Datum
2020-09-22Autor
Hollederer, AlfonsSchlagwort
300 Sozialwissenschaften, Soziologie AsylbewerberFlüchtlingZugangGesundheitswesenVersorgungMenschenrechtMetadata
Zur Langanzeige
Aufsatz
Die Gewährleistung von Krankheitshilfen bei asylsuchenden Menschen: Zweiklassenmedizin in Deutschland?
(Guarantee of illness assistance for people seeking asylum: Two-tiered medical system in Germany?)
Zusammenfassung
Hintergrund
Es gibt im Bereich des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) zwei Möglichkeiten der Leistungsgewährung mit praktischer Relevanz für die Gesundheitsversorgung (abhängig von der Voraufenthaltszeit): die Grundleistungen und die Leistungen in besonderen Fällen analog zum Sozialgesetzbuch (SGB) XII.
Methodik
Die Sekundärdatenanalyse untersucht das Leistungsgeschehen im Krankheitsfall bei den Leistungsempfängern nach dem AsylbLG beim Forschungsdatenzentrum der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder. Dem untersuchten Personenkreis wurde noch keine Flüchtlingseigenschaft bzw. Asylberechtigung zuerkannt.
Ergebnisse
Zum Stichtag 31.12.2018 bezogen 423.201 Personen in Deutschland Leistungen nach dem AsylbLG. Davon war gut ein Drittel Frauen. Das Durchschnittsalter betrug 24 Jahre. Über die Hälfte stammte aus Asien. Über ein Drittel aller Leistungsempfänger befand sich in ambulanter (33,5 %) oder stationärer Behandlung (1,3 %). Zwischen den Bundesländern variierten die Leistungen zur Hilfe bei Krankheit sowie die gesundheitsbezogenen Pro-Kopf-Bruttoausgaben sehr stark. Die Gewährung von Leistungen bei Krankheit war in Aufnahmeeinrichtungen relativ gering. Mit Gesundheitskarte war die Inanspruchnahme stationärer Behandlung generell höher.
Die gesundheitsbezogene Regelversorgung mit Hilfen in besonderen Fällen (§2 AsylbLG analog SGB XII) erreichte einen größeren Anteil an leistungsberechtigten Menschen mit 42,7 % am Jahresende als die Minimalversorgung nach §3 AsylbLG mit 29,0 %. Sie verursachte trotzdem im Vergleich weniger Bruttoausgaben.
Schlussfolgerung
Es wird empfohlen, §2 AsylbLG schon bei einer Voraufenthaltszeit ab 3 Monaten anzuwenden, um frühzeitiger die Hilfen analog Kap. 5–9 SGB XII gewähren zu können. Eine flächendeckende Einführung der Gesundheitskarte würde den Zugang verbessern.
Es gibt im Bereich des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) zwei Möglichkeiten der Leistungsgewährung mit praktischer Relevanz für die Gesundheitsversorgung (abhängig von der Voraufenthaltszeit): die Grundleistungen und die Leistungen in besonderen Fällen analog zum Sozialgesetzbuch (SGB) XII.
Methodik
Die Sekundärdatenanalyse untersucht das Leistungsgeschehen im Krankheitsfall bei den Leistungsempfängern nach dem AsylbLG beim Forschungsdatenzentrum der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder. Dem untersuchten Personenkreis wurde noch keine Flüchtlingseigenschaft bzw. Asylberechtigung zuerkannt.
Ergebnisse
Zum Stichtag 31.12.2018 bezogen 423.201 Personen in Deutschland Leistungen nach dem AsylbLG. Davon war gut ein Drittel Frauen. Das Durchschnittsalter betrug 24 Jahre. Über die Hälfte stammte aus Asien. Über ein Drittel aller Leistungsempfänger befand sich in ambulanter (33,5 %) oder stationärer Behandlung (1,3 %). Zwischen den Bundesländern variierten die Leistungen zur Hilfe bei Krankheit sowie die gesundheitsbezogenen Pro-Kopf-Bruttoausgaben sehr stark. Die Gewährung von Leistungen bei Krankheit war in Aufnahmeeinrichtungen relativ gering. Mit Gesundheitskarte war die Inanspruchnahme stationärer Behandlung generell höher.
Die gesundheitsbezogene Regelversorgung mit Hilfen in besonderen Fällen (§2 AsylbLG analog SGB XII) erreichte einen größeren Anteil an leistungsberechtigten Menschen mit 42,7 % am Jahresende als die Minimalversorgung nach §3 AsylbLG mit 29,0 %. Sie verursachte trotzdem im Vergleich weniger Bruttoausgaben.
Schlussfolgerung
Es wird empfohlen, §2 AsylbLG schon bei einer Voraufenthaltszeit ab 3 Monaten anzuwenden, um frühzeitiger die Hilfen analog Kap. 5–9 SGB XII gewähren zu können. Eine flächendeckende Einführung der Gesundheitskarte würde den Zugang verbessern.
Purpose
In the area of the Asylum Seeker Benefits Act (AsylbLG), there are two options for granting benefits that have practical relevance to health care (depending on the period of previous residence): minimum provision and benefits in special cases, analogous to the Social Code Book XII (SGB XII).
Method
This secondary data analysis examines the performance of benefits in the case of illness among benefit recipients according to the AsylbLG at the Research Data Centre of the Federal and State Statistical Offices. The examined group of individuals have not yet been granted refugee status or asylum entitlement.
Results
As of 31 December 2018, 423,201 persons in Germany were receiving benefits according to the AsylbLG. A good third of these were women. The average age was 24 years, and more than half came from Asia. More than one-third of all benefit recipients were in outpatient (33.5%) or inpatient treatment (1.3%). Among the federal states, benefits for assistance in the case of illness as well as the health-related per capita gross expenditure varied considerably. The provision of illness benefits in reception facilities was relatively low. With the health card, the use of inpatient treatment was higher. The standard health-related provision of assistance in special cases (§2 AsylbLG analogous to SGB XII) reached a higher share of people entitled to benefits at the end of the year (42.7%) than the minimum provision according to §3 AsylbLG (29.0%). Nevertheless, it caused comparatively less gross expenditure.
Conclusion
It is recommended to apply §2 AsylbLG for a prestay period of three months or longer in order to be able to grant assistance analogous to Chapters 5 to 9 SGB XII earlier. Nationwide introduction of an electronic health insurance card for asylum seekers would improve access.
In the area of the Asylum Seeker Benefits Act (AsylbLG), there are two options for granting benefits that have practical relevance to health care (depending on the period of previous residence): minimum provision and benefits in special cases, analogous to the Social Code Book XII (SGB XII).
Method
This secondary data analysis examines the performance of benefits in the case of illness among benefit recipients according to the AsylbLG at the Research Data Centre of the Federal and State Statistical Offices. The examined group of individuals have not yet been granted refugee status or asylum entitlement.
Results
As of 31 December 2018, 423,201 persons in Germany were receiving benefits according to the AsylbLG. A good third of these were women. The average age was 24 years, and more than half came from Asia. More than one-third of all benefit recipients were in outpatient (33.5%) or inpatient treatment (1.3%). Among the federal states, benefits for assistance in the case of illness as well as the health-related per capita gross expenditure varied considerably. The provision of illness benefits in reception facilities was relatively low. With the health card, the use of inpatient treatment was higher. The standard health-related provision of assistance in special cases (§2 AsylbLG analogous to SGB XII) reached a higher share of people entitled to benefits at the end of the year (42.7%) than the minimum provision according to §3 AsylbLG (29.0%). Nevertheless, it caused comparatively less gross expenditure.
Conclusion
It is recommended to apply §2 AsylbLG for a prestay period of three months or longer in order to be able to grant assistance analogous to Chapters 5 to 9 SGB XII earlier. Nationwide introduction of an electronic health insurance card for asylum seekers would improve access.
Zitierform
In: Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz Volume 63 / Issue 10 (2020-09-22) , S. 1203-1218 ; EISSN 1437-1588Förderhinweis
Gefördert im Rahmen des Projekts DEALZitieren
@article{doi:10.17170/kobra-202010091910,
author={Hollederer, Alfons},
title={Die Gewährleistung von Krankheitshilfen bei asylsuchenden Menschen: Zweiklassenmedizin in Deutschland?},
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2020-11-09T10:16:24Z 2020-11-09T10:16:24Z 2020-09-22 doi:10.17170/kobra-202010091910 http://hdl.handle.net/123456789/11936 Gefördert im Rahmen des Projekts DEAL ger Namensnennung 4.0 International http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Asylsuchende Geflüchtete Zugang zur Gesundheitsversorgung Menschenrechte asylum seekers refugees access to health care human rights 300 Die Gewährleistung von Krankheitshilfen bei asylsuchenden Menschen: Zweiklassenmedizin in Deutschland? Aufsatz Hintergrund Es gibt im Bereich des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) zwei Möglichkeiten der Leistungsgewährung mit praktischer Relevanz für die Gesundheitsversorgung (abhängig von der Voraufenthaltszeit): die Grundleistungen und die Leistungen in besonderen Fällen analog zum Sozialgesetzbuch (SGB) XII. Methodik Die Sekundärdatenanalyse untersucht das Leistungsgeschehen im Krankheitsfall bei den Leistungsempfängern nach dem AsylbLG beim Forschungsdatenzentrum der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder. Dem untersuchten Personenkreis wurde noch keine Flüchtlingseigenschaft bzw. Asylberechtigung zuerkannt. Ergebnisse Zum Stichtag 31.12.2018 bezogen 423.201 Personen in Deutschland Leistungen nach dem AsylbLG. Davon war gut ein Drittel Frauen. Das Durchschnittsalter betrug 24 Jahre. Über die Hälfte stammte aus Asien. Über ein Drittel aller Leistungsempfänger befand sich in ambulanter (33,5 %) oder stationärer Behandlung (1,3 %). Zwischen den Bundesländern variierten die Leistungen zur Hilfe bei Krankheit sowie die gesundheitsbezogenen Pro-Kopf-Bruttoausgaben sehr stark. Die Gewährung von Leistungen bei Krankheit war in Aufnahmeeinrichtungen relativ gering. Mit Gesundheitskarte war die Inanspruchnahme stationärer Behandlung generell höher. Die gesundheitsbezogene Regelversorgung mit Hilfen in besonderen Fällen (§2 AsylbLG analog SGB XII) erreichte einen größeren Anteil an leistungsberechtigten Menschen mit 42,7 % am Jahresende als die Minimalversorgung nach §3 AsylbLG mit 29,0 %. Sie verursachte trotzdem im Vergleich weniger Bruttoausgaben. Schlussfolgerung Es wird empfohlen, §2 AsylbLG schon bei einer Voraufenthaltszeit ab 3 Monaten anzuwenden, um frühzeitiger die Hilfen analog Kap. 5–9 SGB XII gewähren zu können. Eine flächendeckende Einführung der Gesundheitskarte würde den Zugang verbessern. Purpose In the area of the Asylum Seeker Benefits Act (AsylbLG), there are two options for granting benefits that have practical relevance to health care (depending on the period of previous residence): minimum provision and benefits in special cases, analogous to the Social Code Book XII (SGB XII). Method This secondary data analysis examines the performance of benefits in the case of illness among benefit recipients according to the AsylbLG at the Research Data Centre of the Federal and State Statistical Offices. The examined group of individuals have not yet been granted refugee status or asylum entitlement. Results As of 31 December 2018, 423,201 persons in Germany were receiving benefits according to the AsylbLG. A good third of these were women. The average age was 24 years, and more than half came from Asia. More than one-third of all benefit recipients were in outpatient (33.5%) or inpatient treatment (1.3%). Among the federal states, benefits for assistance in the case of illness as well as the health-related per capita gross expenditure varied considerably. The provision of illness benefits in reception facilities was relatively low. With the health card, the use of inpatient treatment was higher. The standard health-related provision of assistance in special cases (§2 AsylbLG analogous to SGB XII) reached a higher share of people entitled to benefits at the end of the year (42.7%) than the minimum provision according to §3 AsylbLG (29.0%). Nevertheless, it caused comparatively less gross expenditure. Conclusion It is recommended to apply §2 AsylbLG for a prestay period of three months or longer in order to be able to grant assistance analogous to Chapters 5 to 9 SGB XII earlier. Nationwide introduction of an electronic health insurance card for asylum seekers would improve access. open access Guarantee of illness assistance for people seeking asylum: Two-tiered medical system in Germany? Hollederer, Alfons doi:10.1007/s00103-020-03215-7 Asylbewerber Flüchtling Zugang Gesundheitswesen Versorgung Menschenrecht publishedVersion EISSN 1437-1588 Issue 10 Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz 1203-1218 Volume 63 false
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