Zusammenhang der Nutzungshäufigkeit mit der Wirksamkeit eines angeleiteten Online-Selbsthilfeprogramms bei depressiven Patienten
Zusammenhang der Nutzungshäufigkeit mit der Wirksamkeit eines angeleiteten Online-Selbsthilfeprogramms bei depressiven Patienten: Die Deprexis-Studie, die Basis meiner Arbeit ist, hat gezeigt, dass eine webbasierte Selbsthilfe als Ergänzung zur multimodalen stationären psychotherapeutischen Behandlung den Verlauf der depressiven Symptome verringern kann und so die Wirkung der stationären Psychotherapie durch die Integration einer zusätzlichen Online-Intervention verbessert. Eine Stichprobe von 115 Patient*Innen, die der Interventionsgruppe mit dem Deprexis-Online-Programm zugewiesen wurden, hatte die Möglichkeit, Deprexis über einen Zeitraum von 90 Tagen zu verwenden. Konkret hatten sie nach der stationären Entlassung weiterhin Zugang zum Online-Programm (mittlere stationäre Verweildauer 40 Tage). Ziel meiner Doktorarbeit war es, zu überprüfen, ob ein Zusammenhang zwischen der Intensität der Programmnutzung (gemessen an den Zeiteinheiten und der Anzahl der Module) und dem Grad der Verringerung der depressiven Symptome, gemessen mit dem Beck-Depression-Inventory-II (BDI-II) besteht. Die Nutzungsintensität wurde anhand der Daten in der Cockpit-Funktion des Online-Therapieprogramms ermittelt. Für Therapeuten kann in Deprexis die Cockpit-Funktion freigeschaltet werden, so dass die Themenbereiche und die Intensität der Programmnutzung eingesehen werden können. Von insgesamt 85 Patienten, die in die Nutzung des Cockpits eingewilligt hatten, wurden zu vier Messzeitpunkten – T0 bei Aufnahme, T1 bei Entlassung, T2 zum Ende der Intervention und T3 beim 3-Monats-Follow-up Daten erhoben. Deskriptive Statistiken dienten dazu, einen Überblick über die wichtigsten Merkmale der Stichprobe zu erhalten. Es bestehen keine signifikanten Unterschiede zwischen Cockpit Nutzern und Patienten, die das Cockpit nicht genutzt haben sowie Wenig- und Vielnutzern von Deprexis hinsichtlich soziodemografischer Werte, Behandlungsgeschichte, Depressionsdiagnosen und anderer diagnostischer Testergebnisse. Es wurde kein Zusammenhang zwischen der Nutzungsintensität und dem Verlauf der Depressivität gefunden. Korrelationen zwischen der Nutzungsintensität nach Zeit und nach Modulen (zu den verschiedenen Messzeitpunkten) und dem Grad des Rückgangs im BDI-II ergaben keinen Zusammenhang. Korrelationen zwischen der subjektiven Einschätzung der Nutzungsintensität der Patienten und der objektiven Cockpit-Daten lagen im niedrigen bis moderaten Bereich. Stärkster Prädiktor zu den Messzeitpunkten T2 und T3 war der Summenwert im BDI-II zum Zeitpunkt T0, während die Nutzungsintensität höchstens einen geringen, aber statistisch nicht signifikanten Effekt hatte. Damit ist die Haupthypothese (Viel-Nutzer haben einen höheren Nutzen von Deprexis) widerlegt. Aus den Ergebnissen meiner Doktorarbeit können wir schließen, dass es zwar klinisch relevante Wirknachweise gibt, aber wegen fehlender statistisch signifikanter Unterschiede noch unklar ist, was genau die einzelnen Wirkfaktoren sind. Dadurch bleibt unklar, was genau zu einer Wirkung bei den einzelnen Patienten beiträgt. Ausschließlich quantitative Auswertungen sind nicht ausreichend, da es offensichtlich sehr unterschiedliche Arten gibt, mit dem Programm zu arbeiten. Weitere qualitative Analysen von Interviewdaten darüber, was den Patienten geholfen hat und wie sie das Programm subjektiv genutzt haben, könnten weitere Erkenntnisse über Nutzungsmuster liefern, die die Wirkung des Online-Programms Deprexis verstärken. Als Zusatzvariable könnte der Einfluss der täglichen SMS-Nachrichten als Erinnerung an die Programmnutzung, die Teil des Programmes sind, sowie neben der Reduktion depressiver Symptome weitere Einflüsse von Deprexis beispielsweise auf die Steigerung des Wohlbefindens, des Selbstwertgefühls und der Lebensqualität noch genauer überprüft werden. Zukünftige Studien sollten zum einen symptomspezifische Effekte der Nutzungsintensität des Online-Programms untersuchen, zum anderen, wie Online-Programme konzipiert sein sollten, um sinnvoll in die reguläre stationäre und ambulante psychotherapeutische Versorgung integriert zu werden.
@phdthesis{doi:10.17170/kobra-202302077464, author ={Rottmann-Hagen, Karin}, title ={Zusammenhang der Nutzungshäufigkeit mit der Wirksamkeit eines angeleiteten Online-Selbsthilfeprogramms bei depressiven Patienten}, keywords ={150 and Selbsttherapie and Elektronische Medien and Programm and Depression and Patient and Effektivität and Nutzung}, copyright ={https://rightsstatements.org/page/InC/1.0/}, language ={de}, school={Kassel, Universität Kassel, Kassel, Fachbereich Humanwissenschaften, Institut für Erziehungswissenschaft}, year ={2022} }