Pop-Up Planning After Disaster. Katastrophenbewältigung und Reformfähigkeit nach Hurrikan Katrina in New Orleans am Beispiel strategischer Stadtentwicklungsplanung
// Zusammenfassung:
Naturereignisse wie Hurrikans können starke Sturmböen, Regenfälle und Überschwemmungen mit sich bringen. Erst dadurch verursachen sie oftmals starke Schäden an der gebauten Umwelt der betroffenen Städte und Regionen und können somit im urbanen Kontext eine Katastrophe auslösen. In die Serie der folgenschwersten Hurrikans im urbanen Raum der USA gehört Hurrikan Katrina im August 2005. Der Hurrikan zog eine urbane Katastrophe in einem politischen System nach sich, in dem mit einer derartigen Verletzlichkeit nicht gerechnet wurde. Hurrikan Katrina gilt als das bislang folgenschwerste Naturereignis in der Geschichte der USA, als das teuerste (bis Hurrikan Harvey 2017 folgte), und als das mit den meisten Todesopfern. Zudem löste diese urbane Katastrophe eine gesellschaftspolitische Debatte über den Zustand der US-amerikanischen Stadt aus. Denn der Fall New Orleans legte Probleme einer US-amerikanischen Stadt schonungslos offen; städtische Armut und Ungleichheit manifestieren sich in stadträumlichen Disparitäten und stadtpolitische Dysfunktionalitäten waren unverkennbar. Früheste Unternehmungen zum Wiederaufbau von New Orleans waren von einigen neuartigen Leitideen zur zukünftigen stadträumlichen Entwicklung gekennzeichnet. Am Beispiel strategischer Stadtentwicklungsplanung wurde insofern in dieser Dissertation der Frage nachgegangen, inwiefern sich im Rahmen einer längerfristigen Katastrophenbewältigung lokale Reformfähigkeit widerspiegelt; lokale Reformfähigkeit im Sinne eines kollektiven Vermögens von Staat, Markt und Zivilgesellschaft auf lokaler Ebene, das den Status Quo verändert. Lokale Reformfähigkeit wird insofern analytisch im Sinne eines Aushandlungsprozesses zwischen Akteursgruppen innerhalb und zwischen diesen drei Sphären lokaler und überlokaler Ebenen mit ihren jeweils eigenen Rationalitäten verstanden. Im Zentrum steht vor diesem Hintergrund die Frage, welche Bedingungen substanziell-materielle und strukturell-prozessuale lokale Reformfähigkeit dabei forcieren oder blockieren. Substanziell-materiell bezieht sich hier auf eine Veränderung und/oder Neuentwicklung von Leitbildern, Zielen, Instrumenten, Programmen oder Projekten und strukturell-prozessual auf Verfahrensweisen oder Institutionalisierungen; jeweils in Bezug auf die Zeit vor einer Katastrophe. Zur Beantwortung der Fragestellung wurden theoretische Zugänge zur Katastrophenbewältigung und zur Reformfähigkeit herangezogen sowie Tendenzen der Stadtentwicklung von New Orleans vor und nach Hurrikan Katrina betrachtet. Methodisch wurde eine Einzelfallstudie untersucht und konkret der Prozess der Entwicklung von Planwerken zum Wiederaufbau und zur Neuentwicklung der Stadt New Orleans nach Hurrikan Katrina. In New Orleans fanden in Folge von Hurrikan Katrina fünf Planwerksprozesse statt. Alle Planwerke weisen retrospektiv einen strategischen Ansatz von unterschiedlicher Qualität und Reichweite auf. Im Rahmen der Prozesse wurden Formen von Veränderung und Neuerung in substanziell-materieller und vor allem in strukturell-prozessualer Hinsicht deutlich, die im Vergleich zu der Zeit vor Katrina in dieser Form nicht zugegen waren. Das Ergebnis zeigt Bedingungen lokaler Reformfähigkeit im Politikfeld der Stadtentwicklung im Rahmen längerfristiger Katastrophenbewältigung. Dabei wurde erstens grundsätzlich deutlich, dass Ansätze lokaler Reformfähigkeit eher erschwert als vollständig blockiert werden – trotz eines strukturellen Kontextes, der im Rahmen einer längerfristigen Katastrophenbewältigung Beharrlichkeit aufweist. Zweitens zeigten sich Nuancen in Bezug auf den Einfluss und die Mitwirkung überlokaler Akteure der politisch-administrativen und zivilgesellschaftlichen Ebene. Denn diese Mitwirkung stellt sich im Zusammenspiel mit lokalen Akteuren der Sphären Staat, Zivilgesellschaft und Markt als eine Bedingung von lokaler Reformfähigkeit heraus, wobei privatwirtschaftliche Akteure im Prozess der Planwerksentwicklung zunehmend weniger präsent waren. Das plötzliche „Auftauchen“ überlokaler Akteure und ihrer Ressourcen wird hier insofern als pop-up planning bezeichnet. Entscheidend dabei ist aber, dass diese überlokale Mitwirkung stets lokal legitimiert, erlaubt oder eingeleitet wurde. Lokale Reformfähigkeit wird in einer zweiten Dimension auch als Ergebnis eines Prozesses deutlich. Dieser Prozess symbolisiert an sich pop-up planning: Denn unter extremen Handlungsdruck avanciert eine stadtentwicklungspolitische Situation zu einem Handlungsrahmen, in dem „strategische Stadtentwicklungsplanung“ und die Planungsfunktion an sich katalysiert sowie neu- und weiterentwickelt wird. Der Stadt New Orleans ist es nach Katrina neben der Planung auch in einigen anderen stadtpolitischen Handlungsfeldern gelungen, zunächst einmal ein Standardniveau zu erreichen – und das unter anderem durch überlokale Mitwirkung. Denn vor Hurrikan Katrina waren nahezu alle stadtpolitischen Bereiche dysfunktional; diese Stadt befand sich vor Hurrikan Katrina im Niedergang.
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