Datum
2012-06-27Metadata
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Dissertation
Zur klinischen Bedeutung von Geschwistererfahrungen - hat die Geschwistererfahrung einen Einfluss auf seelische Erkrankungen?
(Ein Beitrag zur klinisch-psychoanalytischen Forschung mit einem extra-klinisch-empirischen Teil)
Zusammenfassung
Im Mittelpunkt der Arbeit steht die Frage, ob bei psychogenen Störungen Geschwistererfahrungen klinische Relevanz haben und ob die erfahrene Geschwisterposition und –konstellation auch im Erwachsenenalter psychodynamisch wirksam ist. Die Arbeit gliedert sich in drei Teile.
Im ersten Teil werden in einem metatheoretischen Vorgehen psychoanalytische Konzepte, psychoanalytische Entwicklungstheorien aus der Objekt- und Selbstpsychologie und empirische Forschungsergebnisse zur Geschwisterbeziehung vorgestellt. Darauf aufbauend werden Annahmen formuliert, welche psychodynamischen Konflikte sich in einer pathologischen Entwicklung als psychische Störungen im Erwachsenenalter manifestieren können.Im zweiten Teil der Arbeit werden acht Einzelfälle psychoanalytischer Behandlungen von erwachsenen Patienten unterschiedlicher Geschwisterpositionen und -konstellationen dargestellt, die die in Teil 1 beschriebenen pathogenen Geschwistereinflüsse illustrieren. In den untersuchten Einzelfällen ist die erfahrene Geschwisterposition der Patienten konfliktbesetzt und psychodynamisch wirksam gewesen. Dabei haben die Erfahrungen mit den primären Objekten die Basis für die pathologische Beziehungsdynamik der Geschwister gebildet. Den dritten extra-klinisch empirischen Teil der Arbeit stellt eine explorative Pilotstudie dar, die ebenfalls das Ziel verfolgt, persistierende Geschwisterkonflikte in ihren langandauernden Effekten zu explorieren. Es handelt sich um eine Dokumentenanalyse von 215 Patientenakten aus einer psychosomatischen Klinik. Aus den Akten werden als Variablen ICD - und OPD - Diagnosen als auch inhaltsanalytisch ermittelte psychodynamische Konflikte herausgefiltert und mit den Variablen Geschwisterposition und –konstellation korreliert. Dabei wird erstens der Frage nachgegangen, ob es in den Akten von psychisch erkrankten Patienten zwischen Einzel- und Geschwisterkindern Unterschiede in Bezug auf die Diagnosen und hinsichtlich der formulierten psychodynamischen Konflikte gibt. Zweitens geht es um eine weitergehende Exploration dieser Variablen in Bezug auf die erfahrene Geschwisterposition bzw. –konstellation. Es zeigt sich, dass die ICD-10 Diagnostik aufgrund ihres deskriptiven Charakters und ihrer psychiatrischen Orientierung wenig brauchbar ist, diesbezügliche Hypothesen zu formulieren. Im Unterschied zur ICD-10 ergibt sich in Bezug auf die OPD-Diagnostik, besonders aber in Hinsicht auf die psychodynamischen Konflikte ein differenzierteres Bild. So sind z.B. Parentifizierung am häufigsten von Einzelkindern und Erstgeborenen benannt worden. Gleichzeitig berichten Patienten, die mit Geschwistern aufgewachsen sind, am stärksten von erlebtem emotionalem Mangel in der Familie. Unter Dominanzkonflikten leiden die Patienten am meisten, die als jüngstes Kind aufgewachsen sind. Bei Patienten mit der jüngsten und mittleren Geschwisterposition ist als weiteres Beispiel auffallend oft Altruismus ermittelt worden. Fazit der Arbeit ist, dass ungelöste Geschwisterkonflikte langandauernde Effekte haben können und dass - im Gegensatz zur Birth-Order-Forschung - die Variable der Geschwisterposition unter Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Aspekte als ein intra- und interpsychisches dynamisches Geschehen begriffen werden kann.
Im ersten Teil werden in einem metatheoretischen Vorgehen psychoanalytische Konzepte, psychoanalytische Entwicklungstheorien aus der Objekt- und Selbstpsychologie und empirische Forschungsergebnisse zur Geschwisterbeziehung vorgestellt. Darauf aufbauend werden Annahmen formuliert, welche psychodynamischen Konflikte sich in einer pathologischen Entwicklung als psychische Störungen im Erwachsenenalter manifestieren können.Im zweiten Teil der Arbeit werden acht Einzelfälle psychoanalytischer Behandlungen von erwachsenen Patienten unterschiedlicher Geschwisterpositionen und -konstellationen dargestellt, die die in Teil 1 beschriebenen pathogenen Geschwistereinflüsse illustrieren. In den untersuchten Einzelfällen ist die erfahrene Geschwisterposition der Patienten konfliktbesetzt und psychodynamisch wirksam gewesen. Dabei haben die Erfahrungen mit den primären Objekten die Basis für die pathologische Beziehungsdynamik der Geschwister gebildet. Den dritten extra-klinisch empirischen Teil der Arbeit stellt eine explorative Pilotstudie dar, die ebenfalls das Ziel verfolgt, persistierende Geschwisterkonflikte in ihren langandauernden Effekten zu explorieren. Es handelt sich um eine Dokumentenanalyse von 215 Patientenakten aus einer psychosomatischen Klinik. Aus den Akten werden als Variablen ICD - und OPD - Diagnosen als auch inhaltsanalytisch ermittelte psychodynamische Konflikte herausgefiltert und mit den Variablen Geschwisterposition und –konstellation korreliert. Dabei wird erstens der Frage nachgegangen, ob es in den Akten von psychisch erkrankten Patienten zwischen Einzel- und Geschwisterkindern Unterschiede in Bezug auf die Diagnosen und hinsichtlich der formulierten psychodynamischen Konflikte gibt. Zweitens geht es um eine weitergehende Exploration dieser Variablen in Bezug auf die erfahrene Geschwisterposition bzw. –konstellation. Es zeigt sich, dass die ICD-10 Diagnostik aufgrund ihres deskriptiven Charakters und ihrer psychiatrischen Orientierung wenig brauchbar ist, diesbezügliche Hypothesen zu formulieren. Im Unterschied zur ICD-10 ergibt sich in Bezug auf die OPD-Diagnostik, besonders aber in Hinsicht auf die psychodynamischen Konflikte ein differenzierteres Bild. So sind z.B. Parentifizierung am häufigsten von Einzelkindern und Erstgeborenen benannt worden. Gleichzeitig berichten Patienten, die mit Geschwistern aufgewachsen sind, am stärksten von erlebtem emotionalem Mangel in der Familie. Unter Dominanzkonflikten leiden die Patienten am meisten, die als jüngstes Kind aufgewachsen sind. Bei Patienten mit der jüngsten und mittleren Geschwisterposition ist als weiteres Beispiel auffallend oft Altruismus ermittelt worden. Fazit der Arbeit ist, dass ungelöste Geschwisterkonflikte langandauernde Effekte haben können und dass - im Gegensatz zur Birth-Order-Forschung - die Variable der Geschwisterposition unter Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Aspekte als ein intra- und interpsychisches dynamisches Geschehen begriffen werden kann.
The work focuses the question, whether special sibling experiences may have clinical relevance and if the experienced sibling position and constellation have long-term psychodynamic effects on the psychopathology of adult patients. The work is divided into three parts. First in a meta-theoretical approach psychoanalytic concepts and psychoanalytic theories of development and empirical research findings in terms of sibling relationships are presented. According to these assumptions psychodynamic conflicts manifested in a pathological development as mental disorders in adulthood are discussed.In the second part eight individual cases of psychoanalytic treatment of adult psychotherapy patients illustrate some pathogenic influences of sibling experiences as it has been described in part one. From a psychodynamic point of view the different sibling position has still come unconsciously into effect. It turns out that the experiences with the primary objects form the basis for the pathological relationship between the siblings. The third, extra-clinical empirical part is an exploratory pilot study also conducting the persistent prolonged effects of sibling conflicts. It is a file-by-file analysis of 215 patient records from a psychosomatic clinic. ICD- and OPD-diagnoses and a content analysis of psychodynamic conflicts are correlated with the variables sibling position and constellation. At first it is investigated, if there are any differences between the ICD-10 and OPD-diagnoses and the formulated psychodynamic conflicts related to patients, who grew up as only child or as siblings. There is a further exploration of these variables in terms of birth order and gender. Because of their descriptive character and psychiatric orientation the ICD-10 diagnoses are of little use in order to formulate hypotheses in this regard. In contrast to the ICD-10 results, the OPD- diagnostic and especially the defined psychodynamic conflicts give a more nuanced picture. Thus for example parentification is most frequently reported by only children and firstborns. Patients, who grew up as youngest child, suffer the most under dominance conflicts, feeling excluded from the other siblings is in this sample very often experienced by patients with a middle birth position. Last not least altruism is highly regarded within patients grown up as youngest or in a middle sibling position.
Conclusion of the work is, that unsolved sibling conflicts may have long-term effects and as opposed to the birth-order research sibling position taking into account gender issues can be seen as an intra- and interpsychic dynamic process.
Conclusion of the work is, that unsolved sibling conflicts may have long-term effects and as opposed to the birth-order research sibling position taking into account gender issues can be seen as an intra- and interpsychic dynamic process.
Zitieren
@phdthesis{urn:nbn:de:hebis:34-2012062741384,
author={Adam-Lauterbach, Dorothee},
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school={Kassel, Universität, FB 01, Humanwissenschaften, Institut für Erziehungswissenschaft},
month={06},
year={2012}
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Im ersten Teil werden in einem metatheoretischen Vorgehen psychoanalytische Konzepte, psychoanalytische Entwicklungstheorien aus der Objekt- und Selbstpsychologie und empirische Forschungsergebnisse zur Geschwisterbeziehung vorgestellt. Darauf aufbauend werden Annahmen formuliert, welche psychodynamischen Konflikte sich in einer pathologischen Entwicklung als psychische Störungen im Erwachsenenalter manifestieren können.Im zweiten Teil der Arbeit werden acht Einzelfälle psychoanalytischer Behandlungen von erwachsenen Patienten unterschiedlicher Geschwisterpositionen und -konstellationen dargestellt, die die in Teil 1 beschriebenen pathogenen Geschwistereinflüsse illustrieren. In den untersuchten Einzelfällen ist die erfahrene Geschwisterposition der Patienten konfliktbesetzt und psychodynamisch wirksam gewesen. Dabei haben die Erfahrungen mit den primären Objekten die Basis für die pathologische Beziehungsdynamik der Geschwister gebildet. Den dritten extra-klinisch empirischen Teil der Arbeit stellt eine explorative Pilotstudie dar, die ebenfalls das Ziel verfolgt, persistierende Geschwisterkonflikte in ihren langandauernden Effekten zu explorieren. Es handelt sich um eine Dokumentenanalyse von 215 Patientenakten aus einer psychosomatischen Klinik. Aus den Akten werden als Variablen ICD - und OPD - Diagnosen als auch inhaltsanalytisch ermittelte psychodynamische Konflikte herausgefiltert und mit den Variablen Geschwisterposition und –konstellation korreliert. Dabei wird erstens der Frage nachgegangen, ob es in den Akten von psychisch erkrankten Patienten zwischen Einzel- und Geschwisterkindern Unterschiede in Bezug auf die Diagnosen und hinsichtlich der formulierten psychodynamischen Konflikte gibt. Zweitens geht es um eine weitergehende Exploration dieser Variablen in Bezug auf die erfahrene Geschwisterposition bzw. –konstellation. Es zeigt sich, dass die ICD-10 Diagnostik aufgrund ihres deskriptiven Charakters und ihrer psychiatrischen Orientierung wenig brauchbar ist, diesbezügliche Hypothesen zu formulieren. Im Unterschied zur ICD-10 ergibt sich in Bezug auf die OPD-Diagnostik, besonders aber in Hinsicht auf die psychodynamischen Konflikte ein differenzierteres Bild. So sind z.B. Parentifizierung am häufigsten von Einzelkindern und Erstgeborenen benannt worden. Gleichzeitig berichten Patienten, die mit Geschwistern aufgewachsen sind, am stärksten von erlebtem emotionalem Mangel in der Familie. Unter Dominanzkonflikten leiden die Patienten am meisten, die als jüngstes Kind aufgewachsen sind. Bei Patienten mit der jüngsten und mittleren Geschwisterposition ist als weiteres Beispiel auffallend oft Altruismus ermittelt worden. Fazit der Arbeit ist, dass ungelöste Geschwisterkonflikte langandauernde Effekte haben können und dass - im Gegensatz zur Birth-Order-Forschung - die Variable der Geschwisterposition unter Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Aspekte als ein intra- und interpsychisches dynamisches Geschehen begriffen werden kann. The work focuses the question, whether special sibling experiences may have clinical relevance and if the experienced sibling position and constellation have long-term psychodynamic effects on the psychopathology of adult patients. The work is divided into three parts. First in a meta-theoretical approach psychoanalytic concepts and psychoanalytic theories of development and empirical research findings in terms of sibling relationships are presented. According to these assumptions psychodynamic conflicts manifested in a pathological development as mental disorders in adulthood are discussed.In the second part eight individual cases of psychoanalytic treatment of adult psychotherapy patients illustrate some pathogenic influences of sibling experiences as it has been described in part one. From a psychodynamic point of view the different sibling position has still come unconsciously into effect. It turns out that the experiences with the primary objects form the basis for the pathological relationship between the siblings. The third, extra-clinical empirical part is an exploratory pilot study also conducting the persistent prolonged effects of sibling conflicts. It is a file-by-file analysis of 215 patient records from a psychosomatic clinic. ICD- and OPD-diagnoses and a content analysis of psychodynamic conflicts are correlated with the variables sibling position and constellation. At first it is investigated, if there are any differences between the ICD-10 and OPD-diagnoses and the formulated psychodynamic conflicts related to patients, who grew up as only child or as siblings. There is a further exploration of these variables in terms of birth order and gender. Because of their descriptive character and psychiatric orientation the ICD-10 diagnoses are of little use in order to formulate hypotheses in this regard. In contrast to the ICD-10 results, the OPD- diagnostic and especially the defined psychodynamic conflicts give a more nuanced picture. Thus for example parentification is most frequently reported by only children and firstborns. Patients, who grew up as youngest child, suffer the most under dominance conflicts, feeling excluded from the other siblings is in this sample very often experienced by patients with a middle birth position. Last not least altruism is highly regarded within patients grown up as youngest or in a middle sibling position. Conclusion of the work is, that unsolved sibling conflicts may have long-term effects and as opposed to the birth-order research sibling position taking into account gender issues can be seen as an intra- and interpsychic dynamic process. open access Ein Beitrag zur klinisch-psychoanalytischen Forschung mit einem extra-klinisch-empirischen Teil Adam-Lauterbach, Dorothee Kassel, Universität, FB 01, Humanwissenschaften, Institut für Erziehungswissenschaft Leuzinger-Bohleber, Marianne (Prof. Dr.) Hamburger, Andreas (Prof. Dr.) Geschwisterbeziehung Psychoanalyse 2012-05-09
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