Von den Markenteilungen bis zum Emscher Landschaftspark: Freiraumverluste und Freiraumschutz im Ruhrgebiet
In der vorliegenden Arbeit werden die Erfolge und Misserfolge der Freiraumpolitik im Ruhrgebiet untersucht. Ausgangspunkte sind der Freiraumschwund, der ĂŒber einen Zeitraum von fast 200 Jahren dokumentiert wird, sowie die Gegenbewegungen, die sich fĂŒr den Freiraumschutz einsetzen. Nach der Vorstellung einer Freiraumtypologie werden diese Entwicklungen in detaillierten historischen Abrissen fĂŒr jeden Freiraumtyp dargestellt, woraus sich eine eigene Ruhrgebietsgeschichte - aus der Perspektive der FreiflĂ€chen und ihrer Nutzer - ergibt. Folgerichtig beginnt die vorliegende Arbeit nicht mit Kohle und Eisen, sondern mit der Land- und Forstwirtschaft. Anhand historischer Quellen wird die gĂ€ngige Am-Anfang-war-die-Heide-These widerlegt, denn das Ruhrgebiet war waldreich und ein produktiver Agrarraum. Landwirtschaftliche FlĂ€chen- und Waldverluste sind die Basis der SiedlungstĂ€tigkeit. Ohne die Gemeinheitsteilungen im 19. Jahrhundert wĂ€ren die Stadterweiterungen und Industrieansiedlungen im Ruhrgebiet nicht möglich gewesen. Die - in GrundzĂŒgen im Ersten Weltkrieg entwickelte - Agrarpolitik mit der Förderung von ProduktivitĂ€tssteigerungen und Hofaufgaben erleichterte den weiteren Entzug von AgrarflĂ€chen, und genauso wirkt heute die Liberalisierung der AgrarmĂ€rkte. Alternative AnsĂ€tze (z.B. Direktvermarktung) konnten diesen Trend noch nicht aufhalten. Auch das Baumschutzgesetz von 1922 konnte die nationalsozialistischen KahlschlĂ€ge, die Waldverluste im Zweiten Weltkrieg und durch den Wiederaufbau nicht verhindern. Erst seit der Deindustrialisierung, der Aufforstung von Halden und der Umweltbewegung nehmen WĂ€lder wieder zu. DemgegenĂŒber treten Ende des 19. Jahrhunderts völlig neue Freiraumtypen auf. Die bĂŒrgerschaftliche Kleingartenbewegung wurde dank ihrer Bedeutung fĂŒr die ErnĂ€hrung in den StĂ€dten seit dem Ersten Weltkrieg vom Staat stark unterstĂŒtzt, von den Nationalsozialisten gleichgeschaltet, konnte aber in den 1950er Jahren ihren bĂŒrgerschaftlichen Charakter und ihre StĂ€rke wieder zurĂŒckgewinnen. Auch wenn KleingĂ€rten als bauliche ReserveflĂ€chen missbraucht werden, geschieht dies nicht mehr ohne Ersatzland. Im Unterschied hierzu wurde die Stadtparkbewegung kommunalisiert. Sodann entstanden Volksparks mit Sportanlagen, Ă€sthetisch ausgerichtete Gartenschauen, die breit gefĂ€cherten Revierparks der 1970er Jahre und neue Parktypen im Emscher Landschaftspark. 1920 wird der Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk gegrĂŒndet, der mit den VerbandsgrĂŒnflĂ€chen ein eigenes Instrument zum Freiraumschutz und die Kompetenz zur Fluchtlinien- bzw. Bebauungsplanung erhielt. Inzwischen darf der Verband, vor einigen Jahren in den Regionalverband Ruhr umgewandelt, zu kommunalen Planungen nur noch Stellungnahmen abgeben. Schon frĂŒh versuchte der Verband, industrielles Ădland zu begrĂŒnen. Nach den BahndammbegrĂŒnungen vor dem Zweiten Weltkrieg hat er seit den 1950er Jahren Halden aufgeforstet, bis in den 1990er Jahren der Aufbau des Emscher Landschaftsparks begann. Zechen- und Industriebrachen werden in neue Parks, Halden und MĂŒlldeponien in Landmarken und Freizeitlandschaften verwandelt. Zu fragen ist, was aus diesen Geschichten fĂŒr die Freiraumpolitik folgt. Zwei gegensĂ€tzliche Thesen werden diskutiert: die Tragedy of the Commons, die im Gemeineigentum die Ursache ökologischer Probleme sieht, wĂ€hrend der Common-Property-Ansatz gerade in gemeinschaftlichen Nutzungen einen Ansatz fĂŒr Problemlösungen sieht. Dabei liegt eine Besonderheit von FreirĂ€umen in ihrem hohen Ăffentlichkeitsgrad, d.h. dass sie von vielen Menschen genutzt werden und gleichzeitig mehrere, z.B. produktive, ökologische, politische oder berufliche Funktionen erfĂŒllen. Untersucht wird, inwieweit erfolgreich gesicherte FreiflĂ€chen Merkmale von stabilen Common-Property-Institutionen tragen, d.h. welche Funktionen die FreirĂ€ume erfĂŒllen, wie ihre Nutzung geregelt ist und vor allem welchen Einfluss die Nutzer auf Entscheidungen haben. Thesenhaft lĂ€sst sich zusammenfassen, dass ein Teil der FreirĂ€ume sein Wachstum einer derzeit unverzichtbaren Funktion verdankt, nĂ€mlich der Camouflage von MĂŒll und Altlasten, die eine bauliche Nutzung ausschlieĂen. Andere FreirĂ€ume verdanken ihren Bestand ihren vielfĂ€ltigen Nutzungen, zur Erholung, durch DenkmĂ€ler, fĂŒr Veranstaltungen, aber auch der Wertsteigerung fĂŒr umliegende Wohngebiete. Ein kleiner Teil der FreirĂ€ume hat tatsĂ€chlich einen Common-Property-Charakter: Kleingartenanlagen, die von bĂŒrgerschaftlichen Gruppen gegrĂŒndeten Parks sowie die FlĂ€chen, die durch BĂŒrgerinitiativen o.Ă€. gegen eine bauliche Umnutzung verteidigt werden. Grund genug, um die Idee eines Netzwerks von Parkvereinen aufzugreifen, die sich von bĂŒrgerschaftlicher Seite aus fĂŒr FreirĂ€ume einsetzen können.
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