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Proteste um die Transformation der Stadt. Zur Geschichte und Gegenwart links-libertärer Politik in Marseille und Hamburg

In Hamburg schließen sich im Sommer 2009 eine Vielzahl links-libertärer Initiativen zu einem breiten politischen Netzwerk zusammen. Neben der Zurückweisung einer als unternehmerisch und sozial ungerecht kritisierten Stadtpolitik verbindet das Netzwerk die kollektive Forderung nach einem Recht auf Stadt. Marseille und seine Region wird kurze Zeit später europäische Kulturhauptstadt 2013. Trotz der breiten Ablehnung, die dieses Großereignis als Baustein einer langjährigen Strategie innerstädtischer Aufwertung erfährt, kommt es hier zu keinen größeren links-libertären Protesten. Wie lässt sich in den beiden Partnerstädten das Zustandekommen bzw. Ausbleiben urbaner Proteste und Vernetzungsprozesse erklären ? Ausgehend von dieser Frage sollen im Verlauf der Arbeit diverse externe und interne Faktoren eingeführt werden, die entscheidenden Einfluss auf die Entstehung und Kontinuität einer politischen Kultur des Protests nehmen. Im ersten, historischen Teil wird dabei die Entwicklung und der Charakter lokaler und nationaler Arbeiterkämpfe in den Blick genommen, die Beziehungen zwischen diversen Gewerkschaften, linkspolitischen Parteien und nicht-institutionellen Akteuren, die Rolle des Nationalstaats auf die politischen und sozialen Entwicklungen der beiden Städte und schließlich die spezifischen Konfliktfelder und Bedrohungslagen, die sich vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Entwicklung allgemein und stadtpolitischer Großprojekte im Besonderen entfalteten. Der zweite Teil bezieht sich auf die politische Gegenwart der beiden Städte und verschiebt den Blick sukzessiv von einer makrosoziologischen Perspektive auf die ethnografische Beschreibung und Analyse politischer Mobilisierungsprozesse auf mikrosoziologischer Ebene. Eine solche Strukturierung bereitet die Prämisse vor, dass politische Proteste und urbane Kämpfe weder ex nihilo, noch spontan entstehen, sondern an zurückliegende Kämpfe anknüpfen und auf bestehenden materiellen sowie immateriellen Infrastrukturen aufbauen. Inwieweit lässt sich in den beiden Städten die Herausbildung und Verstetigung einer links-libertäre Kultur des Protest beobachten ? Darunter ist ein komplexes Ensemble an sozialen Vertrauensverhältnissen und lokalen Protesttraditionen zu verstehen. Sogenannte broker vermitteln zwischen verschiedenen sozialen Gruppen und Interessen und ermöglichen die Zirkulation von spezifischen Kompetenzen und Ressourcen. Übergeordnete Deutungsrahmen rücken gemeinsame Anliegen und Ziele in den Mittelpunkt und schaffen neue Handlungsoptionen. Geteilte Identitäten, der Einsatz von Emotionen (Spaß, Freude, Unterhaltung), der Verweis auf den Erfolg zurückliegender Kämpfe und der damit zusammenhängende Glaube, die eigenen Lebensumstände aktiv gestalten zu können, all dies wirkt sich entscheidend auf das Mobilisierungspotential links-libertärer Gruppen aus. Methodisch stützt sich die historische Gegenüberstellung politischer Proteste sowie der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Entwicklung der beiden Städte auf einen breiten Korpus wissenschaftlicher Arbeiten und offizieller Quellen. Die Auseinandersetzung mit der Entstehungsgeschichte des Hamburger Recht auf Stadt-Netzwerks komplettiert diesen Ansatz durch qualitative Experteninterviews. Die Untersuchung links-libertäre Proteste in der Marseiller Innenstadt und an dessen Peripherie ist stark ethnografisch geprägt und basiert auf einer teilnehmenden, aktivistisch geprägten Beobachtung langjähriger Mobilisierungsprozesse.

Collections
@phdthesis{doi:10.17170/kobra-20200108907,
  author    ={Kerste, Ben},
  title    ={Proteste um die Transformation der Stadt. Zur Geschichte und Gegenwart links-libertärer Politik in Marseille und Hamburg},
  keywords ={300 and Hamburg and Marseille and Gentrifizierung and Soziale Bewegung and Protestbewegung and Kommunalpolitik},
  copyright  ={http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/de/},
  language ={de},
  school={Kassel, Universität Kassel, Fachbereich Architektur, Stadtplanung, Landschaftsplanung},
  year   ={2018}
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