dcterms.abstract | Organismen auf der Erde entwickelten oszillierende endogene Uhren, welche zirkadiane Rhythmen in der Physiologie und im Verhalten steuern, die für Gesundheit, Überleben und die Organisation von täglichen Aufgaben (z. B. Lokomotion, Nahrungsaufnahme) essentiell sind. Die endogene Periode der zirkadianen Uhren ist mit dem 24-Stunden-Licht-Dunkel-Zyklus der aufgehenden und untergehenden Sonne synchronisiert. Ebenso wie alle anderen Organismen, besitzt auch die Madeira-Schabe Rhyparobia (syn. Leucophaea) maderae eine innere Uhr mit einem endogenen Rhythmus von etwa („circa“) 24 Stunden (Golombek und Rosenstein, 2010). Läsions- und Transplantationsexperimente identifizierten die akzessorische Medulla (AME) mit pigment-dispersing factor (PDF) exprimierenden Neuronen am ventromedialen Rand der Medulla in den optischen Loben als zentrales Schrittmacherzentrum, welche den Aktiviätsrhythmus der Schaben steuert (Stengl und Homberg, 1994; Reischig und Stengl, 2003a). Die nachtaktive und robuste Madeira-Schabe ist ein gut geeigneter Modellorganismus für verhaltensbezogene, zelluläre und elektrophysiologische Untersuchungen der zirkadianen Forschung (Page 1982; Stengl und Homberg, 1994; Homberg et al., 2003). Bislang wurde die innere Uhr von Insekten, sowie auch der Madeira Schabe, nur wenig elektrophysiologisch charakterisiert. Auch ist unbekannt wie PDF-Neurone Aktivitätsrhythmen auf zellulärer Ebene steuern. In meiner Dissertation lag der Schwerpunkt auf der elektrophysiologischen Charakterisierung von AME Neuronen und im besonderen auf PDF Neuronen in vitro als auch in vivo. Das Neuropeptid PDF stellt den wichtigsten zirkadianen Kopplungsfaktor für Insekten dar. Dieses steuert vermutlich die Synchronisation von Schrittmacherneuronen beider bilateral symmetrischer zirkadianer Uhren, kontrolliert Ruhe- und Aktivitätsrhythmen und ist
am Lichteingang beteiligt (Helfrich-Foerster 2014; Stengl et al., 2015; Stengl und Arendt, 2016). Mittels intrazellulärer Ableitungen wurden in dieser Arbeit zunächst AME-Neurone abgeleitet, um zirkadiane Schrittmacherzellen, wie unter anderem auch die PDF-Zellen, weiter zu charakterisieren. Diesbezüglich wurde zunächst von mehreren lichtempfindlichen Neuronen in der Medulla oder nahe der AME abgeleitet. Dabei konnte das größte PDF-exprimierende Neuron identifiziert werden. Dieses generierte Oszillationen, reagierte tagsüber aber nicht auf applizierte Lichtreize. Da es sich als sehr schwierig erwies PDF-Neurone mit der intrazellulären Methodik vollständig zu färben und physiologisch zu charakterisieren, wurden weitere Techniken praktiziert, um PDF-Neurone weiter analysieren zu können. Bei der Durchführung von Backfills in R. maderae aus dem kontralateralen optischen Stiel zusammen mit ultrananokristallinen Diamant- (UNCD) Filmen, Calcium-Imaging- Experimenten und immunchemischen Analysen konnte gezeigt werden, dass alle PDF-sensitiven kontralateral projizierten AME-Neurone durch PDF-Applikation inhibiert wurden, während alle ipsilateral verbleibenden Neurone durch PDF aktiviert wurden. Unter den PDF-sensitiven Neuronen waren auch kontralateral projizierende mittelgroße PDF-immunreaktive (ir) Neurone, die durch PDF inhibiert wurden und kleine lokale ipsilateral verbleibende PDF-ir-Neurone, die durch PDF aktiviert wurden. Diese PDF-exprimierenden Neurone hatten Autorezeptoren für ihr eigenes Peptid. Interessanterweise besaß das größte PDF-ir-Neuron, das in allen Zielbereichen der PDF-Zellen verzweigt, keine Autorezeptoren für sein eigenes Peptid. Warum dies der Fall ist, konnte nicht gelöst werden. Intrazelluläre Ableitungen der AME im Rhyparobia-Gehirn in Kombination mit immunzytochemischen Studien zeigten, dass Fasern lichtempfindlicher Neurone, die intensitätsabhängig auf grünes Licht reagieren, mit Fasern von PDF-Neuronen überlappen. Um mehr über die elektrophysiologischen Eigenschaften von AME-
Neuronen während des 24-Stunden-Tages zu erfahren, wurden zudem Langzeit loose-patch-clamp-Ableitungen durchgeführt. Wie bereits zuvor in Ca2+ Imaging- Studien in Drosophila melanogaster (Liang et al., 2016) gezeigt werden konnte, variierte die elektrische Aktivität von AME-Neuronen im Laufe des Tages. Interessanterweise zeigten AME-Neurone Aktivitätsmaxima während der Abenddämmerung, bevor die lokomotorische Aktivität der nächtlichen Madeira- Schabe beginnt. Andere Zellen wurden im Morgengrauen und während des Tages aktiv, während die Schaben schlafen. Als nächstes untersuchte ich über loose patch- clamp-Ableitungen, ob Neurone in der AME auf weißes oder grünes Licht bei niedrigen Intensitäten reagieren und ob PDF lichtempfindliche Neurone in der zirkadianen Uhr der Madeira-Schabe beeinflussen kann. Wie in früheren Studien in Periplaneta Americana gezeigt wurde (Mote und Goldsmith, 1970; Mote und Black, 1981), reagierten sie speziell auf grünes Licht im Gegensatz zu weißem Licht. PDF- Applikationen verursachten Inhibitionen, Aktivierungen oder Ensemble-Formationen in der AME. Interessanterweise konnte PDF Lichtantworten von AME-Neuronen modulieren. In einigen Fällen konnte PDF auch Lichtreaktionen in der zirkadianen Uhr unterdrücken. Loose patch-clamp-Ableitungen beider AMEs zeigten, dass beide gekoppelt sind und auf die PDF-Applikation oft in gleicher Weise reagierten. Da angenommen wird, dass sowohl GABA als auch Serotonin an neuronalen Lichteingangswegen und Steuerungs-Mechanismen in der AME beteiligt sind, wurde in dieser Arbeit mit patch-clamp Ableitungen weiterhin GABA- sowie Serotonin- Reaktionen von AME-Neuronen charakterisiert. Letztlich konnte gezeigt werden, dass PDF-Neurone tatsächlich eine Rolle bei der Steuerung von Lichteingängen spielen, ebenso wie bei der kontralateralen Kopplung, der Synchronisation und Ensemblebildung in der AME, die für ihr eigenes Peptid, GABA und ACh empfindlich ist. | ger |