Buch
Solidarische Ökonomie in Argentinien nach der Krise von 2001
Solidarische Ökonomie in Argentinien nach der Krise von 2001
Strategische Debatten und Praktische Erfahrungen
Zusammenfassung
Die schwere Krise nach dem Zusammenbruch des argentinischen currency board, d.h. nach der Aufgabe der fixen Dollarbindung des Peso, zog nicht nur die Wirtschaft in Mitleidenschaft. Die Gesellschaft insgesamt war betroffen und daher auch die Politik. Die abgehalfterten Politiker, die den ökonomischen Absturz, den sozialen Verfall und das politische Debakel zu verantworten hatten, sollten „alle abhauen“ („que se vayan todos“), das Volk müsse und würde seine Angelegenheiten selbst in die Hand nehmen. Lärmende Demonstrationen in Buenos Aires und anderswo kündeten vom unbändigen Willen, mit der Vergangenheit eines korrupten und unfähigen Regimes Schluss zu machen und Neues anzufangen. Mehrere Regierungen lösten sich um den Jahreswechsel 2001 ab, bis mit Nestor Kirchner ein Präsident gewählt wurde, der zumindest einige der Forderungen der demonstrierenden Massen aufzugreifen versprach. Hunger kehrte in ein Land zurück, das nach dem zweiten Weltkrieg reicher als beispielsweise Italien war. Damals konnten die Argentinier leicht herablassend auf den alten Kontinent blicken. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts bildeten sie lange Schlangen vor der Botschaft Italiens und Spaniens mit Anträgen zur Auswanderung, denn sie erinnerten sich ihrer italienischen oder spanischen Vorfahren. Für die Nahrung sorgten sehr bald Suppenküchen in den Barrios; an die Stelle des formellen Pesogeldes traten an die 20 Regional- und Spezialgelder, die z. T. eher als Wertmarken für die vielen Tauschringe dienten, die überall in Argentinien entstanden, z. T. wohl organisiert und internet-basiert. Selbst öffentliche Einrichtungen wie die Stadt Buenos Aires schufen Spezialgeld, damit überhaupt die Bürger in der Lage waren, ihre Steuern zu zahlen und die Stadtverwaltung die Löhne ihrer Angestellten. Besonders fatal und dramatisch für die vielen Betroffenen waren aber die Betriebsschließungen und die hohe Arbeitslosigkeit. Was kann dagegen getan werden, wenn die Regierung weder über finanzielle Mittel noch über die administrative Kompetenz verfügt, “staatsinterventionistisch“ Beschäftigungspolitik zu betreiben und wenn Unternehmer den Versuch machen, ihre unrentablen Betriebe auszuschlachten und das Kapital im Ausland in Sicherheit zu bringen? Die Antwort auf diese Frage lautet: Selbst ist der Mann bzw. die Frau, aber nicht individuell, sondern in kollektiver Aktion. Betriebe werden besetzt und wieder in Gang gesetzt. Das sind die auch hierzulande bekannt gewordenen „fabricas recuperadas“. Es waren nicht wenige, sondern viele besetzte Betriebe, so dass die Regierung im Laufe der Zeit darüber nachzudenken gezwungen war, wie die „illegalen“ Betriebsbesetzungen legalisiert werden konnten. In der Krise und als eine Antwort darauf entstand die „solidarische Ökonomie“.
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