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Simulationen und Experimente im Schwellenwertbereich zur Aufklärung der Risswachstumsmechanismen in einer Aluminiumlegierung

Lange Risse, die bei Belastungen nahe des Schwellenwerts wachsen, können Ausbreitungscharakteristika zeigen, welche denen kurzer Stadium I-Risse ähneln. Neben einer lokalen Blockade der Rissfront durch Teilchen einer zweiten Phase ist ein schubspannungsgesteuerter Rissfortschritt ein interessanter Effekt, der bei diesen Belastungsbedingungen auftritt. Das berichtete Verhalten wird im Rahmen dieser Arbeit auf das Rissspitzenfeld zurückgeführt. Zu diesem Zweck wurden Risswachstumsexperimente mit angerissenen Flachproben einer kommerziellen Aluminiumlegierung durchgeführt. Die Belastung erfolgte in solcher Weise, dass sich der Riss bei einem nominell konstanten Wert der Schwingbreite des Spannungsintensitätsfaktors ausbreitete. Dadurch war es möglich, einen sehr langsamen Rissfortschritt langer Risse zu realisieren und die Wechselwirkung des Rissspitzenfeldes mit der Mikrostruktur zu untersuchen. Im Fall, dass die Rissspitze in einem großen Korn lokalisiert war, wurden schubspannungsdominierte Zick-Zack-Risspfade beobachtet, welche sich entlang niedrig indizierter Kristallebenen erstreckten. Eine Analyse des Rissspitzenfeldes mittels der Methode der Elektronenrückstreubeugung (EBSD) im Rasterelektronenmikroskop (REM) ergab, dass die plastische Zone vor der Rissspitze dieser Risse deutlich von der klassischen Modus I-Form abweicht und der Riss in Richtung des asymmetrischen Rissspitzenfeldes wächst. Zum besseren Verständnis dieses Effekts wurde die dreidimensionale Mikrostruktur in der Nähe der Rissspitze einer Probe, welche einen Zick- Zack-Risspfad zeigte, durch Kombination von hochauflösender Computertomographie mit EBSD-Messungen im REM aufgelöst. Die Auswertung des Rissspitzenfeldes in dem digitalen Mikrostrukturmodell mit Riss erfolgte mittels des Kristallplastizitätscodes DAMASK unter Benutzung des integrierten Fourier-Spektrallösers. Ähnlich der Ergebnisse des Experiments zeigte der rotatorische Anteil der plastischen Verformung, d. h. der simulierte Wert des Missorientierungsfeldes, deutliche Lokalisierungseffekte entlang niedrig indizierter Kristallebenen. Hierbei stellte sich heraus, dass die “anomale” Ausrichtung des Rissspitzenfeldes aus plastischen Vorgängen lediglich auf einem Gleitsystem des Aluminiumkristalls resultiert. Dieser Effekt konnte mit der Lage des Burgers-Vektors der Versetzungen korreliert werden. In Simulationen mit abgeleiteten Modellvarianten wurde des Weiteren festgestellt, dass die Zone rotatorischer Verformung in ihrer Ausprägung auf nicht-triviale Weise von der kristallographischen Orientierung des Korns, welches die Rissspitze enthält, in Bezug auf die angelegte Belastung und den Risspfad abhängt. Diese Ergebnisse zeigen, wie dreidimensionale Simulationen auf Basis der Kristallplastizität zu einem besseren Verständnis der experimentell beobachteten Effekte beitragen können.

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@phdthesis{doi:10.17170/kobra-202102223332,
  author    ={Wicke, Marcel},
  title    ={Simulationen und Experimente im Schwellenwertbereich zur Aufklärung der Risswachstumsmechanismen in einer Aluminiumlegierung},
  keywords ={620 and Aluminiumlegierung and Mikrostruktur and Plastische Deformation and Rissausbreitung and Schwellenwert},
  copyright  ={https://rightsstatements.org/page/InC/1.0/},
  language ={de},
  school={Kassel, Universität Kassel, Fachbereich Maschinenbau},
  year   ={2020}
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