Lange Zeit galten Carbene als transiente Spezies, deren Labilität bzw. hohe Reaktivität gegen eine Isolierbarkeit in Substanz sprach. Erst nach der richtungsweisenden Entdeckung durch ARDUENGO et al., die ein stabiles freies Carben kristallin erhalten konnten, wurden mehr und mehr stabile Carbene isoliert. Das ARDUENGO-Carben gehört zu der Klasse der N-heterocyclischen Carbene (NHCs). Die Stabilität solcher Carbene wird durch zwei Aminosubstituenten am CCarben-Atom und des Weiteren durch die Eingliederung dieses divalenten Atoms in ein fünfgliedriges Ringsystem begünstigt. Die NHCs sind aufgrund ihrer einfachen Zugänglichkeit und Modifizierbarkeit aus der Synthese- und Katalysechemie nicht mehr wegzudenken. Viele NHCs sind sehr wasser- und sauerstoffempfindlich. Häufig sind sie zudem thermolabil und können nicht für längere Zeit bei Raumtemperatur gelagert werden. Aus diesem Grund wird nach neuen Verbindungen geforscht, die ohne Zusatz weiterer Reaktanten als NHC-Quellen fungieren können (Krypto- bzw. latente Carbene). Kryptocarbene sind Addukte, die unter thermischer Abspaltung eines Moleküls (z. B. MeOH, CHCl3) ein NHC liefern. Verbindungen, die ein NHC-Tautomer besitzen, werden als „instant“-Carbene bezeichnet. Die meisten „instant“-Carbene gehören zur Familie der konjugierten mesomeren Betaine (CMBs). Den Grundstein in diesem Bereich legte unsere Arbeitsgruppe im Jahre 2012, indem erstmals überzeugende Indizien für eine CMBNHC-Tautomerie gefunden wurden, und zwar für das populäre analytische Reagenz Nitron. Die hier vorliegende Arbeit wurde von Forschungsarbeiten von SCHMIDT et al. aus dem Jahre 2013 inspiriert, in denen Imidazolium-Indolate studiert wurden. Die Reaktion dieser CMBs mit BR3 (R = Et, Ph) unter Abspaltung von Ethan oder Benzol zum chelatartigen AminoboranNHC-Addukt weist darauf hin, dass diese und ähnliche CMBs durch Deprotonierung zweizähnige NAmido-NHC-Liganden ergeben können. Deprotoniertes Nitron könnte als ein zweizähniger Amidinat- oder als einzähniger NHC-Ligand agieren. Auch beides zugleich ist denkbar; dann würde deprotonierte Nitron als dreizähniger Ligand fungieren, und zwar verbrückend, da die beiden Koordinationsstellen (NHC und Amidinat) räumlich voneinander getrennt sind. Werden die Koordinationsmöglichkeiten von deprotoniertem Nitron mit denjenigen der deprotonierten SCHMIDT‘schen CMBs gedanklich miteinander verknüpft, ergibt sich ein neues System, dessen zugehörige CMBs Imidazolium-(Benz)Imidazolate sind, von denen ein einziger Vertreter durch ALCALDE et al. bereits literaturbekannt war, nämlich H(1). Im Rahmen dieser Forschungsarbeit wurden vier neue Homologe von H(1), nämlich H(2) – H(5), synthetisiert und charakterisiert. Die benzanellierten CMBs H(4) und H(5) galten zuvor als instabil und daher nicht isolierbar, was in dieser Arbeit widerlegt werden konnte. Fundierte Hinweise auf den „instant“-Carbencharakter der CMBs konnten mit Hilfe gängiger Carbenabfangreagenzien (Schwefel und Selen) erhalten werden. Durch Untersuchungen zum Koordinationsverhalten dieser CMBs konnten sechs der neun Koordinationsmodi, die für diese CMBs, ihre tautomeren NHCs und ihre deprotonierten Derivate denkbar sind, anhand von dreiunddreißig neuen und weitestgehend komplett charakterisierten mono-, homodi-, heterodi- und heterotrinuklearen Komplexen realisiert werden.
@phdthesis{doi:10.17170/kobra-202006041335, author ={Kureja, Kunal}, title ={Synthese neuartiger konjugierter mesomerer Betaine und ihr Koordinationsverhalten}, keywords ={500 and 540 and Betaine and Carbene and Koordinationslehre}, copyright ={https://rightsstatements.org/page/InC/1.0/}, language ={de}, school={Kassel, Universität Kassel, Fachbereich Mathematik und Naturwissenschaften, Institut für Chemie}, year ={2019-12} }