Date
2012-08-24Author
Utermark, SörenSubject
900 History and geography Dernburg, BernhardDeutschland <Deutsches Reich>KolonieKolonalismusMetadata
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Dissertation
"Schwarzer Untertan versus schwarzer Bruder". Bernhard Dernburgs Reformen in den Kolonien Deutsch-Ostafrika, Deutsch-Südwestafrika, Togo und Kamerun
Abstract
Nachdem sich in der Kolonialkrise von 1906 das Scheitern der ersten Periode deutscher Kolonialherrschaft (1885-1906) offenbarte, wurde Bernhard Dernburg die grundlegende Reorganisation der Kolonialpolitik anvertraut. Als Mann aus der Welt der Banken und Finanzen sollte er die stagnierende Entwicklung der Kolonien mit Hilfe von administrativen und wirtschaftlichen Reformmaßnahmen vorantreiben und gleichzeitig der indigenen Bevölkerung eine humane Behandlung zu garantieren. Um diese Ziele zu erreichen, verabschiedete er Reformen, die eine Rationalisierung und Humanisierung der Arbeiterpolitik vorsahen. Sowohl in der zeitgenössischen Literatur als auch in der aktuellen wissenschaftlichen Forschung wird der Amtsantritt Bernhard Dernburgs zum Leiter der Kolonialabteilung im Jahre 1906 als der „Beginn einer neuen humanen Ära“ deutscher Kolonialpolitik oder als „Wandel zum Besseren“ bezeichnet. Die Dissertation „Schwarzer Untertan versus Schwarzer Bruder. Bernhard Dernburgs Reformen in den Kolonien Deutsch-Ostafrika, Deutsch-Südwestafrika, Togo und Kamerun“ untersucht die Intention, Akzeptanz, Umsetzung und Auswirkung der reformatorischen Eingeborenenpolitik und klärt, ob die Beurteilung der Ära Dernburg (1906-1910) in der zeitgenössischen und aktuellen Forschung eine Berechtigung hat.
Obwohl zumindest in der Theorie sein Konzept einer rationalen und humanen Kolonialpolitik sicherlich eine Abkehr von der bisher betriebenen Kolonialpolitik bedeutete, zeigt sich jedoch bei der Umsetzung der Reformen eine deutliche Diskrepanz zwischen Intention und Realität.
Auch wenn zumindest die Bestrebung Dernburgs zur Verrechtlichung der indigenen Arbeitsverhältnisse gewürdigt werden sollte, so muss doch konstatiert werden, dass es in der „Ära Dernburg“ definitiv nicht zu einer grundlegenden Verbesserung der indigenen Lebenssituation in den deutschen Kolonien kam. Im Gegenteil, die Dernburgsche Reformpolitik beschleunigte vielmehr den Verelendungsprozess der indigenen Bevölkerung. In allen afrikanischen Kolonien verschlechterten sich mit der Intensivierung der Verwaltung die sozialen und menschlichen Beziehungen zwischen Afrikanern und Europäern.
Vieles von dem, was Dernburg in seinem Programm propagierte, konnte nicht erreicht werden. Zwar führte Dernburg in Deutsch-Ostafrika, Deutsch-Südwestafrika und in Kamerun eine rechtlich bindende Arbeiterverordnung ein, jedoch unterschieden sich die Bestimmungen zum Teil erheblich voneinander, so dass von einer einheitlichen Modernisierung des kolonialen Arbeitsrechts nicht die Rede sein kann. Viele arbeitsrechtliche Bereiche, wie z.B. die Arbeiteranwerbung, Lohnzahlung, Minderjährigenschutz, Vertragsdauer, Arbeitszeit, Verpflegung und Unterkunft wurden nur unzureichend geregelt.
Ähnlich negativ muss auch die Reformierung der Strafrechtspflege bewertet werden. Die Kodifizierung eines Eingeborenenstrafrechts scheiterte sowohl am Widerstand der lokalen Verwaltung als auch am Grundkonsens der Rechtmäßigkeit einer Rassenjustiz.
Kolonialpolitik war auch in der „Ära Dernburg“ nichts anderes als „rohe Ausbeutungspolitik“, die zur Lösung der Arbeiterfrage beitragen sollte. Aber gerade hier, bei der Mobilisierung von afrikanischen Lohnarbeitern, war der Kolonialstaatssekretär nicht etwa mit einer „Arbeiterfürsorgepolitik“, sondern mit der Fortführung der Enteignungs- und Zwangsmaßnahmen erfolgreich gewesen. Insgesamt ist ein deutlicher Anstieg an afrikanischen Arbeitern in europäischen Unternehmen zu verzeichnen, was darauf schließen lässt, dass Dernburgs Verordnungen einen günstigen Einfluss auf die Arbeiterfrage ausgeübt haben.
Obwohl nicht von einem grundlegenden Neuanfang der Kolonialpolitik gesprochen werden kann, sollte ebenso wenig bezweifelt werden, dass sich die deutsche Kolonialpolitik nicht unter Dernburg veränderte. Größere indigene Aufstände und Unruhen blieben aus, so dass während seiner Amtszeit eine systematische wirtschaftliche Erschließung der Kolonien beginnen konnte.
Obwohl zumindest in der Theorie sein Konzept einer rationalen und humanen Kolonialpolitik sicherlich eine Abkehr von der bisher betriebenen Kolonialpolitik bedeutete, zeigt sich jedoch bei der Umsetzung der Reformen eine deutliche Diskrepanz zwischen Intention und Realität.
Auch wenn zumindest die Bestrebung Dernburgs zur Verrechtlichung der indigenen Arbeitsverhältnisse gewürdigt werden sollte, so muss doch konstatiert werden, dass es in der „Ära Dernburg“ definitiv nicht zu einer grundlegenden Verbesserung der indigenen Lebenssituation in den deutschen Kolonien kam. Im Gegenteil, die Dernburgsche Reformpolitik beschleunigte vielmehr den Verelendungsprozess der indigenen Bevölkerung. In allen afrikanischen Kolonien verschlechterten sich mit der Intensivierung der Verwaltung die sozialen und menschlichen Beziehungen zwischen Afrikanern und Europäern.
Vieles von dem, was Dernburg in seinem Programm propagierte, konnte nicht erreicht werden. Zwar führte Dernburg in Deutsch-Ostafrika, Deutsch-Südwestafrika und in Kamerun eine rechtlich bindende Arbeiterverordnung ein, jedoch unterschieden sich die Bestimmungen zum Teil erheblich voneinander, so dass von einer einheitlichen Modernisierung des kolonialen Arbeitsrechts nicht die Rede sein kann. Viele arbeitsrechtliche Bereiche, wie z.B. die Arbeiteranwerbung, Lohnzahlung, Minderjährigenschutz, Vertragsdauer, Arbeitszeit, Verpflegung und Unterkunft wurden nur unzureichend geregelt.
Ähnlich negativ muss auch die Reformierung der Strafrechtspflege bewertet werden. Die Kodifizierung eines Eingeborenenstrafrechts scheiterte sowohl am Widerstand der lokalen Verwaltung als auch am Grundkonsens der Rechtmäßigkeit einer Rassenjustiz.
Kolonialpolitik war auch in der „Ära Dernburg“ nichts anderes als „rohe Ausbeutungspolitik“, die zur Lösung der Arbeiterfrage beitragen sollte. Aber gerade hier, bei der Mobilisierung von afrikanischen Lohnarbeitern, war der Kolonialstaatssekretär nicht etwa mit einer „Arbeiterfürsorgepolitik“, sondern mit der Fortführung der Enteignungs- und Zwangsmaßnahmen erfolgreich gewesen. Insgesamt ist ein deutlicher Anstieg an afrikanischen Arbeitern in europäischen Unternehmen zu verzeichnen, was darauf schließen lässt, dass Dernburgs Verordnungen einen günstigen Einfluss auf die Arbeiterfrage ausgeübt haben.
Obwohl nicht von einem grundlegenden Neuanfang der Kolonialpolitik gesprochen werden kann, sollte ebenso wenig bezweifelt werden, dass sich die deutsche Kolonialpolitik nicht unter Dernburg veränderte. Größere indigene Aufstände und Unruhen blieben aus, so dass während seiner Amtszeit eine systematische wirtschaftliche Erschließung der Kolonien beginnen konnte.
After the failure of the first period of German colonial policy ( 1885-1906) became obvious within the colonial crisis, the task of a profound restructuring of the colonial policy was assigned to Bernhard Dernburg. As an insider of the world of banks and finance, he was expected to promote the stagnating development of the colonies by the help of administrative and economic reforms. At the same time he was obliged to guarantee a humane treatment for the indigenous population.
To achieve these aims, he passed reforms, that included a restructuring of the administration, the economy, the financial institutions and the so-called ‘indigenous policy’. All these parts of his programme were concerned that one part established the preconditions for the next one. The ‘indigenous policy’ was of supreme importance, because it comprised all those state activities, that should regulate the relationship and the treatment of the African population ( e.g. forced labour, tax levy, restrictions concerning the freedom of movement, staff training of colonial officers, school policy, law legislation and penal law). The implied aim was to solve the problem of a severe shortage of labour.
Both within the contemporary literature and among current scientific research the inauguration of Bernhard Dernburg as head of the Colonial Department in 1906 is regarded as the “start of a new humanitarian period” of German indigenous policy or as a “turning point” and “improvement”.
This thesis investigates the intention, acceptance, implementation and the effects of the new indigenous policy under Bernhard Dernburg (1906-1910) and attempts to decide whether it is justified to declare his polical style ‘innovative’ . This thesis also focuses on the problem of labour recruitment in the colonies into focus and the question, whether this crucial problem was solved during his term in office.
Although at least in theory Dernburg’s colonial-political programme which tried to combine economic rationality as well as ethical civilizing principles and meant for sure the abandoning of the previous agenda, a clear discrepancy between intention and reality became obvious during the implementation period.
Under Dernburg’s government the living conditions of African people in the German colonies didn’t improve. By contrary the reform laws increased the poverty of the indigenous population. Everywhere in the colonies social and human relationships between Africans and Europeans deteriorated by the more authoritarian rule.
Many objectives Dernburg propagated could not be achieved. Though Dernburg implemented a legally obligatory labour law in German East Africa, German Southwest Africa and in Cameroon, the regulations differed considerably. As a consequence one cannot take for granted that a uniform modernization of the colonial labour law came into existence. Many areas of labour law, e.g. the recruitment of African workers, their payment, the protection of young adults or under age children, the duration of the contract, the question of daily working hours, food supply and lodging were unsufficiently settled in and meant a severe disadvantage for the African worker from the onset.
The reform of the penal law is a similar case. The codification of a special penal law concerning the indigenous population failed because of two factors: the stiff opposition of the local administration and the deeply rooted social consensus on the legitimacy of racial privilege.
As far as the training of government officials and educational policy are concerned, Dernburg’s engagement meant only minor reforms, but no profound change. It was more or less an extension of the politically and economically motivated efforts of his predecessors. Also under Bernhard Dernburg the indigenous policy involved a crude and reckless exploitation with a primary aim abolishing the African resistance to forced labour. He did not improve the care for African workers, but one should emphasize that the Colonial Secretary of State did succeed in mobilizing African wageworkers by means of expropriation and force. As a whole there was a clear increase in the number of African workers registered in German enterprises – as a result one may conclude that Dernburg’s decrees favourably influenced their willingness to work in German plantation, small businesses and factories.
Though this cannot be considered a profound turning point of German colonial policy , there is no doubt that the German colonial policy did undergo a change under Dernburg’s influence. There were no major riots and disturbances, allowing during his mandate a systematic exploration and economic penetration of the colonies.
To achieve these aims, he passed reforms, that included a restructuring of the administration, the economy, the financial institutions and the so-called ‘indigenous policy’. All these parts of his programme were concerned that one part established the preconditions for the next one. The ‘indigenous policy’ was of supreme importance, because it comprised all those state activities, that should regulate the relationship and the treatment of the African population ( e.g. forced labour, tax levy, restrictions concerning the freedom of movement, staff training of colonial officers, school policy, law legislation and penal law). The implied aim was to solve the problem of a severe shortage of labour.
Both within the contemporary literature and among current scientific research the inauguration of Bernhard Dernburg as head of the Colonial Department in 1906 is regarded as the “start of a new humanitarian period” of German indigenous policy or as a “turning point” and “improvement”.
This thesis investigates the intention, acceptance, implementation and the effects of the new indigenous policy under Bernhard Dernburg (1906-1910) and attempts to decide whether it is justified to declare his polical style ‘innovative’ . This thesis also focuses on the problem of labour recruitment in the colonies into focus and the question, whether this crucial problem was solved during his term in office.
Although at least in theory Dernburg’s colonial-political programme which tried to combine economic rationality as well as ethical civilizing principles and meant for sure the abandoning of the previous agenda, a clear discrepancy between intention and reality became obvious during the implementation period.
Under Dernburg’s government the living conditions of African people in the German colonies didn’t improve. By contrary the reform laws increased the poverty of the indigenous population. Everywhere in the colonies social and human relationships between Africans and Europeans deteriorated by the more authoritarian rule.
Many objectives Dernburg propagated could not be achieved. Though Dernburg implemented a legally obligatory labour law in German East Africa, German Southwest Africa and in Cameroon, the regulations differed considerably. As a consequence one cannot take for granted that a uniform modernization of the colonial labour law came into existence. Many areas of labour law, e.g. the recruitment of African workers, their payment, the protection of young adults or under age children, the duration of the contract, the question of daily working hours, food supply and lodging were unsufficiently settled in and meant a severe disadvantage for the African worker from the onset.
The reform of the penal law is a similar case. The codification of a special penal law concerning the indigenous population failed because of two factors: the stiff opposition of the local administration and the deeply rooted social consensus on the legitimacy of racial privilege.
As far as the training of government officials and educational policy are concerned, Dernburg’s engagement meant only minor reforms, but no profound change. It was more or less an extension of the politically and economically motivated efforts of his predecessors. Also under Bernhard Dernburg the indigenous policy involved a crude and reckless exploitation with a primary aim abolishing the African resistance to forced labour. He did not improve the care for African workers, but one should emphasize that the Colonial Secretary of State did succeed in mobilizing African wageworkers by means of expropriation and force. As a whole there was a clear increase in the number of African workers registered in German enterprises – as a result one may conclude that Dernburg’s decrees favourably influenced their willingness to work in German plantation, small businesses and factories.
Though this cannot be considered a profound turning point of German colonial policy , there is no doubt that the German colonial policy did undergo a change under Dernburg’s influence. There were no major riots and disturbances, allowing during his mandate a systematic exploration and economic penetration of the colonies.
Citation
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school={Kassel, Universität, FB 05, Gesellschaftswissenschaften},
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Um diese Ziele zu erreichen, verabschiedete er Reformen, die eine Rationalisierung und Humanisierung der Arbeiterpolitik vorsahen. Sowohl in der zeitgenössischen Literatur als auch in der aktuellen wissenschaftlichen Forschung wird der Amtsantritt Bernhard Dernburgs zum Leiter der Kolonialabteilung im Jahre 1906 als der „Beginn einer neuen humanen Ära“ deutscher Kolonialpolitik oder als „Wandel zum Besseren“ bezeichnet. Die Dissertation „Schwarzer Untertan versus Schwarzer Bruder. Bernhard Dernburgs Reformen in den Kolonien Deutsch-Ostafrika, Deutsch-Südwestafrika, Togo und Kamerun“ untersucht die Intention, Akzeptanz, Umsetzung und Auswirkung der reformatorischen Eingeborenenpolitik und klärt, ob die Beurteilung der Ära Dernburg (1906-1910) in der zeitgenössischen und aktuellen Forschung eine Berechtigung hat. Obwohl zumindest in der Theorie sein Konzept einer rationalen und humanen Kolonialpolitik sicherlich eine Abkehr von der bisher betriebenen Kolonialpolitik bedeutete, zeigt sich jedoch bei der Umsetzung der Reformen eine deutliche Diskrepanz zwischen Intention und Realität. Auch wenn zumindest die Bestrebung Dernburgs zur Verrechtlichung der indigenen Arbeitsverhältnisse gewürdigt werden sollte, so muss doch konstatiert werden, dass es in der „Ära Dernburg“ definitiv nicht zu einer grundlegenden Verbesserung der indigenen Lebenssituation in den deutschen Kolonien kam. Im Gegenteil, die Dernburgsche Reformpolitik beschleunigte vielmehr den Verelendungsprozess der indigenen Bevölkerung. In allen afrikanischen Kolonien verschlechterten sich mit der Intensivierung der Verwaltung die sozialen und menschlichen Beziehungen zwischen Afrikanern und Europäern. Vieles von dem, was Dernburg in seinem Programm propagierte, konnte nicht erreicht werden. Zwar führte Dernburg in Deutsch-Ostafrika, Deutsch-Südwestafrika und in Kamerun eine rechtlich bindende Arbeiterverordnung ein, jedoch unterschieden sich die Bestimmungen zum Teil erheblich voneinander, so dass von einer einheitlichen Modernisierung des kolonialen Arbeitsrechts nicht die Rede sein kann. Viele arbeitsrechtliche Bereiche, wie z.B. die Arbeiteranwerbung, Lohnzahlung, Minderjährigenschutz, Vertragsdauer, Arbeitszeit, Verpflegung und Unterkunft wurden nur unzureichend geregelt. Ähnlich negativ muss auch die Reformierung der Strafrechtspflege bewertet werden. Die Kodifizierung eines Eingeborenenstrafrechts scheiterte sowohl am Widerstand der lokalen Verwaltung als auch am Grundkonsens der Rechtmäßigkeit einer Rassenjustiz. Kolonialpolitik war auch in der „Ära Dernburg“ nichts anderes als „rohe Ausbeutungspolitik“, die zur Lösung der Arbeiterfrage beitragen sollte. Aber gerade hier, bei der Mobilisierung von afrikanischen Lohnarbeitern, war der Kolonialstaatssekretär nicht etwa mit einer „Arbeiterfürsorgepolitik“, sondern mit der Fortführung der Enteignungs- und Zwangsmaßnahmen erfolgreich gewesen. Insgesamt ist ein deutlicher Anstieg an afrikanischen Arbeitern in europäischen Unternehmen zu verzeichnen, was darauf schließen lässt, dass Dernburgs Verordnungen einen günstigen Einfluss auf die Arbeiterfrage ausgeübt haben. Obwohl nicht von einem grundlegenden Neuanfang der Kolonialpolitik gesprochen werden kann, sollte ebenso wenig bezweifelt werden, dass sich die deutsche Kolonialpolitik nicht unter Dernburg veränderte. Größere indigene Aufstände und Unruhen blieben aus, so dass während seiner Amtszeit eine systematische wirtschaftliche Erschließung der Kolonien beginnen konnte. After the failure of the first period of German colonial policy ( 1885-1906) became obvious within the colonial crisis, the task of a profound restructuring of the colonial policy was assigned to Bernhard Dernburg. As an insider of the world of banks and finance, he was expected to promote the stagnating development of the colonies by the help of administrative and economic reforms. At the same time he was obliged to guarantee a humane treatment for the indigenous population. To achieve these aims, he passed reforms, that included a restructuring of the administration, the economy, the financial institutions and the so-called ‘indigenous policy’. All these parts of his programme were concerned that one part established the preconditions for the next one. The ‘indigenous policy’ was of supreme importance, because it comprised all those state activities, that should regulate the relationship and the treatment of the African population ( e.g. forced labour, tax levy, restrictions concerning the freedom of movement, staff training of colonial officers, school policy, law legislation and penal law). The implied aim was to solve the problem of a severe shortage of labour. Both within the contemporary literature and among current scientific research the inauguration of Bernhard Dernburg as head of the Colonial Department in 1906 is regarded as the “start of a new humanitarian period” of German indigenous policy or as a “turning point” and “improvement”. This thesis investigates the intention, acceptance, implementation and the effects of the new indigenous policy under Bernhard Dernburg (1906-1910) and attempts to decide whether it is justified to declare his polical style ‘innovative’ . This thesis also focuses on the problem of labour recruitment in the colonies into focus and the question, whether this crucial problem was solved during his term in office. Although at least in theory Dernburg’s colonial-political programme which tried to combine economic rationality as well as ethical civilizing principles and meant for sure the abandoning of the previous agenda, a clear discrepancy between intention and reality became obvious during the implementation period. Under Dernburg’s government the living conditions of African people in the German colonies didn’t improve. By contrary the reform laws increased the poverty of the indigenous population. Everywhere in the colonies social and human relationships between Africans and Europeans deteriorated by the more authoritarian rule. Many objectives Dernburg propagated could not be achieved. Though Dernburg implemented a legally obligatory labour law in German East Africa, German Southwest Africa and in Cameroon, the regulations differed considerably. As a consequence one cannot take for granted that a uniform modernization of the colonial labour law came into existence. Many areas of labour law, e.g. the recruitment of African workers, their payment, the protection of young adults or under age children, the duration of the contract, the question of daily working hours, food supply and lodging were unsufficiently settled in and meant a severe disadvantage for the African worker from the onset. The reform of the penal law is a similar case. The codification of a special penal law concerning the indigenous population failed because of two factors: the stiff opposition of the local administration and the deeply rooted social consensus on the legitimacy of racial privilege. As far as the training of government officials and educational policy are concerned, Dernburg’s engagement meant only minor reforms, but no profound change. It was more or less an extension of the politically and economically motivated efforts of his predecessors. Also under Bernhard Dernburg the indigenous policy involved a crude and reckless exploitation with a primary aim abolishing the African resistance to forced labour. He did not improve the care for African workers, but one should emphasize that the Colonial Secretary of State did succeed in mobilizing African wageworkers by means of expropriation and force. As a whole there was a clear increase in the number of African workers registered in German enterprises – as a result one may conclude that Dernburg’s decrees favourably influenced their willingness to work in German plantation, small businesses and factories. Though this cannot be considered a profound turning point of German colonial policy , there is no doubt that the German colonial policy did undergo a change under Dernburg’s influence. There were no major riots and disturbances, allowing during his mandate a systematic exploration and economic penetration of the colonies. open access Utermark, Sören Kassel, Universität, FB 05, Gesellschaftswissenschaften Flemming, Jens (Prof. Dr.) Speitkamp, Winfried (Prof. Dr.) Dernburg, Bernhard Deutschland <Deutsches Reich> Kolonie Kolonalismus 2012-07-18
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