Dissertation
Handlungsinduktionen durch die visuelle Wahrnehmung von Linear- und Drehbewegungen im Sport
Abstract
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den Einflüssen visuell wahrgenommener Bewegungsmerkmale auf die Handlungssteuerung eines Beobachters. Im speziellen geht es darum, wie die Bewegungsrichtung und die Bewegungsgeschwindigkeit als aufgabenirrelevante Reize die Ausführung von motorischen Reaktionen auf Farbreize beeinflussen und dabei schnellere bzw. verzögerte Reaktionszeiten bewirken. Bisherige Studien dazu waren auf lineare Bewegungen (von rechts nach links und umgekehrt) und sehr einfache Reizumgebungen (Bewegungen einfacher geometrischer Symbole, Punktwolken, Lichtpunktläufer etc.) begrenzt (z.B. Ehrenstein, 1994; Bosbach, 2004, Wittfoth, Buck, Fahle & Herrmann, 2006). In der vorliegenden Dissertation wurde die Gültigkeit dieser Befunde für Dreh- und Tiefenbewegungen sowie komplexe Bewegungsformen (menschliche Bewegungsabläufe im Sport) erweitert, theoretisch aufgearbeitet sowie in einer Serie von sechs Reaktionszeitexperimenten mittels Simon-Paradigma empirisch überprüft. Allen Experimenten war gemeinsam, dass Versuchspersonen an einem Computermonitor auf einen Farbwechsel innerhalb des dynamischen visuellen Reizes durch einen Tastendruck (links, rechts, proximal oder distal positionierte Taste) reagieren sollten, wobei die Geschwindigkeit und die Richtung der Bewegungen für die Reaktionen irrelevant waren. Zum Einfluss von Drehbewegungen bei geometrischen Symbolen (Exp. 1 und 1a) sowie bei menschlichen Drehbewegungen (Exp. 2) zeigen die Ergebnisse, dass Probanden signifikant schneller reagieren, wenn die Richtungsinformationen einer Drehbewegung kompatibel zu den räumlichen Merkmalen der geforderten Tastenreaktion sind. Der Komplexitätsgrad des visuellen Ereignisses spielt dabei keine Rolle. Für die kognitive Verarbeitung des Bewegungsreizes stellt nicht der Drehsinn, sondern die relative Bewegungsrichtung oberhalb und unterhalb der Drehachse das entscheidende räumliche Kriterium dar. Zum Einfluss räumlicher Tiefenbewegungen einer Kugel (Exp. 3) und einer gehenden Person (Exp. 4) belegen unsere Befunde, dass Probanden signifikant schneller reagieren, wenn sich der Reiz auf den Beobachter zu bewegt und ein proximaler gegenüber einem distalen Tastendruck gefordert ist sowie umgekehrt. Auch hier spielt der Komplexitätsgrad des visuellen Ereignisses keine Rolle. In beiden Experimenten führt die Wahrnehmung der Bewegungsrichtung zu einer Handlungsinduktion, die im kompatiblen Fall eine schnelle und im inkompatiblen Fall eine verzögerte Handlungsausführung bewirkt. In den Experimenten 5 und 6 wurden die Einflüsse von wahrgenommenen menschlichen Laufbewegungen (freies Laufen vs. Laufbandlaufen) untersucht, die mit und ohne eine Positionsveränderung erfolgten. Dabei zeigte sich, dass unabhängig von der Positionsveränderung die Laufgeschwindigkeit zu keiner Modulation des richtungsbasierten Simon Effekts führt. Zusammenfassend lassen sich die Studienergebnisse gut in effektbasierte Konzepte zur Handlungssteuerung (z.B. die Theorie der Ereigniskodierung von Hommel et al., 2001) einordnen. Weitere Untersuchungen sind nötig, um diese Ergebnisse auf großmotorische Reaktionen und Displays, die stärker an visuell wahrnehmbaren Ereignissen des Sports angelehnt sind, zu übertragen.
This thesis investigated the impact of visual perception of different motion features on action control. In particular, motion direction and velocity as task irrelevant information were analyzed in regard to reactions on color stimuli leading to faster or delayed action initiations. So far, previous findings have been limited to linearly moving stimuli (from left to right and vice versa) and rather simple visual displays (movements of simple geometric figures, point clouds, light point walker etc.; e.g. Ehrenstein, 1994; Bosbach, 2004; Wittfoth, Buck, Fahle & Herrmann, 2006). In this thesis we extended the scope of these findings in regard to rotational motion, motion in depth and complex visual displays (moving athletes) in a series of six reaction time experiments using the Simon paradigm. In all experiments, participants responded to color stimuli displayed in a dynamic stimulus array by pressing a computer key (left, right, proximal or distal). Velocity and direction of the dynamic stimuli were irrelevant for the required task. In Experiment 1 (rotational motion of 8 circular discs), 1a (same as experiment 1 but with eye tracking) and 2 (giant swing of a gymnast) we investigated rotational motions. The results show significantly faster reactions when the direction of motion was compatible with the spatial features of the intended action (motion based Simon effect). The complexity of the visual event didn’t alter this result. However, when processing the visual event, the relative motion direction (direction of rotation above and under the center of rotation), not the sense of rotation, was crucial. In Experiment 3 (motion of a ball) and 4 (motion of a person) motions in depth were investigated. The results show that participants reacted faster when observing a stimulus moving towards them while pressing a proximal instead of a distal computer key and vice versa. Again, the complexity of the visual event did not alter this result. In both experiments motion direction induced the spatially compatible action, which caused a faster action initiation in a compatible trial and a delayed action initiation in an incompatible trial. In Experiments 5 and 6 (freely walking vs. walking on a treadmill) we examined the impact of visually perceived human walking movements with and without a change of location. The results show no modulation of the motion based Simon effect due to motion velocity independent of a change of location. In summary, these results correspond directly to effect based concepts of action control (like e.g. the theory of event coding by Hommel, Müsseler, Aschersleben & Prinz, 2001). Further investigations on this topic are necessary to transfer these results to gross motor reactions and stimulus displays that contain more realistic visual events occurring in sports.
Citation
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2014-10-08T13:07:44Z 2014-10-08T13:07:44Z 2014-10-08 urn:nbn:de:hebis:34-2014100846105 http://hdl.handle.net/123456789/2014100846105 ger Urheberrechtlich geschützt https://rightsstatements.org/page/InC/1.0/ Wahrnehmungs-Handlungs-Kopplung visuelle Bewegungswahrnehmung Simon Aufgabe Bewegungspriming Drehbewegung Tiefenbewegung Bewegungsgeschwindigkeit 796 Handlungsinduktionen durch die visuelle Wahrnehmung von Linear- und Drehbewegungen im Sport Dissertation Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den Einflüssen visuell wahrgenommener Bewegungsmerkmale auf die Handlungssteuerung eines Beobachters. Im speziellen geht es darum, wie die Bewegungsrichtung und die Bewegungsgeschwindigkeit als aufgabenirrelevante Reize die Ausführung von motorischen Reaktionen auf Farbreize beeinflussen und dabei schnellere bzw. verzögerte Reaktionszeiten bewirken. Bisherige Studien dazu waren auf lineare Bewegungen (von rechts nach links und umgekehrt) und sehr einfache Reizumgebungen (Bewegungen einfacher geometrischer Symbole, Punktwolken, Lichtpunktläufer etc.) begrenzt (z.B. Ehrenstein, 1994; Bosbach, 2004, Wittfoth, Buck, Fahle & Herrmann, 2006). In der vorliegenden Dissertation wurde die Gültigkeit dieser Befunde für Dreh- und Tiefenbewegungen sowie komplexe Bewegungsformen (menschliche Bewegungsabläufe im Sport) erweitert, theoretisch aufgearbeitet sowie in einer Serie von sechs Reaktionszeitexperimenten mittels Simon-Paradigma empirisch überprüft. Allen Experimenten war gemeinsam, dass Versuchspersonen an einem Computermonitor auf einen Farbwechsel innerhalb des dynamischen visuellen Reizes durch einen Tastendruck (links, rechts, proximal oder distal positionierte Taste) reagieren sollten, wobei die Geschwindigkeit und die Richtung der Bewegungen für die Reaktionen irrelevant waren. Zum Einfluss von Drehbewegungen bei geometrischen Symbolen (Exp. 1 und 1a) sowie bei menschlichen Drehbewegungen (Exp. 2) zeigen die Ergebnisse, dass Probanden signifikant schneller reagieren, wenn die Richtungsinformationen einer Drehbewegung kompatibel zu den räumlichen Merkmalen der geforderten Tastenreaktion sind. Der Komplexitätsgrad des visuellen Ereignisses spielt dabei keine Rolle. Für die kognitive Verarbeitung des Bewegungsreizes stellt nicht der Drehsinn, sondern die relative Bewegungsrichtung oberhalb und unterhalb der Drehachse das entscheidende räumliche Kriterium dar. Zum Einfluss räumlicher Tiefenbewegungen einer Kugel (Exp. 3) und einer gehenden Person (Exp. 4) belegen unsere Befunde, dass Probanden signifikant schneller reagieren, wenn sich der Reiz auf den Beobachter zu bewegt und ein proximaler gegenüber einem distalen Tastendruck gefordert ist sowie umgekehrt. Auch hier spielt der Komplexitätsgrad des visuellen Ereignisses keine Rolle. In beiden Experimenten führt die Wahrnehmung der Bewegungsrichtung zu einer Handlungsinduktion, die im kompatiblen Fall eine schnelle und im inkompatiblen Fall eine verzögerte Handlungsausführung bewirkt. In den Experimenten 5 und 6 wurden die Einflüsse von wahrgenommenen menschlichen Laufbewegungen (freies Laufen vs. Laufbandlaufen) untersucht, die mit und ohne eine Positionsveränderung erfolgten. Dabei zeigte sich, dass unabhängig von der Positionsveränderung die Laufgeschwindigkeit zu keiner Modulation des richtungsbasierten Simon Effekts führt. Zusammenfassend lassen sich die Studienergebnisse gut in effektbasierte Konzepte zur Handlungssteuerung (z.B. die Theorie der Ereigniskodierung von Hommel et al., 2001) einordnen. Weitere Untersuchungen sind nötig, um diese Ergebnisse auf großmotorische Reaktionen und Displays, die stärker an visuell wahrnehmbaren Ereignissen des Sports angelehnt sind, zu übertragen. This thesis investigated the impact of visual perception of different motion features on action control. In particular, motion direction and velocity as task irrelevant information were analyzed in regard to reactions on color stimuli leading to faster or delayed action initiations. So far, previous findings have been limited to linearly moving stimuli (from left to right and vice versa) and rather simple visual displays (movements of simple geometric figures, point clouds, light point walker etc.; e.g. Ehrenstein, 1994; Bosbach, 2004; Wittfoth, Buck, Fahle & Herrmann, 2006). In this thesis we extended the scope of these findings in regard to rotational motion, motion in depth and complex visual displays (moving athletes) in a series of six reaction time experiments using the Simon paradigm. In all experiments, participants responded to color stimuli displayed in a dynamic stimulus array by pressing a computer key (left, right, proximal or distal). Velocity and direction of the dynamic stimuli were irrelevant for the required task. In Experiment 1 (rotational motion of 8 circular discs), 1a (same as experiment 1 but with eye tracking) and 2 (giant swing of a gymnast) we investigated rotational motions. The results show significantly faster reactions when the direction of motion was compatible with the spatial features of the intended action (motion based Simon effect). The complexity of the visual event didn’t alter this result. However, when processing the visual event, the relative motion direction (direction of rotation above and under the center of rotation), not the sense of rotation, was crucial. In Experiment 3 (motion of a ball) and 4 (motion of a person) motions in depth were investigated. The results show that participants reacted faster when observing a stimulus moving towards them while pressing a proximal instead of a distal computer key and vice versa. Again, the complexity of the visual event did not alter this result. In both experiments motion direction induced the spatially compatible action, which caused a faster action initiation in a compatible trial and a delayed action initiation in an incompatible trial. In Experiments 5 and 6 (freely walking vs. walking on a treadmill) we examined the impact of visually perceived human walking movements with and without a change of location. The results show no modulation of the motion based Simon effect due to motion velocity independent of a change of location. In summary, these results correspond directly to effect based concepts of action control (like e.g. the theory of event coding by Hommel, Müsseler, Aschersleben & Prinz, 2001). Further investigations on this topic are necessary to transfer these results to gross motor reactions and stimulus displays that contain more realistic visual events occurring in sports. open access Classen, Claudia Kassel, Universität, FB 05, Gesellschaftswissenschaften, Institut für Sport und Sportwissenschaft Kibele, Armin (Prof. Dr.) Hagemann, Norbert (Prof. Dr.) Die Dissertation wurde im Januar 2013 mit dem Titel "Handlungsprimig durch Ereignisse aus sportlichen Umweltsituationen - Zum Einfluss visueller Wahrnehmung von Linear- und Drehbewegungen sowie Geschwindkeit auf die Handlungssteuerung" zur Begutachtung eingereicht. Sport Handlung Visuelle Wahrnehmung 2013-03-06
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