig 1925; Grosse, Karl: Geschichte der Stadt Leipzig, 2 Bde., (Leipzig 1839) ND Leipzig 1897; Dolz, Johann Christian: Versuch einer Geschichte Leipzig’s, von seinem Entstehen bis auf die neuesten Zeiten, Leipzig 1818; Martens, Wolfgang: Zur Einführung: Das Bild Leipzigs bei Zeitgenossen, in: Zentren der Aufklärung III. Leipzig. Aufklärung und Bürgerlichkeit, hg. v. Wolfgang Martens, Heidelberg 1990 (=Wolfenbütteler Studien zur Aufklärung; 17), S. 13-22; Fischer, Gerhard: Aus zwei Jahrhunderten Leipziger Handelsgeschichte 1470-1650, Leipzig 1929. 46 Martens, Zur Einführung, S. 19. 47 Witkowski, S. 313, ein Standardwerk zur Geschichte des literarischen Lebens in Leipzig erwähnt Ziegler als Widmungsadressatin einer Sammlung von Oden. Schulze, Aus Leipzigs Kulturgeschichte, S. 72 widmet Ziegler einen sehr kurzen Abschnitt. Frey, Axel / Weinkauf, Bernd (Hg.): Leipzig als ein Pleißathen. Eine geistesgeschichtliche Ortsbestimmung, Leipzig 1995, ein Beitrag zur Kulturge- schichte Leipzigs, dem zahlreiche Kurzbiographien Leipziger Persönlichkeiten beigegeben sind, erwähnt zwar die Gottschedin und Neuber, nicht aber Ziegler. 48 Richter, Friedrich Theodor: Jahrbüchlein zur Geschichte Leipzigs und Kalender zu den Gedenktagen seiner merkwürdigsten Einwohner, Leipzig 1863, hält Ziegler nicht für denkwürdig, Friederike Caro- line Neuber dagegen wird von ihm mehrfach erwähnt. Auch Dolz und Grosse erwähnen Ziegler nicht. 49 Czok, Das alte Leipzig. 1. Einleitung 18 Jahrhunderts. Zwei Untersuchungen verarbeiten Quellenmaterial50, während sich eine dritte Darstellung51 lediglich auf die vorhergehende bezieht und diese zum Teil wörtlich wiedergibt. Zu den zentralen Bezugspersonen in Zieglers Leben gehörte Gottsched. Im Rahmen die- ser Untersuchung stehen Veröffentlichungen im Vordergrund, die sich mit seinem Leben beschäftigen.52 Neuere Forschungen zur Biographie Gottscheds konnten nicht ermittelt werden53, immer noch grundlegend sind deshalb die Werke aus dem 19. Jahrhundert.54 Die Deutsche Gesellschaft wird in den gängigen literaturwis- senschaftliche Standardwerken erwähnt oder im Zusammenhang mit Gottsched themati- siert. Eigenständige Untersuchungen konnten jedoch nicht ermittelt werden. 50 Eine sehr ausführliche und detaillierte Darstellung bietet Wustmann, Gustav: Urkunden und Akten- stücke zur Geschichte des Leipziger Rates. Anhang: Der Bürgermeister Romanus, in: Quellen zur Geschichte Leipzigs, Bd. 2, hg. v. Gustav Wustmann, Leipzig 1895, S. 263-352. S. dazu auch Wolff, Eugen: Gottscheds Stellung im deutschen Bildungsleben, Bd. 2, Kiel / Leipzig 1897. 51 Ültzen-Barkhausen, v.: Franz Conrad Romanus. Der Leipziger Bürgermeister Romanus und sein Geschlecht, in: Leipziger Kalender 4 (1907), S. 230-236 u. Stammtafel, S. 6. 52 In literaturwissenschaftlichen Untersuchungen steht in der Regel das Werk Gottscheds im Mittelpunkt und weniger seine Biographie. 53 Zu nennen ist in diesem Zusammenhang Mitchell, der zwar das Leben Gottscheds miteinbezieht, aber den Schwerpunkt seiner Untersuchung auf das Werk legt. 54 So bietet Danzels Veröffentlichung mit den zahlreichen edierten Briefe Gottscheds eine wichtige Materialsammlung. Danzel, Theodor W.: Gottsched und seine Zeit. Auszüge aus seinem Briefwech- sel, Leipzig 1855. Allerdings betrachten diese Autoren Gottscheds Biographie in bezug auf sein Werk und seine Beziehungen zur gelehrten Welt und nicht unter sozialgeschichtlichen Gesichtspunkten. Wolff; Waniek. 2. Die Moralischen Sendschreiben: Christiana Mariana von Ziegler als Sittenlehrerin 2. Die Moralischen Sendschreiben: Christiana Mariana von Ziegler als Sittenlehrerin 19 Wann Ziegler damit begonnen hatte, Texte zu verfassen, läßt sich nicht exakt nachweisen.1 Ihre ersten Veröffentlichungen, zwei Bände mit Gedichten, erschienen 1728 und 1729.2 Diese enthalten geistliche und weltliche Gedichte in der Tradition der Kasuallyrik, Schäfergedichte, Scherz- und satirische Gedichte. Daß sie sich zuvor bereits an der von Gottsched herausgegebenen Moralischen Wochenschrift "Die Ver- nünftigen Tadlerinnen" beteiligt hatte, wurde von einem ihrer Zeitgenossen bezeugt.3 Die Argumentation von Eugen Wolff4, daß sich einige der Pseudonyme auf Christiana Mariana von Ziegler beziehen, erscheint plausibel. Nach ihrer Aufnahme in die Deutsche Gesellschaft Ende 1730 veröffentlichte sie auch in deren Publikationen. 1731 folgten die "Moralische(n) und Vermischte(n) Sendschreiben", ein Band mit Prosa- texten in Form von Briefen. 1732 und 1733 wurden zwei ihrer Gedichte in den "Neuen Zeitungen von Gelehrten Sachen abgedruckt".5 Mit den "Vermischten Schriften" erschien 1739 ihr letztes selbständiges Buch.6 Hier finden sich neben Gedichten und kleineren Übersetzungen auch Reden und Fabeln. Die Dichterin verfügte also über ein breites Spektrum von Ausdrucksformen. Das Schreiben von zeitüblichen Gelegenheits- gedichten bei Anlässen wie Heirat, Tod eines Verwandten oder eines nahen Freundes 1 Laut Spitta schrieb Ziegler ihr erstes Gedicht "Antwort=Schreiben an Sertonio" mit 15 Jahren. Es ist abgedruckt in Ziegler, Christiana Mariana von: Versuch In Gebundener Schreib=Art, Leipzig 1728, S. 107ff. Anhand des Inhaltes läßt sich jedoch keine Datierung vornehmen. Spitta, Marianne von Ziegler, S. 95f. Ziegler selbst schreibt, daß sie bereits von frühester Jugend an Lust zum Dichten verspürt habe. Ziegler, Christiana Mariana von: In gebundener Schreib=Art Anderer und letzter Theil, Leipzig 1729, Vorbericht. 2 Ziegler, Versuch In Gebundener Schreib=Art; Ziegler, In gebundener Schreib=Art Anderer und letzter Theil. 3 Lamprecht, Jacob Friedrich (Hg.): Sammlung der Schriften und Gedichte welche auf die Poetische Krönung Der Hochwohlgebohrnen Frauen, Frauen Christianen Marianen von Ziegler gebohrnen Romanus, verfertiget worden. Mit einer Vorrede zum Druck befördert von J.F.L., einem Mitgliede der Deutschen Gesellschaft, Leipzig 1734, Vorbericht. Auch der Verfasser der Gedächtnisschrift von Christiana Mariana von Zieglers drittem Mann Wolf Balthasar von Steinwehr erwähnt die Beteili- gung. Crichton, Wilhelm: Virorum de re publica bene meritorum Ioannis Friderici Polaci et Wolf Balthasar Adolphi Steinwehri. Memoriam Regiae Academiae Viadrinae, Berlin 1771, S. B5. 4 Nach Wolff bezieht sich das Pseudonym Silere sich auf Ziegler, de Rose auf ihren Mädchennamen Romanus und Clarimene von Lindenheim auf eine Poetin aus Leipzig, und damit auf Christiana Mariana von Ziegler. Wolff, S. 118f.; Diese Ansicht vertreten auch Krull, S. 18 und Spitta, Marianne von Ziegler, S. 100. 5 Ziegler, Christiana Mariana von: Moralische und Vermischte Send=Schreiben, An einige Ihrer vertrauten und guten Freunde gestellet, Leipzig 1731; Gedicht anläßlich der Doktorpromotion der Laura Bassi, in: Neue Zeitungen von Gelehrten Sachen, Leipzig vom 22.12. (1732), S. 918-921; Über das hohe Absterben Ihro Königl. Majest. von Pohlen und Churfürstliche Durchl. zu Sachsen, in: ebd., Leipzig vom 13.04. (1733), S. 261-264. 6 Ziegler, Vermischte Schriften. 2. Die Moralischen Sendschreiben: Christiana Mariana von Ziegler als Sittenlehrerin 20 oder auch bei bedeutenden öffentlichen Anlässen, lehnte sie dagegen ab7, so daß es nur einige wenige solcher Gedichte von ihr gibt.8 Außerdem veröffentlichte sie drei Über- setzungen aus dem Französischen.9 Die 1731 veröffentlichten "Moralische(n) und Vermischte(n) Sendschreiben" sollen im folgenden zunächst auf Motivation und Ziel- setzung der Autorin untersucht werden. Anschließend sollen Form, Aufbau und Inhalt der Sendschreiben analysiert und zueinander in Beziehung gesetzt werden. Daran an- schließend soll das Thema Erziehung exemplarisch einer genauen Analyse unterzogen werden. Auf dieser Grundlage können dann Zieglers Auffassungen in ihre Zeit eingeordnet werden. 2.1 Briefe als moralische Sendung Nachdem sie bis dahin nur Lyrik veröffentlicht hatte, wählte Ziegler mit den "Moralische(n) und Vermischte(n) Sendschreiben" eine neue Form des Schreibens: die der Briefe in Prosaform. Die Form des Briefes als Möglichkeit, eine moralische Lehre zu übermitteln, findet sich auch bei den Anfang des 18. Jahrhunderts so beliebten Moralischen Wochenschriften. Dort hatten fiktive Briefe die Funktion, Abwechslung in die Schriften zu bringen und das Publikum anzuregen, seinerseits Briefe zu schreiben und Kritik zu äußern.10 In ihrem Vorbericht erklärt Ziegler, daß sie sich für die ungebundene Schreibart entschieden habe, weil diese doch nicht so viel Gedult und Länge der Zeit von uns zu fodern scheint 11. Bei der Durchsicht ihres starcken Briefwechsels, den sie viele Jahre lang sowohl mit gelehrten Männern als auch geschickten Damen unterhalten hatte, sei ihr aufgefallen, daß darin häufig moralische 7 Ich habe mir allezeit vorgesetzt gehabt, keinen Hochzeit= und Leichen=Meistersänger vorzustellen; ... Dreßler, Brief Nr. 3, S. 50. Vgl. auch Ziegler, Moralische und vermischte Send=Schreiben, Nr. 87, S. 357-362. 8 In den Vermischten Schriften veröffentlichte Ziegler einige Gelegenheitsgedichte: Die Oden I-VII und XII-XIII beschäftigen sich mit öffentlichen Anlässen, die Oden VIII-XI und XXII sind anläßlich des Todes oder auch des Geburtstages naher Bekannter geschrieben. Ziegler, Vermischte Schriften, S. 3- 67 u. 97-100. Außerdem findet sich in dem 1729 veröffentlichten Gedichtband ein Gedicht ‘Auf das Absterben der Fraeulein von G(ersdorf)’. Ziegler, In gebundener Schreib=Art Anderer und letzter Theil, S. 437. Darüber hinaus schrieb Ziegler ein Trauergedicht für Louise Sophie von der Marwitz, einer Verwandten ihres Mannes. Die Leichenpredigt war mir leider nicht zugänglich. 9 Der Mad. Scudery Scharfsinnige Unterredungen, von Dingen, Die zu einer wohlanständigen Aufführung gehören, übersetzet von Christiana Marina von Ziegler, gebohrnen Romanus, Leipzig 1735; Abhandlung von dem rechtschaffnen Wesen aus dem Französischen des Herrn Chevalier de Meré übersetzt von der Frau von Ziegler, in: Der deutschen Gesellschaft in Leipzig eigene Schriften und Übersetzungen in gebundener und ungebundener Schreibart. Der dritte Theil, Leipzig 1739, S. 371-412; Gedancken des Abtes Trublêt Gedanken über verschiedene Sachen, welche zur Gelehrsamkeit und Sittenlehre gehören, aus dem Französischen übersetzt von Christianen Marianen von Steinwehr, gebohrnen Romanus, 2. Theile, Greifswald 1744. 10 Vgl. Martens, Botschaft der Tugend, S. 57f. 11 Ziegler, Moralische und vermischte Send=Schreiben, Vorbericht. 2. Die Moralischen Sendschreiben: Christiana Mariana von Ziegler als Sittenlehrerin 21 Anliegen das Thema seien. Daraufhin habe sie sich entschlossen, diese Briefe als Grundlage für die Sendschreiben zu nehmen. Ihre Sendschreiben basierten also ent- gegen der Praxis anderer Autoren auf ihrer eigenen Korrespondenz. Zwar argumentiert sie, daß ihre Briefe nichts Bedenkliches enthielten und deshalb von allen gelesen wer- den könnten12, um jedoch zu verhindern, damit die Kritik ihrer Mitmenschen, ins- besondere die ihrer Geschlechtsgenossinnen13, hervorzurufen - galten Briefe doch als vertraulich und waren nur für den Empfänger bestimmt - wurden die Texte von ihr so überarbeitet und verfremdet, daß die Adressaten nicht mehr zu erkennen sind. Sie selbst als Verfasserin tritt jedoch weiterhin mit ihrem Ich in Erscheinung.14 Die Form des Briefes gibt der Autorin die Möglichkeit, ihrer Kritik den Ton und die Lebhaftigkeit einer persönlichen Mitteilung zu geben und die Adressaten direkt anzusprechen. Sie überbrückt damit die Distanz zwischen Autorin und Lesern und vermeidet es, allzu be- lehrend zu wirken. Auch mit den Widmungen zu ihren Veröffentlichungen setzt sich Ziegler gegen Kritik zur Wehr.15 Die Widmungsadressaten sollten nicht nur die Repu- tation der Veröffentlichung erhöhen, sondern sie auch gegen eventuelle Anfeindungen in Schutz nehmen.16 12 Ziegler, Moralische und vermischte Send=Schreiben, Vorbericht. 13 Luise Adelgunde Victorie Kulmus (1713-1762) äußert sich in Briefen an ihren späteren Ehemann Johann Christoph Gottsched eher kritisch zu den Erfolgen der Christiana Mariana von Ziegler. Gottsched, Luise Adelgunde Victorie: Briefe der Frau Luise Adelgunde Victorie Gottsched gebohrne Kulmus, Th. 1-3, hg. v. Dorothea Henriette von Runckel, Dresden 1771-1772, Brief Nr. 12, S. 26f. 14 Zum Literaturbrief vgl. Martens, Botschaft der Tugend, S. 74f. 15 Ihre beiden Gedichtbände waren dem Reichsgrafen Ernst Christoph von Manteuffel gewidmet. ...; überdiß ein vornehmer Freund die Bürgschafft gleichsam über sich genommen/es würden Ew. Hoch=Reichs=Gräfl. Excellenz/mein/obgleich in gar vieler Augen gar seltsam scheinendes Unternehmen/dennoch gegen alle Spötter vermuthlich aus angebohrner Großmuth nicht nur gütigst entschuldigen/... Ziegler, Versuch In Gebundener Schreib=Art, Zuschrift. Die Sendschreiben waren dem Reichsgrafen Conrad Siegfrid von Hoymb, dem Kabinettsminister von Kurfürst Augsut Friedrich I., gewidmet. Eurer Hoch=Reichs=Gräflichen Excellenz Welt=bekannte Güte/und mir von jedermann angerühmte gantz ausnehmende Bescheidenheit/stellet mir einen Bürgen/und giebet mir zu voraus die theure Versicherung, SIE würden mein Unterfangen sowol gegen Sich selbst/als auch vor der tadelsüchtigen Welt, aus oben angeführten Bewegungs=Grunde und einer anererbten Großmuth vor dißmahl entschuldigen. Diß ist die einzige Absicht meiner Ehrfurchts=vollen Zuschrifft;... Ziegler, Moralische und vermischte Send=Schreiben, Zuschrifft. 16 Widmungen dienten im allgemeinen dazu, sich entweder den Widmungsadressaten gewogen zu machen oder auch eine Person damit zu ehren, der man sich zu besonderem Dank verpflichtet glaubte. Vgl. dazu Artikel ‘Zuschrifft’, in: Grosses Vollständiges Universal-Lexikon Aller Wissenschaften und Künste Welche bißhero durch menschlichen Verstand und Witz erfunden und verbessert worden [...], 64 Bde., 4 Erg.-Bde., verlegt bei Johann Heinrich Zedler, Halle / Leipzig 1732-1754 [teilweise ND Graz 1961-1964], hier Bd. 64, Sp. 762-769. So widmete z.B. Johann Conrad Meuschen (1680-1766) seine "Courieuse Schau=Bühne Durchläuchtigst=Belahrter Dames" der Kurfürstin Sophie von Braunschweig-Lüneburg, von der er sich in einer prekären Situation Hilfe erwartete. Heuser, Magdalene: Johann Gerhard Meuschen. Courieuse Schau=Bühne Durchläuchtigst=Belahrter Dames 1706, in: Kennt der Geist kein Geschlecht?, hg. v. Elisabeth Gössmann, München 1994, S. 176-300, 2. Die Moralischen Sendschreiben: Christiana Mariana von Ziegler als Sittenlehrerin 22 Ziegler hatte ihre Briefe unter dem Titel "Moralische Sendschreiben" herausgegeben, meinte sich jedoch nicht mit den männlichen Gelehrten vergleichen zu können, denn: Ob ich nun gleich diesen meinen zusammengerafften Blättern bey ihren Ausflug in die freye Lufft den Nahmen moralischer Send=Schreiben mit auf den Weg gegeben, so werden doch verhoffentlicht bescheidene und vernünfftige Leser sich nicht lange über solchen Titul aufhalten, und ihn nicht allzugenau bey Aufsetzung scharff geschliffener Brillen auf den moralischen Probe=Stein streichen. Man muß in meinen unschuldigen Schrifften gar nicht dasjenige suchen, was man bey grossen Moralisten findet; denn dergleichen Anforderung wäre allzu unbillich und lächerlich. Unserm Geschlechte ist nicht vergönnt, die Hör=Säle gelehrter Männer zu besuchen, und ihre gründliche Lehren sich zu Nutze zu machen; wir müssen uns leider nur mit Durchlesung bloßer Schrifften behelffen, und so viel uns unsere Kräfte des Verstandes zulassen, Raths daraus erhohlen, worbey uns niemand, die öffters dunckel scheinenden Stellen erkläret, noch den wahren Verstand ihrer Worte endecket. 17 Es handelt sich hier um eine für Ziegler typische Argumentationsweise. Zunächst scheint es sich um eine Demutsfloskel gegenüber den männlichen Autoren, die ebenfalls moralische Schriften veröffentlicht haben, zu handeln. Die Tatsache, daß ihre Texte nicht mit denen männlicher Autoren vergleichbar sind, wird von ihr aber nicht auf den mangelnden Verstand von Frauen, sondern auf die ungleichen Chancen zurückgeführt. Da ihr als Frau die universitäre Bildung nicht zugänglich war, blieb ihr nur die Wissens- aneignung durch Bücher, ohne daß dabei irgendeine Anleitung durch andere erfolgte. Frauen sind beim Erwerb von Gelehrsamkeit auf sich selbst angewiesen, so daß es nicht negativ gewertet werden kann, daß sie anders schreiben. Gleichzeitig grenzt sich Ziegler hier von ihren männlichen Dichterkollegen ab, denn bei ihr ist nicht das zu finden, was andere bereits geschrieben haben. Die mangelnde Universitätsgelehrtheit gibt ihr die Möglichkeit so zu schreiben, daß ihre Schriften auch ohne gründliche Lehren verstehbar sind. Damit wendet sich die Autorin an Männer und Frauen und nicht, wie ihre männ- lichen Kollegen, an ein ausschließlich gelehrtes Publikum. Was zunächst wie eine Be- scheidenheitsformel wirkt, erweist sich im weiteren Argumentationsverlauf als ge- schickte Strategie, sich für die eigenen Belange einzusetzen. Solche Floskeln finden sich nicht nur in der Vorrede, sondern durchziehen das ganze Werk. Immer wieder hier S. 183. Zu Widmungen s. Genette, Gérard: Paratexte. Das Buch vom Beiwerk des Buches, Frankfurt am Main / New York 1989, S. 115-140. 17 Ziegler, Moralische und vermischte Send=Schreiben, Vorbericht. 2. Die Moralischen Sendschreiben: Christiana Mariana von Ziegler als Sittenlehrerin 23 betont sie ihre weibliche Schwäche, wobei sich diese durch die hohe Kompetenz ihrer Aussagen als Ironie erweist.18 Mit den Moralischen Sendschreiben wollte Ziegler einen Tugend- und Sittenspiegel verfassen.19 Programmatisch formuliert sie einleitend ihr Ziel: Sie will anhand von Bei- spielen die Tugenden hervorheben und die Laster abwerten.20 Wer Tugend vermitteln will, so argumentiert sie in ihrem ersten Sendschreiben, muß die Laster beschreiben, denn nur in der Unterscheidung von Laster und Tugend sei es möglich, Menschen den richtigen Weg zu weisen. Ziegler nutzte damit das methodische Mittel der Ab- schreckung, da das schlechte Beispiel einprägsamer ist als das gute.21 Ihre didaktische Absicht verfolgt sie durch den Einsatz von Satire, die sie als eine der ältesten und nützlichsten Arten des Schreibens bezeichnet.22 Die Vorgehensweise der Pasquillanten23 lehnt sie dagegen ab; ihr geht es nicht darum, einzelne Personen dem Spott ihrer Mitmenschen auszusetzen, sondern sie will die menschlichen Fehler und Gebrechen aber auf eine bescheidene und vernünftige Art, sonder einige Absicht und Betrachtung einer gewissen Person, der Welt vor Augen stellen, und selbige auf dem Probier=Stein der wahren Klugheit und Vernunft streichen. 24 18 Ziegler, Moralische und vermischte Send=Schreiben, Nr. 11, S. 45, Nr. 13, S. 53f., Nr. 75, S. 311f., Nr. 87, S. 357, Nr. 95, S. 391f., Nr. 98, S. 405. 19 Der literarische Diskurs zu Tugend- und Sittenspiegeln soll in dieser Arbeit nicht abgehandelt werden. 20 Ziegler, Moralische und vermischte Send=Schreiben, Nr. 1, S. 1-5. 21 Die Methode didaktische Schriften ex negativo darzustellen hat Tradition. Sie wurde besonders im 16. Jahrhundert genutzt, wo sie mit dem Argument, daß "eine gute Unterweisung als nackt und kalt empfunden" würde häufig angewandt. Bonfatti, Emilio: Verhaltenslehrbücher und Verhaltensideale, in: Deutsche Literatur. Eine Sozialgeschichte hg. v. Horst Albert . Glaser, Bd.3: Zwischen Gegenreformation und Frühaufklärung: Späthumanismus, Barock 1572-1740, Reinbek 1985, S. 76. Aber auch im 18. Jahrhundert war diese Form immer noch beliebt. So verfaßte z.B. der Franzose Jean Pierre Crousaz eine satirische Erziehungsschrift, in der er die Erziehung so darstellte, wie sie gerade nicht geschehen sollte. Z.B. empfiehlt er jungen Menschen, sich die Zeit mit Spielen zu verteiben, da man dann keine Bücher brauche, man habe sowieso nicht die Zeit, sie zu lesen und man ist auch abgelenkt von der Schwelgerei. Crousaz, Jean Pierre de: Neuer und besonderer Unterricht von Auferziehung Der Jugend. Nach der heutigen Manier, übersetzt von Christian Friedrich Hunold, Halle 1720. 22 Kömmt Ihnen, mein Herr, die überschickte Schrifft zu Satyrisch und spitzig vor, so müssen Sie wissen, daß dergleichen Schreib=Art, wofern sie nur in den Gräntzen bleibet, und die Gesetze des Wohlstandes nicht verletzet, eine der ältesten und nützlichsten sey. Ziegler, Moralische und vermischte Send=Schreiben, Nr. 1, S. 3. Vgl. auch ebd., Nr. 15, S. 63f., Nr. 33, S. 137f., Nr. 77, S. 317f. 23 Pasquillanten sind die Verfasser von Spottschriften, die sich gezielt gegen eine bestimmte Person wenden. 24 Ziegler, Moralische und vermischte Send=Schreiben, Nr. 1, S. 3. 2. Die Moralischen Sendschreiben: Christiana Mariana von Ziegler als Sittenlehrerin 24 Als Ziegler die Moralischen Sendschreiben herausgab, war sie sich der Tatsache, daß sie die erste deutsche Frau war, die sich in dieser Textform25 versuchte, sehr wohl bewußt. Sie übernahm somit eine Vorbildfunktion für ihr Geschlecht, welches fortan die Möglichkeit haben würde, sich auf sie zu berufen. Sie wollte für andere Frauen ein Beispiel abgeben, um diese dazu anzuregen, ebenfalls ihre Briefe zu veröffentlichen. Die Bemerkung, daß ihre Nachfolgerinnen sie sonder allen Zweifel in dergleichen Schreib=Art weit übertreffen werden, ist eine Bescheidenheitsfloskel, die dazu dienen sollte, diese zu ermutigen.26 Da Christiana Mariana von Ziegler auf keine weiblichen deutschen Vorbilder zurück- greifen konnte, stellte sie sich in die literarische Tradition der Französinnen. Namentlich erwähnte sie die Marquise de Lambert (1647-1733), die 1729 zwei Briefe an Sohn und Tochter mit Ratschlägen zu deren Erziehung veröffentlichte.27 Sowohl Lambert als auch Ziegler hatten das Ziel, die Sitten zu verbessern. Lambert wandte sich mit ihren Verhaltensregeln an fast erwachsene junge Menschen. Ihre beiden Briefe sind ca. 70 Seiten lang und handeln nacheinander alle Themen ab, die sie bezüglich der Ehre eines Sohnes und der Tugend einer Tochter für relevant hält. Ziegler dagegen verpackte ihre Tugendlehren in viele kurze Briefe und wandte sich an alle Lebensalter. Während Lambert ihre Argumente mit Zitaten realer Personen28 belegte, bediente sich Ziegler Spruchweisheiten und Beispielen zur Veranschaulichung ihrer Lehren.29 Die Absichten der beiden Autorinnen sind sehr ähnlich, doch in Form und Aufbau erinnern die Sendschreiben von Ziegler an den deutschen Autor Martin Zeillers30, der fast ein Jahr- 25 Der literaturwissenschaftliche Ausdruck dafür ist seit Ende des 18. Jahrhunderts Dichtart (Goethe). Ich verwende in dieser Arbeit den Begriff "Textform", da Dichtung nicht eindeutig definiert ist. 26 Ziegler, Moralische und vermischte Send=Schreiben, Vorbericht. 27 Sie hat beide Briefe selbst veröffentlicht, diese wurden noch in ihrem Erscheinungsjahr ins Deutsche übersetzt. Lambert, Anna Therese Marquise de: Gedanken von der Auferziehung und einem tugendhaften Leben; in zwey Schreiben an ihren Sohn und ihre Tochter entworffen. Aus dem Französischen übersetzt von einem Mitgliede der Deutschen Gesellschaft (M. Georg Christian Wolff), Leipzig 1729. 28 Auffällig ist, daß Frau von Lambert solche Zitate nur bei dem Brief an ihre Tochter in Anwendung bringt, in dem Brief an ihren Sohn gibt es nur wenige Beispiele. Die beiden Briefe sind jedoch nicht gleichzeitig entstanden: den Brief an den Sohn hat sie mindestens zwei Jahre früher verfaßt. Vgl. Sallwürk, E. v.: Fénelon und die Litteratur der weiblichen Bildung in Frankreich von Claude Fleury bis Frau Necker de Saussure, Langensalza 1886, S. 102. 29 Lambert berief sich dabei auf antike Autoren, die Kirchenväter und bekannte Herrscher. Ziegler dachte sich ihre Beispiele entweder selbst aus, oder sie entnahm sie der Philosophie, der griechischen und römischen Mythologie bzw. aus der Bibel. 30 Martin Zeiller (1589-1661) war Polyhistor und hinterließ ein umfangreiches Werk mit den Be- schreibungen europäischer Länder und Völker. Zu Zeiller vgl. Kühlmann, Wilhelm: Artikel ‘Zeiller’, in: Literaturlexikon. Autoren und Werke in deutscher Sprache, hg. v. Walter Killy, Bd. 12, München 1992, S. 473f.; Artikel ‘Zeiller’, in: Zedler, Bd. 61, Sp. 708-711; Zum Werk besonders Kühlmann, 2. Die Moralischen Sendschreiben: Christiana Mariana von Ziegler als Sittenlehrerin 25 hundert vor ihr die ersten hundert seiner insgesamt siebenhundert Episteln oder Send- schreiben veröffentlicht hatte.31 Sein Werk erfreute sich großer Beliebtheit und wurde mehrfach wieder aufgelegt. Zeiller und Ziegler unterscheiden sich in der Zielsetzung ihrer Werke, was sich vor allem in der Auswahl der Themen bemerkbar macht. Zeiller wollte ein enzyklopädisches Kompendium mit dem Wissen seiner Zeit in Form von Briefen verfassen, d.h. er wollte Fakten vermitteln und Erörternswertes mitteilen. Ent- sprechend wählte er Gegenstände aus allen Lebens- und Wissensbereichen wie der Alltagswirklichkeit, der Theologie, der Philosophie, der Geographie, der Geschichte usw. In seinen Texten verwandte Zeiller zahlreiche Zitate, Lebens- und Spruch- weisheiten, Anekdoten, Verse und Abhandlungen aus den Werken von Juristen, Theolo- gen, Philosophen und anderen Autoren. Diese dienten jedoch nicht, wie bei Lambert und Ziegler, dem Beleg oder der Erläuterung der Argumente, sondern sie sollten es dem Leser ermöglichen, unterschiedliche Meinungen zu einem Thema kennenzulernen, um sich dann selbst ein Urteil zu bilden.32 Während der Gebrauchswert von Zeillers Werk in der Wissensvermittlung lag, handelte es sich bei Ziegler und Lambert um Anwei- sungsliteratur. Alle drei Werke dienten aber darüber hinaus auch der Erbauung und Zerstreuung. Mit der Wahl der deutschen Sprache versuchte Zeiller bewußt, sein Lesepublikum zu erweitern; allerdings sind viele seiner Allegationen nicht in der deutschen Übersetzung, sondern in den Originalsprachen wie Latein, Italienisch, Fran- zösisch und Spanisch zitiert. Damit wandte er sich zwar nicht an ein ausschließlich akademisches Publikum, die Leserschaft seiner Sendschreiben benötigte aber immer noch eine entsprechende Vorbildung, um seine Zitate verstehen und sich damit ein eigenes Urteil bilden zu können. Da Zeiller den alltäglichen Themen in seinen Episteln Wilhelm: Lektüre für den Bürger: Eigenart und Vermittlungsfunktion der polyhistorischen Reihenwerke Martin Zeillers (1589-1661), in: Literatur und Volk im 17. Jahrhundert. Probleme populärer Kultur in Deutschland, hg. v. Wolfgang Brückner / Peter Blickle / Dieter Breuer, Teil II., Wiesbaden 1982, S. 917- 934; Nickisch, Reinhard M.G.: Die Stilprinzipien in den deutschen Briefstellern des 17. und 18. Jahrhunderts, mit einer Bibliographie zur Briefschreiblehre (1474-1800), Göttingen 1969, S. 61f.; Waldberg, Max von: Artikel ‘Zeiller’, in: Allgemeine Deutsche Biographie, hg. v. der historischen Kommission bei der Königlichen Akademie der Wissenschaften, Bd. 44, Leipzig 1898, S. 782-784. Das Werk Zeillers wird von Waldberg sehr negativ bewertet. 31 Die ersten Hundert von Zeillers Episteln und Sendschreiben wurden erstmals 1640 aufgelegt. Für die vorliegende Untersuchung wurde die Ausgabe von 1700 benutzt. Zeiller 1700. Der Wortlaut der Sendschreiben blieb durch alle Auflagen und Ausgaben hindurch unverändert. Nickisch, S. 61, Anm. 10. Verschiedene Ausgaben dieser Epistelsammlungen standen in der Bibliothek der Deutschen Gesellschaft. Bibliotheca Societatis Teutonicae. Saeculi XVI-XVIII. Katalog der Büchersammlung der Deutschen Gesellschaft in Leipzig. Nach dem von Ernst Kroker bearbeiteten handschriftlichen Bestandsverzeichnis der Universitätsbibliothek Leipzig, hg. v. Zentralantiquariat der DDR in Leipzig, 2 Bde., Leipzig 1971, Bd. 2, S. 754f. 32 Kühlmann, Lektüre für den Bürger, S. 926. 2. Die Moralischen Sendschreiben: Christiana Mariana von Ziegler als Sittenlehrerin 26 breiten Raum gibt, ist zu vermuten, daß er auch Frauen ansprechen wollte. Bei Ziegler zeigt bereits die Intention ihrer Texte, daß sie beide Geschlechter anspricht. Ihre Versicherung, daß sie sich einer klaren und einfachen Sprache bedienen wolle, weist darauf hin, daß auch sie ein möglichst breites Publikum erreichen wollte.33 Dennoch hatten sowohl Ziegler als auch Zeiller beim Schreiben ihrer Texte ein bestimmtes Publikum im Blick, nämlich die Literati und Illiterati34 der privilegierten Stände. Auf- grund der Gemeinsamkeiten in den Texten von Ziegler und Zeiller ist zu vermuten, daß auch dieser der Dichterin bei den Sendschreiben als Vorbild gedient hat. Wahrschein- lich fand er bei ihr keine Erwähnung, da sie sich in eine weibliche Tradition stellte und es ihr ein Anliegen war, Frauen zum Schreiben zu motivieren. 2.2 Form und Aufbau der Sendschreiben Die Textform Obwohl Sendschreiben eine lange Tradition haben, gibt es keine eindeutige Definition dieser Textform. Sendschreiben wurden je nach Zeit und Kontext unterschiedlich ver- wandt und finden sich in den unterschiedlichsten Gebieten mit ebenso unterschiedlichen Konnotationen.35 Das einzige verbindliche Kriterium ist formaler Art: Es handelt sich immer um Schreiben in Briefform.36 Aus moderner literaturwissenschaftlicher Sicht wird zwischen Brief und Epistel unter- schieden. Von Wilpert subsummiert sowohl Sendbrief als auch Sendschreiben unter dem Stichwort ‘Epistel’. Für ihn hat die ‘Epistel’ drei verschiedene Bedeutungen: 1. als allgemeiner Brief mit Verweis auf das Stichwort Brief, 2. als Brief im besonderen mit Hinweis auf die Apostelbriefe, im Sinne von Mahnschreiben und Strafpredigten und 3. als Dichtform, womit er die poetischen Episteln oder auch Briefgedichte mit meist 33 Was meine darinnen gebrauchte Schreibart anbetrifft, so habe ich mich allezeit beflisssen, eine Sache durch deutliche und ungekünstelte Worte vorzutragen, weil ich allezeit von hoch=trabenden, und zu sehr gezwungenen Worten Feind gewesen, und alles affectirte Wesen meinem Temperament zuwider ist. Ziegler, Moralische und vermischte Send=Schreiben, Vorbericht. 34 Illiterati ist hier im Sinne von nicht akademisch gebildet gemeint. 35 Dazu wurden Lexika verschiedener Sachgebiete unter den Stichworten ‘Brief’, ‘Epistel’, ‘Sendbrief’, ‘Sendschreiben’ ausgewertet. 36 Bei Sendschreiben ist es nicht möglich, die Inhalte über die äußere Form zu bestimmen. Bei den meisten anderen Textformen wie z.B. dem Abenteuerroman, der Komödie oder der Schäferdichtung bedingen sich Form und Inhalt. 2. Die Moralischen Sendschreiben: Christiana Mariana von Ziegler als Sittenlehrerin 27 lehrhaft moralischen, philosophischen oder auch ästhetischen Inhalt häufig mit Nähe zur Satire meint.37 Auf theologischem Gebiet haben Sendschreiben eine lange Tradition; sie gehören zu den Formen des Schrifttums, die bereits im Urchristentum verwandt wurden.38 Vor allem aber seit der Reformation wurden sie für die Verbreitung religiöser Lehren eingesetzt.39 So verfaßte z.B. Argula von Grumbach (1497-1554) neben anderen ein Sendschreiben an "alle christliche Stände und Obrigkeiten", in dem sie ihre religiöse Überzeugung mit politischen und sozialen Fragen verband.40 Zahlreiche Sendschreiben 37 Artikel ‘Brief’, in: Wilpert, Gero von, Sachwörterbuch der Literatur, Stuttgart 1989, 7. Aufl., S.114- 116; Artikel ‘Epistel’, in: ebd., S. 250. 38 Trotzdem finden sich in den theologischen Lexika weder ‘Sendbrief’ noch ‘Sendschreiben’ als eigene Stichworte. Schmale, F.J.: Artikel 'Brief und Briefsammlung’, in: Lexikon für Theologie und Kirche (LTK), Bd. 3, Freiburg 1959, 2. Aufl., Sp. 686-687; Laub, Franz: Artikel ‘Brief, Briefsammlung’, I. Im biblischen Bereich, in: ebd., Bd. 2, Freiburg i. Br. 1994, 3. neu bearb. Aufl., Sp. 688-689; Huber, Martin: Artikel ‘Brief, Briefsammlung’ II. Literarische Briefe, in: ebd., Sp. 689-690; Brückner, Wolfgang: Artikel ‘Brief, Briefsammlung’ III. Frömmigkeitsgeschichtlich, in: ebd., Sp. 690; Spijker, Herman van de: Artikel ‘Brief, Briefsammlung’ IV. Briefpastoral, in: ebd., Sp. 690-691; Fascher, E.: Artikel ‘Briefliteratur, urchristliche’, in: Die Religion in Geschichte und Gegenwart. Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaft (RGG), hg. v. Kurt Galling u.a., Bd. 1, Tübingen 1957, 3. völlig neu bearb. Aufl., Sp. 1412-1415; Artikel ‘Epistel’, in: Calwer Kirchenlexikon I., Theologisches Handwörterbuch, Bd. 1, Stuttgart 1905, S. 475; Jungmann, J.A.: Artikel ‘Epistel’, in: LTK, Bd. 3, Freiburg 1959, 2. Aufl., Sp. 952; Schütz R.: Artikel ‘Epistola Apostolorum’, in: RGG, Bd. 2, Tübingen 1958, 3. völlig neu bearb. Aufl., Sp. 533. Diese Artikel behandeln die im Alten und Neuen Testament vorkommenden Briefe. Darüber hinaus beschäftigen sie sich mit der Formgeschichte des Briefes, in welchen Bereichen die Briefform verwandt wurde und ob es sich um echte oder unechte Briefe handelt. Der Begriff Sendschreiben wird einmal als Hinweis auf die Sendschreiben in der Offenbarung Johannes synonym zu Brief benutzt. Siehe Fascher. Im letzten Buch des Neuen Testaments, der Offenbarung Johannes, finden sich die sieben Sendschreiben des Propheten Johannes an die sieben Gemeinden in der Landschaft Asien. Steinhausen behandelt in seiner "Geschichte des deutschen Briefes" ausschließlich "echte oder private Briefe", darunter fallen keine Sendschreiben. Steinhausen, Georg: Geschichte des deutschen Briefes. Zur Kulturgeschichte des deutschen Volkes, 2 Bde., Berlin 1889-1891. Auch Nickisch behandelt in seinem Aufsatz über die Frau als Briefeschreiberin keine fiktiven Briefe. Nickisch, Reinhard M.G.: Die Frau als Briefschreiberin im Zeitalter der deutschen Aufklärung, in: Die Frauen im 18. Jahrhundert und andere Aufsätze zur Geschichte der Erziehung und Bildung, hg. v. Günter Schulz, Wolfenbüttel 1976, S. 29-65. 39 Laut Huber beginnt die Tradition der Sendschreiben erst mit Luther. Dieser habe die Sendschreiben als einen im höchsten Maße auf die Öffentlichkeit funktionalisierten Brieftypus entwickelt. Huber, Sp. 689. 40 Die Straßburgerin Katharina Zell geb. Schütz (1497/8-1562) schrieb mehrere Briefe religiösen Inhalts, z.B. an die Bürgerschaft der Stadt Straßburg oder auch an den Straßburger Bischof und an Luther. Diese Briefe können wegen ihres offenen Charakters als Sendschreiben bezeichnet werden. Zu Argula von Grumbach und Katharina Zell vgl. Becker-Cantarino, Der lange Weg zur Mündigkeit, S. 96-110; Erichson, A.: Artikel ‘Zell, Matthäus’, in: Allgemeine Deutsche Biographie, hg. v. der historischen Kommission bei der Königlichen Akademie der Wissenschaften, Bd. 45, Leipzig 1900, S. 17-18; Geiger, Ludwig: Artikel ’Grumbach, Argula von’, in: Allgemeine Deutsche Biographie, hg. v. der historischen Kommission bei der Königlichen Akademie der Wissenschaften, Bd. 10, Leipzig 1879, S. 7-8, hier S. 7. Die Pietistin Adelheid Sibylla Schwartz (um 1692) sandte 1692 zwei Sendschreiben an den Lübecker Superintendenten Pfeiffer, in denen sie ihn zur Umkehr und Buße aufforderte. Witt, Ulrike: Bekehrung, Bildung und Biographie. Frauen im Umkreis des Halleschen Pietismus, Halle 1996, S. 24f. Beispiele für Sendschreiben von einem Mann sind die des Mystikers Jacob Böhme (1575-1624), der über 80 Sendbriefe zur Verbreitung seiner religiösen Vorstellungen verfaßte. 2. Die Moralischen Sendschreiben: Christiana Mariana von Ziegler als Sittenlehrerin 28 wurden aber auch anonym verfaßt, da in ihnen Anschauungen verbreitet wurden, die den offiziellen Lehrmeinungen entgegenstanden. Wie häufig diese Form von Frauen benutzt wurde, ist daher schwierig nachzuweisen.41 Die Begriffe Sendbrief oder Sendschreiben wurden auch im juristischen Bereich be- nutzt. Seit dem späten 14. Jahrhundert, mit Aufkommen des Gebrauchs der deutschen Sprache für rechtskräftige Zeugnisse, wurden diese vorwiegend Brief und Urkunde genannt. Dabei verstand man unter Urkunden schriftliche Zeugnisse einer rechtskräfti- gen Handlung, die schriftlich, mündlich oder durch ein Symbol erfolgte.42 Noch zu Beginn des 18. Jahrhunderts bezeichnete Zedler die allgemeine kaufmännische Korres- pondenz mit Beweischarakter als Sendschreiben oder Sendbrief.43 Johann Christoph Gottsched (1700-1766), der Freund und Förderer Zieglers, bezeichnet den Inhalt von Sendschreiben im "Versuch einer Critischen Dichtkunst", als geruhig und ernsthaft, zuweilen scherzhaft, auch wohl moralisch und satirisch. 44 Er schreibt jedoch ausschließlich über Sendschreiben in Gedichtform. Adelung faßt Ende des 18. Jahrhunderts den Begriff Sendschreiben weiter, für ihn ist ein Sendbrief ein jeder Brief, ein jedes Schreiben, weil es an einen andern gesandt wird; zum Unterschiede von Brief, so fern es ehedem eine jede Urkunde bedeutete. In dieser Bedeutung ist es veraltet, und man gebraucht Sendbrief, oder noch lieber Send- schreiben, nur noch von einem Schreiben an mehrere, welches einer den anderen zusendet. 45 Böhme, Jakob: Theosophische Sendbrieffe I, 1. Teil der vollständigen Ausgabe, hg. v. Gerhard Wehr, Freiburg i. Br. 1979. 41 Laut Auskunft von Gabriele Jancke, die über diesen Bereich forscht, liegen in Halle zahlreiche Sendschreiben von anonymen Verfasserinnen. 42 Bresslau, Harry: Handbuch der Urkundenlehre für Deutschland und Italien, Bd. 1, Leipzig 1912, 2. Aufl., S. 1f. 43 Artikel ‘Sendbriefe derer Kaufleute oder Kaufmännische Sendschreiben’, in: Zedler, Bd. 37, Sp. 5-6. Es gibt in diesem Artikel auch einen Verweis auf das Stichwort Brief, dort kommt der Begriff Sendschreiben aber nicht mehr vor. Artikel ‘Brief’, in: Zedler, Bd. 4, Sp. 1359-1362. Im religiösen Bereich gab es die jährlichen Umlaufschreiben des Papstes mit dem errechneten Ostertermin, die Papstbriefe mit Gesetzescharakter (päpstliche Dekretalen) oder auch Begleitbriefe für reisende Gemeindemitglieder als Ausweispapier. Artikel ‘Epistel’, in: Calwer Kirchenlexikon, S. 475. Auch Grimm weist in den Artikeln ‘Sendbrief’ und ‘Sendschreiben’ mehrfach auf den Gebrauch als Ur- kunde hin. Artikel ‘Sendbrief’, in: Grimm, Jacob und Wilhelm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 16, ND München 1984, Sp. 572; Artikel ‘Sendschreiben’, in: ebd., Sp. 578f. Weitere Beispiele für solche Urkundenbriefe sind die Munt- und Lehensbriefe. In diesem Kontext steht auch die Redewendung "verbrieftes Recht". 44 Gottsched, Johann Christoph: Ausgewählte Werke, Bd. VI/1-4: Versuch einer critischen Dichtkunst, hg. von Joachim Birke / Brigitte Birke, ND Berlin / New York 1973 (Leipzig 1742, 3. u. verm. Aufl.), S. 140. 45 Bei Adelung wird unter dem Stichwort ‘Sendschreiben’ auf den Artikel ‘Sendbrief’ verwiesen. Artikel ‘Sendbrief’, in: Versuch eines Grammatisch=kritischen Wörterbuch Der hochdeutschen Mundart, mit 2. Die Moralischen Sendschreiben: Christiana Mariana von Ziegler als Sittenlehrerin 29 Zur äußeren Form des Briefes kommt hier als Kriterium noch der Adressatenkreis hin- zu, es findet aber keine Einschränkung in bezug auf Inhalt oder Schreibform statt. Die Sendschreiben Zieglers sollen, wie die theologischen Schreiben, eine Botschaft transportieren und richten sich an einen größeren Adressatenkreis. Inhaltlich stimmen sie mit der Gottschedschen Definition überein: Ihre Sendschreiben haben ein ernsthaftes Anliegen, der Schwerpunkt liegt auf der Vermittlung von Tugend, es sind aber auch Scherzbriefe darunter, und die Satire ist ein bevorzugtes Stilmittel der Dichterin. Sie selbst benutzt die Begriffe Sendschreiben und Brief synonym, und zwar sowohl in ihrem Vorbericht, wo es um die veröffentlichten Schreiben geht, als auch in den Schreiben selbst, wenn es sich um das letzte Schreiben des Adressaten handelt, welches sie beantwortet. Die Bedeutung als Brief mit einem größeren Adressatenkreis oder als Brief, der an eine bestimmte Person gerichtet ist, ergibt sich aus dem Kontext, nicht aber durch die Verwendung der Worte Sendschreiben und Brief. Ich vermute, daß sie sich mit der Wahl der Textform Sendschreiben auf einen für ihre Zeitgenossen selbst- verständlichen Referenzrahmen bezog. beschränkter Vergleichung der übrigen Mundarten, besonders aber der Oberdeutschen, hg. v. Johann Christoph Adelung, (Leipzig 1774-1786), Bd. 4, ND München 1970, Sp. 55. Das Grimmsche Wörterbuch bezieht sich unter dem Stichwort Sendschreiben u.a. auf Adelung und gibt außerdem als Verweis das Stichwort Sendbrief an. Sendbrief wird dort als ein in neuerer Sprache ungebräuchliches Wort für Brief bezeichnet, welches seltener als das Wort Sendschreiben benutzt wird, aber wie dieses offizielle Schriftstücke bezeichnet, die für einen größeren Kreis bestimmt sind. Artikel ‘Sendbrief’, in: Grimm, Bd. 16, Sp. 572; Artikel ‘Sendschreiben’, in: ebd., Sp. 578f. 2. Die Moralischen Sendschreiben: Christiana Mariana von Ziegler als Sittenlehrerin 30 Der Aufbau Im folgenden soll der Aufbau des Quellenkorpus und der einzelnen Sendschreiben untersucht werden. Dabei sollen die Ordnungskriterien Geschlecht und Stand berücks- ichtigt und die inhaltlichen Schwerpunkte und Komponenten des Werkes erarbeitet werden. In einem zweiten Schritt sollen diese dann zueinander in Beziehung gesetzt werden. Über die Differenzierung der Sendschreiben nach Geschlecht und Stand lassen sich für den Gesamtkorpus folgende Aussagen machen: Von den insgesamt 10046 Send- schreiben, die Ziegler veröffentlichte, richten sich 54 an Frauen und 46 an Männer. Für den überwiegenden Teil der Sendschreiben lassen sich aus der Anredeform Rück- schlüsse auf die Standeszugehörigkeit der Adressaten ziehen. 50 Sendschreiben sind an adelige und 42 Sendschreiben an bürgerliche Personen gerichtet.47 Wird weiter nach Stand und Geschlecht unterschieden, so sind 33 Sendschreiben an adelige und 13 an bürgerliche Frauen gerichtet, 8 Sendschreiben an Frauen sind nicht zuzuordnen. Bei den Männern sind 17 Sendschreiben an adelige Männer und 29 an bürgerliche Männer gerichtet. Ziegler wendet sich also öfter an Frauen als an Männer und dabei am häufigsten an adelige Frauen. Der äußere Aufbau der einzelnen Sendschreiben ist durch die Form des Briefes vor- gegeben. Jedes Sendschreiben basiert auf einem Formular, bestehend aus der Anrede, der sogenannten Titulatur, dem Textkörper und der Unterschrift. Auf der Grundlage der Titulaturen konnte ich Stand und Geschlecht der angesprochenen Personen erschlie- ßen.48 Meine Grundannahme, daß die Anreden Hochwohlgebohren und Wohlgebohren ausschließlich adeligen Personen vorbehalten ist und alle anderen Anreden sich an 46 Der Bedeutung der Zahl 100 wird an dieser Stelle nicht nachgegangen. 47 Die restlichen 8 Sendschreiben lassen sich aufgrund von Anreden, aus denen der Stand nicht er- kennbar ist, nicht weiter differenzieren. 48 Die Titulatur entsprach genau dem gesellschaftlichen Rang, den eine Person innehatte. Der Gebrauch von Titulaturen war über Verordnungen wie der Ulmer Titularordnung von 1750 geregelt, in der festgelegt worden war, wer wie angeredet werden durfte. Schmitt, Elmar: Leben im 18. Jahrhundert. Herrschaft, Gesellschaft, Kultur, Religion, Wirtschaft. Dokumentiert und dargestellt anhand von Akzidenzdrucken der Wagnerschen Druckerei in Ulm, Konstanz 1987, S. 77; Steinhausen, Bd. 2, S. 58f. Von Rohr verweist in seiner "Ceremonialwissenschaft" auf die zeitüblichen Titulaturbücher. Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremonialwissenschaft der Privat-Personen, hg. u. kom- mentiert v. Gotthardt Frühsorge, ND Leipzig 1990 (Berlin 1728). 2. Die Moralischen Sendschreiben: Christiana Mariana von Ziegler als Sittenlehrerin 31 bürgerliche Personen wenden, habe ich anhand von zeitgenössischen Briefen überprüft und verifiziert.49 Ziegler benutzt insgesamt fünfzehn verschiedene Titulaturen, davon zehn für Frauen und fünf für Männer. Adelige Frauen redet die Autorin mit Hochwohlgebohrne Frau (23), Hochwohlgebohrne Fräulein (4), oder Wohlgebohrne Frau (6) an, für bürgerliche Frauen benutzt sie die Anreden: Hoch=Edelgebohrne Frau (11), Edelgebohrne Frau (1) und Wohledelgebohrne Frau (1). Darüber hinaus hat sie drei verschiedene Arten Freundinnen zu titulieren: Wertheste Freundin (4), Werthgeschätzte Freundin (3), und Liebste Freundin (1). Adelige Männer werden ebenso wie adelige Frauen mit Hochwohlgebohren (14) und Wohlgebohren (3) angeredet, bürgerliche Männer dagegen mit: Mein Herr (22), Hoch=Edelgebohrner Herr (6), und Wohl=Edelgebohrner Herr (1). Im Gegensatz zu den jungen Frauen, die mit Fräulein angeredet werden, läßt sich an der Anrede nicht erkennen, ob die Autorin auch junge Männer anschreibt. Ziegler unterschreibt ihre Sendschreiben fast immer als Freundin.50 Sie differenziert allerdings durch die unterschiedlichen Attribute, die sie der Unterschrift Freundin beifügt. Insgesamt benutzt sie zweiundzwanzig verschiedene Unterschriften. Am häufigsten erscheint die Unterschrift Dero aufrichtige Freundin (30), außerdem unterschreibt sie mit: Dero ergebene Freundin (14), Dero beständige Freundin (11), Dero Freundin (9), Dero unveränderte Freundin (9), Dero gantz ergebene Freundin (6), Dero wahrhafftige Freundin (3), Dero unverstellte Freundin (2), Dero verbundenste Freundin (2) und Dero gehorsamste Dienerin (2). Zwölf verschiedene Unterschriften kommen nur je einmal vor.51 Differenziert man nach Stand und Geschlecht, so gibt es kaum Auffälligkeiten. Die Unterschrift Dero aufrichtige Freundin benutzt die Autorin am häufigsten für bürgerliche Männer (13)52. Die verschiedenen Attribute wie gehorsamste oder auch gantz ergebene sind bei beiden Geschlechtern und Ständen zu finden. 49 Eine genauere Differenzierung der Anreden an bürgerliche Personen konnte in der vorliegenden Arbeit nicht weiter nachgegangen werden. 50 Drei Sendschreiben weichen davon ab, diese unterschreibt sie mit: Dero gehorsamste Dienerin (2) und Dero bereitwilligste Dienerin (1). 51 Dero Freundin und Dienerin, Dero allezeit ergebne Freundin, Dero bereitwilligste Dienerin, Dero bereitwilligste Freundin, Dero ergebene und aufrichtige Freundin, Dero gehorsamste Freundin, Dero getreue Freundin, Dero gewidmete Freundin, Dero redliche Freundin, Dero treue Freundin, Dero unverfälschte Freundin, Dero unveränderte und getreue Freundin. 52 Für bürgerliche Frauen (4), adelige Männer (4), adelige Frauen (6), Frauen (3). 2. Die Moralischen Sendschreiben: Christiana Mariana von Ziegler als Sittenlehrerin 32 Bei der Untersuchung der Kombination von Anrede und Unterschrift lassen sich keine Korrespondenzen zwischen der Form der Anrede und den Unterschriften feststellen.53 Ziegler hat die verschiedenen Unterschriften jedoch bewußt gewählt, denn bei ca. 1/5 der Sendschreiben ist eine Korrespondenz von Inhalt und Unterschrift der Schreiben offensichtlich. Sendschreiben in denen die Autorin die wahre und aufrichtige Freund- schaft behandelt, unterschreibt sie z.B. mit aufrichtige, unverfälschte oder auch wahrhafftige Freundin.54 In zwei anderen Sendschreiben, bei denen die Adressatinnen eine Forderung an sie gestellt haben, unterschreibt sie mit gehorsamste bzw. bereitwilligste Freundin.55 Über das Formular hinaus sind die einzelnen Sendschreiben in sich nach einem be- stimmten Schema gegliedert. Dieses soll im folgenden analysiert werden. Die Send- schreiben sind undatiert und ohne Namensangaben. Nach der Titulatur beginnt der Brieftext, der sich in eine Eingangsformel, den Argumentationsverlauf des behandelten Themas, die Schlußformel und die Unterschrift aufschlüsseln läßt. Die Eingangsformel hat die Funktion, den Lesern das Thema des Sendschreibens mitzu- teilen. Die Autorin greift meist ein Problem auf, das die Adressaten in einem vor- angegangenen Schreiben angesprochen haben. Man hat ihr einen bestimmten Zustand beschrieben oder sich beklagt und Ziegler nimmt dazu Stellung, oder sie wird direkt um Rat und Hilfe gebeten. Die Autorin nimmt damit, je nach Situation, unterschiedliche Positionen, z.B. als Ratgeberin, als Moralistin, als Gelehrte oder auch als Schieds- richterin ein.56 Es ist als Zeichen ihrer Kompetenz zu werten, wenn andere sie um Rat und Hilfe bitten. Eine weitere Aufgabe der Eingangsformel ist es, der Leserschaft mitzuteilen, mit wem und über wen die Autorin schreibt. Es werden in den Sendschreiben nicht nur die Adressaten angesprochen, häufig sind auch dritte Personen mit ihren Stärken und Schwächen Gegenstand der Diskussion. Auf diese Weise stellt die Autorin verschiedene Gruppierungen her. Diskutiert sie beispielsweise mit einer adeligen Frau über deren 53 Am häufigsten kommt die Kombination Mein Herr und Dero aufrichtige Freundin (12) vor. Darüber hinaus gibt es acht Kombination die je dreimal, neun Kombinationen, die je zweimal und sechsundvierzig Kombinationen, die je einmal vorkommen. 54 Beispiele dafür sind: Ziegler, Moralische und vermischte Send=Schreiben, Nr. 15, Nr. 20, Nr. 29, Nr. 38, Nr. 58, Nr. 62, Nr. 90. 55 Ziegler, Moralische und vermischte Send=Schreiben, Nr. 26, Nr. 59. 56 Diese Bezeichnungen stammen von mir. 2. Die Moralischen Sendschreiben: Christiana Mariana von Ziegler als Sittenlehrerin 33 Tochter, ist die Gruppierung Autorin/ adelige Frau/ Tochter57. Auf diese Weise kann sie die Angeschriebenen zugleich in einer bestimmten Funktion - in dem Beispiel ist es die der Mutter - ansprechen. Am häufigsten benutzt Ziegler Gruppierungen, in denen nur zwei Personen auftauchen: Fünfundzwanzigmal erscheint die Gruppierung Autorin/ Herr und ebenso oft Autorin/ Frau bzw. Fräulein. Unterschieden nach dem Stand ließen sich folgende Zweiergruppierungen feststellen: Autorin/ bürgerlicher Herr (15), Autorin/ adelige Frau (13), Autorin/ adeliger Herr (10), Autorin/ bürgerliche Frau (5), Autorin/ adelige Fräulein (4) und Autorin/ Frau ohne Stand (3). Darüber hinaus hat Ziegler insgesamt 16 verschiedene Dreiergruppierungen, darunter am häufigsten Autorin/ Frau/ Frau (11).58 D.h. hier spricht sie mit der Angeschriebenen über eine andere Frau. Bei der Differenzierung der Dreierkonstellationen nach Stand und Geschlecht ließen sich keine Häufungen ermitteln. Nach der Eingangsformel mit der Vorstellung des Themas wird der Argumentations- verlauf meist durch Worte wie allein, insgemein, zwar oder aber eingeleitet. Entweder nimmt Ziegler zu dem in der Eingangsformel vorgetragenen Problem Stellung oder sie benutzt dieses als Anlaß, um ein eigenes Anliegen abzuhandeln. Beispiel für eine solche Vorgehensweise ist ein Sendschreiben, in dem ein Witwer ihr mitteilt, sich wieder verheiraten zu wollen. Die Autorin nimmt seine Schwierigkeit, die richtige Ehepartnerin zu finden, zum Anlaß, über den Untergang der guten und reichen Familien und den Sittenverfall der Zeit zu schreiben.59 Um ihre Argumente vorzutragen, verwendet Ziegler unterschiedliche Methoden. So läßt sie z.B. fiktive Gegner ihre Argumente vorbringen, um sie anschließend zu entkräften. Eine andere Strategie von ihr ist es, den vom Adressaten des Sendschreibens vorgetragenen Argumenten beizupflichten, um anschließend Bedenken dagegen zu äußern. In diesem Fall wird der Adressat oder die Adressatin von ihr direkt angesprochen. Oft dient ihr aber auch die Erwähnung einer dritten Person und deren Verhalten als Folie für eine theoretische Abhandlung der entsprechenden Laster. 57 Weitere Funktionen sind: Schwester, Verwandte, Vater, Ehemann. 58 Andere Beispiele für Dreierkonstellationen sind: Autorin/ Herr/ Frau, Autorin/ Herr/ Herr, Autorin/ Frau/ Fräulein, Autorin/ Frau/ Kinder. 59 Ziegler, Moralische und vermischte Send=Schreiben, Nr. 97, S. 400-405. 2. Die Moralischen Sendschreiben: Christiana Mariana von Ziegler als Sittenlehrerin 34 Ihre Argumente entfaltet Ziegler in einer bilderreichen Sprache. Dazu bedient sie sich der Ironie und des für sittliche Lehren typischen didaktischen Mittels des Beispiels.60 Wie sie in ihrem Vorbericht schreibt, hat sie Beispiele für die Sitten der Menschen in vielen gelehrten Männerschriften wahrgenommen und benutzt sie nun selbst, um nicht immer bey weitläuftiger Abhandlung einer Tugend oder Lasters, auf allerley Schreib= oder Redensarten zu verbleiben, sondern denen Lesenden dadurch eine Abwechslung zu machen 61 . Außer Sprichwörtern wie Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm benutzt Ziegler vor allem Beispiele aus ihrer eigenen Phantasie oder bezieht sich auf die griechische und römische Mythologie und die Philosophie.62 Bei den von Ziegler konstruierten Beispie- len handelt es sich fast immer um weibliche Negativexempel. Die Autorin erzählt hier kleine Geschichten, so z.B. in einem Sendschreiben über die Trunksucht: Laura erspahret der Wirthin die Mühe sie zum Trincken zu nöthigen, denn ehe man es sich versiehet, so ist das Glaß ausgeleeret, weil sie nichts liebers davon, als den Boden ersiehet; was sie aber vor eine Figur hernachmahls an der Tafel vorstellet, können Sie leicht erachten. 63 Mit dem Umweg über das Beispiel, also durch die Fortsetzung des Diskurses in Form von Erzählungen, verschafft sich die Autorin immer wieder die erhöhte Aufmerk- samkeit der Leser64. Ein weiteres didaktisches Mittel ist die Wahl redender Namen wie Madam Nimmersatt, Juncker von Frechhausen und Mademoiselle Gernegroß.65 60 Artikel ‘Exempel’, in: Wilpert, Gero von, Sachwörterbuch der Literatur, Stuttgart 1989, 7. Aufl., S. 272f. 61 Ziegler, Moralische und vermischte Send=Schreiben, Vorbericht. 62 Einige wenige stammen aus der Bibel. 63 Ziegler, Moralische und vermischte Send=Schreiben, Nr. 73, S. 303. 64 Michel Certeau schreibt über die Macht von Geschichten als ökonomisches Mittel ein Argument vorzubringen. Die Geschichten sind Fiktion und schaffen sich gegenüber der Realität einen eigenen Raum. Der Geschichtenerzähler kann in die Erinnerung der anderen eindringen und sie verändern, allein durch das Einfügen eines unerwarteten Details in eine wohlbekannte Geschichte. Alles hängt von der Kunstfertigkeit des Erzählers ab. Certeau, Michel de: Die Kunst des Handelns, Berlin 1988, S. 155-175. Ziegler nutzt hier die Macht der Geschichten, um ihre Argumente vorzubringen. 65 Der Begriff ‘redende Namen' stammt aus der Linguistik und kennzeichnet Namen mit denen wir zugleich einen bestimmten Charakter verbinden und deren Similaritätsassoziation auf dem allge- meinen Wortschatz beruht. Redende Namen werden besonders häufig in der Komödie und in der didaktischen Literatur verwendet. Birus, Hendrik: Vorschlag zu einer Typologie literarischer Namen, in: Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik 67 (1987), S. 38-51. Sowohl die Beispiele als auch die redenden Namen sind Stilmittel, die auch in den Moralischen Wochenschriften der Zeit verwandt wurden. Gottsched, Johann Christoph: Die vernünftigen Tadlerinnen. 2 Bde., hg. v. Helga Brandes, ND Hildesheim / New York 1993 (Frankfurt / Leipzig 1725 u. 1726), Nachwort von Brandes, S. 18. 2. Die Moralischen Sendschreiben: Christiana Mariana von Ziegler als Sittenlehrerin 35 In den Schlußformeln der Sendschreiben greift die Autorin erneut den Anlaß des Schrei- bens auf, um dann über ein kurzes Resümee, nach Wiederholung der Titulatur, in die Unterschrift einzumünden. Darüber hinaus wurde die Länge der einzelnen Sendschrei- ben untersucht. Diese sind im Durchschnitt 3½ bis 4½ Seiten (85 Sendschreiben) lang.66 Aufgrund dieser Häufung lassen sich bei einer Differenzierung nach Stand und Geschlecht keine signifikanten Aussagen machen. Ziegler nimmt selbst keine besondere Anordnung der Sendschreiben vor. Es gibt keine erkennbare Reihenfolge, weder in bezug auf den Inhalt der Texte noch auf Stand oder Geschlecht der angesprochenen Adressaten. In welchen thematischen Zusammenhang sie diese stellt, läßt sich jedoch erschließen, wenn man eine Systematisierung vornimmt. Auf der Grundlage der verschiedenen Themenschwerpunkte des Werkes habe ich daher Kategorien entwickelt, denen ich dann die Sendschreiben zugeordnet habe. Insgesamt ließen sich dreizehn verschiedene Themenkreise herausarbeiten. Einzelne Sendschrei- ben wurden dabei mehreren Themenkreisen zugeordnet.67 Nach der Häufigkeit der behandelten Themen ließ sich eine Themenhierarchie erstellen. In 26 Sendschreiben behandelt Ziegler das Thema Laster, es folgen die Themen: Torheiten (19), Erziehung (19), Freundschaft (14), Ehe (13), Gelehrsamkeit (10), Dichtung und Musik (9), Stadt/Land (7), Wirtschaften (6), Tod (6), Stand und Rang (4), Liebe (4). Drei Send- schreiben ließen sich keiner dieser Themenkreise zuordnen. Unerwartet erscheint zu- nächst, daß sich keine Sendschreiben zum Thema Tugend finden lassen. Dies erklärt sich jedoch aus ihrer in der Einleitung formulierten Absicht, die TUGEND über das LASTER zu thematisieren, d.h. sie beschreibt nicht, wie sich die Menschen verhalten sollen, um als tugendhaft zu gelten, sondern die Menschen, die sich falsch verhalten. Die Sendschreiben zu den Themenkreisen LASTER und TORHEITEN werden von Ziegler geschlechtsbezogen diskutiert, was eine weitere Differenzierung der Texte sinnvoll erscheinen ließ. Es finden sich 14 Sendschreiben zu weiblichen und 12 zu männlichen Lastern. Bei diesem Thema ist also das Geschlechterverhältnis ausgewogen. Bei den Torheiten konnten 14 Sendschreiben weiblichen und 5 männlichen Torheiten zugeordnet werden. Es gibt also deutlich mehr Sendschreiben zu weiblichen als zu männlichen Torheiten. Dem Themenkreis FREUNDSCHAFT wurden auch die Send- 66 Neun Sendschreiben sind unter 3½ Seiten lang und sechs Sendschreiben sind über 4½ Seiten lang. Die kürzesten Sendschreiben haben eine Länge von 3 Seiten (2). Auffällig ist ein Sendschreiben über die Ehe, das mit 7¼ Seiten mit Abstand das längste ist. 67 Die Liste der Themenkreise und der ihnen zugeordneten Sendschreiben befindet sich im Anhang. 2. Die Moralischen Sendschreiben: Christiana Mariana von Ziegler als Sittenlehrerin 36 schreiben zugeordnet, die sich in der Titulatur ausdrücklich an Freundinnen wenden.68 Die Autorin spricht ausschließlich Frauen in dieser vertraulichen Weise an. Eine solche Anrede gegenüber einem Mann verstieß möglicherweise gegen die Regeln des Anstandes. In diesen Sendschreiben geht es zwar inhaltlich nicht immer um das Thema Freundschaft, ich gehe jedoch davon aus, daß sich das Verständnis der Autorin von Freundschaft in diesen Briefen implizit findet.69 Im folgenden sollen die Sendschreiben der Themenkreise auf die Kriterien Geschlecht, Stand, Titulatur, Unterschrift und Gruppierung und Funktion der Adressaten hin unter- sucht werden. Bei der Untersuchung der Themenkreise in bezug auf das Kriterium Geschlecht, ließ sich folgendes feststellen: Bei den Themen Erziehung (10 Frauen:9 Männer), Liebe (2:2) und Stadt/Land (4:3) wendet sich die Autorin fast genauso oft an Frauen wie an Männer. Die Themen Ehe (9:4), Freundschaft (12:2)70, weibliche Torheit (12:2) und weibliches Laster (10:4) werden überwiegend mit Frauen diskutiert, während die Themen Dichtung und Musik (1:8) und männliche Laster (10:4) überwiegend mit Männern diskutiert werden. Bei den Sendschreiben, die dem Themenkreis Stand und Rang (4:0) zugeordnet wurden, sind ausschließlich Frauen die Adressatinnen. Diejenigen, die sich mit männlichen Torheiten (0:5) beschäftigen, sind nur an Männer gerichtet.71 Bei der Untersuchung der Themen in bezug auf das Kriterium Stand fallen vor allem folgende Themenkreise auf: Dichtung und Musik (2 adelig : 7 bürgerlich), weibliches Laster (4:8), Tod (1:4) und männliche Torheiten (0:5) und Liebe (4:0) und Wirtschaften (5:1).72 Bis auf Liebe und Wirtschaften bespricht die Autorin diese Themen überwiegend mit bürgerlichen Personen. Bei der Unterscheidung nach Stand 68 Daraus ergibt sich eine zahlenmäßige Verschiebung, fünf Sendschreiben wurden diesem Themenkreis aufgrund der Anrede zugeordnet. 69 Dem kann in der vorliegenden Untersuchung leider nicht weiter nachgegangen werden. Thematisiert werden die Sendschreiben unter dem Aspekt Freundschaft bei Heuser, Magdalene: "Das beständige Angedencken vertritt die Stelle der Gegenwart". Frauen und Freundschaften in Briefen der Frühaufklärung und Empfindsamkeit, in: Frauenfreundschaft - Männerfreundschaft. Literarische Diskurse im 18. Jahrhundert, hg. v. Wolfram Mauser und Barbara Becker-Cantarino, Tübingen 1991, S. 141-165, hier S. 147-150. 70 Berücksichtigt man die Sendschreiben, die diesem Themenkreis nur wegen der Anrede zugeordnet wurden, ist das Verhältnis 7:2. Es überwiegen also immer noch die weiblichen Adressatinnen. 71 Gelehrsamkeit (4:6), Tod (4:2), Wirtschaften (2:4), Sonstige (2:1). 72 Bei der Untersuchung in bezug auf das Kriterium Stand ist zu bedenken, daß neun Sendschreiben nicht berücksichtigt werden konnten, weil sie nicht zuzuordnen sind. Ehe (8:5), Freundschaft (4:2), Gelehrsamkeit (5:5), Erziehung (11:8), Stadt/Land (4:3), Stand und Rang (2:2), männliches Laster (5:6), weibliche Torheit (6:5), Sonstige (3:0). 2. Die Moralischen Sendschreiben: Christiana Mariana von Ziegler als Sittenlehrerin 37 und Geschlecht läßt sich feststellen, daß Ziegler die Themen Ehe (8 adelige Frauen : 1 bürgerliche Frau) und Erziehung (7:3) auffallend häufig mit adeligen Frauen diskutiert. Für die anderen Themen lassen sich keine Häufungen feststellen.73 Bei den Männern werden die Themen Ehe (0 adelige Männer : 4 bürgerliche Männer) und Tod (0:2) nicht und das Thema Dichtung und Musik (1:7) fast ausschließlich mit adeligen Männern dis- kutiert.74 Bei der Betrachtung der Themenkreise in bezug auf das Kriterium Titulatur finden sich kaum Auffälligkeiten. Die Themen Ehe und Erziehung sind die einzigen, bei denen auch Fräulein angesprochen werden. Dadurch, daß dem Themenkreis Freundschaft fünf Sendschreiben wegen der Anrede Freundin zugeordnet wurden, gibt es in diesem Themenkreis ein deutliches Übergewicht dieser Art von Anreden. Werden die Themen- kreise in Hinblick auf die Unterschrift betrachtet, läßt sich feststellen, daß die Unter- schrift Dero aufrichtige Freundin fast durchgängig am häufigsten vorkommt. Beim Themenkreis Erziehung erscheint überproportional häufig die Unterschrift Dero beständige Freundin (5) und Dero unveränderte Freundin (4). Auch bei der Kombina- tion von Titulatur und Unterschrift gibt es für die einzelnen Themenkreise keine wesent- lichen Auffälligkeiten. Bei der Untersuchung der Themenkreise in Hinblick auf die personalen Gruppierungen fällt auf, daß bei den Themen Erziehung (3 Zweiergruppierungen : 16 Dreiergruppie- rungen) und Tod (0:6) die Dreiergruppierungen überwiegen. Bei Dichtung und Musik (6:0) und Liebe (4:0) kommen ausschließlich Zweiergruppierungen vor.75 Die Themen Erziehung und Tod werden von der Autorin also überdurchschnittlich häufig über Dreiergruppierungen abgehandelt. Sie stellt hier einen konkreten Anlaß her wie z.B. den Tod eines Kindes um diese Themen diskutieren und gleichzeitig die Adressaten und Adressatinnen in ihrer Funktion ansprechen zu können. Beim Thema Erziehung spricht 73 Freundschaft (3:1), Gelehrsamkeit (4:6),Liebe (2:2), Dichtung und Musik (1:0), Stadt/Land (3:1), Tod (2:1), Stand und Rang (2:2), Wirtschaften (2:0), männliche Laster (1:0), weibliche Torheit (5:4), weibliches Laster (3:5) und Sonstige (2:0). Nimmt man die Frauen, die keinem Stand zuzuordnen sind, hinzu, sieht die Verteilung folgendermaßen aus: Freundschaft (3 adelige Frauen : 1 bürgerliche Frauen : 8 Frauen), Tod (2:1:1), männliche Laster (1:0:1), weibliche Torheit (5:4:3), weibliche Laster (3:5:2). 74 Die restlichen Themen verteilen sich folgendermaßen: Freundschaft (1:1), Gelehrsamkeit (2:4), Erziehung (4:5), Liebe (2:0), Stadt/Land (1:2), Wirtschaften (3:1), männliche Torheiten (1:4), männliche Laster (4:6), weibliche Torheit (1:1), weibliche Laster (2:2), Sonstige (1:0). 75 Weibliche Laster (6:8), männliche Laster (7:5), weibliche Torheiten (6:3), männliche Torheiten (3:2), Freundschaft (7:7), Ehe (7:6), Gelehrsamkeit (5:5), Stadt/Land (5:2), Wirtschaften (2:3), Stand und Rang (1:3), Sonstige (3:0). 2. Die Moralischen Sendschreiben: Christiana Mariana von Ziegler als Sittenlehrerin 38 sie diese als Mütter (5), Väter (6) oder auch als Verwandte (2) und Freunde (3) an. Mit den Müttern diskutiert Ziegler über die Töchter und mit den Vätern über die Söhne, bei der einzigen Ausnahme von diesem Schema handelt es sich um eine Witwe, die für die Erziehung ihres Sohnes sorgen muß. Mit den Freunden und Verwandten spricht sie meist über fast erwachsene Personen, ohne daß sich dabei die gleiche geschlechts- bezogene Trennung feststellen ließe. Beim Thema Tod handelt es sich bei der Hälfte der Sendschreiben um Trostbriefe, davon richten sich zwei an Mütter, die ihre Söhne ver- loren haben, und einer an einen Sohn, der seinen Vater verloren hat.76 Auffällig ist, daß Ziegler den Verlust von Ehefrau, Ehemann, Mutter oder Tochter nicht abhandelt. Da es sich um ausgewählte und überarbeitete Briefe handelt, sagen diese Untersuchun- gen wenig über den realen Briefwechsel von Ziegler aus. Durch die absichtliche Ver- fremdung der Texte lassen sich die Adressaten nicht identifizieren.77 Sie selbst ist als Autorin und in den Aussagen von Briefen, z.B. wenn sie von sich als Dichterin spricht, als Frau präsent. Daher gibt es auch keine rein männlichen Diskurse. Mit der Auswahl des Adressatenkreises wandte sich die Autorin sowohl an ein bürgerliches als auch an ein adeliges Publikum und dabei an Frauen und Männer, also an die privilegierten Stände, denen sie selbst angehörte. 2.3 Die Sendschreiben der Christiana Mariana von Ziegler Die zentralen Begriffe Für Ziegler sind die Begriffe ‘Vernunft’, ‘Wohlstand’ und ‘Tugend’ zentrale Begriffe, die sie in fast allen Themen verhandelt. Unter Wohlstand versteht sie diejenigen Regeln, nach denen man seinen Mitmenschen zu begegnen hat.78 Die Begriffe sind für Ziegler von zentraler Bedeutung für das menschliche Miteinander. Sie werden von ihr jedoch nicht additiv nebeneinander gestellt, sondern in ein System von Wechselbeziehungen eingebunden. Dieses System soll im folgenden dargestellt und analysiert werden. 76 Die anderen Briefe handeln von Leichenpredigten und der Angst vor dem Tod. 77 Die einzige Ausnahme ist ein Sendschreiben, in dem sie den Verfasser des Buches "Irrdisches Ver- gnügen" anspricht. Dabei handelt es sich um den Hamburger Senator und Dichter Barthold Heinrich Brockes (1680-1747). Vgl. zu Brockes: Nasse, Peter: Die Frauenzimmer-Bibliothek des Hamburger ‘Patrioten’ von 1724. Zur weiblichen Bildung in der Frühaufklärung, Stuttgart 1976, S. 646-655.78 Ziegler, Moralische und vermischte Send=Schreiben, Nr. 15, S. 62f. 2. Die Moralischen Sendschreiben: Christiana Mariana von Ziegler als Sittenlehrerin 39 Die Begriffe Verstand und Vernunft waren im 17. und 18. Jahrhundert allgemein um- stritten. Thematisiert wurde die Frage, ob beide Gaben der Natur sind oder nur der Verstand. Der Philosoph Christian Wolff (1679-1754) betrachtete beide als Gaben der Natur und bestimmte die Vernunft als Einsicht in den Zusammenhang der Wahrheiten, während der Verstand allein das Vermögen zu denken sei.79 Ziegler gebraucht die Begriffe Verstand und Vernunft im Sinne von Christian Wolff, ohne sie jedoch immer so klar zu trennen. Teilweise benutzt sie Verstand und Vernunft synonym, teilweise aber auch als Begriffspaar. Die Vernunft ist für sie die Grundlage und das Maß allen menschlichen Handelns. Als geistige Fähigkeit des Menschen, ermöglicht sie ihm die Einsicht in die Zusammenhänge der Dinge und allen Geschehens. Die Vernunft benötigt jedoch den Verstand, der ihr das dazu notwendige Material liefert. Der Verstand leistet die Wahrnehmung und Begriffsbildung, während die Vernunft auf den universellen Zu- sammenhang und die Erkenntnis von Werten gerichtet ist. Die Vernunft hat also den Verstand zur Voraussetzung. Beide, Verstand und Vernunft, sind Anlagen des Men- schen, die sich in einem lebenslangen Prozeß entwickeln müssen. Wie für Wolff ist es für Ziegler die Natur, die den Menschen mit den Gaben des Ge- mütes und des Leibes, der ‘menschlichen Natur’, ausstattet.80 Solche Gaben sind neben Verstand und Vernunft, die Leidenschaften und die Gemütseigenschaften.81 Die Vertei- lung dieser Gaben erfolgt in unterschiedlichem Maße und kann durch den Menschen nicht beeinflußt werden. Sie ist jedoch geschlechtsbezogen, das männliche Geschlecht wird gegenüber dem weiblichen mit mehr Vorteilen ausgestattet; worin diese Vorteile bestehen, wird von der Autorin nicht weiter erläutert.82 Die Gaben der Natur, vor allem die Leidenschaften, werden mit Hilfe der Vernunft gezügelt.83 Sie allein kann die Natur in ihre Grenzen verweisen. Es gibt jedoch Naturgesetze, wie den Tod, denen sich die Menschen beugen müssen und die durch nichts zu beeinflussen sind.84 Natur ist damit 79 Artikel ‘Vernunft’, II. Subjektive, in: Zedler, Bd. 47, Sp. 1394f. 80 Die Natur ziehet uns Menschen gar nicht über einen Leisten, hält sich auch in der Ausbildung unserer Gestalt an kein gewisses Modell und Muster. Sie theilet die Gaben des Gemüthes sowohl, als des Leibes auf unterschiedene Weise aus, einem giebet sie vielmahls vor dem andern etwas zu voraus, da sie hingegen den vermeinten Fehler an diesen durch andere Eigenschaften ersetzet, welches sie bey jenen vergessen. Ziegler, Moralische und vermischte Send=Schreiben, Nr. 25, S. 103. 81 Beispiele für Gaben der Natur sind: die Liebe der Eltern gegen ihre Kinder, die Schönheit , ein aufgeräumtes Wesen. 82 Da die Natur dem männlichen Geschlechte so viel Vortheile vor dem Unsrigen gegönnet, so ist es auch wohl billig, daß wir ihnen gehorsamen. Ziegler, Moralische und vermischte Send=Schreiben, Nr. 10, S. 42. 83 Ebd., Nr. 8, S. 33, Nr. 71, S. 293, Nr. 91, S. 377. 84 Ebd., Nr. 43, S. 176 u. 178, Nr. 44, S. 179, Nr. 55, S. 226. 2. Die Moralischen Sendschreiben: Christiana Mariana von Ziegler als Sittenlehrerin 40 ein doppeldeutiger Begriff. Als ‘menschliche Natur’ ist sie Teil des Menschen, sofern sie sein Wesen ausmacht; sie ist aber auch außermenschlich, sofern sie den Menschen mit dem ausstattet, was ihm wesentlich ist. Der Entwicklungsprozeß der Vernunft macht es dem Menschen möglich, sich von der menschlichen Natur zu distanzieren und diese ein Stück weit zu beherrschen. Vernunft und Natur stehen in einer polaren Beziehung zueinander: sie sind zugleich entgegengesetzt und trotzdem bedingen und ergänzen sie sich gegenseitig. Die menschliche Selbstkontrolle durch die Vernunft ist besonders dann notwendig, wenn der Mensch in Beziehung zu anderen Menschen tritt. Die Beziehungen der Men- schen untereinander sind durch die Gesetze des Wohlstands geregelt, die auf Kon- vention, Vertrag und gleichgerichteten Interessen der Menschen beruhen. Sie werden von den Menschen hergestellt, sind abhängig von Zeit, Volk, Stand und Geschlecht und werden immer wieder neu ausgehandelt. Mit ihnen werden die Räume abgesteckt und die Grenzen gesetzt innerhalb derer sich der Mensch bewegen darf. Was die Gesetze im einzelnen beinhalteten, wird von Ziegler nicht näher erläutert. Sie bezieht sich hier auf einen Referenzrahmen, den sie als bekannt voraussetzen konnte, ihre Leserschaft kannte die in ihnen enthaltenen Normen. Die Vernunft gebietet dem Menschen, diese Normen anzuerkennen. Die vernünftige Einsicht in den Zusammenhang der Dinge fordert vom Menschen, seine natürlichen Bedürfnisse soweit einzuschränken, daß ein geordnetes Zusammenleben möglich ist. Die Vernunft zu gebrauchen, bedeutet für Ziegler, alle Handlungen sorgfältig zu überdenken, zu prüfen, inwieweit sie sinnvoll sind und den Gesetzen des Wohlstandes entsprechen. Verletzt eine gewünschte Handlung diese Gesetze und besteht die Prüfung durch die Vernunft nicht, so ist sie zu unterlassen.85 Es reicht jedoch nicht aus, sich den gesellschaftlichen Regeln gemäß zu verhalten, also die ‘galanten Künste’ zu beherrschen, sondern das richtige Verhalten muß mit Tugend einhergehen.86 Es geht nicht nur um den äußerlichen Schein, sondern auch um die innere Einstellung bei allen Handlungen. In der freiwilligen Unterwerfung unter die 85 ..., daß ich bey allem meinen Verrichtungen und Handlungen die Vernunft zuvorhero befragen, und mir gar viele Einwürffe darbey zu machen pflege, ..., daß ich auch in diesem Stücke mein Vergnügen und die mir eingebildete Lust, gegen die daraus erwachsende Unlust, gehörig abgewogen, und mir die Ohnmöglichkeiten hierbey billig vorgestellt. Die Gesetze des Wohlstandes ertheilen mir getreuen Rath, ich solte lieber meiner Freude Abbruch thun, als nach deren Genuß vielen verdrießlichen Folgerungen preiß geben. Ziegler, Moralische und vermischte Send=Schreiben, Nr. 57, S. 236. 86 Und besinnen sie [die Eltern] sich ja zuweilen, daß sie Kinder haben, so erstrecket sich ihre gemachte Vorsorge nur auf solche Wissenschaften und Künste, durch deren Erlernung der so galanten Welt zwar ihr Recht geschiehet, die Tugend aber darbey das Nachsehen haben muß ... Ebd., Nr. 8, S. 34. 2. Die Moralischen Sendschreiben: Christiana Mariana von Ziegler als Sittenlehrerin 41 Gesetze des Wohlstandes besteht die Tugend. Ein tugendhafter Mensch erkennt also diese Gesetze an und leistet ihnen freiwillig Folge. Die Tugend ist keine Gabe der Natur, sondern muß nach und nach durch Fleiß und Mühe erworben werden. Sie ist demnach nicht natürlichen Ursprungs, sondern der Mensch stellt sie her, indem er durch seinen freien Willen seine natürlichen Bedürfnisse dem Wohlstand unterwirft. In dem Maße, wie ihm dies gelingt, ist er tugendhaft. Ebenso wie die Gesetze des Wohlstandes, ist das, was Tugend beinhaltet, bei Ziegler nicht eindeutig zu definieren. Als einzelne Tugenden erwähnt sie die Verschwiegenheit, die Sparsamkeit und die Großmut87, ansonsten definiert sie Tugend über den Gegenbegriff, das Laster. Tugend ist darüber hinaus abhängig von dem Kontext, in dem eine Handlung stattfindet. Die Tugend der Sparsamkeit kann schnell zum Geiz oder die Tugend der Großmut zur Verschwen- dungssucht werden.88 Richtmaß für die Tugend ist wiederum die Vernunft, sie allein kann erkennen, was gut und was böse, was Tugend und was Laster ist und das men- schliche Handeln entsprechend ausrichten. Nur mittels der Vernunft ist es daher mög- lich, tugendhaft zu sein. Vernunft, Wohlstand und Tugend sind demnach für Ziegler keine Begriffe die additiv nebeneinander stehen, sondern es handelt sich um ein dynamisches Beziehungsgefüge. Grundlage dieses Beziehungsgefüges ist die Natur, da sie den Menschen mit seinen Fähigkeiten ausstattet. Der Mensch kann seine natürlichen Fähigkeiten zwar beschrän- ken, aber er kann keinen Einfluß darauf nehmen, welche ihm mitgegeben werden. D.h. die Natur ist zwar Voraussetzung, steht aber außerhalb des Gefüges, da sie sich dem menschlichen Einfluß entzieht. Vernunft und Wohlstand sind Begriffe mit disziplinie- rendem Charakter. Sie ordnen und setzen Grenzen für das menschliche Handeln. Die Gesetze des Wohlstands und damit auch die Tugend sind durch den Menschen beein- flußbar und basieren auf seinem freien Willen. Die Vernunft ist der Maßstab für Wohlstand und Tugend und der zentrale Terminus in diesem Gefüge. Alle drei Begriffe 87 Münch unterscheidet in Zusammenhang mit Tugend, die die sozialen Beziehungen regulierenden Verhaltensweisen und die ökonomischen Tugenden, die in enger Beziehung zu Ordnung, Fleiß und Sparsamkeit stehen. Münch, Paul (Hg.): Ordnung, Fleiß und Sparsamkeit. Texte und Dokumente zur Entstehung der "bürgerlichen Tugenden", München 1984. Dürr kommt in ihrer Untersuchung über Tugenden der Hausstände zu dem Ergebnis, daß Tugend sich zunächst nach einem an Arbeitsaufgaben und Standeszugehörigkeit orientierten Wertekanon und erst dann nach der Geschlechtszugehörigkeit richtet. Dürr, Renate: Mägde in der Stadt. Das Beispiel Schwäbisch Hall in der Frühen Neuzeit, Frankfurt am Main und New York 1995 (=Geschichte und Geschlechter; 13), S. 109-144. Welche Inhalte für Ziegler mit dem Begriff Tugend verbunden waren, kann an dieser Stelle nicht weiter nachgegangen werden. 88 Ziegler, Moralische und vermischte Send=Schreiben, Nr.17, S. 71, Nr. 61, S. 253. 2. Die Moralischen Sendschreiben: Christiana Mariana von Ziegler als Sittenlehrerin 42 sind dynamisch, d.h. sie verändern und formen sich durch das menschliche Handeln. Darüber hinaus korrespondieren sie miteinander: Es ist nicht möglich gegen die Regeln des einen zu verstoßen, ohne die anderen beiden mit zu verletzen. Im folgenden soll die Ausgestaltung der einzelnen Themenkreise skizziert werden.89 Die Themenkreise Laster Die Sendschreiben, die das Laster zum Thema haben, handeln von den schlechten Ge- wohnheiten der Menschen. Laster, die sie nur im Zusammenhang mit Frauen diskutiert, sind Heuchelei, oft verbunden mit Schmähsucht, Eitelkeit, Ehrsucht und Verschwen- dungssucht. Frauen, die diese Laster haben, geben vor, mehr zu sein, als sie eigentlich sind. Diejenigen, die der Ehrsucht verfallen sind, erwarten mehr Ehrerbietung, als ihnen eigentlich zusteht. Zu Verschwendungssucht neigen vor allem Frauen von Emporköm- mlingen, d.h. solche von niederer Herkunft, die aber zu Geld und Gut gekommen sind. Als männliche Laster beschreibt Ziegler die Selbstüberschätzung, das Tabak- und Pfeiferauchen, die Spielsucht, unnötigen Aufwand und die Streitsucht. Die Selbstüber- schätzung handelt sie im Zusammenhang mit der Gelassenheit der Stoiker ab. Die Autorin hält diese für eine Täuschung, denn sich allen Widrigkeiten des Lebens ge- genüber gelassen verhalten zu wollen, ist eine Überschätzung der menschlichen Natur. Darüber hinaus handelt es sich dabei oft um Gleichgültigkeit, die nicht mit Gelassenheit zu verwechseln ist. Gelassenheit ist etwas anderes, als lediglich so zu tun, als wenn man durch nichts erschüttert werden könne. Unnötigen Aufwand zu treiben, ist nicht das gleiche wie Verschwendungssucht. Sie tadelt hier eine Person, die ihr Geld für Dinge ausgibt, die zwar nützlich, aber nicht notwendig sind. Bei diesem Themenkreis wird deutlich, daß es bei allen Handlungen um das Maßhalten geht. Es gibt immer das richtige Maß zwischen dem, was dem Wohlstand entspricht und dem Ausarten in Laster. Spielen und Trinken z.B. sind grundsätzlich erlaubt, sie werden erst zum Laster, wenn sie im Übermaß betrieben werden. Worin das richtige Maß besteht, bestimmt immer die Vernunft, d.h. alle Handlungen müssen mit Vernunft einhergehen. 89 Die Reihenfolge der einzelnen Themenkreise erfolgt hier nach der Häufigkeit des Auftretens der Themen. 2. Die Moralischen Sendschreiben: Christiana Mariana von Ziegler als Sittenlehrerin 43 Die Autorin geißelt aber auch Laster, die sowohl Männer als auch Frauen betreffen: Schwatzhaftigkeit, Eifersucht, Trunksucht und übermäßige Prachtentfaltung. Im Fall der Schwatzhaftigkeit, die im allgemeinen gesellschaftlichen Konsens nur Frauen zuge- schrieben wird, ist sie sogar der Meinung, daß Männer sich diesem Laster in viel größerem Maße hingeben. Eifersucht erwähnt sie in zweierlei Hinsicht, es gibt die Eifersucht von Frauen auf Frauen, die oft mit Ehrgeiz und Neid einhergeht, und die Eifersucht der Geschlechter untereinander. Einige Laster, die beide Geschlechter be- treffen, wirken sich bei Männern und Frauen unterschiedlich aus. So haben Männer Ehrgeiz in bezug auf ihren Beruf, während dieser sich bei Frauen auf ihr Standesbe- wußtsein bezieht. Der Geiz, von Ziegler als das schrecklichste aller Laster bezeichnet, zeigt sich bei Männern in übermäßiger Arbeit, um möglichst viel Geld zu verdienen und bei Frauen in übertriebener Sparsamkeit. Torheit Unter Torheiten versteht Ziegler Handlungen, die von Menschen begangen werden, die besonders einfältig sind. Den Frauen wirft Ziegler vor allem Leichtgläubigkeit und übermäßige Phantasie vor. Leichtgläubigkeit besteht darin, anderen Menschen zu sehr zu vertrauen, aber auch an Träume oder Gespenster zu glauben, also an Dinge, die mit der Vernunft nicht zu erklären sind. In die Kategorie übermäßige Phantasie fällt die Angst vor Gewitter oder auch der Glaube an Wunder. Torheit ist aber auch, mit etwas zu hadern, was nicht zu ändern ist, übermäßig neugierig zu sein, oder mehr scheinen zu wollen als man in Wirklichkeit ist, z.B. indem man sich schminkt. Die männlichen Torheiten sind der Aberglaube, der Glaube an die Unabänderlichkeit des Schicksals oder auch beim Lotteriespiel mit Gewinnen zu rechnen. Insgesamt sind es alles Hand- lungen, bei denen es an Vernunft mangelt. Ein Sendschreiben beschäftigt sich darüber hinaus mit dem Umgang mit sogenannten Toren, also mit Menschen, die die Vernunft verloren haben. Im Gegensatz zum Laster finden sich in diesem Themenkreis keine geschlechtsübergreifenden Zuschreibungen. Freundschaft In den Sendschreiben, die sich explizit mit dem Thema Freundschaft befassen, unter- scheidet Ziegler zwischen wahren Freunden und solchen, die sich nur Freunde nennen, aber hinter dem Rücken lästern und schmähen. Es gibt auch Freunde, die sich nur oberflächlich für einander interessieren und gesellschaftlichen Umgang miteinander 2. Die Moralischen Sendschreiben: Christiana Mariana von Ziegler als Sittenlehrerin 44 pflegen. Die Schlußfolgerung, die die Autorin daraus zieht ist: Man muß gegen alle höflich, gegen einige freundlich und gegen sehr wenige vertraut sein. Wahre Freund- schaft beweist sich aber erst bei besonderen Umständen oder Schicksalsschlägen.90 Wer sich dann noch als Freund bezeichnet, ist ein wahrer Freund. Freundschaft ist für Ziegler ein wechselseitiges Geben und Nehmen.91 Ehe Im Themenkreis Ehe handelt Ziegler vor allem zwei Aspekte ab: die Wahl des richtigen Ehegatten und das Verhalten der Geschlechter innerhalb der Ehe.92 Als die Erfahrenere gibt sie Ratschläge an die kommende Frauengeneration. Die Auswahl des Ehegatten muß mit Vernunft geschehen. Schönheit, Ehre und Geld sollten keine Kriterien sein, sondern vielmehr die Übereinstimmung der Charaktereigenschaften. Frauen müssen bei der Wahl besonders vorsichtig sein, denn für sie gibt es innerhalb der Ehe keine Ausweichmöglichkeiten, während der Mann über außerhäusige Kontakte verfügen kann. Die richtige Wahl des Ehegatten ist also eine Vorentscheidung über ein ange- nehmes oder ein unglückliches Leben. Wichtig für ein ausgeglichenes Eheleben ist darüber hinaus das Verhalten innerhalb der Ehe. Die Ehegatten haben gegeneinander bestimmte Pflichten und Rechte. Es ist die Pflicht der Frau sich des Hauswesens anzunehmen, sparsam zu wirtschaften und das gemeinsame Zuhause so zu gestalten, wie ihr Ehegatte es wünscht. Dieser wiederum hat sich ihr gegenüber vernünftig und bescheiden93 aufzuführen. In Konfliktsituationen kann er ihr Vorhaltungen machen, dies soll jedoch ohne Strenge und Gewalt geschehen, 90 Damit ist Ziegler nicht unter die "exzessive Freundschaftsbegeisterung" zu fassen, die in der For- schung für die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts festgestellt wird. Barner, Wilfried: Gelehrte Freundschaft im 18. Jahrhundert. Zu ihren traditionalen Voraussetzungen, in: Frauenfreundschaft - Männerfreundschaft: literarische Diskurse im 18. Jahrhundert, hg. v. Wolfram Mauser und Barbara Becker-Cantarino, Tübingen 1991, S. 23-45, hier S. 23. 91 Zum Wandel der Freundschaftsvorstellungen im 18. Jahrhundert vgl. Meyer-Krentler Eckhardt: Freundschaft im 18. Jahrhundert. Zur Einführung in die Forschungsdiskussion, in: Frauenfreundschaft - Männerfreundschaft: literarische Diskurse im 18. Jahrhundert, hg. v. Wolfram Mauser und Barbara Becker-Cantarino, Tübingen 1991, S. 1-22. 92 Heuser behauptet, daß Ziegler innerhalb der Sendschreiben sich widersprechende Stellungnahmen habe. Als ein Beispiel führt sie das Thema Ehe und die Tatsache an, daß Ziegler anderen die Ehe empfiehlt, sie aber für sich ablehnt. Da es sich aber um Empfehlungen für unverheiratete junge Frauen handelt, ist dies kein Widerspruch. Witwen wie sie selbst eine ist, empfiehlt Ziegler unverheiratet zu bleiben. Wenn man genau liest, stellt sich heraus, daß es sich um keinen Widerspruch handelt, son- dern um unterschiedliche Aspekte der gleichen Sache. Heuser, Musenchor, S. 300f. 93 Bescheiden bedeutet in diesem Zusammenhang, dem Anderen die ihm gebührende Ehre einzuräumen. Artikel ‘Bescheiden’, in: Grimm, Bd. 1, Sp. 1443-1557; Artikel ‘Bescheidenheit’, in: Zedler, Bd. 3, Sp. 1466-1468. 2. Die Moralischen Sendschreiben: Christiana Mariana von Ziegler als Sittenlehrerin 45 da diese bei einer Frau nichts ausrichten. Die Ehefrau hingegen soll Vergehen des Mannes hinnehmen, ohne sich zu beklagen. Diese Unterordnung der Frau unter den Mann begründet Ziegler nicht mit "weiblicher Schwäche", sondern durch die gottgewollte Ordnung.94 Auch wird von ihr die Ehe als weiblicher Lebensentwurf nicht in Frage gestellt. Die Ehe gehört zu den Pflichten, die Frauen gegenüber der Allgemein- heit zu erbringen haben. Daß die Autorin dennoch ein eher negatives Eheverständnis hat, zeigt sich an ihren Aussagen zu Witwen. Eine Witwe hat ihre gesellschaftlichen Pflichten bereits erfüllt; für sie gibt es kaum Gründe, erneut zu heiraten. Im Witwen- status sind Frauen unabhängig und müssen niemandem Gehorsam leisten. Außerdem können sie über ihr Vermögen allein bestimmen, d.h. sie können ihr Leben relativ frei gestalten. Bei dem Themenkreis Ehe kommt das dynamische Beziehungsgefüge von Vernunft, Wohlstand und Tugend deutlich zum Tragen: Eine Ehe einzugehen, entspricht den Regeln des Wohlstandes und ist tugendhaft, dabei muß aber die Vernunft gebraucht werden, sonst wird die Ehe unglücklich. Gelehrsamkeit Das Thema Gelehrsamkeit wird von Ziegler ebenso geschlechtsbezogen diskutiert. Die Texte, die über Gelehrsamkeit im Zusammenhang mit Erziehung handeln, sollen weiter unten einer genaueren Analyse unterzogen werden. Darüber hinaus gibt es zwei Sendschreiben, in denen Ziegler mit männlichen Gelehrten über Disputationen und gelehrte Journale, sogenannte gelehrte Geburten, diskutiert.95 Bei den Disputationen rät die Autorin zur Vorsicht, da nicht immer gesichert sei, daß der Verfasser eines gelehrten Werkes und derjenige, der seinen Name auf das Titelblatt setzt, identisch sind. Bei den gelehrten Journalen stellt sich das Problem, daß ihre Qualität vom Rezensenten abhän- gig ist. Es besteht die Gefahr, daß diese von etwas reden, von dem sie nichts verstehen, daß sie ein Werk schlecht machen, weil sie dem Verfasser schaden möchten, oder daß sie es zu positiv darstellen, weil sie ihm Vorteile verschaffen möchten. Daher ist es am sinnvollsten, die Werke selbst zu lesen. Auffallend ist, daß Ziegler sich bei diesen 94 Hierbei handelt es sich um die einzige Stelle in den ‘Sendschreiben’, wo Gott als Ordnungsprinzip auftritt. 95 Gelehrte Journale berichten ausschließlich von den Neuigkeiten der gelehrten Welt. Dort wurden Bücher angekündigt und besprochen und Neuigkeiten über Personen der gelehrten Welt verbreitet. Eine der bekanntesten und ältesten dieser Art sind die "Neuen Zeitungen von gelehrten Sachen" in Leipzig. 2. Die Moralischen Sendschreiben: Christiana Mariana von Ziegler als Sittenlehrerin 46 Themen besonders legitimiert. In beiden Sendschreiben schreibt sie, daß sie als Frau zu diesem Thema eigentlich nichts sagen kann, sie zeigt aber durch ihre sachliche Kritik ihre Kompetenz. Dichtung und Musik Im Themenkreis Dichtung und Musik befaßt sich Ziegler in der Hauptsache mit der Dichtung und ihren verschiedenen Formen: die Dichtung, die Satire, die Übersetzungen und die Opern. Die Dichtung hat nach ihrer Ansicht eine Abwertung erfahren. Jeder, der ein paar Zeilen zu Papier bringe, glaube inzwischen, er sei ein Dichter. Das Dichten müsse jedoch durch Anleitung und Übung erlernt werden. Zudem gehöre zur echten und wahren Poesie Vernunft, Wohlstand, Behutsamkeit und Bescheidenheit, denn es reiche nicht aus, einfach nur Stadt=Histörgen zu erzählen. Eine besonders nützliche Art des Schreibens ist die Satire, aber auch hier nur solange sie die Grenzen des Wohlstandes nicht verletzt. Übersetzungen hält Ziegler für sehr hilfreich und lobenswert. Sie sieht hier jedoch das Problem, daß die meisten Übersetzer durch zu viele Anmerkungen eher Interesse daran haben, die Autoren zu schmähen oder ihre eigenen Ideen anzubringen als dem Leser einen Dienst zu erweisen. Über Opern schreibt Ziegler nicht im Zusammenhang mit Musik, sondern sie äußert sich kritisch zu deren Inhalten. Die Oper handelt meist von Liebesabenteuern und Intrigen, die Autorin zieht daher die gesetzten Komödien96 vor, da diese oft etwas Moralisches oder Belehrendes enthalten. Vernunft und Wohlstand sind also auch auf dem Gebiet der Dichtung zentrale Kriterien, ohne die diese keinen Nutzen für die Gesellschaft hat. Nur eines der Sendschreiben beschäftigt sich ausschließlich mit dem Thema Musik. Darin äußert sich die Autorin nicht nur kenntnisreich über die unterschiedlichen Arten von Musik, sondern sie übernimmt auch das Matronat für junge Musiker. Diese seien häufig auf Gelegenheitsverdienste angewiesen und werden darüber hinaus für ihre Bemühungen schlecht entlohnt. Daher bittet sie den Adressaten dieses Schreibens und damit auch ihre Leserschaft, ihr doch Kenntnis von erledigten Stellen für Musiker zu geben, da sie genug von diesen kenne, denen sie gerne weiterhelfen würde. 96 Unter ernsthaften Komödien versteht Ziegler Stücke, die moralische oder historische Inhalte vermitteln. 2. Die Moralischen Sendschreiben: Christiana Mariana von Ziegler als Sittenlehrerin 47 Ein weiteres Sendschreiben handelt sowohl von der Dichtung als auch von der Musik. Dort geht es vor allem um die Verteidigung der Ausübung dieser Künste durch Frauen. Es ist zwar gesellschaftlich erwünscht, daß Frauen ein Musikinstrument beherrschen, doch beschränkt sich dies auf Klavier und Laute. Ziegler setzt sich hier für die Flöte ein, die in Deutschland allgemein den Männern vorbehalten war. Darüber hinaus verteidigt sie in diesem Sendschreiben auch den Umstand, daß Frauen ihre Texte veröffentlichen. Damit forderten sie zwar das Urteil der Welt heraus, doch sollten sie davor keine Angst haben, da alle ihre Handlungen diesem Urteil unterworfen seien. Wenn es sich um ein vernünftiges Urteil handele, sei dieses nur vorteilhaft, da es Fehler zu verbessern helfe. Stadt/Land Das Leben auf dem Land stellt die Autorin als ein einfaches Leben in Einklang mit der Natur dar. Dort werden die alten Sitten noch geachtet und die Menschen sind ehrlich zueinander. Der Zugang zu Gelehrsamkeit ist auf dem Land jedoch erschwert; denn es fehlen so wichtige Möglichkeiten wie die gesellschaftlichen Zusammenkünfte oder auch die Gelegenheit, gelehrte Journale zu erwerben. Das Landleben ist zwar bescheidener, dafür aber auch mit weniger Anteil an Gelehrsamkeit als das Leben in der Stadt. Wirtschaften Bei diesen Sendschreiben geht es Ziegler darum, darzustellen, was wirklich wirtschaft- lich handeln bedeutet. Sie hat verschiedene Negativbeispiele dafür, was geschieht, wenn jemand Geld sparen will, dadurch aber welches verliert. So sollte man z.B. einen guten Verwalter nehmen, wenn der Landbesitz so groß ist, daß man sich nicht selbst darum kümmern kann. Es ist unwirtschaftlich, sein Land zu verpachten, da ein Pächter versucht, möglichst viel Gewinn zu machen, ohne die Böden zu schonen. Ein anderes Beispiel für Sparsamkeit am falschen Ort ist die Erziehung der Söhne. Es ist wirt- schaftlicher, viel Geld für einen guten Hofmeister auszugeben als einen schlechten für wenig Geld einzustellen. Bei diesem besteht die Gefahr, daß er die Gelder seines Zöglings veruntreut oder daß er auf dessen Kosten ein angenehmes Leben führt. Solche Probleme werden von Ziegler nicht geschlechtsbezogen diskutiert, sondern sowohl mit Frauen als auch Männern. 2. Die Moralischen Sendschreiben: Christiana Mariana von Ziegler als Sittenlehrerin 48 Tod Die Angst vor dem Tod, die Überwindung der Trauer und die Überhöhung der Toten in den Leichenpredigten sind Themen, die in diesem Themenkreis behandelt werden. Die Angst vor dem Tod ist weit verbreitet. Meist sind es junge Menschen, die nicht sterben wollen. Aber auch reiche, angesehene und ebenso häufig alte Menschen haben be- sondere Angst vor dem Tod. Ziegler erachtet diese Angst für unvernünftig, da die ganze Welt, trotz aller Vergnügungen, nur ein Trugbild sei und der Tod in den sicheren Hafen der Zufriedenheit führt. Die Trauer, die mit dem Tod eines Angehörigen verbunden ist, ist gerechtfertigt; das Gemüt muß jedoch anschließend auch wieder zur Ruhe kommen. Besonders wenn junge Menschen sterben, kommt es auf die Art des Todes an. Es kann für die Angehörigen tröstlich sein, wenn der Sterbende seinem Tod gefaßt entgegen gesehen hat oder wenn er im Feld gefallen ist, denn für das Vaterland zu sterben ist eine besondere Ehre. Darüber hinaus ist es trostreicher, einen Menschen auf gewöhnliche Art zu verlieren, als z.B. durch einen Zwey=Kampff.97 Eines der Sendschreiben befaßt sich mit der Unsitte, die Toten durch Trauerreden künstlich zu erhöhen und ihnen Eigen- schaften beizulegen, die sie zu Lebzeiten nicht hatten. Auch dem Tod muß also mit Vernunft begegnet werden, denn er ist ein unabänderliches Naturgesetz und sich gegen ihn aufzulehnen, ist unvernünftig. Stand und Rang Ziegler thematisiert hier Konflikte, die entstehen, wenn Frauen wegen Rang- oder Standeserhöhung ihres Ehemannes hochmütig werden. Ein solcher gesellschaftliche Aufstieg führt häufig zum Mißbrauch, der sich z.B. in überzogener Kleidung und unerträglicher Überheblichkeit äußert. Nach Ansicht der Autorin kommt es jedoch nicht auf Rang, Stand und Geburt an, sondern allein auf die durch Verstand und Vernunft erworbene Würde. Diese Sendschreiben richten sich ausschließlich an verheiratete Frauen, da solche Konflikte wahrscheinlich nur Frauen betreffen, deren Stand und Rang durch den Ehemann bestimmt wird. 97 Im Gegensatz zum Duell wurde der Zweikampf ohne Kartellbrief und Sekundanten, also völlig ohne Regeln durchgeführt. Schulze, Leipzigs Kulturgeschichte, S. 73. 2. Die Moralischen Sendschreiben: Christiana Mariana von Ziegler als Sittenlehrerin 49 Liebe Sendschreiben mit diesem Thema behandeln die Liebe zwischen Mann und Frau, die Eigenliebe thematisiert Ziegler im Zusammenhang mit Eifersucht. Die Liebe bezeichnet die Autorin als eine der stärksten Neigungen des Menschen, die nur mit Hilfe der Vernunft gezügelt werden kann. Es gibt zwei Arten von Liebe: die edle Liebe, der die Tugend zugrunde liegt, und die wollüstige Liebe, die auf dem Laster basiert. Die edle Liebe ist für beide Geschlechter mit Gefahren verbunden. Frauen müssen jedoch besonders vorsichtig dabei sein, da sie leicht ihre Ehre verlieren können. Während sie sich vor heuchlerischen und schmeichlerischen Männern in acht nehmen müssen, sollten sich Männer vor eigennützigen Frauen hüten. Die Liebe sollte also immer mit Tugend und Vernunft einhergehen. Sonstige Drei Sendschreiben lassen sich keinem der oben aufgeführten Themenkreise zuordnen. In einem der Schreiben kündigt die Autorin der Adressatin auf scherzhafte und ironische Weise in der Sprache des Kampfes ihren Besuch an. Ein anderer Text handelt die Schwierigkeiten eines munteren und aufgeräumten Charakters ab; dieser kann leicht als mangelnde Tugend ausgelegt werden. Das dritte Sendschreiben hat einen stark patriotischen Anklang und beschäftigt sich mit den Vorzügen Dresdens gegenüber Paris. 2. Die Moralischen Sendschreiben: Christiana Mariana von Ziegler als Sittenlehrerin 50 2.4 "Es kommt gantz ohnstreitig auf die Kinderzucht das meiste an": Exemplarische Analyse des Themenkreises Erziehung Diese Feststellung Zieglers98 zeigt ebenso wie die große Zahl der Sendschreiben, die sich mit dem Thema beschäftigen, daß ihr die Erziehung von Kindern und Heran- wachsenden ein besonderes Anliegen war. Ziegler selbst benutzt in den Sendschreiben den Begriff Kinderzucht; da Kinderzucht und Erziehung jedoch die gleiche Konnotation haben, wird in der vorliegenden Arbeit der Begriff Erziehung benutzt. Im folgenden sol- len Zieglers Aussagen in Hinblick auf die Aufgaben der Eltern und Hofmeister, die thematisierten Erziehungsprobleme und ihre Unterscheidung in bezug auf die Ge- schlechter analysiert werden. In den Sendschreiben, die über Erziehung handeln, kommen drei Gruppierungen vor: Eltern, Söhne und Töchter. Teilweise benutzt Ziegler auch den Begriff Kinder, jedoch wird er von ihr nicht eindeutig verwandt. Häufig schreibt sie über Kinder; aus dem Kontext läßt sich aber nachweisen, daß sie die Erziehung von Söhnen oder Töchtern diskutiert. Erziehung wird von ihr also geschlechtsbezogen abgehandelt. Die Eltern Ein Teil der Sendschreiben aus dem Bereich der Erziehung sind als Erziehungsanleitung für Eltern zu verstehen. Die Eltern treten den Kindern als erziehendes Paar gegenüber. Dementsprechend differenziert Ziegler in ihren Texten nicht, welche Aufgaben der Mutter und welche dem Vater bei der Erziehung zukommen. Implizit nimmt die Autorin eine geschlechtsbezogene Differenzierung vor. Diese wird nur erkennbar, wenn man den Adressatenkreis der Sendschreiben im Zusammenhang mit den angesprochenen Themen untersucht. Dann läßt sich aufzeigen, daß sie mit den Vätern über die Söhne und mit den Müttern über die Töchter diskutiert.99 Oberstes Ziel ist es, die Kinder und Heranwachsenden zu tüchtigen und würdigen Mitgliedern der menschlichen Gesell- schaft zu erziehen.100 Dabei sind die Eltern der wichtigste Faktor; sie können viel bewirken, aber auch viel verderben. Das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern wird als liebevoll bezeichnet. Die Zuneigung der Eltern zu ihren Kindern ist ein natürlicher 98 Ziegler, Moralische und vermischte Send=Schreiben, Nr. 28, S. 115. 99 Es gibt eine Ausnahme von diesem Schema; dabei handelt es sich um eine Witwe, die um Rat wegen ihres Sohnes anfragt. Ziegler, Moralische und vermischte Send=Schreiben, Nr. 84, S. 344-348. 100 Ebd., Nr. 8, S. 34f., Nr. 84, S. 347. 2. Die Moralischen Sendschreiben: Christiana Mariana von Ziegler als Sittenlehrerin 51 Trieb101, der sich jedoch schnell zu deren Schaden auswirken kann. Diese natürliche Neigung muß daher durch die Schranken der Vernunft und die Gesetze des Wohlstandes gebändigt werden.102 Eltern - hier besonders die Mütter - neigen schnell dazu, ihre Kinder zu verzärteln, was diese verdirbt und hochmütig macht.103 Verzärteln bedeutet für Ziegler, daß Eltern ihre Kinder, statt ihrem Alter gemäß mit ihnen umzugehen, wie kleine Erwachsene ausstaffieren.104 Unter dem Vorwand der Elternliebe realisieren sie ihr eigenes Repräsentationsbedürfnis über ihre Kinder. Damit enthalten sie ihren Kin- dern nicht nur das vor, was ihrem Alter gemäß ist, sondern nehmen ihnen auch zugleich die altersspezifische Erfahrung. Kinder sollten also von ihren Eltern nicht übermäßig verwöhnt werden, aber es sollen bei der Erziehung auch keine Zwangsmittel angewendet werden: Vernunft und Behutsamkeit sollen alle Erziehungshandlungen begleiten.105 Eine der wichtigsten Aufgaben der Eltern bei der Kindererziehung sieht Ziegler in deren Vorbildfunktion. Durch ihren eigenen untadeligen Lebenswandel nach den Regeln der Ehrbarkeit sollen sie ihren Kindern ein Beispiel geben.106 Tun sie dies nicht oder lassen sie es an der notwendigen Vorsorge mangeln, ist es ihr Verschulden, wenn die Kinder aus der Art schlagen.107 Auch wenn die Erziehung durch fremde Personen mißlingt, gibt Ziegler den Eltern die Verantwortung. Zwar können sie die Erziehung an Hofmeister 101 In der Leichenpredigt der Jungfrau Elisabeth Eichholtz von 1652 wird die Liebe der Eltern gegen ihre Kinder folgendermaßen definiert: Und obwol die Natur und wolbekantes Sprüchwort bezeugen daß die natürliche Zuneigung unnd hertzliche Liebe nicht so sehr aus den Hertzen der Kinder auffwarts ihrer Eltern und Groß=Eltern Hertzen steige als vielmehr aus denselbigen sich in der Kinderhertzen herunter lasse... Hülsemann, Johann: Leichenpredigt zu Elisabeth Eichholtz geb. Heustein, Leipzig 1652. Ebenso wie bei Christiana Mariana von Ziegler wird hier mehr von einer Liebe der Eltern gegen ihre Kinder ausgegangen, die Kinder sind den Eltern weniger Liebe denn Gehorsam schuldig. 102 Kein vernünftiger Mensch wird zwar denenselben [den Eltern] verargen, wenn sie eine zärtliche Liebe vor ihre Kinder hegen, weil die Natur sie selbst darzu verbindet, und ihnen dergleichen Trieb und Neigung in Hertz und Seele gepräget. Allein sie muß die Schrancken der Vernunfft nicht übersteigen, vielweniger die Gesetze des Wohlstandes verletzen; Ziegler, Moralische und vermischte Send=Schreiben, Nr. 8, S. 33. 103 Ebd., Nr.8, S. 33, Nr. 84, S. 346f., Nr. 93, S. 384. 104 In den ersten und zarten Jahren macht man kleine Junckers aus ihnen. Die Kleider müssen alle chameriret seyn, das Seiten=Gewehr, welches vielmahl grösser, als das Knäblein selber ist, wird ihnen zierlich angehangen, da sie doch den Griffel dafür zur Hand nehmen solten. Ebd., Nr. 84, S. 346. 105 Kurtz er [der Erzieher] muß die Vernunft bey allen seinen Handlungen und Lehren mit einer Behutsamkeit verbinden, und seinen Untergebenen niemals Gelegenheit geben eine Mißtrauen in ihn zu setzen. Ebd., Nr. 17, S. 72. Einmal ist es ausgemacht, daß Eltern überhaupt ihre Kinder zu nichts zwingen sollen, worzu sie nicht ein natürlicher Zug und innerlicher Trieb anflammet; Ebd., Nr. 81, S. 333f. Vgl. auch ebd., Nr. 84, S. 347. 106 Geben nun vernünfftige Eltern durch ihr untadelhaftes Bezeigen ihren aufwachsenden Kindern eine gute Vorschrift, so kan die Nachahmung ohnmöglich übel gerathen, denn ein gutes Muster giebet allezeit Anlaß zu einer schönen Copey. Ebd., Nr.8, S. 33f. 107 Ebd., Nr. 8, S. 34f., Nr. 17, S. 69f., Nr. 84, S. 346, Nr. 93, S. 384f. 2. Die Moralischen Sendschreiben: Christiana Mariana von Ziegler als Sittenlehrerin 52 oder Aufseherinnen abgeben, dabei müssen sie jedoch genügend Sorgfalt bei der Auswahl der Erzieher walten lassen und bereit sein, ausreichend Geld für gute Erzieher auszugeben. Die Vorbildfunktion ist allerdings nicht auf die Eltern begrenzt, sondern ist auch die Pflicht anderer vernünfftiger und erfahrener Leute, aus deren Umgang ein junger Mensch die Pflichten eines gesetzten und manierlichen Mitglieds menschlicher Gesellschaft erlernen soll.108 Der Umgang mit Personen aus vornehmen Familien, mit Menschen unterschiedlichen Standes und Geschlechts lehrt beide Geschlechter ein tugendhaftes und gesittetes Verhalten. Die Orte, an denen beiden Geschlechtern dieses Wissen am ehesten vermittelt werden kann, sind für Ziegler die ‘gesellschaftlichen Zusammenkünfte’; sie dienen als Tugend- und Sittenschule.109 Gemeint sind jedoch nicht die Zusammenkünfte, in denen nur Kaffee getrunken und gespielt wird, sondern die mit ernsthaftem Anliegen.110 Sie sind in den Städten häufiger zu finden als auf dem Land, weshalb die Erziehung in der Stadt von ihr höher eingeschätzt wird als die auf dem Land.111 Die immense Bedeutung, die Ziegler den Eltern bei der Erziehung der Kinder zuweist, ist bemerkenswert. Sie sind durch ihr Beispiel Vermittler von Vernunft, Wohlstand und Tugend, also der Normen für ein geregeltes menschliches Zusammenleben. Die Eltern müssen demnach bestimmte Voraussetzungen zur Erziehung mitbringen, damit sie das darstellen können, was sie vermitteln wollen. Auch Aufseherinnen und Hofmeister 108 Ebd., Nr. 64, S. 265f. 109 Deswegen aber wird jungen Leuten mit einander umzugehen gar nicht verwehret, denn beyde Theile des menschlichen Geschlechts, haben sich von denen Gesellschaften viel gutes zu versprechen; Sie werden darinnen geschickt und aufgeweckt, woferne sie nur die Gräntzen des Wohlstandes nicht überschreiten. Ebd., Nr. 71, S. 295f. Vgl. hierzu auch die Nr. 13, S. 56; Nr. 28, S. 115; Nr. 30, S. 123; Nr. 84, S. 345f. 110 Der „Leipziger Pestschade“ empfiehlt die gesellschaftlichen Zusammenkünfte als eines der besten Mittel, die nötige Gemütsruhe und zu bewahren und sich vor übertriebener Furcht zu schützen: „Hierzu dienet unter andern - sagt er -einige Christlichen und guten Freunde Conversation, die zu weilen mit zuläßlichen Gesprächen, Trost, Hülffe und ungewehrten Ergetzungen das Gemüth erquicken, und in einem ruhigen Stande erhalten.“ Zitiert nach Wustmann, Gustav: Die Vertraute Gesellschaft in Leipzig. Gestiftet im Herbst des Jahres 1680. Festschrift den Mitgliedern gewidmet vom Senior zum 22. November 1880, Leipzig 1880, S. 4. Die Leipziger Gesellschaft der Vertrauten hatte sich 1680 aus eben diesen Gründen anläßlich der grassierenden Pest gegründet. Bisher gibt es über die Leipziger Vertrauten noch keine Untersuchungen. 111 Ziegler, Moralische und vermischte Send=Schreiben, Nr. 28, S. 114-118; Nr. 84, S. 345. 2. Die Moralischen Sendschreiben: Christiana Mariana von Ziegler als Sittenlehrerin 53 können das Erziehungsziel nur erreichen, wenn sie von den Eltern unterstützt werden. Die besten Erzieher nützen nichts, wenn die Eltern selbst nicht tugendhaft sind.112 Die Erziehung der Söhne Die Erziehung der Söhne ist, zumindest ab einem gewissen Alter, an Institutionen gebunden. Sie sollten möglichst früh die Grundkenntnisse im Lesen und Schreiben er- werben, was zwar auch zu Hause stattfinden kann, aber am besten in niederen Schulen geschieht. Nach dem 12. Lebensjahr, im Anschluß an den Erwerb der Grundkenntnisse, sollen ernsthafte Sachen auf hohen und allgemeinen Schulen gelernt werden.113 Für Ziegler gehörte zum Ausbildungsgang der Söhne des gehobenen Bürgertums und des niederen Adels ein Universitätsstudium.114 Während dieser Phase stellt sich das Prob- lem der mangelnden Aufsicht und damit einhergehend das Problem der leichten Verführbarkeit junger Männer. Auch ein tugendhafter junger Mann kann durch falsche Vorbilder leicht vom Weg der Tugend geführt werden.115 Wenn möglich sollten sie daher unter die Aufsicht eines guten Hofmeisters gestellt werden, denn eine Vorbildfunktion können nur Erwachsene wahrnehmen, da sich die jungen Männer oft gegenseitig verführen.116 Dieser muß über besondere Eigenschaften verfügen. Es reicht nicht aus, einen gelehrten Mann anzustellen; er muß darüber hinaus mit Vernunft handeln und allezeit aufgeweckt und munter, doch nicht allzu frey, darbey sein; belebt, 112 Die Alternative des Internats wird von Ziegler nicht diskutiert. 113 Ziegler, Moralische und vermischte Send=Schreiben, Nr. 84, S. 346f., Nr. 93, S. 384. Welche Möglichkeiten ein junger Mann an der Universität Leipzig hat, wird von ihr ausführlich in einem der Sendschreiben beschrieben. Ebd., Nr. 13, S. 52-56. 114 Seit dem 16. Jahrhundert gehörte auch für Söhne des Niederadels, die im Landes- oder Reichsdienst Karriere machen wollten, eine akademische Ausbildung dazu. Münch, Paul: Lebensformen, Lebenswelten und Umgangserziehung, in: Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte, Bd 1: 15. bis 17. Jahrhundert. Von der Renaissance und der Reformation bis zum Ende der Glaubenskämpfe, hg. v. Notker Hammerstein. Unter Mitwirkung von August Buck, München 1996, S. 103-133, hier S. 117. Schulze gibt für die Universität Leipzig für das Jahr 1742 den Anteil der adeligen Studierenden mit 5% an. Schulze, Aus Leipzigs Kulturgeschichte, S. 73. Allerdings wurde der Zusatz „adelig“ auch immer mal vergessen, so ist Heinrich Levin von Könitz, der erste Ehemann Zieglers ohne diesen Zusatz in den Matrikeln der Universität Leipzig eingetragen. Erler, Georg (Hg.): Die Iüngere Matrikel der Universität Leipzig 1559-1809, Bd. 2, ND Nendeln/Lichtenstein 1976 (Leipzig 1909), S. 231. 115 Ziegler, Moralische und vermischte Send=Schreiben, Nr. 51, S. 210. Dies hatte durchaus einen realen Hintergrund. Es kam immer wieder zu allerlei Unfug und auch Ausschreitungen seitens der Studenten, die zu allen Zeiten behördliche Reglementierungen hervorriefen. Schulze, Aus Leipzigs Kulturgeschichte, S. 73. Auch Maurer in seiner Untersuchung zur Biographie des Bürgers weist daraufhin, daß "der Besuch der Universität als Versuchung, als eine Phase relaxierter Sozialkontrolle" galt. Maurer, Die Biographie, S. 240. 116 Ein junger Mensch kan des andern Sittenlehrer ohnmöglich seyn, einer verführt den andern, Sauffen und Spielen ist der gewöhnlichste Zeitvertreib, und bringet auch einer gleich die edelsten Eigenschafften und lobenswürdigsten Arten mit auf die Academie, so kan er doch leicht bey Känntniß unartiger Menschen seine ganze Gestalt verlieren ... Ziegler, Moralische und vermischte Send=Schreiben, Nr. 30., S. 123. Vgl. ebd., Nr. 28. 2. Die Moralischen Sendschreiben: Christiana Mariana von Ziegler als Sittenlehrerin 54 aber nicht wollüstig; zu gehöriger Zeit freigebig aber nicht verschwenderisch 117 sein. Wenn Ziegler schreibt, daß es die Aufgabe des Hofmeister sei, die Schwächen seines Zöglings zu stärken und dessen Stärken zu mäßigen, erscheint das mißverständlich. Sie hat jedoch ein eigentümliches Verständnis von Schwäche und Stärke. Die Schwächen werden von ihr als positive Anlagen verstanden, die noch nicht zur Entfaltung ge- kommen sind, die Stärken dagegen sind Wesensmerkmale, die der Zügelung bedürfen. Um das zu erreichen, muß ein Hofmeister seinem Zögling gegenüber sowohl Autorität besitzen als auch dessen Vertrauen genießen. In den bereits genannten gesellschaftlichen Zusammenkünfte sollen die jungen Männer mit Hilfe der Frauen lernen, sich bescheiden und klug aufzuführen. Doch sind sie nicht ganz ungefährlich für junge Männer, denn nicht alle Teilnehmerinnen der Salons eignen sich als Sittenlehrerinnen.118 Auch ist es nicht ganz einfach, Zutritt zu diesen Gesellschaften zu erhalten. Die übliche Eintrittskarte, die vornehme Geburt, reicht nicht aus. Ihre Reputation, die sie zur Anwesenheit berechtigt, müssen die jungen Männer aus ihrem eigenen angemessenen Verhalten beziehen.119 Es wird erwartet, daß sie die Sitten achten und nicht die Offenheit zwischen den Geschlechtern, die bei solchen Gesellschaften herrscht, falsch interpretieren. Diejenigen, die die Höflichkeit eines Frauenzimmers als Liebeserklärung ansehen oder mit ihren so gewonnenen Kontakten prahlen, dürfen trotz entsprechender Geburt nicht mehr teilnehmen. Eine weitere Möglichkeit, sich in tugendhaftem Verhalten zu üben, sieht die Autorin in den Kavaliersreisen, die häufig in Anschluß an ein Universitätsstudium stattfinden.120 Sie hält sie für sinnvoll, weil junge Männer auf ihnen polit, geschickt und erfahren werden.121 Auch die Sitten fremder Völker können als Tugend- und Sittenspiegel dienen. Auf diese Weise kann aber nur dann etwas gelernt werden, wenn die richtige Einstellung vorhanden ist, also wenn die Vernunft mitreist.122 Einen jungen Mann auf 117 Ebd., Nr. 17, S. 71. 118 Besonders hat eine junge Manns=Person sich vorzusehen, daß sie nicht an eine eigennützige Delila gerathe, oder aus der Circe Zauber=Becher einen Trunck bekomme. Finden sie hingegen Gesellschaften von sittsamen und manierlichen Frauenzimmer, so kan dergleichen Umgang ihnen statt einer Sitten=Schule dienen ... Ebd., Nr. 71, S. 296. 119 Ebd., Nr. 30, S. 122-126. 120 Nicht nur die Söhne des Niederadels, sondern auch die der reichen Leipziger Handelsherren vervollkommneten ihre Bildung durch Auslandsreisen. Kroker, S. 150. 121 Unter „polit“ versteht Christiana Mariana von Ziegler einen vernünfftigen, klugen und sich in die Welt schickenden Menschen. Ziegler, Moralische und vermischte Send=Schreiben, Nr. 53, S. 219. Zu den Vorteilen des Reisens vgl. auch ebd., Nr. 57, S. 235f. 122 Ebd., Nr. 70. 2. Die Moralischen Sendschreiben: Christiana Mariana von Ziegler als Sittenlehrerin 55 eine Kavaliersreise zu schicken, hält sie aber nur dann für zweckmäßig, wenn er die dort erworbenen Kenntnisse auch später einsetzen kann, d.h. wenn er eine Laufbahn am Hof oder beim Militär anstrebt. Um ein Rittergut zu führen, ist eine Kavaliersreise eher hinderlich, da die dabei erlernten Manieren bei ungereisten Nachbarn auf Ablehnung stoßen müssen.123 Damit ist die Berufswahl der jungen Männer angesprochen. Diese sollte in jedem Fall ohne Zwang geschehen. Zur Auswahl stehen Hofdienst, Militär- dienst, die adelige Landwirtschaft und die Universitätslaufbahn, wobei sie besonders den Militärdienst als Tugend- und Sittenschule wertet, in der die jungen Männer durch die strengen Regeln und Gesetze schnell zu tüchtigen Mitgliedern der Gesellschaft werden.124 Den Beruf des Kaufmannes zieht Ziegler offensichtlich nicht in Erwägung. Ziegler sieht also für eine vernünftige Erziehung der Söhne folgende Notwendigkeiten: gute Bildungseinrichtungen, kluge Lehrer und die Auswahl eines Berufes, der den in- neren Neigungen nicht widerspricht. Grundlegende Voraussetzungen sind aber tugend- hafte Eltern und der Umgang mit wohlgesitteten Menschen. Fehlt eine dieser Kompo- nenten, so besteht die Gefahr, daß die Erziehung mißlingt. Ein ernsthaftes Problem sieht sie in der Verführbarkeit der jungen Männer. Sie sind nicht nur verschiedenen Anfech- tungen durch ihre Geschlechtsgenossen ausgesetzt, sondern auch der durch Frauen. Die Schwierigkeit besteht darin, daß junge Männer, wenn sie auf die Universität gehen, dort fast auf sich allein gestellt sind. Auch wenn die Erziehung bis dahin erfolgreich war, besteht immer noch die Gefahr, alles zu verderben. Die Verantwortung der Eltern endet erst mit der Verheiratung der Söhne. 123 Ebd., Nr. 17, S. 72f. 124 Ebd., Nr. 51, S. 213, Nr. 81, S. 335f. 2. Die Moralischen Sendschreiben: Christiana Mariana von Ziegler als Sittenlehrerin 56 Die Erziehung der Töchter Die Erziehung der Töchter dient für Ziegler dem Ziel, gute Hauswirtinnen und geschickte und wohlgesittete Ehegattinen zu bilden. Für eine Tochter ist es unumgäng- lich, allerhand weibliche Wissenschaften und Künste zu erlernen, weil sich jedwedes Frauenzimmer allerdings der Wirtschaft annehmen müsse. 125 Trotzdem hat der Bereich der weiblichen Pflichten für sie keine besondere Priorität, denn es gehöre weder lange Zeit noch Kunst darzu, dieselbe(n) zu erlernen. 126 Sie fordert, daß eine geschickte und wohlgesittete Ehegattin über das Hauswesen hinaus den richtigen Umgang mit ihren Mitmenschen lernen sollte, d.h. sie muß frei reden und sich frei bewegen können. Wie bei den Söhnen sind auch für die Töchter die gesellschaftlichen Zusammenkünfte der Ort, an dem sie diese Fähigkeiten erwerben können.127 In diesem Zusammenhang diskutiert Ziegler, ob das Land oder die Stadt der bessere Ort für die Töchtererziehung ist. Obwohl die Erziehung auf dem Land den Vorteil hat, daß Töchter dort das Hauswesen besser erlernen können, zieht sie die Erziehung in der Stadt vor. Denn auf dem Land fehlt es an Zusammenkünften, in denen sie die Regeln des gesellschaftlichen Umgangs erlernen können. Für die Familien, die auf dem Land leben, heißt dies jedoch, daß sie ihre Töchter zur Erziehung in einen fremden Haushalt geben müssen. Wie bei den Söhnen, die außer Haus gehen, stellt auch hier die Auswahl eines geeigneten Hauses ein Problem dar, dem die Eltern sich mit großer Sorgfalt annehmen müssen. Die Aufseherinnen dürfen nicht zu streng sein, denn dann wird die Tochter blöde und niederträchtig, aber auch nicht zu nachlässig, denn dann besteht die Gefahr der Verführung.128 125 ...massen deren Besorgung mit unter die nothwendigen Pflichten unsers Geschlechtes gehöret; Ebd., Nr. 2, S. 9. 126 Ebd., Nr. 2, S. 9. 127 Ebd., Nr. 28, S. 116. 128 Ebd., Nr. 28, S. 116f. 2. Die Moralischen Sendschreiben: Christiana Mariana von Ziegler als Sittenlehrerin 57 In den meisten ihrer Sendschreiben zu Erziehung äußert sich Ziegler zu Ablauf und Methode. Das einzige Sendschreiben, in dem sie die Inhalte konkretisiert, befaßt sich mit dem Problem, ob Töchter das Schreiben erlernen sollen.129 Sie hält es für uner- läßlich, daß Töchter lernen, einen Brief richtig abzufassen, da ihrer Ansicht nach eine geschickte Ehefrau diese Fähigkeit haben sollte.130 Sie muß Klag= und Trost=Brief, bald aber Glückwunsch= oder anderes Schreiben dem Wohlstand nach 131 in einem klaren und reinen Deutsch abfassen können. Die Gefahr des Mißbrauchs durch das Schreiben von Liebesbriefen steht dazu in keinem Verhältnis, sie kann durch eine kluge und vernünftige Erziehung abgewendet werden. Bei den Töchtern wird das Problem der Verführbarkeit nicht so ausführlich diskutiert wie bei den Söhnen. Die Gefahr für eine Tochter, durch einen Mann verführt zu werden, war offenbar nicht so groß wie die, daß junge Männer durch z.B. verwitwete Frauen verführt wurden. Es ist davon auszugehen, daß Töchter fast immer, besonders aber wenn sie ausgingen, unter der Aufsicht ihrer Mutter standen. Sie befanden sich in der Obhut ihrer Eltern, bis sie mit ihrer Heirat in die Verantwortung des Ehemannes übergeben wurden. Bildungsreisen waren für sie nicht vorgesehen. Daher stellte sich bei ihnen dieses Problem nur, wenn sie in einem anderen Haushalt, also in fremde Aufsicht gegeben wurden. Die von Ziegler dargestellte geschlechtsbezogene Erziehung von Söhnen und Töchtern hängt mit den unterschiedlichen Aufgaben von Männern und Frauen in der Gesellschaft zusammen, nicht aber mit der unterschiedlichen anthropologischen Einschätzung. Dementsprechend findet die Erziehung zum Teil auch an unterschiedlichen Orten statt. Der Bereich, der jedoch beide Geschlechter betrifft, nämlich die Erziehung zu Wohl- stand und Tugend, kann nur an Orten stattfinden, wo diese aufeinandertreffen: in den gesellschaftlichen Zusammenkünften. Ziegler geht es um eine Gleichwertigkeit der Erziehung für beide Geschlechter, nicht aber um eine Gleichartigkeit. 129 Aus dem Inhalt dieses Sendschreiben läßt sich nicht erschließen, ob es um das Schreiben lernen überhaupt, oder um das korrekte Schreiben geht. Ebd., Nr. 12, S. 48-52. Ob die Fähigkeit des Schreibens erworben werden soll, wird nur in bezug auf Mädchen diskutiert. Bei Jungen wird ganz selbstverständlich vorausgesetzt, daß sie es lernen. Vgl. hierzu auch ebd., Nr. 84, S. 346. 130 Es ist in der That nichts kläglicheres, als wann ein Frauenzimmer, und zumahl von guten Stande und Geburth, nicht einen einigen Buchstaben ordentlich zu schreiben weiß ... Ebd., Nr. 12, S. 49. 131 Ebd., Nr. 12, S. 50. 2. Die Moralischen Sendschreiben: Christiana Mariana von Ziegler als Sittenlehrerin 58 Als weiteres wichtiges Erziehungsziel stellt Christiana Mariana von Ziegler die Gelehr- samkeit heraus.132 Grundbedingung dafür sind Verstand und Vernunft, Fähigkeiten, die die Autorin Männern und Frauen gleichermaßen zuschreibt.133 Dementsprechend war der Erwerb von Gelehrsamkeit durch Frauen in ihrer Jugend für sie ein wichtiges Anliegen. In einem Sendschreiben an eine adelige Frau, die um Rat wegen ihrer Tochter fragt, handelt sie programmatisch die Argumente ab, die im allgemeinen von Männern gegen die Gelehrsamkeit von Frauen vorgebracht werden. Die sogenannten Klüglinge und Rathgeber argumentieren auf zweierlei Weise: Die wenigsten Frauen seien in der Lage, die schwierigen Wissenschaften zu erlernen. Frauen hätten keinen Nutzen davon, da sie keine öffentlichen Ämtern bekleiden dürften. Wenn Frauen ihre Zeit auf die Wissenschaften verwenden würden, leide ihr eigentlicher Aufgabenbereich, nämlich die Haushaltung. Ziegler hält dem entgegen: Das Erlernen von Wissenschaften ist nicht schwer. Männer behaupten das, weil sie die weibliche Konkurrenz fürchten. Gerade Frauen haben aber die Geduld und den Fleiß, deren sich die Männer nur rühmen. Wenn sich eine Frau von Jugend an mit den Wissenschaften beschäftigt, kann sie es genauso weit darin bringen wie ein Mann.134 Natürlich müssen sich die Frauen des Hauswesens annehmen, aber daneben bleibt ihnen, so die Autorin, immer noch genug freie Zeit. Der Nutzen der Wissenschaften für eine Frau bestehe darin, daß sie in den gesellschaftlichen Zusammenkünften bei allen möglichen Themen mitreden kann.135 Da Frauen keine Universitäten besuchen können, müssen sie nach anderen Wegen suchen, sich Gelehrsamkeit zu verschaffen. Ziegler zeigt in ihren Sendschreiben verschiedene Wege dazu auf. Sie schlägt das Lesen von Romanen vor: dabei macht sie allerdings einen Unterschied zwischen schlechten Romanen, die grobe und unzüchtige Gedanken enthalten, und solchen, die als Sittenspiegel der Liebe dienen können.136 Darüber hinaus 132 Ebd., Nr. 2, S. 7f. Ziegler benutzt den Begriff ‘Gelehrsamkeit’ wie er im Universallexikon von Zedler definiert wird. Dort wird zwischen Gelehrsamkeit und Gelehrtheit unterschieden. Gelehrsamkeit ist das Vermögen durch denken Wahrheiten erkennen zu können, die nicht unmittelbar in die Sinne fallen. Damit sind Wahrheiten gemeint, die nicht auf einer Gedächtnisleistung beruhen, sondern durch eigenes Nachdenken erkannt werden. Gelehrtheit ist die bereits erworbene Erkenntnis dieser Wahrheiten. Artikel ‘Gelehrsamkeit’, in: Zedler, Bd. 10, Sp. 725. 133 Ziegler, Moralische und vermischte Send=Schreiben, Nr. 2, S. 8, Nr. 98, S. 409. 134 Als Beispiele führt sie hier die niederländische Universalgelehrte Anna Maria von Schurmann (1607- 1678) und die französischen Dichterinnen Madelen de Scudéry (1607-1701) und Anne Dacier (1651- 1720) an. Ebd., Vorbericht. 135 Ebd., Nr. 2, S. 5-9. Ähnlich argumentiert ca. 10 Jahre später auch Dorothea Christiane Leporin (1715- 1762). Leporin (1742) 1995, S. 232f. 136 Sie erwähnt hier die Octavia, den Arminius und die Asiatische Banise. Ziegler, Moralische und vermischte Send=Schreiben, Nr. 49, S. 203. Die Octavia ist ein fünfbändiges Werk zur römischen Geschichte, von Anton Ulrich, Herzog zu Braunschweig-Lüneburg, 1695-1704. Hinter Arminius 2. Die Moralischen Sendschreiben: Christiana Mariana von Ziegler als Sittenlehrerin 59 setzt sie sich dafür ein, daß Frauen Zeitungen lesen sollen. Dabei geht es um solche Zei- tungen, die die Neuigkeiten der Welt enthalten, die über Thronbesteigungen, Friedens- schlüsse, Bündnisse, also über alles das berichten, was wir heute unter Politik verstehen. Eine weitere Möglichkeit, Gelehrsamkeit zu erwerben ist der Umgang mit berühmten und gelehrten Männern. Dieser kann schriftlich, als Briefwechsel erfolgen, oder auch mündlich, in den Zusammenkünften.137 In beiden Fällen können Frauen bei ihnen Wissenschaften lernen, zu denen ihr Geschlecht nur selten Zugang hat. * * * In den Moralischen Sendschreiben versteht sich Ziegler als Sittenlehrerin. Die Ver- öffentlichung solcher Sendschreiben hatte mehrere Ziele. In einem Appell richtet sie sich an ihre Geschlechtsgenossinnen: Wir bringen ja eben sowohl fünff Sinnen mit auf die Welt, wie jenes [das männliche Geschlecht], Verstand und Vernunft werden unter beyderley Geschlechten von der Natur ausgetheilet, und das Gedächtniß wird uns zur Mitgift von Ihr mit ange- rechnet. Wir haben Leib und Seele mit Ihnen gemein, und die Beurtheilungs=Krafft ist gar kein besondres Vermächtniß, welches Ihnen der Schöpfer zum voraus zuge- dacht, massen selbiger uns auch darvon mit erben lassen. 138 Mit dieser Feststellung verbindet die Dichterin jedoch auch eine Verpflichtung für die Frauen, sofern sie Mütter sind, ihren Töchtern im Erwerb der Gelehrsamkeit keine Stei- ne in den Weg zu legen. Sie beabsichtigte, ihr Geschlecht zu stärken, indem sie ihren Geschlechtsgenossinnen als Vorbild dient. Ein weiterer Beweggrund war der Sittenverfall der Zeit, den sie in der Ver- schwendungssucht der Menschen, der übertriebenen Pracht und Falschheit, der nach- lässigen Erziehung der Kinder und der Tatsache, daß die Tugend nicht mehr geachtet wurde, sah.139 Dabei handelt es sich um eine Erscheinung, die Umbruchsituationen140 kennzeichnet: Wenn alte Werte nicht mehr von allen Mitgliedern einer Gesellschaft verbirgt sich das zweibändige Werk: Großmütiger Feldherr Armius oder Hermañ von Daniel Caspar von Lohenstein, 1689-1690. Die Asiatische Banise stammte von Heinrich Anshelm von Ziegler und Kliphausen, 1721. Alle diese Bücher standen in der Bibliothek der Deutschen Gesellschaft. Bibliotheca Societatis Teutonicae, Bd. 1, S. 28f., Bd. 2, S. 389 u. S. 769. 137 Ziegler, Moralische und vermischte Send=Schreiben, Nr. 100, S. 414-416. Nr. 5, S. 18-22. 138 Ebd., Nr. 2, S. 8. Vgl. auch ebd., Nr. 98, S. 409f. 139 Ebd., Nr. 8, S. 32, Nr. 53, S. 219, Nr. 56, S. 232, Nr. 84, S. 346, Nr. 97, S. 401. 140 Umbruchsituation wird hier nicht als Kennzeichen einer Epoche verstanden, wie Trepp sie für den von ihr untersuchten Zeitraum des späten 18. Jahrhunderts sieht. Es handelt sich vielmehr um einen Teilaspekt gesellschaftlicher Wirklichkeit. Trepp. Dazu auch Frevert, Ute: Rezension zu Trepp, in: Historische Zeitschrift Bd. 264 (1997), S. 124-126, hier S. 125. 2. Die Moralischen Sendschreiben: Christiana Mariana von Ziegler als Sittenlehrerin 60 akzeptiert werden, neue Werte sich aber erst noch durchsetzen müssen, wird dies häufig als Sittenverfall empfunden. Das wird auch in Zieglers Werk sichtbar: Die Religion wird in den Sendschreiben nicht thematisiert, sie rekurrieren ausschließlich auf profane Tugenden, religiöse wie gottgetreu, gottesfürchtig etc. kommen nicht vor. Mit dem Ordnungsprinzip von Vernunft, Tugend und Wohlstand vertritt Ziegler eine säkulare Philosophie für den Menschen, wie sie während der gesamten Aufklärung Thema blieb.141 Die Textform Sendschreiben wählte sie als Medium, um den Leser persönlich anzusprechen. Er sollte sich in den Sendschreiben wiedererkennen und seine Probleme mit den dort angesprochenen vergleichen. Über den Einzelnen wollte sie die gesamte Gesellschaft verbessern. Erziehung ist für Ziegler ein längerer Prozeß. Wird dieser an einer Stelle unterbrochen, so ist das Ganze in Gefahr. Was einmal falsch gemacht wurde, kann nur schwer wieder in Ordnung gebracht werden. Die Erziehungsinhalte bauen aufeinander auf, dement- sprechend kann weiterführendes Wissen nur erworben werden, wenn dazu die Grund- kenntnisse vorhanden sind. Ebenso wie bei allen anderen menschlichen Handlungen ist auch in der Erziehung das Beziehungsgefüge Vernunft, Wohlstand und Tugend ein wesentlicher Faktor. In den "Moralischen Sendschreiben" richtet sie sich vor allem an Eltern, als Väter und Mütter, da die Erziehung von Kindern und Heranwachsenden ein wichtiger Faktor bei der Durchsetzung neuer Normen und Wertvorstellungen sind. Den Eltern kommt dabei eine wichtige Rolle zu, da diese als Vorbild dienen. Zieglers Erziehungsvorstellungen sind für Bürger und Niederadelige die gleichen, sie unterscheidet nicht zwischen diesen beiden Ständen. Sie selbst vereinigt als Bürgerstochter, die durch Heirat eine Standeser- höhung erfahren hat, beide Stände in ihrer Person. Kinder und Heranwachsende beider Stände sollen für Ziegler zu tüchtigen und würdigen Mitgliedern der menschlichen Ge- sellschaft erzogen werden.142 Das Begriffspaar tüchtig und würdig deckt zwei unterschiedliche Bereiche ab. Sie sind korrelierende Begriffe, stehen also nicht additiv nebeneinander, sondern bedingen und beeinflussen sich gegenseitig. Tüchtigkeit ist eine 141 Auch Christian Wolff hob den praktischen Nutzen der Philosophie, durch ihre kritische Funktion hervor. Er nahm diese Perspektive aber nicht mit in sein philosophisches System auf. Dies geschah erst durch Gottsched, einem seiner treuesten Anhänger, der die von Wolff in Form einer Schulphilo- sophie theoretisch überhöhte Philosophie wieder auf eine menschliche Weisheit mit menschlichen Zwecken reduzierte. Dazu Bödeker, S. 25-27. Daher muß dieser philosophische Ansatz Zieglers in der Linie Thomasius - Gottsched gesehen werden. 142 Ebd., Nr. 8, S. 34f., Nr. 84, S. 347. 2. Die Moralischen Sendschreiben: Christiana Mariana von Ziegler als Sittenlehrerin 61 Qualität, die in den jeweiligen Aufgabenbereichen nötig ist, die Männern und Frauen durch die Gesetze des Wohlstandes zugewiesen werden, also für die geschlechtsbezo- genen Arbeits- und Handlungsfelder in der Gesellschaft.143 Die Würde bezieht sich auf die Bereiche Wohlstand und Tugend, also auf das Verhalten von Männern und Frauen in der Gesellschaft.144 Würde ist ohne Tüchtigkeit jedoch nicht möglich. Sie ergibt sich aus der richtigen Mischung von Tüchtigkeit, Tugend und Wohlstand. Um dies zu er- reichen, bedarf es jedoch der Vernunft. Ziegler fordert eine zweckorientierte Erziehung für beide Geschlechter, denn Männer und Frauen haben je eine geschlechtsbezogene Tüchtigkeit und erwerben dadurch eine spezifische, gleichwertige Würde. Entsprechend sollen sie das beigebracht bekommen, was für sie von Nutzen ist. Dementsprechend unterscheiden sich sowohl die Erziehungsinhalte als auch die Erziehungsorte. Um würdige Mitglieder der menschlichen Gemeinschaft zu werden, waren die Mög- lichkeiten den Geschlechtern entsprechend verschieden. Die Söhne konnten sich ent- sprechendes Wissen in den Gesellschaften, auf Kavaliersreisen oder beim Militär aneignen. Der Erwerb von Gelehrsamkeit war für sie fester Bestandteil ihrer Ausbil- dung, der ihnen auf der Universität vermittelt wurde. Die Erfahrungsfelder der Töchter waren dagegen elterliche oder fremde Haushalte, während die Gelehrsamkeit für sie nicht unbedingt als erforderlich angesehen wurde. Oftmals fehlte ihnen einfach die Zeit, derartige Kenntnisse vor der Ehe zu erwerben, denn ihre Jugendzeit, die zur Aneignung der weiblichen Wissenschaften und Künste genutzt werden könnte, verkürzte sich häufig durch eine frühe Heirat.145 Bei den Töchtern diskutiert Ziegler daher den Erwerb von Kenntnissen, die zur Gelehrsamkeit führen nicht im Zusammenhang mit Kindheit und Jugend, sondern in Verbindung mit verheirateten und unverheirateten erwachsenen Frauen. 143 Der Begriff ‘tüchtig’ wird ebenso wie Tugend von taugen abgeleitet. Seit dem 16. Jahrhundert findet sich tüchtig in der Bedeutung von brauchbar, geeignet. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bekommt der Begriff nach und nach die Bedeutung von gut. Artikel ‘Tüchtig’, in: Grimm, Bd. 22, Sp. 1492-1511. Im Universallexikon von Zedler bedeutet ‘tüchtig’ einen geschickten und munteren Menschen, der vermögend ist, etwas ins Werck zu stellen. Artikel ‘Tüchtig’, in: Zedler, Bd. 45, Sp. 1613-1614. 144 Nach Grimm bedeutet ‘Würdig’ sowohl sich eignen, sich würdig erweisen, als auch im Sinne von Würde, Wert haben. Hier wird würdig im Zusammenhang mit Menschen und Handlungen benutzt und hat demnach die Bedeutung von sittlich gut und moralisch einwandfrei. Artikel ‘Würdig’, in: Grimm, Bd. 30, Sp. 1492-1512. Auch bei Zedler wird die Bedeutung von ‘Würdig’ mit etwas wert sein oder verdienen angegeben. Artikel ‘Würdig’, in: Zedler, Bd. 59, Sp. 864. 145 Das Heiratsalter der Frauen lag in den Städten bei ca. 20 Jahren, aber auch frühere Heiraten waren bei den gehobenen Ständen nicht unüblich. Zum Heiratsalter der unterschiedlichen Schichten vgl. Wun- der, Heide: „Er ist die Sonn’, sie ist der Mond“. Frauen in der Frühen Neuzeit, München 1992, S. 48. 2. Die Moralischen Sendschreiben: Christiana Mariana von Ziegler als Sittenlehrerin 62 Die Älteren, davon aber nur die vernünftigen und manierlichen Personen, müssen Vorbild für die Jüngeren sein. Zur Erziehung ist also der Generationenverband un- abdingbar. Ein wichtige Rolle dabei haben sowohl die Eltern - als Mütter und als Väter müssen sie ein gutes Beispiel abgeben - als auch die gesellschaftlichen Zusammen- künfte, die für beide Geschlechter von Bedeutung sind. Diese Zusammenkünfte sind die gesellschaftliche Form der Kinderzucht, die die Erziehung der Eltern fortsetzt. Erziehungsorte sind vornehme und angesehene Haushalte, in deren Häusern sich beide Geschlechter treffen und sich die Zeit mit Musik, gelehrten Gesprächen und Gesellschaftsspielen vertreiben. Die Heranwachsenden können dort aber nur dann etwas lernen, wenn sie die persönlichen Voraussetzungen dazu haben, d.h. wenn sie über eine tugendhafte Vorbildung verfügen. Auch hier kommt es auf die innere Einstellung, näm- lich auf die Bereitschaft, sich an die Gesetze des Wohlstandes zu halten, an. Auffallend ist, daß Ziegler in diesem Zusammenhang nur Frauen erwähnt; es sind die Sittenleh- rerinnen, die die Gesetze des Wohlstandes vermitteln und zur Tugend erziehen. Mit ihren Erziehungsvorstellungen steht Ziegler in der Tradition von Fénelon und der Marquise de Lambert. Beide vertreten ein erzieherisches Konzept der Ausgewogen- heit.146 Die Balance zwischen Liebe und Autorität, die Förderung und Ermutigung der geistigen Selbständigkeit und die Korrektur der menschlichen Fehler sollen durch die Erziehung gewährleistet sein.147 Entsprechend gleichen sich Fénelon, Lambert und Ziegler in ihren Vorstellungen der Erziehungsmethoden. Es geht darum, Furcht und Liebe im Gleichgewicht zu halten, dem Kind keinen Zwang anzutun und es nach Möglichkeit mit Freude lernen zu lassen. Damit befürworten sie einen vertrauensvollen Umgang mit den Kindern. Sie gehen von bestimmten Entwicklungsstufen des Kindes aus, denen die Eltern und Erzieher gerecht werden müssen. Bei Fénelon ist die Religion 146 Ähnliche Ansichten vertritt John Locke, der darüber hinaus besonderen Wert auf die körperliche Erziehung legte. Fénelons Traktat über die Mädchenerziehung wurde 1687 erstmalig aufgelegt, wäh- rend John Locke seine Gedanken die Erziehung betreffend 1693 veröffentlichte. Für die vorliegende Arbeit wurde folgende Übersetzung benutzt: Herrn Johann Locks Unterricht von Erziehung der Kinder/aus dem Englischen; Nebst Herrn von Fenélon Ertz=Bischoffs von Cammerich Gedancken von Erziehung der Töchter/aus dem Frantzösischen übersetzet. Mit einigen Anmerckungen und einer Vorrede, Leipzig 1708. 147 Zu diesem Erziehungskonzept vgl. auch: Herrmann, Ulrich: „Kinderzucht“ oder „Pädagogik“? Traditionelle Normierungen der Erziehung und Unterweisung und die innovative pädagogische Lebensalter-Konzeption in der Pädagogischen Anthropologie des 18. Jahrhunderts, in: Tradition, Norm, Innovation. Soziales und literarisches Traditionsverhalten in der Frühzeit der deutschen Aufklärung, hg. v. Wilfried Barner unter Mitarbeit von Elisabeth Müller-Luckner, München 1989, S. 233-250, hier S. 233-246. 2. Die Moralischen Sendschreiben: Christiana Mariana von Ziegler als Sittenlehrerin 63 ein Schwerpunkt, dem er ein ganzes Kapitel seiner Schrift widmet, für die Marquise de Lambert ist die Religion zwar Grundlage ihrer Erziehungsvorstellungen, sie wird aber nicht explizit hervorgehoben und bei Ziegler kommt die Religion in Zusammenhang mit Erziehung nicht (mehr) vor.148 Ihr Ordnungsprinzip ist stattdessen das Beziehungs- gefüge von Vernunft, Wohlstand und Tugend. In bezug auf die Frauen hat Fénelon eine wesentlich eingeschränktere Vorstellung von ihrem Nutzen als Ziegler. Er sieht diese ausschließlich als Versorgerinnen des Haus- wesens und Erzieherinnen der Kinder. Da die Frau seiner Ansicht nach eine begrenzte Auffassungsgabe hat, hält er Gelehrsamkeit eher für schädlich. Bildung zielt bei ihm auf eine gute Allgemeinbildung.149 Die Erziehung der Töchter ist abhängig von ihrem Stand, ihrem künftigen Bestimmungsort (Land oder Stadt) und ihren voraussichtlichen Aufgaben. Vernunft, Wohlstand und Tugend, die in den Schriften Zieglers so große Bedeutung haben, sind bei Fénelon nur implizit vorhanden. Er schreibt von der klugen Einsicht, der Sittlichkeit und erwähnt auch die Tugend und die Gesellschaft mit ihren Regeln. Sie werden bei ihm aber nicht weiter hervorgehoben. Ziegler hatte ein anderes Frauenbild als Fénelon, indem sie in bezug auf Verstand und Vernunft die Gleichwertigkeit der Geschlechter voraussetzte. Sie wollte nicht allein die weiblichen Tätigkeiten durch Wissen aufwerten, daß die gelehrte Frau die bessere Mutter ist, setzte sie voraus, sondern sie sah den eigenständigen Wert von Gelehr- samkeit. Damit hatte sie ein weitergehendes Verständnis von deren Nutzen.150 Sie 148 Auch Becker-Cantarino weist daraufhin, das Lesen und Schreiben für Frauen ohne religiöse Rechtfertigung ein Novum darstellt. Becker-Cantarino, Der lange Weg zur Mündigkeit, S. 265. 149 Da Frauen keinen Staat regieren oder Krieg führen müssen und auch nicht in religiöse Dienste treten, sind nach Fénelon das Studium der Staats- und Rechtswissenschaft, der Kriegskunst, der Philosophie und der Theologie für sie nicht notwendig. Sie sollten dagegen Lesen, Schreiben und Rechnen lernen. Fremdsprachen hält Fénelon nur in Ausnahmefällen für notwendig, empfiehlt aber das Erlernen von Latein. Was Dichtung, Musik und Malerei betrifft, so sollen diese nur erlernt werden, soweit sie zur Erhebung der Sittlichkeit dienen. Fénelon: Über die Erziehung der Mädchen (1687), hg. v. Fr. Schieffer, Paderborn 1905, 4. Aufl. 150 Auch Gottsched erkennt die Eignung des weiblichen Geschlechts zur Gelehrsamkeit generell an. In den „Vernünftigen Tadlerinnen“ gilt weibliche Bildung jedoch nicht als Wert für sich, sondern sie wird in bezug auf die Erziehungsaufgaben als positiv angesehen. Gottsched, Die vernünftigen Tadlerinnen. Zu dem Frauenbild in den Moralischen Wochenschriften der Zeit siehe auch Brandes, Helga: Der Wandel des Frauenbildes in den deutschen Moralischen Wochenschriften. Vom aufgeklärten Frauenzimmer zur schönen Weiblichkeit, in: Zwischen Aufklärung und Restauration. Sozialer Wandel in der deutschen Literatur (1700-1848). Festschrift für Wolfgang Martens zum 65. Geburtstag, hg. v. Wolfgang Frühwald / Alberto Martino, Tübingen 1989, S. 49-64; Martens, 2. Die Moralischen Sendschreiben: Christiana Mariana von Ziegler als Sittenlehrerin 64 vertrat jedoch nicht das humanistische Ideal der gelehrten Frau, welches mit einer keuschen Jungfräulichkeit einherging151, sie forderte Bildung auch für die Frauen, die eine Ehe eingehen. Nach Ansicht von Ziegler besteht der gesellschaftliche Nutzen von gelehrten Frauen darin, daß diese in der Unterhaltung interessanter sind, und daß ein Mann mit einer solchen Frau mehr Ehre einlegt. Die Frau erwirbt sich mit der Gelehr- samkeit aber auch eigene Ehre. Es geht Ziegler also nicht nur um den Nutzen von Gelehrsamkeit, sondern auch um die Freude daran.152 D.h. sie forderte eine Gelehrsam- keit, die das ganze Leben hindurch betrieben wird. Der Artikel ‘Kinderzucht’ im Universallexikon von Zedler referiert den zeitgenös- sischen Diskurs zu diesem Thema. Die Ansichten des Autor stimmen mit denen von Ziegler in den meisten Punkten überein. Auch in diesem Artikel findet zwar eine Auf- wertung der weiblichen Tätigkeiten, wie der Ökonomie und der Erziehung, durch die Gelehrsamkeit statt, der Autor gesteht den Frauen aber auch das Studieren zu ihrem eigenen Vergnügen zu. Die Studieninhalte beschränkt er auf die Poesie, die Moral und die Botanik. Die wichtigste Bedingung dabei ist, daß sie es als Neben=Werck, also zum Vergnügen, nicht aber als Haupt=Werck, zum Erwerb des Lebensunterhaltes, betreiben, denn: Ein Frauenzimmer muß erstlich hauswirthlich, und darnach klug seyn.153 Auch Ziegler ist nicht davon ausgegangen, daß sich eine Frau durch ihre Wissenschaft den Lebensunterhalt verdient. Sie hatte jedoch keine Beschränkung auf bestimmte Felder im Blick. Bei der Diskussion, was wichtiger sei bei einem Frauenzimmer, Schönheit oder Verstand, plädierte sie für den Verstand. Botschaft der Tugend, S. 520-542, Nasse, Peter: Die Frauenzimmer-Bibliothek des Hamburger ‘Patrioten’ von 1724. Zur weiblichen Bildung in der Frühaufklärung, Stuttgart 1976. 151 Da zum Betreiben von Gelehrsamkeit entsprechende Muße gehörte, hatte diese für Frauen in der Ehe meist ihre sozialen Grenzen. Sie war auf die kurze Lebensphase der Jugend beschränkt, an deren Ende dann die Entscheidung für die Ehe oder das Kloster stand.Vgl. hierzu Ceranski, S. 28f. Darüber hinaus gab es einige wenige Ausnahmen, die eine Gelehrtenehe führten wie Margarete Welser oder Olympia Morata. Bejick, Urte: Deutsche Humanistinnen, in: Geschichte der Mädchenbildung, Bd. 1: Vom Mittelalter bis zur Aufklärung, hg. v. Elke Kleinau / Claudia Opitz, Frankfurt am Main / New York 1996, S. 152-171. 152 Ziegler, Moralische und vermischte Send=Schreiben, Nr. 2, S. 9. 153 Artikel ‘Kinderzucht’, in: Zedler, Bd. 15, Sp. 660. 2. Die Moralischen Sendschreiben: Christiana Mariana von Ziegler als Sittenlehrerin 65 Die Schönheit ist zwar notwendig, denn diese verhilft zur Ehe und kann manchmal die Mitgift ersetzen, mit einer Frau ohne Verstand kann ein Mann keine Ehre in Gesellschaft einlegen. Zudem nimmt die Schönheit von Tag zu Tag ab, aber der Verstand wächst mit jedem Tag.154 154 Ziegler, Moralische und vermischte Send=Schreiben, Nr. 3, S. 10-13. 3. Christiana Mariana: Leben und Lebenserfahrung 3. Christiana Mariana: Leben und Lebenserfahrung 66 3.1 Die Tochter Nachdem im vorhergehenden Kapitel das Werk der Dichterin und davon exemplarisch die "Moralische(n) und Vermischte(n) Sendschreiben" untersucht wurden, soll nun, um die Beziehungen zwischen Leben und Werk herausarbeiten zu können, nach dem Leben der Autorin gefragt werden. Es folgt jedoch keine vollständige Darstellung, sondern nur insoweit, als es für ihr Werk von Bedeutung ist. Zunächst wird der Lebenslauf von Christiana Mariana von ihrer Kindheit bis zu ihren Ehen vorgestellt.1 In welches familiale Umfeld wurde sie hineingeboren? Welche Stellung nahm ihre Familie im sozialen Gefüge der Stadt Leipzig ein? Die Verhaftung ihres Vaters und der damit verbundene politische Skandal beendete ihre zunächst behütete Kindheit. Inwieweit und in welcher Form wurde sie von daraus folgenden einschneidenden Erfahrungen beeinflußt? Ihre Jugendzeit war nur kurz, bereits mit 16 Jahren ging sie ihre erste Ehe ein. Wie sind ihre Ehen verlaufen? Um den Zusammenhang zwischen Leben und Werk der Autorin zu untersuchen, sollen darüber hinaus die Lebenserfahrungen der Autorin zu ihren Sendschreiben in Beziehung gesetzt werden. Zuvor möchte ich jedoch den äußeren Rahmen vorstellen, in dem ihre Entwicklung stattfand. Das ‘galante’ Leipzig war im 17. und 18. Jahrhundert eine Hochburg von Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur.2 Leipzig war zwar weder Residenz- noch Freie Reichsstadt, aber als Messestadt und aufgrund ihrer wirtschaftlichen Potenz politisch bedeutend. Die Stadt war nicht nur Umschlagplatz für wirtschaftliche, sondern, als Zentrum der Aufklärung, auch für geistige Güter.3 Diese Entwicklung wurde durch verschiedene sich gegenseitig fördernde Faktoren begünstigt: die vorteilhafte geographische Lage am Kreuzungspunkt alter Handelsstraßen inmitten der sächsisch- thüringischen Kulturregion, damit einhergehend der lebhafte Handel mit den dreimal jährlich stattfindenden Messen, die modernste juristische Fakultät ihrer Zeit und nicht 1 Da Christiana Mariana von Ziegler durch ihre drei Ehen vier verschiedene Nachnamen hatte, wird sie, um Unklarheiten zu vermeiden, in diesem Kapitel mit ihrem Vornamen genannt. 2 Zu Leipzig: Czok, Das alte Leipzig; Kroker; Martens, Das Bild Leipzigs; Mühlpfordt, Gelehr- tenrepublik Leipzig; Schulze, Aus Leipzigs Kulturgeschichte; Wustmann, Urkunden und Aktenstücke. 3 Zwischen 1725 und 1750 waren Leipzig, Halle und Zürich die Zentren der deutschen Literatur. Wild, Reiner: Stadtkultur, Bildungswesen und Aufklärungsgesellschaften, in: Hansers Sozialgeschichte der deutschen Literatur, Bd. 3: Deutsche Aufklärung bis zur Französischen Revolution 1680-1789, 1. Teilband, München 1989, S. 103-132, hier S. 113. 3. Christiana Mariana: Leben und Lebenserfahrung 67 zuletzt die Konzentration von Buchmesse, Buchdruck und Publikationswesen. In Leipzig lebten und lehrten nicht nur führende Literaten und Gelehrte der Zeit, sondern die Stadt war auch Treffpunkt des gelehrten Publikums Deutschlands.4 Neben den Universitätsgelehrten, die auch im politischen Leben der Stadt stets präsent waren, zeichneten sich die großen Handelsherren durch tätige Förderung von Kunst und Wissenschaft aus. Ihre Kunstliebe äußerte sich in großen Gemälde- und Naturalien- sammlungen sowie in den stattlichen Barockbauten und den kunstvollen großen Gärten, die während des 17. und 18. Jahrhunderts entstanden. Die Grenzen zwischen beiden Gruppen waren fließend und die Beziehungen vielfältig. Die Handelsherren unter- stützten durch zahlreiche Stiftungen arme Studenten, während die jungen Magister und Doktoren als Hauslehrer für die Söhne und, sofern sie Karriere machten, auch als Ehemänner für die Töchter dienten. Aber auch die Handelsherren beschäftigten sich als gelehrte Dilettanten mit Kunst und Wissenschaft. Nachkommende Generationen stu- dierten zumeist und wurden Beamte oder Gelehrte.5 Beide Gruppen ließen in Leipzig eine elegante, weltoffene und geschäftige Atmosphäre entstehen. Als Territorialstadt bildete Leipzig nicht, wie freie Reichs- oder Hansestädte, ein dauerhaftes Patriziat aus; die führenden Familien orientierten sich auch nicht am höfischen Adel. Vielmehr brach- ten sie im Zeitalter des Barock und der Aufklärung eine eigenständige Bürgerkultur hervor.6 Herkunft: Vater und Mutter In die Leipziger Führungsschicht7, bestehend aus wohlhabenden Handelsherren und Universitätsgelehrten, wurde Christiana Mariana im Juni 1695 als erstes Kind des Franz 4 Bedeutende Gelehrte aus verschiedenen Fachgebieten lebten und lehrten zeitweise in Leipzig, so z.B. die Philosophen und Aufklärer Thomasius d.Ä. (1622-1684), Thomasius d.J. (1655-1728), Leibniz (1646-1716), Wolff (1679-1754), der berühmte Jurist Benedict Carpzov (1595-1666), der Theologe und Altphilologe Johann August Ernesti (1707-1781) sowie die Gelehrtenfamilie Mencke [Otto (1644-1707) und Johann Burchard (1674-1732)], die mit der "Acta eruditorum" eine der bedeutend- sten Gelehrtenzeitungen herausgaben. 5 Kroker, S. 146-153. Bei der Familie Kühlewein waren Kilian Kühlewein (†1587) und sein Sohn Balthasar (1571-1616) Händler, während der Enkel Friedrich Kühlewein studierte und als Doktor und Appellationsrat die Beamtenlaufbahn einschlug. Kroker, S. 109. 6 Martens, Das Bild Leipzigs, S. 16; Schindling, Anton: Bildung und Wissenschaft in der Frühen Neuzeit 1650-1800, München 1994, S. 16; Witkowski, S. 166. 7 Der Begriff Führungsschicht wird hier im Sinne von Hans-Gerd Schumann verwendet. Die Führungsschicht ist für Schumann die gesellschaftliche Gruppe, aus der sich die sozialen und politi- schen Funktionseliten, die die Kompetenz der Kompetenzzuweisung haben und letztendlich auch die Führungsgruppen rekrutieren. Dadurch werden die Interessen der Führungsschicht zu den herrschen- den Interessen des gesamtgesellschaftlichen Systems. Schumann, Hans-Gerd: Die soziale und politische Funktion lokaler Eliten. Methodologische Anmerkungen zum Forschungsstand, in: Kommunale Selbstverwaltung - Idee und Wirklichkeit, hg. v. Bernhard Kirchgässner / Jörg Schadt, 3. Christiana Mariana: Leben und Lebenserfahrung 68 Conrad Romanus und der Christiana Maria Brummer geboren.8 Der soziale Status der Familie zeigte sich schon bei der Auswahl ihrer Taufpaten, die alle zu dieser Schicht gehörten.9 Die Familie ihrer Mutter, die Brummer, war in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in Leipzig eingewandert und hatte hier ihr Vermögen im Lederhandwerk und -handel erworben. Während des 17. Jahrhunderts gewannen die Brummers an Bedeutung. Sie betätigten sich nur noch im Großhandel mit Leder und Seide10 und waren durch Michael Brummer auch im Rat der Stadt vertreten.11 Christiana Marianas Großvater Heinrich Conrad Brummer hatte in die Familie Winckler eingeheiratet, die zu diesem Zeitpunkt bereits zu den reichsten und einflußreichsten Familien in Leipzig gehörte.12 Christiana Marianas Mutter Christiana Maria Brummer wuchs als Waise im Haushalt ihrer Tante auf, der zweiten Ehefrau von Caspar Theophil Romanus. Hier lernte sie ihren späteren Mann Franz Conrad kennen, den Sohn aus erster Ehe, den sie 1694 im Alter von 18 Sigmaringen 1983, S. 30-38, hier S. 32. Zu Führungsschichten vgl. auch Hofmann, Hans Hubert / Günther Franz (Hg.): Deutsche Führungsschichten in der Neuzeit. Eine Zwischenbilanz, Boppard am Rhein 1980. 8 Kirchenarchiv Leipzig, Taufbuch St. Thomas (1692-1697), Taufeintrag vom 30.06.1695. Die Taufe fand einen Tag nach ihrer Geburt statt, geboren wurde sie also am 29.06.1795. Wolff, S. 167. 9 Bei Christiana Mariana standen als Pate: Johanna Margaretha, die Ehefrau des geheimen Rats Jakob Born, ihr Großonkel Georg Winckler und ihre Großmutter Maria Brummer. Kirchenarchiv Leipzig, Taufbuch St. Thomas (1692-1697), Taufeintrag vom 30.06.1695. Patenschaften hatten in der Frühen Neuzeit einen hohen Stellenwert und waren mit einer besonderen sozialen Verantwortung des Paten gegenüber seinem Patenkind verbunden. Wunder, Er ist die Sonn', S. 162-165. Der soziale Status einer Person zeigte sich nicht nur bei der Auswahl der Paten, sondern auch in deren Anzahl. Bürger- liche hatten in Leipzig in der Regel drei, Adelige fünf und mehr Taufpaten. 10 Die Seidenhändler waren die reichsten und bedeutendsten Handelsherren in Leipzig. Fischer, S. 314. 11 Michael Brummer war von 1641 bis zu seinem Tod 1650 Ratsmitglied. Winzer, Christoph: Summarische Nachricht von dem Raths=Collegio in der Churfürstl. Sächsischen Stadt Leipzig, oder eigentliches Verzeichnis derer hiesigen Raths=Personen, welche von Anno 1200 et sqq. nach und nach zu Raths=Gliedern erwählt, zu weiteren Ämtern gelanget und endlich verstorben; aus glaubhaften Nachrichten zusammengetragen, von George Christoph Winzern, Anno 1718 und fortgesetzet von Johann Friedrich Vollberrt, Ober=Leichenschreibern, Anno 1783. Leipzig. Vgl. auch Fischer, S. 345f. 12 Am 23.05.1675 heiratete er Maria Regina die Tochter des Andreas Winckler und der Maria Elisabeth Clemm. Quelle ist die Personendatenbank des Forschungsprojektes "Konfession, Religiosität und politisches Handeln von Frauen vom ausgehenden 16. bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts" gefördert von der VW-Stiftung, Dr. B. Hoffmann, GHK, FB 05. Die Wincklers waren 1650 von Kaiser Ferdinand III. als Winckler von Dölitz geadelt worden und gehörten damit dem Niederadel an. Kroker, S. 142. Die Verwandtschaft mit dieser Familie galt als besondere Auszeichnung. Dondorff schreibt in seiner Lebensbeschreibung von Franz Wihelm Romanus über dessen Mutter: Matrem agnoscit matronam Praenobilissimam, omnibus abundantem virtutibus, CHRISTIANAM MARIAM, natu BRUMMERIAM ex WINCKLERIANA descendentem familia. Dondorff, Christoph: De iudiciis, Diss. Leipzig 1727. Dazu auch Wunder, Heide / Barbara Hoffmann / Helga Zöttlein: Ehepaare, Eheverläufe und Lebenslauf in Leipzig 1580-1730. Bericht über ein Forschungsprojekt, in: Comparativ. Leipziger Beiträge zur Universalgeschichte und vergleichenden Gesellschaftsforschung, Heft 5 (1993), S. 13-32. 3. Christiana Mariana: Leben und Lebenserfahrung 69 Jahren heiratete.13 Sie brachte eine reiche Mitgift mit in die Ehe.14 Die Hochzeit für die Waise richtete ihr Onkel Georg Winckler in seinem Haus am Markt aus.15 Ihr erstes Kind brachte Christiana Maria Brummer neun Monate nach der Eheschließung zur Welt. Danach gebar sie noch weitere sieben Kinder, jedoch nur Christiana Mariana und ihr zweitjüngster Bruder Franz Wilhelm Romanus erreichten das Erwachsenenalter.16 Der Vater Christiana Marianas, Franz Conrad Romanus, kam aus einer Juristenfamilie, die auf eine lange Tradition zurückblicken konnte. Die Romanus’ stammten aus Köthen in Sachsen-Anhalt und waren seit dem Ende des 16. Jahrhunderts in Leipzig präsent. Die männlichen Mitglieder der Familie gehörten über mehrere Generationen der Ju- ristenfakultät der Leipziger Universität an und bekleideten mehrfach das Amt des Rektors.17 Christiana Marianas Vater war der erste in seiner Familie, der, obwohl er Doktor beider Rechte war, keine Gelehrtenlaufbahn, sondern eine Karriere am Hof an- strebte. Dort konnte man auch als Bürgerlicher schnell an Macht und Einfluß gewinnen, was den ehrgeizigen Plänen Romanus’ entsprach. Verschiedene spektakuläre Entlassun- gen aus hohen Staatsämtern zeigen jedoch, daß die rasch erworbene Position genauso schnell wieder verloren werden konnte.18 Bei seinen Karriereplänen konnte Romanus auf eine Familientradition und Vorbilder zurückgreifen. Sein Ururgroßvater war 1606 gemeinsam mit seinem Bruder von Kaiser Rudolf II. in den Adelsstand erhoben worden.19 Auch wenn sein Zweig der Familie das Adelsprädikat nicht erneuerte, ist zu vermuten, daß ihr Selbstbewußtsein davon entsprechend beeinflußt war. 13 Kirchenarchiv Leipzig, Traubuch St. Thomas (1684-1711), Eintrag vom 14.08.1694. 14 Ihre Mitgift betrug 30358 Taler. Ültzen-Barkhausen, S. 233. 15 Georg Winckler besaß das Haus Markt 3. Barthels Häuserchronik I. 4b, zitiert nach der Häuserdatenbank des Forschungsprojektes "Konfession, Religiosität und politisches Handeln von Frauen vom ausgehenden 16. bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts" gefördert von der VW-Stiftung, Dr. Barbara Hoffmann, GHK, FB 05. 16 Franz Wilhelm Romanus (13.04.1703-28.04.1762). Kirchenarchiv Leipzig, Taufbuch St. Thomas (1702-1709), Eintrag vom 13.04.1703 und Ültzen-Barkhausen, Stammtafel, S. 6. Ihre anderen Geschwister waren: Franz Conrad (05.10.1696-04.05.1697), Luise Charlotte (15.11.1697-24.11.1700), Juliane Henriette (25.01.1699-24.03.1699), Heinrich Conrad (19.05.1700-20.07.1702), August Franz (22.01.1702-06.05.1702), Franz Friedrich (20.02.1704-25.05.1704). Die Taufdaten sind entnommen aus: Kirchenarchiv Leipzig, Taufbücher St. Thomas (1692-1697), (1698-1701), (1702-1709), die Sterbedaten aus: Stadtarchiv Leipzig, Ratsleichenbücher 18 (1690-1698) und 19 (1699-1707). 17 Ültzen-Barkhausen, Stammtafel, S. 6. Die Romanus’ waren ausschließlich Universitätsangehörige und erwarben kein Bürgerrecht. Erst Franz Conrad Romanus erwirbt unter Vorbehalt der akademischen Privilegien am 25.11.1695 für sich und seine Tochter Christiana Mariana das Bürgerrecht. Stadtarchiv Leipzig, Bürgerbuch 6 (1682-1739), S. 82. 18 Vgl. hierzu Czok, Karl: Am Hofe August des Starken, Stuttgart 1990. 19 Landsberg, Ernst: Artikel ‘Romanus’, in: Allgemeine Deutsche Biographie, hg. v. der historischen Kommission bei der Königlichen Akademie der Wissenschaften, Bd. 29, Leipzig 1889, S. 100-102. 3. Christiana Mariana: Leben und Lebenserfahrung 70 Franz Conrad Romanus machte unter dem Kurfürsten Friedrich August I. von Sachsen Karriere und stand diesem persönlich nahe20, weshalb er 1701 mit gerade 30 Jahren zum Kurfürstlich Sächsischen Appellationsrat ernannt wurde. Kurfürst Friedrich August I. war 1694 in Sachsen an die Regierung gekommen und hatte 1697 als August II. (der Starke) die polnische Königswürde erworben. Der Preis für die polnische Krone, die Hofhaltung in Dresden und Warschau und der Nordische Krieg mit Schweden, forderten ihren Tribut. Die Ansprüche des sächsischen Kurfürsten an die Stände und Städte des Landes waren daher beträchtlich gestiegen. Nicht zuletzt deshalb versuchte der Kurfürst mit Romanus einen Mann in den Leipziger Rat zu bringen, der seinen Interessen dienen konnte. Im Jahr 1701 befahl er dem Rat der Stadt, trotz der zugesicherten freien Rats- wahl, die Bürgermeisterstelle mit Romanus zu besetzen.21 Der Rat versuchte vergeblich, sich dagegen zu wehren und so fand am 29. August 1701 die feierliche Einweisung des neuen Bürgermeisters Franz Conrad Romanus statt.22 Trotz dieses schwierigen Anfangs gelang es ihm recht schnell, die Zuneigung der Leipziger Bevölkerung zu erwerben. Noch im Jahre 1701 erhielt die Stadt eine Straßenbeleuchtung.23 Während seiner zweiten Amtsperiode 1703/170424 wurde ein Almosenamt eingerichtet, eine Armenord- nung ausgearbeitet, und es wurde mit dem Bau einer gepflasterten Schleuse begonnen. Dabei verlor Romanus aber auch die Interessen des Hofes nicht aus den Augen. Wann immer von dort Geldforderungen an die Stadt herangetragen wurden, bemühte er sich, diese zu unterstützen. Seine Amtskollegen konnte er durch ein Dekret Friedrich August I. beschwichtigen, worin der Stadt die freie Ratswahl aufs neue bestätigt wurde. Wie sehr beide Seiten mit ihm zufrieden waren, zeigt, daß er im Februar 1704 sowohl vom Rat der Stadt zum Vorsteher der Nicolaikirche gewählt als auch im Mai des 20 Wustmann weist auf die Gleichaltrigkeit und die gleichen geistigen Interessen von beiden hin. Vgl. hierzu Wustmann, Urkunden und Aktenstücke, S. 349f. Ein Student berichtet 1879 über den Erbauer des Romanushauses, dieser habe mit dem damaligen Kurfürsten "Handbriefchen" gewechselt. Jugler, Johann Heinrich: Leipzig und seine Universität im 18. Jahrhundert. Aufzeichnungen des Leipziger Studenten Johann Heinrich Jugler, hg. v. Friedrich Zarncke, Leipzig 1709, 2. Aufl., S. 32. 21 Mit dem Tod des regierenden Bürgermeisters Adrian Steger wurde dessen Stelle frei. Adrian Steger kam 1751 in den Rat wurde 1763 Stadtrichter, 1766 Baumeister, Prokonsul 1786 und 1700 Bürger- meister. Winzer. 22 Über die Auseinandersetzungen zwischen dem Rat der Stadt und dem Kurfürsten gibt es einen Briefwechsel. Stadtarchiv Leipzig, Ratsprotokolle, R.A. VIII, Acta Ratswahl betr. anno: 1659 sqq.- 1723, Vol. I. Die Informationen zur Biographie des Franz Conrad Romanus und seiner Familie stammen, sofern nicht anders angegeben, aus: Wustmann, Urkunden und Aktenstücke. 23 Wustmann, Urkunden und Aktenstücke, S. 270 ff.; Ültzen-Barkhausen, S. 234. 24 Die Wahl des Rates erfolgte immer am Fastnachtssonntag, die Umsetzung der Ratswahl am Samstag darauf. Koppmann, Karl: Zur älteren Verfassungsgeschichte der Stadt Leipzig, in: Neues Archiv für sächsische Geschichte und Altertumskunde 24 (1903), S. 307-323, hier S. 308-310. Die Amtsperiode dauerte immer ein Jahr, eine direkte Wiederwahl des Bürgermeisters war nicht möglich. Wustmann, Urkunden und Aktenstücke, S. 277. 3. Christiana Mariana: Leben und Lebenserfahrung 71 gleichen Jahres vom Kurfürst zum Geheimen Rat ernannt wurde.25 Darüber hinaus sollte er im Januar 1705 als Domprobst des Stifts Wurzen eingeführt werden. Diese Erfolge spiegelten sich auch in der Lebenshaltung und der Prachtentfaltung der Familie wieder. Im Jahre 1702, während seiner ersten Amtsperiode, begann Romanus mit dem Bau eines großen und prunkvollen Hauses26, welches er zu Michaelis27 1704 mit seiner Familie bezog. Er kaufte zu einem von seiner Großmutter ererbten Haus Ecke Katharinenstraße/Brühl drei weitere Häuser hinzu, die er abreißen ließ, um Platz für den Neubau zu schaffen.28 Das Haus fiel durch seine Größe und seine völlig neuartige Gestaltung auf. Diese betraf nicht nur die äußere Erscheinung in Form der Fassade, sondern ebenso den für diese Zeit ungewöhnlichen Grundriß. Entgegen den nach praktischen Gesichtspunkten erbauten Handelshöfen handelte es sich hier um ein repräsentatives Stadtpalais. Auch die Innenausstattung wurde dem gesteigerten bürger- lichen Selbstbewußtsein und dem offensichtlichen Repräsentationsbedürfnis des Bür- germeisters Romanus gerecht. 25 Wustmann, Urkunden und Aktenstücke, S. 285. 26 Die Baubewilligung dazu erhielt Romanus im Juni 1701. Stadtarchiv Leipzig, Baubewilligungen 1699-1738, Vol. 1, fol 7a. Zum Romanushaus vgl. Bethe, Hellmuth: Leipzigs Barockbauten, in: Leipziger Bautradition, hg. v. Heinz Füssler, Leipzig 1955, S. 125-151, hier S. 129ff. 27 Der Michaelistag wurde am 29. September gefeiert und war in vielen Städten, so auch in Leipzig der Tag des Gesindewechsels und der Termin für die Abgaben. 28 1698 hatte er von seiner Großmutter mütterlicherseits ein Gartengrundstück auf der Windmühlenstraße vor den Toren Leipzigs mit sieben kleinen Mietshäusern und das Haus an der Ecke Katharinenstraße/Brühl geerbt. Wustmann, Urkunden und Aktenstücke, S. 267. 3. Christiana Mariana: Leben und Lebenserfahrung 72 Abb. 2: Haus des Bürgermeisters Romanus, Kupferstich von Samuel Blättner, nach 1705 Abb. 3: Grundriß des Romanushauses: Erdgeschoss und 1. Stock 3. Christiana Mariana: Leben und Lebenserfahrung 73 Für die Wände und Decken wurden bei einem Leipziger Maler verschiedene Gemälde mit mythologischen und allegorischen Motiven bestellt.29 Die Wohnung war mit ver- schiedenem Silbergerät ausgestattet, welches die Familie von einem Leipziger Kaufmann übernommen hatte: zwei silberne Feuerböcke, zwei silberne Wandleuchten mit Spiegeln, ein silbernes Brettspiel, ein Wandkalender mit Steinen besetzt, ein porzellanenes Teeservice mit silbernen Beschlägen und ein venezianischer Spiegel, der im Zimmer Christiana Marianas stand.30 Die sieben Geschwister Christiana Marianas wurden zwischen 1696 und 1704 geboren. Ihr erster Bruder und drei weitere Geschwister starben bereits im 1. Lebensjahr, eine Schwester und ein Bruder starben im Alter von drei und zwei Jahren. Christiana Mariana hatte nie mehr als zwei Geschwister gleichzeitig. Zweimal im Jahr 1697 und 1702/1703 war sie für ca. 9 Monate sogar das einzige Kind. Dies änderte sich mit der Geburt ihres Bruders Franz Wilhelm im Mai 1703, der ebenso wie sie das Erwachsenenalter erreichte. Als ältestes Kind wurde Christiana Marianas frühe Kindheit durch den Tod ihrer Geschwister beeinträchtigt; zwischen ihrem zweiten und ihrem neunten Lebensjahr verlor sie sechs Geschwister (s. Anhang). Da diese teilweise bereits im Kleinkindalter und damit in das Leben der Familie integriert waren, muß sie dies als Verlust erfahren haben. Auch wenn der Tod von Familienangehörigen jeglichen Alters in der Frühen Neuzeit kein Einzelschicksal, sondern allgegenwärtig war, so bedeutete er doch eine einschneidende Erfahrung für jeden einzelnen.31 Der ‘Fall’ des Vaters als Bürgermeister (1705) Während der zweiten Amtsperiode des Vaters trat das Ereignis ein, welches das weitere Leben der Familie überschatten sollte. Auf Befehl des Kurfürsten wurde Franz Conrad Romanus im Januar 1705 in seinem Haus verhaftet und auf die Pleißenburg32 gebracht. 29 Romanus hatte bei dem Leipziger Maler für 1.002 Tlr. folgende Ölgemälde auf Leinwand bestellt: Für den Saal Apollo oder die aufgehende Sonne mit den vier Jahrestheilen, in die Wohnstube das Judicium Paridis, in die Schlafkammer eine schertzende Venus, in die Erkerstube das große Bilt sambt den vier kleinen, in ein Nebengemach ein Gemälde so die perfection vorstellet, in die Bibliothek das große Bilt sambt den vier kleinen, ins Kabinett eine Flora, so Blumen streut, in die Jungefernstube die Vestales, in die Kinderstube die Aurora, in das Türmchen ein Deckenbild, in die drei Kabinettüren zwölf Blumentsücke und Zierathen, ein Contrafait des Königs, über die Türen der Bibliothek und über die Tür der Jungfernstube vier schildereyen. Wustmann, Urkunden und Aktenstücke, S. 347. 30 Wustmann, Urkunden und Aktenstücke, S. 347. 31 Wunder, Er ist die Sonn', S. 34f. 32 Die Pleißenburg war der Sitz des landesherrlichen Statthalters in Leipzig. 3. Christiana Mariana: Leben und Lebenserfahrung 74 Romanus’ Tätigkeit als Bürgermeister und Ratsmitglied von Leipzig fiel in eine landes- politisch sehr unbeständige Zeit. Friedrich August I. war häufig in Polen, um dort seine dynastischen Interessen zu vertreten und Sachsen wurde von einem Statthalter und dem Geheimen Consilium, dem obersten Gremium der Landesregierung, regiert. Diese hatten weitgehende Machtbefugnisse und mußten nur in wichtigen Angelegenheiten beim Landesherrn Order einholen, die dieser über einen persönlichen Sekretär über- mittelte. Diese Regierungsform erwies sich jedoch für den Kurfürsten als wenig erfolgreich, da der Geheime Rat, der sich zum großen Teil aus dem alteingesessenen Adel des Landes rekrutierte, nicht seine Interessen vertrat, sondern sogar teilweise mit den Ständen gegen ihn arbeitete. Beide versuchten, sich der dynastischen Politik ihres Landesherrn in Polen nach Kräften zu widersetzen. Friedrich August I. hatte nicht die Zeit, sich um die Leitung des Kurfürstentums zu kümmern und war somit auf ein entsprechendes Gremium angewiesen. Diese Situation war der Schauplatz für zahlreiche Intrigen zwischen seinen Anhängern und der anderen Seite. Oberstes Ziel des Kur- fürsten mußte es daher sein, sich gegen den Geheimen Rat durchzusetzen und sich von den ständischen Kreisen unabhängig zu machen, was ihm jedoch erst im Jahre 1706 durch eine Neuordnung seiner Regierung gelang.33 Romanus, der ein loyaler und überzeugter Anhänger des Kurfürsten war, fiel wahrscheinlich einer der Intrigen zum Opfer und wurde in dieser Situation von Friedrich August I. aus politischem Kalkül fallengelassen. Wie war es aber nun zu der Verhaftung gekommen? Im November des Jahres 1704 tauchten in Halle zwei von der Stadt Leipzig ausgestellte Ratsscheine über 5.000 Tlr. auf, die sich jedoch als Fälschungen erwiesen. Romanus zog daraufhin den Bürger- meister Christ ins Vertrauen, gestand ihm die Fälschung der Scheine ein und sicherte sich dessen Verschwiegenheit. Er selbst konnte sich zunächst nicht weiter um die Angelegenheit kümmern, da er eine unaufschiebbare Reise nach Polen zum Kurfürsten unternehmen mußte. In seiner Abwesenheit ließ Christ, der inzwischen mißtrauisch geworden war, den Depositenschrank der Stadt öffnen und in Gegenwart von drei Zeugen ein Verzeichnis der vorhandenen Depositen anlegen. Dabei stellte sich heraus, daß nur einige unbedeutende Beträge vorhanden waren, die größeren aber fehlten. 33 Zur sächsischen Landespolitik zwischen 1700 und 1706 vgl. Dürichen, Johannes: Geheimes Kabinett und geheimer Rat unter der Regierung Augusts des Starken in den Jahren 1704-1720, in: Neues Archiv für Sächsische Geschichte 51 (1930), S. 68-134. 3. Christiana Mariana: Leben und Lebenserfahrung 75 Christ wandte sich daraufhin in mehreren Schreiben an Romanus, dem es jedoch nach seiner Rückkehr gelang, diese unangenehmen Vorfälle zu ordnen und sein Verhältnis zum Rat wieder notdürftig herzustellen. Zur Neujahrsmesse 1705, bei Anwesenheit des kurfürstlichen Hofes in Leipzig, tauchte ein weiterer Schuldschein diesmal über 53.333 Tlr. auf. Romanus konnte zwar eine Spezialorder von Friedrich August I. vorweisen, die ihn zu diesem eigenmächtigen Handeln befugte, trotzdem fand, völlig überraschend für ihn, seine Mitbürger und den Rat der Stadt, am 16.01.1705 die Verhaftung statt.34 Da er sich großer Beliebtheit bei der Bevölkerung erfreute, fanden sich sofort Leipziger Bürger, die eine Bittschrift zu seiner Freilassung an den Landesherren richten wollten; solche Aktivitäten wurden jedoch vom Rat verboten. Von Seiten der Landesregierung wurde das Haus des abgesetzten Bürgermeisters Romanus durchsucht und alle Schrift- sachen konfisziert, Christiana Marianas Mutter wurde das Gelöbnis abgenommen, daß sie vor die vorhandenen Mobilien und andern Sachen stehe.35 Der Vater Christiana Marianas war inzwischen auf die Festung Königsstein und von dort zu Verhören nach Dresden gebracht worden. Während der Verhöre stellte sich heraus, daß Quittungen für Gelder mit denen Romanus verschiedene Rechnungen für den Kurfürsten bezahlt hatte, verschwunden waren.36 Diese hatten sich unter den konfiszierten Sachen befunden. Ab da weigerte sich Romanus irgendeine Aussage zu machen, bevor er nicht die Erlaubnis bekäme, sich schriftlich an den Kurfürsten zu wenden. Damit verliefen alle weiteren Verhöre ergebnislos. Die Untersuchung dauerte insgesamt fünf Jahre, von Januar 1705 bis Januar 1710, ohne daß dem Verhafteten gestattet wurde, mit dem Kurfürsten Kontakt aufzunehmen. Anfang 1711 reichte Romanus seine Verteidigungsschrift ein. 1715 erging ein letzter Bericht der Unter- suchungskommission an das Geheime Consilium37 mit der Bitte um eine Anordnung des Kurfürsten, welche jedoch nicht erfolgte. 34 Wustmann, Urkunden und Aktenstücke, S. 291. Am 31.03.1724 fragte ihn eine Frau von Pannewitz während eines Gesprächs auf dem Königsstein: "Sag Er mir doch mal; Er ist doch ein so kluger Mann, hat Er denn nicht wissen können, daß Er würde hier auf die Festung kommen?" Romanus bejahte : er habe aber "lieber alles abwarten" als fliehen wollen. Geschäfte hätten ihn verhindert, um 10 der Einladung beim Grafen Hoym zu folgen; sonst wäre alles gut geworden. Zitiert nach Wolff, S. 160. 35 Zitiert nach Wustmann, Urkunden und Aktenstücke, S. 295. 36 Inzwischen waren weitere Wechsel aufgetaucht, zum Teil waren sie gegen den Brauch nur mit Romanus’ Unterschrift versehen, zum Teil waren aber auch die Unterschriften der anderen Ratsmitglieder gefälscht. Wustmann, Urkunden und Aktenstücke, S. 295. Außerdem hatte sich herausgestellt, daß Romanus auch sein Amt als Vorsteher der Nicolaikirche zu Unterschlagungen mißbraucht hatte. Stadtarchiv Leipzig, Hauptbuch der Nicolaikirche, Stift IX B. 32. Vol. 2, fol. 27. 37 Hierbei handelt es sich um die oberste Staats- und Verwaltungsbehörde in Kursachsen. 3. Christiana Mariana: Leben und Lebenserfahrung 76 Während Wolfdietrich von Beichling als hoher sächsischer Beamter tatsächlich gegen den Kurfürsten intrigierte, hatte Franz Conrad Romanus mit und für den Kurfürsten die Stadt Leipzig um Gelder betrogen. Seine Schuld bestand darin, daß er bei diesen Trans- aktionen auch Geld für sich selbst abgezogen hatte. Er hatte sich zwar bereichert, sein Vergehen war aber eher eine Begleiterscheinung seines Dienstes für den Kurfürsten und eine so harte Behandlung daher nicht verständlich.38 Es wurde nie ein Urteil über ihn gefällt; verschiedene Gnadengesuche wurden abgelehnt. Romanus verstarb schließlich nach 41 Jahren Festungshaft im Alter von 76 Jahren auf der Festung Königsstein.39 Der soziale Aufstieg des Franz Conrad Romanus ist ein Hinweis auf seinen Ehrgeiz und sein Durchsetzungsvermögen. Das verlangte von ihm aber auch eine erhebliche An- passungsleistung, die bei ihm in Narzißmus und Selbstüberschätzung gipfelte.40 Sein Hang zu repräsentativer Pracht, wie der Bau eines Stadtpalais, das den Adelspalästen in Dresden in nichts nachstand, und sein generöses Verhalten gegenüber dem Gemein- wesen, ein Handeln also, welches keineswegs seiner finanziellen Potenz entsprach, sind Belege dafür. Auch sein betrügerisches Verhalten steht in diesem Kontext. Er hatte am Hof Friedrich August I. mit dessen Geldbeschaffer Wolfdietrich von Beichling zusammengearbeitet und derartige Geldtransaktionen als durchaus üblich kennenge- lernt. Zudem glaubte er sich im Recht, da er die Unterschlagungen vor allem zu Gunsten des Kurfürsten durchführte. Durch seine Nähe zu ihm hielt er sich für ausreichend abgesichert, um politisch-moralische Grenzen überschreiten zu können. Doch dies ist nur eine Seite seiner Persönlichkeit. Der Vater Christiana Marianas war ein kultivierter 38 Der Premierminister und Großkanzler von Sachsen, Wolfdietrich von Beichling, der 1703 wegen Unterschlagungen und Umsturzabsichten verhaftet wurde, kam im Gegensatz zu Romanus nach nur sechs Jahren Haft wieder frei kam. Vgl. hierzu Engelhardt, Carl August: I.F. Böttger. Erfinder des Sächsischen Porzellans. Biographie aus authentischen Quellen. Nebst einer kurzen Darstellung der Staats=Gefängnisse und merckwürdigen Staatsgefangenen in Sachsen seit dem sechzehnten Jahrhundert. Nach dem Tode des Verfassers vollendet und herausgegeben von August Moritz Engelhardt, Leipzig 1837, S. 637f. 39 Romanus verstarb am 14.05.1746. Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden, Locat 14606, Vol. V, Des auf der Festung Königstein in Arrest detiniert gewesenen und verstorbenen Geheimden Raths Romani Beerdigung samt dem was in Ansehung seines obsignierten Nachlasses an Scriptum und anderen Effecten disponiert worden betr., Ao. 1746 u. Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden, Locat 4603, Des auff der Festung Königstein in Arrest gewesenen Pfingstens Absterben Beerdigung betr. de ais. 1735-1736. it. D. Romani Absterben betrf. de ao 1746, fol. 19-37. 40 Ulrike Prokop sprich bei Aufsteigern von einer Bedrohung ihrer sozialen Identität, durch die von ihnen verlangte hohe Anpassungsleistung. Diese kann sich sowohl in Narzißmus, aus Begeisterung über sich selbst, als auch in mangelndem Selbstwertgefühl ausdrücken. Prokop, Ulrike, Die Illusion vom Großen Paar, 2 Bde., Frankfurt am Main 1991, Bd. 2, S. 49. 3. Christiana Mariana: Leben und Lebenserfahrung 77 Mann. Er liebte Kunst und Musik und war belesen.41 Seine große Beliebtheit bei der Leipziger Bevölkerung zeigt, daß er ein freundliches umgängliches Wesen gehabt haben muß. Wustmann bezeichnet ihn als einen "vorurteilsfreien, gutmütigen und freigiebigen Mann, der kein engherziger Knauser war, wie viele seiner Ratskollegen".42 Die Folgen für die Familie Nach der Verhaftung blieben die Ehefrau, Christiana Maria Brummer, die neunjährige Christiana Mariana und der zweijährige Franz Wilhelm, die übrigen Geschwister waren bereits verstorben, allein. Durch den Konkurs des Familienvermögens entstand eine schwierige finanzielle Lage. Zahlreiche Kaufleute forderten offenstehende Rechnungen ein, so z.B. der Maler, der einen Teil der Gemälde zurückverlangte, die noch nicht bezahlt waren. Auch der Spiegel aus Christiana Marianas Zimmer mußte zurückgege- ben werden. Das Ereignis war also über den Verlust des Vaters hinaus mit belastenden persönlichen Erfahrungen für Christiana Mariana verbunden. Das Verhalten der Gläubiger war nicht ungewöhnlich; beim Tode des Familienvaters wurde häufig auf die Hinterbliebenen Druck ausgeübt, um zumindest einen Teil der verliehenen Gelder oder Waren zu retten.43 In diesem Fall war es nicht der Tod, sondern die Verhaftung des Vaters, der den Ansturm der Gläubiger auslöste. Unmittelbar nach diesem Ereignis soll sich die Familie auf dem Land aufgehalten haben, wahrscheinlich um zumindest die beiden Kinder den unmittelbaren Folgen zu entziehen.44 Da die Romanus’ keinen eigenen Landsitz hatten, ist zu vermuten, daß sie auf Dölitz, dem Rittergut von Georg Winckler, lebten.45 Georg Winckler hat sich anscheinend seiner Verantwortung als Verwandter der Familie und als Patenonkel Christiana Marianas nicht entzogen. Das Verhalten des Kurfürsten in dieser Situation war besonders ungewöhnlich. Mehr- fach griff er zu Gunsten der Familie Romanus in das laufende Konkursverfahren ein, während er dem Inhaftierten gleichzeitig jegliche Kommunikation verweigerte. Offen- 41 Während seiner Gefangenschaft vertrieb er sich die Zeit damit, Musikaufführungen anzuhören und zu lesen. Dazu Engelhardt, S. 215 u. Wustmann, Urkunden und Aktenstücke, S. 303. 42 Wustmann, Urkunden und Aktenstücke, S. 352. 43 Vgl. hierzu Davis, Natalie Zemon: Drei Frauenleben. Glikl, Marie de l’Incarnation, Maria Sibylla Merian, Berlin 1996, S. 22 und Anm. 28. 44 Hierbei handelt es sich um eine Vermutung Spittas, die von ihm aber nicht belegt wird. Spitta, Marianne von Ziegler, S. 96. 45 Die Wincklers hatten dort erst 1670 das Schloß um ein Gebäude erweitert, so daß genügend Platz vorhanden war. ‘Die Ruine verfiel durch Verwitterung’, in: Sächsisches Tageblatt vom 23.01.1986; Schlichting, R.: Geschichte der Kirchgemeinde Markkleeberg des Stadtteils Markkleeberg=Ost der Stadt Markkleeberg und des Stadtteils Dölitz mit Meusdorf der Stadt Leipzig, Bd. 1, Leipzig 1937, S. 154f. 3. Christiana Mariana: Leben und Lebenserfahrung 78 sichtlich war er sich seiner Schuld in dieser Angelegenheit durchaus bewußt, mußte aber letztendlich den politischen Erwägungen nachgeben. Durch sein Eingreifen blieb der Familie zunächst ein Teil des Einkommens des Vaters erhalten. Romanus verlor zwar sein Bürgermeisteramt, aber Friedrich August I. sorgte dafür, daß zumindest ein Teil der wöchentlichen Schöppenstuhlgelder der Ehefrau ausgezahlt wurde. Dies rief den Protest des Rates hervor, da die Gelder an das Amt im Rat gekoppelt waren, doch mußte sich der Rat dem Befehl des Kurfürsten beugen. Ebenso wurde auf Befehl des Kurfürsten das Konkursverfahren zunächst ausgesetzt. Im Jahre 1727 ging der gesamte Grundbesitz ihres Ehemannes an Christiana Maria Brummer über.46 Ein Teil davon wurde gerichtlich versteigert, da noch verschiedene Forderungen ausstanden. Als der Rat versuchte, Christiana Maria Brummer dazu zu zwingen, auch das Haus in der Katharinenstraße zu verkaufen, kam ihr der Kurfürst erneut zur Hilfe. Mit der eidlichen Versicherung, daß sie über 30.000 Gulden Mitgift47 in die Ehe eingebracht habe, konnte auf Befehl des Kurfürsten ein Verkauf abgewendet werden.48 An Christiana Marianas Mutter lag es, die Folgen für das Handeln ihres Mannes zu ver- mindern. Die Souveränität, mit der sie die an sie gestellten Anforderungen bewältigte, lassen darauf schließen, daß sie eine durchsetzungsfähige Persönlichkeit war. Offen- sichtlich verfügte sie über die notwendigen wirtschaftlichen Kenntnisse, die in einer solchen Situation erforderlich waren. Juristische Angelegenheiten waren ihr, die in einem Juristenhaushalt aufgewachsen war, sicherlich nicht fremd. Darüber hinaus war sie in der Lage, sich entsprechender Hilfe zu versichern und scheute sich nicht, sich mit Bittschriften direkt an den Kurfürsten zu wenden. Geschickt verstand sie es auch, sich eine so hochgestellte Persönlichkeit wie den Reichsgrafen Flemming zu verpflichten, 46 Im Schossbuch steht in bezug auf das Haus in der Katharinenstraße/Brühl: Fr. Christiana Maria Romanin hats sub hasta erstanden und in Lehn bekommen den 4. April 1727. Stadtarchiv Leipzig, Schossbuch (1711-1732) 1. Hälfte, S. 91. 47 Der Schutz des von der Frau in die Ehe eingebrachten Vermögens vor der Eintreibung von Geschäftsschulden gehörte zur "weiblichen Freiheit". Wunder, Er ist die Sonn', S. 125. S. dazu auch Sabean, David W.: Property, production, and family in Neckarhausen, 1700-1870, Cambridge / New York / Port Chester / Melbourne / Sidney 1990, S. 211. 48 1735 verkaufte sie es an den Hofrat Dr. Friedrich Benedict Örtel und kaufte dafür ein Haus in der Reichsstrasse. Stadtarchiv Leipzig, Schossbuch (1733-1811) 1. Hälfte, S. 187 u. Hauptbuch zum Opfer- und Wächtergelde (Hausbesitzer) (1719-1825), S. 238. Ein Umzug scheint jedoch nicht stattgefunden zu haben, denn ihr Leichenbegängnis im Jahr 1739 erfolgte noch von der Katharinenstraße aus. Stadtarchiv Leipzig, Ratsleichenbuch 25 (1738-1742), Sterbeeintrag vom 01.04.1739. 3. Christiana Mariana: Leben und Lebenserfahrung 79 damit er sich für ihre Belange einsetzte.49 Mit ihrem Schwager Carl Friedrich Romanus und ihrem Onkel Georg Winckler hatte sie dazu einflußreichen familiären Beistand. So gelang es ihr, dem Druck des Rats zu widerstehen und einen erheblichen Teil des Be- sitzes zu wahren. Damit ersparte sie ihrer Familie den Abstieg durch Verarmung. Durch ihr Handeln wies sich Christiana Maria Brummer als eine mutige, tatkräftige und ge- schäftstüchtige Frau aus. Dennoch ist zu fragen, inwieweit das Ansehen der Familie durch die Verhaftung gelitten hatte. Der Vater Christiana Marianas saß immerhin über 40 Jahre in Festungs- haft und war, wenn auch nicht unmittelbar, so doch zumindest im Gedächtnis der Leipziger immer noch präsent. Welche Möglichkeiten hatten nun die einzelnen Familienmitglieder, trotz des Skandals und der langjährigen Gefangenschaft des Vaters, ein unbelastetes Leben zu führen? Christiana Marianas Heiratschancen wurden durch die Ereignisse um den Vater nicht beeinträchtigt, denn sechs Jahre danach ging sie eine Ehe mit Heinrich Levin von Könitz ein: Damit war eine Standeserhöhung von der Bürgerin zur Niederadeligen verbunden.50 Als Christiana Mariana von Ziegler fast 30 Jahre nach der Verhaftung ihres Vaters zur kaiserlichen Poetin gekrönt wurde, stellte ihr Zeitgenosse Lamprecht das Ansehen des mittlerweile über sechzigjährigen politischen Häftlings sogar ausdrücklich heraus: Wofern es eine Ehre giebt, von edlen, klugen und um das gemeine Beste verdienten Voreltern abzustammen, so hat die Frau von Ziegler die gerechteste Ursache, dieselbe zu fordern. Ihr berühmter Vater, der gepriesene Romanus, ertheilet ihr schon allein dieses Recht. Sein munterer Eifer für das Aufnehmen seiner Vaterstadt, seine Einsicht in die Staatskunst, seine ungemeine Rechtsgelehrsamkeit, seine mit Klugheit bekleidete Bürgermeisterstelle sind solche wahre Vorzüge, welche zugleich seine unvergleichliche Tochter erheben. 51 Bei einem Ehrenmal für eine deutsche Dichterin wäre eine kritische Äußerung zu deren Familie kaum zu erwarten, aber Lamprecht hätte den Vater ebensogut unerwähnt lassen können. Offensichtlich wurde die Ausgrenzung des Vaters nicht auf die Kinder übertra- gen. So absolvierte auch der Bruder Christiana Marianas, Franz Wilhelm Romanus, den 49 Flemming war Generalfeldmarschall, Kabinettsminister und enger Vertrauter von Friedrich August I. Briefe von Christiana Maria Brummer an Reichsgraf Flemming, Sächs. HSTA, Locat 702, "Correspondence Flemming", Vol. CCVII, fol. 114a-117b. 50 In diesem Fall bestimmte der Mann den Stand der Frau. 51 Lamprecht, Vorrede. Meist unter Berufung auf dieses Zitat wird in der Forschungsliteratur ein Ansehensverlust allgemein bestritten. Heuser, Musenchor, S. 296;. Spitta, Marianne von Ziegler, S. 96; Wustmann, Urkunden und Aktenstücke, S. 352; Grosse, S. 350f. Die gleiche Ansicht, ohne dafür jedoch einen Nachweis anzuführen vertritt Landsberg. 3. Christiana Mariana: Leben und Lebenserfahrung 80 üblichen Werdegang eines Sohnes aus dem gehobenen Bürgertum. Nach dem Studium der Rechte in Leipzig promovierte er dort im Dezember 172752 und heiratete sechs Monate später Christiana Maria Senckeisen (gest. 1752), eine Leipziger Bürgertochter.53 Anschließend machte er am Oberhofgericht und an der Universität Karriere. Für Christiana Marianas Mutter hatte die Verhaftung dagegen Ansehensverluste zur Folge. Nach 1704 wurde sie nicht mehr als Patin angefragt, sie übernahm danach ledig- lich die Patenschaften für ihre Enkelin und eine Nichte.54 Die Ehefrau war offensicht- lich von den Vorfällen in spezifischer Weise betroffen, während die sozialen Chancen der Kinder durch die Ereignisse nicht beeinträchtigt wurden. Daß es sich bei Romanus’ Inhaftierung mehr um einen politischen, denn einen strafrechtlichen Akt handelte, war in Leipzig bekannt. Auch wenn man von Seiten des Rates durch verschiedene Intrigen versucht hatte, die Anklagepunkte gegen Romanus zu erhöhen, um diesen damit für immer auszuschalten, gehörten die Romanus’ doch immer noch zu den ersten Familien der Stadt und hatten entsprechende Verbindungen, die nicht so einfach zu ignorieren waren. Trotzdem ist davon auszugehen, daß der Verlust des Ehemanns und Vaters einen schwerwiegenden Einschnitt im Leben der Familie bedeutete. Der Skandal konnte mit Hilfe der einflußreichen Verwandten zumindest abgeschwächt werden. Die finanziellen Probleme wurden mit Hilfe des Kurfürsten zunächst vorläufig, endgültig aber im Jahr 1727 mit Erwerb des Hauses durch Christiana Maria Brummer gelöst. Was langfristig zu bewältigen blieb, war ein Leben ohne Ehemann und Vater. Im Bewußtsein seiner Angehörigen hatte Franz Conrad Romanus zumindest nichts Schlimmeres getan als andere vor ihm. Im folgenden sollen die unmittelbaren Auswirkungen der Verhaftung auf Christiana Mariana und ihren Bruder analysiert werden. Die zu diesem Zeitpunkt neunjährige Christiana Mariana war das erste Kind des Paares gewesen und hatte damit eine be- sondere Stellung innerhalb der Geschwisterreihe und im Familienverband. Das Ver- 52 Landsberg, S. 101. 53 Kirchenarchiv Leipzig, Traubuch St. Thomas (1712-1729), Eintrag vom 25.05.1728. 54 Dies wurde von mir anhand der Taufbücher von St. Nicolai für den Zeitraum von 1694-1712 überprüft. Zwischen 1695 und 1704 übernahm Christiana Maria Brummer insgesamt 20 Patenschaften, nach der Verhaftung ihres Ehemannes nur noch die zwei erwähnten. Vgl. hierzu Kirchenarchiv Leipzig, Taufbücher St. Nicolai 20 (1690-1697), 21 (1697-1705), 22 (1706-1712). 3. Christiana Mariana: Leben und Lebenserfahrung 81 hältnis zwischen Tochter und Vater scheint ein besonderes gewesen zu sein, wie Lamprecht beschreibt: Ein fähiger und aufgeweckter Verstand, das Beyspiel und die zärtliche Liebe eines klugen Vaters, und der Umgang mit Personen von gleicher Art unterstützten die gepriesenen Entschliessungen der Frau von Ziegler. 55 Auch wenn es sich um den Vorbericht zu einer Gedichtsammlung zu Ehren der Dich- terin handelt, weist die Wortwahl doch auf eine besonders innige Beziehung zwischen Vater und Tochter hin. Franz Conrad Romanus hat sich offensichtlich intensiv um die Erziehung seiner Tochter bemüht.56 Der Verlust des Vaters mußte Christiana Mariana von daher in besonderer Weise treffen. Es ist zu vermuten, daß der Vater auch nach sei- nem Sturz von der Mutter gegenüber den Kindern eher als vorbildlich und unbescholten denn als Betrüger erinnert wurde, so daß Christiana Mariana im Bewußtsein eines ihm geschehenen Unrechts aufwuchs. Darauf deuten auch die Äußerungen Lamprechts hin, der zum engeren Freundeskreis der Autorin gehörte und solche Bemerkungen sicherlich unterlassen hätte, wenn es ihr unangenehm gewesen wäre. Nach der Gefangennahme des Vaters gab es keine Kontakte zwischen Vater und Tochter. Besuche von Staatsge- fangenen durch Familienangehörige waren nicht üblich und durch besondere Geneh- migungsverfahren erschwert. Ihre Mutter durfte Romanus zwei Jahre nach der Verhaftung auf dem Königsstein besuchen. Christiana Mariana selbst hat ihn erst als 25jährige nach ihrer zweiten Heirat wiedergesehen.57 Franz Wilhelm, der Bruder Christiana Marianas, war bei der Verhaftung des Vaters ge- rade zwei Jahre alt. Er dürfte dieses Ereignis zunächst kaum als Einschnitt in seinem Leben erfahren haben, da er in der Mutter weiterhin seine Bezugsperson hatte. An des 55 Lamprecht, Vorrede. 56 Es gibt in der Geschichte viele Beispiele für Väter, die sich besonders um die Erziehung ihrer Töchter kümmerten, so z.B. Johann Georg Kulmus um seine Tochter Louise Adelgunde Victorie oder auch Georg Friedrich Gutermann um seine Tochter Sophie später bekannt als Sophie von La Roche (1730- 1807). Hanstein Bd. 1, S. 144; Maurer, Michael: Einleitung, in: Ich bin mehr Herz als Kopf. Sophie von La Roche. Ein Lebensbild in Briefen, hg. v. Michael Maurer, München 1985, 2. durchges. Aufl., S. 7-33, hier S. 11f. Ein Beispiel für Leipzig ist Rahel Elisabeth Carpzov (1680-1731), in deren Leichenpredigt sich ein Hinweis auf die Bemühungen ihres Vaters Friedrich Benedict Carpzov um ihre Erziehung findet. Jöcher, Christian Gottlieb: Gedächtnüß=Rede gehalten Den 26. Octob. M DCC XXXI. In der Kirche zu Gautsch, in: Denk= und Ehrenmahl Der seeligen Frau Baumeister Oertelin, Leipzig 1731, S. 43f. 57 Zum Besuch der Christiana Maria Brummer am 17.09.1707: Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden, Locat 14606, Vol. I, Arrest des Geheimden Raths Romanus, 1705-1717, fol. 18a. Zum Besuch der Christiana Mariana von Ziegler am 19.07.1720: Sächs. HSTA Dresden, Locat 14606, Vol. II, Arrest des Herrn Geheimden Rathes Romanus, 1718-1726, unp., Gesuch vom 4. July 1720, Extractus Protocolli vom 12. July 1720, Brief vom 13.07.1720. 3. Christiana Mariana: Leben und Lebenserfahrung 82 Vaters Stelle nahm sich sein Onkel Carl Friedrich Romanus in besonderer Weise des Heranwachsenden an58, so daß er den Vater, den er nur aus Erzählungen der Mutter kannte, wahrscheinlich nicht vermißte. Franz Wilhelm hat seinen Vater nie besucht. Bei allen negativen Auswirkungen, die die Ereignisse um den Vater hatten, gab es doch auch wichtige positive Erfahrungen im Zusammenhang mit ihm. Christiana Mariana war sechs Jahre alt, als ihr Vater Bürgermeister von Leipzig wurde. Mit der Aufnahme in den Rat der Stadt bekam die Position der Familie innerhalb des städtischen Gemein- wesens eine neue Qualität. Die Romanus’ gehörten nun nicht nur durch Verwandtschaft mit den Wincklers, sondern auch durch das hohe Amt des Vaters zur Führungsschicht. Die Zugehörigkeit zu dieser Führungsschicht garantierte der Familie den Zutritt zu gesellschaftlichen Ereignissen dieser Gruppe. Auch wenn dies für eine Sechsjährige zunächst von nicht so großer Bedeutung war, so beeinflußte diese Tatsache zumindest ihr Selbst- und Standesbewußtsein, denn sie wuchs als Tochter des Bürgermeisters auf. Entsprechend dem Rang des Familienvaters waren die Romanus’ ab sofort begehrte Leute. Dies drückte sich nicht nur in einer starken Zunahme der Patenschaften59, sondern auch in einer Zunahme der gesellschaftlichen Verpflichtungen aus.60 Mit der Verhaftung des Vaters fand diese Lebensweise ein vorläufiges Ende. Wie sah nun Christiana Marianas Erziehung aus? Welche Fähigkeiten und Kenntnisse wurden ihr vermittelt? Es gab unterschiedliche Möglichkeiten Töchtern die notwen- digen Kenntnisse zu vermitteln: in der Schule, durch Hauslehrer oder auch durch die Eltern. Lamprecht, der sich zu ihrer Erziehung äußerte, hat weder erwähnt, daß sie eine Schule besucht hat, noch spricht er von Hauslehrern.61 Weitere Geschwister, mit denen 58 Dondorff; Weidlich, Christoph (Hg.): Geschichte der jetztlebenden Rechts=Gelehrten in Teutschland, und zum Theil auch ausser demselben, als ein Rechts=Gelehrten=Lexicon in Alphabetischer Ordnung, nebst einer hierzu dienlichen Vorrede, Erster Theil, Merseburg 1748, S. 356. 59 Aus Zeitgründen konnte nur eine Auswertung der Taufbücher von St. Nicolai erfolgen, nicht aber der von St. Thomas. Anhand der Taufbücher von St. Nicolai für den Zeitraum zwischen 1694-1705 ließ sich folgendes feststellen: Christiana Maria Brummer übernahm zwischen ihrer Heirat 1694 und Juni 1701, als bekannt wurde, daß ihr Ehemann das Bürgermeisteramt übernehmen würde - also über einen Zeitraum von sieben Jahren - insgesamt neun Patenschaften. Als Frau des Bürgermeisters, während der nächsten 3 ½ Jahre, übernahm sie dagegen elf Patenschaften. Franz Conrad Romanus übernahm im ersten Zeitraum sechzehn, im zweiten dagegen fünfundzwanzig Patenschaften. Auch die neunjährige Christiana Mariana übernahm zwei Patenschaften. Kirchenarchiv Leipzig, Taufbücher St. Nicolai 20 (1690-1697), 21 (1697-1705). 60 So wurde Franz Conrad Romanus z.B. von der Gesellschaft der Vertrauten zu ihren Festen eingeladen. 61 Johanna Schoppenhauer (1766-1838) ging bereits als dreijährige zur Schule. Dülmen, Andrea van (Hg.): Frauenleben im 18. Jahrhundert, München 1992, S. 179. Auch die Hamburger Bürgertochter Margarethe Elisabeth Milow (1748-1794) schreibt in ihrem Lebensbericht, daß sie Von der Zeit an, da 3. Christiana Mariana: Leben und Lebenserfahrung 83 sie hätte gemeinsam unterrichtet werden können, weil sie ihr im Alter nahestanden, hatte Christiana Mariana nicht. Möglicherweise wurde sie jedoch gemeinsam mit den Kindern ihrer nächsten Verwandten unterrichtet. Ihr fünf Jahre jüngerer Bruder Franz Wilhelm Romanus wurde, bis er auf die Universität ging, gemeinsam mit den Söhnen anderer vornehmer Familien von Karl Friedrich Petzold, dem Vesperprediger zu St. Thomas, unterrichtet.62 Daß eigens für Christiana Marianas Unterricht ein Hauslehrer eingestellt wurde, ist daher eher unwahrscheinlich. Die Grundkenntnisse, wie Lesen, Schreiben und Rechnen, könnte sie aber von ihrer Mutter vermittelt bekommen haben. Ob Christiana Maria Brummer Französisch sprach, läßt sich nicht mehr ermitteln, wahrscheinlich beherrschte sie aber nur die deutsche Sprache und kam damit als Sprachenlehrerin nicht in Frage.63 Christiana Marianas Vater sprach zwar Französisch, er war aber öfter abwesend, so daß er seiner Tochter keinen kontinuierlichen Unterricht erteilen konnte.64 Christiana Mariana sprach jedenfalls fließend Französisch und besaß fundierte Kenntnisse in der griechischen und römischen Mythologie. Ihre Ausbildung im musischen Bereich bestand, wie sie selbst erzählte, im Erlernen von Klavier und Laute und in der Malerei.65 Darüber hinaus qualifizierte sich Christiana Mariana in der für Mädchen der gehobenen Stände üblichen Weise, d.h. sie lernte, einen Haushalt zu führen und den Dienstboten Anweisungen zu geben und wurde damit für das Leben als Ehefrau und Mutter ausgebildet.66 Was sie jedoch wahrscheinlich stärker als jeder Unterricht geprägt hat, war die At- mosphäre, in der sie aufgewachsen ist. Ihr Vater war mit seiner Universitätsausbildung und seinen musischen Interessen ein gelehrter Mann, und ihre Mutter stammte zwar aus ich mich erinnern kann, die Schule besuchte. Milow, Margarethe Elisabeth: "Ich will nicht murren", hg. v. Rita Bake / Birgit Kiupel, Hamburg 1987, S. 10f. 62 Weidlich, S. 356. Karl Friedrich Petzold (1678-1731) hatte in Leipzig studiert und dort verschiedene Ämter bekleidet. Darüber hinaus gab er Söhnen aus vornehmen Familien, die nicht die öffentliche Schule besuchten, gemeinsam Privatunterricht. Zu Karl Friedrich Petzold vgl. Artikel ‘Petzold, Karl Friedrich’, in: Historisch-litterarisches Handbuch berühmter und denkwürdiger Personen, welche in dem 18. Jahrhundert gestorben sind, hg. v. Friedrich Carl Gottlob Hirsching, fortgesetzt von Johann Heinrich Martin Ernesti, Bd. VII, 1805, S. 61f. 63 Ihre Briefe schrieb sie jedenfalls in Deutsch und auch ohne die zeitüblichen französischen Redewendungen. 64 Ihr Vater war aus beruflichen Gründen häufig auf Reisen. Caspar Friedrich Goethe z.B. unterrichtete seine Tochter Cornelia (1750-1777) selbst und ebenso August Ludwig Schlözer seine Tochter Dorothea (1770-1825), die sogar 1787 als Doktor der Philosophie promoviert wurde. Prokop, S. 67- 72; Kern, Bärbel / Kern, Horst: Madame Doctorin Schlözer. Ein Frauenleben in den Widersprüchen der Aufklärung, München 1982S. 52ff. 65 Ziegler, Moralische und vermischte Send=Schreiben, Nr. 7, S. 28, Nr. 98, S. 407. Über die Art und Weise der Vermittlung sagt sie nichts. 66 Dazu auch Wunder, Er ist die Sonn', S. 45. 3. Christiana Mariana: Leben und Lebenserfahrung 84 einer Kaufmannsfamilie, war jedoch gemeinsam mit ihrem Mann in einem Gelehrten- haushalt aufgewachsen. Beiden war sicherlich daran gelegen, daß ihre älteste und einzige Tochter eine fundierte Bildung erhielt. 3.2 Die Ehen Im Jahre 1711 heiratete Christiana Mariana mit 16 Jahren den acht Jahre älteren Heinrich Levin von Könitz aus Arnstädt.67 Ihr Ehemann stammte aus einem Adelsge- schlecht, das seit dem 16. Jahrhundert im Dienste der Grafen von Mansfeld stand,68 und besaß mehrere kleinere Rittergüter in der Nähe Mansfelds in Sachsen-Anhalt.69 Wo das Paar nach der Eheschließung lebte, ist nicht bekannt. Christiana Mariana selbst schreibt in einem ihrer Sendschreiben, daß sie zweimal wegen einer Ehe ihr Vaterland verlassen habe, demnach haben sie sich zumindest zeitweise in Arnstädt aufgehalten.70 Dennoch waren sie wohl auch öfter in Leipzig, denn ihr Kind, Johanna Mariana Henrietta von Könitz, wurde Ende Februar 1712, acht Monate nach der Trauung, dort getauft.71 Nur fünf Monate später, im Juli 1712, starb Heinrich Levin von Könitz im Alter von fünfundzwanzig Jahren ebenfalls in Leipzig.72 Damit war Christiana Mariana bereits nach einem Jahr Ehe Witwe. 67 Kirchenarchiv Leipzig Traubuch St. Nicolai 10 (1699-1718), Eintrag vom 07.07.1711, S. 136. 68 Die Grafen von Mansfeld waren durch Kupferbergbau reich geworden und spielten zwischen 14. u. 16. Jh. eine bedeutende Rolle im Reich. Ende des 16 Jh. jedoch waren sie hoch verschuldet und verloren ihre Ämter und Bergwerke an ihre Gläubiger. Etzrodt, Hermann: Das Mansfelder Adelsgeschlecht von Könitz, in: Mansfelder Sippenkunde. 8. Folge, Nr. 3, Beilage zum Eisleber Tageblatt vom 10.05. (1940), S. 17-24, hier S. 17. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts verpachteten sie den Ertrag der Kupferbergwerke an die Stadt Leipzig, die dadurch versuchte die städtischen Finanzen zu sanieren. Durch den Beginn des Dreißigjährigen Krieges und der damit einhergehenden Inflation während der Kipper- und Wipperzeit, war die Stadt bereits 1625 vollkommen zahlungsunfähig und wurde von Kurfürst Johann Georg I. unter Aufsicht gestellt. Kroker, S. 123-125. 69 Er war Herr auf Arnstädt und Friedeburg und Erbsasse in Quenstedt. Zu den von Könitz vgl. Etzrodt. Bei Arnstädt handelt es sich nicht, wie in den Matrikeln der Universität Leipzig angenommen, um Arnstadt in Thüringen. Erler, Die Iüngere Matrikel, S. 231. 70 Ziegler, Moralische und vermischte Send=Schreiben, Nr. 42, S. 174. Spitta behauptet, daß sie während ihrer ersten Ehe in Leipzig gewohnt habe, ohne dies jedoch zu belegen. Spitta , Marianne von Ziegler, S. 96. 71 Kirchenarchiv Leipzig, Taufbuch St. Nicolai 22 (1706-1712), Eintrag vom 01.03.1712, S. 661. 72 Heinrich Levin von Könitz (31.08.1687 Quenstedt - 26.07.1712 Leipzig) Das Leichenbegängnis erfolgte von der Katharinenstrasse aus. Stadtarchiv Leipzig, Ratsleichenbuch 20 (1708-1713), S. 262r. Etzrodt gibt als Todestag den 27.07.1712 an, er verwechselt dabei das Datum des Todeseintrags in das Ratsleichenbuch mit dem wirklichen Todesdatum. Etzrodt 1940, S. 23. Die Todesursache ist nicht bekannt. 3. Christiana Mariana: Leben und Lebenserfahrung 85 Nach zweieinhalbjähriger Witwenschaft, im Alter von neunzehn Jahren, heiratet sie 1715 erneut. Auch ihr zweiter Ehemann, der Hauptmann Georg Christoph von Ziegler auf Eckartsleben war ein Niederadliger73 und stammte aus einem Adelsgeschlecht, das in der Nähe Erfurts ansässig war. Mit ihm verließ Christiana Mariana ihre Vaterstadt Leipzig kurz nach der Eheschließung und lebte auf seinem Gut Eckartsleben. Möglicherweise hat sie ihren Mann während des Nordischen Krieges gegen die Schweden auch ins Feld begleitet.74 Später scheint sie aus dieser Erfahrung zu schöpfen, wenn sie in einem ihrer Sendschreiben eine Frau berät, die ihren Mann ins Feld begleiten muß. Sehr kompetent schildert sie dort das Leben unterwegs.75 Diese Kenntnisse und die Tatsache, daß ihr zweites Kind erst über ein Jahr nach seiner Geburt getauft wurde76, machen es wahrscheinlich, daß sie ihren Ehemann tatsächlich in den Krieg begleitete. Auch die zweite Tochter Carolina Augusta Louisa wurde in Leipzig getauft, sie war aber in Eckartsleben geboren worden.77 Für dieses Kind bemühte sich das Paar um einen hochgestellten Paten, nämlich den Reichsgrafen Flemming.78 Dieser scheint jedoch die Patenschaft abgelehnt zu haben, denn unter den Paten des Kindes taucht Flemming nicht auf.79 Die zweite Ehe Christiana Marianas bestand sieben Jahre. Wahrscheinlich im Jahr 1722, unmittelbar nach Beendigung des Nordischen Krieges, verlor sie ihren zweiten Ehemann und im selben Jahr auch ihre beiden Töchter im Alter von sechs und elf Jahren.80 Möglicherweise fielen sie einer ansteckenden Krankheit zum 73 Kirchenarchiv Leipzig, Traubuch St. Nicolai 10 (1699-1718), Eintrag vom 22.01.1715, S. 740 74 Spitta weist in diesem Zusammenhang auf ein Gedicht von Corvinus genannt Amaranthes hin. Spitta , Marianne von Ziegler, S. 96. Ob dieses Gedicht sich jedoch wirklich auf Christiana Mariana bezieht, ist anhand des Inhalts nicht nachzuweisen. Corvinus, Die mit ihrem Geliebten zu Felde=gehende Mariane, Auf eines hohen Officirers Vermaehlung, in: Reiffere Fruechte Der Poesie, S. 257f. 75 Ziegler, Moralische und vermischte Send=Schreiben, Nr. 22, S. 89-93. 76 Kirchenarchiv Leipzig, Taufbuch St. Nicolai 24 (1717-1722), Eintrag vom 05.03.1717, S.25. 77 Sie wurde am 12.02.1716 in Eckartsleben geboren. Spitta, Marianne von Ziegler, S. 96, Anm. 3. 78 Sächs. HSTA Dresden, Locat 702, "Correspondence Flemming", Vol. CCVII, Brief v. 14.02.1716, Christiana Maria Brummer an Graf Flemming, fol 114a-114b. 79 Als Pate standen: Rahel Elisabeth verh. Örtel, Balthasar Rabor, Susanna Sophia verh. Winckler. Kirchenarchiv Leipzig, Taufbuch St. Nicolai 24 (1717-1722), Eintrag vom 05.03.1717, S.25. 80 Die genauen Todesdaten sind nicht bekannt. Eine Anfrage an das Pfarrarchiv Eckartsleben ist leider ohne Ergebnis geblieben. Christiana Mariana von Ziegler schreibt in einem ihrer Sendschreiben: ..., als mich das unumgängliche Verhängis nicht nur in den Wittben=Stand versetzte, sondern mich auch zugleich zweyer unerzogenen Kinder auf einmal beraubte. Ziegler, Moralische und vermischte Send=Schreiben, Nr. 98, S. 406. 3. Christiana Mariana: Leben und Lebenserfahrung 86 Opfer.81 Nach diesen Ereignissen kehrte die junge Witwe 1722 in ihr Elternhaus nach Leipzig zurück.82 Fast zwanzig Jahre später, im September 1741, heiratet Christiana Mariana den neun Jahre jüngeren Universitätsprofessor Wolf Balthasar Adolph von Steinwehr, der dem pommerschen Adel entstammte.83 Sie hatten sich in der Deutschen Gesellschaft84 ken- nengelernt, wo beide Mitglieder waren. Steinwehr war 1704 in Deez bei Soldin gebo- ren, erlangte 1725 in Wittenberg die Magisterwürde und war 1732 nach Leipzig gekom- men, wo er in die Deutsche Gesellschaft eintrat. An der Leipziger Universität wurde er Assessor der philosophischen Fakultät und im Jahr 1738 Mitglied der Königlich Preußischen Sozietät der Wissenschaften. Im gleichen Jahr ging Steinwehr nach Göttingen, weil ihm dort eine Stelle als außerordentlicher Professor an der neugegrün- deten Universität angeboten worden war.85 Unklar ist, ob sich Ziegler und Steinwehr zu diesem Zeitpunkt bereits mit Heiratsabsichten trugen.86 Mitentscheidend für einen solchen Entschluß könnte der Tod von Christiana Marianas Mutter im April 1739 gewesen sein und damit der Wunsch nach einer neuen Perspektive in ihrem Leben. Die Tatsache, daß sie sich genau ein Jahr später einen Tutor zur Regelung ihrer Ange- legenheiten nahm, könnte daraufhin deuten, daß sie zu dem Zeitpunkt ihren Weggang vorzubereiten begann.87 Steinwehr bekam im Juni 1741 einen Ruf als Professor der 81 Die Todesursache ist nicht bekannt, daß alle drei so unmittelbar hintereinander gestorben sind, legt die Vermutung nahe, daß es sich um eine Krankheit handelte. 82 Diese Jahreszahl wird von Spitta angegeben. Er belegt sie mit dem Hinweis auf den Briefwechsel Ziegler - Breßler, abgedruckt in Ziegler, Versuch In Gebundener Schreib=Art. Anhand dieses Briefwechsels läßt sich jedoch nicht der Aufenthaltsort der Autorin ermitteln. Spitta, Marianne von Ziegler, S. 97. Es ist jedoch wahrscheinlich, daß Ziegler unmittelbar nach dem Tod ihrer Angehörigen in ihre Heimatstadt zurückkehrte. Die Angabe von Waniek, der den Beginn der Witwenzeit mit 1731 angibt ist falsch. 83 Kirchenarchiv Leipzig Traubuch St. Nicolai 12 (1732-1752), Eintrag vom 19.09.1741. Zu Steinwehr vgl. Crichton; Pütter, Johann Stephan: Versuch einer Gelehrtengeschichte der Georg-August- Universität zu Göttingen, 2 Bde., Göttingen 1765, Bd. 1, S. 68 u. Bd. 2, S. 61; Artikel ‘Steinwehr’, in: Zedler, Bd. 39, Sp. 1736-1737. 84 Zur Deutschen Gesellschaft siehe Kapitel 4. 85 Der Ruf als außerordentlicher Professor nach Göttingen erfolgte am 14.08.1738. Universitätsarchiv Göttingen, Personalakte Steinwehr: KUR, 4 V b/10, Vol. II, fol. 6f. 86 Spitta vermutet, daß bereits zu diesem Zeitpunkt Heiratsabsichten zwischen Steinwehr und Ziegler bestanden. Spitta, Marianne von Ziegler, S. 103. Wolff verweist auf die enge Beziehung der beiden und nach Steinwehrs Wechsel nach Göttingen auf "beziehungsreiche Briefe", ohne für diesen Briefwechsel jedoch einen Nachweis zu führen. Wolff, S. 174. Beide geben jedoch 1739 als Jahr der Berufung Steinwehrs an. Einen Zeitpunkt also, zu dem Zieglers Mutter bereits verstorben war. 87 Stadtarchiv Leipzig, Tutorienbuch 1735-1745, fol. 143b-144a. Bei einem Brief des Präsidenten der Deutschen Gesellschaft, Abt Johann Lorenz Mosheim an Gottsched vom Mai 1740, in dem er von 3. Christiana Mariana: Leben und Lebenserfahrung 87 Geschichte und des Natur- und Völkerrechts nach Frankfurt an der Oder, diese Profes- sur war verbunden mit der Würde eines Königlich-Preußischen Hofrates und dem Akademischen Bibliothekariat. Das Paar lebte bis zum Tode Christiana Marianas im Jahre 1760 in Frankfurt an der Oder.88 Ob sie dort weiterhin Kontakt zu ihrem alten Freundeskreis pflegte, oder ob sie sich einen neuen kulturellen Kreis aufbaute, ist nicht bekannt.89 3.3 Lebenserfahrung und Moralische Sendschreiben Inwieweit lassen sich nun Beziehungen zwischen den Lebenserfahrungen Zieglers und den Sendschreiben herstellen. Auf zweierlei Weise soll dieser Frage nachgegangen wer- den: Ihre Erfahrungen als Tochter90 soll zu dem für Ziegler so wichtigen Thema Erzie- hung in Beziehung gesetzt werden und ihre Erfahrungen als Ehefrau zum Thema Ehe. Erfahrungen als Tochter und Ratschläge zur Erziehung Ein zentrales Thema im Zusammenhang mit Erziehung sind für die Dichterin die Aufgaben der Eltern. Immer wieder weist sie auf die Vorbildfunktion hin, die diese für ihre Kinder haben. Inwieweit konnten ihre eigenen Eltern diesen Anspruch einlösen? Der Vater war nur während ihrer ersten neun Lebensjahre präsent. Sein Lebenswandel und aufwendiger Lebensstil entsprachen weder den Anforderungen, die die Autorin an vorbildliche Eltern stellte noch der später von ihr geforderten ‘gemäßigten Aufführung’. Hinzu kam, daß aufgrund der ihm vorgeworfenen Vergehen auch bezweifelt werden einer beabsichtigten Heirat zwischen Steinwehr und der Tochter eines Herrn von Meyern berichtet, handelt es sich wahrscheinlich um Göttinger Stadtklatsch. Brief abgedruckt in Danzel, S. 182. 88 Hanstein macht zu der dritten Heirat eine Reihe von falschen Angaben. Nach seinen Angaben fand diese 1738 statt und Ziegler zog nach Göttingen, wo Steinwehr angeblich eine ordentliche Professur bekommen hatte. Hanstein Bd. 1, S. 138f. Christiana Mariana starb am 1.05.1760 in Frankfurt an der Oder. Ültzen-Barkhausen, Stammtafel, S. 6. Ihr dritter Ehemann überlebte sie um 11 Jahre, er starb am 14.04.1771. 89 Sowohl Spitta als auch Hanstein gehen von weiteren Kontakten aus und beziehen sich dabei auf Zieglers Erwähnung in den "Belustigungen des Verstandes und des Witzes", die von Gottsched herausgegeben wurden. Spitta, Marianne von Ziegler, S. 103; Hanstein Bd. 1, S. 138. Wolff argumentiert dagegen, daß der Gottschedsche Briefwechsel kein Schreiben der Christiana Mariana von Steinwehr enthält. Wolff, S. 174. Ihr Ehemann gründete 1743 in Frankfurt an der Oder eine Deutsche Gesellschaft nach Leipziger Muster. Mühlpfordt, Günter: Die Oder-Universität 1506-1811, in: Die Oder-Universität Frankfurt. Beiträge zu ihrer Geschichte, hg. v. Günther Haase / Joachim Winkler, Weimar 1983, S. 19-72, hier S. 62. Ob seine Frau an dieser Gründung beteiligt war ist nicht bekannt. In einem Artikel der Frankfurter Oderzeitung wird auf ihre enge Verbindung zum Frankfurter Kulturleben hingewiesen. Worin diese bestand wäre noch zu untersuchen. Schröter, A. W.: Eine Frankfurter Erinnerung zum Bachjahr 1935, in: Frankfurter Oderzeitung vom 15.7.1935. 90 Über ihre für das Thema Erziehung auch wichtige Erfahrung als Mutter ist leider zuwenig bekannt, es muß aber davon ausgegangen werden, daß auch ihre Erfahrungen als Mutter in die Sendschreiben eingeflossen sind. 3. Christiana Mariana: Leben und Lebenserfahrung 88 muß, daß er die Regeln der Ehrbarkeit immer einhielt.91 Dies ist das öffentliche Urteil, aus der Sicht Tochter sah dies jedoch möglicherweise ganz anders aus. Die Erinnerung an die enge Beziehung zum Vater, unterstützt durch das, was die Mutter über ihn er- zählte, hinterließ bei ihr wahrscheinlich das Bild eines liebevollen und fürsorglichen Vaters. Christiana Marianas Mutter war in erster Linie für die Versorgung der kleinen Kinder verantwortlich und hatte, weil der Vater aus beruflichen Gründen häufig abwe- send war, auch die Hauptlast der Erziehung zu tragen. Über den Lebenswandel der Mutter schreibt einer ihrer Zeitgenossen, sie sei eine "vornehme und überaus tugendhafte" Frau.92 Damit war sie eine Mutter, die durch ihr untadelhafftes Bezeigen ihren aufwachsenden Kindern eine gute Vorschrifft geben konnte. Es besteht zwar die Möglichkeit, daß Christiana Mariana das Vorbild der Eltern gerade deswegen forderte, weil sie dieses in ihrer eigenen Kindheit vermißte, ich halte es jedoch für wahrschein- licher, daß sie ihre eigene von ihr als positiv empfundene Erziehung vor Augen hatte, wenn sie diese Forderung aufstellte. Entsprechend ist für Ziegler das Vorbildverhältnis zwischen Eltern und Kindern ein wichtiger Aspekt der Erziehung. Offensichtlich ist die liebevolle Beziehung zwischen Eltern und Kindern, welche Christiana Mariana von Ziegler in ihren Sendschreiben voraussetzt, eine Erfahrung, die sie in ihrer Kindheit gemacht hat. Die enge Beziehung zu ihrem Vater wurde bereits beschrieben, aber auch das Verhältnis zwischen Tochter und Mutter kann als ein liebevolles vorausgesetzt werden. Ein Hinweis darauf ist die Tatsache, daß Christiana Mariana als verheiratete Frau häufig bei ihrer Mutter zu Besuch war. Ihre Kinder wurden beide in Leipzig ge- tauft, bei ihrem ersten Kind übernahm ihre Mutter die Patenschaft. Im Haus der Mutter starb Christiana Marianas erster Ehemann und sie verbrachte dort wahrscheinlich gemeinsam mit ihrer kleinen Tochter ihre erste Witwenschaft. Nach dem Tod des zweiten Ehemannes kehrte sie wieder in ihr Elternhaus zurück und richtete dort ihren Haushalt ein, der zum Ort ihres Salons werden sollte. Ihre dritte Ehe ging sie erst nach 20 Jahren ein, nachdem die Mutter gestorben war.93 91 Ziegler, Moralische und vermischte Send=Schreiben, Nr. 8, S. 33. 92 Lebensbeschreibung des Franz Wilhelm Romanus. Von mir übersetzt aus Dondorff. 93 Das Erscheinungsbild weist zwar daraufhin, daß die Mutter etwas gegen einen jüngeren Mann hatte, es wird aber noch darauf zurückzukommen sein, daß einige Faktoren gegen diese Interpretation sprechen. S. unten Kap. 4. 3. Christiana Mariana: Leben und Lebenserfahrung 89 Darüber hinaus hält Ziegler den Erziehungsort für wesentlich. Die Tatsache, daß sie die Erziehung in der Stadt der auf dem Land vorzieht, ist wohl darauf zurückzuführen, daß sie selbst in der Stadt erzogen wurde. Sicherlich hatte sie schon als Kind durch Aufent- halte auf einem der Rittergütern ihrer Verwandten die Unterschiede zwischen Land- und Stadtleben kennengelernt.94 Das Leben auf dem Land war wohl beschaulicher und wurde nur selten durch gesellschaftliche Ereignisse, wie sie sie aus Leipzig kannte, unterbrochen. Solche Ereignisse waren für Ziegler aber unabdingbar für eine gute Er- ziehung. Sie selbst wurde wahrscheinlich schon früh zu den gesellschaftlichen Zusam- menkünften des gehobenen Leipziger Bürgertums mitgenommen. Dort hatte sie die Möglichkeit, sich im gesellschaftlichen Umgang sowohl mit ihrem eigenen Geschlecht als auch mit dem männlichen zu üben, was von ihr offensichtlich als besonders positiv empfunden wurde. Ein weiteres Thema, das Ziegler in ihren Sendschreiben behandelt, ist die Freundschaft. Sie äußert in einem der Sendschreiben über Freundschaft, lange Erfahrung habe sie ge- lehrt, daß sich wahre Freundschaft erst bei Schicksalsschlägen erweist. Es ist anzuneh- men, daß die Ereignisse, die im Zusammenhang mit der Verhaftung ihres Vaters standen, ihre Vorstellungen über Freundschaft beeinflußt haben. Sie erlebte, daß ihre Familie sowohl von ihren nächsten Verwandten als auch von Freunden unterstützt wurde, vermutlich hat es aber ebenso Personen gegeben, die im Hause Romanus ein und aus gingen, nach den Ereignissen aber die Familie fallen ließen. 94 Es handelt sich wahrscheinlich um Dölitz, das auch wenn es heute zur Stadt Leipzig gehört, damals gegenüber der Stadtwohnung ländlichen Charakter hatte. 3. Christiana Mariana: Leben und Lebenserfahrung 90 Erfahrungen als Ehefrau Bei den Sendschreiben, in denen sie sich zum Thema Ehe äußert, ist die Auswahl des richtigen Ehegatten für Ziegler ein besonderes Anliegen. Sie vertrat darin die Ansicht, daß die Eheanbahnung von allen Beteiligten viel Behutsamkeit erfordere. Nicht nur die künftigen Ehegatten selbst, sondern auch die Eltern haben entscheidend mitzureden. Ziegler schildert die schlimmen Folgen, wenn Eltern aus Ehrgeiz ihren Kindern den falschen Gatten aussuchen. Trotz dieser Bedenken vertritt sie in ihren Sendschreiben die Ansicht, daß die Eltern am ehesten entscheiden können, wen ihre Kinder heiraten sollen. Christiana Marianas erster Ehemann war im Wintersemester 1705 in Leipzig promoviert worden, wie sich die beiden jedoch kennengelernt haben, war nicht mehr zu ermitteln.95 Es ist jedoch zu vermuten, daß sie sich vor der Eheschließung nur kurze Zeit kannten. Der Stand des Bräutigams als Niederadliger und eventuell auch sein Einkommen könnten ihre Mutter dazu bewogen haben, ihr zu dieser Ehe zu raten. Die Mutter befand sich durch den Verlust ihres Mannes in einer finanziell schwierigen Situation und hatte neben ihrer Tochter auch für die standesgemäße Erziehung ihres Sohnes zu sorgen, was mit hohen finanziellen Aufwendungen verbunden war. So war es für Christiana Maria Brummer sicherlich eine große Erleichterung, ihre Tochter früh verheiratet und damit versorgt zu sehen. Daß Ziegler die Ehe in so jungen Jahren eingegangen ist, war für sie anscheinend kein Problem, denn die Frage, in welchem Alter geheiratet werden sollte, wird von ihr nicht berührt. Zieglers Aussagen über Ehe und Witwenstand lassen vermuten, daß zumindest eine ihrer beiden Ehen nicht so glücklich verlaufen ist. Die Ehe wird von ihr als ein Kefich bezeichnet, worein wir gesperret werden, niemand hat den Schlüssel dazu als der Tod96, der Witwenstand dagegen ist Freyheyt selber bey sich. Dieser gleichet kein Gold.97 Ehe ist für die Dichterin im Unterschied zum Witwenstand mit dem Verlust von Freiheit, mit gehorchen statt befehlen und mit Sclaverey statt Herrschaft verbunden.98 Als Frau könne man darüber hinaus nie sicher sein, daß die Versprechungen, die bei Eingehen 95 Erler, Die Iüngere Matrikel, S. 231. Wahrscheinlich hat von Könitz dort auch studiert, in den Matrikeln anderer Universitäten wie Wittenberg, Erfurt oder Jena wird er nicht genannt. 96 Ziegler, Moralische und vermischte Send=Schreiben, Nr. 6, S. 26. 97 Ebd., Nr. 42, S. 172. 98 Ebd., Nr. 56, S. 231. 3. Christiana Mariana: Leben und Lebenserfahrung 91 der Ehe gemacht wurden, wirklich eingehalten würden.99 Diese Aussagen und die Bedeutung, die Ziegler der Übereinstimmung der Charaktere der Ehegatten als bester Voraussetzung für eine gute Ehe beimißt, legen nahe, daß zwischen ihr und einem ihrer Ehemänner kein gutes Verhältnis bestand. Da über den Verlauf der beiden Ehen jedoch kaum Erkenntnisse vorliegen, lassen sich keine Aussagen darüber machen, um wen es sich dabei handelte.100 Eine weitere Ehe wollte Ziegler nur unter entsprechenden Vor- aussetzungen eingehen, ein Vorhaben, daß sie mit der dritten Ehe in die Tat umsetzte. Abschließend sollen doch noch einige Überlegungen zu Christiana Marianas Leben als Mutter angestellt werden. Ob sie ständig mit ihren Kindern zusammenlebte, oder ob sie z.B. ihre älteste Tochter, während sie ihren Ehemann in den Krieg begleitete, bei Verwandten unterbrachte, läßt sich kaum mehr feststellen. Wenn sie Lebenserfahrungen erwähnt, dann nie bezogen auf sich selbst als Mutter. Obwohl sie durchaus auf mehr- jährige Erfahrungen als Mutter zurückblicken kann; ihre älteste Tochter wurde immer- hin elf und die jüngere sechs Jahre alt. Warum sie darauf verzichtete, ihre Erziehungser- fahrungen einfließen zu lassen und damit ihre Reputation auf diesem Gebiet zu erhöhen, hängt wahrscheinlich damit zusammen, daß es sich für sie dabei um einen besonders schmerzlichen Verlust handelte. Über die Themen Erziehung und Ehe hinaus lassen sich weitere Verbindungen zwi- schen Leben und Werk Christiana Mariana von Zieglers herstellen. So war z.B. die erste Ehe der Dichterin mit einer Standeserhöhung verbunden, die sie auch in den weiteren Ehen aufrecht erhalten konnte. Demnach stand sie zwischen Adel und Bürgertum, womit zwangsläufig eine Auseinandersetzung um ihre Position in der Gesellschaft verbunden war. Die Probleme, die die Autorin im Hinblick auf diese Themen be- schreibt, könnte sie aus eigenem Erleben kennengelernt haben. Ebenso war der Tod eine Erfahrung, die Christiana Mariana von Ziegler in ihrem Leben häufig machen mußte. Was diese Erfahrung für sie wirklich bedeutet hat, wissen wir nicht. Aus den Sendschreiben über dieses Thema läßt sich jedoch vermuten, daß sie solche Ereignisse in sachlicher Aufarbeitung bewältigte. Möglichkeiten, ihren Emotionen Ausdruck zu geben, sah sie eher in Dichtung und Musik. 99 Ebd., Nr. 42, S. 172. 100 Auch wenn die erste Ehe nur ein Jahr dauerte, so könnte sie auch in dieser kurzen Zeit dennoch gravierende Erfahrungen gemacht haben. 3. Christiana Mariana: Leben und Lebenserfahrung 92 * * * Die frühe Kindheit Zieglers wurde durch ihre herausgehobene Position als Tochter des Leipziger Bürgermeisters geprägt. Zwar veränderte sich durch die Haft des Vaters ihr Lebensrahmen, ihr soziales Fortkommen wurde jedoch nicht eingeschränkt. Dabei war ihr Lebensverlauf nicht ungewöhnlich: Ihre erste Eheschließung als 16jährige, die frühe Witwenschaft und die zweite Eheschließung waren ebenso wie der Verlust des Eheman- nes und ihrer Kinder Ereignisse, die auch andere Frauen der gehobenen Stände erlebt hatten.101 Die Vielfältigkeit und Breite der Lebenserfahrungen Zieglers gaben ihr die Kompetenz als Ratgebende in ihren Sendschreiben. So waren ihre Erfahrungen als Ehefrau zwar kurz, aber offensichtlich einschneidend, denn das Thema Ehe nimmt in ihren Sendschreiben einen breiten Raum ein. So wie sich Verbindungen zwischen Lebenserfahrung und literarischer Gestaltung in den Sendschreiben belegen lassen, können auch Wechselbeziehungen zwischen dem in ihrem literarischen Werk zum Ausdruck kommenden ethischen Anspruch und ihrer konkreten Lebensgestaltung ermittelt werden. Die Entfaltung dieser über die literarische Öffentlichkeit hinausgehenden Wirksamkeit in Zieglers zweiter Witwenzeit sollen im folgenden vorgestellt werden. 101 Zur Bandbreite und Unterschiedlichkeit von Lebensläufen in der Frühen Neuzeit s. Wunder, Ehepaare, bes. S. 20-23. 4. Die Zieglerin 4. Die Zieglerin 93 Als junge Frau von 27 Jahren kehrte Christiana Mariana von Ziegler nach Leipzig in ihr Elternhaus zurück. Innerhalb der letzten zehn Jahre hatte sie verschiedene Schicksals- schläge zu verkraften: Zweimal war sie zur Witwe geworden und mit dem Tod des zweiten Ehemannes verlor sie zugleich ihre beiden Kinder. In dieser Lage war es naheliegend, daß sie, ebenso wie während ihrer ersten Witwenschaft, auf ihre familiären Bindungen zurückgriff; doch nun befand sie sich in einer völlig anderen Situation. Ihre erste Ehe hatte nur ein Jahr gedauert und sie selbst war beim Tod ihres Mannes erst siebzehn Jahre alt. Obwohl sie zu diesem Zeitpunkt bereits selbst Mutter war, ist davon auszugehen, daß sie im Haus ihrer Mutter aufgrund ihres Alters eher den Status der Tochter als den der Mutter und Witwe hatte. Bei der zweiten Witwenschaft kehrte sie völlig allein, aber mit der mehrjährigen Erfahrung als Ehefrau und Mutter zurück. Sie mußte sich nun im Haushalt ihrer Mutter, in dem zu diesem Zeitpunkt auch noch ihr Bruder lebte, eine völlig neue Position suchen und gleichzeitig den schmerzlichen Verlust von drei ihr nahestehenden Menschen verwinden. Sowohl ihr Status als Witwe als auch die Rückkehr in ihr Elternhaus eröffneten ihr aber auch neue Möglichkeiten: Sie konnte nun über sich, über ihre Zeit und über ihr Vermögen selbst verfügen.1 Darüber hinaus gab ihr das auf Repräsentation hin angelegte Haus der Mutter die Gele- genheit, ihren gesellschaftlichen Anliegen nachzugehen. Ihre Freiheit nutzte Ziegler gezielt, um sich in den sie interessierenden Bereichen, der Dichtung und der Musik, weiterzubilden. Sie verbesserte ihre musikalischen Fähigkeiten auf der Laute und dem Klavier und erlernte außerdem zwei neue Instrumente: die französische Flöte und die Querflöte.2 Darüber hinaus begann sie sich in der Philosophie unterrichten zu lassen.3 Dabei konnte sie wahrscheinlich an bereits vorhandenes Wissen anknüpfen. In dem Briefwechsel, den sie während ihrer zweiten Ehe mit der schlesischen Dichterin Marianna von Breßler (1693-1726) begann, wird sie von dieser als galante und der 1 Über ihre Vermögensverhältnisse lassen sich keine Aussagen machen. Hanstein bezeichnet sie als reich. Hanstein, Bd. 1, S. 92. Becker-Cantarino führt ihre Freiheit als Witwe auf die Haft des Vaters zurück, die es ihr ermöglichte, ohne männliche Vormundschaft ein eigenes Haus zu führen. Becker- Cantarino, Der lange Weg zur Mündigkeit, S. 263. Als Witwe hätte Ziegler jedoch auch die Möglichkeit gehabt, einen eigenen Hausstand zu gründen. 2 Ziegler, Moralische und vermischte Send=Schreiben, Nr. 98, S. 406. Von seiten der Musikhistoriker werden ihr ungewöhnliche musiktheoretische Kenntnisse bescheinigt. Spitta, Marianne von Ziegler; Zander. 3 Waniek, S. 236. 4. Die Zieglerin 94 klugen Welt bekannte Frau bezeichnet.4 Demnach galt sie bereits vor ihren literarischen Erfolgen als gelehrte Frau. Neben diesen Tätigkeiten führte Ziegler ein bewegtes Leben. Sie unternahm Reisen nach Halle und Dresden oder besuchte ihre Freunde in der Umgebung Leipzigs oder empfing diese im Haus ihrer Mutter. Darüber hinaus führte sie einen umfangreichen Briefwechsel mit Freunden und Verwandten, aber auch mit den ihr bekannten Gelehrten Deutschlands. Mit ihrem sozialen Status durch die Zugehörigkeit zur Leipziger Führungsschicht, der Flexibilität des Witwenstandes und ihrer Gelehr- samkeit hatte sie damit die besten Voraussetzungen für ihre nun folgende Karriere als deutsche Dichterin und Salondame. Hinzu kam das anregende Umfeld der Stadt Leip- zig, als Zentrum des literarischen und musikalischen Lebens Deutschlands. Ziegler hatte nun die Möglichkeit, ihre Vorstellungen von Tugend und Wohlstand sowohl über die Zusammenkünfte im Haus ihrer Mutter als auch über ihr literarisches Werk zu ver- breiten. 4.1 Offene und verfaßte Zusammenkünfte der gehobenen Stände In Leipzig gab es als Treffpunkte der gehobenen Stände neben den familialen Zu- sammenkünften5 verfaßte und offene Gesellschaften. Im Gegensatz zu familialen Zu- sammenkünften ging es bei den Gesellschaften nicht um 'bloßes Beieinandersein', sondern in ihnen trafen sich Menschen zu bestimmten Anlässen und um einen be- stimmten Zweck zu verfolgen. Die verfaßten Gesellschaften hatten Statuten, in denen geregelt war, wer in die Gesellschaft aufgenommen wurde, welche Ziele mit ihr ver- bunden waren und welche Leistungen die einzelnen Mitglieder zu erbringen hatten. In den meisten Gesellschaften ging es um menschliche Bindungen, aber auch um gegenseitige Belehrung oder Förderung des Gemeinwohls.6 Darüber hinaus handelte es sich meist um reine Männerbünde; die Aufnahme von Frauen war eher die Ausnahme. Die offenen Gesellschaften, zu denen auch der Salon gehörte, waren dagegen weniger reglementiert. Ziegler war an beiden Formen der Geselligkeit beteiligt: als Mitglied der 4 Ziegler, Versuch In Gebundener Schreib=Art, S. 58. Dieses Briefgedicht ist noch vor dem Tode von Breßlers Ehemann abgefaßt, der im Jahr 1722 starb. Über diesen Briefwechsel vgl. Czarnecka, Miroslawa: "Ob auch das Frauenvolck zum tichten fähig sey?" Zur Poesie Marianna von Bresslers (1693-1726), einer unbekannten Dichterin aus Breslau, in: Acta Universitatis Wratislaviensis No. 1713, Germanica Wartislviensia CXII, Wroclaw (1996), S. 37-47. Breßler beteiligte sich auch an Gottscheds "Vernünftigen Tadlerinnen". Krull, S. 18. 5 Wie Ziegler in einem ihrer Briefe schreibt, war es in Leipzig üblich, daß die Anverwandten sonntags miteinander speisen. Dreßler, Brief Nr. 11, S. 66. 6 Zu Gesellschaften vgl. Reinalter, Helmut (Hg.): Aufklärungsgesellschaften, Frankfurt am Main u.a. 1993. Verfaßte Gesellschaften in Leipzig waren z.B. die Deutsche Gesellschaft, die Deutsche Rednergesellschaft und die Vertraute Gesellschaft. 4. Die Zieglerin 95 Deutschen Gesellschaft gehörte sie einer verfaßten Gesellschaft an und als Gründerin eines Salons stand sie selbst an der Spitze einer offenen Gesellschaft. Der Salon als Sittenschule Im Haus ihrer Mutter veranstaltete Christiana Mariana von Ziegler regelmäßige Zu- sammenkünfte von Menschen unterschiedlichster Art. Hier brachte sie die politisch und wirtschaftlich bedeutenden Personen mit Gelehrten und Künstlern zusammen.7 Wann Ziegler damit begann, solche Treffen zu initiieren, läßt sich nicht mehr feststellen, wahrscheinlich aber um 1723, nach Ablauf ihres Trauerjahres.8 Ihr Status als Witwe er- möglichte es ihr, über ein reines Frauenkränzchen hinauszugehen und beide Geschlech- ter, Männer und Frauen, um sich zu versammeln. Bei diesen Zusammenkünften vertrieb man sich die Zeit mit Musikaufführungen, gelehrter Konversation und gelehrten Spielen. Zeitvertreib ist hier jedoch nicht gleichzusetzen mit ‘die Zeit herumbringen’, sondern damit war zugleich ein Bildungsanspruch verbunden. So berichtete der Satireschreiber Liscow aus Hamburg, der bei Christiana Mariana von Ziegler verkehrte, in einer seiner Veröffentlichungen von einer Unterhaltung, die im Hause Ziegler üblich war: Jeder der Anwesenden gab einen Endreim vor, während alle anderen die vorherge- henden Zeilen dazu reimen mußten. Die Verse wurden dann in ein Buch eingetragen, welches bei Ziegler verblieb.9 Diese Treffen wurden recht schnell zum gesellschaft- lichen Mittelpunkt eines literatur- und musikliebenden Publikums, nicht nur der Leipziger Gesellschaft. Außer Gottsched, als dem bekanntesten Gast ihrer Treffen, ist auch Johann Sebastian Bach zu nennen, der bei ihr verkehrte.10 Wahrscheinlich beteilig- te er sich auch an den musikalischen Aufführungen in Zieglers Salon.11 Die Verbindung zwischen ihr und dem Komponisten und Musiker, der seit 1723 Kantor an der Leipziger Thomaskirche war, ging jedoch über den geselligen Verkehr hinaus; in seinem dritten 7 Zu den städtischen ‘Gesellschaften’ des 17. Jahrhunderts mit dem Hauptinteresse auf gemeinsamer Gasterei und gelegentlichem Musizieren und Tischgespräch vgl. Kleinschmidt, Erich: Stadt und Literatur in der Frühen Neuzeit. Voraussetzungen und Entfaltung im südwestdeutschen, elsässischen und schweizerischen Städteraum, Köln und Wien 1982, bes. S. 74-80 . 8 Sowohl Spitta als auch Hanstein nennen kein genaues Datum und setzen den Beginn der Gesell- schaften mit "bald" nach ihrer Rückkehr nach Leipzig an. Spitta, Marianne von Ziegler, S. 97f.; Hanstein Bd.1, S. 92. Da Ziegler jedoch Bach und Gottsched über ihren Salon in die Leipziger Gesellschaft einführte, begannen diese spätestens 1724. 9 Wolff, S. 168. 10 Schering, Spitta und Wolff nehmen übereinstimmend an, daß Bach in Zieglers Salon verkehrt habe. Schering, S. 323; Spitta, Marianne von Ziegler, S. 117; Wolff, S. 167. 11 Daneben bestanden soziale Beziehungen zwischen den Familien Bach und Romanus. Die Tante Christiana Mariana von Zieglers, die Frau von Carl Friedrich Romanus, übernahm 1726 die Patenschaft für Bachs Tochter Elisabeth Juliane Friderike. Schering, S. 321. 4. Die Zieglerin 96 Amtsjahr vertonte Bach neun geistliche Kantaten Zieglers.12 Es verkehrten aber auch durchreisende Literaten und Virtuosen in dieser gelehrten Gesellschaft.13 Damit führte Christiana Mariana von Ziegler einen der ersten literarischen und musikalischen Salons Deutschlands.14 Auch wenn der Begriff "Salon" für gelehrte Zusammenkünfte erst seit dem Ende des 18. Jahrhunderts verwandt wurde15, so wird deren Entstehung in der Forschungsliteratur auf das Italien der Renaissance festgelegt. Die Salonkultur breitete sich fast überall in Europa aus, besonders ausgeprägt war sie jedoch in Frankreich. Dort erwarben die Salons im 17. und 18. Jahrhundert besondere kulturelle Bedeutung und waren Stätten gelehrter Konversation über künstlerische, literarische und philosophische Themen.16 Darüber hinaus gab es Salons u.a. im zaristischen Rußland, in England und Deutsch- land. Sie waren Institutionen, die sich in verschiedener Umgebung entfalteten und unterschiedliche soziale und intellektuelle Funktionen erfüllten.17 Im Mittelpunkt des Salons stand eine Frau, die ihre Räume für regelmäßige Treffen zur Verfügung stellte und die Organisation übernahm. Sie lud ein und initiierte und leitete die Gespräche; von ihren geselligen Fähigkeiten hing maßgeblich der Erfolg des Salons ab. Darüber hinaus war dem Salon eine gewisse Offenheit zu eigen.18 Es versammelten sich dort sowohl 12 Gedruckt wurden diese jedoch erst 1729. Zander, S. 24. Verschiedene andere ihrer Gedichte wurden von Johann Friedrich Gräfe (1), Philipp Emanuel Bach (1), Giovannini (2), Hurlebusch (6) vertont. Spitta, Marianne von Ziegler, S. 106. Bei der Vertonung der Bachkantaten wird immer wieder auf deren starke Umarbeitung hingewiesen, die auf Bach selbst zurückgeführt wird. Da Christiana Mariana von Ziegler jedoch mehrere bereits in den "Neuen Zeitungen von gelehrten Sachen" ver- öffentlichte Gedichte für ihre Gedichtbände umgearbeitet hat, ist eine eigene Überarbeitung nicht auszuschließen. 13 Schering, S. 322; Wolff, S. 168. 14 Waniek, S.235. Neben dem Salon der Ziegler ist der Kreis um Katherina Salome Linkin in Straßburg als einer der ersten deutschen Salons zu nennen. Seibert, Der literarische Salon, S. 93. Ob es sich bei den regulären Abendgesellschaften des Berner Patriziats zu Beginn des 18. Jahrhunderts um Salons gehandelt hat wäre zu untersuchen. Die Berner femmes de lettre Julie Bondeli jedenfalls war in den 50er Jahren Gastgeberin eines Salons, in dem u.a. Christoph Martin Wieland (1733-1813) verkehrte. Schnegg, S. 170f. Lebensdaten für Linkin und Bondeli konnten in den einschlägigen Lexika nicht ermittelt werden. 15 Ziegler benutzt in diesem Zusammenhang die Begriffe Zusammenkunft, Gesellschaft oder Zimmer. 16 Als erster französischer Salon gilt das zu Beginn des 17. Jahrhunderts von Cathérine de Vivonne, Marquise de Rambouillet geführte Hôtel de Rambouillet. Weitere Salons der französischen Hoch- aristokratie waren die Hôtels de Clermont, de Condé, de Créqui und de Ventadour, aber auch Frauen des Niederadels wie Mme. de La Fayette, Mme. de Sévigné und die junge Mme. de Lambert waren in der Lage sich, einen eigenen Salon aufzubauen. Seibert, Der literarische Salon, S. 56f. Zu französi- schen Salons im 17. Jahrhundert vgl. auch Baader. Lebensdaten für die hier genannten Frauen konnten in den einschlägigen Lexika nicht ermittelt werden. 17 Bei den folgenden Ausführungen stütze ich mich überwiegend auf Seibert, Der literarische Salon. 18 Über die Offenheit der Salons vgl. auch Hertz, S. 133f. Die von mir benutzte deutsche Übersetzung der Untersuchung von Hertz ist für wissenschaftliche Zwecke leider nur eingeschränkt benutzbar, da auf den Anmerkungsapparat der amerikanischen Originalausgabe verzichtet wurde. 4. Die Zieglerin 97 Männer als auch Frauen unterschiedlicher Herkunft, er war also gemischtgeschlechtlich und ständeübergreifend.19 Diese Offenheit hatte jedoch ihre Grenzen, da es sich aus- schließlich um die privilegierten Stände handelte, die dort verkehrten. Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen kamen auf Einladung ihrer Gastgeberin, hatten aber außerdem die Möglichkeit, weitere Personen mitzubringen, was der versammelten Gesellschaft ein zufälliges Moment verlieh. Die Gäste mußten sich als "Salonfähige" erweisen, d.h. sie mußten ihr Verhalten auf die Heterogenität der Anwesenden und auf situative Harmonie ausrichten. Die Regeln durften jedoch nicht zum Zwang werden, da sonst die Offenheit des Salons nicht mehr gewährleistet war. Das Gespräch war essentieller Bestandteil der Zusammenkünfte, was zugleich die Anerkennung der Gleichrangigkeit der Versammel- ten voraussetzte.20 Neben dem Gespräch fanden ergänzend Vorträge, Rezitationen, Musikaufführungen etc. - je nach Präferenz und Kompetenz der Gastgeberin - statt. Als Ort unmittelbarer personaler Kommunikation von Kulturproduzenten und -konsumenten spielte der Salon eine wichtige Rolle bei der Knüpfung von Kontakten und damit auch im Bereich von Matronage, Mäzenatentum und Protektion. Leipzig mit seiner Konzentration von Repräsentanten gesellschaftlicher Gruppierungen, aber auch mit seinen Kulturinstitutionen, wie Oper, Theater, Buchhandel etc. wies exzellente Rahmenbedingungen für die Gründung eines Salons auf. Mit ihrem Salon knüpfte Ziegler an die Tradition der Französinnen, wie z.B. der Marquise de Lambert oder auch der Mlle. de Scudéry an, die in Frankreich einen Salon führten. Zieglers Salon war jedoch nicht nur ein Ort, an dem Gespräche über eine Vielzahl unterschied- licher Themen geführt wurden, er ging über sein französisches Vorbild hinaus und sollte gleichzeitig als Sittenschule für junge Menschen dienen. Damit versuchte sie, die von ihr als positiv erfahrene eigene Erziehung in ihrem Salon umzusetzen. Der Umgang der Gäste untereinander sollte den an den Zusammenkünften teilhabenden jungen Men- schen als Beispiel dienen. Außerdem hatten sie an diesem Ort die Möglichkeit, das richtige Verhalten gegenüber dem jeweils anderen Geschlecht zu erlernen. Damit erfüllten diese Zusammenkünfte nicht nur die Funktionen eines Salons, sondern waren 19 Schnegg dagegen bezeichnet die Salons in Bern im 18. Jahrhundert als ständische Treffpunkte, während sich dort die Sozietäten- und Vereinskultur als ständeübergreifend verstanden. Schnegg, S. 171. 20 Seibert spricht in diesem Zusammenhang von einem herrschaftsfreien Dialog. Seibert, Der literarische Salon, S. 6. Es ist jedoch die Gastgeberin, die die Konversation leitet und damit "beherrscht", es handelt sich also nicht um einen herrschaftsfreien, sondern um einen hierarchiefreien Dialog. 4. Die Zieglerin 98 gleichzeitig eine Vermittlungsinstanz für die Normen des gesellschaftlichen Zusammen- lebens, die sich in Wohlstand und Tugend manifestierten. Die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Gottsched und Christiana Mariana von Ziegler nahm in diesem Salon ihren Anfang. Ob der Kontakt gleich hergestellt wurde als der Magister und später sehr bekannte Gelehrte Johann Christoph Gottsched im Februar 1724 nach Leipzig kam oder ob Ziegler erst 1725 durch seine Zeitschrift die "Vernünftigen Tadlerinnen" auf ihn aufmerksam wurde, ist nicht mehr nachzu- vollziehen.21 Jedenfalls nahm sie sich seiner an und führte ihn in die Leipziger gehobenen Stände ein, während er ihr als Ratgeber bei ihren 'Dichtversuchen' diente. Nach ihren eigenen Worten veranlaßte Gottsched sie 1728 zur Herausgabe ihres ersten Gedichtbandes.22 Liest man jedoch den Vorbericht zu diesem Gedichtband, so muß bezweifelt werden, ob eine solche "Beredung" überhaupt notwendig war. Kritisch und selbstbewußt beharrt Ziegler dort auf ihrem Recht, Texte zu veröffentlichen, die nicht vorher durch eine im Schreiben geübte Manns=Person durchsehen worden wäre(n).23 Möglicherweise wollte sie damit das Selbstbewußtsein schreibender Frauen stärken. Offensichtlich war jedoch ein solches Vorgehen ungewöhnlich, denn in der Bekannt- machung des Gedichtbandes in den "Neue(n) Zeitungen von Gelehrten Sachen" wurde genau diese Tatsache aufgegriffen.24 21 Sie beteiligte sich mit Leserbriefen und Gedichten. 22 Denn da ich vor einiger Zeit mich von ein und andern guten Freund bereden ließ, einige Blätter von meinen, bloß zu meinen Zeitvertreib und Ergötzen, gesammleten Gedichten zusammen zu suchen, und selbige der heut zu Tage gar eckel gewordenen Welt, mit Furcht und Erröthung vor Augen legte, ... Ziegler, In gebundener Schreib=Art Anderer und letzter Theil, Vorbericht. 23 Ziegler, Versuch In Gebundener Schreib=Art, Vorbericht. 24 In der Vorrede versichert die Frau von Ziegler, daß solange sich das Frauenzimmer, in die Mode, Bücher herauszugeben, gemenget hätte, fast keine einige Schrifft von ihnen zum Vorschein gekommen wäre, die nicht vorhero durch eine im Schreiben geübte Manns=Persohn durchsehen worden sey. Sie berufft sich auf die Exempel der gelehrten Schurmannin, der Madame de Scudery, de la Suze, Dacier, des Houliers, tadelt auch diese gute Art nicht, hat es aber nichts desto weniger einmahl darauf ankommen lassen, einige Blätter vor sich herauszuge=ben, ohne jemand darum zu Rathe gezogen zu haben. Neue Zeitungen von Gelehrten Sachen, Leipzig vom 08.01. (1728), S. 31-32. 4. Die Zieglerin 99 Zunehmend sah Ziegler in Gottsched ein Vorbild und einen Lehrer für ihre "Versuche auf dem Gebiet der Poetik".25 Dies geht auch aus ihren Texten hervor, in denen sie mehrfach darauf hinweist, daß sie versuche, sich seinen Regeln der Dichtung voll- ständig anzupassen: Ein Dichter soll und muß dazu gebohren seyn, Das lag mir in dem Kopf, ich schrieb in Tag hinein; Bis treuer Freunde Rath mich auf den Einfall brachte, Daß ich bloß die Vernunft zu meiner Richtschnur machte. Die führte mich sogleich ganz einen andern Weg; [...] Die Regeln muß man auch aus ihrem Grunde wissen, Es muß uns keine Müh bey dieser Kunst verdriessen; Wenn man die Sätze nicht recht einzutheilen weis, So wird dem Leser kalt, bald übel und bald heiß. 26 Dieser Anpassungsprozeß wird von der Literaturwissenschaft negativ bewertet und ihre frühe Dichtung allgemein für die Bessere gehalten.27 Gottsched war jedoch nicht nur ihr Lehrer, sondern auch ihr Förderer wie die zahlreichen Ehrungen, die Ziegler mit seiner Hilfe in der Folge zuteil wurden, beweisen. Die Deutsche Gesellschaft Der Bekanntheitsgrad Zieglers in der gelehrten Öffentlichkeit erhöhte sich durch die Veröffentlichung ihrer Gedichtbände und vor allem durch deren Anzeige in den "Neue(n) Zeitungen von Gelehrten Sachen" um ein vielfaches. Das ermöglichte Gott- sched seinerseits, seine Leipziger Förderin in die Deutsche Gesellschaft einzuführen. Auf seine Veranlassung hin wurde sie im November 1730 als erstes weibliches Mitglied aufgenommen.28 Bei der Deutschen Gesellschaft handelte es sich um eine Sprachgesell- 25 Marianna von Breßler hatte mit Johann Christian Günther ein Vorbild und einen Lehrer. Czarnecka, S. 39f. 26 Ziegler, Vermischte Schriften, S. 217f. Auch in dem Vorbericht zu ihrem ersten Gedichtband erwähnt sie diese Tatsache: ..., denn da ich selbige [ihre Gedichte] eines theils noch bey denjenigen Stunden, als ich den Musen=Gott meine Erstlinge brachte, auch öffters in höchster Eyl wegen schleunigen Abgang der Posten niedergeschreiben, andern theils aber noch von derjenigen Zeit an, da ich vor einigen Jahren von einen gewissen Freunde zu dieser edlen Kunst angeführet wurde, dessen Schriften fleißig nachgelesen, und dergleichen Schreib=Art nachzufolgen mich bemühet, ... Ziegler, Versuch In Gebundener Schreib=Art, Vorbericht. 27 Heuser, Musenchor, S. 301; Wolff, S. 164. Die Musikwissenschaftler Spitta und Zander dagegen heben die ungewöhnliche Korrektheit und Klarheit ihrer Gedichte hervor, Spitta hält sie aber insge- samt für einfallslos. Spitta, Marianne von Ziegler, S. 105; Zander, S. 56. 28 Nachricht von der Deutschen Gesellschaft 1731, S. 75; Neue Zeitungen von gelehrten Sachen Leipzig vom 16.11. (1730), S. 816. Auch die Sprachgesellschaften des 17. Jahrhunderts hatten zum Teil Frauen aufgenommen. In der Deutschgesinneten Genossenschaft waren 2 Frauen (Katharina Regina von Greifenberg und Hedwig von Veltheim) und in dem Pegnesischen Blumenorden sogar 19 (die bekanntesten davon waren Maria Catharina Stockfleth geb. Frisch (1633-1692), Getraud Moller geb. Eifler und Johanna Eleonora Petersen geb. von und zu Merlau). Otto, Karl F.: Die Frauen der 4. Die Zieglerin 100 schaft, die sich um die Durchsetzung und Reinerhaltung der deutschen Sprache bemüh- te. Dies war jedoch weniger mit nationalen Motiven verknüpft als mit dem Wunsch, die Natürlichkeit, Gefälligkeit und Verständlichkeit der deutschen Sprache zu heben. Reines Deutsch zu schreiben und zu sprechen war somit vor allem eine Sache von Vernunft und Geschmack. Die Deutsche Gesellschaft wurde 1697 als Görlitzer Sprach- gesellschaft durch vier Studenten, die sich um den Professor Johann Burchard Mencke herum gefunden hatten, gegründet. Nach mehreren Reformen erhielt sie im Jahr 1727 den Namen Deutsche Gesellschaft.29 Gottsched gehörte seit 1724 zu ihren Mitgliedern und bekleidete dort seit 1727 das Amt des Seniors (Leiter). Unter seiner Leitung ge- wann die Gesellschaft ein beträchtliches Renommee.30 Zur Hebung ihres Ansehens bemühte er sich, in ganz Deutschland bekannte Gelehrte als Mitglieder zu werben. In diesem Kontext stand auch die Aufnahme von Ziegler. Die Aufnahmezeremonie ist in den Schriften der Gesellschaft folgendermaßen beschrieben: Zum Beschluß dieses Jahres [1730] hat die Gesellschaft auch einer beredten und scharfsinnigen Dame hier in Leipzig, Frauen Christianen Marianen von Ziegler, geb. Romanus, in Ansehnung ihrer, sowohl in gebundener als ungebundener Schreibart die Zeit her ans Licht gestellten Schriften, durch einhellige Wahl und aus eigener Bewegung, eine Stelle unter ihren Mitgliedern zuerkannt. Es wurde ihr dieser Entschluß durch ein paar Abgeordnete bekannt gemacht, und nach einiger Ueberlegung von ihr angenommen. Ihre Antrittsrede, so sie bald darauf an die Gesellschaft einschickte, handelte von den Bewegungsgründen, welche sie als ein Frauenzimmer leicht hätten abhalten können, das An=erbieten der Gesellschaft anzunehmen, worauf sie aber theils mit andern Gründen theils durch das Exempel so vieler andern Italienischen, Französischen und deutschen Damen, die gleichfalls Mitglieder gelehrter Gesellschaften gewesen, antwortete. Es ward dieselbe von dem Secretär in der Gesellschaft vorgelesen, und von Sehr=Thoß beantwortet; welcher sich gleichfalls angelegen sein ließ, das Verfahren der Gesellschaft in diesem Stücke zu rechtfertigen. 31 Im allgemeinen verlasen die neu aufgenommenen Mitglieder ihre Antrittsreden selbst; für die erstmalige Aufnahme einer Frau wurde das Zeremoniell jedoch geändert: Die Sprachgesellschaften, in: Europäische Hofkultur im 16. Jahrhundert und 17. Jahrhundert, Bd. 3, hg. v. August Buck / Georg Kauffmann / Blake Lee Spahr / Conrad Wiedemann, Hamburg 1981. Zu den Sprachgesellschaften des 17. Jh. Ingen, Ferdinand van: Die Sprachgesellschaften des 17. Jahrhunderts, in: Daphnis. Zeitschrift für Mittlere Deutsche Literatur, Bd. 1 (1972), S. 14-23. 29 Zur Geschichte der Deutschen Gesellschaft: Danzel, S. 74-114; Witkowski, Georg: Die Deutsche Gesellschaft in Leipzig 1727-1927, in: Minerva-Zeitschrift, 3. Jg., H. 8 (1927), S. 165-170; Neumann, Friedrich: Gottsched und die Leipziger Deutsche Gesellschaft, in: Archiv für Kulturgeschichte, Bd. 18 (1965), S. 194-212. 30 Während der Gründung der Göttinger Universität im Jahr 1735 gab es seitens der Gründer Be- strebungen, die Deutsche Gesellschaft samt ihrer vornehmsten Mitglieder und dem Büchervorrat nach Göttingen zu verlegen. Brief vom 24.03.1735, Johann Lorenz von Mosheim an Gerlach Adolf von Münchhausen. Rössler, Emil Franz: Die Gründung der Universität Göttingen, Aalen 1987, S. 201. 31 Nachricht von der Deutschen Gesellschaft 1731, S. 75f. 4. Die Zieglerin 101 Antrittsrede Zieglers wurde in ihrer Abwesenheit von Johann Friedrich May32, dem Sekretär der Gesellschaft, verlesen. Dennoch war Ziegler nicht nur passives Mitglied der Gesellschaft, schnell integrierte sie sich in den Kreis. Im Gottschedschen Brief- wechsel wurde sie von den anderen Mitgliedern die "Frau Kollegin"33 genannt und zweimal 1732 und 1734 errang sie den von der Gesellschaft ausgesetzten Preis der Poesie. Sie nahm auch an den wöchentlich stattfindenden Sitzungen teil und bezog zu Entscheidungen Position, beispielsweise als es 1738 zum Eklat zwischen Gottsched und den Mitgliedern der Deutschen Gesellschaft kam. Weil er meinte, die übrigen Mitglie- der hätten sich in einem Streit zwischen ihm und Christoph Ernst Steinbach34, einem anderen Mitglied, nicht deutlich genug auf seine Seite gestellt, bot Gottsched seinen Rücktritt als Senior an.35 Dieser Erpressungsversuch mißlang. Zehn Mitglieder, unter ihnen auch Christiana Mariana von Ziegler, formulierten einen Brief, in dem sie seinen Rücktritt akzeptierten.36 Acht Jahre nach ihrer Aufnahme in die Deutsche Gesellschaft stellte die Dichterin sich damit deutlich gegen ihren Förderer, was die Veränderungen ihrer Beziehungen nach außen dokumentierte.37 32 Johann Friedrich May (1697-1762) studierte in Zittau und Leipzig, wo er 1723 Magister wurde und seit 1742 Professor der Moral und Politik war. Artikel ‘May, (Johann Friedrich)’, in: Fortsetzungen und Ergänzungen zu Christian Gottlieb Jöchers allgemeinen Gelehrten=Lexico worin die Geschichte aller Stände nach ihren vornehmsten Lebensumständen und Schriften beschrieben werden. Angefan- gen von Johann Christoph Adelung und vom Buchstaben K fortgesetzt von Heinrich Wilhelm Rotter- mund, Bd. 4, ND Hildesheim 1961, Sp. 1071. Er gehörte zum engeren Kreis um Gottsched und Ziegler. 33 Waniek, S. 236. 34 Der Arzt und Grammatiker Steinbach aus Breslau war ein auswärtiges Mitglied der Deutschen Gesellschaft. 35 Näheres zu diesem Vorfall bei Neumann, S. 210 u. Witkowski, Die Deutsche Gesellschaft, S. 168f. 36 Waniek, S. 348f. Hanstein verlegt diesen Streit ins Jahr 1736. Hanstein, Bd.1, S. 138. Der Brief ist abgedruckt bei Danzel, S. 100f. 37 Ihre Erfahrungen mit Gottsched und der Deutschen Gesellschaft verarbeitete Ziegler in einem "Antwortschreiben an einen Gelehrten Mann": Bald wird sicher einer der von einem Vorurtheile eingenommen ist, den übrigen widersetzen, in Meynung, als wäre er bloß deswegen zugegen, daß ihn die übrigen Mitglieder allein als ein Orakel befragen müssen. Ihn wird eine thörichte Selbstliebe beherrschen und er wird sich zutrauen, er sähe alles weit tiefer ein als andere. Ziegler, Vermischte Schriften, S. 453. 4. Die Zieglerin 102 Die Verknüpfung zwischen Salon und Deutscher Gesellschaft Ein Teil der in Leipzig ansässigen Mitglieder der Deutschen Gesellschaft traf sich nicht nur anläßlich der Sitzungen, sondern auch im Salon der Christiana Mariana von Ziegler. Dort gründeten sie bald einen eigenen Kreis, die sogenannte "Scherzende Gesell- schaft"38, und gaben unter dem Namen "Neufränkische Zeitungen von Gelehrten Sachen" auch eine eigene satirische Zeitschrift heraus.39 Daß sie eine gemeinsam han- delnde Gruppe waren, zeigt die Episode um den Hallenser Professor der deutschen Beredsamkeit Johann Ernst Philippi (um 1700-1758), der sich zu einem Skandal auswuchs.40 Philippi wandte sich, nachdem er in Brandenburg-Preußen eine Professur erhalten hatte41, mit der Bitte um einen Briefwechsel an Christiana Mariana von Ziegler, worauf diese auch einging.42 Als er sie jedoch bat, für ihn die Heirat mit einer reichen Leipziger Bürgertochter43 zu vermitteln, warnte sie ihn, da sein Vorhaben kaum Chancen habe. Sie wußte, daß seine Schriften in gelehrten Kreisen nicht ernst genom- men wurden, und um die Gründe für sein zweifelhaftes Ansehen.44 Philippi ließ sich jedoch nicht abbringen und ließ der jungen Frau, die in Ansehen und Reichtum weit über ihm stand, durch Ziegler ein Schäfergedicht zukommen. Dieses unangemessene Werben um eine Frau nahmen seine Zeitgenossen zum Anlaß, ihn öffentlich bloß- zustellen. Der Hamburger Satiriker Christian Ludwig Liscow, der zur selben Zeit eine Fehde gegen Philippi führte, veröffentlichte das Schäfergedicht und verspottete seinen 38 Mitglieder waren: Johann Friedrich May, Johann Heinrich Winckler, Johann August Ernesti, Wolf Balthasar von Steinwehr, Johann Georg Lotter und Friedrich Wilhelm Stübner. Zur "Scherzende(n) Gesellschaft" siehe Waniek, S. 238f.; Becker-Cantarino, Der lange Weg zur Mündigkeit, S. 266. 39 Die einzelnen Stücke waren den jeweiligen Mitgliedern der Gesellschaft zum Geburts- oder Namens- tag gewidmet. Neufränkische Zeitungen von Gelehrten Sachen, Auf das Jahr 1733. Darinnen alle die sinnreichen Einfälle der heutigen Gelehrten, die in andern Zeitungen nicht Raum haben, Der galanten Welt zur Belustigung enthalten sind. Leipzig, auf Kosten der scherzhaften Gesellschaft (1733). 40 Zu den Skandalen um Philippi: Litzmann, Berthold: Artikel ‘Philippi: Johann Ernst’, in: Allgemeine Deutsche Biographie, hg. v. der historischen Kommission bei der Königlichen Akademie der Wissen- schaften, Bd. 26, Leipzig 1888, S. 76-78; Litzmann, Berthold: Christian Ludwig Liscow in seiner litterarischen Laufbahn, Hamburg 1883, S. 84f.; Helbig, K.G.: Christian Ludwig Liscow. Ein Beitrag zur Literatur- und Kulturgeschichte des achtzehnten Jahrhunderts. Nach Liscows Papieren im sächsischen Hauptstaatsarchiv und anderen Mitheilungen, Dresden / Leipzig 1884, S. 14ff.; Waniek, S. 240-244. 41 Diesen Aufstieg verdankte er der Intervention seines Vaters beim preußischen König, der als Merse- burger Hofprediger seinen Einfluß geltend machte. 42 Die Briefe Christiana Mariana von Zieglers aus diesem Briefwechsel sind abgedruckt bei Dreßler, S. 40-102. 43 Nach Waniek hatte er es auf ein Fräulein Ackermann, Tochter eines reichen Leipziger Bankiers abgesehen. Waniek, S. 240-244. Helbig dagegen meint es handele sich um die spätere Gräfin Bünau. Helbig, S. 19, Anm. Ziegler selbst bezeichnet die Auserwählte als Medemoiselle Pl. Dreßler, Brief Nr. 9, S. 62. 44 Nach seinem Studium in Leipzig arbeitete Philippi als Anwalt Merseburg, bis ihm 1729 wegen begangener Körperverletzung der Prozeß gemacht wurde und er aus seiner Heimatstadt flüchtete. 4. Die Zieglerin 103 Gegner damit öffentlich.45 Fälschlicherweise hielt Philippi Gottsched für den Urheber dieser Schrift und antwortete mit einer Gegenschrift, über die Gottscheds Anhänger, unter ihnen auch Ziegler, sehr verärgert waren. Als Mitglieder der Scherzenden Gesellschaft rächten sie sich an Philippi persönlich, in- dem sie ihm einen üblen Streich spielten: Zur Ostermesse 1734 erhielt Philippi einen Brief, der von sieben Personen aus Leipzig, darunter einer Frau mit Namen Christiana von Tugendreich, unterzeichnet war, worin sie ihm Geld zur Veröffentlichung seiner schönen Schriften anboten. Dabei zeigten sie sich als Gegner der Scherzenden Gesellschaft, indem sie darauf hinwiesen, daß gerade die Neufränkischen Zeitungen den guten Geschmack verdürben.46 Da der Brief ohne Absender war, wollte Philippi über eine Anzeige in den "Neuen Zeitungen von gelehrten Sachen" wissen, an wen er sich wenden solle. Daraufhin bekam er Post von einem, der sich Christian von Redlich- hausen nannte und ihm als Bürgen einen Advokaten in Leipzig nannte. Obwohl durch seine Freunde gewarnt, es könne hinter den Briefen eine Leipziger Coquette stecken und seine Antwort in den Neufränkischen Zeitungen erscheinen, versuchte Philippi dennoch, die Absender des Briefes durch den Anwalt zu erfahren. Als Antwort brüskierte man ihn mit der Mitteilung, er sei des Geldes nicht würdig. Philippi rächte sich, indem er sein 1734 erschienenes und mit anzüglichen Anmerkungen versehenes Werk "Der Marquisin von Sablé hundert vernünftige Maximen", entgegen jeder Gewohnheit, Ziegler auf dem Titelblatt widmete, was ihm in den "Neuen Zeitungen von Gelehrten Sachen" vor- geworfen wurde.47 Alle Ereignisse um Christiana Mariana von Ziegler wurden bis 1737 in dieser Zeitung angezeigt, was ihren Bekanntheitsgrad in Deutschland um ein vielfaches erhöhte. Herausgeber und Redakteure der Zeitung und der Freundeskreis Zieglers waren zwar zum Teil identisch.48 Sie alle verkehrten in Zieglers Salon und waren sowohl Mitglieder der Deutschen als auch der Scherzenden Gesellschaft. Dennoch waren diese persön- 45 Abgedruckt in Liscow, Christian Ludwig: Sammlung Satirischer und Ernsthafter Schriften, Frankfurt / Leipzig 1739. 46 Dazu Helbig, S. 20f. 47 Neue Zeitungen von Gelehrten Sachen vom 17.05. (1734). 48 Dies waren bis 1733 Johann Gottlieb Krause (1684-1736), der spätere Dekan der Universität Witten- berg, der Ziegler zur kaiserlichen Poetin krönte, der Redakteur und anschließend der Mathematiker Friedrich Wilhelm Stübner, ihr späterer Ehemann Wolf Balthasar Adolf von Steinwehr, und Joachim Schwabe (1714-1784), ein treuer Anhänger Gottscheds. Witkowski, Geschichte des literarischen Lebens, S. 189. Gottsched war drei Jahre lang, von 1724-1728, Hauslehrer bei Burchard Mencke, der das Veröffentlichungsprivileg dieser Zeitung innehatte. 4. Die Zieglerin 104 lichen Bekanntschaften der Dichterin nicht ausschlaggebend dafür, daß sich die Zeit- schrift ihrer Person so ausführlich annahm. Die Tatsache, daß sie als Frau veröffent- lichte, war nicht alltäglich und damit in jedem Fall berichtenswert. Mit zunehmender Bekanntheit berichteten auch andere Zeitschriften über die deutsche Dichterin.49 Daß ihr Werk von ihren Zeitgenossen anerkannt wurde, zeigen auch die zahlreichen Widmun- gen, die ihr zuteil wurden. So schrieb ihr z.B. Johann Friedrich May seine Abhandlung über die Schaubühne (1734) zu50, Johann Friedrich Gräfe den ersten Teil seiner "Sammlung verschiedener und auserlesener Oden" (1737)51 und Johann Friedrich von Meier erwähnt sie ausführlich in der Vorrede zu seinem Werk "Westphälische Friedens=Handlungen und Geschichte" (1734).52 Die Bindungen zwischen Salon und Deutscher Gesellschaft, die sich im Kreis der Scherzenden Gesellschaft manifestierten, werden von dem Literaturwissenschaftler Peter Seibert als Indiz dafür gewertet, daß es sich bei Zieglers Salon um eine Unter- organisation der Deutschen Gesellschaft handele.53 Er sieht die Geschichte des Salons in engem Zusammenhang mit Zieglers Aufnahme in die Deutsche Gesellschaft; die Scherzende Gesellschaft wird von ihm mit diesem gleichgesetzt. Der Beginn von Zieglers Mitgliedschaft in der Deutschen Gesellschaft erfolgte jedoch zeitgleich mit der Herausgabe der Sendschreiben, in denen sie immer wieder die Gesellschaften (Salons) als Tugend- und Sittenschulen postulierte.54 Ihr Salon hat ihr in den Sendschreiben, die auf ihrer Erfahrung beruhen, offensichtlich als Vorbild gedient. Seibert argumentiert weiter, daß Ziegler erst seit ihrer Mitgliedschaft in der Deutschen Gesellschaft über das Prestige verfügt habe, welches ihr eine gesellige Rolle analog zu den französischen Salondamen ermöglicht habe. Der soziale Status Zieglers wird von ihm in diesem 49 Folgende Ereignisse um die Dichterin wurden außer in den "Neuen Zeitungen von Gelehrten Sachen" angekündigt: die Sendschreiben in: Deutsche Acta Eruditorum, Leipzig (1730); die Poetenkrönung in: Hamburgische Berichte von neuen gelehrten Sachen (1733); die Vermischten Schriften in: Göttingi- sche Zeitungen von gelehrten Sachen (1739); die Übersetzungen in: Niedersächsische Nachrichten von neuen Gelehrten Sachen (1735); Freye Urtheile und Nachrichten zum Aufnehmen der Wissen- schaften und Historie überhaupt, Hamburg (1744); Göttingische Zeitungen von gelehrten Sachen (1744). 50 Waniek, S. 238. 51 Spitta, Philipp: Sperontes "Singende Muse an der Pleisze". Zur Geschichte des deutschen Hausgesangs im achtzehnten Jahrhundert, in: Vierteljahresschrift für Musikwissenschaft 1 (1885), S. 35-125, hier S. 46. 52 Lamprecht, Vorrede. 53 Seibert, Der literarische Salon, S. 95f. 54 Die Sendschreiben wurden am 5.10.1730 in den "Neuen Zeitungen von Gelehrten Sachen" ange- kündigt. Neue Zeitungen von gelehrten Sachen vom 5.10.1730, S. 712. Während die Aufnahme in die Deutsche Gesellschaft am 15.11.1730 erfolgte. Neue Zeitungen von Gelehrten Sachen vom 16.11.1730, S. 816. 4. Die Zieglerin 105 Zusammenhang nicht ausreichend berücksichtigt. Als Mitglied des gehobenen Leipziger Bürgertums und als gelehrte Frau hatte sie bereits zahlreiche Kontakte zur gelehrten Welt. Ihr Briefwechsel mit Breßler zeigt, daß sie sich bereits während ihrer zweiten Ehe in gelehrten Kreisen bewegte. Zieglers Freundeskreis erfuhr schon durch ihre umfang- reiche Korrespondenz eine Ausweitung über unmittelbare persönliche Bekanntschaften hinaus.55 Ihre Briefpartner verkehrten, wenn sie sich in Leipzig aufhielten, sicherlich auch in ihrem Salon. Somit bestanden die Gäste nicht ausschließlich aus den Mitglie- dern der Deutschen Gesellschaft, wie von Seibert angenommen. Darüber hinaus geht er von falschen zeitlichen Prämissen aus: Er legt seiner Untersuchung die Zahlen von Waniek zugrunde, der den Beginn von Zieglers zweiter Witwenzeit im Jahre 1731 ansetzt. Ihren Status als Witwe betrachten sowohl Waniek als auch Seibert als ein ihre Salongeselligkeit verstärkendes Element, ihre Witwenschaft bestand jedoch bereits seit 1722. Die von Seibert konstatierte Abhängigkeit von der Deutschen Gesellschaft kann somit nicht bestätigt werden; der Salon muß als eigenständige Gründung gesehen werden. Selbstverständlich nahm seine Bedeutung entsprechend der Bekanntheit der Gastgeberin zu, doch erlangte sie diese nicht erst durch ihre Aufnahme in die Deutsche Gesellschaft. Sie war zu diesem Zeitpunkt bereits durch die Herausgabe ihrer beiden Gedichtbände und ihre Veröffentlichungen in den "Neuen Zeitungen von Gelehrten Sachen" als deutsche Dichterin anerkannt. Daß die Mitglieder der Deutschen Gesell- schaft als Gäste in Zieglers Salon verkehrten, hängt vor allem damit zusammen, daß es sich um eines der kulturellen Zentren Leipzigs handelte. Die Anerkennung der Deutschen Gesellschaft und der Leipziger Universität als li- terarische Wertungsinstanzen verhinderten nach Seibert, daß sich hier eine Möglichkeit für "gesellschaftliche Interaktion und Kommunikation" bot und daß davon unabhängige literarische Ambitionen nicht vorhanden waren. Seibert betrachtet den Salon ausschließ- lich als literarischen Zirkel und damit in der Tradition der französischen Literatursalons, ohne die musikalische und die erzieherische Komponente, die dem Ganzen zugrunde lag, zu beachten.56 Der Salon Zieglers war ein Ort, an dem Literatur gemacht und 55 Als Korrespondentinnen ließen sich bisher nur Breßler, Brockes und Philippi feststellen. Darüber hinaus hatte Ziegler Kontakt zu der Erfurter Dichterin Sidonia Hedwig Zäunemann (1714-1740) und zu Anna Helena Volkmann geb. Wolfermann (1695- nach 1768). Letztere schrieb ihr Briefgedichte. Brinker-Gabler, Gisela (Hg): Deutsche Dichterinnen vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Gedichte und Lebensläufe, Frankfurt am Main 1978, S. 41. 56 Hanstein spricht von einem "musikalischen" Salon, Waniek vom "Litteratursalon". Hanstein, Bd. 1, S. 92; Waniek, S. 235-246. 4. Die Zieglerin 106 beeinflußt wurde, wo man sich mit den neuesten wissenschaftlichen Veröffentlichungen auseinandersetzte57, wo Musik praktiziert und aufgeführt wurde und wo die kommende Generation gefördert und erzogen wurde. Die meisten Gäste des Salons waren Anhänger der Leibniz-Wolffischen Philosophie und damit Vertreter der neuesten philosophischen Entwicklungen. Durch die Erziehungs- und Matronagefunktion, die Ziegler ihrem Salon verlieh, war er gleichzeitig ein Multiplikator der modernen Ent- wicklungen in Literatur, Musik und Philosophie. Bei Ziegler liegt der Schwerpunkt in der Wechselbeziehung zwischen Salon und ihrer eigenen Literatur. Das literarische Werk von Ziegler war durchaus Produkt ihres Salons, gleichzeitig war der Salon aber auch Produkt ihrer Literatur. Dies wird besonders deutlich in ihren Sendschreiben, in denen sie, wie bereits erwähnt, ihre Theorie des Salons vorstellt, während sie im Salon die dort angesprochenen Erziehungsideale realisiert. Die Bedeutung des Zieglerschen Salons lag also weniger in der Beeinflussung und Produktion von Literatur als in der Ausbildung und Förderung kommender Generationen. Diese Komponente des Salons wird von Seibert nicht berücksichtigt, daher ist seine Definition für diesen Salon nur bedingt geeignet und muß neu perspektiviert und erweitert werden. 4.2 Die Dichterkrönung: Poeta Laureata Den Höhepunkt ihrer Karriere erlebte Christiana Mariana von Ziegler im Jahre 1733 als sie durch Vermittlung Gottscheds von der Universität Wittenberg zur kaiserlichen Poetin (poeta laureata) gekrönt wurde.58 Bei der Würde des poeta laureatus handelte es sich um die Verleihung eines akademischen Grades, der dem Doktor der Freien Künste gleichgestellt war und mit dem ehemals das Recht, an allen Universitäten des Reiches zu lesen und zu lehren, verbunden gewesen war. Seit dem frühen 16. Jahrhundert setzte das Lehramt in der Artistenfakultät jedoch den staatlichen Lehrauftrag, also die Professur, voraus.59 Die Dichterkrönungen beruhten auf einer antiken Tradition, die in 57 Schulze, Aus Leipzigs Kulturgeschichte, S. 72. 58 Zum poeta laureatus: Oppitz, U.-D.: Artikel ‘Poeta Laureatus’, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, hg. v. Adalbert Erler / Ekkehard Kaufmann, Bd. 3, Berlin 1984, Sp. 1790-1792; Erler, Adalbert: Artikel ‘Dichterkrönung’, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte hg. v. Adalbert Erler / Ekkehard Kaufmann, Bd. 1, Berlin 1971, Sp. 728f.; Mertens, Dieter: Zur Sozial- geschichte und Funktion des poeta laureatus im Zeitalter Maximilians I., in: Gelehrte im Reich: zur Sozial- und Wirkungsgeschichte akademischer Eliten des 14. bis 16. Jahrhunderts, hg. v. Rainer Christoph Schwinges, Berlin 1996 (Zeitschrift für Historische Forschung; Beiheft 18), S. 327-348. 59 Seifert, Arno: Das höhere Schulwesen. Universitäten und Gymnasien, in: Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte, Bd 1: 15. bis 17. Jahrhundert. Von der Renaissance und der Reformation bis zum Ende der Glaubenskämpfe, hg. v. Notker Hammerstein. Unter Mitwirkung von August Buck, München 1996, S. 197-374, hier S. 204. 4. Die Zieglerin 107 der Renaissance erneut aufgegriffen wurde. Dabei handelte es sich um ein kaiserliches Privileg, dessen Verleihung seit Beginn des 16. Jahrhunderts an Einzelpersonen oder auch an Universitäten delegiert wurde und mit der Pfalzgrafenwürde (comes palatinus) verbunden war. Die Ehrung wurde zur Förderung poetischer Talente eingesetzt und geschah im Rahmen einer Zeremonie, bei der die Insignien in Form von Ring und Lorbeerkranz übergeben wurden. Mit der Weitergabe des Privilegs nahm die Zahl und Bedeutung der Dichterkrönungen ab, gleichzeitig aber wurden die Ernennungen, die von Universitäten vorgenommen wurden, weit höher geschätzt als die von Einzel- personen. Die erste bekannte Krönung einer Frau ist die von Gertraud Möller, die im Jahr 1671 von Sigmund von Birken gekrönt wurde.60 Christiana Mariana von Ziegler war jedoch die erste Frau, die von einer Universität zur poeta laureata gekrönt wurde.61 60 Otto, S. 498f. Beide waren sie Mitglieder des Pegnensischen Blumenordens. Die Lebensdaten konnten in den einschlägigen Lexika nicht ermittelt werden. 61 Nur wenige Jahre nach Christiana Mariana von Ziegler im Jahr 1738 wurde Sidonia Hedwig Zäune- mann von der Universität Göttingen ebenfalls zur Poetin gekrönt. Gresky, Wolfgang: Eine Göttinger Dichterkrönung von 1738: Sidonia Hedwig Zäunemann (1714-1740), in: Göttinger Jahrbuch (1984), S. 207-226. Abb. 4 4. Die Zieglerin 109 Im August 1733 schrieb der Dekan der Universität Wittenberg Johann Gottlieb Krause an Gottsched, ob er nicht jemanden wüßte, der würdig sei, die noch freie Stelle des poeta laureatus zu übernehmen das Ganze koste auch nur 14 Taler.62 Gottsched ergriff diese Chance, seine Reputation als Förderer gelehrter Frauen zu heben, und schlug Christiana Mariana von Ziegler vor. Krause, der bis 1732 Professor der Eloquenz in Leipzig gewesen war, hatte Ziegler, die er aus Leipzig kannte, möglicherweise bereits im Sinn, denn der Vorschlag wurde akzeptiert und im Oktober 1733 wurde sie anläßlich der Magisterpromotion als erste Frau von einer Universität zur kaiserlichen Poetin gekrönt. Da Frauen nicht an den universitären Zeremonien teilnehmen durften, fand auch hier analog zu ihrer Aufnahme in die Deutsche Gesellschaft die Zeremonie in ihrer Abwesenheit statt. Dafür fand eine Woche später ein festlicher Akt in ihrem Salon statt, wo ihr in Anwesenheit verschiedener Honoratioren die Urkunde, der Lorbeerzweig und der Ring von Dekan Krause überreicht wurden.63 Damit hatte Ziegler die vollkommene Freyheit, sich aller Gerechtsamen, Vorzüge und Ehrenbezeugungen anzumaßen, welche den übrigen gekrönten Poeten, aller Orten altem Herkommen nach und von Rechts wegen zugestanden werden. 64 Diese Ehrung erregte einiges Aufsehen sowohl in posi- tiver als auch in negativer Hinsicht. Verschiedene Personen beiderlei Geschlechts ließen Ziegler anläßlich der Dichterkrönung Huldigungsgedichte zukommen, welche von Johann Friedrich Lamprecht gesammelt und in einem Band herausgegeben wurden.65 Doch Andere fühlten sich offensichtlich davon provoziert, daß sie als Frau in eine Män- nerdomäne eingedrungen war. Im November 1733, also unmittelbar nach der Krönung, tauchten zwei Schmähschriften gegen Ziegler auf. Sie enthielten nicht allein eine sehr wenig schmeichelhafte Zeichnung von ihr, es wurden vor allem die Anschuldigungen erhoben, daß sie junge Männer verführe und ihren Unterhalt durch kommerzielles Glücksspiel erwerbe. Der härteste Vorwurf war aber der, daß ihr das Verbrechen des 62 Die Briefstelle ist abgedruckt bei Litzmann, Liscow, S. 86, Anm. 4. Die Tatsache, daß für die Dichterkrönung bezahlt werden mußte, wird in der Forschungsliteratur sehr negativ bewertet. Es handelt sich jedoch um eine Promotion, die immer kostenpflichtig war. Dazu Seifert, S. 204 u. 219. 63 Die Krönungszeremonie ist bei Lamprecht beschrieben. Lamprecht, Vorrede. Die Urkunde ist abge- druckt bei Lamprecht, S. 2-8, in den Neuen Zeitungen von Gelehrten Sachen v. 19.11.1733, S. 830f. und in Artikel ‘Ziegler (Christiane Mariane von), in: Zedler, Bd. 62, Sp. 575-584, hier Sp. 576f. 64 Lamprecht, S. 8. Worin diese im 18. Jahrhundert bestanden haben, ließ sich nicht ermitteln. 65 Lamprecht. Ziegler erhielt insgesamt 39 Huldigungsgedichte. Es gratulierten ihr die philosophische Fakultät zu Wittenberg und die Deutsche Gesellschaft durch Gottsched. Außerdem verschiedene gelehrte Frauen, wie Anna Helena Volkmann geb. Wolfermann (1695- nach 1768), Christiana Rosina Spitzlin geb. Corvinus und Luise Adelgunde Kulmus, allerdings auf Veranlassung ihres Verlobten Gottsched, aber auch bekannte Zeitgenossen wie die späteren Petersburger Professoren Johann Georg Lotter und Jacob Stählin und der Dichter Johann Christian Günther. Die Lebensdaten für Corvinus konnten in den einschlägigen Lexika nicht ermittelt werden. 4. Die Zieglerin 110 Ehebruches angelastet wurde.66 Damit zielte diese Schrift nicht nur auf ihre Ehre, sondern auch auf ihre finanzielle Grundlage, da der Vorwurf des Ehebruchs eine Witwe auch nachträglich ihre Witwenversorgung kosten konnte.67 Als Urheber dieser Schrift wurden vier Leipziger Studenten ausgemacht. Nach einer ersten Untersuchung durch die Universität sollten sie relegiert und ein langwieriges Beweisaufnahmeverfahren ge- gen sie eingeleitet werden. Dagegen appellierten die Studenten jedoch, indem sie sich an den Kurfürsten und das Geheime Consilium wandten. Die Behörde holte ein Gutach- ten beim Oberkonsistorium ein, welches die Beweisaufnahme als zu teuer und zu hart einstufte und die Sache gegen einen ernstlichen Verweis, und Abstattung derer bißhero aufgelauffenen Unkosten beendigt sehen wollte.68 Dieser Vorschlag wurde angenom- men, darüber hinaus erging aber eine Order des Kurfürsten an die Universitäten des Landes, daß in Zukunft so außergewöhnliche Ehrungen nicht mehr ohne seine Zustim- mung erfolgen sollten.69 Im Zusammenhang mit der Poetenkrönung entstand für Ziegler jedoch ein weiteres Ärgernis. Der Augsburger Medailleur Vestner wollte eine Serie von Medaillen mit dem Abbild bereits verstorbener, aber auch zeitgenössicher Gelehrter prägen und hatte daher Ziegler um ein Profilbild gebeten. Die Tatsache, daß Ziegler als Gelehrte anerkannt und als gleichwertig in eine Reihe mit den männlichen Gelehrten gestellt wurde, rief wiede- rum ihre Zeitgenossen ‘auf den Plan’: Die Hamburger Staats= und Gelehrtenzeitung meldete im Januar 1735, daß die Dichterin auf ihre Krönung in Augsburg eine Medaille verfertigen lasse. Ein solcher Auftrag widersprach jedoch der üblichen Auffassung von Wohlstand und war somit ein Anschlag auf ihre Tugend. Doch wußte sie sich offenbar 66 ... und wird in solchen die von Zieglerin des Ehebruchs, Verführung junger Leuthe, und daß mancher vor der Zeit seine Unschuld ihr geweyhet, des gleichen daß sie sich von Spilen nähre auch noch anderer Laster, öffentl. beschuldiget ... Sächs. HSTA, Locat 5523, Christiana Mariana von Ziegler welche von der phil. Universität zu Wittenberg zur Poetin creiret worden, Ao. 1734, fol. 5b-6a. Auch Lamprecht erwähnt die Schmähschriften in seiner Sammlung der Ehrengedichte. Lamprecht, Vorrede. 67 Eine Wittwe, die nach des Mannes Tode in Unzucht lebt, schändet ihren verstorbenen Mann, und verliert die ihr von demselben hinterlassene Vermächtniß und Erbschafft, wie auch ihr eigenes Heyraths=Gut. Artikel ‘Wittwe’, in: Zedler, Bd. 57, Sp. 1940. 68 Sächs. HSTA, Locat 5523, Christiana Mariana von Ziegler welche von der phil. Universität zu Wittenberg zur Poetin creiret worden, Ao. 1734, fol. 12b-13a. 69 Nachdem wir aus euerm wegen der verwittweten von Ziegler jüngsthin von der philosophischen Facultät zu Wittenberg in Leipzig vorgenommenen Creiirung zur Poetin, erstatteten Bericht wahrnehmen müssen, was für üble Folgerungen aus dergleichen ohne euern Vorbewußt angefangenen, ganz ungewöhnlichen Dingen zu entstehen pflegen, befehlen wir gnädigst, ihr wollet zu deren künftiger Vermeidung, die Universität zu Wittenberg bescheiden, daß fürohin in solcherlei außerordentlichen Fällen zuvörderst auch gebührende Anzeige geschehe und ohne darein erfolgte Einwilligung und eingelangte Resolution nichts unternommen werden solle, auch ein Gleiches an die Universität zu Leipzig verfügen. Sächs HSTA, Locat 5523, Christiana Mariana von Ziegler welche von der phil. Universität zu Wittenberg zur Poetin creiret worden, Ao. 1734, fol. 15b. 4. Die Zieglerin 111 zu wehren, denn kurz darauf erschien eine Darstellung über die wahre Beschaffenheit dieses Vorfalls in den Neuen Zeitungen von gelehrten Sachen. Als Beleg wurde ein Auszug des Briefes an den Buchhändler abgedruckt.70 Daß gelehrte Frauen die Kritik ihrer Umgebung herausforderten, zeigt auch das Spott- lied "Ihr Schönen höret an", welches 1736 in einer zeitgenössischen Liedersammlung abgedruckt wurde.71 Dabei handelte es sich um eine Satire über studierende Frauen, in der diese lächerlich gemacht wurden. Der Verfasser stellt sich die Frau an der Universität vor, wo diese Liebes=Lehren und Galanterie erlernt und statt Kinder Bücher zählt. Dieses Lied war bald außerordentlich beliebt und wurde noch dreißig Jahre später überall auf den Straßen gesungen.72 Als Auslöser galten sowohl Christiana Mariana von Ziegler als auch Louise Adelgunde Victorie Kulmus verheiratete Gott- sched, die sich als gelehrte Frauen hervorgetan hatten. Ziegler fühlte sich offenbar ange- sprochen und reagierte mit einem Gedicht auf die Männer: "Das männliche Geschlechte, im Namen einiger Frauenzimmer besungen".73 Dort handelt sie von der Überheblichkeit der Männer und hält ihnen den Spiegel vor, denn darin erblicken diese auch nur Menschen mit allen Fehlern und Schwächen.74 Dem Gedicht hatte Ziegler eine Melodie beisetzen lassen, wohl in der Hoffnung, daß es ähnliche Popularität erlangen würde wie "Ihr Schönen höret an". Dies gelang ihr jedoch nicht. Mit diesem Gedicht, aber auch mit weiteren Texten in ihrem Werk, beteiligte sich Christiana Mariana von Ziegler aktiv an der Querelles des Femmes.75 Diese Diskussion um die Frauen wurde vom 15. bis ins 18 Jahrhundert geführt und hatte "die weibliche Natur, das intellektuelle und moralische Vermögen der Frau und ihre gesellschaftliche und rechtliche Stellung zum Inhalt".76 Sie wurde jedoch überwiegend von Männern 70 Neue Zeitungen von Gelehrten Sachen vom 20.01. (1735.), S. 52. Die Medaille ist abgebildet in Köhler, Johann David: Der Wöchentlichen Historischen Münz=Belustigung, 18. Stück, 1737, S. 137. 71 Bei der Liedersammlung handelt es sich um "Die singende Muse an der Pleiße" welche unter dem Pseudonym Sperontes herausgegeben worden war. Das Lied ist aber auch abgedruckt bei Spitta, Sperontes, S. 88f. u. Hanstein, Bd.1, S. 131f. 72 Ausführlich dazu Spitta, Sperontes, S. 88-94. 73 Ziegler, Vermischte Schriften, S. 67-71. 74 Vgl. dazu Wunder, Das andere Geschlecht. 75 Dazu gehören u.a. die Sendschreiben, die die Gelehrsamkeit von Frauen fordern, zwei Reden vor der Deutschen Gesellschaft, abgedruckt in Ziegler, Vermischte Schriften, S. 381-389 u. S. 394-399 oder auch die Oden zur Promotion der Laura Bassi, ebenda S. 56-60. 76 Fietze, Katharina: Frauenbildung in der "Querelle des Femmes", in: Geschichte der Mädchen- und Frauenbildung, Bd. 1: Vom Mittelalter bis zur Aufklärung, hg. v. Elke Kleinau / Claudia Opitz, Frankfurt am Main / New York 1996, S. 237-251, hier S. 237. Dieser Aufsatz bietet einen Überblick über die Diskussionsinhalte der Querelle des Femmes zwischen dem 15. und dem 18. Jahrhundert. 4. Die Zieglerin 112 geführt, Ziegler war eine der wenigen Frauen, die sich daran beteiligte.77 In ihren Tex- ten bestreitet sie den Vorrang der Männer über die Frauen unter verschiedenen Blickwinkeln. Ihr geht es nicht um die Überlegenheit des weiblichen Geschlechts, sondern um die Gleichwertigkeit der Geschlechter.78 Diese Gleichwertigkeit wird von ihr nicht nur in ihren Texten vertreten, sondern sie versucht sie auch zu leben und gerät dementsprechend in Konflikt mit ihren andersdenkenden Zeitgenossen, wie die Ausein- andersetzungen um ihre Person zeigen. 4.3 Die Beziehung zwischen Ziegler und Gottsched Während ihrer gemeinsamen Zeit in Leipzig gingen Ziegler und Gottsched ein Bündnis ein, welche ihrer beider Karriere maßgeblich förderte. Gottsched hatte in Königsberg studiert und war 1724, auf der Flucht vor den Werbern des preußischen Königs, nach Leipzig gekommen.79 Wahrscheinlich hatte er Leipzig gewählt, weil er sich damit zwei Möglichkeiten offenhielt: entweder dort Karriere zu machen oder zu einem späteren Zeitpunkt an die neugegründete Universität im nahegelegenen Halle und damit wieder zurück nach Preußen zu gehen. In Leipzig war er die ersten drei Jahre seines Aufenthaltes als Hauslehrer bei Johann Burchard Mencke angestellt, dessen Bibliothek er außerdem ordnete. Die Menckes waren eine bekannte Gelehrtenfamilie, die das Ver- öffentlichungsprivileg für die wichtigsten gelehrten Zeitungen innehatten, u.a. die "Neuen Zeitungen von Gelehrten Sachen" und die "Acta Eruditorum". Damit war Gott- sched als Hauslehrer dieser Familie in einer privilegierten Stellung, die mehr als nur durchschnittliche Fähigkeiten voraussetzte.80 Die Verbindung mit Mencke gab ihm die Gelegenheit, die Beziehungen zu knüpfen, die seine spätere Karriere ermöglichten. Dazu auch Gössmann, Elisabeth: Einleitung. Die Rezeption von Frauengelehrsamkeit aus Antike, Mittelalter und Renaissance im 17. und 18. Jahrhundert, in: Eva - Gottes Meisterwerk, hg. v. Elisabeth Gössmann, München 1985, (=Archiv für philosophie- und theologiegeschichtliche Frauenforschung; 2), S. 7-21. 77 Ausgelöst wurde diese Debatte durch Christine de Pizan (1364-1431), die besonders durch ihr Werk "Das Buch von der Stadt der Frauen" bekannt wurde. Weitere Mitstreiterinnen waren u.a.: Lucretia Marinella (1571-1653), Marie de Jars de Gournay (1565-1645), Anna Maria Schurmann, Dorothea Christiane Leporin. 78 Im Rahmen der Querelles gibt es einen Diskurs über die Überlegenheit des weiblichen Geschlechts, die daraus abgeleitet wird, daß die Frau aus einem edleren Material und an einem edleren Ort erschaffen wurde und daß sie als die letzterschaffene die vollkommenere sei. Fietze, S. 238. 79 Zum Leben Gottscheds Bender, Wolfgang F.: Artikel ‘Gottsched, Johann Christoph’, in: Literaturlexikon. Autoren und Werke in deutscher Sprache, hg. v. Walter Killy, Bd. 4, München 1989, S. 287-292; Bernays; Danzel; Artikel ‘Gottsched, (Johann Christoph), in: Jöchers allgemeinen Gelehrten=Lexicon; Waniek; Wolff. 80 Die Bedeutung von Hauslehrern im pädagogischen System und Hauslehrerstellen für die wissenschaftliche Karriere der Zeit ist noch nicht erforscht. 4. Die Zieglerin 113 Mencke war Präsident der Deutschübenden Poetischen Gesellschaft - der späteren Deutschen Gesellschaft - in die Gottsched nur wenige Wochen nach seiner Ankunft eintrat. Für seine Zukunft ebenso wichtig war die Verbindung mit Christiana Mariana von Ziegler. Dies wurde bisher in der Fachliteratur ignoriert oder als einseitiges Abhän- gigkeitsverhältnis interpretiert: Ziegler wird als Gottscheds ‘Zögling’ angesehen, ihr wird keine Eigenständigkeit zugestanden.81 Um diese Interpretation zu prüfen, soll im folgenden die Chronologie dieser Beziehung genau untersucht werden (s. Anhang). Den Beginn von Gottscheds literarischer Tätigkeit in Leipzig markierte 1725 die Ver- öffentlichung seiner Moralischen Wochenschrift "Die Vernünftigen Tadlerinnen"82, zu der Ziegler noch im gleichen Jahr Beiträge lieferte.83 Indem Gottsched statt seiner drei fiktive "Freundinnen" aus Halle - Phyllis, Calliste und Iris - als Herausgeberinnen angab, regte er erstmals ausdrücklich Frauen zur Lektüre und Beteiligung an.84 Mög- licherweise hat ihm hierbei Christiana Mariana von Ziegler als Vorbild einer 'vernünftigen Tadlerin' gedient. Zwischen 1725 und 1728 bildeten Gottsched und Ziegler ein überaus erfolgreiches Arbeitspaar. Sie lud ihn in ihren Salon ein brachte ihn mit den in Wissenschaft und Politik maßgeblichen Personen zusammen. Damit förderte sie ihn in sozialer und gesell- schaftlicher Hinsicht, während er sie bei ihren dichterischen Anstrengungen unter- stützte.85 In dieser Förderung Zieglers hatte Gottsched, der sich bereits während seines Studiums in Königsberg mit der Poesie beschäftigte, die Möglichkeit und die Notwendigkeit, sich weiterhin mit der Dichtung auseinanderzusetzen. Ihre gegenseitige Anregung auf diesem Gebiet mündete für sie in der Erstellung ihrer ersten beiden 81 So bei Wolff: "Geistesverwandte oder sogar Schülerin" (S. 163), "gekrönte Dichterin von Gottscheds Gnaden" (S. 173). 82 Diese Art der Zeitschriften kam aus England (Spectator, Tatler) und unterschied sich von den üblichen Gelehrtenzeitungen. Da sie sich mit sittlich-lehrhaften Themen aus dem Alltagsleben, wie z.B. Erziehung, Ehe, Mode und Aberglauben, beschäftigten, wandten sie sich an ein gänzlich anderes Publikum. Sie kamen wöchentlich heraus und erfreuten sich besonders in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Deutschland großer Beliebtheit. Dazu vgl. auch Martens, Botschaft der Tugend, S. 16; Gottsched, Die vernünftigen Tadlerinnen. Vgl. auch Schottenloher, Karl: Flugblatt und Zeitung. Ein Wegweiser durch das gedruckte Tagesschrifttum, Bd. 1: Von den Anfängen bis zum Jahre 1848, hg. u. eingel. u. erg. v. Johannes Binkowski, ND München 1985 (Berlin 1922), S. 310-312. 83 Brandes, S. 11. Sie veranlaßte wohl auch Marianna Elisabeth Bressler zur Veröffentlichung in den "Vernünftigen Tadlerinnen". 84 Bisher wurden Moralische Wochenschriften ausschließlich von Männer herausgegeben und wandten sich auch in erster Linie an Männer. 85 Wie attraktiv solche Frauen für junge aufstrebende Männer waren, zeigt auch das enge Verhältnis zwischen Christoph Martin Wieland und Julie Bondeli, die in Bern zwischen 1750 und 1760 einen Salon führte. Dazu Weckel, S. 369f. Von der eigenen Hausfrau erwartet man dagegen andere Fähigkeiten. 4. Die Zieglerin 114 Gedichtbände 1728 und 1729 und für ihn nahezu zeitgleich 1730 in der Veröffent- lichung des "Versuch(s) einer Critischen Dichtkunst", einem Regelwerk der Dichtung.86 In der Folge vermittelte Gottsched ihr verschiedene Ehrungen, wie die Aufnahme in die Deutsche Gesellschaft und die Poetenkrönung. Damit erhöhte er aber nicht nur ihre Reputation als Dichterin, sondern als ihr bekannter Förderer zugleich auch seine eigene. Gottsched hat also am Beginn seiner Karriere in Leipzig entgegen den bisherigen An- nahmen neben Mencke, der ihn beruflich unterstützte, indem er ihn in den universitären Kreisen weiterhalf, Ziegler, die ihn sozial förderte, indem sie ihn salonfähig machte und ihm damit den Zugang zu den für seine Karriere wichtigen Kreisen Leipzigs öffnete. Den Wendepunkt ihrer Beziehung markierte das Jahr 1729, als Ziegler ihren zweiten Gedichtband veröffentlichte und Gottsched Luise Adelgunde Victorie Kulmus - die seit 1728 seine Briefpartnerin war - persönlich kennenlernte.87 Ziegler war durch ihre Ver- öffentlichungen über das Lehrer-Schülerin-Verhältnis hinausgewachsen und eignete sich nun nicht mehr als ‘Zögling’. Mit Kulmus suchte Gottsched sich eine neue Schülerin und wies ihrer Vorgängerin eine andere Rolle zu. Persönlich ging Gottsched nun auf Distanz zu Ziegler, sorgte aber dafür, daß sie öffentlich geehrt wurde. Mit dieser Distanzierung von ihr und seiner Hinwendung zu Kulmus zerstörte Gottsched die von ihr so gewertete geistige Partnerschaft zwischen ihnen. Ziegler versuchte ihrerseits sein Verhalten zu kompensieren, indem sie sich nun umso stärker an die von ihm aufgestellten Regeln der Dichtkunst hielt.88 Mit der Heirat von Gottsched und Kulmus im Jahr 173589 wurde die Entfremdung zwischen ihm und Ziegler größer, hatte er doch nun die Möglichkeit, seine Freunde und Bekannten, Männer und Frauen, in seinem eigenen Hause zu versammeln.90 Hinzu kam die Abneigung, die seine Frau gegenüber Ziegler hatte und die die Distanz sicherlich 86 Zur Entstehungsgeschichte der "Critschen Dichtkunst" schreibt Bernays, daß es aus Anlaß eines "poetischen Collegiums" entstanden sei, welches Gottsched auf Wunsch einiger Freunde gehalten habe. Bernays, S. 502. Darunter befand sich sicherlich auch Christiana Mariana von Ziegler. 87 Zur Beziehung zwischen Gottsched und Kulmus siehe Hanstein, Bd. 1, S. 113-130. 88 Dies macht sich in ihrem 1739 veröffentlichten letzten Gedichtband deutlich bemerkbar. 89 Die Verlobung der beiden fand bereits im Jahr 1732 statt, ohne das Gottsched dies in Leipzig bekannt machte. 90 Als Junggeselle waren ihm zwar reine Männerveranstaltungen möglich, nicht aber gemischtgeschlechtliche. 4. Die Zieglerin 115 vergrößerte.91 Zum offenen und endgültigen Bruch kam es im Jahr 1738 mit der Verab- schiedung Gottscheds aus der Deutschen Gesellschaft.92 Die Beziehung zwischen Christiana Mariana von Ziegler und Johann Christoph Gottsched ist durch eine Entwicklung von sozialer Matronage und geistiger Patronage über die geistige Partnerschaft zum Zweckbündnis gekennzeichnet: Zunächst eröffnet sie ihm den Zugang zur Leipziger Führungsschicht, in die er ohne ihre Matronage nicht gelangt wäre. Als Hauslehrer bei Mencke konnte er nicht die Position in der Füh- rungsschicht Leipzigs einnehmen, die ihm die Freundschaft mit Ziegler ermöglichte, mit ihrer Reputation förderte sie seine Karriere auf gesellschaftlicher Ebene. Ziegler dage- gen war für Gottsched besonders interessant wegen ihrer Herkunft bzw. ihrem Stand als Niederadelige und ihrer Stellung als Witwe, die ihre Förderung unabhängig von etwaigen ehelichen Verpflichtungen ermöglichte. Darüber hinaus war sie zumindest in Leipzig als Dichterin bekannt, was seinen Interessen, Deutschland gegenüber Frankreich ebenbürtig zu machen und eine Frau als deutsche Dichterin zu etablieren, sehr entgegenkam. Offensichtlich gelang es ihm, ihr gegenüber auf poetischem Gebiet Autorität zu erwerben, sonst wäre sie seinen Theorien über das richtige Dichten nicht so unbedingt gefolgt. Darüber hinaus eröffnet Gottsched ihr den Zugang zu den Kreisen gelehrter Männer, die ihr sonst nicht so leicht zugänglich gewesen wären. Sicherlich brachte er auch bekannte Zeitgenossen mit in ihren Salon. Das enge Verhältnis der beiden war nicht auf eine Liebesbeziehung oder Heirat, sondern auf eine geistige Partnerschaft - eine 'Seelenverwandtschaft' - ausgerichtet. In dem Zweckbündnis der beiden etablierte Gottsched Christiana Mariana von Ziegler als seine berühmte Schülerin, er verhalf ihr zur Mitgliedschaft in der Deutschen Gesell- schaft und zur Poetenkrönung und erhöhte dadurch als Verfechter der Frauengelehr- samkeit gleichzeitig seine eigene Reputation und die der Deutschen Gesellschaft. Dieser Funktionalisierung ihrer Person war sich Christiana Mariana von Ziegler durchaus 91 Eine Untersuchung des Verhältnisses von Adelgunde Kulmus zu Christiana Mariana von Ziegler ist wünschenswert, im Rahmen dieser Arbeit jedoch nicht zu leisten. 92 Dieser Bruch wird auch durch ein Madrigal an Ziegler dokumentiert, welches Gottsched ihr 1729 zusendete und 1730 im "Versuch einer Critischen Dichtkunst" veröffentlichte: "Ich schreibe die bei dir verbrachte Zeit zur glücklichsten in meinem Leben Noch mehr, ich ehre Deinen Geist Und werde stets das Zeugnis geben, Daß du kein Musenkind, nein Pallas selber seist." Bei der zweiten Auflage1737, also nach seiner Heirat, ersetzte er dieses Gedicht durch eine Huldigung an Kulmus. Waniek, S. 258f. 4. Die Zieglerin 116 bewußt.93 Bezeichnend ist, daß sich die Entfremdung mit der Heirat Gottscheds 1735 verstärkte. Mit seiner Frau hatte er nun ein neues Objekt, mit dem er sich Ruhm erwer- ben konnte. Durch den eigenen Hausstand konnte er nun auch seinen eigenen geselligen Kreis gründen, und band damit wahrscheinlich auch einen Teil des Publikums, das sonst bei Ziegler verkehrte. Hinzu kommt die schwierige Beziehung zwischen Christiana Mariana von Ziegler und Adelgunde Kulmus. Ein weiteres Indiz für diese Entfremdung ist die Tatsache, daß alle Ereignisse um Ziegler in den "Neuen Zeitungen von Gelehrten Sachen" bekannt gemacht wurden, nicht jedoch die 1739 veröffentlichten "Vermischten Schriften". Diese wurden in Göttingen herausgegeben und nicht in Leipzig. Diesen Veröffentlichungsort hatte ihr Steinwehr, ihr Freund und späterer Ehemann, vermittelt, der zu diesem Zeitpunkt dort Professor war. Die Beziehung zwischen Steinwehr und Ziegler war mit der Zeit, sicherlich befördert durch die zunehmende Entfremdung von Gottsched, immer enger geworden. Als Steinwehr 1738 Leipzig verließ, blieben sie in Verbindung.94 Der Entschluß ihn zu heiraten wurde wahrscheinlich von mehreren Faktoren begünstigt. Im Jahr 1739 starb Zieglers Mutter, damit ging eine weitere Beziehung, die ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens gewesen war, zu Ende. Eine erneute Heirat bot in dieser Situation die Möglichkeit einer neue Lebensperspektive. Steinwehr und sie kannten sich bereits durch eine langjährige Freundschaft und hatten die gleichen geistigen Interessen. Damit waren die besten Bedingungen für eine Ehe, wie sie ihrer Vorstellung entsprach gegeben.95 Als Steinwehr ihr einen Heiratsantrag machte, ergriff sie daher die Chance, ihrem Leben eine neue Wendung zu geben, und mit ihm ihr Ideal von der partnerschaftlichen Gelehrtenehe, wie sie sie bei Gottsched in Form einer geistigen Partnerschaft gesucht hatte, zu verwirklichen.96 * * * 93 Heuser, Musenchor, S. 297f. 94 Wolff berichtet, daß sie "beziehungsreiche Briefe" tauschten. Wolff, S. 174. 95 In einem Brief an Philippi schreibt Ziegler bezüglich einer erneuten Heirat: Sollte ich ja, weil ich es nicht ganz verschworen aus dem vergnügten Orden [der Witwenschaft] treten, so würde ich mir gewiß etwas wählen, das ich verantworten könnte gewählt zu haben. Dreßler, S. 60, Brief vom 26.01.1732. 96 Damit vergleichbar sind die 'Humanistenehepaare', bei denen Gemeinsamkeit über geistige Interessen, nicht über das gemeinsame Haushalten, hergestellt wurde. Wunder, Er ist die Sonn', S. 64. Jedoch wurden solche Ehen bei ihren Zeitgenossen durchaus problematisch gesehen: "Der Fall, wie es z.B. bey Reiske war, daß Mann und Weib Gelehrte sind, ist selten und wäre wohl für die häuslichen Umstände beyder mehr schädlich als vortheilhaft. Ein solch' literarisches Ehepaar würde ohne einen schützenden Genius bald in die dürftigsten ökonomischen Umstände gerathen. Ich halt' es überhaupt es für ein grosses Glück für einen Gelehrten, wenn ihm die Vorsehung eine gute Wirthin zur Gattin schenkt, die dahin sieht, daß sein Hauswesen in guter Ordnung erhalten wird, denn es gibt gewöhnlich keine sorglosern Wirthe als die Gelehrten." Wilhelm Ludwig Steinbrenner zitiert nach Maurer, Die Biographie, S. 540. 4. Die Zieglerin 117 Ziegler bot mit ihrem Salon Männern und Frauen gehobenen Standes, insbesondere den Gelehrten, ein Forum in Leipzig. Indem sie den Rahmen setzte und die Durchführung bestimmte, gestaltete sie aktiv ihren Salon und schaffte sich einen Platz in der gelehrten Welt. In den Sendschreiben erläutert sie das Konzept dieses Salons als Sittenschule. Ihre ‘Briefe’ sind daher auch als eine Weiterführung dieses Konzepts für ein breiteres Lese- publikum zu werten. Die Sendschreiben stellen damit eine Erweiterung des Salons dar, die sich an die gehobenen Stände richtet. Diese direkte Verbindung zwischen literari- schem Werk und Sittenschule erlaubt es, den Salon der Ziegler zu ihrem Werk zu rechnen. Andererseits wird deutlich, daß sie die Sendschreiben als Teil der sozialen Praxis und nicht als Literatur dachte. Es handelte sich also nicht um einen literarischen Salon im literaturwissenschaftlichen Sinne, in dem Texte produziert und poetologische Akzente gesetzt werden, sondern um einen Salon, in dem Ziegler ihre Auffassung von Vernunft, Tugend und Wohlstand der jungen Generation vermitteln will. Ihr Salon steht also für eine neue Gesellschaft, die sich weniger über Standeszugehörigkeit als über Würde und Gelehrsamkeit definiert. Der Salon ermöglichte es ihr zahlreiche Kontakte zu knüpfen, die sie zum eigenen lernen nutzen konnte. So sprach und korrespondierte sie mit zahlreichen Gelehrten in ganz Deutschland und tauschte mit ihnen Meinungen und Gedichte aus. Durch zahlreiche personelle Verknüpfungen zwischen ihrem Salon als Sittenschule für eine neue Gesellschaft und der Universität als institutionalisiertem Zentrum der Gelehrsam- keit setzte sie kulturelle Normen. 5. Ergebnisse und Thesen 5. Ergebnisse und Thesen 118 Die vorliegende Untersuchung hat gezeigt, daß Analyse und Verknüpfung von Leben und Werk einer Dichterin sowohl für die Sozialgeschichte als auch für die Literatur- geschichte gewinnbringend sein kann. Besonders für Texte von Frauen ist eine Bewer- tung nach ästhetischen und literaturtheoretischen Kriterien nicht ausreichend, auch wenn sie den Entstehungszusammenhang berücksichtigt.1 Eine angemessene Bewertung und Einordnung kann nur erfolgen, wenn sowohl der zeitgenössische als auch der persönliche Rahmen von Autorinnen berücksichtigt wird. Aber auch für die Sozialge- schichte hat sich das Einbeziehen von literarischen Texten und deren Untersuchung als ergiebig erwiesen, da die Verknüpfung von Leben und Werk Zusammenhänge erkennen läßt, die durch biographische Analyse nicht sichtbar werden. Durch die Analyse und Verknüpfung von Leben und Werk konnten folgende Punkte herausgearbeitet werden: 1. Obwohl Christiana Mariana von Ziegler in ihren "Moralischen Sendschreiben" den Sittenverfall der Menschen ihrer Zeit beklagte, hatte sie dennoch kein negatives Welt- und Menschenbild. Die Tatsache, daß sie einen Tugend- und Sittenspiegel veröffent- lichte, zeigt, daß sie den einzelnen Menschen prinzipiell zur Erlangung von Tugend für fähig hielt. Unter Anleitung seiner natürlichen Vernunft ist er in der Lage, diesem Ziel näher zu kommen. Der Mensch ist zwar für seine Fehler verantwortlich, hat aber durch seine Vernunft selbst das Mittel in der Hand, diese zu beseitigen. Ziegler gehörte also zu denjenigen ihrer Zeitgenossen, die eine Besserung des ‘gemeinen Wesens’ anstrebten, nicht aber zu den ‘Empfindsamen’, die sich in eine eigene, abgeschlossene Welt zurückzogen.2 Ziegler setzte ihre didaktischen Absichten in unterschiedlicher Weise praktisch um: in Form eines Salons und in Form ihres literarischen Werkes. Ihr Welt- und Menschenbild läßt sich aber auch in ihrer Lebensgestaltung wiederfinden, denn nach jedem Schicksalsschlag, etwa den Ereignissen um ihren Vater, dem Tod der beiden Ehemänner und ihrer Kinder, perspektivierte und organisierte sie ihr Leben immer wieder neu. Dabei stellte sie ihre soziale Absicherung als Tochter aus dem Hause Romanus und ihre kulturelle Absicherung über ihr Werk her. Daraus erfuhr sie eine wechselseitige Stabilisierung. 1 Da Frauen die Institutionen wie Gelehrtenschulen oder Universitäten, in denen die klassischen Regeln der Poetik vermittelt wurden, verschlossen waren, dürfen ihre Texte nicht nach diesen Wertmaßstäben beurteilt werden. 2 Auf die letzteren bezieht sich Barner. 5. Ergebnisse und Thesen 119 2. Mit ihrem Anspruch verfolgte Ziegler ein gesellschaftspolitisches Ziel. Ihr ging es nicht allein darum, die Gesellschaft zu bessern, sondern über ihr Werk bei der Setzung neuer Normen und Werte mitzuwirken und mit auszuhandeln, was unter Wohlstand und Tugend zu verstehen ist. Diese Absicht drückt sich nicht nur in den "Moralischen Sendschreiben" aus, die explizit als Tugend- und Sittenspiegel ausgewiesen sind und damit didaktischen Charakter haben3, sondern zeigt sich ebenso in ihren anderen Schriften4 wie auch in ihrem Salon. Ziegler übernahm als Sittenlehrerin die Funktion der Anleiterin, wobei sie ihre eigene gesellschaftliche Gruppe im Blick hatte, das gehobene Bürgertum und den Niederadel. Sie leitete ihren Führungsanspruch sowohl aus ihrer Zugehörigkeit zu den privilegierten Ständen als auch aus ihrer kulturellen Leistung ab, die sie wie von sich selbst auch von anderen Mitgliedern der privilegierten Stände verlangte: Diese sollten Vorbild und Verantwortungsträger für andere sein. Ihr Tugendanspruch galt also letztlich für alle Stände. Die ständischen Verhältnisse selbst jedoch wurden von Ziegler nicht diskutiert, sondern als selbstverständlich vorausge- setzt. Allerdings definierte sie mit der gelehrten Gesellschaft einen neuen 'Stand', der gleichermaßen für adelige und bürgerliche Personen beiderlei Geschlechts offen war. Über die Zugehörigkeit dazu entschied allein die Würde, die für Ziegler nur über Tugend und Gelehrsamkeit hergestellt wurde.5 Ihr Anspruch, die bestehenden Verhält- nisse zu verbessern, ist keine theoretisch-konzeptionelle Äußerung, sondern auf die Ge- staltung der Lebenspraxis ausgerichtet. 3. Durch die Initiierung eines Salons zu Beginn ihrer zweiten Witwenschaft schaffte sich Ziegler die Möglichkeit, ihre Vorstellungen von Gesellschaft öffentlich zu insze- nieren, und damit an deren Verbesserung mitzuwirken.6 Dort wollte sie durch prakti- 3 Weiterführend wäre hier die vergleichende Analyse mit anderen Tugend- und Sittenspiegeln ihrer Zeit. 4 Ziegler hat ausschließlich didaktische Literatur übersetzt, aber auch in ihren Gedichtbänden thematisiert sie ihren Anspruch Tugend zu vermitteln. S. dazu das Schriftenverzeichnis, für die Gedichtbände besonders die Vorberichte. 5 Mit diesen Zugangsvoraussetzungen befindet sich Ziegler durchaus in Analogie zu dem Anspruch der Verchristlichung der Gesellschaft. Diesem Gedanken kann hier jedoch nicht nachgegangen werden. Hoffmann hat jedoch mit ihrem Konzept der Gesellung durch Sinnstiftung ermöglicht, religiöse wie profane Gesellungen dieser Art vergleichend zu betrachten. Sie hat daraufhingewiesen, daß "die implizierte Zäsur zwischen 'religiöser' Welterklärung und 'rationaler' Aufklärung verdeckt, daß Religiosität weiterhin eine wesentliche handlungsleitende und weltgestaltende Kraft blieb." Hoffmann, Barbara: Radikalpietismus um 1700. Der Streit um das Recht auf eine neue Gesellschaft, Frankfurt am Main und New York 1996, S. 187. 6 Damit unterscheidet sich ihr 'Erziehungsort' von dem Befund, den Trepp für Hamburg im späten 18. Jahrhundert konstatiert. Trepp, S. 371. Habermas geht davon aus, daß Salons wie Tischgesellschaften und Kaffeehäuser "allemal eine der Tendenz nach permanente Diskussion unter Privatleuten" 5. Ergebnisse und Thesen 120 sches Exempel den Bereich des Wohlstands, in dem das Verhalten der Menschen untereinander geregelt wird, durch Setzung neuer Normen und Werte verändern. In ihrem Salon gab sie Personen beiderlei Geschlechts die Gelegenheit, sich im Umgang miteinander Würde und Gelehrsamkeit anzueignen. Damit setzte Ziegler ihre Lebenserfahrungen und das daraus resultierende Verständnis von Tugend und Wohl- stand in ihrem Salon in das Modell einer neuen Gesellschaft um. Darüber hinaus diente der Salon der für Gelehrte so überaus wichtigen Matronage, die auch die Ehever- mittlung umfaßte.7 Ziegler setzte ihre Reputation als Mitglied der privilegierten Stände und als Gelehrte zur Förderung dieses Personenkreises ein. Die dort Versammelten kamen über gemeinsame Interessen und die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe zusammen, wodurch der Salon nach innen identitätsstiftend, nach außen normstiftend wirkte.8 Das Publikum im Salon bildete sich eher nach den Kriterien der 'bürgerlichen Freundschaft'9 des Stadtbürgers des 17. Jahrhunderts als im Sinne von 'empfindsamer Freundschaft' des späten 18. Jahrhunderts.10 Ihr Salon war 'öffentlicher' Versammlungs- ort beider Geschlechter, verschiedener Generationen und verschiedener Stände.11 Damit nahm er zugleich horizontal wie vertikal eine Multiplikatorfunktion ein: horizontal durch die personelle Verknüpfung über die Kommunikationssysteme und dem damit verbundenen Transfer von Normen und Werten, vertikal durch die Weitergabe in der Generationenfolge. 4. Die Außenwirkung von Ziegler und ihrem Salon verstärkte sich mit den ihr er- wiesenen Ehrungen und ihrer steigenden Berühmtheit. Inwieweit ihre Vorstellungen Niederschlag in den Schriften anderer Gelehrter fand, bleibt noch zu untersuchen. Es konnte jedoch herausgearbeitet werden, daß die Einschätzung der Bedeutung ihres Salons in der Forschung als Unterabteilung der Deutschen Gesellschaft und damit die organisieren. Habermas, Jürgen: Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft, Frankfurt am Main 1965, S. 52. Dem muß für den Salon Zieglers widersprochen werden. 7 Auf die Bedeutung der Heiratspolitik im Rahmen des Salons wurde bisher noch nicht hingewiesen. Auf die allgemeine Bedeutung von Heiratspolitik weist hin: Wunder, 'Er ist die Sonn', S. 221. 8 Zur identitätsstiftenden Wirkung von Gesellungen und Salons s. Hoffmann, S. 187. 9 Freundschaft stellt hier Stadtöffentlichkeit her und ist nicht wie bei Trepp im Sinne von Verwandt- schaft zu verstehen. Trepp. 10 Die Jahrhundertmitte war der erste Höhepunkt der "exzessiven Freundschaftsbegeisterung". Barner. 11 Auch hierin sind Analogien zu zeitgleich auftretenden pietistischen und radikalpietistischen Gesellungen festzustellen. Hoffmann, Kapitel 2 u. S. 185. Im Zusammenhang mit einer "Deutschen Gesellschaft" in Bremen weist Engelsing ebenfalls auf Analogien dieser beiden Richtungen hin. Engelsing, Rolf: Der Bürger als Leser. Lesergeschichte in Deutschland 1500-1800, Stuttgart 1974, S. 110. 5. Ergebnisse und Thesen 121 Gewichtung zu Gunsten Gottscheds revidiert werden muß. Es konnten verschieden- artigen Anteile Gottscheds und Zieglers ermittelt werden, so daß deutlich wurde, daß der Salon seine Bedeutung sowohl aus beiden Personen einzeln als auch zeitweise aus der Kombination beider gewinnt. Damit muß auch die Person Zieglers in ihrer Bedeutung für die gelehrte Welt Leipzigs neu bewertet werden. Ihr Salon war eines der kulturellen Zentren der Stadt, in dem, wie herausgearbeitet werden konnte, sich die Vertreter der Frühaufklärung trafen und über neuste wissenschaftliche Entwicklungen diskutiert wurde. Sie bot nicht nur einen Ort für diese Diskurse, sondern sie nahm als gelehrte Frau auch an ihnen teil und beeinflußte so den wissenschaftlichen Diskurs der Zeit. Ebenso trifft das Verständnis dieses Salons als ausschließlich literarischer oder musikalischer Salon nicht zu. Wegen seiner vielfältigen Funktionen muß für ihn der bei Seibert definierte Salonbegriff12 um die Funktion als Sittenschule und als Ort der Setzung neuer Normen und Werte erweitert werden. Der frühe Salon muß also aus seiner Zeit heraus verstanden werden und kann nicht von der 'Spätform' des Salons rückwirkend bewertet werden.13 5. Die vorliegende Untersuchung konnte aufzeigen, daß es sich bei der Paarbeziehung Ziegler - Gottsched, um einen Wandel von einer geistigen Partnerschaft zu einem Zweckbündnis handelte und zu keiner Zeit um eine Beziehung zwischen einem Lehrer und seiner Schülerin. Andererseits konnte herausgearbeitet werden, daß Ziegler Gott- sched mit ihrer Reputation als Leipziger Bürgertochter aus der Führungsschicht maß- geblich auf sozialer Ebene förderte und damit auch für seine dortige Karriere mitver- antwortlich war. Daraus folgt, daß sowohl die Leistung Zieglers als ihr persönlicher Erfolg gesehen und neu gewertet, als auch ihre Bedeutung für die Person Gottsched in der Forschung völlig neu gewichtet werden muß.14 12 Seibert, Der literarische Salon, S. 3-8. 13 Engelsing und Dülmen vertreten die Ansicht, daß auch auf die Aufklärungsgesellschaften des frühen 18. Jahrhunderts nicht aus der Sicht des 19. Jahrhunderts mit seinen Vereinen rückprojeziert werden darf. Dülmen, Richard van: Die Gesellschaft der Aufklärer. Zur bürgerlichen Emanzipation und aufklärerischen Kultur in Deutschland, Frankfurt am Main 1986, S. 8; Engelsing, S. 110. 14 In diesem Zusammenhang könnte sich eine Auswertung des Briefwechsel Gottscheds unter dieser Fragestellung als ergiebig erweisen. Die geistige Partnerschaft zwischen jüngeren Männern und älteren Frauen ist ein häufig vorkommendes Muster in der Geschichte und spricht für die offensichtliche Attraktivität solcher Frauen. Viele Denker hatten Frauen als wichtige Brief- und Gesprächspartnerinnen. In diesem Zusammenhang wäre daher eine vergleichende Untersuchung von Paaren wie Gottsched/ Ziegler, Bondeli/ Wieland, Voltaire/ du Châtelet etc. wünschenswert. 5. Ergebnisse und Thesen 122 6. Durch die Veröffentlichung ihres Modells einer neuen Gesellschaft in den Send- schreiben erweiterte Ziegler das Publikum des Salon um das Lesepublikum. Diese sind als moralische Lehrstücke in Briefform zu verstehen und die in ihnen angesprochenen Erziehungsideale wurden im Salon realisiert. Damit sind die Sendschreiben eine Ver- längerung des Salons und eine Erweiterung in die literarische Kommunikation, womit sie auch ein Beitrag zur literarischen Öffentlichkeit sind.15 Sowohl Salon als auch Sendschreiben sind Formen der Herstellung von Öffentlichkeit und lassen sich mit dem oben skizzierten erweiterten Werkbegriff als kulturelles und soziales Handeln begreifen, das auf Weltgestaltung ausgerichtet ist. Beide 'Werke' sind 'soziale Produkte', die aufeinander bezogen sind und sich ineinander widerspiegeln. Die Frage nach dem Menschen hinter den Texten ließ mich von der Dichterin auf die Frau blicken, das sozialgeschichtliche Interesse an Frauen in der Frühen Neuzeit hingegen von der Frau auf die Dichterin. Die beiden Blickrichtungen erbrachten ein differenziertes Bild von Leben und Werk, daß sich, 'lebenshermeneutisch' betrachtet, als Einheit, als 'Lebenswerk' erwies. Christiana Mariana von Ziegler wirkte auf den neuen Kulturtypus der gelehrten Frauen, der im Zuge der frühaufklärerischen Reformbewegungen entstand. In ihrer Eigenschaft als bekannte und gelehrte Frau nahm sie innerhalb der Welt der Kunst und Gelehrsam- keit verschiedene Rollen ein: als Leserin, als Mäzenin, als Produzentin und als Initiierende und Teilnehmende an den Kommunikationssystemen der gelehrten Gesell- schaft. Sie zeichnete sich durch große Eigenständigkeit aus. Ihr erklärtes Ziel war es, den Menschen zu einem tugendhafteren Leben zu bewegen. Damit war sie Mitgestal- terin des 'pädagogischen Zeitalters', dessen Hochphase in den Jahren zwischen 1770 und 1800 war, dessen Beginn aber an der Wende zum 18. Jahrhundert die Übersetzung und Rezeption von Erziehungsschriften wie die Fenélons, Lockes und anderen sowie der Bildungsanspruch der frühen Moralischen Wochenschriften markierten. Mit der Verkörperung ihrer Vorstellungen in der eigenen Lebenswirklichkeit wollte Ziegler nicht zuletzt ihrem Geschlecht als Vorbild dienen. Sowohl die Herausgabe ihrer Gedichte ohne männlichen Beistand als auch die der Sendschreiben als erste deutsche 15 Vgl. dazu Schmidt, der zur Analyse der sozialen Organisationsform für literaturthematisierende Dis- kurse u.a. die Kategorie "literarische Kommunikation als Vollzug von Sozialität im Literatursystem verwendet". Schmidt, Siegfried J.: Die Selbstorganisation des Sozialsystems Literatur im 18. Jahr- hundert, Frankfurt am Main 1989, S. 285. 5. Ergebnisse und Thesen 123 Frau weisen sie als zukunftsorientierte Persönlichkeit aus. Sie diente anderen Frauen ihrer Zeit wie den Dichterinnen Sidonia Hedwig Zäunemann und Anna Helena Volkmann als Vorbild, dem diese nachfolgten, über das sie hinausgelangen wollten oder von dem sie sich wie Adelgunde Gottsched distanzierten. Ihre Bedeutung für andere Autorinnen ihrer Zeit ist besonders hoch einzuschätzen, da sie bei Herausgabe ihrer Gedichtbände die einzige bekannte Dichterin in Deutschland war. Zugleich verkörperte sie das von ihr propagierte Frauenbild der selbstbewußten und gelehrten Frau, welches sie ihren Zeitgenossen sowohl durch ihr Leben als auch ihre Texte vermittelte.16 Ihr ging es nicht um Gleichartigkeit oder Gleichberechtigung, sondern um Gleichwertigkeit der Geschlechter, ohne herkömmliche hierarchische Ordnungsprinzipien in Frage zu stellen17: So ist die Vernunft als zentraler Wert zwar geschlechtslos, das Zusammen- leben der Geschlechter in der Ehe wurde jedoch als Unterordnungsverhältnis definiert, innerhalb dessen Frauen sich selbst Gestaltungsmöglichkeiten und -rollen schaffen können.18 Dieses Unterordnungsverhältnis wurde von ihr mit den Geboten Gottes be- gründet, nicht aber innerweltlich, wie nach der Mitte des 18. Jahrhundert mit dem Konzept des anderen Geschlechtscharakters der Frau.19 Indem Ziegler die Vernunft als oberste Instanz anerkannte, orientierte sie sich an aktuellen zeitgenössischen Ideen, gleichwohl war sie dem religiösen Weltbild verhaftet. Sie überschritt zwar Grenzen, ohne jedoch gesellschaftliche Grundlagen in Frage stellen zu wollen. Die Vernunft ge- stand sie zu einer Zeit, in der diese zunehmend als alleinige innovative Kraft angesehen wurde, beiden Geschlechtern zu. Mit ihrem Eintreten für die weibliche Vernunft beteiligte sie sich an der Querelle des femmes, die sich seit dem Ende des 17. Jahr- 16 Ziegler hatte sich für die literarisch-philosophische Gelehrsamkeit entschieden, die etwa zeitgleich mit ihr lebende 20 Jahre jüngere Dorothea Christiane Erxleben entschied sich dagegen für die wissen- schaftliche Gelehrsamkeit. vgl. dazu Reitzammer, Margrid: Dorothea Christiane Erxleben. „Ich urtheilte, daß auch Frauenspersonen nach Gelehrsamkeit trachten sollten ...“, in: „...ihr werten Frauenzimmer, auf!“; ein Lesefestival, hg. v. Iris Bubenik-Bauer und Ute Schalz-Laurenze, Frankfurt am Main 1995, S. 194-230. 17 Dieses Ergebnis konnte nur herausgearbeitet werden, weil bei der Werkanalyse die Kategorie Ge- schlecht gleichberechtigt zu anderen Kategorien angewandt wurde. S. dazu auch Wunder, Heide: Basel - eine Stadt der Frauen, in: Eine Stadt der Frauen: Studien und Quellen zur Geschichte der Baslerinnen im späten Mittelalter und zu Beginn der Neuzeit (13.-17. Jh.), Basel und Frankfurt am Main 1995, S. 1-19, hier S. 4. 18 Dies gilt es bei der Beurteilung ihrer Positionen zur Geschlechterfrage zu berücksichtigen. Hierbei den modernen Emanzipationsbegriff als Maßstab eines 'Mehr' oder 'Weniger' an 'Fortschrittlichkeit' einzusetzen, ist anachronistisch. Auf den geringen Erkenntniswert des Interpretationsansatzes der 'Ohnmacht' hat Wunder hingewiesen, Wunder, Basel, S. 5. 19 Vgl. Honegger, Claudia: Die Ordnung der Geschlechter. Die Wissenschaft vom Menschen und das Weib 1750-1850, Frankfurt am Main und New York 1991. 5. Ergebnisse und Thesen 124 hunderts mit diesem Thema ausführlich auseinandersetzte.20 Ihre Vorstellungen über die Gleichwertigkeit der Geschlechter lehnten sich an die ihres Zeitgenossen, des Philosophen Christian Wolff, an.21 Die Art und Weise, in der Ziegler in den Sendschreiben die Vernunft als Grundlage und Maß menschlichen Handelns postulierte, weist sie als Vertreterin der Frühaufklärung aus. Die Vernunft galt das ganze 18. Jahrhundert hindurch als zentrales Ordnungs- prinzip, das die Rechtsnormen unterstützen sollte. Die religiöse Heilsordnung, die bis dahin von Kirche und Religion aufrechterhalten wurde, griff nicht mehr und sollte durch neue Normen und Werte ersetzt werden.22 Die Tugend sollte als normatives Bewußtsein die Ordnung herstellen, die sich die gesellschaftlichen Gruppen und ihre Mitglieder durch Regeln (Wohlstand) selbst gegeben haben.23 Wesen und Rolle der Geschlechter wurden neu überdacht, was auch das "Emanzipations- und Bildungsstreben" der Frauen mit einschloß.24 Für Frauen der privilegierten Stände wie Ziegler bedeutete dies, daß sie sich in der gelehrten Welt integrieren und den Raum schaffen konnten, um bei der Erstellung neuer Konzepte von Gesellschaft mitzuwirken. Letztlich mündete die "formative Phase des Bürgertums"25 aber nicht in der von Ziegler angestrebten Gleichwertigkeit der Geschlechter. Die Verdrängung traditioneller biblischer und aristotelischer Autoritäten durch die Methoden moderner Wissenschaft bewirkte einen Ausschluß von Frauen aus der Wissenschaft. Die Untersuchung der Frau mit wissenschaftlichem Anspruch führte in der Folgezeit dazu, daß ihr aufgrund ihrer physi- schen Konstitution mehr Sensibilität und weniger Rationalität zu gesprochen wurde. Damit wurde den Frauen die von Ziegler angestrebte Gleichwertigkeit abgesprochen.26 20 Der erste, der sich ausführlich mit diesem Thema auseinandersetzte, war Poulain de la Barre in "De l'egalité des deux sexes" (1673). Dazu auch Steinbrügge, Lieselotte: Das moralische Geschlecht. Theorien und literarische Entwürfe über die Natur der Frau in der französischen Ausklärung, Weinheim und Basel 1987, S. 12f. 21 Für Wolff ist zwar der Mann der Vertreter des Hauses nach außen, doch innerhalb des Hauses hatte die Frau als Haus-Mutter Befugnis zur Herrschaft über Gesinde und Kinder und lebensnotwendige sozioökonomische Funktionen. Damit rekurriert Wolff auf das Modell der Hausvätergesellschaft. In seinem System bildete das Haus die zentrale Einheit, der gegenüber die Gesellschaft der Hausväter in Form des Untertanenverbandes nachrangig war. S. dazu auch Frevert, Ute: "Mann und Weib und Mann". Geschlechter-Differenzen in der Moderne, München 1995, S. 67f. 22 Besonders deutlich wurde dieser Umbruch mit Christian Thomasius, der die Enttheologisierung und Entkonfessionalisierung der Philosophie maßgeblich vorantrieb. Dazu auch Bödeker, S. 23. 23 S. dazu Hanser, S. 19. 24 Steinbrügge, S. 11f. 25 Maurer. 26 Steinbrügge. 6. Quellen- und Literaturverzeichnis 6. Quellen- und Literaturverzeichnis 125 6.1 Schriftenverzeichnis der Christiana Mariana von Ziegler Versuch In Gebundener Schreib=Art, Leipzig 1728 In gebundener Schreib=Art Anderer und letzter Theil, Leipzig 1729 Moralische und Vermischte Send=Schreiben, An einige Ihrer vertrauten und guten Freunde gestellet, Leipzig 1731 Vermischte Schriften in gebundener und ungebundener Rede, Göttingen 1739 Übersetzungen Der Mad. Scudery Scharfsinnige Unterredungen, von Dingen, Die zu einer wohlan- ständigen Aufführung gehören, übersetzet von Christiana Marina von Ziegler, gebohrnen Romanus, Leipzig 1735 Abhandlung von dem rechtschaffnen Wesen aus dem Französischen des Herrn Chevalier de Meré übersetzt von der Frau von Ziegler, in: Der deutschen Gesell- schaft in Leipzig eigene Schriften und Übersetzungen in gebundener und ungebundener Schreibart. Der dritte Theil, Leipzig 1739, S. 371-412 Gedancken des Abtes Trublet Gedanken über verschiedene Sachen, welche zur Gelehrsamkeit und Sittenlehre gehören, aus dem Französischen übersetzt von Christianen Marianen von Steinwehr, gebohrnen Romanus, 2. Theile, Greifswald 1744 6.2 Ungedruckte Quellen Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden Locat 702, „Correspondence Flemming“, Vol. CCVII Locat 1792, Die Untersuchung einiger wieder die Frau von Ziegler ausgestreuten Schmäh=Schrifften, Ao. 1734 Locat 4603, Des auff der Festung Königstein in Arrest gewesenen Pfingstens Absterben Beerdigung betr. de ais. 1735-1736. it. D. Romani Absterben betrf. de ao 1746 Locat 5523, Christiana Mariana von Ziegler welche von der phil. Universität zu Wittenberg zur Poetin creiret worden, Ao. 1734 Locat 14606, Vol. I, Arrest des Geheimden Raths Romanus, 1705-1717 Locat 14606, Vol. II, Arrest des Herrn Geheimden Rathes Romanus, 1718-1726 Locat 14606, Vol. III, Arrest des Geheimden Raths Romanus zu Königstein Locat 14606, Vol. IV, Die allergnädigst anbefohlene freye Correspondenz zwischen des H. Geh. Cab. Ministers v. Brühl Excellenz und dem Gh. Rath Romano zum Königstein, 1736 6. Quellen- und Literaturverzeichnis 126 Locat 14606, Vol. V, Des auf der Festung Königstein in Arrest detiniert gewesenen und verstorbenen Geheimden Raths Romani Beerdigung samt dem was in Ansehung seines obsignierten Nachlasses an Scriptum und anderen Effecten disponiert worden betr., Ao. 1746 Universitätsarchiv Göttingen Personalakte Steinwehr KUR, 4 V b/10, Vol. II Kirchenarchiv Leipzig Taufbücher St. Nicolai: 17 (1654-1676), 18 (1677-1685), 20 (1690-1697), 21 (1697-1705), 22 (1706-1712), 24 (1717-1722) Taufbücher St. Thomas: (1692-1697), (1698-1701), (1702-1709) Traubücher St. Nicolai: 10 (1699-1718), 12 (1732-1752) Traubücher St. Thomas: (1684-1711), (1712-1729) Stadtarchiv Leipzig Baubewilligungen 1699-1738, Vol. 1 Bürgerbuch 6 (1682-1739) Hauptbuch der Nicolaikirche, Stift IX B. 32. Vol. 2 Hauptbuch zum Opfer- und Wächtergelde (Hausbesitzer) (1719-1825) Ratsleichenbücher: 18 (1690-1698), 19 (1699-1707), 20 (1708-1713), 25 (1738-1742) Ratsprotokolle, R.A. VIII, Acta Ratswahl betr. anno: 1659sgg.-1723, Vol. I Schossbücher: (1711-1732) 1. Hälfte, (1733-1811) 1. Hälfte Tutorienbuch 1735-1745 6. Quellen- und Literaturverzeichnis 127 6.3 Gedruckte Quellen [anonym] Sendschreiben eines Frauenzimmers an den Verfasser des Leipziger Taschenbuchs für Frauenzimmer, Leipzig 1784 Artikel ‘Gottsched, (Johann Christoph)’, in: Fortsetzungen und Ergänzungen zu Christian Gottlieb Jöchers allgemeinen Gelehrten=Lexico worin die Geschichte aller Stände nach ihren vornehmsten Lebensumständen und Schriften beschrieben werden. Angefangen von Johann Christoph Adelung und vom Buchstaben K fortgesetzt von Heinrich Wilhelm Rottermund, Bd. 2, Leipzig 1787, Sp. 1543-1547 Artikel ‘May, (Johann Friedrich)’, in: Fortsetzungen und Ergänzungen zu Christian Gottlieb Jöchers allgemeinen Gelehrten=Lexico worin die Geschichte aller Stände nach ihren vornehmsten Lebensumständen und Schriften beschrieben werden. Angefangen von Johann Christoph Adelung und vom Buchstaben K fortgesetzt von Heinrich Wilhelm Rottermund, Bd. 4, ND Hildesheim 1961, Sp. 1071 Artikel ‘Petzold, Karl Friedrich’, in: Historisch-litterarisches Handbuch berühmter und denkwürdiger Personen, welche in dem 18. Jahrhundert gestorben sind, hg. v. Friedrich Carl Gottlob Hirsching, fortgesetzt von Johann Heinrich Martin Ernesti, Bd. VII, 1805, S. 61f. Artikel ‘Philippi, Johann Ernst’, in: Historisch-litterarisches Handbuch berühmter und denkwürdiger Personen, welche in dem 18. Jahrhundert gestorben sind, hg. v. Friedrich Carl Gottlob Hirsching, fortgesetzt von Johann Heinrich Martin Ernesti, Bd. VII, 1805, S. 204-212 Artikel ‘Sendbrief’, in: Versuch eines Grammatisch=kritischen Wörterbuch Der hochdeutschen Mundart, mit beschränkter Vergleichung der übrigen Mundarten, besonders aber der Oberdeutschen, hg. v. Johann Christoph Adelung, (Leipzig 1774- 1786), Bd. 4, ND München 1970, Sp. 55 Böhme, Jakob: Theosophische Sendbrieffe I, 1. Teil der vollständigen Ausgabe, hg. v. Gerhard Wehr, Freiburg i. Br. 1979 Corvinus, Gottlieb Siegmund: Reiffere Fruechte Der Poesie. In unterschiedenen Vermischten Gedichten, Leipzig 1720 Crichton, Wilhelm: Virorum de re publica bene meritorum Ioannis Friderici Polaci et Wolf Balthasar Adolphi Steinwehri. Memoriam Regiae Academiae Viadrinae, Berlin 1771 Crousaz, Jean Pierre de: Neuer und besonderer Unterricht von Auferziehung Der Jugend. Nach der heutigen Manier, übersetzt von Christian Friedrich Hunold, Halle 1720 Deutsche Acta Eruditorum, Leipzig (1730) Deutschlands Dichterinnen, in: Neuer Teutscher Merkur, hg. v. Christoph Martin Wieland (1803), S. 258-274 Der deutschen Gesellschaft in Leipzig eigene Schriften und Übersetzungen in gebundener und ungebundener Schreibart. Der dritte Theil, Leipzig 1739 6. Quellen- und Literaturverzeichnis 128 Der Deutschen Gesellschaft in Leipzig Oden und Cantaten in vier Büchern. Nebst einer Vorrede über die Frage: Ob man auch in ungebundener Rede Oden machen könnte?, Leipzig 1738 ‘Die Ruine verfiel durch Verwitterung’, in: Sächsisches Tageblatt vom 23.01.1986 Dondorff, Christoph: De iudiciis, Diss. Leipzig 1727 Dreßler, Friedrich I.: Philippi’s geheimer Briefwechsel. Liskov’s Schatten zugeeignet, in: Beyträge zur Belehrung und Unterhaltung in vermischten Aufsätzen herausgegeben von J.C. Giesecken. Erstes Bändchen, Wittenberg 1791 Eberti, Johann Caspar: Eröffnetes Cabinet Deß Gelehrten Frauen=Zimmers, in: Archiv für Philosophie- und Theologiegeschichtliche Frauenforschung, Bd. 3, hg. v. Elisabeth Gössmann, München 1990, S. 1-394 Fénelon: Über die Erziehung der Mädchen, hg. v. Fr. Schieffer, Paderborn 1905, 4. Aufl. Freye Urtheile und Nachrichten zum Aufnehmen der Wissenschaften und Historie überhaupt, Hamburg (1744) Gedicht anläßlich der Doktorpromotion der Laura Bassi, in: Neue Zeitungen von Gelehrten Sachen, Leipzig vom 22.12. (1732), S. 918-921 Göttingische Zeitungen von gelehrten Sachen, Göttingen (1739-1752) Gottsched, Johann Christoph: Ausgewählte Werke, Bd. VI/1-4: Versuch einer critischen Dichtkunst, hg. von Joachim Birke / Brigitte Birke, ND Berlin / New York 1973 (Leipzig 1742, 3. u. verm. Aufl.) Gottsched, Johann Christoph: Die vernünftigen Tadlerinnen. 2 Bde., hg. v. Helga Brandes, ND Hildesheim / New York 1993 (Frankfurt / Leipzig 1725 u. 1726) Gottsched, Luise Adelgunde Victorie: Briefe der Frau Luise Adelgunde Victorie Gottsched gebohrne Kulmus, Th. 1-3, hg. v. Dorothea Henriette von Runckel, Dresden 1771-1772 Hamburgische Berichte von neuen gelehrten Sachen (1733) Hülsemann, Johann: Leichenpredigt zu Elisabeth Eichholtz geb. Heustein, Leipzig 1652 Ich bin mehr Herz als Kopf. Sophie von Laroche. Ein Lebensbild in Briefen, hg. v. Michael Maurer, München 1985, 2. durchges. Aufl. Jöcher, Christian Gottlieb: Gedächtnüß=Rede gehalten Den 26. Octob. M DCC XXXI. In der Kirche zu Gautsch, in: Denk= und Ehrenmahl Der seeligen Frau Baumeister Oertelin, Leipzig 1731 Köhler, Johann David: Der Wöchentlichen Historischen Münz=Belustigung, 18. Stück, 1737 Lambert, Anna Therese Marquise de: Gedanken von der Auferziehung und einem tugendhaften Leben; in zwey Schreiben an ihren Sohn und ihre Tochter entworffen. Aus dem Französischen übersetzt von einem Mitgliede der Deutschen Gesellschaft (M. Georg Christian Wolff), Leipzig 1729 Lamprecht, Jacob Friedrich (Hg.): Sammlung der Schriften und Gedichte welche auf die Poetische Krönung Der Hochwohlgebohrnen Frauen, Frauen Christianen Marianen 6. Quellen- und Literaturverzeichnis 129 von Ziegler gebohrnen Romanus, verfertiget worden. Mit einer Vorrede zum Druck befördert von J.F.L., einem Mitgliede der Deutschen Gesellschaft, Leipzig 1734 Liscow, Christian Ludwig: Sammlung Satirischer und Ernsthafter Schriften, Frankfurt / Leipzig 1739 Locke, John: Herrn Johann Locks Unterricht von Erziehung der Kinder/aus dem Englischen; Nebst Herrn von Fenélon Ertz=Bischoffs von Cammerich Gedancken von Erziehung der Töchter/aus dem Frantzösischen übersetzet. Mit einigen Anmerckungen und einer Vorrede, Leipzig 1708 Meusel, Johann Georg: Lexikon der vom Jahr 1750 bis 1800 verstorbenen Teutschen Schriftsteller, Bd. 15, Leipzig 1816, S. 395 Milow, Margarethe Elisabeth: „Ich will nicht murren“, hg. v. Rita Bake / Birgit Kiupel, Hamburg 1987 Nachricht von der Deutschen Gesellschaft zu Leipzig, Leipzig 1731 Neue Zeitungen von Gelehrten Sachen, Leipzig (1715-1784) Neufränkische Zeitungen von Gelehrten Sachen, Auf das Jahr 1733. Darinnen alle die sinnreichen Einfälle der heutigen Gelehrten, die in andern Zeitungen nicht Raum haben, Der galanten Welt zur Belustigung enthalten sind. Leipzig, auf Kosten der scherzhaften Gesellschaft (1733) Niedersächsische Nachrichten von neuen Gelehrten Sachen (1735) Oden der deutschen Gesellschaft in Leipzig, Leipzig 1728 Pütter, Johann Stephan: Versuch einer Gelehrtengeschichte der Georg-August- Universität zu Göttingen, 2 Bde., Göttingen 1765 Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremonialwissenschaft der Privat-Personen, hg. u. kommentiert v. Gotthardt Frühsorge, ND Leipzig 1990 (Berlin 1728) Über das hohe Absterben Ihro Königl. Majest. von Pohlen und Churfürstliche Durchl. zu Sachsen, in: Neue Zeitungen von Gelehrten Sachen, Leipzig vom 13.04. (1733), S. 261-264 Weidlich, Christoph (Hg.): Geschichte der jetztlebenden Rechts=Gelehrten in Teutschland, und zum Theil auch ausser demselben, als ein Rechts=Gelehrten=Lexicon in Alphabetischer Ordnung, nebst einer hierzu dienlichen Vorrede, Erster Theil, Merseburg 1748 Winzer, Christoph: Summarische Nachricht von dem Raths=Collegio in der Churfürstl. Sächsischen Stadt Leipzig, oder eigentliches Verzeichnis derer hiesigen Raths=Personen, welche von Anno 1200 et sqq. nach und nach zu Raths=Gliedern erwählt, zu weiteren Ämtern gelanget und endlich verstorben; aus glaubhaften Nachrichten zusammengetragen, von George Christoph Winzern, Anno 1718 und fortgesetzet von Johann Friedrich Vollberrt, Ober=Leichenschreibern, Anno 1783. Leipzig Folgende Artikel aus ‘Zedler’: Grosses Vollständiges Universal-Lexikon Aller Wissenschaften und Künste Welche bißhero durch menschlichen Verstand und Witz erfunden und verbessert worden [...], 64 Bde., 4 Erg.-Bde., verlegt bei Johann Heinrich Zedler, Halle und Leipzig 1732-1754 [teilweise Nachdruck Graz 1961-1964] 6. Quellen- und Literaturverzeichnis 130 ‘Bescheidenheit’, Bd. 3, Halle und Leipzig 1722, Sp. 1466-1468 ‘Brief’, Bd. 4, Halle und Leipzig 1733, Sp.1359-1362 ‘Epistel’, Bd. 8, Halle und Leipzig 1734, Sp.1427-1431 ‘Gelehrsamkeit’, Bd. 10, Halle und Leipzig 1735, Sp. 725 ‘Gesellschaft’, Bd. 10, Halle und Leipzig 1735, Sp. 1260-1261 ‘Kinderzucht’, Bd. 15, Halle und Leipzig 1737, Sp. 654-662 ‘Romanus (Carl Friedrich)’, Bd. 32, Halle und Leipzig 1742, Sp. 720 ‘Romanus (Frantz Conrad)’, Bd. 32, Halle und Leipzig 1742, Sp. 721 ‘Romanus (Frantz Wilhelm)’, Bd. 32, Halle und Leipzig 1742, Sp. 722 ‘Sendbriefe derer Kaufleute oder Kaufmännische Sendschreiben’, Bd. 37, Halle und Leipzig 1743, Sp. 5-6 ‘Steinwehr’, Bd. 39, Halle und Leipzig 1744, Sp. 1735-1737 ‘Tugend’, Bd. 45, Halle und Leipzig 1745, Sp. 1471-1503 ‘Tugend und Laster’, Bd. 45, Halle und Leipzig 1745, Sp. 1505 ‘Tugendlehre’, Bd. 45, Halle und Leipzig 1745, Sp. 1506-1517 ‘Tüchtig’, Bd. 45, Halle und Leipzig 1745, Sp. 1613-1614 ‘Verstand des Menschen’, Bd. 47, Halle und Leipzig 1746, Sp.1980-2023 ‘Vernünftig’, Bd. 47, Halle und Leipzig 1746, Sp.1382-1383 ‘Vernunft’, Bd. 47, Halle und Leipzig 1746, Sp.1390-1427 ‘Wittwe’, Bd. 57, Halle und Leipzig 1748, Sp. 1938-1948 ‘Wohlanständigkeit’, Bd. 58, Halle und Leipzig 1748, Sp.82-92 ‘Würdig’, Bd. 59, Halle und Leipzig 1749, Sp. 864 ‘Wohlstands=Lehre’, Bd. 58, Halle und Leipzig 1748, Sp. 163-168 ‘Zeiller’, Bd. 61, Halle und Leipzig 1749, Sp. 708-711 ‘Ziegler, I. Die Rosenbergische Linie’, Bd. 62, Halle und Leipzig 1749, Sp. 548-549 ‘Ziegler (Christiane Mariane von), Bd. 62, Halle und Leipzig 1749, Sp. 575-584 ‘Zuschrifft’, Bd. 64, Halle und Leipzig 1750, Sp. 762-769. Zeiller, Martin: Herrn Martin Zeillers / Wolseeliger Gedächtnüß / Epistologische Schatz Kammer bestehend von 700 und Sechs Send=Schreiben / Worinnen Allerhand köstliche Schätze / unterschiedlicher Künsten und Wissenschaften / schöner / anmuthiger und nutzlicher Historien / Lehr=reicher Fragen / und unvorgreifflicher Beantwortungen / erbaulicher Sprüchen / in gebund= und ungebundner / Teutscher / Lateinischer und anderen Sprachen / u.a.m. anzutreffen und zu finden seynd. Anjetzo von neuen übersehen / die Lateinische / so wol in gebund= als ungebundener und anderen Sprachen Sprüche / in das Teutsche übersetzet/und mit Anbeyfügung einiger Alter und Neuer Scribenten vermehret / Herausgegeben von Zacharias Hermann, Ulm 1700 6. Quellen- und Literaturverzeichnis 131 6.4 Literatur Artikel ‘Bescheiden’, in: Grimm, Jacob und Wilhelm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 16, ND München 1984, Sp. 1443-1557 Artikel ‘Brief’, in: Wilpert, Gero von, Sachwörterbuch der Literatur, Stuttgart 1989, 7. Aufl., S.114-116 Artikel ‘Epistel’, in: Calwer Kirchenlexikon I., Theologisches Handwörterbuch, Bd. 1, Stuttgart 1905, S. 475 Artikel ‘Epistel’, in: Wilpert, Gero von, Sachwörterbuch der Literatur, Stuttgart 1989, 7. Aufl., S. 250 Artikel ‘Exempel’, in: Wilpert, Gero von, Sachwörterbuch der Literatur, Stuttgart 1989, 7. Aufl., S. 272f. Artikel ‘Sendbrief’, in: Grimm, Jacob und Wilhelm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 16, ND München 1984, Sp. 572 Artikel ‘Sendschreiben’, in: Grimm Jacob und Wilhelm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 16, ND München 1984, Sp. 578f. Artikel ‘Tüchtig’, in: Grimm, Jacob und Wilhelm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 22, ND München 1984, Sp. 1492-1511 Artikel ‘Urkunde’, in: Grimm, Jacob und Wilhelm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 24, ND München 1984, Sp. 2455-2461 Artikel ‘Würdig’, in: Grimm, Jacob und Wilhelm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 30, ND München 1984, Sp. 1492-1512 Baader, Renate: Dames de Lettres. Autorinnen des preziösen, hocharistokratischen und „modernen“ Salons (1649-1698): Mlle de Scudéry - Mlle de Montpensier - Mme d’Aulnoy, Stuttgart 1986 (=Romanistische Abhandlungen; 5) Barner, Wilfried (Hg.): Tradition, Norm, Innovation. Soziales und literarisches Traditionsverhalten in der Frühzeit der deutschen Aufklärung, München 1989 Becker-Cantarino, Barbara: ‘Dames de Lettres’ und die ‘Ordnung der Geschlechter’. Neue Forschung zu Frauen und Geschlecht in der Frühen Neuzeit, in: Daphnis. Zeitschrift für Mittlere Deutsche Literatur, Bd. 23 (1994), S. 469-481 dies.: Der lange Weg zur Mündigkeit. Frau und Literatur (1500-1800), Stuttgart 1987 dies.: Priesterin und Lichtbringerin. Zur Ideologie des weiblichen Charakters in der Frühromantik, in: Die Frau als Heldin und Autorin, hg. v. W. Paulsen, Bern 1979, S. 111-124 Bejick, Urte: Deutsche Humanistinnen, in: Geschichte der Mädchenbildung, Bd. 1: Vom Mittelalter bis zur Aufklärung, hg. v. Elke Kleinau / Claudia Opitz, Frankfurt am Main / New York 1996, S. 152-171 Bender, Wolfgang F.: Artikel ‘Gottsched, Johann Christoph’, in: Literaturlexikon. Autoren und Werke in deutscher Sprache, hg. v. Walter Killy, Bd. 4, München 1989, S. 287-292 Bernays, Michael: Artikel ‘Gottsched’, in : Allgemeine Deutsche Biographie, hg. v. der historischen Kommission bei der Königlichen Akademie der Wissenschaften, Bd. 9, Leipzig 1879, S. 497-508 6. Quellen- und Literaturverzeichnis 132 Bethe, Hellmuth: Leipzigs Barockbauten, in: Leipziger Bautradition, hg. v. Heinz Füssler, Leipzig 1955 (=Leipziger stadtgeschichtliche Forschungen, Heft 4), S. 125- 151 Bibliotheca Societatis Teutonicae. Saeculi XVI-XVIII. Katalog der Büchersammlung der Deutschen Gesellschaft in Leipzig. Nach dem von Ernst Kroker bearbeiteten handschriftlichen Bestandsverzeichnis der Universitätsbibliothek Leipzig, hg. v. Zentralantiquariat der DDR in Leipzig, 2 Bde., Leipzig 1971 Bircher, Martin (Hg.): Sprachgesellschaften, Sozietäten, Dichtergruppen, Hamburg 1978 (=Wolfenbüttler Arbeiten zur Barockforschung 7) Birus, Hendrik: Vorschlag zu einer Typologie literarischer Namen, in: Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik 67 (1987), S. 38-51 Bödeker, Hans Erich: Von der „Magd der Theologie“ zur „Leitwissenschaft“. Vorüberlegungen zu einer Geschichte der Philosophie des 18. Jahrhunderts, in: Das Achtzehnte Jahrhundert. Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für die Erforschung des 18. Jahrhunderts, Jg. 14, Heft 1: Popularphilosophie im 18. Jahrhundert, Wolfenbüttel 1990, S. 19-57 Bollnow, Otto Friedrich: Religionswissenschaft als hermeneutische Disziplin, in: Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte 31 (1979), S. 225-238 und S. 367- 379 Bonfatti, Emilio: Verhaltenslehrbücher und Verhaltenideale, in: Deutsche Literatur. Eine Sozialgeschichte hg. v. Horst Albert . Glaser, Bd.3: Zwischen Gegenreformation und Frühaufklärung: Späthumanismus, Barock 1572-1740, Reinbek 1985, S. 74-87 Bovenschen, Silvia: Die imaginierte Weiblichkeit. Exemplarische Untersuchungen zu kulturgeschichtlichen und literarischen Präsentationsformen des Weiblichen, Frankfurt am Main 1979 Brandes, Helga: Der Wandel des Frauenbildes in den deutschen Moralischen Wochenschriften. Vom aufgeklärten Frauenzimmer zur schönen Weiblichkeit, in: Zwischen Aufklärung und Restauration. Sozialer Wandel in der deutschen Literatur (1700-1848). Festschrift für Wolfgang Martens zum 65. Geburtstag, hg. v. 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Quellen- und Literaturverzeichnis 141 Seifert, Arno: Das höhere Schulwesen. Universitäten und Gymnasien, in: Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte, Bd 1: 15. bis 17. Jahrhundert. Von der Renaissance und der Reformation bis zum Ende der Glaubenskämpfe, hg. v. Notker Hammerstein. Unter Mitwirkung von August Buck, München 1996, S. 197-374 Simon, Sunka: „Als sie ihr Bildnis schildern sollte“. Die sprachliche Struktur der Innen- und Aussenporträts in der Lyrik Christiana Mariana von Zieglers, in: Daphnis. Zeitschrift für Mittlere Deutsche Literatur, Bd. 19, H. 2 (1990), S. 247-265 Spijker, Herman van de: Artikel ‘Brief, Briefsammlung’, IV. Briefpastoral, in: Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. 2, Freiburg i. Br. 1994, 3. neu bearb. Aufl., Sp. 691 Spitta, Philipp: Marianne von Ziegler und Joh. Sebastian Bach. (Ernst Curtius gewidmet zu seinem 70. Geburtstage, dem 2. September 1884), in: Spitta, Philipp, Zur Musik. Sechzehn Aufsätze, ND Hildesheim / New York 1976 (Berlin 1884), S. 93-118 ders.: Sperontes „Singende Muse an der Pleisze“. Zur Geschichte des deutschen Hausgesangs im achtzehnten Jahrhundert, in: Vierteljahresschrift für Musikwissenschaft 1 (1885), S. 35-125 Steinhagen, Harald: Zwischen Gegenreformation und Frühaufklärung: Spät- humanismus, Barock 1572-1740, Reinbek 1985 (=Deutsche Literatur. Eine Sozialgeschichte; 3) Steinbrügge, Lieselotte: Das moralische Geschlecht. Theorien und literarische Entwürfe über die Natur der Frau in der französischen Aufklärung, Weinheim und Basel 1987 Steinhausen, Georg: Geschichte des deutschen Briefes. Zur Kulturgeschichte des deutschen Volkes, 2 Bde., Berlin 1889-1891 Trepp, Anne-Charlott: Sanfte Männlichkeit und selbständige Weiblichkeit. Frauen und Männer im Hamburger Bürgertum zwischen 1770 und 1840, Göttingen 1996 (=Veröffentlichunge des Max-Planck-Instituts für Geschichte; 123) Ültzen-Barkhausen, v.: Franz Conrad Romanus. Der Leipziger Bürgermeister Romanus und sein Geschlecht, in: Leipziger Kalender 4 (1907), S. 230-236 u. Stammtafel, S. 6 Waldberg, Max von: Artikel ‘Zeiller’, in: Allgemeine Deutsche Biographie, hg. v. der historischen Kommission bei der Königlichen Akademie der Wissenschaften, Bd. 44, Leipzig 1898, S. 782-784 Waniek, Gustav: Gottsched und die deutsche Literatur seiner Zeit, Leipzig 1897 Weber, Karl von: Die unter dem 17. October 1733 von der philosophischen Fakultät zu Wittenberg gekrönte Dichterin Christiane Mariane von Ziegler, geb. Romanus, in: Archiv für die sächsische Geschichte, Bd. 5, Leipzig 1867, S. 430-432 Weckel, Ulrike: Der Fieberfrost des Freiherrn. Zur Polemik gegen weibliche Gelehrsamkeit und ihre Folgen für die Geselligkeit der Geschlechter, in: Geschichte der Mädchenbildung, Bd. 1: Vom Mittelalter bis zur Aufklärung, hg. v. Elke Kleinau / Claudia Opitz, Frankfurt am Main / New York 1996, S. 360-372 Wellek, René / Warren, Austin: Theorie der Literatur, Frankfurt am Main 1963 Wild, Reiner: Stadtkultur, Bildungswesen und Aufklärungsgesellschaften, in: Hansers Sozialgeschichte der deutschen Literatur, Bd. 3: Deutsche Aufklärung bis zur Französischen Revolution 1680-1789, 1. Teilband, München 1989, S. 103-132 6. Quellen- und Literaturverzeichnis 142 Witkowski, Georg: Die Deutsche Gesellschaft in Leipzig 1727-1927, in: Minerva- Zeitschrift, 3. Jg., H. 8 (1927), S. 165-170 ders.: Geschichte des literarischen Lebens in Leipzig, Leipzig / Berlin 1909 (=Schriften der Königlich Sächsischen Kommission für Geschichte; 17) Witt, Ulrike: Bekehrung, Bildung und Biographie. Frauen im Umkreis des Halleschen Pietismus, Halle 1996 (=Hallesche Forschungen; 2) Wolff, Eugen: Gottscheds Stellung im deutschen Bildungsleben, Bd. 2, Kiel / Leipzig 1897 Wunder, Heide: „Das andere Geschlecht“. Geschlechterperspektiven in der Frühen Neuzeit, in: Geschichte und historisches Lernen. Jochen Huhn zum 65. Geburtstag, hg. v. Gerhard Henke-Bockschatz, Kassel 1995, S. 229-245 dies. / Barbara Hoffmann / Helga Zöttlein: Ehepaare, Eheverläufe und Lebenslauf in Leipzig 1580-1730. Bericht über ein Forschungsprojekt, in: Comparativ. Leipziger Beiträge zur Universalgeschichte und vergleichenden Gesellschaftsforschung, Heft 5 (1993), S. 13-32 dies.: Basel - eine Stadt der Frauen, in: Eine Stadt der Frauen: Studien und Quellen zur Geschichte der Baslerinnen im späten Mittelalter und zu Beginn der Neuzeit (13.-17. Jh.), Basel / Frankfurt am Main 1995, S. 1-19 dies.: „Er ist die Sonn’, sie ist der Mond“. Frauen in der Frühen Neuzeit, München 1992 dies.: Wie wird man ein Mann? Befunde am Beginn der Neuzeit (15.-17. Jahrhundert), in: Was sind Frauen? Was sind Männer? Geschlechterkonstruktionen im historischen Wandel, hg. von Christiane Eifert / Angelika Epple, Frankfurt am Main 1966, S. 122-155 Wustmann, Gustav: Die Vertraute Gesellschaft in Leipzig. Gestiftet im Herbst des Jahres 1680. Festschrift den Mitgliedern gewidmet vom Senior zum 22. November 1880, Leipzig 1880 Wustmann, Gustav: Urkunden und Aktenstücke zur Geschichte des Leipziger Rates. Anhang: Der Bürgermeister Romanus, in: Quellen zur Geschichte Leipzigs, Bd. 2, hg. v. Gustav Wustmann, Leipzig 1895, S. 263-352 Zarncke, Friedrich (Hg.): Leipzig und seine Universität im 18. Jahrhundert. Aufzeichnungen des Leipziger Studenten Johann Heinrich Jugler, Leipzig 1909 Zander, Ferdinand: Die Dichter der Kantatentexte Johann Sebastian Bachs. Untersuchungen zu ihrer Bestimmung, in: Bach-Jahrbuch, 54 Jg. (1968), S. 9-64 Anhang I Anhang Abbildungsverzeichnis Abb. 1 Herzog-August Bibliothek Wolfenbüttel, A 24792 Abb. 2 aus Czok, Karl: Das alte Leipzig, Leipzig 1985, 2. Aufl., S. 93 Abb. 3 aus Pevsner, Nikolaus: Leipziger Barock. Die Baukunst der Barockzeit in Leipzig, (Dresden 1928) ND Leipzig 1990, S. 44 Abb. 4 Herzog-August Bibliothek Wolfenbüttel, A 24794 Anhang II Themenübersicht1 Laster Weiblich Nr. 004 Nr. 015 Nr. 018 Nr. 020 Nr. 025 Nr. 040 Nr. 041 Nr. 061 Nr. 068 Nr. 073 Nr. 076 Nr. 078 Nr. 094 Nr. 097 Hochmut wegen Standeserhöhung Üble Nachrede im Verbund mit falscher Schmeichelei Heuchelei/ Scheinheiligkeit Schwatzhaftigkeit/ Vertrauensbruch unter Freunden Eifersucht aus Liebe/ Neid Ausspionieren/ Lästern Armut und Freigebigkeit Verschwendungssucht Schwatzhaftigkeit Zurückhaltung beim Trinken Hochmut wegen Standeserhöhung Eitelkeit/ Schminken Die Arten des Geizes Eheanbahnung/ Sittenverfall Se. 13-18 Se. 61-64 Se. 74-77 Se. 82-85 Se. 101-105 Se. 162-166 Se. 167-170 Se. 250-254 Se. 279-283 Se. 300-304 Se. 312-315 Se. 320-324 Se. 386-391 Se. 400-405 Männlich Nr. 005 Nr. 009 Nr. 019 Nr. 020 Nr. 032 Nr. 036 Nr. 059 Nr. 073 Nr. 085 Nr. 089 Nr. 091 Nr. 097 Geiz und Ehrgeiz Verschwendung von Geld auf eigentlich Nützliches Lotteriespiel Schwatzhaftigkeit/ Vertrauensbruch unter Freunden Spielsucht Streitsucht Pfeiferauchen/ Tabakschnupfen Zurückhaltung beim Trinken Überschätzung der menschlichen Natur Streitsucht Gelassenheit oder Gleichgültigkeit Eheanbahnung/ Sittenverfall Se. 18-22 Se. 36-40 Se. 77-81 Se. 82-85 Se. 130-134 Se. 146-150 Se. 242-245 Se. 300-304 Se. 349-353 Se. 366-370 Se. 375-378 Se. 400-405 Torheiten Weiblich Nr. 007 Nr. 014 Nr. 022 Nr. 026 Nr. 034 Nr. 039 Nr. 047 Nr. 058 Nr. 065 Nr. 067 Nr. 072 Nr. 078 Nr. 086 Nr. 092 Leichtgläubigkeit Träume/ Traumdeutungen Hoffnungslosigkeit Neugierde Angst vor Gewitter Eifersucht zwischen Ehepaaren Wünsche Mißachtung des Glücks Umgang mit Toren Mißachtung des Glücks Unzufriedenheit Eitelkeit/ Schminken Starke Phantasie Badekuren/ Wunderglaube Se. 27-31 Se. 57-61 Se. 89-93 Se. 105-109 Se. 138-142 Se. 158-162 Se. 194-197 Se. 249(239)- 242 Se. 268-271 Se. 275-279 Se. 296-300 Se. 320-324 Se. 353-357 Se. 378-382 1 Kategorien und einzelne Themen wurden von mir entwickelt. Anhang III Männlich Nr. 019 Nr. 021 Nr. 039 Nr. 069 Nr. 079 Lotteriespiel Schicksalsgläubigkeit Eifersucht zwischen Ehepaaren Gespensterglaube Beleidigung und Genugtuung Se. 77-81 Se. 86-89 Se. 158-162 Se. 283-287 Se. 324-328 Erziehung Weiblich Nr. 008 Nr. 012 Nr. 028 Nr. 035 Nr. 049 Nr. 057 Nr. 064 Nr. 071 Über Erziehung/ Söhne Erziehung der Töchter Erziehung der Töchter Kirchenzucht Erziehung der Töchter/ Lesen von Romanen Über das Reisen von Frauen Benehmen in Gesellschaft/ Erziehung Über die Liebe Se. 32-36 Se. 52-57 Se. 114-118 Se. 142-146 Se. 201-204 Se. 234-238 Se. 264-268 Se. 292-296 Männlich Nr. 008 Nr. 013 Nr. 017 Nr. 030 Nr. 032 Nr. 035 Nr. 046 Nr. 051 Nr. 055 Nr. 064 Nr. 070 Nr. 071 Nr. 081 Nr. 084 Nr. 093 Über Erziehung/ Söhne Universität als Stätte der männlichen Gelehrsamkeit Erziehung der Söhne/ Hofmeister Erziehung der Söhne/ Patronage Spielsucht Kirchenzucht Eheanbahnung Erziehung/ Charakterbildung Tod eines Sohnes Benehmen in Gesellschaft/ Erziehung Kavaliersreisen Über die Liebe Über Erziehung/ Söhne Erziehung der Söhne Erziehung der Söhne Se. 32-36 Se. 48-52 Se. 69-73 Se. 122-126 Se. 130-134 Se. 142-146 Se. 190-193 Se. 209-213 Se. 225-229 Se. 264-268 Se. 287-292 Se. 292-296 Se. 332-336 Se. 344-348 Se. 382-386 Freundschaft Nr. 005 Nr. 014 Nr. 020 Nr. 024 Nr. 029 Nr. 038 Nr. 040 Nr. 044 Nr. 047 Nr. 061 Nr. 062 Nr. 065 Nr. 068 Nr. 090 Geiz und Ehrgeiz Träume/ Traumdeutungen Schwatzhaftigkeit/ Vertrauensbruch unter Freunden Erbstreitigkeiten Falsche Freundschaft Arten der Freundschaft Ausspionieren/Lästern Angst vor dem Tod Wünsche Verschwendungssucht Arten der Freundschaft Umgang mit Toren Schwatzhaftigkeit Freundschaft Se. 18-22 Se. 57-61 Se. 82-85 Se. 97-101 Se. 118-122 Se. 155-158 Se. 162-166 Se. 179-182 Se. 194-197 Se. 250-254 Se. 254-259 Se. 268-271 Se. 279-283 Se. 370-374 Anhang IV Ehe Nr. 006 Nr. 010 Nr. 022 Nr. 023 Nr. 039 Nr. 042 Nr. 045 Nr. 046 Nr. 052 Nr. 056 Nr. 068 Nr. 080 Nr. 096 Eheanbahnung Ehe/ Herrschaft in der Ehe Hoffnungslosigkeit Tod/ Heirat/ Gedichte Eifersucht zwischen Ehepaaren Ehestand/ Witwenstand Ehe/ Eheprobleme Eheanbahnung Heimatliebe Ehestand/ Witwenstand Schwatzhaftigkeit Eheanbahnung Eheprobleme Se. 23-27 Se. 40-44 Se. 89-93 Se. 94-97 Se. 94-97 Se. 170-174 Se. 182-189 Se. 190-193 Se. 213-127 Se. 229-234 Se. 279-283 Se. 328-332 Se. 395-400 Gelehrsamkeit Weiblich Nr. 002 Nr. 003 Nr. 012 Nr. 049 Nr. 066 Nr. 098 Nr. 100 Gelehrsamkeit für Frauen Schönheit oder Verstand Erziehung der Töchter Erziehung der Töchter/ Lesen von Romanen Arten der Neugierde Dichtkunst/ Musik Gelehrte Briefwechsel Se. 5-9 Se. 10-13 Se. 48-52 Se. 201-204 Se. 271-275 Se. 405-410 Se. 414-416 Männlich Nr. 011 Nr. 013 Nr. 075 Rezensenten und Rezensionen Universität als Stätte der männlichen Gelehrsamkeit Scheingelehrtheit Se. 44-48 Se. 52-57 Se. 308-312 Dichtung und Musik Nr. 001 Nr. 023 Nr. 027 Nr. 033 Nr. 077 Nr. 083 Nr. 087 Nr. 095 Nr. 098 Tugend- und Sittenspiegel Tod/ Heirat/ Gedichte Dichtkunst Oper Übersetzer und Übersetzungen Physiko-Theologie Dichtkunst Musik/ Patronage Dichtung/ Musik Se. 1-5 Se. 94-97 Se. 109-114 Se. 134-138 Se. 315-320 Se. 340-344 Se. 357-362 Se. 391-395 Se. 405-410 Stadt/Land Nr. 011 Nr. 028 Nr. 035 Nr. 053 Nr. 054 Nr. 063 Nr. 074 Rezensenten und Rezensionen Erziehung der Töchter Kirchenzucht Benehmen in Gesellschaft Alltagsleben in Leipzig Kluges Wirtschaften Schönheiten des Landleben Se. 44-48 Se. 114-118 Se. 142-146 Se. 217-221 Se. 121-224 Se. 259-263 Se. 304-308 Anhang V Wirtschaften Nr. 009 Nr. 017 Nr. 050 Nr. 051 Nr. 063 Nr. 082 Verschwendung von Geld auf eigentlich Nützliches Erziehung der Söhne/ Hofmeister Kluges Wirtschaften Erziehung/ Charakterbildung Kluges Wirtschaften Scherzbrief/ Wirtschaften/ Heiraten Se. 36-40 Se. 69-73 Se. 205-209 Se. 209-213 Se. 259-263 Se. 336-340 Tod Nr. 023 Nr. 041 Nr. 043 Nr. 044 Nr. 055 Nr. 060 Tod/ Heirat/ Gedichte Armut und Freigebigkeit Tod eines Sohnes Angst vor dem Tod Tod eines Sohnes Trauerreden Se. 94-97 Se. 167-170 Se. 174-178 Se. 179-182 Se. 225-229 Se. 246-250 Stand und Rang Nr. 004 Nr. 016 Nr. 040 Nr. 076 Hochmut wegen Standeserhöhung Hochmut wegen Standeserhöhung Ausspionieren/Lästern Hochmut wegen Standeserhöhung Se. 13-18 Se. 65-69 Se. 162-166 Se. 312-315 Liebe Nr. 031 Nr. 071 Nr. 080 Nr. 099 Liebe und Vernunft Über die Liebe Eheanbahnung Liebe Se. 126-130 Se. 292-296 Se. 328-332 Se. 410-413 Sonstige Nr. 037 Nr. 048 Nr. 088 Probleme eines munteren und aufgeräumten Charakters Die Vorteile Dresdens gegenüber Paris’ Scherzbrief Se. 151-154 Se. 197-201 Se. 362-366 Anhang Die Herkunftsfamilie 1694 1695 1696 1697 1698 1699 1700 1701 1702 1703 1704 1705 1710 1720 1730 1740 Vater Mutter Christiana Mariana Franz Conrad (7 Monate) Louise Charlotte (3 Jahre 9 Tage) Juliane Henriette (2 Monate) Heinrich Conrad (2 Jahre 2 Monate) August Franz (3 ½ Monate) Franz Wilhelm Franz Friedrich (5 Tage) 1694 1695 1696 1697 1698 1699 1700 1701 1702 1703 1704 1705 1710 1720 1730 1740 † 1739 Fläche markiert Zeitraum zwischen der Hochzeit und der Verhaftung von Franz Conrad Romanus. † 1760 † 1746 † 1762 Anhang VII 1722 bis 1739 Christina Mariana von Ziegler (1695-1760) Johann Christoph Gottsched (1700-1766) Christiana Maria Brummer/ Haus (1674-1739) Franz Wilhelm Romanus (1703-1762) 1722 (27 Jahre) kommt nach Leipzig (48 Jahre) seit 1720 Studium der Rechte 1723 Beginn des Salons Bach verkehrt bei ihr 1724 (24 Jahre) kommt nach Leipzig für 3 Jahre Hauslehrer bei Johann Burchard Mencke; Mitglied der Deutschen Gesellschaft (50 Jahre) 1725 (30 Jahre) „Vernünftige Tadlerinnen“ Vertonung ihrer Kantaten durch Bach (25 Jahre) Hält Vorlesungen „Vernünftige Tadlerinnen“ (22 Jahre) Magisterpromotion 1726 „Vernünftige Tadlerinnen“ 1727 (27 Jahre) Senior der Deutschen Gesellschaft (53 Jahre) erwirbt Haus in der Katharinenstraße (24 Jahre) Doktor beider Rechte 1728 (33 Jahre) Versuch in geb. Schreib=Art Briefwechsel Gottsched-Kulmus (25 Jahre) Heirat 1729 (34 Jahre) In geb. Schreib=Art anderer Theil (29 Jahre) Lernt L. A. V. Kulmus kennen außerordentliche Professur für Poesie (53 Jahre) 1730 (35 Jahre) November: Aufnahme in die Deutsche Gesellschaft (30 Jahre) Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen (Widmung vom 6.10.1729) Verlobung mit L. A. V. Kulmus 1731 (36 Jahre) Moralische Sendschreiben Anhang VIII Christina Mariana von Ziegler (1695-1760) Johann Christoph Gottsched (1700-1766) Christiana Maria Brummer/ Haus (1674-1739) Franz Wilhelm Romanus (1703-1762) 1732 (37 Jahre) lernt Steinwehr kennen Preis der Poesie der Deutschen Gesellschaft Scherzende Gesellschaft 1733 (38 Jahre) Neufränkische Zeitungen von gelehrten Sachen; Poetenkrönung; Streit mit Philippi 1734 (39 Jahre) Preis der Poesie der Deutschen Gesellschaft Pasquill auf die Poetenkrönung und Disziplinarverfahren gegen die Studenten (34 Jahre) ordentlicher Professor für Logik und Metaphysik Bekanntgabe der Verlobung in Leipzig 1735 (40 Jahre) Übersetzung der Scudéry Medaille (35 Jahre) April: Ehe mit Louise Adelgunde Victorie Kulmus 1736 (41 Jahre) Ende der Neufränkischen Zeitungen von gelehrten Sachen Spottlied 1737 1738 (43 Jahre) offener Bruch mit Gottsched (38 Jahre) Austritt aus der Deutschen Gesellschaft 1739 (44 Jahre) Steinwehr geht nach Göttingen Vermischte Schriften Übersetzung des Meré Tod der Mutter 1741 Heirat mit Steinwehr Kurzbiographie der Christiana Mariana von Ziegler 1694 14.08.Franz Conrad Romanus und Christiana Maria Brummer heiraten 1695 * 30.06. Christiana Mariana 26.09. Christiana Mariana wird Bürgerin von Leipzig 26.09 Franz Conrad Romanus wird Bürger von Leipzig unter Vorbehalt der akademischen Rechte 1696 * 05.10. Bruder Franz Conrad 1697 * 15.11.Schwester Louise Charlotte † 04.05. Bruder Franz Conrad 1699 * 20.01.Schwester Juliane Henriette † 24.03 Schwester Juliane Henriette 1700 * 13.5. Bruder Heinrich Conrad † 24.11. Schwester Louise Charlotte 1701 Beginn des Hausbaues in der Katharinenstraße Franz Conrad Romanus wird Kurfürstlich Sächsischer Appellationsrat 29.08. Franz Conrad Romanus wird Ratsmitglied und für ein Jahr Bürgermeister von Leipzig 1702 * 22.01. Bruder August Franz † 06.05. Bruder August Franz † 20.07. Bruder Heinrich Conrad 1703 * 13.04. Bruder Franz Wilhelm 17.08. Franz Conrad Romanus wird erneut Bürgermeister von Leipzig 1704 00.02. Franz Conrad Romanus wird Vorsteher der Nicolaikirche * 20.05. Bruder Franz Friedrich † 25.05. Bruder Franz Friedrich 29.05. Franz Conrad Romanus wird vom Kurfürsten zum Geheimen Rat ernannt Umzug der Familie in das neue Haus (zu Michaelis) 1705 16.01. Verhaftung des Franz Conrad Romanus 1707 17.09. Besuch des Franz Conrad Romanus durch Christiana Maria Brummer auf dem Königsstein 1710 Abschluß der Untersuchung gegen Franz Conrad Romanus 1711 07.07. Christiana Mariana heiratet Heinrich Levin von Könitz 1712 * 01.03. Taufe des 1. Kindes Johanna Mariana Henrietta von Könitz † 26.07. Ehemann Heinrich Levin von Könitz 1715 22.01. Christiana Mariana heiratet Georg Christoph von Ziegler 16.11. Letzter Bericht der Untersuchungskommission an das Geheime Consilium wegen des Franz Conrad Romanus 1716 * 12.02. Geburt des 2. Kindes Carolina Augusta Louisa von Ziegler in Eckartsleben 1717 05.03. Taufe von Carolina Augusta Louisa von Ziegler in Leipzig 1720 13.07. Besuch des Franz Conrad Romanus auf dem Königsstein durch Christiana Mariana Franz Wilhelm Romanus beginnt ein Studium der Rechte an der Universität Leipzig 1721 um 1721 † † † Georg Christoph von Ziegler und beide Kinder Beginn des Briefwechsels mit Marianna von Breßler 1722 Rückkehr nach Leipzig in das Haus der Mutter 1723 Johann Sebastian Bach wird Thomaskantor in Leipzig um 1723 Beginn des literarischen und musikalischen Salons 1724 Gottsched kommt nach Leipzig 1725 Bach vertont 9 Kantaten von Christiana Mariana von Ziegler Mitarbeit an den "Vernünftigen Tadlerinnen" Franz Wilhelm Romanus wird zum Magister promoviert 1726 † Marianna von Breßler 1727 Christiana Maria Brummer erwirbt das Wohnhaus der Familie in der Katharinenstraße Franz Wilhelm Romanus wird zum Doktor der Rechte promoviert 1728 Erster Gedichtband "Versuch in gebundener Schreib=Art" Franz Wilhelm Romanus heiratet und verläßt das Wohnhaus der Familie in der Katharinenstraße 1729 Zweiter Gedichtband "Versuch in gebundener Schreib=Art Anderer Theil" 1730 15.11. Aufnahme in die Deutsche Gesellschaft 1731 "Moralische Sendschreiben" 22.8. Beginn des Briefwechsels mit Philippi 1732 Preis der Poesie in der Deutschen Gesellschaft 1733 17.10. Dichterkrönung Ende d. Briefwechsels mit Philippi 1734 Preis der Poesie in der Deutschen Gesellschaft 1735 Übersetzung der Madam Scudéry 1739 † 30.03. Christiana Maria Brummer "Vermischte Schriften" Übersetzung des Chevalier de Meré veröffentlicht in den Schriften der Deutschen Gesellschaft 1740 Christiana Mariana nimmt sich einen Kurator 1741 Heirat mit Wolf Balthasar Adolf von Steinwehr Weggang nach Frankfurt an der Oder 1744 Übersetzung des Trublêt 1746 † 14.05. Franz Conrad Romanus 1760 † 30.05. Christiana Mariana von Ziegler