Die vorliegende Dissertation behandelt Kunststoffschmelzen als viskoelastische Fluide, bzw. im allgemeinen als Nicht-Newtonsche Fluide. Schmelzen dieser Art zeigen in der Tat viskoelastisches Verhalten, aber auch u.a. Strukturviskosität bzw. Scherentzähung und Normalspannungsdifferenzen. Diese Fülle an verschiedenen, beobachtbaren Phänomene werden mit linearen Ansätzen nicht mehr ausreichend beschrieben. In dieser Arbeit werden Modelle eingesetzt, die auf makroskopischen und mikroskopischen Konzepten basieren. Dazu sei hier das verallgemeinerte Maxwell-Modell genannt. Die Verallgemeinerung geschieht hier, im Gegensatz zu den in der Literatur üblichen Methoden, durch die Reihenschaltung mehrerer Maxwell-Körper mit dem sogenannten anisotropen Molekül-Beweglichkeitstensor. Hierzu wurden drei verschiedene Möglichkeiten zur Beschreibung der anisotropen Orientierungen der Molekül-Netze zugelassen und miteinander verglichen. Dabei spielt die von Giesekus vorgeschlagene Verallgemeinerung eine zentrale Rolle. Aus ihr lässt sich das sogenannte Giesekus-Fluid herleiten. Dieses ist in der Lage, mit einer einzigen Transportgleichung verschiedene Nicht-Newtonsche Phänomene zu beschreiben. Schwächen zeigen die makroskopischen Modelle hinsichtlich der Beschreibung der Dehnviskosität. Diese Problematik wird in der aktuellen Forschung durch die mögliche Trennung der Modellierung des Dehnverhaltens vom Scherverhalten, mit dem auf mikroskopischen Konzepten basierenden Pom-Pom Modell teilweise behoben. Es zeigt sich, dass die Beschreibung der Dehnviskosität in stationären und transienten Deformationen bzw. Deformationsgeschwindigkeiten weiterhin ein offenes Problem darstellt. Im Rahmen des SFB-Transregio 30 spielen die beiden Kunststofffamilien Polycarbonat und Polypropylen eine zentrale Rolle. Dabei werden durch Dehnbeanspruchungen gewünschte Eigenschaften im Endmaterial herbeigeführt. Für diese Arbeit wurden im Rahmen von Studienarbeiten mehrere Dehn- aber auch Schermessungen unternommen. Die Parameteridentifikation zur Anpassung der Materialmodelle geschah im Falle einer transienten Optimierung mit der Kopplung einer Runge-Kutta-Integrationsmethode 4-5 Ordnung und einer auf der Basis der Evolutionsstrategie basierenden Optimierungsmethode. Für die in stationären Messungen zu erhaltenen Parameter wurde die Evolutionsstrategie in Verbindung mit einer Newton-Raphson-Methode gekoppelt. Um Kunststoffschmelzen unter hohen Dehnbeanspruchungen und komplexen Geometrien simulieren zu k¨onnen, wurden in dieser Arbeit die Bilanzgleichungen der Mechanik und die Materialmodelle in Form einer Transportgleichung mit dem Konzept der Finiten Volumen diskretisiert. Hier zeigt sich durch die Flexibilität der erwähnten Methoden und der ausgeprägten Bandstruktur der Koeffizienten-Matrizen der linearisierten Gleichungssysteme die Vorteile der Finite-Volumen-Methode, im Gegensatz zu der üblichen Finite-Element-Methode. Die hyperbolischen Eigenschaften der viskoelastischen Materialmodelle verursachen erhebliche Schwierigkeiten in der Kopplung des Differentialgleichungssystems mittels eines SIMPLE bzw. PISO Verfahrens. Durch das Fehlen des Laplace-Operators ist die allgemeine Reynoldsche Transportgleichung nicht mehr erfüllt. Dies verursacht einen undefinierten Typ von Differentialgleichungen, der sich über Zeit und Raum ändert. Die Stabilisierung der numerischen Simulation in dieser Arbeit wurde mit der klassischen Viscous-Formulation-Methode und mit einer modifizierten Elastic-Viscous-Stress-Splitting-Methode, der sogenannten Discrete-Elastic-Viscous-Stress-Splitting-Methode, vorgenommen. Die künstlich hinzu gebrachten Diffusionsgrößen werden implizit und explizit behandelt. Diese Methode erfordert mehrere SIMPLE bzw. PISO Iterationen, erhöht aber die Stabilität um ein Vielfaches. Die Implementierung wurde in der Open-Source Finite-Volumen Biblothek OpenFOAM durchgeführt. Die Genauigkeit des Codes wurde anhand eines Benchmarks bewiesen. Hierbei konnten auch f¨ur extrem große Deborah Zahlen stationäre Lösungen gefunden werden. Diese stimmen auch mit mehreren in der Literatur veröffentlichten Ergebnissen überein. Des Weiteren wurde mittels des invarianten Raums des Verformungsgeschwindigkeitstensors eine Visualisierung der Strömungsart ermöglicht. Um im Rahmen der Modellierungseinflüsse bezüglich des anisotropen Molekülbeweglichkeitstensors auf die Strömungsfelder zu verweisen, wurde eine Cross-Slot Geometrie gerechnet. Dabei zeigt sich, dass die Strömungsarten davon abhängen, wie sich die Dehnviskosität des Modells verhält. Zuletzt wurde mittels der ALE-Formulierung der konvektiven Flüsse und der dynamischen Netzgenerierung ein 2D und 3D Pressvorgang simuliert. Dabei konnten erstaunliche Ergebnisse bezüglich der Extraspannungen und der Dehnregionen des gepressten Materials ermittelt werden.
@book{urn:nbn:de:hebis:34-2013012842468, author ={Baldawi, Ammar al-}, title ={Modellierung und Simulation viskoelastischer Polymerschmelzen}, keywords ={620 and Polymere and Polymerschmelze and Viskoelastizität}, copyright ={https://rightsstatements.org/page/InC/1.0/}, language ={de}, year ={2012} }