Die Dissertation widmet sich der Einordnung ausgewählter Bauten des 2010 verstorbenen Architekten Günter Behnisch innerhalb der architekturhistorischen Entwicklung seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Die Analyse und Interpretation der Bauten erfolgt anhand der Zuordnung zu drei Phasen: Die erste umfasst die Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg bis zum Beginn der 1960er Jahre, die zweite Zeitspanne die 1960er und 1970er Jahre und die letzte Phase endet mit der Wiedervereinigung. Es wird eine diachrone Betrachtungsweise zugrunde gelegt, die auch jene Entwicklungen berücksichtigt, in deren Traditionslinie Architektur und Städtebau der jeweiligen Zeit stehen. Integrativer Bestandteil der Betrachtung sind die Studienjahre des Architekten, die zum einen den Einfluss der zeitgeschichtlichen Umstände auf die Ausbildung Behnischs und zum anderen die Vorbildfunktion der Lehrenden herausstellen. In Bezug auf das technische Verständnis wurde Behnisch durch Günter Wilhelm geprägt, hinsichtlich der sozialen Verantwortung und der Berücksichtigung menschlicher Bedürfnisse wurde im Spätwerk der Einfluss Rolf Gutbrods deutlich. Mit der Vogelsangschule in Stuttgart (1955-1961), der Ingenieurschule in Ulm (1959-63), dem Progymnasium (1970-73) und der Hauptschule „Auf dem Schäfersfeld“ (1978-82) in Lorch werden vier Schulen untersucht, die verschiedene Momente in der Entwicklung Behnischs dokumentieren. Die Vogelsangschule verdeutlicht die Auseinandersetzung hinsichtlich des städtebaulichen Leitbildes der 1950er Jahre sowie der Schulbauplanungen und -diskussionen der Zeit im In- und Ausland. Die Ingenieurschule in Ulm unterscheidet sich trotz der zeitlichen Nähe zur Vogelsangschule gänzlich von dieser, denn mit dem Paradigmenwechsel zu Beginn der 1960er Jahre und der damit verbundenen Hinwendung zu industriellen Produktionsprozessen veränderte sich auch die Arbeit von Behnisch wesentlich. Dieser etablierte sich seinerzeit zum Pionier im Bereich der Vorfertigung. Infolge der systembedingten Einschränkungen, die das Bauen mit vorgefertigten Bauteilen mit sich brachte, fand in den späten 1960er Jahren ein Umdenken in der Haltung des Architekten statt. Die Zeit war geprägt durch die Studentenproteste und dem damit einhergehenden gesellschaftlichen Umbruch. Das Progymnasium (1970-73) und die Hauptschule „Auf dem Schäfersfeld“ in Lorch (1978-82) dokumentieren die Loslösung von formalen Einschränkungen und die Suche nach einer spezifischen Lösung unter Berücksichtigung menschlicher, sozialer, konstruktiver und technischer Anforderungen an den Entwurf. Behnisch distanzierte sich in dieser Zeit immer weiter von der allgemeinen Schulbauentwicklung. Die Suche nach den spezifischen Bedingungen, die den Entwurf bestimmen, und das weitere Schaffen Behnischs kennzeichnen, können ebenso anhand des Hysolar-Instituts (1986-87) in Stuttgart-Vaihingen und anhand des Deutschen Postmuseums (1982-1990) in Frankfurt am Main erkannt werden. Von besonderer Bedeutung innerhalb des Werkes des Architekten sind aber vor allem die Bauten und Anlagen anlässlich der XX. Olympiade 1972 in München (1967-72) sowie der Plenar- und Präsidialbereich des ehemaligen Bundestages in Bonn (1983/87-92). Das Erkennen der Ideale der Bundesrepublik und deren bauliche Transformation beschäftigten Behnisch nachhaltig. Die Bauten in Bonn können folglich als Behnischs Interpretation vom Bauen in der Demokratie verstanden werden.
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