Datum
2021Autor
Pfeuffer, AndreasSchlagwort
300 Sozialwissenschaften, Soziologie DeutschlandKrankenhausDiagnosis-related-groups-KonzeptFallpauschalePatientenklassifikationAbrechnungMedizinischer Dienst der KrankenversicherungMetadata
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Dissertation
Kodieren als Beruf
Kodieren als Beruf
Die Kodierfachkräfte, eine Beschäftigtengruppe des Krankenhauses im Spannungsfeld zwischen medizinisch-pflegerischen und betriebswirtschaftlichen Ansprüchen
Zusammenfassung
Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist das 2003 in Deutschland eingeführte Abrechnungssystem von Krankenhausleistungen nach Fallpauschalen, die auf den Diagnosis Related Groups (DRG) basieren. Die arbeits- und berufs- bzw. professionssoziologische, organisations- sowie medizinsoziologische Fragestellungen verknüpfende Arbeit, geht auf der Grundlage semi-standardisierter Leitfadeninterviews mit Beschäftigten unterschiedlicher Kategorien öffentlicher Krankenhäuser und Mitarbeiter*innen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) sowie teilnehmender Beobachtung und Analyse von Fachpublikationen der Frage nach, was in der Praxis in und zwischen den Bereichen des Krankenhauses sowie darüber hinaus im Umgang mit dem MDK formell wie informell (Rightcoding und Upcoding) geschieht, wenn eine Krankenhausbehandlung im Rahmen des DRG-Systems „abgerechnet“ werden soll.
Dabei werden die Perspektiven der verschiedenen am Behandlungs- (medizinisch-pflegerische Trajektorie) und Abrechnungsprozess (DRG-Trajektorie) und damit an der «Fabrikation» der jeweiligen DRG eines Falles beteiligten Berufsgruppen auf das Abrechnungssystem, ihr praktischer Umgang damit, aber auch die zwischen diesen Berufsgruppen herrschende Arbeitsteilung, die Auseinandersetzungen um jurisdictional claims (Abbott) und die damit verbundenen Konflikte genauer in den Blick genommen.
Die Ärzteschaft reagiert in Bezug auf die ihr obliegenden Dokumentationsverpflichtung vorwiegend vermeidend, wenn sie nicht gelernt hat, das Fallpauschalensystem «auszubeuten» (Werner Vogd). Der Pflegedienst, der lange Zeit Opfer des nicht zuletzt durch das Fallpauschalensystem initiierten Stellenabbaus gewesen ist, hatte ungeachtet dessen zunächst eine durchaus positive Haltung gegenüber dem System und den ihm zukommenden bürokratischen Aufgaben, etwa dem Kodieren im Rahmen der Pflegekomplexmaßnahmen (PKMS), entwickelt, was mit der Hoffnung, die Arbeit der Pflege gegenüber der ärztlichen Tätigkeit aufzuwerten und «sichtbarer» zu machen, als Anerkennungskampf interpretiert wird.
Im Zentrum der Arbeit steht aber die Genese und Berufspraxis der Tätigkeitsgruppe der Kodierfachkräfte, die in den meisten Krankenhäusern für die Kodierung der Fälle im Rahmen des Abrechnungsprozesses nicht de jure, aber faktisch zuständig sind. Anhand der Kontrastierung der Berufsverläufe der Personen aus dem Untersuchungssample ergibt sich ein recht buntes Bild an unterschiedlichen vorangegangen Tätigkeiten, Ausbildungen (ehemalige Pflegekräfte, Medizinische Dokumentar*innen, Arzthelferinnen, Stationsassistentinnen) und Motiven für den Wechsel ins Medizincontrolling. In arbeitssoziologischer Perspektive werden auf der Basis der Interviews sowie teilnehmender Beobachtung der Arbeit auf den Stationen sowie des Kodierprozesses mit Patientenakte und „Grouper-Software“ die konkreten Arbeitssituationen und Arbeitsbedingungen, aber auch die Konflikte in den Interaktionen mit den Angehörigen des ärztlichen Dienstes dargestellt, bevor dann in Form einer Fallkontrastierung unterschiedliche Deutungsmuster, professionelle Dispositionen und Praktiken von Kodierfachkräften herausgearbeitet werden.
Schließlich wird als letzte Phase der DRG-Trajektorie das Verhältnis der Organisation Krankenhaus zum Kontrollorgan der Krankenversicherungen, dem MDK beleuchtet. Aufgrund von realen oder vermeintlichen Fällen von Missbrauch und Abrechnungsbetrug herrscht ein Misstrauensverhältnis zwischen der Organisation Krankenhaus und den Kostenträgern, das in Form des Auftrags der Abrechnungsprüfungen an den MDK institutionalisiert ist. Hier wird am Beispiel eines öffentlichen Krankenhauses dessen Medizincontrolling als organisationale «Grenzstelle» gefasst, die mit der Organisationsumwelt (Krankenkassen, MDK) ein Vertrauensverhältnis zu etablieren bemüht ist.
Dabei werden die Perspektiven der verschiedenen am Behandlungs- (medizinisch-pflegerische Trajektorie) und Abrechnungsprozess (DRG-Trajektorie) und damit an der «Fabrikation» der jeweiligen DRG eines Falles beteiligten Berufsgruppen auf das Abrechnungssystem, ihr praktischer Umgang damit, aber auch die zwischen diesen Berufsgruppen herrschende Arbeitsteilung, die Auseinandersetzungen um jurisdictional claims (Abbott) und die damit verbundenen Konflikte genauer in den Blick genommen.
Die Ärzteschaft reagiert in Bezug auf die ihr obliegenden Dokumentationsverpflichtung vorwiegend vermeidend, wenn sie nicht gelernt hat, das Fallpauschalensystem «auszubeuten» (Werner Vogd). Der Pflegedienst, der lange Zeit Opfer des nicht zuletzt durch das Fallpauschalensystem initiierten Stellenabbaus gewesen ist, hatte ungeachtet dessen zunächst eine durchaus positive Haltung gegenüber dem System und den ihm zukommenden bürokratischen Aufgaben, etwa dem Kodieren im Rahmen der Pflegekomplexmaßnahmen (PKMS), entwickelt, was mit der Hoffnung, die Arbeit der Pflege gegenüber der ärztlichen Tätigkeit aufzuwerten und «sichtbarer» zu machen, als Anerkennungskampf interpretiert wird.
Im Zentrum der Arbeit steht aber die Genese und Berufspraxis der Tätigkeitsgruppe der Kodierfachkräfte, die in den meisten Krankenhäusern für die Kodierung der Fälle im Rahmen des Abrechnungsprozesses nicht de jure, aber faktisch zuständig sind. Anhand der Kontrastierung der Berufsverläufe der Personen aus dem Untersuchungssample ergibt sich ein recht buntes Bild an unterschiedlichen vorangegangen Tätigkeiten, Ausbildungen (ehemalige Pflegekräfte, Medizinische Dokumentar*innen, Arzthelferinnen, Stationsassistentinnen) und Motiven für den Wechsel ins Medizincontrolling. In arbeitssoziologischer Perspektive werden auf der Basis der Interviews sowie teilnehmender Beobachtung der Arbeit auf den Stationen sowie des Kodierprozesses mit Patientenakte und „Grouper-Software“ die konkreten Arbeitssituationen und Arbeitsbedingungen, aber auch die Konflikte in den Interaktionen mit den Angehörigen des ärztlichen Dienstes dargestellt, bevor dann in Form einer Fallkontrastierung unterschiedliche Deutungsmuster, professionelle Dispositionen und Praktiken von Kodierfachkräften herausgearbeitet werden.
Schließlich wird als letzte Phase der DRG-Trajektorie das Verhältnis der Organisation Krankenhaus zum Kontrollorgan der Krankenversicherungen, dem MDK beleuchtet. Aufgrund von realen oder vermeintlichen Fällen von Missbrauch und Abrechnungsbetrug herrscht ein Misstrauensverhältnis zwischen der Organisation Krankenhaus und den Kostenträgern, das in Form des Auftrags der Abrechnungsprüfungen an den MDK institutionalisiert ist. Hier wird am Beispiel eines öffentlichen Krankenhauses dessen Medizincontrolling als organisationale «Grenzstelle» gefasst, die mit der Organisationsumwelt (Krankenkassen, MDK) ein Vertrauensverhältnis zu etablieren bemüht ist.
Zitieren
@phdthesis{doi:10.17170/kobra-202109104754,
author={Pfeuffer, Andreas},
title={Kodieren als Beruf},
school={Kassel, Universität Kassel, Fachbereich Gesellschaftswissenschaften},
year={2021}
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2021-09-10T11:35:31Z 2021-09-10T11:35:31Z 2021 doi:10.17170/kobra-202109104754 http://hdl.handle.net/123456789/13236 ger Urheberrechtlich geschützt https://rightsstatements.org/page/InC/1.0/ Diagnosis Related Groups Fallpauschalen Kodierfachkräfte Krankenhaus Pflegedienst des Krankenhauses Organisationale Grenzstellen Informalität Medizinischer Dienst der Krankenversicherung 300 Kodieren als Beruf Dissertation Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist das 2003 in Deutschland eingeführte Abrechnungssystem von Krankenhausleistungen nach Fallpauschalen, die auf den Diagnosis Related Groups (DRG) basieren. Die arbeits- und berufs- bzw. professionssoziologische, organisations- sowie medizinsoziologische Fragestellungen verknüpfende Arbeit, geht auf der Grundlage semi-standardisierter Leitfadeninterviews mit Beschäftigten unterschiedlicher Kategorien öffentlicher Krankenhäuser und Mitarbeiter*innen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) sowie teilnehmender Beobachtung und Analyse von Fachpublikationen der Frage nach, was in der Praxis in und zwischen den Bereichen des Krankenhauses sowie darüber hinaus im Umgang mit dem MDK formell wie informell (Rightcoding und Upcoding) geschieht, wenn eine Krankenhausbehandlung im Rahmen des DRG-Systems „abgerechnet“ werden soll. Dabei werden die Perspektiven der verschiedenen am Behandlungs- (medizinisch-pflegerische Trajektorie) und Abrechnungsprozess (DRG-Trajektorie) und damit an der «Fabrikation» der jeweiligen DRG eines Falles beteiligten Berufsgruppen auf das Abrechnungssystem, ihr praktischer Umgang damit, aber auch die zwischen diesen Berufsgruppen herrschende Arbeitsteilung, die Auseinandersetzungen um jurisdictional claims (Abbott) und die damit verbundenen Konflikte genauer in den Blick genommen. Die Ärzteschaft reagiert in Bezug auf die ihr obliegenden Dokumentationsverpflichtung vorwiegend vermeidend, wenn sie nicht gelernt hat, das Fallpauschalensystem «auszubeuten» (Werner Vogd). Der Pflegedienst, der lange Zeit Opfer des nicht zuletzt durch das Fallpauschalensystem initiierten Stellenabbaus gewesen ist, hatte ungeachtet dessen zunächst eine durchaus positive Haltung gegenüber dem System und den ihm zukommenden bürokratischen Aufgaben, etwa dem Kodieren im Rahmen der Pflegekomplexmaßnahmen (PKMS), entwickelt, was mit der Hoffnung, die Arbeit der Pflege gegenüber der ärztlichen Tätigkeit aufzuwerten und «sichtbarer» zu machen, als Anerkennungskampf interpretiert wird. Im Zentrum der Arbeit steht aber die Genese und Berufspraxis der Tätigkeitsgruppe der Kodierfachkräfte, die in den meisten Krankenhäusern für die Kodierung der Fälle im Rahmen des Abrechnungsprozesses nicht de jure, aber faktisch zuständig sind. Anhand der Kontrastierung der Berufsverläufe der Personen aus dem Untersuchungssample ergibt sich ein recht buntes Bild an unterschiedlichen vorangegangen Tätigkeiten, Ausbildungen (ehemalige Pflegekräfte, Medizinische Dokumentar*innen, Arzthelferinnen, Stationsassistentinnen) und Motiven für den Wechsel ins Medizincontrolling. In arbeitssoziologischer Perspektive werden auf der Basis der Interviews sowie teilnehmender Beobachtung der Arbeit auf den Stationen sowie des Kodierprozesses mit Patientenakte und „Grouper-Software“ die konkreten Arbeitssituationen und Arbeitsbedingungen, aber auch die Konflikte in den Interaktionen mit den Angehörigen des ärztlichen Dienstes dargestellt, bevor dann in Form einer Fallkontrastierung unterschiedliche Deutungsmuster, professionelle Dispositionen und Praktiken von Kodierfachkräften herausgearbeitet werden. Schließlich wird als letzte Phase der DRG-Trajektorie das Verhältnis der Organisation Krankenhaus zum Kontrollorgan der Krankenversicherungen, dem MDK beleuchtet. Aufgrund von realen oder vermeintlichen Fällen von Missbrauch und Abrechnungsbetrug herrscht ein Misstrauensverhältnis zwischen der Organisation Krankenhaus und den Kostenträgern, das in Form des Auftrags der Abrechnungsprüfungen an den MDK institutionalisiert ist. Hier wird am Beispiel eines öffentlichen Krankenhauses dessen Medizincontrolling als organisationale «Grenzstelle» gefasst, die mit der Organisationsumwelt (Krankenkassen, MDK) ein Vertrauensverhältnis zu etablieren bemüht ist. open access Pfeuffer, Andreas 2021-04-15 283 Seiten Kassel, Universität Kassel, Fachbereich Gesellschaftswissenschaften Vogel, Berthold (Prof. Dr.) Schultheis, Franz (Prof. Dr.) Deutschland Krankenhaus Diagnosis-related-groups-Konzept Fallpauschale Patientenklassifikation Abrechnung Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Die Kodierfachkräfte, eine Beschäftigtengruppe des Krankenhauses im Spannungsfeld zwischen medizinisch-pflegerischen und betriebswirtschaftlichen Ansprüchen publishedVersion false true
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