Die extreme Rechte im langen Sommer der Migration
Eine historisch-materialistische Politikanalyse
Angesichts der Wahl- und Mobilisierungserfolge der extremen Rechten stellt sich die Frage, ob es der extremen Rechten gelungen ist, die KrĂ€fteverhĂ€ltnisse in Deutschland grundlegend zu verschieben. Da die Untersuchung von KrĂ€fteverhĂ€ltnissen notwendig mit dem Problem der ĂberkomplexitĂ€t konfrontiert ist, nutzt diese Dissertation den Begriff des Hegemonieprojekts, der es erlaubt, die sonst unzĂ€hligen in das KrĂ€fteverhĂ€ltnis einflieĂenden Handlungen anhand ihrer strategischen Richtung zu bĂŒndeln. Der Frage nach dem Einfluss der extremen Rechten auf das KrĂ€fteverhĂ€ltnis lĂ€sst sich also als Frage nach der Existenz eines extrem rechten Hegemonieprojekts operationalisieren. Als begriffliche, heuristische Abstraktionen existieren Hegemonieprojekte allerdings nur in konkreten gesellschaftlichen Auseinandersetzungen. In dieser Arbeit wird die Frage nach einem extrem rechten Hegemonieprojekt anhand der migrationspolitischen Auseinandersetzungen im âlangen Sommer der Migrationâ 2015 verfolgt, da dieser Konflikt vielfach mit dem Erstarken der extremen Rechten in Verbindung gebracht wird. Damit von einem extrem rechten Hegemonieprojekt gesprochen werden kann mĂŒssen folgende Kriterien empirisch zutreffen: Es muss im untersuchten Konflikt eine eigene, von anderen Hegemonieprojekten abgrenzbare Strategie existieren, die ĂŒber entsprechende Handlungen von Akteur:innen einen Einfluss auf das KrĂ€fteverhĂ€ltnis im Konflikt hat. Der Einfluss eines solchen StrategiebĂŒndels hĂ€ngt dabei von seiner KohĂ€renz, der Anzahl der so handelnden Akteur:innen und ihrer Machtressourcen ab. DarĂŒber hinaus kann nur dann sinnvoll von einem Hegemonieprojekt gesprochen werden, wenn die Strategie auch in anderen Konflikten bzw. politikfeldĂŒbergreifend verfolgt wird. Methodologisch folgt die Arbeit der Historisch-Materialistischen Politikanalyse (HMPA) und dem von ihr vorgeschlagenen Dreischritt von Kontext-, Prozess- und Akteursanalyse. Methodisch beruht sie auf einer qualitativen Inhaltsanalyse der Berichterstattung ĂŒber migrationspolitische Konflikte im Jahr 2015 in Zeitungen einerseits sowie Veröffentlichungen relevanter Akteur:innen im Rahmen dieser Auseinandersetzungen andererseits. Anhand dieser Untersuchung lĂ€sst sich sowohl fĂŒr den untersuchten Konflikt als auch darĂŒber hinaus ein extrem rechtes Hegemonieprojekt identifizieren, das sich jedoch noch im Entstehungsprozess zu befinden scheint und dementsprechend weniger âkonsolidiertâ ist als andere Hegemonieprojekte. Die grundlegende Strategie dieses extrem rechten Hegemonieprojekts besteht im Erhalt des âdeutschen Volkesâ, der durch die Einheit von (rassistisch definiertem) Volk und Nation sichergestellt werden soll. Im untersuchten migrationspolitischen Konflikt drĂŒckte sich diese Strategie darin aus, die Ankunft der GeflĂŒchteten aus mehrheitlich muslimischen LĂ€ndern als Manifestation des Verfalls des âdeutschen Volkesâ zu interpretieren und entsprechend zu bekĂ€mpfen.
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@phdthesis{doi:10.17170/kobra-2024071110517, author ={Eicker, Jannis}, title ={Die extreme Rechte im langen Sommer der Migration}, keywords ={320 and Deutschland and Politik and Analyse and Macht and Rechtsradikalismus and Migration and Hegemonie}, copyright ={http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/}, language ={de}, school={Kassel, UniversitÀt Kassel, Fachbereich Gesellschaftswissenschaften}, year ={2024} }