Die übliche Definition des Symmetriebegriffs einer Differentialgleichung lautet wie folgt: Symmetrien sind Transformationen, die Lösungen wieder in Lösungen überführen. Modelliert man Differentialgleichungen als Untermannigfaltigkeiten eines Jetbündels, so lassen sich zwei Arten von Symmetrien unterscheiden: innere und äußere. Der erste Fall entspricht einer Transformation, die ausschließlich auf der Differentialgleichung definiert ist. Im zweiten Fall ist die betrachtete Transformation auf dem gesamten umgebenden Jetbündel erklärt. Dabei stellt sich die naheliegende Frage, wann es mehr innere als äußere Symmetrien gibt. Es handelt sich um ein äußerst schwieriges Fortsetzungsproblem, da die Lösungen der betrachteten Differentialgleichung zudem praktisch unbekannt sind. Zur Klärung dieser Frage stellen wir in der vorliegenden Arbeit eine neue geometrische Formulierung der Symmetrietheorie mittels Distributionen auf, die zu einem tieferen Verständnis der Zusammenhänge verschiedener Symmetriearten beiträgt. Zu diesem Zweck führen wir den Begriff der abgeleiteten Distribution ein. Diese entsteht aus einer gegebenen Distribution durch Hinzunahme von Lie-Klammern der beteiligten Vektorfeldern. Wir zeigen, dass die mehrfach abgeleiteten Distributionen invariant unter geometrischen Symmetrien sind. Mehr noch, es stellt sich heraus, dass die so konstruierten abgeleiteten Distributionen spezielle invariante Subdistributionen enthalten, welche ausschließlich aus Cauchy-Cartan-Charakteristiken bestehen. Anschließend wenden wir die beschriebene geometrische Symmetrietheorie auf die Kontaktdistribution bzw. die Vessiot-Distribution an. Dabei finden wir mehrere unterschiedliche Beweise des klassischen Bäcklund-Theorems für Kontakttransformationen, welche die dahinterstehende geometrische Struktur besonders deutlich aufzeigen. Im Speziellen beweisen wir eine verschärfte globale Version des Bäcklund-Theorems. Die für innere Symmetrien wichtige Erkenntnis ist, dass diese im Lokalen genau dann äußere Punktsymmetrien sind, wenn die Vertikalbündel invariant sind. Durch die Einführung der abgeleiteten Vessiot-Distributionen können wir dafür hinreichende und leicht verifizierbare Kriterien angeben. Die Situation vereinfacht sich enorm, wenn wir ausschließlich infinitesimale innere Symmetrien betrachten. Wir beschreiben ausführlich, wie die infinitesimalen Lie-Kontaktsymmetrien innerhalb der Lie-Algebra der infinitesimalen inneren Symmetrien geometrisch charakterisiert werden können. In diesem Fall genügt es, die Dimensionen der zugehörigen involutiven bestimmenden Systeme zu vergleichen. Damit sind wir in der Lage algorithmisch zu entscheiden, wann eine gegebene Differentialgleichung mehr infinitesimale innere als infinitesimale äußere Symmetrien besitzt, und zwar ohne die bestimmenden Systeme vorher zu lösen. Im abschließenden Kapitel gehen wir auf die sogenannten verallgemeinerten Symmetrien ein. Es handelt sich um eine weitreichende Verallgemeinerung der infinitesimalen inneren Symmetrien. Wir zeigen, dass jede infinitesimale innere Symmetrie eine verallgemeinerte Symmetrie festlegt. Weiter beschreiben wir genau, unter welchen intrinsischen Bedingungen verallgemeinerte Symmetrien von infinitesimalen inneren Symmetrien herkommen.
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@phdthesis{doi:10.17170/kobra-202201245596, author ={Urich, Maxim}, title ={Symmetrien von Differentialgleichungen via Vessiot-Theorie}, keywords ={510 and Partielle Differentialgleichung and Symmetrie and Distribution and Transformation }, copyright ={http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/}, language ={de}, school={Kassel, Universität Kassel, Fachbereich Mathematik und Naturwissenschaften, Institut für Mathematik}, year ={2021-04} }