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Der Recessus olfactorius von Bombina orientalis: Eine vergleichende Analyse

Zusammenfassung Der Recessus olfactorius (RO) ist ein mit olfaktorischem Sinnesepithel bedeckter Bereich in der Nasenhöhle, welcher von vielen Froschlurchen (Anura) zusätzlich zum Hauptgeruchsorgan und Vomeronasalorgan ausgebildet wird. Bislang ist der Recessus olfactorius in der Literatur – mit zwei Ausnahmen (Jungblut et al. 2011; Nowack et al. 2013) – nur in Bezug auf seine äußere Form beschrieben worden. Die Zytoarchitektur des RO oder seine nervöse Anbindung an das Gehirn sind unbekannt, ebenso fehlen präzise Informationen bezüglich seiner Funktion. Im Rahmen der vorliegenden Dissertation wurde dieses geheimnisvolle Epithel mit histologischen und (immun-) histochemischen Methoden analysiert und einem eingehenden Vergleich mit dem Hauptgeruchsorgan (HG), dem Vomeronasalorgan (VNO) und dem middle chamber epithelium (MCE) unterzogen. Bei Letztgenanntem handelt es sich um ein olfaktorisches Sinnesepithel, das ausschließlich bei pipiden Fröschen wie Xenopus borealis auftritt. Über die phylogenetische Beziehung von RO und MCE wurde in der Vergangenheit immer wieder diskutiert, eine Homologie wird von verschiedenen Autoren vermutet. Mithilfe von Semidünnschnittpräparaten ist es gelungen, den zellulären Aufbau des RO weiter zu entschlüsseln, dabei ließen sich morphologisch abgrenzbare Zelltypen darstellen. In Überein-stimmung mit den von Nowack et al. (2013) beobachteten luminalen Oberflächendifferenzierungen am RO kann davon ausgegangen werden, dass der RO sowohl über cilien- als auch mikrovillibesetzte olfaktorische Sinneszellen verfügt. Zudem sind offenbar zwei Stützzelltypen im RO vorhanden: zum einen sezernierende Stützzellen, die vermutlich mikrovillibesetzt sind, zum anderen cilientragende Stützzellen, denen möglicherweise eine Flimmerfunktion zukommt. Neben diesen vier Zelltypen wurden Basalzellen und ein derzeit nicht näher zu bestimmender Zelltyp beobachtet. Die Quelle der Schleimschicht, die den RO bedeckt, wurde mithilfe der lektinhistochemischen Untersuchungen identifiziert: Der Mucus setzt sich demzufolge aus Sekreten der sezernierenden Stützzellen des RO und der Glandula nasalis oralis interna zusammen. Darüber hinaus ließen sich interessante Unterschiede in der Zusammensetzung der Sekrete des RO, des HG und des VNO beobachten. Es ist anzunehmen, dass diese Unterschiede sich auf die jeweiligen perireceptor events – also Prozessen, die extrazellulär vor oder nach der Interaktion der Duftmoleküle mit den Rezeptormolekülen stattfinden – auswirken. Denkbar wären in diesem Kontext beispielsweise der Einsatz von odorant/pheromone binding proteins oder enzymatische (Abbau-) Prozesse. Die Färbung der Nervenbahnen der olfaktorischen Subsysteme von Bombina orientalis mit Lektinen ergab keine Unterscheidbarkeit. In diesem Zusammenhang wurde der offenbar erhebliche Einfluss des jeweiligen Nachweissystems auf die Färbeergebnisse thematisiert, mit dem Ergebnis einer klaren Empfehlung zur zukünftigen Verwendung von peroxidase-vermittelten Nachweissystemen. Darüber hinaus wurde die Speziesspezifität von Lektinbindemustern diskutiert und die Grenzen der Lektinhistochemie herausgearbeitet. Es wird der Schluss gezogen, dass sich diese Methode zur Beurteilung phylogenetischer Beziehungen zwischen Geruchsorganen nicht eignet. Die Lokalisation der G-Proteinuntereinheit αo konnte immunhistochemisch ermittelt werden, die Antiseren gegen die Untereinheiten Gαolf und Gαi2 zeigten leider keine Kreuzreaktivität mit dem Anurengewebe. Positive Gαo-Immunoreaktivität trat in erster Linie in den Zellfortsätzen des RO und des VNO auf. Gαo wird mit dem vomeronasalen Rezeptor Typ 2 (V2R) in Verbindung gebracht, weswegen die Daten auf die Expression dieser Rezeptorfamilie im RO und VNO deuten. Auf molekularer Ebene sollten die Sinnesepithelien also zur Wahrnehmung von wassergetragenen Stimuli, darunter Aminosäuren und Pheromone, befähigt sein. Außerdem wurde Gαo bei B. orientalis in den Axonen aller drei Sinnesepithelien beobachtet, hier wird eine Funktion im Zusammenhang mit axonalem Wachstum im Zuge von Regenerationsprozessen vermutet. Zusammengenommen grenzen die individuelle Zytoarchitektur, Mucuskomposition und Ausstattung mit der G-Proteinuntereinheit αo den RO eindeutig funktionell gegen das HG ab, während offenbar größere Funktionsüberschneidungen mit dem VNO bestehen: Die erhobenen Daten legen nahe, dass der RO, wie auch das VNO, sowohl die erwähnten wasserlöslichen, als auch luftgetragene Stimuli detektieren kann. Hier sollten weiterführende Studien anknüpfen, um potenzielle Unterschiede in den Aufgabenspektren der beiden Organe herauszuarbeiten. In einem abschließenden Vergleich wurden die erzielten Befunde in den Kontext der Frage nach der Homologie von RO und MCE gestellt. Es wurden Gemeinsamkeiten und Gegensätze beleuchtet, die allerdings in der Summe und in Anbetracht der nach wie vor unzureichenden Datenlage bezüglich des RO eine abschließende Beurteilung der Situation nicht zulassen.

Sponsor
Promotionsstipendium der Universität Kassel
Collections
@phdthesis{urn:nbn:de:hebis:34-2018041255333,
  author    ={Jordan, Sabrina},
  title    ={Der Recessus olfactorius von Bombina orientalis: Eine vergleichende Analyse},
  keywords ={590 and Orientalische Rotbauchunke and Geruchswahrnehmung},
  copyright  ={https://rightsstatements.org/page/InC/1.0/},
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  school={Kassel, Universität Kassel, Fachbereich Mathematik und Naturwissenschaften},
  year   ={2018-04-12}
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