Dissertation
Macht in Hochschulorganisationen
Macht in Hochschulorganisationen
Eine empirische Untersuchung an Schweizer Fachhochschulen
Zusammenfassung
Hochschulorganisationen wird die Eigenheit zugeschrieben, nur über begrenzt funktionierende Hierarchien zu verfügen. Damit kann die Leitungsebene auf eine zentrale Machtressource nur bedingt zurückgreifen. Diese Beobachtung bildet den Ausgangspunkt der vorliegenden Studie, die sich zum Ziel setzt, formelle und informelle Machtphänomene und ihr Zusammenspiel am Beispiel von Schweizer Fachhochschulen zu untersuchen. Den theoretischen Rahmen für die empirische Untersuchung bildet zum einen das systemtheoretische Machtkonzept von Luhmann. Es analysiert die Formalstruktur von Organisationen mit der Hierarchie als zentraler Machstruktur. Daraus gehen die beiden Machtquellen Organisationsmacht – die Macht, Mitglieder in die Organisation aufzunehmen und auszuschliessen – und Personalmacht – die Macht, Karrieren zu beeinflussen – hervor. Zum anderen zieht die Studie den mikropolitischen Ansatz von Crozier und Friedberg als theoretisches Gerüst heran. Er legt den Fokus auf die informellen Machtphänomene und stellt den individuellen Akteur mit seinen Interessen und Handlungen ins Zentrum. Als Untersuchungsgegenstand dienen Reorganisationsfälle, denn sie brechen etablierte Abläufe und Muster der Zusammenarbeit auf und erzeugen damit Kristallisationspunkte für Machtphänomene. In einer vergleichenden Fallstudie werden vier Veränderungsprozesse untersucht. Leitfadeninterviews mit verschiedenen Akteuren bilden die primäre Datengrundlage. Ergänzend werden Dokumente wie Gesetze, Reglemente oder Organigramme analysiert.
Die Studie kommt zum Schluss, dass Führungspersonen an Schweizer Fachhochschulen über ein Grundmass an Organisationsmacht verfügen, wobei es formal leichter ist, Mitglieder in die Organisation aufzunehmen als sie auszuschliessen, denn die Kündigung von öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnissen ist aufwändig und kulturell kaum anerkannt. In beiden Fällen setzen die komplexen Entscheidungsstrukturen mit der Vielzahl an involvierten Stellen und Gremien einer hierarchischen Steuerung Grenzen. Ebenso können Führungspersonen an Schweizer Fachhochschulen Karrieren befördern und behindern, womit sie auch über die zweite Machtressource nach Luhmann verfügen. Die grösste Schwächung erfährt die Personalmacht durch das doppelte Kompetenzprofil, das vom akademischen Personal sowohl wissenschaftliche als auch berufspraktische Kompetenzen erfordert und daher interne Fachhochschulkarrieren nicht vorsieht. Die Analyse der informellen Machtaspekte entlang der untersuchten Reorganisationsfälle bringt zutage, dass insbesondere weiche Einflussstrategien das mikropolitische Geschehen prägen. Gängige Taktiken sind Rationalität, Austausch, Koalition und Blockade, wobei die Art der Reorganisation mitentscheidend ist, ob und wie mikropolitisch mitgespielt wird. Das akademische Personal verzichtet bisweilen gänzlich darauf, einen Einfluss geltend zu machen, wenn es die anstehenden Veränderungen hinsichtlich des eigenen Wirkens als nicht relevant beurteilt.
Im Zusammenspiel von formeller und informeller Macht zeigt sich, dass an Schweizer Fachhochschulen die Kollegialitätsnorm stark kulturprägend ist und die formalen Strukturen teilweise zu korrigieren oder gar aufzuheben vermag. Ein vielseitiges und teils widersprüchliches Rollenbild von und an Führungspersonen erfordert ein stetiges Ausbalancieren zwischen den Rollen. Daraus erwachsen Ungewissheitszonen, die sich Vorgesetzte und Unterstellte zunutze machen können. Insgesamt ist die Machtausübung an Schweizer Fachhochschulen konsensorientiert und diskursiv geprägt. Vielleicht widerspiegelt sich darin eine schweizerische Art der Konsenskultur, wie sie in der Politik gelebt wird. Aufgrund der im Vergleich zu (deutschen) Universitäten gewichtigeren formellen Machtstrukturen an Schweizer Fachhochschulen liesse sich jedenfalls auf eine stärker hierarchisch geprägte Steuerung durch die Leitungsebene schliessen.
Die Studie kommt zum Schluss, dass Führungspersonen an Schweizer Fachhochschulen über ein Grundmass an Organisationsmacht verfügen, wobei es formal leichter ist, Mitglieder in die Organisation aufzunehmen als sie auszuschliessen, denn die Kündigung von öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnissen ist aufwändig und kulturell kaum anerkannt. In beiden Fällen setzen die komplexen Entscheidungsstrukturen mit der Vielzahl an involvierten Stellen und Gremien einer hierarchischen Steuerung Grenzen. Ebenso können Führungspersonen an Schweizer Fachhochschulen Karrieren befördern und behindern, womit sie auch über die zweite Machtressource nach Luhmann verfügen. Die grösste Schwächung erfährt die Personalmacht durch das doppelte Kompetenzprofil, das vom akademischen Personal sowohl wissenschaftliche als auch berufspraktische Kompetenzen erfordert und daher interne Fachhochschulkarrieren nicht vorsieht. Die Analyse der informellen Machtaspekte entlang der untersuchten Reorganisationsfälle bringt zutage, dass insbesondere weiche Einflussstrategien das mikropolitische Geschehen prägen. Gängige Taktiken sind Rationalität, Austausch, Koalition und Blockade, wobei die Art der Reorganisation mitentscheidend ist, ob und wie mikropolitisch mitgespielt wird. Das akademische Personal verzichtet bisweilen gänzlich darauf, einen Einfluss geltend zu machen, wenn es die anstehenden Veränderungen hinsichtlich des eigenen Wirkens als nicht relevant beurteilt.
Im Zusammenspiel von formeller und informeller Macht zeigt sich, dass an Schweizer Fachhochschulen die Kollegialitätsnorm stark kulturprägend ist und die formalen Strukturen teilweise zu korrigieren oder gar aufzuheben vermag. Ein vielseitiges und teils widersprüchliches Rollenbild von und an Führungspersonen erfordert ein stetiges Ausbalancieren zwischen den Rollen. Daraus erwachsen Ungewissheitszonen, die sich Vorgesetzte und Unterstellte zunutze machen können. Insgesamt ist die Machtausübung an Schweizer Fachhochschulen konsensorientiert und diskursiv geprägt. Vielleicht widerspiegelt sich darin eine schweizerische Art der Konsenskultur, wie sie in der Politik gelebt wird. Aufgrund der im Vergleich zu (deutschen) Universitäten gewichtigeren formellen Machtstrukturen an Schweizer Fachhochschulen liesse sich jedenfalls auf eine stärker hierarchisch geprägte Steuerung durch die Leitungsebene schliessen.
Sammlung(en)
Dissertationen (aus den beteiligten Instituten) (INCHER-Kassel (International Centre for Higher Education Research Kassel))Zitieren
@phdthesis{doi:10.17170/kobra-202211147112,
author={Windlin, Beatrice},
title={Macht in Hochschulorganisationen},
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