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Integrierte hydrologische Modellierung von Oberflächen- und Grundwasser in dem mesoskaligen Einzugsgebiet des Rautenbach, Nordhessen

In den vergangenen Jahren kam es in Europa vermehrt zu sommerlichen Dürreperioden mit erheblichen Beeinträchtigungen der Ökosysteme sowie für Land- und Forstwirtschaft. Die dadurch zunehmenden Herausforderungen an das Wasserressourcenmanagement fordern ein erweitertes Systemverständnis, welches durch realitätsnahe hydrologische Modellierung gewonnen werden kann. Integrierte hydrologische Modelle ermöglichen die räumlich und zeitlich differenzierte Abbildung ober- und unterirdischer Abflüsse und derer Wechselwirkungen. Untersuchungsgebiete vorhandener Studien liegen meist in der mittleren/oberen Mesoskala (100 bis 1000 km²) sowie in der Makroskala (> 1000 km²) und fokussieren auf einzelne Kompartimente des Wasserhaushalts. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es hingegen in einem Gebiet der unteren Mesoskala, dem bewaldeten Einzugsgebiet (EZG) Rautenbach in Nordhessen (14 km²), in einer ganzheitlichen Betrachtung die jahreszeitliche und räumliche Variation aller Kompartimente des Wasserhaushalts zu analysieren, wodurch ein umfassender Einblick hydrologischer Interaktionen des gesamten Wasserkreislaufs entsteht. Basierend auf detaillierten geographischen, hydrologischen und besonders hydrogeologischen Regionalanalysen wird hierzu das Modell GSFLOW verwendet, welches das Niederschlags-Abfluss-Modell PRMS und das Grundwasserströmungsmodell MODFLOW-NWT koppelt. Zunächst wird PRMS getrennt aufbaut und vorranging anhand von Pegeln für den Zeitraum 1973-1988 kalibriert und für 1988-2000 validiert. Nach Kopplung mit MODFLOW-NWT wird als zusätzliches Kalibrationsziel eine Grundwassermessstelle hinzugezogen, um GSFLOW zu kalibrieren. Auf dieser Grundlage werden im Modellierungszeitraum 1971-2000 im Anschluss etwaige jahresübergreifende Trends, langjährige Mittelwerte und einzelne Extremjahre modelliert und interpretiert. Trendanalysen fünf modellierter Abflusskomponenten zeigen im März mit dem Interflow, der Bodenentwässerung. in die ungesättigte Zone (UZ) und der Grundwasserneubildung (GWN) und im Dezember mit der Bodenentwässerung. in die UZ nur 4 der 60 Monats-Auswertungen einen zeitlich zunehmenden Trend im Zeitraum 1971-2000. Diesen Trend zeigen auch der jährliche Niederschlag bzw. die Evapotranspiration. Dies ist vor allem auf die Trockenperiode 1971-1979 zurückzuführen. Die langjährige modellierte Wasserbilanz des gesamten Modellgebiets zeigt im Mittel bei Niederschlägen von 853 mm/a und externem Netto-Grundwasserzustrom von 201 mm/a einen Abfluss von 385 mm/a und eine tatsächliche Evapotranspiration von 632 mm/a. In der Bilanz der gesättigten Zone ist neben dem genannten Netto-Zustrom (201 mm/a) und der Strömung vom Grundwasser in die Bodenzone (412 mm/a) die Interaktion mit dem Fließgewässer relevant, wobei der influente Anteil mit 226 mm/a gegenüber dem effluenten Anteil mit 182 mm/a überwiegt. Neben vernachlässigbar kleiner Brunnenentnahme (7 mm/a) strömt durch die GWN aus der UZ 174 mm/a der gesättigten Zone zu. Im räumlichen Mittel ist mit 20 mm die GWN im April am höchsten und die mit 8 mm im Oktober am niedrigsten. Dahingegen weist die Bodenentwässerung in die UZ Maximalhöhen (28 mm) schon im März und Minimalhöhen (0,5 mm) im September auf. Räumlich ist die modellierte GWN im niederschlagsreichen Winter dabei nur auf grundwassernahen Standorten hoch. In einer weitergehenden Detailanalyse wird mithilfe einer Kreuzkorrelation aller Zellen von mittlerem Flurabstand zum zeitlichen Versatz zwischen Bodenentwässerung in die UZ und der GWN eine mittlere vertikale Fließzeit in der Größenordnung von 0,4 bis 1 Meter pro Tag bzw. 1 Woche pro 3 bis 7 Meter Mächtigkeit ermittelt. Ein besonderer Fokus dieser Arbeit liegt auf der Analyse von Trockenjahren, die die Möglichkeit integrierter Modellierung nutzt, unterschiedliche Dürrearten (meteorologische-, hydrologische- und Bodenfeuchte-Dürre) hinsichtlich ihrer hydrologischen Komponenten differenziert zu betrachten. Die Trockenjahre 1976 und 1996 zeigen anhand der Modellergebnisse jahreszeitlich differenzierte Muster. 1976 tritt eine meteorologische und hydrologische Dürre im Sommer bei gleichzeitig stark ausgeprägter Bodenfeuchte-Dürre im Sommer und Herbst auf. Die sommerliche hydrologische Dürre betrifft jedoch die Abflusskomponenten des tieferen Untergrunds weniger stark. 1996 hingegen tritt auf Grund durchschnittlicher Niederschläge im Frühjahr und Sommer keine sommerliche Bodenfeuchte-Dürre auf. Die hydrologische Dürre hingegen ist sowohl hinsichtlich des Interflow als auch der Bodenentwässerung in die UZ und der GWN angesichts der meteorologischen Dürre im Winter 1995/96 sehr stark ausgeprägt, da sich die Kapillarzone erst im März für wenige Tage füllt, sodass über die Gravitationszone kaum Wasser in die tieferen Schichten strömen kann. Die extremen Dürrejahre 2018 und 2019, für die ein weiteres GSFLOW-Modell mit gleichen Standortparametern aufgebaut wird, legen zudem einen Fokus auf den für das bewaldete EZG besonders relevanten Verlauf der Bodenfeuchte-Dürre in der forstlichen Vegetationsperiode (Mai-Oktober). Für 2018 kann eine starke Dürreperiode von April bis in den Dezember analysiert werden, die von Ende Juni bis Ende September als extrem einzustufen ist. Die Trockenphase des Kalenderjahres 2019 ist mit Ende Juni bis Anfang Oktober deutlich kürzer als 2018 und im Vergleich etwas weniger intensiv, jedoch sowohl im Vergleich mit dem langjährigen Mittel als auch hinsichtlich der für den Wald physiologisch relevanten Grenzwerte der Wasserversorgung für Ende Juni bis Anfang Oktober als starke Bodenfeuchte-Dürre einzustufen. Die räumlich-jahreszeitliche Betrachtung des Bodenspeichers für die beiden Trockenjahre bringt darüber hinaus die Erkenntnis, dass jahreszeitlich längere Sättigungsperioden (bis November 2018 bzw. bis Ende November 2019) auf flurfernen bewaldeten Standorten kürzeren Sättigungsperioden (bis September 2018 bzw. bis Oktober 2019) in flurnahen Auenböden im EZG Rautenbach gegenüberstehen. Ein hypothetisches 8-Jahres-Szenario, das die Trockenjahre 2018 und 2019 viermal aufeinander folgend wiederholt, verdeutlicht, dass die oberflächennahen Speicher aufgrund von ausreichenden Winterniederschlägen netto keine Abnahmen erfahren. Allerdings wird ein gesamter Grundwasserverlust von 570.000 m³ bzw. eine Abnahme der mittleren Standrohrspiegelhöhe von 1,9 Meter bilanziert, die insbesondere aus den Bedingungen der extremen Dürre 2018 resultieren. Zusammenfassend zeigt die Arbeit aufgrund räumlich und zeitlich stark variierender hydrologischer Prozesse und Speicher anhand diverser Betrachtungsebenen den deutlichen Mehrwert gekoppelten Modelle für kleine EZG. Das hier entwickelte Modell bietet die Grundlage für weitergehende Untersuchungen, wie die Anwendung von Dürreindizes, konzeptuelle Vergleiche von Bodenfeuchte-Modellen oder Szenarien hinsichtlich von Wasserentnahmen und Landnutzungsänderungen. Zudem stellt die vielschichtige Auswertung der Klimareferenzperiode 1971 – 2000 eine ideale Basis zum Vergleich mit Ergebnissen von Klimaprojektionen dar.

Collections
@phdthesis{doi:10.17170/kobra-202109094750,
  author    ={Wolters, Tim},
  title    ={Integrierte hydrologische Modellierung von Oberflächen- und Grundwasser in dem mesoskaligen Einzugsgebiet des Rautenbach, Nordhessen},
  keywords ={500 and 550 and 620 and Hydrologie and Modellierung and Grundwasser and Einzugsgebiet and Nordhessen and Rautenbach},
  copyright  ={http://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/4.0/},
  language ={de},
  school={Kassel, Universität Kassel, Fachbereich Bau- und Umweltingenieurwesen},
  year   ={2021-07}
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