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Unsicherheitsfaktor globale Landbedeckung: Konsequenzen für die Landsystemmodellierung

Änderungen im Landsystem sind eine zentrale anthropogene Ursache globaler Klima- und Umweltveränderungen. Der stetig wachsende Bedarf an landwirtschaftlichen Flächen für Nahrung, Futter, Fasern und Energie und die damit verbundene Konversion natürlicher Ökosysteme gelten als wesentliche Triebkräfte der Landänderungen. Globale räumlich-explizite Landsystemmodelle tragen dazu bei, ein besseres wissenschaftliches Verständnis für derartige Landänderungsprozesse zu erlangen und zukünftige Entwicklungen mit Szenarien zu untersuchen. Unsicherheiten, u. a. in den Eingangsdaten, der Modellstruktur und den Szenarienannahmen beeinflussen jedoch die Simulationsergebnisse. Ein wesentlicher, im Detail bisher wenig betrachteter Unsicherheitsfaktor, sind die zur Modellinitialisierung und Simulation von Landänderungen notwendigen Landbedeckungsdaten. Globale Landbedeckungsdatensätze weisen aufgrund unterschiedlicher Erstellungsmethoden mitunter große quantitative, allokative und temporale Diskrepanzen auf. Diese Forschungsarbeit will die Konsequenzen der Wahl des Landbe­deckungsdatensatzes für die Landsystemmodellierung verdeutlichen. Dabei will die Arbeit eruieren, wie grundlegend die Wahl des Datensatzes für die Modellinitialisierung, die simulierten Landänderungen und die daraus resultierenden Verluste an natürlicher Vegetation zu bewerten ist. Es sollen weiter Lösungen aufgezeigt werden, wie die resultierenden Unsicherheiten zu handhaben und transparent zu kommunizieren sind. Die erste von drei Teilstudien eruiert die quantitativen, allokativen und temporalen Diskrepanzen zwischen den drei globalen Landbedeckungsdatensätzen CCI, MODIS und GlobeLand30. Die zweite Teilstudie identifiziert und quantifiziert die direkten Konsequenzen mit einem Ensemble aus den drei Datensätzen und dem räumlich-expliziten Landsystemmodell LandSHIFT auf Basis historischer Statistiken von 2000 bis 2010. Die dritte Teilstudie adressiert die direkten und indirekten Konsequenzen unter Verwendung desselben Ensembles und einem, im Rahmen dieser Arbeit neu entwickelten, Modellsystem aus dem räumlich-expliziten Landsystemmodell LandSHIFT und dem räumlich-impliziten ökonomischen Gleichgewichts­modell MAGNET auf Basis eines Trend-Szenarios von 2010 bis 2050. Die dargelegten Diskrepanzen betreffen sowohl die Modell­initialisierung als auch die simulierten Landänderungen und den Verlust an natürlicher Vegetation. Im historischen Simulationsexperiment von 2000 bis 2010 ergeben sich als Konsequenz Varianzen im Verlust an natürlicher Vegetation von ~1,1 Millionen km², die sich in den anschließenden Szenarioanalysen bis 2050 auf ~2 Millionen km² aufsummieren. Die Ergebnisse der Szenarioanalysen sind jedoch erst aufgrund der Modellkopplung aussagekräftig, denn Inkonsistenzen in den Modellannahmen zwischen LandSHIFT und MAGNET führen ansonsten zu Produktionsfehlmengen von bis zu ~47,4 Millionen Tonnen und daraus folgend zu (fiktiven) Fehl­flächen von bis zu ~1,1 Millionen km². Die konsistenten Szenarioanalysen zeigen zudem eine Reduzierung globaler Produktionsmengen (≃127 Millionen km², ‑0,8%) und landwirtschaftlicher Flächen (≃2 Millionen km², ‑3,4 %). Die Ergebnisse unterstreichen die Relevanz, Unsicherheiten aufgrund der Wahl des Landbedeckungsdatensatzes in globalen Simulationsstudien zu berücksichtigen und diese transparent zu kommunizieren. Ein probates Mittel sind Ensemble-Analysen, die einen transparenten Prozess fördern. Zudem sind gekoppelte Modellsysteme aus Landsystemmodell und ökonomischem Gleichgewichtsmodell unbedingt notwendig, um Unsicherheiten sowie Inkonsistenzen im Zusammenhang mit Szenariensimulationen zu behandeln. Um die wissenschaftliche Qualität, Solidität und Akzeptanz von Landänderungssimulationen zu verbessern, sollten einerseits Ensembles verwendet werden, andererseits sind konsistente Szenarienannahmen mit Modellsystemen methodisch zu gewährleisten.

@phdthesis{doi:10.17170/kobra-202209096842,
  author    ={Schüngel, Jan},
  title    ={Unsicherheitsfaktor globale Landbedeckung: Konsequenzen für die Landsystemmodellierung},
  keywords ={004 and 500 and 550 and Bodenbedeckung and Landnutzung and Landwirtschaftsentwicklung and Bodenbearbeitung and Landtechnik and Nutzungsänderung and Unsicherheit and Modellierung and Simulation},
  copyright  ={http://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/},
  language ={de},
  school={Kassel, Universität Kassel, Fachbereich Elektrotechnik / Informatik},
  year   ={2022-01}
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