Datum
2019-06Autor
Oehme, Holm KarlSchlagwort
300 Sozialwissenschaften, Soziologie Homo oeconomicusGesundheitsökonomieManaged CareDisease ManagementGesetzliche KrankenversicherungBerufssoziologieDeprofessionalisierungMetadata
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Dissertation
Steuerung im deutschen Gesundheitswesen?
Steuerung im deutschen Gesundheitswesen?
zum eigensinnigen Verhalten des ärztlichen Homo oeconomicus
Zusammenfassung
Die Dissertation widmet sich der Prüfung des – die deutsche gesundheitspolitische Diskussion dominierenden und maßgeblich von der orthodoxen Gesundheitsökonomie geprägten – Paradigmas der Steuerung ärztlichen Verhaltens mittels monetärer Anreize. Als „Prüfrahmen“ dienen die strukturierten Behandlungsprogramme (DMP) nach § 137f SGB V und die integrierte Versorgung (IV) nach §§ 140a ff. SGB V, die als deutsche Managed Care-Derivate maßgeblich von diesem Paradigma geleitet sind und, wie die Arbeit zeigt, in der Gesundheitspolitik wiederholt und nachhaltig auch so verhandelt worden sind – mit dem Ziel, zu einer Erhöhung von Qualität und Effizienz des Behandlungsgeschehens beizutragen bzw. den Ausgabenanstieg im Gesundheitswesen zu bremsen. Die Tragfähigkeit der für dieses Paradigma grundlegenden Vorstellung vom Berufsrollenträger als Homo oeconomicus wird Gegenstand einer empirischen Tiefenanalyse, die von einschlägigen professionssoziologischen Ansätzen angeleitet ist. Gezeigt wird zunächst, dass Daten zu den an DMP/IV-Vertragsärzte ausgeschütteten Extrahonoraren an der Erreichung der o. g. gesundheitspolitischen Ziele zweifeln lassen; bestätigt wird schon hier die professionstheoretisch plausible These von der Eigensinnigkeit der fraglichen Berufsgruppe. Die objektiv-hermeneutische Interpretation von Interviews (Protokollen) mit neun ÄrztInnen in intensivem Kontakt zu DMP/IV-Projekten untermauert dies und führt vor Augen, wie es dazu kommt bzw. kommen kann. In allen Fällen geht es um die Bewahrung der (relativen) fachlichen Autonomie, dem Hauptmerkmal einer Profession, sowie um das Fernhalten jeglicher „autonomiegefährdender“ Außeneinflüsse auf das eigene berufliche Handeln – und dies ungeachtet der ja grundsätzlich freiwilligen Entscheidung zur Teilnahme an den Projekten. Mit Blick auf dieses Paradoxon ließen sich im Sample vier Orientierungsmuster identifizieren, die den möglichen Hintergrund des entsprechenden ärztlichen Verhaltens (je unterschiedlich) kennzeichnen und mit folgenden Etiketten versehen wurden: 1) aktives Untertauchen, 2) aktives Ablenken, 3) aktive Selbstverwirklichung und 4) aktives Abschöpfen. Lediglich beim letztgenannten Muster erscheinen die Extrahonorare als Motiv bei der Entscheidung zur Teilnahme, wenngleich es auch hier nicht zu der seitens der DMP- bzw. IV-Protagonisten behaupteten Verhaltensänderung kam, sondern die Verfolgung ganz eigener Ziele im Vordergrund stand. Insgesamt plausibilisieren die Ergebnisse, dass das den Rahmen der vorherrschenden Ordnungspolitik bildende gesundheitsökonomische Modell zur Erklärung ärztlichen Handeln weitgehend ins Leere läuft, sich also die erhofften positiven Auswirkungen auf Qualität und Effizienz der Krankenversorgung und damit auch auf die Gesundheitsausgaben nicht einstellen können.
Zitieren
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