Die Welt im 22. Jahrhundert: Die Erde ist aufgrund von Naturkatastrophen, Epidemien, Kriegen und erschöpften Ressourcen nahezu unbewohnbar geworden. Die Menschen, die es sich leisten konnten zu entkommen, richten sich ihr Leben auf anderen Planeten, Raumstationen oder in vereinzelt übrig gebliebenen Refugien auf der Erde ein. In diesen neu in Besitz genommenen Räumen leben sie in paradiesischen Gärten. Die Mehrheit der Menschen sieht sich jedoch mit bedrohlicher Wildnis, lebensfeindlicher Landschaft oder wilden Kreaturen konfrontiert. Diese und weitere Szenarien findet man in Science-Fiction-Filmen wie Elysium, After Earth, Oblivion oder Interstellar. Darin zeigen Filmemacher mögliche zukünftige Landschaft in ihren Extremen. In der vorliegenden Dissertation werden derartige Darstellungen von Landschaft, Wildnis, Garten und Gewächshaus im Science-Fiction-Film in Bezug auf das Verhältnis zwischen Natur und Gesellschaft näher untersucht. Die Dissertation mit dem Titel „Die Darstellung von Landschaft im Science-Fiction-Film“ umfasst zwei Bände, von denen Band I die Dissertationsschrift und Band II die dazugehörigen Abbildungen und Tabellen enthält. Im zweiten Band findet man zudem ein umfassendes Filmglossar aller im Rahmen dieses Forschungsvorhabens untersuchten 65 SF-Filme, die sich schwerpunktmäßig aus in den USA bzw. westlichen Ländern produzierten Blockbustern ab dem Jahre 2000 zusammensetzen. Filmische Raumkonstruktionen sind kulturelle Konstrukte, vergleichbar beispielsweise mit Landschaftsgemälden. Obwohl der Science-Fiction-Film fiktive, aber dennoch denkbare Möglichkeiten der Wirklichkeit zeigt, enthalten fremde Welten immer auch etwas aus dem alltäglichen menschlichen Erfahrungshorizont. Gerade das Genre der SF geht jenen existenziellen Fragen nach, die unser Dasein jetzt und auch in Zukunft bestimmen werden, und entwirft dazu entsprechende Räume. So reflektieren Filmbilder zeitgenössische Problemstellungen und Mentalitäten wie Ängste, Wünsche und Hoffnungen, erstrebte Ideale sowie Moralvorstellungen. Die erste Hypothese der Dissertation bezieht sich auf diesen kulturhistorischen Zusammenhang: Die Darstellungen von Natur, Garten und Landschaft im Science-Fiction-Film dienen als guter Zeiger dafür, wie der landschaftliche Blick der Rezipienten in der 120-jährigen SF-Filmgeschichte - von Die Reise zum Mond (1902) bis Dune (2021) - in Bezug auf eine theoretisch mögliche Zukunft geprägt wurde, und welche konventionalisierten Motive von Natur, Landschaft und Garten in unserer Gesellschaft vorherrschen. Diese Arbeit überprüft, ob der Science-Fiction-Film durch bestimmte Darstellungen von Landschaft entweder positiv/aufwertend oder negativ/abwertend Trendwenden gesellschaftlicher Wahrnehmung von Landschaft und Natur im Laufe der Filmgeschichte aufgegriffen hat. Darauf aufbauend verfolgt die zentrale Hypothese der Arbeit, ob sich die ursprüngliche Verknüpfung der „Guten“ mit „eutopischen“ Landschaften und die Verknüpfung der „Bösen“ mit „dystopischen“ Landschaften mittlerweile ins Gegenteil verkehrt haben, also konkret ob die „Guten“ in gegenwärtigen Science-Fiction-Filmen häufiger in „dystopischen“ Landschaften und die „Bösen“ zunehmend in „eutopischen“ Landschaften dargestellt werden. Eine dritte Hypothese befasst sich mit der Ästhetik sciencefictionaler Landschaftsdarstellungen: Der SF-Film verfolgt ästhetische Bildstrategien der Romantik, so dass von einer „Sciencefictionalen Neoromantik“ gesprochen werden kann. Methodisch wird zur Überprüfung dieser drei Hypothesen ein Mixed-Methods-Verfahren angewendet, bei dem die quantitative Analyse dominiert. Im Rahmen des Forschungsvorhabens wird induktiv-empirisch ein belastbares Codesystem für die Bewertung von Filmbildern in Bezug auf gängige Motivkonventionen im Science-Fiction-Film entwickelt. Diese Typenbildung umfasst u.a. Morphologien, „Kulturelle Typen“, Atmosphären, „Utopietypen“ und ihr Zusammenspiel mit filmischen Charakteren. Die einzelnen Codes sind kulturhistorisch bzw. naturwissenschaftlich hergeleitet und in Landschaftstheorien eingebettet. Anhand dieser umfangreichen Filmbildbewertungs-Matrix werden insgesamt 4558 Filmbilder analysiert, sogenannte establishing shots, die den jeweiligen Ort der Handlung einführen. Dieses Verfahren lässt sich generell für strukturierte Landschaftsbildbewertung anwenden, so dass die vorliegende Arbeit ein grundlegendes methodisches Instrumentarium für weiterführende Forschungen anbietet. In der Dissertation kann belegt werden, dass der Science-Fiction-Film als „Zeitgeistbarometer“ die Möglichkeit bietet, bestimmte Diskurse anzustoßen und in den Fokus der planerischen Praxis zu rücken. Zu nennen sind in diesem Kontext beispielsweise aktuelle Tendenzen in unserer Gesellschaft wie die Sehnsucht nach unverbrauchter Natur bei gleichzeitiger Angst vor dem Klimawandel und seinen Folgen.
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@phdthesis{doi:10.17170/kobra-2025100911509, author = {Meyer-Roscher, Friederike}, title = {Die Darstellung von Landschaft im Science-Fiction-Film}, keywords = {710 and 791 and Landschaft and Science-Fiction-Film and Natur and Gesellschaft and Romantik and Wildnis and Garten and Gewächshaus}, copyright = {http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/}, language = {de}, school={Kassel, Universität Kassel, Fachbereich Architektur, Stadtplanung, Landschaftsplanung}, year = {2025} }
